Erläuterungen
Allgemeiner Teil
Die Richtlinie (EU) 2019/1151 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht, ABl. Nr. L 186 vom 11.07.2019 S. 80 (Digitalisierungs-Richtlinie), wurde größtenteils mit dem Gesellschaftsrechtlichen Digitalisierungsgesetz 2022 (GesDigG 2022), BGBl. I Nr. 186/2022, umgesetzt. Mit dem vorliegenden Entwurf soll nun auch deren Art. 13i über „disqualifizierte Geschäftsführer“ in das nationale Recht übernommen werden, wobei diese Richtlinienbestimmung bis zum 1. August 2023 umzusetzen ist.
Erklärtes Ziel des Art. 13i ist es, betrügerisches oder anderweitig missbräuchliches Verhalten zu verhindern und damit den Schutz aller Personen sicherzustellen, die mit Gesellschaften interagieren, indem die Ernennung einer Person zum Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder zum Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft aus bestimmten Gründen abgelehnt werden kann („Disqualifikation“). Dazu haben die Mitgliedstaaten ein System zum grenzüberschreitenden Informationsaustausch über disqualifizierte Geschäftsführer einzurichten, wobei bereits auf Ebene der Gesellschaftsgründung sicherzustellen ist, dass Personen, die in der Vergangenheit bestimmte, näher zu konkretisierende verpönte Handlungen gesetzt haben, nicht als vertretungsbefugte Organe von Kapitalgesellschaften in das Firmenbuch eingetragen werden können. Dabei sind auch zum Ausschluss führende Verurteilungen zu berücksichtigen, die in anderen Mitgliedstaaten erfolgt sind; Disqualifikationen in anderen Mitgliedstaaten müssen jedoch nicht automatisch anerkannt werden.
Es erscheint geboten, auch für bereits als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder eingetragene Personen, die später disqualifiziert werden, entsprechende Rechtsfolgen vorzusehen. Außerdem soll die Regelung auch auf Vorstandsmitglieder von Genossenschaften erstreckt werden, deren Tätigkeit mit jener von Geschäftsführern einer GmbH und Vorstandsmitgliedern einer AG durchaus vergleichbar ist.
Die Mitgliedstaaten sind bei der Festlegung, welche Tatbestände eine Disqualifikation auslösen, grundsätzlich frei. Um ein hohes Maß an Rechtssicherheit zu gewährleisten, wird vorgeschlagen, die Disqualifikation als Rechtsfolge bestimmter rechtskräftiger strafgerichtlicher Verurteilungen vorzusehen; damit ist eine zusätzliche behördliche Entscheidung nicht erforderlich. Künftig haben die Firmenbuchgerichte daher zu überprüfen, ob Personen, die als vertretungsbefugte Organe eingetragen sind oder werden sollen, die Ausübung dieser Funktion nicht untersagt ist. Um den zusätzlichen Arbeitsaufwand für die Firmenbuchgerichte gering zu halten, soll – unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Erfordernisse – eine möglichst weitgehende Automationsunterstützung implementiert werden.
Auch die zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten der EU und des EWR müssen die Möglichkeit haben, über das System der Registervernetzung (BRIS) Informationen über eine geltende Disqualifikation oder Umstände anzufordern, die für die Disqualifikation in dem Mitgliedstaat, der die Anfrage erhalten hat, relevant sind; es besteht aber keine Verpflichtung, solche Informationen in jedem Fall anzufordern (Erwägungsgrund 24 der Digitalisierungs-RL). Für die Beantwortung solcher Anfragen aus anderen EU- oder EWR-Staaten soll österreichweit das Handelsgericht Wien zuständig sein, das dabei im Rahmen der Rechtshilfe tätig wird.
Kompetenzgrundlage:
Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes beruht auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens).
Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des GmbHG)
Zu Z 1 (§ 15 Abs. 1a und Abs. 1b):
Nach dem mit der Digitalisierungs-Richtlinie (EU) 2019/1152 neu eingefügten Art. 13i Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2017/1132 haben die Mitgliedstaaten Vorschriften vorzusehen, nach denen Geschäftsführer „disqualifiziert“ werden können. Damit ist gemeint, dass eine Person wegen eines bestimmten Verhaltens in der Vergangenheit eine gewisse Zeit lang nicht als vertretungsbefugtes Organ einer Kapitalgesellschaft tätig sein kann. Der Anwendungsbereich der Richtlinienbestimmung umfasst Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften. Darüber hinaus sollen über die Vorgaben der Richtlinie hinaus auch Vorstandsmitglieder von Genossenschaften in den nationalen Anwendungsbereich einbezogen werden. Dies erscheint im Hinblick auf die der GmbH angenäherte Organstruktur der Genossenschaften sachgerecht. Auch bei Genossenschaften besteht wie bei Kapitalgesellschaften keine Selbstorganschaft in dem Sinn, dass jeder Genossenschafter schon ob seiner Mitgliedschaft zur Geschäftsführung befugt und verpflichtet wäre (vgl. Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch zum Gesellschaftsrecht [2007] Rz 1632).
Die Richtlinie enthält keine näheren Vorgaben, welche Tatbestände eine Disqualifikation nach sich ziehen sollen; der Umfang der materiellen Bestellungshindernisse kann bzw. muss daher rein innerstaatlich geregelt werden. Die Disqualifikation soll als gesetzliche Rechtsfolge bestimmter rechtskräftiger, strafgerichtlicher Verurteilungen vorgesehen werden. Sie tritt damit ex lege ein, ohne dass es einer gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung darüber bedarf.
Um der besonderen Verantwortung der vertretungsbefugten Organe gegenüber Personen, die mit der Gesellschaft interagieren, gerecht zu werden, sollen grundsätzlich nur „wirtschaftsnahe“ Delikte relevant sein. Der vorgeschlagene Deliktskatalog nimmt darauf Bedacht, dass der Zweck der Geschäftsführer-Disqualifikation primär im Schutz der Allgemeinheit bzw. außenstehender Dritter vor einem „ungeeigneten“ Geschäftsführer zu sehen ist; Vermögensdelikte ohne typischen „Gesellschaftsbezug“ sollen daher an sich nicht einbezogen werden. Allerdings soll auch der Betrug, der zwar fallweise, aber nicht typischerweise von vertretungsbefugten Organen begangen wird, vom Deliktskatalog umfasst sein, weil bei einer derartigen Verurteilung generell nicht auf eine ordentliche und den Regeln des Wirtschaftslebens entsprechende Geschäftsführung vertraut werden kann. Keiner gesonderten Erwähnung im Gesetzestext bedürfen dabei der Schwere Betrug (§ 147 StGB) und der Gewerbsmäßige Betrug (§ 148 StGB), weil eine Verurteilung wegen einer Qualifikation stets mit einer Begehung des explizit erfassten Grunddelikts (Betrug nach § 146 StGB) verbunden ist.
Strafgerichtliche Verurteilungen sollen zudem erst dann zu einer Disqualifikation führen, wenn sie eine bestimmte Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Es wird vorgeschlagen, dass diese Grenze bei einer Verurteilung zu einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe liegt, unabhängig davon, ob diese Strafe unbedingt verhängt oder bedingt nachgesehen wurde. Schließlich würde eine solche Verurteilung wohl auch eine fristlose Beendigung eines allfälligen Dienstverhältnisses rechtfertigen. Dasselbe soll sinngemäß für derartige Verurteilungen im Ausland gelten (siehe Abs. 1b). Diese Erheblichkeitsschwelle gilt auch bei gemeinsamer Verurteilung wegen mehrerer strafbarer Handlungen, ohne dass es darauf ankommt, ob die zur Disqualifikation führende Straftat strafsatzbestimmend war. Dies einerseits, weil bei Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen eine einheitliche Strafe verhängt wird, sodass eine Differenzierung nicht vorgenommen werden kann; andererseits soll auch eine sonst mögliche Besserstellung von Straftätern dadurch verhindert werden, dass die Verurteilung zusätzlich zu einem zur Disqualifikation führenden Delikt auch wegen einer Straftat erfolgt, die eine höhere Strafobergrenze aufweist. Ist eine Disqualifikation aus spezial- oder generalpräventiven Gründen nicht erforderlich, kann gemäß § 44 Abs. 2 StGB die Rechtsfolge der Disqualifikation vom Strafgericht – unabhängig von der Hauptstrafe – bedingt nachgesehen werden.
