UbG-IPRG-Nov 2021

 

Vereinfachte wirkungsorientierte Folgenabschätzung

 

Einbringende Stelle:

BMJ

Vorhabensart:

Bundesgesetz

Laufendes Finanzjahr:

2021

 

Inkrafttreten/

Wirksamwerden:

2022

 

Vorblatt

 

Problemanalyse

Im Mai 2016 hat ein einundzwanzigjähriger geistig verwirrter obdachloser Mann am Brunnenmarkt in Wien Ottakring ohne ersichtlichen Grund eine Passantin mit einer Eisenstange erschlagen. Zur Aufarbeitung dieser Geschehnisse wurde eine Sonderkommission eingerichtet. Diese hat unter anderem „Defizite in der Vernetzung und bei den Informationsflüssen zwischen den verschiedenen Beteiligten, dadurch keine Zusammenführung der Informationen und Koordinierung notwendiger Maßnahmen“ sowie „fehlende oder unklare Regelungen für den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Berufsgruppen und Behörden sowie Standards für das zielgerichtete Vorgehen bei psychischen Erkrankungen“ festgestellt.

Das gegenständliche, vom Bundesministerium für Inneres und vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz mitgetragene Reformvorhaben dient ua. der Umsetzung der das Unterbringungsrecht betreffenden Empfehlungen dieser Sonderkommission. Ein wichtiges Anliegen der Reform ist es aber auch, das UbG mit den Anforderungen der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung (kurz: UN-Behindertenrechtskonvention) in Einklang zu bringen, was insbesondere in der stärkeren Berücksichtigung der Meinung der untergebrachten Patientinnen und Patienten sowie in deren Unterstützung bei der Meinungsbildung zum Ausdruck kommt.

Mit dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz (BGBl. I Nr. 59/2017) wurde die vormalige Angehörigenvertretung im Rahmen des Instituts der „gesetzlichen Erwachsenenvertretung“ neu geregelt.

Das österreichische IPRG nahm weder auf die Angehörigenvertretung Bezug, noch ist für die gesetzliche Erwachsenenvertretung eine eigene Kollisionsnorm vorgesehen. § 15 IPRG regelt nach herrschender Lehre nur die gerichtliche Erwachsenenvertretung. Sofern keine gerichtlichen oder behördlichen Maßnahmen getroffen werden, ist die gesetzliche Erwachsenenvertretung nach herrschender Lehre auch nicht vom Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom 13. Jänner 2000 (HESÜ, BGBl. III Nr. 287/2013) erfasst.

In der Praxis bestehen Probleme bei der Prüfung, welches Recht zur Beurteilung, ob eine gesetzliche Erwachsenenvertretung in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eingetragen werden kann, anzuwenden ist. Aufgrund der existierenden Rechtsunsicherheit werden Eintragungen in das ÖZVV betreffend Erwachsene mit ausländischer Staatsangehörigkeit fallweise nicht durchgeführt, obwohl die Voraussetzungen einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung nach österreichischem Recht erfüllt wären.

 

Ziel(e)

1. Klärung der Aufgaben aller Akteure

2. Verbesserung der Zusammenarbeit aller Akteure

3. Rechtsklarheit im Umgang mit sensiblen Daten

4. Stärkung der Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung der Patienten

5. Stärkere Ausrichtung der medizinischen Behandlung am Willen des Patienten

6. Schaffung von Rechtsklarheit bei Fernbleiben des Patienten und bei Notwendigkeit seiner Behandlung außerhalb der psychiatrischen Abteilung

7. Adaptierung des UbG an die Bedürfnisse Minderjähriger

8. Behebung des Mangels an Ärzten gemäß § 8 UbG

9. Klarstellung der aktuellen Rechtslage und Schaffung der Möglichkeit einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung auch in Fällen mit Auslandsbezug.

 

Inhalt

Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahme(n):

A. Zum Unterbringungsrecht

1. Bessere Gliederung des Gesetzestextes

2. Rechtsgrundlage für Kooperation und Kommunikation zwischen den Akteuren

3. Rechtsgrundlage für Kooperation und Kommunikation mit dem Patienten, Unterstützung des Patienten, Verfahrensbestimmungen

4. Anpassung an die Regelungen des 2. ErwSchG

5. Regelung des eigenmächtigen Fernbleibens des Patienten und seiner Behandlung außerhalb der psychiatrischen Abteilung

6. Schaffung besonderer Bestimmungen für die Unterbringung Minderjähriger

7. Ermächtigung an die Bundesländer, einen Pool an zur Einweisung berechtigten Ärzten vorzusehen

8. Datenschutzbestimmungen

B. Zum Internationalen Privatrecht

1. § 15 IPRG soll anwenderfreundlich umgestaltet werden und eine eigene kollisionsrechtliche Regelung für die Vertretung von Gesetzes wegen enthalten.

2. Außerdem werden inhaltliche Klarstellungen und redaktionelle Anpassungen im IPRG, dem Außerstreitgesetz (AußStrG) und der Jurisdiktionsnorm (JN) vorgenommen.

 

Aus den gegenständlichen Maßnahmen ergeben sich keine finanziellen Auswirkungen auf den Bund, die Länder, die Gemeinden oder auf die Sozialversicherungsträger

 

Anmerkungen zu sonstigen, nicht wesentlichen Auswirkungen:

Polizei: kein Mehrbedarf, weil die Polizei die Alternativen nicht abklären muss; lange Wartezeiten werden in Zukunft nicht mehr die Regel sein (Ärztepool, § 9 UbG), Gespräch mit der betroffenen Person muss auch jetzt schon geführt werden.

Einweisende Ärzte: Bundesländer müssen von Ermächtigung nicht Gebrauch machen; Subsidiarität ist schon nach geltendem Recht zu prüfen, Gespräch muss aufgrund des ÄrzteG geführt werden, Erreichbarkeit kann auch telefonisch gegeben sein.

Abteilungsleiter: telefonische Erreichbarkeit des einweisenden Arztes ist eine Erleichterung, Gespräch mit dem Patienten ist jetzt schon erforderlich, Entlassungsmanagement ist jetzt schon oft vorhanden und bewirkt eine „Umwegrentabilität“.

Patientenanwalt: Vertretungsbefugnis in § 14 Abs. 2 UbG besteht nach herrschender Meinung schon derzeit, nach herrschender Meinung war die Frage der Zulässigkeit der medizinischen Behandlung jetzt schon einer Überprüfung zugänglich, § 36 a UbG: Diesen Überprüfungsantrag kann auch der Patientenanwalt stellen, nur ausdrückliche Regelung, wird in der Praxis keine Zusatzbelastung sein.

Kinder- und Jugendhilfeträger: die Formulierung „nach Maßgabe ihrer Ressourcen“ soll vor Zusatzbelastung schützen. In der Praxis wird bei Kindeswohlgefährdung auch nach geltender Rechtslage der Kinder- und Jugendhilfeträger beigezogen.

Richter: keine zusätzlichen Planstellen erforderlich (Verschiebung von Zuständigkeiten des Pflegschaftsrichters zum Unterbringungsrichter).

 

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

 

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Keine.

 

Datenschutz-Folgenabschätzung gem. Art. 35 EU-Datenschutz-Grundverordnung

Explizite Regelungen, wer welche Daten an wen weitergeben darf.

 

Diese Folgenabschätzung wurde mit der Version 5.6 des WFA – Tools erstellt (Hash-ID: 2136395616).