Erläuterungen

Bundesgesetz über die höhere berufliche Bildung (HBB-Gesetz)

Allgemeiner Teil

Das geplante neue Bundesgesetz zur Einrichtung der höheren beruflichen Bildung soll einen formalen (gesetzlich eingerichteten) qualitätsorientierten Rahmen bereitstellen, um die Höherqualifikation am Arbeitsmarkt praxisorientiert und entsprechend den Anforderungen der betroffenen Branchen systemisch zu unterstützen. Ziel ist es, Fachkräfte in inhaltlicher Anknüpfung an ihre berufliche Erstausbildung oder bereits erworbene Berufspraxis nach transparenten Kriterien, evidenzbasiert und tätigkeitsbezogen weiterzubilden.

Durch die Anknüpfung an die Qualifizierungsniveaus ab Stufe 5 des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) und damit des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) sollen höhere berufspraktische Qualifikationen auch international vergleichbarer werden. Das würde u.a. bei internationalen Auftragsvergaben eine verbesserte Darstellung des Qualifikationsniveaus der zum Einsatz kommenden Fachkräfte österreichischer Unternehmen ermöglichen.

Im Kontext des lebensbegleitenden Lernens soll jenen rund 1,6 Mio. Österreichinnen und Österreichern zwischen 25 und 64, die eine abgeschlossene Lehre als höchsten Bildungsabschluss aufweisen, und jenen ca. 870.000 Personen, die nach dem Pflichtschulabschluss eine mehrjährige berufliche Erfahrung erworben haben, auf berufspraktischen Weg ein formaler Bildungsabschluss und, damit verbunden, gesellschaftliche Anerkennung ermöglicht werden (vgl. Statistik Austria: Bildung in Zahlen 2021/22, Tabellenband, 3.1 Bildungsstand der Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren, 1971 bis 2020). Gleichzeitig wird damit in vielen Berufsfeldern eine durchgängige Weiterbildungsperspektive mit formalen Bildungsabschlüssen geschaffen und die Wahl für einen Lehrberuf oder eine berufliche Ausbildung attraktiver.

Fachkräfte sollen v.a. dadurch profitieren, indem sie ihre berufliche Handlungskompetenz und ihr Know-How individuell erweitern können. HBB-Qualifikationen sollen somit auch die Vorbereitung berufstätiger Personen auf Leitungsaufgaben und spezialisierte fachliche Tätigkeiten in den Unternehmen unterstützen.

Als neues Segment im österreichischen Bildungssystem sollen Qualifikationen der höheren beruflichen Bildung nach diesem Bundesgesetz ein berufspraktisches Angebot der beruflichen Weiterbildung für praxisorientierte Lerntypen im Arbeitsleben bieten. Von bestehenden Angeboten sollen sie sich durch die Verbindung von Lernen und Arbeiten, eine überwiegend induktiv-praktische Didaktik, Learning on-the-job und die Anleitung von Praktiker/innen für Praktiker/innen unterscheiden. Lernorte sind Arbeitsort und Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung. Die Lernergebnisse sollen durch den Bedarf des Arbeitsmarkts definiert werden. Die Qualitätssicherung soll im strukturierten Zusammenwirken von Qualifikationsanbieter und Validierungs- und Prüfungsstellen sowie in Vorbereitungskursen durch qualitätsgesicherte Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung erfolgen.

Um die neuen Bildungsangebote nachhaltig zu gestalten und im jeweiligen Branchenumfeld breite Akzeptanz zu gewährleisten, sollen bei der Entwicklung der Qualifikationsstandards Expertinnen und Experten der jeweiligen Berufe und Branchen, die Sozialpartner und die Berufsbildungsforschung eingebunden werden.

Das HBB-Gesetz soll damit einen wesentlichen Beitrag leisten, die für die Bewältigung der Herausforderungen der kommenden Jahre (und Jahrzehnte), insb. betreffend Know-How in den Bereichen Digitalisierung, Klimaschutz und Nachhaltigkeit, erforderlichen Kompetenzen in transparenten Verfahren anforderungsgerecht inhaltlich und strukturell weiterzuentwickeln. Unternehmen sollen aufgrund der einzuhaltenden Qualitätskriterien die berufliche Weiterbildung und Entwicklung ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen besser unterstützen können.

