Erläuterungen

Allgemeiner Teil

1. Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Mit dieser Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) soll insbesondere sowohl der behördeninterne als auch der -externe Informationsaustausch im Rahmen der Strafrechtspflege an moderne Kommunikationsmöglichkeiten angepasst werden. So soll einerseits eine Rechtsgrundlage für einen gemeinsamen Aktenindex der Sicherheitsbehörden im Dienste der Strafrechtspflege geschaffen werden. Andererseits sollen die rechtlichen Voraussetzungen für die elektronische Kommunikation im Bereich der Strafrechtspflege für die Sicherheitsbehörden als Kriminalpolizei implementiert werden. Dadurch soll in Zukunft auch in diesem Bereich eine sichere elektronische Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden und den Gerichten, Staatsanwaltschaften, Vollzugsbehörden sowie bestimmten sonstigen Teilnehmern am Strafverfahren stattfinden können.

Des Weiteren soll § 41 ergänzt und die Möglichkeit der Erlassung einer besonderen Durchsuchungsanordnung auch für Einrichtungen und Anlagen, die für gefährliche Angriffe gegen Leben oder Gesundheit einer größeren Zahl von Menschen als besonders anfällig zu erachten sind, geschaffen werden.

Außerdem wurden die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs in seinem Erkenntnis zu G72-74/2019, G181-182/2019 vom 11.12.2019 aufgegriffen, um – in Umsetzung der im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehenen „Weiterentwicklung von Maßnahmen gegen Gewalt, Einbruch, Raub und Diebstahlsdelikte“ – den polizeilichen Einsatz von bildverarbeitenden technischen Einrichtungen zum Kennzeichenabgleich für sicherheits- und kriminalpolizeiliche Fahndungszwecke im bestehenden verfassungsrechtlichen Rahmen wieder zu ermöglichen.

Weiters soll es ermöglicht werden, Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte gleichermaßen zum Schutz oberster Staatsorgane einzusetzen, wie es bereits zum Schutz ausländischer, internationaler oder völkerrechtlicher Organe oder Schutzobjekte zulässig ist.

Um den Informationsfluss zu verbessern, soll es künftig möglich sein, zur Unterstützung bei der Koordination von Einsätzen Bild- und Tonmaterial in Echtzeit in die Landesleitzentralen bzw. das Lagezentrum des BMI zu übertragen.

Neben einer nach dem Vorbild der Strafprozessordnung vorgenommenen Anpassung von Auskunftsverlangen an die seit Inkrafttreten des neuen europäischen Datenschutzregimes bestehenden Erfordernisse und einer Verbesserung zur Klärung der Identität von Hilflosen soll zur Verwaltungsvereinfachung die Regelung hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit für die Kostenersatzpflicht bei sicherheitspolizeilichen Einsätzen präzisiert werden.

2. Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung eines diesem Entwurf entsprechenden Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 („Strafrechtswesen“) und Z 7 („Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“) des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930.

Besonderer Teil

Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes

Zum Inhaltsverzeichnis:

Es handelt sich um die erforderlichen Ergänzungen des Inhaltsverzeichnisses.

Zu § 13a Abs. 2a und 4:

§ 13a ist jene Vorschrift, die für die Protokollierung und Dokumentation sämtlicher Tätigkeiten der Sicherheitsexekutive („Wahrnehmung gesetzlich übertragener Aufgaben“) zur Anwendung gelangt, wobei durch § 13a Abs. 2 festgelegt ist, dass kriminalpolizeiliche Akten getrennt von Akten nach sonstigen Materiengesetzen geführt werden.

Die polizeiliche Protokollierung und Dokumentation ist nicht als gemeinsame Datenverarbeitung aller Sicherheitsbehörden ausgestaltet, sondern als lokal geführte Aktenverwaltung. Datenschutzrechtlich verantwortlich für die Datenverarbeitung ist stets die nach dem jeweiligen Materiengesetz zur Vollziehung örtlich zuständige Sicherheitsbehörde. Jede Sicherheitsbehörde hat somit grundsätzlich nur Einblick in die dem eigenen Zuständigkeitsbereich entspringenden Akten und Dokumentationen.

