Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Neugestaltung der Pauschalsätze des Verteidigerkostenbeitrags bei Freispruch (§ 393a StPO) und Einführung eines Pauschalkostenbeitrags bei Einstellung des Ermittlungsverfahrens (§ 196a StPO)

Eine Erweiterung des bestehenden Systems des Verteidigungskostenbeitrags wird unter dem Gesichtspunkt der bei Freisprüchen oftmals erheblichen Verteidigungskosten und der dafür nicht als ausreichend erachteten derzeitigen Höchstsätze seit langem von Literatur, Lehre und Praxis gefordert. Dementsprechend sieht das Regierungsprogramm der Bundesregierung 2020-2024 „Aus Verantwortung für Österreich“ den Punkt „Ersatz von Kosten im Falle eines Freispruchs im Strafverfahren erhöhen“ (S. 22) vor. In dieser Legislaturperiode haben sich alle Parlamentsparteien für eine Erhöhung des Verteidigungskostenbeitrags als Gebot der Gerechtigkeit ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund wird eine Neugestaltung und Ausweitung des bisherigen Systems des Verteidigungskostenbeitrags vorgeschlagen:

Künftig sollen weiterhin Pauschalkostenbeiträge, gegliedert nach den jeweils für das Hauptverfahren zuständigen Spruchkörpern (Schöffen- oder Geschworenengericht, Einzelrichter des Landesgerichts, Bezirksgericht), vorgesehen werden, diese aber zum einen deutlich erhöht und zum anderen mit der Möglichkeit einer Überschreitung für den Fall der längeren Dauer der Hauptverhandlung und einer weiteren derartigen Möglichkeit für den Fall extremen Umfangs des Verfahrens versehen werden. Mit dieser Um- und Neugestaltung sollen insbesondere bei Verfahren von größerem und außergewöhnlichem Umfang deutlich einzelfallgerechtere Entscheidungen hin zu einem adäquateren Zuspruch an Freigesprochene getroffen werden können.

Neben dieser Neugestaltung des Verteidigungskostenbeitrages im Falle des Freispruchs soll auch ein Ersatzanspruch bei Einstellung eines Ermittlungsverfahrens eingeführt werden. Auch hier soll die Möglichkeit bestehen, bei Verfahren von außergewöhnlichem Umfang oder besonderer Komplexität sowie extremem Umfang die eingeführten Höchstsätze zu überschreiten.

Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Strafrechtswesen).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Keines.

II. Besonderer Teil

Allgemeines:

Die Höhe der gesetzlich in § 393a Abs. 1 Z 1 bis 4 StPO festgelegten Obergrenzen für den Verteidigungskostenbeitrag stößt regelmäßig auf – vor allem rechtspolitische – Kritik (im Detail Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 393a Rz 13). Seitens der Literatur, der Lehre und der Praxis wird bereits seit langem gefordert, das System des Verteidigerkostenbeitrags zu erweitern (vgl. dazu exemplarisch Birklbauer, Zum Ersatz der Verteidigerkosten bei einem Freispruch, RZ 2001, 106; Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 393a Rz 15; Pilnacek, Strafrechtliches Entschädigungsgesetz im Spannungsverhältnis zu Art 6 EMRK, ÖJZ 2001, 552; Rohregger, Kollateralschäden im Strafverfahren – Was darf der Staat dem Beschuldigten zumuten?, JBl 2017, 219 ff; Swoboda, Die ganz legale Ausbeutung des Unschuldigen im Strafverfahren, ÖJZ 1994, 687 ff; Venier, Entscheidungsanmerkung zu OLG Innsbruck 7 Bs 563/00, AnwBl 2001, 281; Wess/Bachmann, Der Kostenersatz in Strafverfahren bei Freispruch im Lichte des Verfassungsrechts, ZWF 2016, 50; u.v.m.).

Vor dem Hintergrund der bei Freisprüchen oftmals erheblichen Verteidigungskosten und der dafür nicht als ausreichend erachteten derzeitigen Höchstsätze haben sich in dieser Legislaturperiode alle Parlamentsparteien für eine Erhöhung des Verteidigungskostenbeitrags als Gebot der Gerechtigkeit ausgesprochen.

Die letzte Anpassung der Höchstbeträge für den Ersatz von Verteidigungskosten erfolgte durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014 (StPRÄG 2014), BGBl. I Nr. 71/2014; die damalige Steigerung betrug rund 40,71 %. Durch die Schaffung eines größeren Spielraums sollten damit gerade bei Verfahren von außergewöhnlichem Umfang einzelfallgerechtere Entscheidungen ermöglicht werden (EBRV 181 BlgNR XXV. GP, 16f).

Eine Verpflichtung, dem bzw. der Freigesprochenen sämtliche Aufwendungen für seine bzw. ihre Verteidigung zu ersetzen, kann weder den geltenden Verfassungsbestimmungen noch der Judikatur des EGMR entnommen werden (s. auch Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 393a Rz 13 unter ausdrücklichem Hinweis auf OGH vom 11.11.2020, 14 Os 91/20v: „Im Übrigen gewährt Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK keinen Anspruch auf (vollen) Ersatz der von einem (rechtskräftig) Freigesprochenen aufgewendeten Verteidigerkosten [vgl. EGMR 1.4.2004, 69169/01, Reinmüller/Österreich; 26.1.1999, 38087/97, Hibbert/Niederlande; 26.3.1996, 17314/90, Leutscher/Niederlande; VfSlg 20.156; Peukert in Frowein/Peukert, EMRK3 Art. 6 Rz 272]).“.