Wie dies in der Literatur für die Rechtsfolge des Amtsverlustes bereits vertreten wird (vgl. Seiler in Birklbauer/Hilf/Konopatsch/Messner/Schwaighofer/Seiler/Tipold, Praxiskommentar StGB [1. Lfg. 2017] § 27 Rz 5), soll auch die Rechtsfolge der Disqualifikation nur dann eintreten, wenn die mehr als sechsmonatige Freiheitsstrafe in einer einzigen Verurteilung verhängt wurde. In Fällen, in denen eine Zusatzstrafe nach § 31 StGB verhängt wird, ist daher insofern keine Zusammenrechnung der verhängten Strafen vorzunehmen.
Die Rechtsfolge der Disqualifikation tritt ex lege ein; ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Verurteilung liegt also ein materielles Hindernis für die Bestellung zum Geschäftsführer oder die weitere Ausübung dieser Funktion vor. Personen, die nach Abs. 1a oder 1b disqualifiziert sind, dürfen also nicht Geschäftsführer werden oder bleiben. Eine disqualifizierte Person, die zum Geschäftsführer bestellt werden soll, hat dies daher – durch Hinweis auf das Bestellungshindernis – zu verhindern. Ein bereits bestellter Geschäftsführer muss nach dem vorgeschlagenen § 16a Abs. 3 GmbHG seinen Rücktritt erklären.
Ein Verstoß gegen diese Vorschriften bewirkt allerdings nicht, dass die Bestellung zum Geschäftsführer unwirksam wäre oder würde; daher sind auch Vertretungshandlungen eines an sich disqualifizierten Geschäftsführers grundsätzlich wirksam. Die Disqualifikation ist jedoch vom Firmenbuchgericht amtswegig zu beachten und stellt ein Eintragungshindernis dar; der Antrag auf die (nur deklarativ wirkende) Eintragung eines disqualifizierten Geschäftsführers ist daher abzuweisen. Bei einem bereits eingetragenen Geschäftsführer ist seine nachträgliche Disqualifikation ein Grund für ein Vorgehen nach § 19a Abs. 5 FBG.
Ein disqualifizierter Geschäftsführer darf daher nicht im Firmenbuch eingetragen werden oder bleiben. Kommt es allerdings dennoch zu einer solchen Eintragung oder wird sie nicht behoben, muss die Gesellschaft die an sich unrichtige bzw. unrichtig gewordene Eintragung im Geschäftsverkehr mit Dritten gegen sich gelten lassen (§ 15 Abs. 3 UGB).
Die Disqualifikation ist zeitlich mit drei Jahren befristet. Liegt die Rechtskraft der Verurteilung mehr als drei Jahre zurück, erlischt die Disqualifikation und die verurteilte Person darf wieder zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt werden.
Fällt das Bestellungshindernis nachträglich weg (etwa aufgrund einer nachträglichen Strafmilderung nach § 410 StPO iVm. § 31a StGB), so wird die verurteilte Person aufgrund der zeitlichen Abfolge in den meisten Fällen nicht (oder nicht mehr) als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied im Firmenbuch eingetragen sein. Nach Wegfall des Bestellungshindernisses kann jedoch ein neuer Antrag auf Eintragung gestellt werden; dabei wird es zweckmäßig sein, auf den Umstand der nachträglichen Strafmilderung explizit hinzuweisen.