Diese lokale Form der Datenverarbeitung hat jedoch zur Folge, dass die Sicherheitsexekutive keinen gesamthaften Zugang zu Dokumentationsvorgängen zu einer bestimmten Person hat bzw. ein solcher – etwa aufgrund unterschiedlicher Schreibweisen von Namen – mangels ausreichender Datenrichtigkeit nicht mit der notwendigen Verlässlichkeit gegeben ist. Insbesondere im Bereich der Strafrechtspflege kann diese fehlende Verlässlichkeit nicht nur die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden als Kriminalpolizei wesentlich erschweren, sondern etwa aufgrund von Verwechslungsgefahren die Rechte von Betroffenen beeinträchtigen.

Durch die gegenständliche Änderung soll nunmehr eine von den Sicherheitsbehörden als gemeinsam Verantwortliche geführte Datenverarbeitung („Aktenindex“) geschaffen werden, um zu Zwecken der Datenrichtigkeit im Dienste der Strafrechtspflege die eindeutige Zuordnung von Aktenvorgängen zu einer bestimmten Person sicherzustellen. Dazu soll es zulässig sein, ausgewählte Daten zu Verdächtigen (§ 48 Abs. 1 Z 1 StPO), Beschuldigten (§ 48 Abs. 1 Z 2 StPO) und Verurteilten (§ 1 Z 2 StVG) im Rahmen eines Index verfügbar zu haben.

Mit der Einführung des Abs. 2a wird keine eigenständige Ermittlungsermächtigung geschaffen. Vielmehr werden taxativ genannte Daten, die nach Abs. 2 bereits im Rahmen der Protokollierung und Dokumentation der Tätigkeiten der Sicherheitsexekutive als Kriminalpolizei verarbeitet werden, in einer als Aktenindex generierten Datenverarbeitung angezeigt. In diesem Sinne dürfen ausschließlich Namen, Geschlecht, frühere Namen, Aliasdaten, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnanschrift, bPK (§ 9 E-Government-Gesetz – E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004), Namen der Eltern, Grund des Einschreitens, Verwaltungsdaten sowie ein Hinweis auf bereits vorhandene, gemäß § 75 Abs. 1 verarbeitete erkennungsdienstliche Daten zu den abschließend genannten Betroffenenkreisen aus dem Aktenbestand in den Aktenindex übernommen werden. Durch die Verarbeitung des bPK ist eine eindeutige personenbezogene Zuordnung sichergestellt.

Der Bundesminister für Inneres übt die Funktion des Auftragsverarbeiters gemäß § 36 Abs. 2 Z 9 in Verbindung mit § 48 DSG aus. Rechten von Betroffenen (§§ 42 bis 45 DSG) ist im Sinne des § 51 Abs. 4 nachzukommen. Für Aktualisierungen gilt § 59 Abs. 1 zweiter und dritter Satz. Die Daten sind zu löschen, wenn der bezughabende Akt im Dienste der Strafrechtspflege (Abs. 2) zu löschen ist. Die Protokollierung der Verarbeitungsschritte im Aktenindex richtet sich gemäß Abs. 4 nach § 50 DSG.

Zu § 13b samt Überschrift:

Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat im Bereich der sicherheitsbehördlichen Tätigkeiten den Bedarf eines verstärkten Einsatzes von elektronischen Kommunikationswegen aufgezeigt. Aus diesem Grund soll durch § 13b – nach dem Vorbild des für Gerichte und Staatsanwaltschaften eingerichteten justiziellen elektronischen Rechtsverkehrs gemäß Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) – auch für die Sicherheitsbehörden als Kriminalpolizei eine Rechtsgrundlage für die sichere elektronische Kommunikation im Bereich der Strafrechtspflege geschaffen werden. Die §§ 89a Abs. 2 und 3, 89c Abs. 1 und 89d GOG sind dabei sinngemäß anzuwenden.

Gemäß Abs. 1 soll die elektronische Kommunikation im Bereich der Strafrechtspflege zwischen den Sicherheitsbehörden und den Gerichten, Staatsanwaltschaften, Vollzugsbehörden (§§ 11 und 13 StVG) sowie den in § 89c Abs. 5 GOG genannten Teilnehmern – etwa Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Verteidigerinnen und Verteidiger in Strafsachen – künftig im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs erfolgen, sofern die technischen Möglichkeiten dafür bestehen.