Qualifikationen, die aufgrund des neuen Gesetztes eingerichtet werden, sollen auf die unmittelbare berufliche Anwendung fokussieren. Im Unterschied zu den Bestimmungen zu den Zielen und leitenden Grundsätzen der Fachhochschulen (§ 3 FHG) sollen HBB-Qualifikationen kein wissenschaftlich orientierter Bildungsweg, sondern aufgrund nachgewiesener Evidenz nachgefragte Kompetenzen, die zur unmittelbaren Berufsausübung erforderlich sind, zugrunde liegen. Die Vermittlung von HBB-Qualifikationen erfolgt nicht im hochschulischen Kontext und nicht auf Grundlage der Regelungen für den Europäischen Hochschulraum (Bologna-Prozess / Dublin-Deskriptoren), sondern überwiegend in der betrieblichen Praxis und durch ergänzende fachspezifische Ausbildungsangebote der beruflichen Erwachsenenbildung.

Das HBB-Gesetz soll damit auch die gesetzlichen Voraussetzungen zur Etablierung eines neuen Systems der formalen Anerkennung beruflicher Praxis auf NQR-Qualifikationsniveau 6 nach dem Vorbild der Zertifizierung zur Ingenieurin oder zum Ingenieur gemäß IngG 2017, insb. für kaufmännische, touristische und sozialwirtschaftliche Berufe, schaffen.

Mit dem neuen Bundesgesetz soll Österreich auch den Zielen der von allen Mitgliedstaaten der EU im November 2020 angenommenen Osnabrücker Erklärung entsprechen, die den Ausbau der beruflichen Bildung auf den höheren EQR-Stufen vorsieht (publiziert u.a. auf der Website von CEDEFOP – Europäischen Zentrums für die Berufsbildung der Europäischen Union).

Die durch die Einführung des neuen Gesetzes bedingten Kostenfolgen für den öffentlichen Haushalt betreffen zusätzliche Personalressourcen im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft zur Vollziehung der vorgesehenen Verfahren sowie Werkleistungen für wissenschaftliche Begleitung und Bildungsdokumentation. Hinsichtlich der Details ist auf die Wirkungsorientierte Folgenabschätzung zu verweisen.

Das Inkrafttreten ist für den auf die Kundmachung folgenden Tag, frühestens jedoch für den 1. Jänner 2024 geplant.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Ziffer 8 B-VG (Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Da die Vergabe von Qualifikationen (Validierungs- und Prüfungsverfahren) durch eigene, mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft ermächtigte Stellen im Namen des Bundes erfolgen soll, ist das Verfahren gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG (Kundmachung mit Zustimmung der Länder) einzuhalten.

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Keine.

Besonderer Teil

Zu § 1 – Ziel und Gegenstand

Das HBB-Gesetz soll als Rahmengesetz für Entwicklung, Gestaltung, Einrichtung und Erwerb von Qualifikationen gemäß § 2 NQR-Gesetz, BGBl I Nr. 14/2016, d.h. für Prüfungen und andere Formen der Validierung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen, dienen. Die aufgrund der neuen gesetzlichen Grundlage einzurichtenden Qualifikationen und damit die zu erfüllenden Anforderungen an das Erlangen einer Qualifikation haben sich an den Qualifikationsniveaus (ab Niveau 5) und den allgemeinen Deskriptoren des NQR sowie den von diesen abgeleiteten qualifikationsspezifischen Detaildeskriptoren gemäß Anlage 1 zu orientieren. Die Vorbereitung erfolgt – idealtypisch – im beruflichen Kontext durch informelles Lernen sowie – ergänzend – durch (non-formale) Vorbereitungsangebote in Bildungseinrichtungen der privaten und beruflichen Erwachsenenbildung. Inhaltlich (d.h. in der Beschreibung der Lernergebnisse) müssen Qualifikationen gemäß diesem Bundesgesetz auf einer beruflichen Erstausbildung (ab Sekundarstufe 2, Lehrabschluss, BMS, BHS) und / oder qualifikationsrelevanter Berufserfahrung aufbauen. Referenzen für Struktur und Gestaltung der neuen Qualifikationen sind insbesondere die Meister- und Befähigungsprüfungen (§§ 20ff GewO) und die Ingenieur-Qualifikation (IngG 2017).