Zu Z 2 (§ 16a Abs. 3):
Wenn eine zum Geschäftsführer bestellte Person disqualifiziert ist oder wird, muss sie unverzüglich ihren Rücktritt erklären. Obwohl die Disqualifikation an sich einen wichtigen Grund iSd. § 16a Abs. 1 zweiter Halbsatz GmbHG darstellt, soll der Rücktritt erst nach Ablauf von 14 Tagen wirksam werden, um der Gesellschaft Gelegenheit zu geben, erforderlichenfalls für einen geeigneten Ersatz zu sorgen.
Tritt der Geschäftsführer entgegen dieser Verpflichtung nicht von sich aus zurück, so kann seine Disqualifikation – sofern es zu keinem Widerruf der Bestellung nach § 16 Abs. 1 GmbHG kommt – selbstverständlich auch als wichtiger Grund für eine Abberufung nach § 16 Abs. 2 GmbHG herangezogen werden.
Zu Z 3 (§ 127):
Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten. Für die Disqualifikation als Geschäftsführer sollen jene strafgerichtlichen Verurteilungen maßgeblich sein, deren Rechtskraft nach dem 30. November 2023 eintritt.
Zu Artikel 2 (Änderung des AktG)
Zu Z 1 (§ 75 Abs. 2a, 2b und 2c):
Siehe die Erläuterungen zu §§ 15 und 16a GmbHG. Da der Rücktritt von Vorstandsmitgliedern im AktG nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, soll für den Sonderfall eines Rücktritts wegen Disqualifikation auf § 16a Abs. 3 GmbHG verwiesen werden. Tritt das Vorstandsmitglied entgegen dieser Verpflichtung nicht von sich aus zurück, so stellt seine Disqualifikation einen wichtigen Grund für eine Abberufung nach § 75 Abs. 4 AktG dar.
Zu Z 2 (§ 262):
Siehe Erläuterungen zu § 127 GmbHG.
Zu Artikel 3 (Änderung des GenG)
Zu Z 1 (§ 15 Abs. 2a, 2b und 2c):
Siehe die Erläuterungen zu §§ 15 und 16a GmbHG. Da der Rücktritt von Vorstandsmitgliedern im GenG nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, soll für den Sonderfall eines Rücktritts wegen Disqualifikation auf § 16a Abs. 3 GmbHG verwiesen werden. Darüber hinaus stellt die Disqualifikation einen wichtigen Grund für die Abberufung des Vorstandsmitglieds dar, sofern ein solcher nach der Satzung im Falle der Bestellung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat für den Widerruf der Bestellung erforderlich ist.
Zu Z 2 (§ 94l):
Siehe Erläuterungen zu § 127 GmbHG.
Zu Artikel 4 (Änderung des SE-Gesetzes)
Zu Z 1 (§ 59 Abs. 4):
Nach § 38 Abs. 3 SEG treffen Rechte und Pflichten, die den gesetzlichen Vertretern oder vertretungsbefugten Organen einer Aktiengesellschaft zugewiesen sind, den Verwaltungsrat. Damit gelten die Bestimmungen über die Disqualifikation von Vorstandsmitgliedern einer AG auch für die Mitglieder des Verwaltungsrats einer monistischen SE, auch wenn diese zu geschäftsführenden Direktoren bestellt werden. Durch die Verweisanpassung in § 59 Abs. 4 wird sichergestellt, dass die Regelungen des § 75 Abs. 2a, 2b und 2c AktG darüber hinaus auch auf zu geschäftsführenden Direktoren bestellte Dritte entsprechend anzuwenden sind.
Zu Z 2 (§ 67):
Siehe Erläuterungen zu § 127 GmbHG.
