12.58

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Ich fand, was Kollege Lopatka angespro­chen hat – die Rede von Putin 2007 bei der Münchner Sicherheitskonferenz – insofern sehr relevant, als es uns zeigt, dass Putin damals, vor 15 Jahren, in Wirklichkeit schon seinen Plan offengelegt hat. Wir als westliche Welt, als Europa, haben – aus meiner Sicht und jetzt ja offenkundig – nicht darauf reagiert.

Es ist ja nicht so, dass das, was heute in der Ukraine passiert ist, überraschend kommt. Wir kennen die Vorzeichen. Wir wissen, was Putin auf der Krim gemacht hat, im Don­bass, in Transnistrien, Abchasien und Südossetien. Wir kennen alle diese Probleme und wir wissen, dass die Ankündigungen von drastischen Maßnahmen in einem Stufenplan, so wie es auch angesprochen wurde, offensichtlich nicht ausreichen.

Diese meiner Meinung nach oft sehr klaren, aber am Schluss doch salbungsvollen Worte werden wohl Wladimir Putin genauso wenig beeindrucken wie die Sanktionen, die es bisher gegen Russland gab, die teilweise angekündigt wurden und die jetzt noch disku­tiert werden. Sie werden höchstwahrscheinlich nicht ausreichen. Ich bin überzeugt da­von, dass wir noch viel schärfere Sanktionen setzen müssen.

Es ist uns in dem Zusammenhang natürlich auch bewusst – das ist auch schon ange­sprochen worden –, dass sich diese Sanktionen grundsätzlich nicht gegen das russische Volk richten dürfen, sondern gegen den Aggressor Putin. Es wird aber wahrscheinlich auch die Notwendigkeit geben, Sanktionen zu implementieren, die wahrscheinlich und leider Gottes dann auch das russische Volk treffen, weil uns keine anderen Möglichkei­ten mehr zur Verfügung stehen.

Ich glaube, wir können heute hier als Parlament Klarheit schaffen und ein klares Zeichen setzen, um zu zeigen, was unsere Vorstellung ist und wie weit Sanktionen unserer Mei­nung nach gehen sollten. Frau Kollegin Ernst-Dziedzic hat angesprochen, sie würde ger­ne hier, aus dem Parlament heraus, Klarheit haben. Ich glaube, wir können diese Klarheit schaffen und über die salbungsvollen Worte hinaus heute hier als Parlament etwas be­schließen.

Deswegen bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ganz­heitliche Sanktionen gegen Russlands Angriffskrieg“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, die Vermögen von sanktionier­ten Personen in Österreich unverzüglich einzufrieren und sich für eine Überarbeitung und Erweiterung der Sanktionsliste mit Hinblick auf die jüngsten Ereignisse einzusetzen.

Auf europäischer Ebene möge die Bundesregierung sich für die sofortige Verhängung aller diskutierten Sanktionen, wie die Abtrennung Russlands vom internationalen Zah­lungsverkehr und einen vollständigen Exportstopp für technologische Güter, einsetzen.

Weiters sollen bis zum vollständigen Abzug russischer Truppen aus dem gesamten ukrainischen Staatsgebiet keine internationalen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, kulturellen und sportlichen Großveranstaltungen in Russland abgehalten werden, sowie der Ausschluss russischer Teilnehmer bei derartigen Veranstaltungen im Ausland ge­prüft werden.

Alle derartigen Sanktionen mögen auf andere Staaten ausgedehnt werden, die Russland in diesem Angriffskrieg aktiv unterstützen.“

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Mir ist bewusst, dass das sehr weitreichende Forderungen sind, aber ich glaube, wir haben als westliche Welt und auch als Österreich keine andere Chance mehr.

Herr Klubobmann Kickl, Sie haben hier in Ihrer Rede davon gesprochen, dass es eine Einseitigkeit in den Handlungen der österreichischen Bundesregierung gibt, und auch immer wieder die Neutralität strapaziert. Ich glaube, Kollege Engelberg hat sowohl Ihnen als auch Kollegen Troch sehr eindrucksvoll gezeigt, wie falsch Neutralität verstanden werden kann.