Die formale Zuordnung zum jeweiligen NQR-Qualifikationsniveau erfolgt gemäß den Bestimmungen des NQR-Gesetzes im Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft (§ 8 des NQR-Gesetzes, BGBl. I Nr. 14/2016).

Zu den §§ 2 bis 8 – Einführung von Qualifikationen der Höheren Beruflichen Bildung

Zu den §§ 2 – Qualifikationsanbieter

Die fachliche Entwicklung und Einrichtung von HBB-Qualifikationen obliegt einerseits den fachlich zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen und andererseits dem Bund als Qualifikationsanbieter (qualifikationsdefinierende und -verantwortliche Stellen, vgl. die Legaldefinition zum Begriff „Qualifikationsanbieter“ in § 2 Z 6 des NQR-Gesetzes).

Als Qualifikationsanbieter kommen gem. § 2 Abs. 1 demgemäß in Frage:

Ziffer 1

Einrichtungen der gesetzlichen Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, jeweils im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit des eigenen Wirkungsbereiches (im übertragenen Wirkungsbereich gem. Art. 120b B-VG).

Ziffer 2

Der Bund, vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft.

Ziffer 1 umfasst die fachzuständigen Einrichtungen der Wirtschaftskammer- und der Arbeiterkammerorganisation sowie die gesetzlichen Interessenvertretungen der freien Berufe hinsichtlich ihres jeweiligen gesetzlichen eigenen Wirkungsbereiches.

Ziffer 2 betrifft Qualifikationen, die unmittelbar durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft für den Bund eingerichtet werden. Dieser hat, unbeschadet seiner verfassungsrechtlichen Letztverantwortung (Ministerverantwortlichkeit, Art. 142 B-VG), Vorschläge anderer Bundesministerinnen oder Bundesminister nach Möglichkeit (unterstützend) aufzugreifen und die Art und Weise der Berücksichtigung zu begründen. Unter diese Regelung fallen zB Qualifikationen, die auf Initiative eines Bundesministeriums entwickelt werden und für berufsbildende höhere Schulen im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit gemäß § 128c des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962 in der Fassung BGBl. I Nr. 165/2022, gemäß § 10 Abs. 1 dieses Bundesgesetzes als Validierungs- und Prüfungsstellen genannt und ermächtigt sind.

Qualifikationen gemäß Ziffer 1 benötigen die Zustimmung des Bundesministers oder der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft, wie sie auch bei Meister- und Befähigungsprüfungen vorgesehen ist (vgl. § 24 Abs. 3 GewO) und werden durch ihn oder sie im RIS kundgemacht (vgl. § 24 Abs. 4 GewO).

Der Bundesminister oder die Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft hat den Bundesminister oder die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung von einer beabsichtigten Zustimmung und somit Einrichtung einer neuen oder weiterentwickelten Qualifikation nachweislich zu informieren und ihm oder ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Dieser Bestimmung korrespondiert § 5 mit Einbeziehung des Bildungs- und Wissenschaftsressorts nach erfolgter Einreichung eines neuen Qualifikationsvorschlages.

Zu den §§ 3 und 4 – inhaltliche und prozessuale Anforderungen

Unabhängig davon, welcher Qualifikationsanbieter eine Qualifikation einrichten möchte, sind die in § 3 vorgesehenen inhaltlichen Kriterien für HBB-Qualifikationen und die in § 4 vorgesehenen prozessualen Anforderungen zu erfüllen. Dazu zählen (zusammenfassend):

Inhaltliche Anforderungen (§ 3)

Zu Absatz 1: Orientierung an den von den NQR-Deskriptoren (Anhang 1 des NQR-Gesetzes) abgeleiteten HBB-Deskriptoren und lernergebnisorientierte Beschreibung der zu überprüfenden Kompetenzen.