Zu Artikel 5 (Änderung des SCE-Gesetzes)
Zu Z 1 (25 Abs. 1a):
Nach § 24 Abs. 3 SCEG kommen die Rechte und Pflichten, die den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats einer Genossenschaft eingeräumt bzw. auferlegt werden, im monistischen System – sofern sie nicht den geschäftsführenden Direktoren zugewiesen werden – den Mitgliedern des Verwaltungsrats zu. Während für die Mitglieder des Verwaltungsrats (auch als geschäftsführende Direktoren) daher die Bestimmungen über die Disqualifikation nach § 15 Abs. 2a, 2b und 2c GenG ohnehin gelten, soll dies durch den neuen Abs. 1a auch für dritte geschäftsführende Direktoren ergänzt werden.
Zu Artikel 6 (Änderung des FBG)
Zu Z 1 (§ 3 Abs. 2a):
Informationen über die Staatsangehörigkeit und den Wohnsitzstaat von natürlichen Personen, die im Firmenbuch eingetragen werden, sind in zweierlei Hinsicht von Relevanz: Bei vertretungsbefugten Organen von Kapitalgesellschaften können diese Informationen einen wichtigen Anhaltspunkt für die Einholung von Informationen anderer Mitgliedstaaten über das System der Registervernetzung zur Prüfung einer allfälligen Disqualifikation von Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern durch die Firmenbuchgerichte (siehe § 19a FBG) darstellen. Außerdem werden diese zur Geldwäscheprävention wichtigen Informationen nach dem Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz (WiEReG) benötigt, wenn Gesellschafter oder Geschäftsführer als wirtschaftliche Eigentümer gelten.
Bei im Inland gemeldeten Personen ist Österreich (zumindest auch) Wohnsitzstaat; die Staatsangehörigkeit kann durch eine Abfrage des zentralen Melderegisters ermittelt werden. Bei Personen, die über keine aufrechte Meldung im Inland verfügen, stehen Informationen über ihre Staatsangehörigkeit und ihren Wohnsitzstaat hingegen bislang nicht zur Verfügung. Aufgrund eines neuen Abs. 2a sollen bei der Anmeldung solcher Personen zum Firmenbuch daher künftig auch die Staatsangehörigkeit und der Wohnsitzstaat anzugeben sein. Da diese Daten aber nur für interne Zwecke des Firmenbuchs sowie des Registers der wirtschaftlichen Eigentümer benötigt werden und für die Allgemeinheit nicht unmittelbar relevant sind, sollen sie nicht in das Firmenbuch eingetragen werden; sie scheinen daher auch im Firmenbuchauszug nicht auf. Die Daten müssen jedoch in der Firmenbuch-Applikation gespeichert werden, damit sie im Wege des Unternehmensregisters auch in das Register der wirtschaftlichen Eigentümer übernommen werden können.
Zu Z 2 (§ 19a):
Durch Abs. 1 dieser neuen Bestimmung soll sichergestellt werden, dass Personen, die nach § 15 Abs. 1a oder Abs. 1b GmbHG nicht zum Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder nach § 75 Abs. 2a oder 2b AktG bzw. § 15 Abs. 2a oder 2b GenG nicht zum Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft bzw. nicht zum Verwaltungsratsmitglied oder geschäftsführenden Direktor einer Europäischen Gesellschaft (SE) oder Europäischen Genossenschaft (SCE) bestellt werden dürfen, in dieser Funktion nicht im Firmenbuch eingetragen werden. Bei Neuanmeldungen von GmbH-Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern einer AG oder Genossenschaft hat das Firmenbuchgericht daher künftig amtswegig zu prüfen, ob die Person disqualifiziert ist. Stellt sich dabei heraus, dass die als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied angemeldete Person disqualifiziert ist, so ist die Eintragung abzulehnen.