Auch der VfGH hat die geltende Regelung des Verteidigungskostenbeitrags im Rahmen von Parteianträgen auf Normenkontrolle nach Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. d B-VG geprüft und als verfassungsrechtlich unbedenklich qualifiziert (VfGH vom 14.3.2017, G 405, 431, 452, 453/2016). Begründend führte der VfGH aus, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liege, ob er einem bzw. einer Angeklagten im Falle eines Freispruchs oder einer Einstellung einen Anspruch auf Ersatz seiner bzw. ihrer Verteidigungskosten einräume oder nicht. Der Gesetzgeber überschreite den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er dem bzw. der Angeklagten bei einem Freispruch oder einer Einstellung des Verfahrens keinen Anspruch auf Ersatz der aufgelaufenen Vertretungskosten einräume. Vor dem Hintergrund der Unbedenklichkeit der Kostentragungsregel des § 393 Abs. 1 StPO sei die betragsmäßige Beschränkung des Kostenersatzes in § 393a Abs. 1 StPO nur dahin zu prüfen, ob sie in sich unsachlich sei. Dies sei nicht der Fall: Das Anknüpfen an die im Regelfall von der Höhe der Strafdrohung abhängige Gerichtszuständigkeit bilde jedenfalls eine sachliche Grundlage für die Festlegung der jeweiligen Höchstbeträge. § 393a Abs. 1 StPO ermögliche überdies, dass der – grundsätzlich verschuldensunabhängig zuzuerkennende – Pauschalbeitrag in der Regel in einem angemessenen Verhältnis zu den in notwendiger und zweckmäßiger Weise aufgelaufenen Kosten der Verteidigung stehe. Dass es in letztlich überschaubaren (Einzel-)Fällen zu größeren, unter Umständen auch großen, Unterschieden zwischen dem zuerkannten Pauschalbeitrag und den tatsächlich entstandenen Kosten komme, ändere daran nichts. Aus Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK, der nur die Verfahrenshilfe betreffe, ergebe sich kein allgemeiner Anspruch eines bzw. einer Angeklagten auf Ersatz der aufgewendeten Verteidigungskosten im Falle eines Freispruchs oder einer Einstellung des Verfahrens.

Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll nunmehr das derzeit bestehende System des Verteidigungskostenbeitrages deutlich ausgeweitet und gleichzeitig auch dem Regierungsprogramm für die Jahre 2020 bis 2024 „Aus Verantwortung für Österreich“ Rechnung getragen werden, das unter dem Punkt „Zugang zur Justiz für alle Bürgerinnen und Bürger erleichtern“ (S. 22) das Ziel „Ersatz von Kosten im Falle eines Freispruchs im Strafverfahren erhöhen“ formuliert.

Grundsätzlich soll auch weiterhin an der Bemessung des Kostenbeitrags in Form von Pauschalkostenbeiträgen festgehalten werden, jedoch sollen diese nicht nur signifikant erhöht, sondern auch die Kriterien zur Bemessung des Pauschalkostenbeitrages innerhalb dieser Stufen neu definiert oder eingeführt werden. Darüber hinaus soll auch ein mehrstufiges Modell eingeführt werden, in dem für Strafverfahren, die über die üblichen Verfahren in Dauer, Komplexität oder Umfang hinausgehen, Überschreitungen dieser Pauschalbeiträge bei Vorliegen gesetzlich normierter Kriterien vorgesehen werden. Im Vergleich zu „typischen“ Verfahren einer Verfahrensart soll bei „großen“ Verfahren (die durch besonderen Aufwand oder Komplexität gekennzeichnet sind oder in denen die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens [§ 108a StPO] überschritten wurde) eine Überschreitung des Höchstsatzes um die Hälfte und bei „extremen“ Verfahren (die einen außergewöhnlichen Umfang aufweisen) der Höchstsatz auf das Doppelte erhöht werden können. Diese Abstufung soll dazu beitragen, den Besonderheiten großer und komplexer Verfahren, die in der Regel auch einen größeren Verteidigungsaufwand bedingen, besser Rechnung tragen zu können, sodass insgesamt eine deutlich einzelfallgerechtere Bemessung des Verteidigungskostenbeitrags erfolgen kann.

In Übereinstimmung mit den Ausführungen des VfGH in der oben genannten Entscheidung und im Einvernehmen mit dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) sollen auch weiterhin im Bereich des Hauptverfahrens unterschiedliche Höchstbeträge für die verschiedenen Spruchkörper festgelegt werden, tatsächlichen Gesichtspunkten folgend soll jedoch künftig für Schöffen- und Geschworenengerichte der gleiche Höchstsatz festgelegt werden. Ebenso soll ein Höchstbetrag bei Einstellung eines Ermittlungsverfahrens eingeführt werden.

Zu Z 1 bis Z 3 (Eintrag im Inhaltsverzeichnis zu § 196a, § 31 Abs. 1 Z 7 und § 196a StPO)

Wird ein Ermittlungsverfahren nach § 108 oder § 190 StPO eingestellt, so haben Beschuldigte nach der geltenden Rechtslage keinen Anspruch auf Ersatz der ihnen entstandenen Verteidigungskosten. Dies kann insbesondere in Ermittlungsverfahren, die überdurchschnittlich lange dauern oder in rechtlicher oder faktischer Hinsicht besonders aufwändig sind, zu einer unbilligen Belastung von Beschuldigten führen. Es wird daher vorgeschlagen, für den Fall der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens ebenso einen Beitrag des Bundes zu den Verteidigungskosten vorzusehen (§ 196a StPO).