Zu Absatz 2 – Bedarf am Arbeitsmarkt: Qualifikationen sollen sich sowohl an bestehenden als auch an prognostizierten und absehbaren Anforderungen am Arbeitsmarkt orientieren und dabei insbesondere Klimaziele berücksichtigen. Bei Bedarfserhebung sind klimarelevante Potentiale der beruflichen Tätigkeiten, auf die die jeweilige Qualifikation vorbereitet oder hinführt, zu erheben.

Zu Absatz 3: Inhaltliche Anknüpfung an berufliche Erstausbildung oder mehrjährige qualifikationsbezogene Praxis.

Zu Absatz 4: Das HBB-Gesetz soll einen wesentlichen Beitrag leisten, die für die Energiewende sowie eine klimagerechte und nachhaltige Wirtschaft relevanten Qualifikationen und Kompetenzen zu fördern. Daher sollen alle neuen Qualifikationen unter diesen Aspekt geprüft werden und die darauf bezugnehmenden Lernergebnisse beinhalten. In die Entwicklungsarbeiten sind auch entsprechende Experten und Expertinnen (siehe oben) einzubeziehen.

Zu Absatz 5 – Bestimmungen für das Validierungs- oder Prüfungsgeschehen: Das Validierungs- oder Prüfungsverfahren hat durch unabhängige Kommissionen zu erfolgen. Bereits in der Definition der Qualifikation sind die von den Kommissionen heranzuziehenden Beurteilungskriterien und die wesentlichen Verfahrenselemente festzulegen. Dazu zählen (jedenfalls) die Dokumentation des Prüfungsgeschehens, die Möglichkeit zur Wiederholung der Validierung / Prüfung und zur Beschwerde gegen Beurteilungen der Validierungs- oder Prüfungskommissionen an (von diesen) unabhängigen Stellen im internen Bereich (unbeschadet der Möglichkeit zur Beschwerde an das Verwaltungsgericht, vgl. § 11 Abs. 6) sowie die zu erwarteten Kosten für den Qualifikationswerber / die Qualifikationswerberin.

Zu Absatz 6: Vorgesehen ist, dass die geplanten konkreten Validierungs- und Prüfungsstellen bereits bei der Definition einer neuen Qualifikation vom Qualifikationsanbieter benannt werden. Dies schließt nicht aus, dass weitere Institutionen mit der Führung einer entsprechenden Validierungs- und Prüfungsstelle betraut werden.

Zu Absatz 7: Neben einer gesicherten Verfügbarkeit von Information und Beratung der Zielgruppen über eine Qualifikation soll mit einem Konzept auch die Integration in bestehende Instrumente der Bildungs- und Berufsberatung erleichtert werden.

Zu Absatz 8: Die verpflichtende externe Evaluierung einer Qualifikation nach Einführung sowie in weiterer Folge mind. alle sieben Jahre bezweckt die Sicherstellung der Aktualität der Lernergebnisse und ihr (weiterer) Nutzen nach den Gesichtspunkten des Arbeitsmarktes sowie die Überprüfung der Eignung des Validierungs- oder Prüfungsverfahrens. Für den Fall, dass die Ergebnisse einer Evaluierung nahelegen, dass die Arbeitsmarktrelevanz einer Qualifikation nicht (mehr) vorliegt, obliegt es dem Bundesminister oder Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft, entsprechende Schritte zu setzen, bis zur Außerkraftsetzung einer Verordnung oder zum Widerruf der Zustimmung gemäß § 2. Die Beauftragung einer geeigneten wissenschaftlichen Einrichtung obliegt dem Qualifikationsanbieter. Die Studie mit den Evaluierungsergebnissen ist an den Beirat zu übermitteln.