Indem die elektronische Kommunikation nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten erfolgen soll, ist es im Einzelfall auch zulässig, sonstige Übermittlungswege zuzulassen (vgl. in diesem Zusammenhang § 100 Abs. 2 StPO, wonach der Kriminalpolizei in der Berichterstattung derzeit die Wahl zwischen Schriftlichkeit oder automationsunterstützter Datenverarbeitung offensteht). Zudem gelten auch bei Ausübung von Rechten im elektronischen Rechtsverkehr einfachgesetzlich verankerte Beschränkungen, wie etwa für die Akteneinsicht nach der StPO (§§ 49 Abs. 2, 51 Abs. 2, 52 und 68 Abs. 1 StPO).

Im Übrigen gelten die §§ 1a und 25 Abs. 1 E-GovG sowie § 28 Abs. 3 ZustellG für den elektronischen Rechtsverkehr mit den Sicherheitsbehörden nach Maßgabe deren technischer Möglichkeiten.

Zu § 41:

Im Zusammenhang mit der erhöhten Gefährdungslage um den Jahreswechsel hat sich zuletzt gezeigt, dass die Befugnis der Sicherheitsbehörden nach § 41 in der Praxis zu kurz greift. So verhindert die derzeit bestehende Einschränkung der Geltungsdauer auf den Zeitraum der Abhaltung einer Großveranstaltung eine unter sicherheitspolizeilichen Gesichtspunkten unter Umständen angezeigte Absicherung der Veranstaltungsstätte vor und nach Abhaltung der Veranstaltung. Für andere Einrichtungen und Anlagen, die aufgrund gewisser Eigenschaften, wie etwa ihrer Lage oder Exponiertheit, besonders gefahrengeneigt für die Begehung gefährlicher Angriffe sind, fehlt eine entsprechende Befugnis derzeit gänzlich.

Vor diesem Hintergrund soll § 41 ergänzt und die Möglichkeit der Erlassung einer besonderen Durchsuchungsanordnung nicht nur – wie bislang – für Großveranstaltungen (Abs. 1 Z 1), sondern auch für Einrichtungen und Anlagen, die für gefährliche Angriffe gegen Leben oder Gesundheit einer größeren Zahl von Menschen als besonders anfällig zu erachten sind, geschaffen werden. Die hierbei im Einzelfall ex-ante zu erstellende sicherheitspolizeiliche Gefährdungseinschätzung muss aufgrund des Vorliegens bestimmter Tatsachen die Annahme stützen, es werde bei einer Einrichtung oder Anlage zu nicht bloß vereinzelten Gewalttätigkeiten oder zu einer größeren Zahl gefährlicher Angriffe gegen Leben oder Gesundheit von Menschen kommen.

Die gewählte Formulierung der neuen Z 2 orientiert sich an § 38 Abs. 4 sowie § 39 Abs. 6, sodass insbesondere hinsichtlich der erfassten Schutzobjekte (Einrichtungen und Anlagen) weitgehend an die bestehende Rechtslage und deren Anwendungspraxis angeknüpft werden kann. Als besonders gefahrengeneigt können etwa Flughäfen, Bahnhöfe oder auch U-Bahn-Stationen sowie deren unmittelbares Umfeld eingestuft werden.

Bei Vorliegen einer entsprechenden Gefährdungseinschätzung soll die Sicherheitsbehörde ermächtigt werden, zeitlich und örtlich begrenzte Verordnungen zu erlassen, durch die der Zutritt zur erfassten Einrichtung oder Anlage von der Bereitschaft des Einzelnen, seine Kleidung und mitgeführte Behältnisse durchsuchen zu lassen, abhängig gemacht werden kann. Soll der Zutritt zur Einrichtung oder Anlage mit einem Fahrzeug erfolgen, ist der Zutritt auch von der Durchsuchung desselben abhängig zu machen. Derartige Verordnungen dürfen – um die Verhältnismäßigkeit zu wahren – ausschließlich einzelfallbezogen und nur begrenzt auf den erforderlichen örtlichen sowie zeitlichen Umfang erlassen werden. Die Verordnung hat hierzu Tag und Uhrzeit ihres Inkrafttretens sowie den genauen örtlichen Umfang ihrer Geltung zu bestimmen. Sie ist aufzuheben, sobald eine Gefährdung nicht mehr zu befürchten ist, und tritt jedenfalls eine Woche nach ihrem Wirksamwerden außer Kraft. Die Verordnung ist in einer Weise kundzumachen, die sie möglichst allen Betroffenen zur Kenntnis bringt, insbesondere durch (mehrfachen) Aushang des Verordnungstextes im Umkreis der Einrichtung oder Anlage.