Dieser Pauschalbeitrag soll – wie schon bisher im Falle eines Freispruchs (§ 393a StPO) – zum einen die nötig gewesenen und von dem bzw. der Beschuldigten wirklich bestrittenen Barauslagen und zum anderen einen pauschalen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers bzw. der Verteidigerin umfassen (Abs. 1). Wie derzeit soll in Fällen der Verfahrenshilfe ein Verteidigungskostenbeitrag freilich nicht zustehen, weil dafür ohnedies andere Regelungen (Pauschalvergütung des Bundes für Leistungen der nach § 45 RAO bestellten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte) bestehen. Im Einklang mit dem derzeitigen System des Verteidigungskostenbeitrags bei Freispruch sollen auch jedem bzw. jeder Beschuldigten im Fall der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens, auch dem bzw. der Unvertretenen, die Barauslagen im vollen Umfang zu ersetzen sein (vgl. Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 393a Rz 8).

Die Kriterien für die Bemessung des konkreten Pauschalkostenbeitrags sollen generell an die bereits im Rechtsbestand enthaltene Regelung des § 393a Abs. 1 StPO angelehnt, jedoch – wie auch dort (s. im Folgenden) – spezifischer und umfangreicher gefasst werden und grundsätzlich den Betrag von 6 000 Euro nicht übersteigen. Die Bemessung soll dabei konkret unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers bzw. der Verteidigerin festzusetzen sein.

Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten und gehen freilich mit dem Umfang der Verteidigung Hand in Hand. Beide Kriterien sind bereits derzeit bei der Überprüfung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens nach § 108a Abs. 3 StPO anzuwenden, es kann daher für ihre praktische Anwendung auf die Auslegung dieser Bestimmung zurückgegriffen werden (vgl. dazu etwa Pilnacek/Stricker in Fuchs/Ratz, WK StPO § 108a Rz 4, sowie Huber in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess (Hrsg), StPO - Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung (2020) zu § 108a StPO Rz 20). Ausschlaggebend sind daher also insb. der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl an Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegenden Sachverhalts, der in seiner Komplexität (von ganz einfachen Fällen wie einem einfachen Diebstahl oder einer gefährlichen Drohung bis hin zu umfangreichen Strafverfahren im Bereich der organisierten Kriminalität oder Wirtschaftsstrafverfahren von entsprechend höherer Komplexität) variieren kann und bei dem auch Aspekte wie bspw. die Art der wirtschaftlichen Verflechtungen (Schachtelfirmen, mehrfache Auslandsbeteiligungen), die Besonderheiten von schwer nachvollziehbaren Geldflüssen (unklare Geldverschiebungen in andere Länder) oder Sachverhaltskonstellationen, die die Ermittlungsarbeit erheblich aufwändig (Erfordernis von Sachverständigengutachten und Rechtshilfeersuchen) gestalten, zu berücksichtigen sind. Die ebenfalls in § 108a Abs. 3 StPO angeführte Anzahl der Beteiligten als Parameter für die Dauer des Ermittlungsverfahrens wurde in den vorliegenden Entwurf dabei nicht explizit als Kriterium übernommen, weil diese jedenfalls bereits durch das Kriterium des Umfangs der Ermittlungen erfasst ist.

Die Bemessung des Beitrags zu den Kosten der Verteidigung steht freilich auch weiterhin unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw. der einzelnen Verteidigungshandlungen; Verteidigungshandlungen, die diese Kriterien nicht erfüllen, können angesichts der vorgeschlagenen, dem geltenden § 393a Abs. 1 StPO entnommenen Formulierung, die auf der Tatsache beruht, dass es sich bei dem Verteidigungskostenbeitrag um eine Leistung des Bundes handelt, bei dessen Bemessung die für die Gebarung des Bundes geltenden Kriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu beachten sind, bei der Bemessung des Kostenersatzbeitrags nicht berücksichtigt werden. Auch in Verfahren, die gegen mehrere Beschuldigte geführt werden, können freilich nur jene Verteidigungshandlungen für die Bemessung des Verteidigungskostenbeitrags relevant sein, die (auch) den konkreten Beschuldigten bzw. die konkrete Beschuldigte betreffen. Verteidigungshandlungen mit Bezug auf andere Beschuldigte müssen bei der Bemessung außen vor bleiben.

