13.46
Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Vor allem Herr Bundeskanzler! Ich möchte heute ein paar persönliche Fragen an Sie stellen. Ich tue das nicht nur aus eigenem Interesse, sondern ich tue das stellvertretend für, glaube ich, ganz, ganz viele Menschen da draußen, Bürger und Bürgerinnen dieses Landes, die keine Machtposition innehaben (Zwischenrufe der Abgeordneten Melchior und Wöginger), so wie Sie, die nicht jeden Monat ein Spitzengehalt samt Kanzlerprivilegien bekommen, so wie Sie, und die nicht in nationalen und internationalen Netzwerken drinnen hängen, von denen sie protegiert und beschützt werden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Ottenschläger und Pfurtscheller. – Ruf bei der ÖVP: Unterstellungen, Unterstellungen!)
Diese Menschen da draußen haben etwas ganz anderes (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Melchior), sie haben ein sehr, sehr gutes Empfinden, ein sehr, sehr gutes Gespür für das, was falsch ist, und für das, was richtig ist. Man könnte auch sagen, sie haben ein sehr, sehr gutes Gespür für das, was gut ist, und für das, was böse ist, für das, was man tut, und für das, was man nicht tut, oder, um es auf gut Deutsch zu sagen: Diese Leute haben ein intaktes Gewissen. Ich glaube, dass man das von weiten Teilen der Volkspartei nicht mehr behaupten kann. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Hallo! – Zwischenrufe der Abgeordneten Melchior und Ottenschläger.)
Jetzt frage ich Sie, Herr Bundeskanzler: Sie waren doch derjenige Regierungschef, der der Bevölkerung – es ist eine Ironie des Schicksals, dass es fast auf den Tag genau zwei Jahre her ist – unmittelbar nach dem Auftauchen des Ibizavideos Folgendes gesagt hat, ich darf zitieren: Mit einem Regierungsmitglied, gegen das ermittelt wird, kann ich nicht länger zusammenarbeiten. – Zitatende.
So, Herr Bundeskanzler?! So?! Und jetzt? Was ist jetzt? Was ist jetzt, wo sich die Ermittlungen der Justiz gegen Sie und gegen Ihren Finanzminister – und ich abstrahiere jetzt vom restlichen Who is Who der ehrenwerten ÖVP-Familie –, gegen Sie selbst und gegen Ihre engsten Verbündeten richten? Was ist jetzt? Gilt das alles nicht mehr? Jetzt erklären Sie der Bevölkerung, dass alles ganz anders ist, als es damals gewesen ist, und dass das, was Sie damals gesagt haben, heute keine Gültigkeit mehr hat. Mich fragen viele Leute, und diese Frage gebe ich stellvertretend an Sie weiter (Abg. Melchior: Wer fragt Sie? Wer? Wer? – Zwischenrufe der Abgeordneten Gabriela Schwarz und Wöginger): Schämen Sie sich eigentlich nicht angesichts dieser Wendehalsigkeit und dieser Verdrehungen, die Sie hier an den Tag legen? (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Da redet der Richtige!)
Ich frage gleich weiter: Haben Sie eigentlich überhaupt keine Skrupel? (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.) Haben Sie überhaupt keine Skrupel, die Unwahrheiten, die Sie im U-Ausschuss stundenlang zelebriert haben – das war ja eine Strategie –, jetzt auch außerhalb des Ausschusses weiter fortzuführen, jetzt, wo Sie aufgeflogen sind, wo Sie aufgeklatscht worden sind, wo Sie überführt worden sind, dass Sie falsch ausgesagt haben? – Nicht in einzelnen Worten: Ihre ganze Strategie war darauf angelegt.
Anstatt sich hinzustellen und zu sagen: Ja, ich habe einen schweren Fehler gemacht!, und vielmehr – denn damit allein ist es nicht getan – zuzugestehen, dass dieser schwere Fehler mit dem Amt eines Regierungschefs nicht kompatibel ist, anstatt die Konsequenzen zu ziehen, um Schaden von der Republik und auch von Ihnen selbst abzuwenden, schlagen Sie wild um sich, Herr Bundeskanzler.
Jeder macht Fehler, das ist unbestritten, aber nicht jeder Fehler ist ein Gesetzesbruch, auf den bis zu drei Jahre Haft stehen, und nicht jeder, der einen solchen Gesetzesbruch begeht, ist Bundeskanzler der Republik. Da müssen Sie sich schon gefallen lassen, dass Sie mit anderen Maßstäben gemessen werden als einfache Bürger dieses Landes.
Wissen Sie, Herr Bundeskanzler, niemand hat Ihnen eine Falle gestellt – kein Lockvogel, keine versteckten Mikrofone, keine versteckten Kameras. (Zwischenruf des Abg. Melchior.) Es ist Ihr Familienmitglied, Ihr Spezi Thomas Schmid, gewesen, der Sie mit seinen Chats jetzt ins Straucheln bringt. (Abg. Melchior: Wo sind deine Chats eigentlich? Wann kriegen wir die mal im Untersuchungsausschuss?) Sie haben beim Schreddern der Festplatten auf das Handy von Herrn Schmid vergessen. Das hätten Sie auch dreimal durch die Walzen laufen lassen sollen, so wie die geschredderten Festplatten. (Beifall bei der FPÖ.) Diese Chats spiegeln in einer unglaublichen Offenheit – da haben Sie das Herz auf der Zunge getragen – Ihre Machtbesessenheit wider, Ihre Eitelkeit, Ihre unglaubliche Überheblichkeit. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Da haben Sie sich sicher gefühlt, da haben Sie sich wie die großen Checker aufgeführt, als die Sie sich empfinden, die sich die Republik unter den Nagel reißen und auch vor Postenschacher der übelsten Sorte nicht zurückschrecken. (Ruf bei der ÖVP: Unerhört! – Abg. Wöginger: Das musst genau du sagen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Da darf man sich dann doch nicht wundern, dass es Leuten auffällt, dass der Inhalt dieser Chats mit Ihrer Rolle im Untersuchungsausschuss nicht zusammenpasst, wo Sie sich hingestellt haben, als ob der große Checker dann plötzlich der siebente Zwerg hinter dem siebenten Berg gewesen wäre. Da darf man sich doch nicht wundern, dass das den Leuten auffällt und zu einer Anzeige führt. Nein, Herr Bundeskanzler, diese Suppe haben Sie sich selber eingebrockt – und sonst niemand. (Beifall bei der FPÖ.)
Es ist unglaublich, dass Sie es nicht beschämend finden (Abg. Melchior: Du solltest dich schämen!), wo Sie doch eigentlich wissen, dass Sie politisch längst in der Versenkung verschwunden wären, wenn nicht teilweise gekaufte, angefütterte oder wirtschaftlich unter Druck gesetzte Medien (Abg. Steinacker: Unfassbare Unterstellungen!) Ihren – und da meine ich den gesamten türkisen – Feldzug gegen Demokratie, gegen Rechtsstaatlichkeit, gegen das Parlament und gegen die Justiz (weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) ja schon bis ins Groteske hinein schönreden und in Ceauşescu-Manier die Alternativlosigkeit predigen würden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Rufe bei der ÖVP: Unfassbar! Wahnsinn! Du hast ja überhaupt kein Gespür mehr! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)