Prozessuale Anforderungen (§ 4):

Zu Absatz 1: Erarbeitung von Qualifikationen in Entwicklungsteams unter Beiziehung von

           1. mind. einer Expertin oder einem Experten, die über entsprechende Erfahrung in der Qualifikationsentwicklung des Berufsbereiches verfügt,

           2. den fachlich zuständigen Sozialpartnereinrichtungen,

           3. der Berufsbildungsforschung und

           4. der in Aussicht genommenen Validierungs- und Prüfungsstelle(n).

Bei den angeführten einzubeziehenden Personen und Institutionen handelt es sich um ein gesetzliches Mindesterfordernis für den Entwicklungsprozess einer Qualifikation. Der Qualifikationsanbieter kann darüber hinaus auch weitere Personen oder Einrichtungen hinzuziehen, sofern dies aus seiner Sicht zweckmäßig ist, wie zB für allfällige Vorbereitungskurse in Frage kommende Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung.

Zu Absatz 3: Berücksichtigung verwandter Branchen / Berufsbereiche und – erforderlichenfalls – Einholung von Stellungnahmen oder Gutachten.

Zu Absatz 4: Die Entwicklung einer neuen Qualifikation ist durch eine vom Bundesminister oder Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft zu bestätigende wissenschaftliche Einrichtung (mit Expertise in F&E im Bereich der beruflichen Bildung) zu begleiten.

Zu Absatz 5: Diese Bestimmung soll die Transparenz und Validität der Verfahren durch die Publikation begleitender Dokumente wie zB zu digitalen Prüfungselementen, zu projektbezogenem Prüfen, zur Ausgestaltung von Expertengesprächen für Validierungen oder zu den Beurteilungsschemata unterstützen.

Zu Absatz 6: Diese Verordnungsermächtigung für den Bundesminister oder die Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft soll die Grundlage für allfällige weitere, aufgrund von Erfahrungswerten notwendige oder nützliche Entwicklungs- oder Gestaltungselemente bilden. Vor Erlassung einer Verordnung aufgrund dieser Bestimmung ist der Beirat (§ 6) zu befassen.

Zu § 5 – Begutachtung durch den Bundesminister oder die Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft

Diese Bestimmung soll festlegen, dass das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft eingegangene Qualifikationsvorschläge zu prüfen und eine entsprechende Empfehlung zu erstellen hat. Im Hinblick auf die umfassende Einbindung des Bildungsressorts, u.a. zur Sicherstellung der Kohärenz der Abschlüsse mit anderen tertiären oder post-sekundären Bildungsangeboten, ist das Bildungsministerium vom Ergebnis dieser Prüfung samt der ausgearbeiteten Empfehlung mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zu informieren. Erst danach erfolgt die Befassung des Beirats.

Zu § 6 – Beirat

Gemäß § 6 des Entwurfes soll ein Beirat mit 15 Mitgliedern und 15 Ersatzmitgliedern eingerichtet werden, in dem die verschiedenen Bundesministerien mit (möglichen) thematischen Berührungspunkten, die Verbindungsstelle der Bundesländer, die fachlich in Frage kommenden Sozialpartner, die Industriellenvereinigung und die Bundesanstalt Statistik Austria vertreten sein sollen. Dem Beirat soll eine systemische Beratungsfunktion für den Bundesminister oder der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft zur Weiterentwicklung des Gesamtsystems, insb. im Hinblick auf qualitätsrelevante Maßnahmen und die Kohärenz der höheren beruflichen Bildung im Kontext der österreichischen und internationalen Berufsbildung zukommen.

Der Entwurf sieht daher vor, dass der Beirat, nach Prüfung und Empfehlung durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, von geplanten neuen Qualifikationen zu informieren ist und die Möglichkeit zu einer binnen einer Frist von mindestens zwei Monaten abzugebenden Stellungnahme erhält (Abs. 4). Allfällige Empfehlungen des Beirats sollen dem Qualifikationsanbieter, ebenfalls mit einer Möglichkeit zur Stellungnahme, übermittelt werden (Abs. 5).