Für Ermittlungsverfahren, die über die „normalen“ Ermittlungsverfahren in Dauer, Komplexität oder Umfang hinausgehen, wird vorgeschlagen, Möglichkeiten der Überschreitung dieses Pauschalbeitrags vorzusehen (Abs. 2). Dazu sollen zwei Stufen vorgesehen werden, die über das durchschnittliche Ermittlungsverfahren hinausgehende Ermittlungsverfahren erfassen und für diese einen angemesseneren Verteidigerkostenbeitrag ermöglichen sollen. Die erste Steigerungsstufe soll dabei Verfahren von außergewöhnlichem Umfang oder besonderer Komplexität erfassen sowie Verfahren, in denen die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens nach § 108a Abs. 1 StPO überschritten wird, die zweite Steigerungsstufe noch umfangreichere bzw. komplexere Verfahren, nämlich solche von extremem Umfang des Verfahrens. Während bei der erwähnten ersten Steigerungsstufe eine Überschreitung des mit 6 000 Euro festgelegten Grundbetrags um die Hälfte ermöglicht werden soll, soll der Grundbetrag bei Verfahren der zweiten Steigerungsstufe auf das Doppelte erhöht werden können. Dadurch soll die folgende Abstufung des Verteidigerkostenbeitrags entstehen:

     Stufe 1 (Grundstufe): Verteidigungskostenbeitrag bis zu 6 000 Euro;

     Stufe 2 (Überschreitung bei Verfahren von außergewöhnlichem Umfang oder besonderer Komplexität sowie bei Überschreitung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens): Verteidigungskostenbeitrag bis zu 9 000 Euro (Überschreitung des Grundbetrags um die Hälfte);

     Stufe 3 (weitere Überschreitung bei Verfahren von extremem Umfang): Verteidigungskostenbeitrag bis zu 12 000 Euro (Verdoppelung des Grundbetrags).

Zur Stufe 2: Die zur Erreichung dieser Stufe erstgenannten Kriterien (außergewöhnlicher Umfang, besondere Komplexität) sind an einige der in § 20b Abs. 2 StPO (Definition der Wirtschaftsstrafsachen, die die WKStA an sich ziehen kann [sog. opt-in]) genannten Kriterien angelehnt. Der außergewöhnliche Umfang eines Verfahrens ist dabei jedenfalls geringer als der in § 285 Abs. 2 StPO angesprochene extreme Umfang, überschreitet aber den gewöhnlichen Umfang eines Verfahrens doch deutlich und ist in einer Gesamtschau aller relevanten Faktoren festzustellen. Ausschlaggebend sollen in diesem Zusammenhang jedenfalls die Dauer des Ermittlungsverfahrens (sofern sie nicht bereits über der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens nach § 108a Abs. 1 StPO liegt, die bereits für sich genommen Auslöser für die Stufe 2 ist), der Umfang der Ermittlungsergebnisse, der Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, aber auch der jeweils durch die gegenständliche Straftat verursachte Schadens- oder Erfolgsbetrag, der vom Gesetz als eines der Kriterien für den Umfang des Verfahrens angesehen wird (vgl. hierzu Schroll/Oshidari in Fuchs/Ratz, WK StPO § 20b Rz 5), darüber hinaus auch die Anzahl der aufzuklärenden Straftaten, der Aktenumfang, die Anzahl an Verfahrensbeteiligten, die Anzahl der Grundrechtseingriffe, das Erfordernis von Sachverständigengutachten, der Koordinierungsaufwand mit anderen Behörden oder die Anzahl von Rechtshilfeersuchen (instruktiv Haselwanter in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess (Hrsg), StPO – Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung (2020) zu § 20b Rz 9 mit Bezug auf den Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 14.6.2013 über die Definition von staatsanwaltschaftlichen Großverfahren, JABl 19/2013, 2) sein.

Die Komplexität des Verfahrens ergibt sich – wie bereits oben dargestellt – aus der Ausgestaltung der aufzuklärenden Sachverhalte, so etwa aus der Art und Anzahl von wirtschaftlichen Verflechtungen, aus dem Vorliegen aufklärungsbedürftiger Deckungshandlungen, schwer nachvollziehbaren Geldflüssen, der Einbindung von Briefkastenfirmen oder Treuhandkonstruktionen sowie (auch hier) aus dem Schadens- oder Erfolgsausmaß (Schroll/Oshidari in Fuchs/Ratz, WK StPO § 20b Rz 6; Haselwanter in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess (Hrsg), StPO - Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung (2020) zu § 20b Rz 9). Auch die Komplexität des Verfahrens muss dabei für die Erreichung der Stufe 2 über die gewöhnliche Komplexität hinausgehen.

Sowohl das Kriterium des Umfangs der Ermittlungen als auch das Kriterium der Komplexität des Verfahrens können darüber hinaus auf das in § 20b Abs. 2 StPO ebenfalls enthaltene Kriterium der Anzahl an Beschuldigten Bezug nehmen. Eine besonders hohe Anzahl an Beschuldigten ist durchaus dazu geeignet, den Umfang der Ermittlungen oder die Komplexität des Verfahrens zu steigern (vgl. zu diesem Kriterium Schroll/Oshidari in Fuchs/Ratz, WK StPO § 20b Rz 3).

Das Kriterium der Überschreitung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens entspricht jenem des § 108a StPO. Hat das eingestellte Ermittlungsverfahren, für das ein Beitrag zu den Kosten der Verteidigung beantragt wird, daher eine Dauer von drei Jahren überschritten, so kommt ohne weitere Abwägungen grundsätzlich die Bemessung im Rahmen der zweiten Stufe des Pauschalkostenbeitrags in Betracht. Bei der Bemessung wird aber jedenfalls auf die konkrete Konstellation, somit in welchem Umfang eine Überschreitung stattgefunden hat, Rücksicht zu nehmen sein.