Zu § 53 Abs. 3a:

Seit Inkrafttreten des neuen europäischen Datenschutzregimes können sogenannte „WHOIS“-Anfragen nicht mehr auf § 53 Abs. 4 gestützt werden, da der Name und die Erreichbarkeitsdaten eines Homepage-Betreibers über die Registrierungsstelle („Nic.at“) nicht mehr öffentlich (im Internet) zugänglich sind. Für die sicherheitspolizeiliche Aufgabenerfüllung ist es aber erforderlich, im Anlassfall (etwa Ankündigung eines gefährlichen Angriffs oder eines Suizids in einem Online-Forum) die Daten eines Homepage-Betreibers bei der Registrierungsstelle zu erfragen, um in weiterer Folge vom zuständigen Betreiber die IP-Adresse (§ 53 Abs. 3a Z 2) sowie Name und Anschrift des IP-Adressen-Benutzers (§ 53 Abs. 3a Z 3) in Erfahrung zu bringen. Die Bestimmung soll diesbezüglich an die korrespondierende Bestimmung in der StPO (§ 76a Abs. 1 StPO) sowie an die terminologischen Änderungen aufgrund der Neuerlassung des Telekommunikationsgesetzes (Telekommunikationsgesetz 2021 – TKG 2021, BGBl. I Nr. 190/2021) angepasst werden.

Zu § 53 Abs. 3b:

Mit der Änderung in Abs. 3b soll eine Anpassung an die korrespondierende Bestimmung in der StPO (§ 134 Z 2a StPO) erfolgen, in der mit BGBl. I Nr. 27/2018 eine Legaldefinition zur Lokalisierung einer technischen Einrichtung eingeführt wurde. Durch die Einführung einer Legaldefinition sollte klargestellt werden, dass es sich bei der Lokalisierung einer technischen Einrichtung um den Einsatz technischer Mittel zur Feststellung von geografischen Standorten und der zur internationalen Kennung des Benutzers dienenden Nummer (IMSI) ohne Mitwirkung des Anbieters (oder sonstigen Diensteanbieters) handelt. Diese Klarstellung soll nunmehr auch für den Bereich der Sicherheitspolizei nachgezogen werden.

Zu § 53a Abs. 5:

§ 53a Abs. 1 stellt die Rechtsgrundlage für die von den Sicherheitsbehörden geführten (lokalen) Datenverarbeitungen (z.B. Einsatzleitsysteme) dar, die der Leitung, Administration und Koordination von Einsätzen dienen. Von mehreren Sicherheitsbehörden als gemeinsam Verantwortliche können solche Datenverarbeitungen gemäß Abs. 5 geführt werden, wenn dies wegen eines sprengelübergreifenden Einsatzes erforderlich ist. Durch die Ausweitung des Zwecks des Abs. 5 auf die Unterstützung bei der Koordination von Einsätzen wird der Umstand berücksichtigt, dass der Zweck des Abs. 1 bzw. des § 58e Abs. 1 auch in § 53a Abs. 5 seinen Niederschlag finden soll und insbesondere das im Bundesministerium für Inneres eingerichtete Lagezentrum für diese Zwecke Daten gemeinsam mit den lokalen Sicherheitsbehörden verarbeiten darf.

Zu § 54 Abs. 4b und § 91c:

