10.04
Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Vor allem auch: Herzlich willkommen den Initiator:innen dieses Volksbegehrens! Es ist wichtig, dass wir hier in diesem Haus Volksbegehren diskutieren, sie nehmen einen sehr breiten Raum ein. Grundsätzlich ist es so, dass wir Gesetze, die wir hier beschließen, entweder aufgrund von eigenen Initiativen zur Debatte bringen oder aufgrund von Vorschlägen, die von der Bundesregierung gemacht werden. Diese Vorschläge und diese Initiativen haben einen sehr, sehr langen schriftlichen Weg vor sich.
Das Meiste, worüber wir hier debattieren, lesen wir zunächst einmal nur. Es ist auch in der Öffentlichkeit relativ wenig präsent, es sei denn, wir selbst machen es präsent. Bei Volksbegehren ist das anders: Volksbegehren werden schon dann intensiv diskutiert, wenn sie zum ersten Mal ins Hohe Haus kommen, und auch in weiterer Folge – immer unter enger Einbeziehung jener, die sie initiiert haben. Das ist richtig, denn Volksbegehren sind ein wichtiges Instrument unserer Demokratie. (Beifall bei den Grünen.)
Unsere Demokratie baut auf zwei verschiedenen Systemen auf und diese beiden Systeme sind sehr eng miteinander verknüpft und ineinander verschränkt. Das eine Instrument ist die direkte Demokratie, das ist die Beteiligung am Gesetzgebungsprozess durch eigene Vorschläge, durch eigene Beiträge, von unten herauf, zum Beispiel eben durch Volksbegehren. Das andere ist die repräsentative Demokratie, das bedeutet, dass man Repräsentanten und Repräsentantinnen wählt, die hier herinnen sitzen – eine davon bin ich – und die Gesetzesinitiativen ausarbeiten, bearbeiten, besprechen, diskutieren, debattieren und dann zur Abstimmung bringen. (Beifall bei den Grünen.)
Diese beiden Systeme, auf denen unsere Demokratie aufbaut, greifen an vielen Punkten ineinander. Einer dieser Punkte ist eben, wenn wir hier Volksbegehren diskutieren und debattieren, und zwar von allen Seiten.
Dieses Volksbegehren, zu dem ich sprechen darf, fordert den Rücktritt der Bundesregierung. Ich kann einmal vorwegschicken, dass ich inhaltlich natürlich anderer Ansicht bin; ich glaube, das ist keine Überraschung. Es geht aber auch um den Prozess, es geht auch um das, was dahintersteht. Ich bin auch mit der Entstehung dieses Volksbegehrens nicht ganz glücklich. Es wurde am 9. März zugelassen, zu einem Zeitpunkt, zu dem der Krieg in der Ukraine bereits tobte und zu dem es schon wirklich ernsthafte Sicherheitsprobleme in diesem Land gab. Trotzdem beschäftigte sich dieses Volksbegehren, das den Rücktritt der Bundesregierung fordert, ausschließlich mit einem einzigen Thema. Ich denke, es ist wichtig, das hervorzustreichen.
So wichtig dieses Thema auch ist und so schwierig es auch war, in dieser Zeit immer die richtigen Entscheidungen zu treffen – das möchte ich gar nicht im Detail ausführen, das haben meine Vorredner schon gemacht –: Natürlich kann man inhaltlich bei ganz, ganz vielen Entscheidungen immer anderer Ansicht sein, das ist das Wesen der Demokratie. Es ist das Wesen des Diskurses, dass man sich inhaltlich austauscht und dass jeder Standpunkt gehört wird. Dennoch ist es wichtig, zu sagen, dass hier Entscheidungen getroffen wurden, die wir im vollen Bewusstsein und in der vollen Überzeugung, dass sie das sind, was Österreich braucht, getroffen haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Der Eintragungszeitraum hat Mitte Juni begonnen: Mitte Juni war für alle in diesem Land evident, dass wir eine Vielzahl von Krisen zu bewältigen haben, eine Vielzahl von schwierigen Entscheidungen zu treffen haben, und zwar Entscheidungen, die nicht von Gesundheitsexpert:innen zu treffen sind. Eine weitere Forderung in diesem Volksbegehren ist, dass die Regierung zurücktreten möge und eine Expert:innenregierung ihre Funktion ausüben solle. Auch dazu muss ich Ihnen leider sagen, dass das nicht der richtige Zugang wäre. In Zeiten wie diesen sind politische Entscheidungen zu treffen, und politische Entscheidungen müssen, so leid es mir tut, Politikerinnen und Politiker treffen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir können uns hier wirklich im Detail damit befassen, welche Entscheidungen in welchen Punkten immer ganz richtig waren und welche man vielleicht zu einem bestimmten Zeitpunkt oder im Nachhinein betrachtet auch etwas anders hätte treffen können. Das, wie gesagt, ist politischer Diskurs, das ist politische Debatte, die werden wir auch im Verfassungsausschuss führen und das finde ich sehr richtig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Aber wie gesagt: Es ist schon schwierig, sich das vorzustellen. Wir hatten zwar – es ist ja kein neues Experiment – bereits eine Regierung aus Expertinnen und Experten, und diese Regierung aus Expertinnen und Experten hat ihre Arbeit sehr, sehr gut gemacht, das muss man wirklich anerkennen, und ich möchte das auch an dieser Stelle hier wirklich festhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Gödl.) Das war aber eine andere Zeit und das waren andere Umstände. Unter den damaligen Umständen war es richtig und wichtig, das so zu machen, nämlich für einen überschaubaren Zeitraum und – das hat diese Regierung sich ja explizit auch vorgenommen – ohne politische Entscheidungen zu treffen. In Zeiten wie diesen geht das nicht.
Ich freue mich auch, das im Verfassungsausschuss weiter auszubreiten und weiter zu diskutieren. Aus meiner Sicht ist es aber wirklich wichtig, dass wir hier diese Volksbegehren gut und breit diskutieren und uns auch ausreichend Zeit dafür nehmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
10.11