Zur Stufe 3: Der Begriff des Verfahrens von extremem Umfang orientiert sich an § 285 Abs. 2 StPO. Es kann daher an die für die genannte Bestimmung relevanten Kriterien, umgelegt auf das Verfahrensstadium des Ermittlungsverfahrens, angeknüpft werden. Die Stufe 3 ist dabei jedenfalls nur für Extremfälle vorgesehen, die sich durch ganz außergewöhnliche Umstände, also einen ganz außergewöhnlichen Umfang des Verfahrens auszeichnen (Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 285 Rz 18). Auch hier sind die Umstände in einer Gesamtschau zu würdigen, zu berücksichtigen sind – wie bei der Stufe 2 – die Dauer des Ermittlungsverfahrens, der Umfang der Ermittlungsergebnisse, der Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, der durch die Straftat entstandenen Schadensbetrag, die Anzahl der aufzuklärenden Straftaten, der Aktenumfang, die Anzahl an Verfahrensbeteiligten, die Anzahl der Grundrechtseingriffe, das Erfordernis von Sachverständigengutachten, die Koordinierung mit anderen Behörden bzw. Stellen und die Anzahl an Rechtshilfeersuchen. Diese Umstände müssen in ihrer Gesamtheit ein über dem außergewöhnlichen Umfang liegendes Ausmaß erreichen, um die Stufe 3 zu erfüllen. Zu denken ist daher insbesondere an viele Jahre dauernde Ermittlungsverfahren von völlig aus dem üblichen Rahmen fallendem Umfang.

Zur konkreten Bemessung des Verteidigungskostenbeitrags:

Der Pauschalkostenbeitrag in einem Höchstbetrag der Grundstufe (Stufe 1) in Höhe von 6 000 Euro soll grundsätzlich für alle jene Verteidigungsfälle zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind, während für die übrigen Konstellationen eigene Höchstbeträge in den Stufen 2 und 3 definiert werden sollen. Angesichts des differenzierten Konzepts mit z.T. neuen Kriterien, die eine präzisere Bemessung ermöglichen, wird es angezeigt sein, für ein durchschnittliches Verfahren der Stufe 1 auch von den durchschnittlichen Verteidigungskosten für ein sog. Standardverfahren auszugehen und den sich dabei ergebenden Betrag als Ausgangsbasis für die Bemessung des Pauschalkostenbeitrags heranzuziehen. Da die Bandbreite der Verfahren, die in Stufe 1 fallen, wie erwähnt von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, die auch in dieser Stufe vorkommen können, reichen, kann sich der Betrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw. sich von diesem weiter entfernen. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren im Regelfall eine Besprechung mit dem Mandanten bzw. der Mandantin, eine Vollmachtsbekanntgabe bzw. einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium bzw. Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden umfasst und damit unter Heranziehung der Kostenansätze der Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) rund 3 000 Euro an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, die vom ÖRAK in den AHK verankerten (Erfolgs- und Erschwernis-)Zuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben.

Für Verfahren, die in die bezirksanwaltliche Zuständigkeit fallen, wird angesichts deren zu erwartender im Regelfall geringeren Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer in diesem Sinne bei gleichem Höchstsatz im Gesetz (6 000 Euro) eine Reduktion der Ausgangsbasis angezeigt scheinen, sodass hier als Richtwert die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin 1 500 Euro, angemessen scheint.

Zum Verfahren:

In Abs. 3 soll die Ausnahmeregelung des § 393a Abs. 3 StPO (kein Ersatzanspruch bei vorsätzlicher Herbeiführung des Verdachts, bei Begehung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit oder bei Rücknahme der Ermächtigung zur Strafverfolgung) wortgleich übernommen werden.

In Einklang mit der derzeitigen Rechtslage soll auch der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung im Ermittlungsverfahren nicht von Amts wegen, sondern nur über Antrag zuzusprechen sein. Für die Einbringung des Antrags wird vorgeschlagen, eine Frist von drei Jahren ab Verständigung von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 194 StPO vorzusehen (Abs. 4 erster Satz). Ausschlaggebend soll dabei die Zustellung der Verständigung an den Beschuldigten bzw. die Beschuldigte sein (vgl. dazu sowie zu den damit verbundenen Schwierigkeiten Steiner in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess (Hrsg), StPO – Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung (2020) zu § 195 Rz 48); die Dauer der Frist ist dem geltenden § 393a Abs. 4 StPO nachgebildet.

Der Antrag soll sodann von der Staatsanwaltschaft (allenfalls mit einer Stellungnahme) an das Gericht zur Entscheidung weitergeleitet werden (Abs. 4 zweiter Satz). Zuständig soll der für das Ermittlungsverfahren zuständige Einzelrichter des Landesgerichts sein (§ 31 Abs. 1 Z 7 StPO). Das Gericht soll den Antrag zurückweisen, sofern er verspätet oder unzulässig ist, im Übrigen aber in der Sache selbst entscheiden (Abs. 4 letzter Satz).

Gegen den Beschluss des Gerichts soll das Rechtsmittel der Beschwerde zustehen und es sollen die allgemeinen Regeln für das Beschwerdeverfahren nach §§ 87 ff StPO gelten. Der Beschwerde soll – wie auch schon nach der geltenden Rechtslage einer Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 393a StPO – aufschiebende Wirkung zukommen (Abs. 5). Abs. 6 der vorgeschlagenen Bestimmung soll zudem klarstellen, dass weitergehende Ansprüche des bzw. der Beschuldigten nach der StPO, dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, und dem Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz 2005, BGBl. I Nr. 125/2004, unberührt bleiben sollen. Auch diese Regelung ist dem geltenden § 393a Abs. 6 StPO nachgebildet.