Der Einsatz von Kennzeichenerkennungsgeräten als Instrument der Fahndung wurde mit der SPG-Novelle 2005 erstmals ins SPG eingeführt (§ 54 Abs. 4b idF BGBl. I Nr. 151/2004) und die Sicherheitsbehörden ermächtigt, Kennzeichenerkennungsgeräte verdeckt zum Einsatz zu bringen, um Kennzeichen-Daten für Zwecke der Fahndung (§ 24) mit dem Fahndungsdatenbestand abzugleichen. Die Erfahrungen seit der Einführung der Kennzeichenerkennungsgeräte im Jahr 2005 haben gezeigt, dass es für die Anhaltung der Fahrzeuge im Trefferfall unbedingt erforderlich ist, über das Kennzeichen hinausgehende Informationen zum Fahrzeug, insbesondere zur Fahrzeugmarke, Fahrzeugtype und Fahrzeugfarbe, zu erhalten. Die Novellierung des § 54 Abs. 4b im Jahr 2018 durch BGBl. I Nr. 29/2018 führte dazu, dass die Sicherheitsbehörden ermächtigt waren, bildverarbeitende technische Einrichtungen zum Einsatz zu bringen, die in der Lage waren, Daten zur Identifizierung von Fahrzeugen, insbesondere Kennzeichen, Type, Marke sowie Farbe des Fahrzeuges, und von Fahrzeuglenkern für Zwecke der Fahndung zu ermitteln. Zudem erlaubte § 54 Abs. 4b idF BGBl. I Nr. 29/2018 den Sicherheitsbehörden, die mittels bildverarbeitenden technischen Einrichtungen ermittelten Daten für die Dauer von höchstens zwei Wochen ab Ermittlung zu speichern: Wurden davor sämtliche erfassten Kennzeichendaten, die im Zeitpunkt des Abgleichs mit dem Fahndungsdatenbestand keinen Treffer ergaben, unverzüglich gelöscht, ermöglichte § 54 Abs. 4b idF BGBl. I Nr. 29/2018 diese Daten für bis zu zwei Wochen zu speichern, damit die Sicherheitsbehörden bei Bestehen einer der in § 54 Abs. 4b idF BGBl. I Nr. 29/2018 genannten Aufgaben auf diese mittels Abgleich mit einem gesuchten KFZ-Kennzeichen zugreifen konnten.

Mit dem Erkenntnis zu G72-74/2019, G181-182/2019 vom 11.12.2019 hat der VfGH § 54 Abs. 4b idF BGBl. I Nr. 29/2018 aufgehoben. In der Begründung seines Erkenntnisses führte der VfGH aus, dass sich die Ermächtigung zur Datenerfassung und Datenspeicherung im Hinblick auf deren Bedingungen sowie die Art und den Umfang der zu ermittelnden Daten als zu weitgehend erweist.

Die Neuerlassung des § 54 Abs. 4b dient der Umsetzung der im Regierungsprogramm (Regierungsprogramm 2020 – 2024, S 217) vorgesehenen „Weiterentwicklung von Maßnahmen gegen Gewalt, Einbruch, Raub und Diebstahlsdelikte“. Die Sicherheitsbehörden sollen in Übereinstimmung mit dem Erkenntnis des VfGH ermächtigt werden, verdeckt mittels Einsatz von bildverarbeitenden technischen Einrichtungen Daten zur Identifizierung von Fahrzeugen, insbesondere das KFZ-Kennzeichen sowie Type, Marke und Farbe des Fahrzeuges, für Zwecke der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Fahndung zu verarbeiten. Diese Regelung soll es den Sicherheitsbehörden ermöglichen, gesuchte Fahrzeuge zu erkennen, zu identifizieren und als gefahndet zu verifizieren. Bei den bildverarbeitenden technischen Einrichtungen handelt es sich um spezielle Bildverarbeitungsgeräte (Kamera- und Computersysteme), die in der Lage sind, zur Identifizierung von Fahrzeugen, insbesondere das KFZ-Kennzeichen sowie Type, Marke und Farbe von stehenden bzw. sich in Bewegung befindlichen Fahrzeugen für die Zwecke der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Fahndung auszulesen. Der automatische und nahezu zeitgleiche Abgleich mit Daten aus nationalen und internationalen Fahndungsevidenzen (vgl. § 57 Abs. 2 SPG, § 8a PolKG, §§ 33 ff EU-PolKG) ist nur anhand der mittels bildverarbeitender technischer Einrichtungen ausgelesenen KFZ-Kennzeichen zulässig. Abfragekriterium in der Fahndungsevidenz ist somit lediglich das Kennzeichen des Fahrzeuges. Nur im Falle einer Übereinstimmung („Treffer“) zwischen dem erfassten Kennzeichen und einem in einer nationalen oder internationalen Fahndungsevidenz gespeicherten Kennzeichen dürfen die mittels bildverarbeitenden technischen Einrichtungen ermittelten Daten weiterverarbeitet werden. Andernfalls sind die ermittelten Daten automatisch und umgehend zu löschen. Eine von einem Trefferfall losgelöste Erlaubnis, die durch den Einsatz bildverarbeitender technischer Einrichtungen ermittelten Daten für einen bestimmten Zeitraum ab Ermittlung zu speichern, wie sie § 54 Abs. 4b idF BGBl. I Nr. 29/2018 noch enthielt, ist in der Neuregelung nicht vorgesehen.