Der Beirat soll Beschlüsse mit einfacher Mehrheit bei Abstimmungsteilnahme von mindestens der Hälfte der Mitglieder oder Ersatzmitglieder fassen. Weitere Modalitäten, insb. zu Einberufung, Vorsitz, Geschäftsführung und Beschlussfassung, sollen in einer Geschäftsordnung des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft, die im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung zu erlassen ist, festgelegt werden.

Die weiteren Bestimmungen dieses Paragraphen beziehen sich auf die Möglichkeit der Beiziehung externer Experten und Expertinnen, Unvereinbarkeiten und die Festlegung der ehrenamtlichen Funktionsausübung.

Zu § 7 – Befassung anderer Bundesministerien

Für den Fall, dass geplante Qualifikationen die Zuständigkeit eines anderen Bundesministers oder einer anderen Bundesministerin thematisch berühren – bspw. wenn eine Qualifikation zum Gesundheitswesen oder zur Land- und Forstwirtschaft inhaltliche Bezugspunkte aufweist, unabhängig von allfälligen gesetzlichen Grundlagen –, sieht der Entwurf vor, dass ihr oder ihm die entsprechenden Unterlagen vor Befassung des Beirats mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zu übermitteln sind.

Zu den § 8 und 15 – Abschlussbezeichnungen

Die Abschlussbezeichnungen sollen Personen, die erfolgreich ein Validierungs- oder Prüfungsverfahren absolviert haben, die Möglichkeit bieten, ihre Qualifikation, das entsprechende Qualifikationsniveau und die erworbenen Kompetenzen in einem bestimmten Fachbereich sichtbar zu machen. In systematischer Hinsicht soll damit im Rahmen der Qualifikationen gemäß diesem Bundesgesetz ein einheitliches Bezugssystem geschaffen werden, das die (formalen) berufspraktischen Bildungswege im Bildungswesen auf einen Blick ausweist.

Die Abschlussbezeichnungen sollen sich nach schweizerischem und deutschem Vorbild mittel- bis langfristig – im Kontext des Nationalen und Europäischen Qualifikationsrahmens – als gleichwertig, aber nicht gleichartig, zu hochschulischen Abschlüssen vergleichbarer Qualifikationsniveaus etablieren. Bestehende formale Qualifikationen der Berufsbildung mit eigener Rechtsgrundlage wie zB die Meister- und Befähigungsprüfungen (GewO) oder die Ingenieur-Qualifikation (IngG 2017) sollen weiterhin entsprechend der jeweiligen gesetzlichen Grundlage bezeichnet und somit diesbezüglich nicht berührt werden.

Die Abschlussbezeichnungen beziehen sich auf das mit dem jeweiligen NQR-Qualifikationsniveau verknüpfte HBB-Niveau (s. Anlage 1) und sollen einen (kurzen) Zusatz mit Bezug zum Fachgebiet der Qualifikation aufweisen (zB „Höhere Berufsqualifikation – Energieberatung & Energieplanung“). Um für alle Geschlechter gleichermaßen anwendbar zu sein, sollen die Bezeichnungen des Fachgebiets der Qualifikation in nicht-personenbezogener, geschlechtsneutraler Form formuliert werden (zB Energieberatung & Energieplanung, Applikationsentwicklung, Floristik, etc.).

Die Abschlussbezeichnungen dürfen sowohl ausgeschrieben, als auch in abgekürzter Form im privaten und geschäftlichen Verkehr verwenden werden und im Zusammenhang mit dem Namen geführt werden.

Die Bestimmungen zu Zuordnung und Zuordnungsverfahren gemäß dem NQR-Gesetz werden von den Bestimmungen zu den Abschlussbezeichnungen nicht berührt (s. dazu oben die Anmerkungen zu § 1).

Zur Unterstützung der internationalen Mobilität der Absolventinnen und Absolventen und zum detaillierten Nachweis ihrer, mit der Qualifikation verbundener Kompetenzen sollen die Validierungs- und Prüfungsstellen ein „Diploma Supplement“ in deutscher und englischer Sprache ausstellen können, welches die dem Erwerb der HBB-Qualifikation zu Grunde liegenden Lernergebnisse näher darstellt, im österreichischen Bildungssystem einordnet und auf international vergleichbare Qualifikationen referenziert.