Zu Z 4 (§ 393a StPO):

Für den Bereich des Verteidigerkostenbeitrags nach Freispruch wird bei Beibehaltung der grundsätzlichen Systematik der Bestimmung vorgeschlagen, einerseits die zu leistenden Pauschalbeiträge deutlich anzuheben und andererseits – wie auch beim Verteidigungskostenbeitrag bei Einstellung des Ermittlungsverfahrens – eine Möglichkeit der Überschreitung der Pauschalsätze für besondere Konstellationen vorzusehen. Da auch weiterhin ein – wenngleich weit höher als bisher bemessener –Pauschalbeitrag zugesprochen werden soll, wird dieser aber auch künftig nicht in allen Fällen die gesamten (notwendigen und zweckmäßigen) Verteidigungskosten, sondern lediglich einen Teilbetrag davon abdecken (können), welcher unter Bedachtnahme auf die gesetzlich normierten Kriterien festzusetzen sein wird.

Dazu wird vorgeschlagen, grundsätzlich folgende Pauschalhöchstsätze für die Bemessung des Verteidigungskostenbeitrags vorzusehen (Abs. 2):

     für das Schöffen- und Geschworenenverfahren 30 000 Euro;

     für das Einzelrichterverfahren am Landesgericht 13 000 Euro;

     für das Verfahren vor dem Bezirksgericht 5 000 Euro.

Die bisher vorgesehenen Höchstsätze sollen dabei nicht nur deutlich erhöht (für den Bereich der Verfahren vor den Bezirksgerichten eine Verfünffachung und für Verfahren vor dem Einzelrichter bzw. der Einzelrichterin am Landesgericht mehr als eine Vervierfachung, für Verfahren vor dem Schöffengericht eine Versechsfachung und für Verfahren vor dem Geschworenengericht eine Verdreifachung), sondern zwischen den verschiedenen Verfahrensarten auch eine adäquatere Abstufung hinsichtlich der Höchstsätze festgelegt werden. Es wird daher vorgeschlagen, Verfahren vor dem Schöffen- und Geschworenengericht in einen Höchstsatz zusammenzuziehen, weil in diesem Bereich allein die Besetzung des Gerichts keinen Ausschlag über Aufwand und Umfang eines Verfahrens gibt. Im Einvernehmen mit dem ÖRAK scheint es daher sinnvoll, einen gemeinsamen Höchstbetrag vorzusehen, der entsprechend auch eine unterschiedliche Erhöhung der Höchstbeträge vorsieht.

Der Pauschalbeitrag soll dabei unter Bedachtnahme auf den Umfang des gesamten Verfahrens, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers bzw. der Verteidigerin festgesetzt werden. Zu den Kriterien der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und des Ausmaßes des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers bzw. der Verteidigerin kann auf die Ausführungen zu § 196a StPO (s. Z 3) verwiesen werden. Im Hinblick auf das Kriterium des Umfangs des Verfahrens ist klarstellend auszuführen, dass auch weiterhin sowohl die Phase des Ermittlungs- und Hauptverfahrens als auch ein allfälliges Rechtsmittelverfahren zu berücksichtigen sein werden (vgl. Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 393a Rz 11); ausschlaggebend soll daher der Verfahrensaufwand im gesamten Strafverfahren sein. Insgesamt soll durch die Neuregelung zum Ausdruck kommen, dass der Umfang des Verfahrens allein nicht ausschlaggebend sein soll, sondern auch dessen Komplexität in der Beurteilung entsprechend zu berücksichtigen sein soll. Auf diese Weise soll es insbesondere zu einer adäquaten Berücksichtigung auch jener Verfahren kommen, in denen allenfalls nach einem langjährigen und aufwändigen Ermittlungsverfahren wegen komplexer Vorwürfe das Hauptverfahren (gegebenenfalls infolge von Teileinstellungen) jedoch sehr rasch in einem Freispruch resultiert; in einem solchen Fall soll die Phase des Ermittlungsverfahrens im Sinn des § 196a StPO entsprechend bei der Bemessung des Pauschalbeitrags nach § 393a StPO Berücksichtigung finden.

Auch bei Zuerkennung nach Freispruch soll die Bemessung des Beitrags zu den Kosten der Verteidigung – wie bisher – stets unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw. der einzelnen Verteidigungshandlungen stehen (s. auch dazu Z 3). Im Übrigen sollen die von der Praxis bereits derzeit angewandten Kriterien beachtet werden: Hat ein Verteidiger bzw. eine Verteidigerin mehrere Angeklagte vertreten, so gebührt jedem bzw. jeder Freigesprochenen ein Verteidigungskostenbeitrag (AnwBl 1995/5048), wobei sich durch die Wahl eines gemeinsamen Verteidigers bzw. einer gemeinsamen Verteidigerin der Verteidigungsaufwand pro Person verringern kann. Auch der Umstand, dass der Verteidiger bzw. die Verteidigerin gleichzeitig als Privatbeteiligtenvertreter bzw. -vertreterin eingeschritten ist, ist bei der Bemessung des Beitrags zu berücksichtigen. Hat ein Angeklagter bzw. eine Angeklagte gleichzeitig oder nacheinander mehrere Verteidiger bzw. Verteidigerinnen, erhält er bzw. sie dennoch nur einen Beitrag. Wurden die Verfahren wegen einzelner Fakten getrennt geführt und erfolgt in beiden Verfahren ein Freispruch, gebührt auch für beide Verfahren ein Pauschalbeitrag, der auf die Zeit der gemeinsamen Führung entfallende (Beitrags-)Teil ist jedoch nur einmal zuzusprechen (vgl. Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 393a Rz 12).