Anders als § 54 Abs. 4b idF BGBl. I Nr. 29/2018 ermächtigt die Neuregelung nicht zur Ermittlung von Lichtbildern von Personen im Fahrzeug bzw. im Nahbereich des Fahrzeuges. Da die bildgebende Erfassung von Personen beim Einsatz bildverarbeitender Einrichtungen aber technisch nicht ausgeschlossen werden kann, ist technisch dafür Vorsorge zu treffen, dass allenfalls erfasste Personen ohne unnötigen Verzug in nicht rückführbarer Weise unkenntlich gemacht werden, noch bevor das in Rede stehende Bild den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Kenntnis gelangt (vgl. zur korrespondierenden Regelung in der StVO § 98a Abs. 3 leg.cit.).

Neben dem ohnehin geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemäß § 51 Abs. 1 iVm § 29, aus dem sich ergibt, dass der Einsatz bildverarbeitender technischer Einrichtungen zu beenden ist, wenn dieser zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist, sieht die Neuregelung in bestimmten Fällen eine zusätzliche Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. Findet der Einsatz ununterbrochen länger als 72 Stunden an der gleichen Örtlichkeit statt (stationärer Einsatz), ist dieser ausschließlich entlang der vom internationalen Durchzugsverkehr benützten Verkehrswege (vgl. den Wortlaut des § 35 Abs. 1 Z 7) oder nach Durchführung einer ortsbezogenen Risikoanalyse, die auf sicherheits- und kriminalpolizeilichen Erkenntnissen, wie etwa vermehrte Eigentumskriminalität an einer bestimmten Örtlichkeit, beruht, zulässig. Der Standort bzw. das Ergebnis der durchgeführten Risikoanalyse ist diesfalls dem Rechtsschutzbeauftragten in der Meldung gem. § 91c Abs. 1 mitzuteilen.

Der Einsatz bildverarbeitender technischer Einrichtungen unterliegt als verdeckte Ermittlungsmaßnahme gemäß § 91c der nachprüfenden Kontrolle durch den Rechtsschutzbeauftragten beim Bundesminister für Inneres (§ 91a). Beim Einsatz bildverarbeitender technischer Einrichtungen, die länger als 72 Stunden an der gleichen Örtlichkeit zum Einsatz kommen (stationärer Einsatz), soll der Rechtsschutzbeauftragte nachträglich von den Sicherheitsbehörden über diese Maßnahme informiert werden (§ 91c Abs. 1). Die nachträgliche Information über den erfolgten stationären Einsatz von bildverarbeitenden Einrichtungen soll es dem Rechtsschutzbeauftragten ermöglichen zu prüfen, ob neben den allgemeinen in § 54 Abs. 4b genannten Voraussetzungen auch die für einen stationären Einsatz dieser Einrichtungen zusätzlichen Voraussetzungen – Einsatz auf vom internationalen Durchzugsverkehr benützten Verkehrswegen bzw. nach Durchführung einer ortsbezogenen Risikoanalyse – tatsächlich vorlagen.

Demgegenüber soll der Rechtsschutzbeauftragte gemäß § 91c Abs. 2 bei nicht-stationärer Verwendung bildverarbeitender technischer Einrichtungen gemäß § 54 Abs. 4b über die erstmalige Inbetriebnahme dieser Geräte informiert werden. Der Einsatz der bildverarbeitenden technischen Einrichtungen ist erst nach Ablauf der in § 91c Abs. 2 vorgesehenen dreitägigen Äußerungsfrist oder einer entsprechenden Äußerung des Rechtsschutzbeauftragten zulässig. Die Information über den erstmaligen nicht-stationären Einsatz bildverarbeitender technischer Einrichtungen soll dem Rechtsschutzbeauftragten die Möglichkeit geben, die Datenverarbeitung durch diese Einrichtungen, insbesondere die nicht rückführbare Unkenntlichmachung allenfalls erfasster Personen, vorab zu prüfen.