In § 15 soll der verwaltungsstrafrechtliche Schutz der Abschlussbezeichnungen, vergleichbar den Bestimmungen des § 116 des Universitätsgesetztes 2022, geregelt werden.

Zu den §§ 9 bis 11 – Validierungs- und Prüfungsverfahren

Gemäß § 9 sind unter Validierung und Prüfung sämtliche Formen der Kompetenzfeststellung anhand festgelegter Lernergebnisse (Qualifikationsstandard) zu verstehen. Die Vergabe der Qualifikationen soll von Einrichtungen vorgenommen werden, die vom Bundesminister oder der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft mit Bescheid ermächtigt werden, die gemäß den Verordnungen zu den einzelnen Qualifikationen vorgesehenen Validierungs- und Prüfungsverfahren als beliehene Behörden durchzuführen (Validierungs- und Prüfungsstellen) (§ 10).

Für die Ermächtigung zur Führung einer Validierungs- und Prüfungsstelle sind folgende Zulassungsvoraussetzungen vorgesehen (§ 10 Abs. 2):

            – Expertise in bildungs- und berufsbezogenen Validierungen,

            – personelle und organisatorische Ausstattung,

            – Zugang zu Fachexpertinnen und Fachexperten zur Besetzung der Kommissionen.

            – Nachweis eines anerkannten Qualitätsmanagement-Systems (zB Ö-Cert oder andere national oder international etablierte Standards für die Validierung und Prüfung im Rahmen von Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung) und

            – Expertise im Umgang mit personenbezogenen Daten und Nachweis eines elektronischen Datenmanagementsystems, das den datenschutzrechtlichen Anforderungen entspricht.

Die Validierungs- und Prüfungsstellen müssen zum jeweiligen Qualifikationsanbieter eine funktionale und betriebliche Trennung aufweisen und sicherstellen, dass insb. die Mitglieder der Kommissionen nicht an der Entwicklung oder Einrichtung einer Qualifikation oder an der Durchführung vorbereitender Bildungsmaßnahmen mitgewirkt haben (§ 10 Abs. 3).

Die Validierungs- und Prüfungsstellen agieren damit als funktionelle Bundesbehörden und sind gegenüber dem Bundesminister oder der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft weisungsgebunden (§ 10 Abs. 4).

Die Validierungs- oder Prüfungsverfahren sollen durch weisungsfreie unabhängige Kommissionen erfolgen (§ 11 Abs. 1 und 2). Bei Bestehen der Validierung oder Prüfung ist die Ausstellung eines Zertifikats durch die Validierungs- und Prüfungsstelle vorgesehen; der Bundesminister oder der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft soll ein entsprechendes Muster vorgeben können. Im Fall eines negativen Ergebnisses soll die Validierungs- und Prüfungsstelle nach allgemeinen Regeln einen Bescheid gem. AVG mit entsprechender Rechtsmittelbelehrung (Beschwerde an das Verwaltungsgericht) ausstellen. Falls die Zulassung zum Validierungs- und Prüfungsverfahren aufgrund falscher Angaben oder aufgrund Vorlage falscher Urkunden erfolgte, kann das Zertifikat von der Validierungs- und Prüfungsstelle mit Bescheid aberkannt werden (§ 11 Abs. 3 bis 6).

Die Validierungs- und Prüfungsstellen haben das Verfahren zu dokumentieren und die Dokumente mit den Ergebnissen 60 Jahre aufzubewahren. Diese Frist orientiert sich an der Aufbewahrungspflicht für Aufzeichnungen und Prüfungsprotokolle an Schulen (§ 77a Schulunterrichtsgesetz, § 65a Schulunterrichtsgesetz). Nach Auslaufen der Frist können die Unterlagen einem Archiv übergeben werden (§ 11 Abs. 7).