Für Strafverfahren, die über die üblichen Verfahren in Dauer, Komplexität oder Umfang hinausgehen, wird – wie schon für das Ermittlungsverfahren – vorgeschlagen, Möglichkeiten der Überschreitung dieser Pauschalbeiträge vorzusehen. Dazu sollen auch hier zwei Steigerungsstufen vorgesehen werden, die über das durchschnittliche Strafverfahren hinausgehende Verfahren erfassen und einen angemessenen Ersatz der Verteidigungskosten ermöglichen sollen. Die erste Steigerungsstufe soll dabei dann ausgelöst werden, wenn die Hauptverhandlung länger dauert, die zweite Steigerungsstufe soll noch umfangreichere bzw. komplexere Verfahren erfassen, nämlich solche von extremem Umfang des Verfahrens. Während bei der erwähnten ersten Steigerungsstufe eine Überschreitung des für die jeweilige Verfahrensart festgelegten Grundbetrags um die Hälfte ermöglicht werden soll, soll der Grundbetrag bei Verfahren der zweiten Steigerungsstufe auf das Doppelte erhöht werden können. Dadurch entsteht die folgende Abstufung des Verteidigungskostenbeitrags:

     Stufe 1 (Grundstufe): Verteidigungskostenbeitrag

-       für das Schöffen- und Geschworenenverfahren von bis zu 30 000 Euro;

-       für das Einzelrichterverfahren am Landesgericht von bis zu 13 000 Euro;

-       für das Verfahren vor dem Bezirksgericht von bis zu 5 000 Euro.

     Stufe 2 (erste Überschreitung bei Hauptverhandlung von längerer Dauer): Verteidigungskostenbeitrag

-       für das Schöffen- und Geschworenenverfahren von bis zu 45 000 Euro;

-       für das Einzelrichterverfahren am Landesgericht von bis zu 19 500 Euro;

-       für das Verfahren vor dem Bezirksgericht von bis zu 7 500 Euro.

     Stufe 3 (zweite Überschreitung bei Verfahren von extremem Umfang): Verteidigungskostenbeitrag

-       für das Schöffen- und Geschworenenverfahren von bis zu 60 000 Euro;

-       für das Einzelrichterverfahren am Landesgericht von bis zu 26 000 Euro;

-       für das Verfahren vor dem Bezirksgericht von bis zu 10 000 Euro.

Zur Stufe 2: Zur Erreichung dieser Stufe soll eine Hauptverhandlung von längerer Dauer erforderlich sein. Der vorgeschlagene Wortlaut orientiert sich dabei explizit an § 221 Abs. 4 StPO, wonach für Hauptverhandlungen von erwarteter längerer Dauer ein Ersatzrichter bzw. eine Ersatzrichterin zu bestellen ist. Das Gesetz nimmt in § 221 Abs. 4 StPO – wie auch bei der vorgeschlagenen Neuregelung des § 393a StPO – jedoch Abstand von einer zahlenmäßigen oder sonstigen näheren Determinierung der längeren Dauer, um dem Gericht einen Ermessensspielraum zu eröffnen (Wiesinger in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess (Hrsg), StPO – Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung (2020) zu § 221 Rz 37). Als Orientierungshilfe können hier wie dort die zwischen 1.1.2008 und 17.6.2009 im Gesetz normierten (§ 221 Abs. 3 StPO idF BGBl. I Nr. 93/2007) „mehr als zehn Verhandlungstage“ herangezogen werden (vgl. dazu Danek/Mann in Fuchs/Ratz, WK StPO § 221 Rz 28). Bei der Berechnung des Pauschalkostenbeitrags in einem konkreten Verfahren wird dem Umstand, ob ein Ersatzrichter bzw. eine Ersatzrichterin bestellt wurde, zudem eine gewisse Präjudizwirkung zukommen.

Zur Stufe 3: In Hinblick auf das Kriterium des extremen Umfangs eines Verfahrens wird im Gesetzestext ausdrücklich auf § 285 Abs. 2 StPO verwiesen, sodass insofern auf die Ausführungen zur Stufe 3 bei § 196a StPO (s. Z 3) verwiesen werden kann. Mit Blick auf die Hauptverhandlung kann auf die geltende Judikatur und Praxis abgestellt und somit von einem Verfahren von extremem Umfang ausgegangen werden, wenn die Hauptverhandlung ganz außergewöhnlich (d.h. weit über die Schwelle der Stufe 2 [„längere Dauer“] hinaus) lange gedauert hat oder der Akteninhalt außergewöhnlichen Umfang hat. Bei einem anschließenden Rechtsmittelverfahren kann auch der ganz außergewöhnliche Umfang des Hauptverhandlungsprotokolls, der ganz außergewöhnliche Umfang der Urteilsausfertigung oder der ganz außergewöhnliche Umfang der gegnerischen Rechtsmittelausführungen herangezogen werden.