Für diese Prüfung hat jedenfalls eine Abfrage des Strafregisters zu erfolgen, die auch automationsunterstützt erfolgen kann. Soweit dies erforderlich erscheint, können die Firmenbuchgerichte – die bereits am automatischen Informationsaustausch zwischen den Unternehmensregistern der Mitgliedstaaten teilnehmen – gemäß Abs. 2 zusätzlich auch Informationen anderer Mitgliedstaaten über allfällige Disqualifikationen über das BRIS einholen (Ersuchen nach Artikel 13i der Richtlinie (EU) 2017/1132 gegenüber anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum). Dabei wird der Fokus auf jene Staaten zu legen sein, zu denen ein besonderer Bezug der betreffenden Person – insbesondere durch Wohnsitz oder Staatsangehörigkeit – besteht.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Rechtsfolge der Disqualifikation vom Strafgericht bedingt nachgesehen werden (§ 44 Abs. 2 StGB), was aus dem Strafregister jedoch nicht ersichtlich ist. Daher muss in einem solchen Fall gemäß Abs. 3 in der Anmeldung zum Firmenbuch eine entsprechende Angabe samt Nachweis erfolgen.
Auch die spätere Disqualifikation einer bereits als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied eingetragenen Person soll letztlich dazu führen, dass diese Person ihre Funktion nicht mehr ausüben kann. Zu diesem Zweck soll gemäß Abs. 4 bei jeder qualifikationsrelevanten Verurteilung ein automationsunterstützter Abgleich der Strafkarte mit dem Firmenbuch stattfinden, um festzustellen, ob die verurteilte Person als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied im Firmenbuch eingetragen ist. Ist dies der Fall, so ist das zuständige Firmenbuchgericht von der Disqualifikation automationsunterstützt zu verständigen. Das Entscheidungsorgan hat sodann durch Einsicht in das Strafregister nochmals zu überprüfen, ob die Disqualifikationsvoraussetzungen tatsächlich erfüllt sind (Abs. 5). Ist dies der Fall, soll der Gesellschaft zunächst die Möglichkeit gegeben werden, selbst entsprechende Maßnahmen zu ergreifen: Sie ist daher vom Firmenbuchgericht aufzufordern, unverzüglich, spätestens aber innerhalb einer vom Gericht zu bemessenden Frist von längstens zwei Monaten ab Aufforderung, die disqualifizierte Person als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied abzuberufen und – wenn dies erforderlich ist (z.B. weil der disqualifizierte zugleich der einzige Geschäftsführer ist) – für einen anderen Vertreter zu sorgen.
Kommt die Gesellschaft dieser Aufforderung nicht fristgerecht nach, so ist die disqualifizierte Person zum Schutz des Rechtsverkehrs und zur Bereinigung des Firmenbuchs amtswegig zu löschen. Nach Rechtskraft des Löschungsbeschlusses und Ablauf der Frist des § 15 Abs. 2 UGB gilt die Person auch als abberufen und kann daher keine wirksamen Vertretungshandlungen für die Gesellschaft mehr vornehmen. Damit die Gesellschaft diese Rechtsfolge bewusst ist, hat das Gericht diese im Löschungsbeschluss ausdrücklich darauf hinzuweisen.
Abs. 6 regelt – analog zu Abs. 3 – den Fall, dass einer bereits als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied eingetragenen Person die Rechtsfolge der Disqualifikation vom Strafgericht bedingt nachgesehen wurde. Nach Abs. 7 können zu den in § 19a vorgesehenen automationsunterstützten Abfragen und Verständigungen nähere Regelungen in einer Verordnung der Bundesministerin für Justiz getroffen werden.