Wird zur Vorbereitung des Erwerbs von Qualifikationen der höheren beruflichen Bildung gem. diesem Gesetz ein Lehrgang an einer Bildungseinrichtung der beruflichen Erwachsenenbildung eingerichtet, hat die Validierungs- und Prüfungsstelle auch zu prüfen, ob die betreffende Bildungseinrichtung über ein anerkanntes Qualitätsmanagementsystem (zB Ö-Cert oder andere national oder international etablierte Standards von Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung) verfügt (§ 11 Abs. 8).

Zu § 12 – Validierungs- und Prüfungstaxe

Die Validierungs- und Prüfungsstellen können für die Durchführung der Verfahren und zur Deckung ihres damit verbundenen Aufwandes eine Taxe auf privatrechtlicher Basis einheben. Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft kann mit Verordnung festlegen, dass ein Teil der Taxe für übergeordnete (systembezogene) Maßnahmen zur Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements – zB für die Zur-Verfügung-Stellung übergeordneter Analyseinstrumente wie die Befragung von Absolventinnen und Absolventen (graduate tracking) – zurückzustellen und auf Weisung des Bundesministers oder Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft zur Verfügung an die angegebene Stelle zu überweisen ist (Vgl. zur entsprechenden Systematik § 8 IngG 2017).

Zu § 13 – Datenmanagement

Für Steuerung und Analyse von Systematik und Wirkung der einzurichtenden Qualifikationen sind die zeitnahe und valide statistische Erhebung der Abschlüsse unerlässlich. Die entsprechende datenschutzrechtliche Grundlage zur Datenverarbeitung soll in § 13 Abs. 1 geregelt werden.

Absatz 2 soll die Übermittlung anonymer, nicht personenbezogener Daten an den Bundesminister oder der Bundesministerin für Arbeit und Wirtschaft, Absatz 3 die Übermittlung an die Bundesanstalt Statistik Austria zur Führung des Bildungsstandregisters regeln. Um die neuen Qualifikationen auch in der offiziellen, von der Bundesanstalt Statistik Austria zu erstellenden Bildungsstatistik abzubilden, ist weiters eine Novellierung des Bildungsdokumentationsgesetzes beabsichtigt.

Absatz 4 soll den Datenschutzverantwortlichen gem. Art. 4 Z 7 DSGVO festlegen.

Zu § 14 – Dachmarke

Zur Hebung der Sichtbarkeit höherer beruflicher Abschlüsse, insb. ihrer Vergleichbarkeit auf nationaler und europäischer Ebene, zur Förderung der Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Formen der Berufsbildung und zur Darstellung der prinzipiellen Gleichwertigkeit berufsorientierter und anderer Bildungswege auf denselben NQR-Qualifikationsniveaus soll „Höhere Berufliche Bildung“ als gemeinsame Dachmarke berufsorientierter Qualifikationen etabliert werden.

Demgemäß soll die Dachmarke sowohl die nach diesem Bundesgesetz eingerichteten oder bestehenden gesetzlichen berufspraktischen Qualifikationen (Meister- und Befähigungsprüfungen, Ingenieur-Qualifikation) als auch typischerweise im schulischen Kontext oder im Rahmen der beruflichen Weiterbildung erworbene Bildungsabschlüsse umfassen. Gemeinsame Grundlage sind ein Qualifikationsniveau, das der NQR-Stufe 5 oder darüber zugeordnet ist und die transparente Darstellung der Lernergebnisse. Im internationalen Vergleich sind diese Ausbildungen oder Abschlüsse dem Sektor Higher VET zuzuordnen. Der berufspraktische Qualifikationserwerb orientiert sich dabei in erster Linie am Bedarf des Arbeitsmarkts. Charakteristisch dafür ist die Verbindung von Lernen und Arbeiten, d.h. eine überwiegend induktiv-praktische Didaktik, Learning-on-the-Job und die Anleitung von Praktiker/innen für Praktiker/innen. Die Lernorte sind typischerweise der Arbeitsort und Bildungseirichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung.

Dem Beirat gemäß § 6 soll zur (grundsätzlichen) Gestaltung der Dachmarke, u.a. zu den umfassten Qualifikationen gemäß Abs. 2, vierter Spiegelstrich, ein Stellungnahmerecht zukommen.