Wie bisher soll die Höhe des zu bestimmenden Verteidigungskostenbeitrags entsprechend dem Verhältnis des konkreten Verteidigungsaufwandes zum realistischer Weise in Betracht kommenden Höchstaufwand in der jeweiligen Verfahrensart festzusetzen sein. Zum derzeit geltenden System des Verteidigungskostenbeitrags vertritt die Rechtsprechung derzeit für ganz einfache Verteidigungsfälle idR eine Bemessung mit 10 % des jeweiligen Höchstsatzes (vgl. dazu u.a. Öner in Birklbauer/Haumer/Nimmervol/Wess (Hrsg), StPO – Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung (2020) zu § 393a Rz 22 mwN). Dieser niedrige Prozentsatz ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass für die konkrete Bemessung des Verteidigungskostenbeitrags nur ein einziger Höchstsatz pro Verfahrensart zur Verfügung steht, sodass in diesem Höchstsatz alle denkbaren Konstellationen von ganz einfachen bis hin zu ganz außergewöhnlichen Verteidigungsfällen aufgehen müssen. Diese Tatsache macht es notwendig, den Beitrag bei ganz einfachen Fällen niedrig anzusetzen, um sich dann bei schwierigeren Fällen entsprechend an den Höchstbetrag anzunähern bzw. diesen ganz zuzusprechen. Bei der nunmehr vorgeschlagenen Regelung hingegen ist die Ausgangslage eine andere: Der Höchstbetrag der Grundstufe (Stufe 1) steht jeweils für alle Verteidigungsfälle der jeweiligen Verfahrensart zu, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Für die übrigen Konstellationen stehen eigene Höchstbeträge in den Stufen 2 und 3 zur Verfügung. Zudem enthält der vorgeschlagene Gesetzestext auch neue Kriterien, die eine präzisere Bemessung ermöglichen. Es besteht daher nach dem vorliegenden Vorschlag kein Grund mehr, für einen durchschnittlich einfachen Verteidigungsfall von lediglich 10 % des Höchstsatzes auszugehen, vielmehr wird es angezeigt sein, für ein durchschnittliches Verfahren der Stufe 1 auch von den durchschnittlichen Verteidigungskosten für ein Standardverfahren auszugehen und den sich dabei ergebenden Betrag als Ausgangsbasis für die Bemessung des Pauschalkostenbeitrags heranzuziehen. Dabei ist die Bandbreite der Verfahren, die in Stufe 1 fallen, zu berücksichtigen, die von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa bei einem einfachen Diebstahl oder einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, die auch in der Stufe 1 vorkommen können, wenn sie die Komplexitäts- und Umfangskriterien der Stufen 2 oder 3 nicht erfüllen, reichen. Grundsätzlich soll auch hier davon ausgegangen werden, dass sich der Verteidigungsaufwand in einem einfachen Standardverfahren der jeweiligen Verfahrensart aus folgenden Leistungen des Verteidigers bzw. der Verteidigerin zusammensetzt und unter Heranziehung der Ansätze der AHK (wobei in dieser Berechnung ebenso zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, die vom ÖRAK in der AHK verankerten [Erfolgs- und Erschwernis]Zuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben) folgenden durchschnittlichen Aufwand an Verteidigungskosten umfasst:

     Verfahren vor dem Schöffen- und Geschworenengericht: Vertretung im Ermittlungsverfahren, Teilnahme an der Hauptverhandlung in der Dauer von acht Stunden, Einbringung eines prozessrelevanten Schriftsatzes wie einer Nichtigkeitsbeschwerde oder einer Gegenausführung, Teilnahme an der Rechtsmittelverhandlung in der Dauer von zwei Stunden, Aufwand iHv rund 15 000 Euro;

     Verfahren vor dem Einzelrichter bzw. der Einzelrichterin des Landesgerichts: Vertretung im Ermittlungsverfahren, Teilnahme an der Hauptverhandlung in der Dauer von fünf Stunden, Einbringung eines prozessrelevanten Schriftsatzes, Aufwand iHv rund 6 500 Euro;

     Verfahren vor dem Bezirksgericht: Vertretung im Ermittlungsverfahren, Teilnahme an der Hauptverhandlung in der Dauer von drei Stunden, Aufwand iHv rund 2 500 Euro.

Je nach Umfang des Ermittlungsverfahrens und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen kann sich der Betrag dann dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw. sich von diesem weiter entfernen.

Der geltende § 393a Abs. 3 StPO soll unverändert beibehalten werden, in Abs. 4 soll – wie auch bei Ermittlungsverfahren – künftig auf die Verständigung des bzw. der Angeklagten von der das Verfahren beendenden Entscheidung oder Verfügung abgestellt werden. Auch die bisherigen Abs. 5 und 6 des § 393a StPO sollen unverändert anwendbar bleiben und dafür eine sinngemäße Anwendung von § 196a Abs. 5 und 6 StPO angeordnet werden.

Zu Z 5 (§ 514 Abs. 55 StPO):

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten.

Zu Z 6 (§ 516 Abs. 12 StPO):

§ 31 Z 7, § 196a und § 393a sollen auf Verfahren anzuwenden sein, in denen die in § 196a Abs. 1 und in § 393a Abs. 1 genannten verfahrensbeendenden Entscheidungen (Einstellungen, Freisprüche) nach dem 1. Jänner 2024 erfolgt sind, wobei der Verteidigungskostenbeitrag unabhängig vom Zeitpunkt der anwaltlichen Leistungen zu berechnen sein wird. Für vor diesem Zeitpunkt erfolgte verfahrensbeendenden Entscheidungen soll hingegen weiterhin § 393a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 152/2022 gelten.