Zu Z 3 (§ 38):
Art. 13i Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2017/1132 sieht den grenzüberschreitenden Informationsaustausch mit anderen Mitgliedstaaten der EU oder mit Vertragsstaaten des EWR über das System der Registervernetzung (BRIS) vor. Die detaillierten Modalitäten und technischen Einzelheiten für den Austausch von Informationen über disqualifizierte Geschäftsführer ergeben sich aus der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1042 in Bezug auf technische Spezifikationen und Verfahren für das System der Registervernetzung, ABl. Nr. L 225 vom 25.06.2021 S. 7.
Der vorgesehene Informationsaustausch erstreckt sich auf Fälle, in denen eine Person aufgrund einer Entscheidung eines Gerichts oder einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats gemäß dessen nationalem Recht für eine Tätigkeit als Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft disqualifiziert ist. Der Informationsaustausch bezieht sich jedoch nicht auf Fälle, in denen eine Person nach nationalem Recht allgemein geschäftsunfähig ist oder aufgrund einer Entscheidung eines Gerichts oder einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats gemäß dessen nationalem Recht in ihrer allgemeinen Rechtsfähigkeit eingeschränkt ist und daher nicht Geschäftsführer einer Gesellschaft werden kann. Ebenso wenig werden Fälle umfasst, die auf besonderen Vorschriften des Unionsrechts beruhen, wie z. B. den Vorschriften in Bezug auf Eignung und Verhalten gemäß Art. 91 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, ABl. Nr. L 176 vom 27.06.2013 S. 338 (siehe Punkt 16.1 des Anhangs zur Durchführungsverordnung).
Der ersuchende Mitgliedstaat entscheidet, an welchen Mitgliedstaat bzw. welche Mitgliedstaaten die Abfrage gerichtet wird. Die Abfragen sind so zu stellen, dass ein wirksamer, effizienter und rascher Informationsaustausch ermöglicht wird. Jede Abfrage betrifft nur eine Person und liefert die Daten zur Identifizierung dieser Person (Punkt 16.2.1.1. des Anhangs). In der Praxis wird es daher regelmäßig nur dann zu einer Abfrage kommen, wenn ein konkreter Anhaltspunkt für einen besonderen Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat besteht.
Die Zuständigkeit für den grenzüberschreitenden Informationsaustausch soll beim Handelsgericht Wien – als dem größten in Firmenbuchsachen tätigen Gericht in Österreich – zentralisiert werden. Auch wenn nicht vorausgesetzt wird, dass die angefragten Personen im österreichischen Firmenbuch überhaupt aufscheinen, ist die Überprüfung und Beantwortung als Angelegenheit der Rechtshilfe in Firmenbuchsachen anzusehen. Die Erteilung der Antwort hat nach den europäischen Vorgaben unverzüglich über das BRIS („1. Ebene“) zu erfolgen. Sind weitere Informationen zur Feststellung der Personenidentität erforderlich, kann das Entscheidungsorgan diese von der anfragenden Stelle anfordern.
Die Antwort beschränkt sich auf eine Auskunft darüber, ob hinsichtlich einer bestimmten Person im österreichischen Strafregister eine Verurteilung aufscheint, die eine Disqualifikation nach § 15 Abs. 1a oder 1b GmbHG, nach § 75 Abs. 2a oder 2b AktG oder nach § 15 Abs. 2a oder 2b GenG bewirkt (ja/nein). Ist die Person disqualifiziert, so ist der Antwort auch eine allgemeine Information über die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Disqualifikation nach österreichischem Recht anzuschließen. Darüber hinaus müssen keine Informationen über das BRIS bereitgestellt werden. Sollte die anfragende Stelle weitere Informationen benötigen, muss sie andere Informationsquellen – etwa eine Abfrage über das European Criminal Register Information System (ECRIS) oder ein Auskunftsbegehren an das österreichische Strafregister – heranziehen.
Zu Z 4 (§ 43):
Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten.
Artikel 7 (Umsetzungshinweis)
Die Regelung stellt klar, welche unionsrechtliche Vorgabe durch dieses Bundesgesetz umgesetzt wird.