Zu § 54 Abs. 7b und § 91c Abs. 2:

Angelehnt an die nach den Abs. 7 und 7a des § 54 zum Schutz ausländischer, internationaler oder völkerrechtlicher Organe oder Schutzobjekte bereits bestehenden Rechtsgrundlagen soll durch den neuen Abs. 7b eine Ermächtigung für den Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten an öffentlichen Orten zum Schutz oberster (nationaler) Staatsorgane geschaffen werden. Oberste Staatsorgane nach dem fünfzehnten Abschnitt des Strafgesetzbuchs sind der Bundespräsident, der Nationalrat, der Bundesrat, die Bundesversammlung, die Bundesregierung, ein Landtag, eine Landesregierung, der Verfassungsgerichtshof, der Verwaltungsgerichtshof und der Oberste Gerichtshof sowie die einzelnen Mitglieder dieser Kollegialorgane und der Präsident und Vizepräsident des Rechnungshofs sowie der Leiter eines Landesrechnungshofs und dessen Stellvertreter.

Der Einsatz der Videoaufzeichnung unterliegt im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel zum angestrebten Zweck sowohl in Bezug auf die zu schützende Person als auch in örtlicher Hinsicht Beschränkungen: Nur bei Vorliegen einer Gefährdungssituation und nach Durchführung einer ortsbezogenen Risikoanalyse darf an solchen öffentlichen Orten (iSd Definition des § 27 Abs. 2), die in unmittelbarer Nähe zu Gebäuden liegen, in denen sich die zu schützende Person regelmäßig aufhält (Amtssitz, Wohnsitz), videoüberwacht werden. Das Vorliegen einer Gefährdungssituation ist personenbezogen im Hinblick auf das zu schützende Organ zu prüfen und kann sich etwa aufgrund von Sicherheitsvorfällen in der Vergangenheit, dessen Exponiertheit oder aktuellen, konkreten Hinweisen in- oder ausländischer Sicherheitsbehörden ergeben. Bei Vorliegen einer Gefährdungssituation ist anhand einer ortsbezogenen Risikoanalyse – wie auch bei Abs. 7a – festzustellen, an welcher Örtlichkeit der Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten erforderlich ist. Der räumliche Bereich der Videoüberwachung ist dabei auf das für den Schutz der obersten Organe unbedingt erforderliche Ausmaß zu begrenzen.

In die gesamthafte Bewertung miteinzubeziehen sind somit insbesondere Informationen über nationale oder auch internationale Sicherheitsvorfälle, aktuelle Bedrohungslagen, die Zielattraktivität oder das mögliche Schadensausmaß. Die gesamthafte Bewertung einschließlich des im Einzelfall konkret erfassten räumlichen Bereichs der Videoüberwachung ist dem Rechtsschutzbeauftragten zur Ermöglichung der Vorab-Kontrolle iSd § 91c Abs. 2 mitzuteilen.

Nach dem Vorbild der bestehenden Rechtsgrundlagen des SPG ist eine solche Ermittlung personenbezogener Daten durch Videoüberwachung in jedem Fall öffentlich anzukündigen. Dies dient dem präventiven Charakter der Maßnahme und dem Interesse potentiell Betroffener im Hinblick auf die Achtung ihrer Privatsphäre. Die Regelungen zur Weiterverarbeitung und Löschung entsprechen den bereits bestehenden Bestimmungen nach § 54 Abs. 6 bis 7a. Schließlich ergibt sich schon aus den §§ 51 f. und den dort normierten Geboten der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit, dass die Videoüberwachung zu beenden ist, sobald ihre Voraussetzungen wegfallen.

Zu den §§ 57 Abs. 3, 58 Abs. 3 und 63 Abs. 3:

Mit dem Erkenntnis zu G72-74/2019, G181-182/2019 vom 11.12.2019 hat der VfGH § 57 Abs. 2a aufgehoben. Die diesbezüglichen Verweise in § 57 Abs. 3, § 63 Abs. 3 sowie § 58 Abs. 3 haben deshalb zu entfallen.