Die Neutralität war nach dem Zweiten Weltkrieg ein notwendiges Mittel, aber es ist doch absurd, im 21. Jahrhundert zu glauben, dass man mit Ideen, die ewig alt sind, in einer vollkommen veränderten Welt weiterhin die Möglichkeit hat, das Auslangen zu finden.

Herr Klubobmann, ich sage Ihnen noch etwas. Sie haben wörtlich gesagt – und das hat mich einigermaßen entsetzt –: Alles, was in Russland im Argen liegt, kann man parallel auf die USA verschieben. Herr Klubobmann Kickl, wenn man die USA im gleichen Atem­zug nennt wie Russland und sagt, man kann alles parallel verschieben, dann sage ich Ihnen eines: Russland ist ein autokratisch geführtes Land, die USA sind eine Demo­kratie. In Russland werden Journalistinnen und Journalisten weggesperrt, in den USA nicht. In Russland werden politische Gegner ins Gefängnis geworfen – Alexei Nawalny sitzt seit mehr als einem Jahr im Gefängnis (Zwischenruf des Abg. Deimek) –, in den USA nicht. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Die USA in dem Zusammenhang mit Russland im gleichen Atemzug zu nennen (Abg. Martin Graf: Guantánamo! – Zwi­schenruf des Abg. Kickl), ist absurd und entbehrt jeglicher Grundlage. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Man kann in der Frage, die wir heute diskutieren, nur auf einer Seite stehen, und das ist die Seite der Freiheit, das ist die Seite des Rechtsstaats, das ist die Seite der Demokratie (Abg. Deimek: Also Guantánamo ist Demokratie?!), und das ist in diesem Fall auf der Seite der Ukraine. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen.)

13.03

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Ganzheitliche Sanktionen gegen Russlands Angriffskrieg

eingebracht im Zuge der Debatte in der 143. Sitzung des Nationalrats über die Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gem. § 19 Abs. 2 GOG-NR anlässlich der aktuellen Krise zwischen Russland und der Ukraine samt Debatte - Top 1

In der Nacht vom 23. zum 24 Februar hat Russland die Ukraine auf breiter Front mit massiver militärischer Gewalt angegriffen. Obgleich dieser Überfall nur eine weitere Etappe in einer Serie von unprovozierten Völkerrechtsverletzungen beginnend mit der Invasion der Halbinsel Krim 2014 darstellt, so repräsentiert sie doch eine neue Dimen­sion in diesem Konflikt. Russland führt nun einen unverschleierten Krieg gegen ein völ­kerrechtlich – und bis vor kurzem auch von Russland – anerkanntes Nachbarland.

Um eine endlose Kriegssituation sowie die Möglichkeit, jederzeit weitere Aggressionen anderswo setzen zu können, zu verhindern, verlangt die neue Situation dringlichst eine neue Positionierung der internationalen Gemeinschaft.

Bis zur heutigen Eskalation waren stufenweise Sanktionen sinnvoll. Seit heute gilt es, die härtestmöglichen Sanktionen vollinhaltlich zu verhängen und in zukünftiger Diploma­tie russisches Verhalten mit schrittweiser Erleichterung abzutauschen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, die Vermögen von sanktionier­ten Personen in Österreich unverzüglich einzufrieren und sich für eine Überarbeitung und Erweiterung der Sanktionsliste mit Hinblick auf die jüngsten Ereignisse einzusetzen.

Auf europäischer Ebene möge die Bundesregierung sich für die sofortige Verhängung aller diskutierten Sanktionen, wie die Abtrennung Russlands vom internationalen Zah­lungsverkehr und einen vollständigen Exportstopp für technologische Güter, einsetzen.

Weiters sollen bis zum vollständigen Abzug russischer Truppen aus dem gesamten ukrainischen Staatsgebiet keine internationalen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, kulturellen und sportlichen Großveranstaltungen in Russland abgehalten werden, sowie der Ausschluss russischer Teilnehmer bei derartigen Veranstaltungen im Ausland ge­prüft werden.

Alle derartigen Sanktionen mögen auf andere Staaten ausgedehnt werden, die Russland in diesem Angriffskrieg aktiv unterstützen."

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