Zu § 58e Abs. 2a:

Zur Verbesserung des Informationsflusses soll der neu eingefügte § 58e Abs. 2a die Sicherheitsbehörden künftig ermächtigen, Bild- und Tondaten, die diese zulässigerweise im Bereich der Sicherheitsverwaltung bzw. als Kriminalpolizei ermitteln, in Echtzeit an die bei den Landespolizeidirektionen (LPD) angesiedelten Landesleitzentralen und an das Lagezentrum des BMI zu übermitteln.

Durch die Änderung soll es ermöglicht werden, dass die Landesleitzentralen der LPD bzw. das Lagezentrum im BMI unmittelbar Informationen über laufende (Groß-)Einsätze erhalten, um ihrer Aufgabe der Unterstützung bei der Koordinierung von Einsätzen effektiver nachkommen zu können. Dabei sind unter Einsätzen – neben den bereits im Gesetzestext demonstrativ aufgezählten sicherheitspolizeilichen Schwerpunktaktionen und ordnungsdienstlichen Anlässen (zu den Begriffen vgl. § 53a Abs. 1) – auch sonstige Einsätze, insbesondere Großeinsätze, Katastropheneinsätze und sonstige besondere Lagen zu verstehen.

Übermittelt werden nur Bild- und Tondaten, welche die Sicherheitsbehörden zur Aufgabenerfüllung im Rahmen der Sicherheitsverwaltung (z.B. Videoüberwachungen nach § 54 oder § 12 Abs. 2 GrekoG) und der Kriminalpolizei (§ 136 Abs. 1 Z 1 oder § 149 Abs. 1 Z 1 StPO) als datenschutzrechtlich Verantwortliche rechtmäßig ermitteln. Bild- und Tondaten, welche die Sicherheitsbehörden auf Grundlage der StVO (z.B. durch Verkehrskameras) ermitteln, sind daher davon nicht umfasst.

Bild- und Tondaten dürfen ausschließlich in Echtzeit übermittelt werden. Das bedeutet, sie dürfen beim Empfänger nicht aufgezeichnet werden. Diese Einschränkung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Echtzeitübertragung im Vergleich zur Datenspeicherung das gelindere Mittel (Grundsatz der Datenminimierung) und damit einen geringeren Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz darstellt.

Zu § 75 Abs. 1:

Im Falle der Identitätsfeststellung einer hilflosen Person gemäß § 35 Abs. 1 Z 3 kann bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 65 Abs. 3 durchgeführt werden. Unmittelbar nach Erhebung der Daten ist gemäß § 75 Abs. 2 eine Abfrage dieser Daten in der zentralen erkennungsdienstlichen Evidenz (§ 75 Abs. 1 und 1a) zulässig, um einen Hinweis zur Klärung der Identität zu erhalten. Seit dem Wegfall der (lokalen) erkennungsdienstlichen Evidenzen nach § 70 in der Fassung vor BGBl. I Nr. 29/2018 können erkennungsdienstliche Daten hilfloser Personen – anders als jene von Leichen gemäß § 66 Abs. 1 – nicht mehr (weder lokal noch zentral) gespeichert werden. Die weitere Speicherung dieser Daten ist jedoch erforderlich, um die Identität der hilflosen Person auch im Falle einer erst später erfolgenden Abgängigkeitsanzeige klären zu können. Durch die gegenständliche Änderung soll daher (wieder) die Möglichkeit geschaffen werden, gemäß § 65 Abs. 3 iVm § 35 Abs. 1 Z 3 ermittelte erkennungsdienstliche Daten hilfloser Personen zu speichern, wenn die erstmalige Abfrage nach § 75 Abs. 2 zu einem negativen Ergebnis geführt hat. Die gespeicherten Daten sind wie bisher gemäß § 73 Abs. 1 Z 6 zu löschen, sobald sie ihre Funktion für den Anlassfall erfüllt haben, das heißt, die Identität der hilflosen Person festgestellt werden konnte.

Zu § 92a Abs. 2:

Neben einer redaktionellen Anpassung dient die Änderung der Verwaltungsvereinfachung. Die örtliche Zuständigkeit für Vorschreibungen von Kostenersätzen gemäß § 92a Abs. 1 oder 1a soll sich nach dem Ort des Einschreitens richten. Werden dabei Amtssprengel (§ 14 Abs. 1) überschritten, richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort, an welchem das Einschreiten begonnen hat.

Zu § 94 Abs. 57:

Es handelt sich um die Inkraft- bzw. Außerkrafttretensbestimmung.