16.03

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuseher auch zu Hause vor den Bildschirmen! Wir leben in einer Zeit voller Desinforma­tion und Fakenews. Erst kürzlich hat ein Team von Investigativjournalisten herausgefunden, dass eine israelische Firma 27 internationale Wahlen manipu­liert haben will. Man muss aber nicht sehr weit in die Ferne schweifen, es reicht ein Blick nach Oberösterreich. Dort ist auf1.tv zu Hause, einer der erfolg­reichsten Kanäle für Verschwörungsmythen, der auch vor Kurzem sehr er­folgreich nach Deutschland expandiert ist. (Abg. Amesbauer: Habe ich schon ein Interview gegeben! Nicht schlecht! – Abg. Schallmeiner – in Richtung Abg. Amesbauer –: Ja, spricht für dich!)

Ich lese Ihnen einen Satz vor, der auf auf1.tv existiert: „Die neue Weltordnung, die immer mehr mit subtiler Gewaltandrohung von den öko-kommunisti­schen linken Globo-Homo-Eliten durchgesetzt werden soll, beinhaltet nicht nur die Corona-Plandemie und den Klimaschwindel, sondern auch die Trans­gender Ideologie.“ – Gesendet werden übrigens auch Inhalte von auf1.tv auf dem steirischen Sender RTV. Bei all dem ist die FPÖ immer herzlich gerne gesehen und zu Gast. Es sind aber nur zwei von vielen Beispielen, die verdeutli­chen, dass wir eine funktionierende Medienlandschaft in Österreich brau­chen. Wir brauchen Qualitätsmedien, wir brauchen eine Berichterstattung, bei der wir uns darauf verlassen können, dass das stimmt, was berichtet wird. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Belakowitsch: Das ist ja beim ORF ein bissel schwierig!)

Ja, Kollegin Belakowitsch, da kommt auch dem ORF eine tragende Rolle zu. Wir NEOS bekennen uns auch zu einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Öster­reich, wiewohl es uns der ORF wirklich nicht leicht macht. Erst gestern wurde die Vergabe von gut dotierten Posten im ORF veröffentlicht. Ich spreche jetzt von jenem Mitarbeiter, der sich, als er Nachrichtenchefredakteur war, gemeinsam mit dem damaligen – das haben Sie, Herr Hafenecker, ganz klug unter den Tisch fallen lassen – FPÖ-Vizekanzler in Chats diverse Postenver­gaben ausgemacht hat. Dieser musste ja dann seinen Posten räumen, aber er fällt sehr weich, er wird nämlich Leiter des Projekts Smart Producing. Vonseiten des ORF heißt es dazu: „Diese Innovationsposition evaluiert im Rahmen der ORF-Strukturreform moderne, kostensenkende Produktionsme­thoden sowohl für bestehende als auch künftige multimediale Programm­initiativen.“ – Ich habe wirklich keine Ahnung, was das für ein Job ist, aber es klingt definitiv nicht nach einer Verschlechterung.

Weiteres Beispiel: Der ehemalige ORF-Niederösterreich-Landesdirektor, der Redakteure massiv unter Druck gesetzt hat, massiv für die ÖVP interveniert hat, wechselt jetzt zu „Licht ins Dunkel“. Ja, das ist auch ein gutes Stichwort, denn Licht ins Dunkel sollte es auch bei dem Bericht jener Kommission geben, die diese ganzen Vorgänge untersucht hat, aber der Bericht ist Geheimsache und liegt in der Generaldirektion.

Diese Botschaften sind fatal, weil das heißt, man kann beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk machen, was immer man möchte, es hat überhaupt keine Konsequenzen. Und das ist höchst irritierend. Entschuldigen Sie: Warum sollen wir alle den ORF mitfinanzieren und dieses Verhalten mit unserem Geld sponsern? Das darf einfach nicht sein. (Beifall bei den NEOS.)

Damit beschädigt sich der ORF und jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jeden Tag exzellent arbeiten, einfach auch massiv selbst. Er ist dabei aber nicht alleine, auch unsere Regierung arbeitet hart daran, den ORF zu delegitimie­ren. Frau Medienministerin, Sie haben jetzt sieben Monate gebraucht, um das Erkenntnis des VfGH mit einer Überschrift umzusetzen. Wir brauchen eine Neufinanzierung des ORF, ja, aber sieben Monate lang ist einfach nichts passiert. Nichts! Das Einzige, das wir jetzt hören, ist: Na das Geld wächst nicht auf den Bäumen. Wir brauchen einen ORF-Rabatt. – Entschuldigung, wir sind ja hier nicht bei Raabs Resterampe. So kann man doch einfach nicht spre­chen mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk!

Mit der Haushaltsabgabe steht jetzt einmal eine Überschrift im Raum. Alle weiterführenden Fragen bleiben unbeantwortet, außer dass Sie sagen, Frau Mi­nisterin, es habe so einen großen Stillstand in der Medienpolitik gegeben und Sie würden jetzt diesem Stillstand entgegentreten. Ich möchte daran erin­nern, dass es Sebastian Kurz war, der von 2020 bis 2021 der zuständige Medienminister war, und davor war es Blümel als Staatssekretär von 2017 bis 2019. Also ich weiß nicht, ob Sie sich gerade selbst von dieser vorherigen Regierung distanzieren. (Beifall bei den NEOS.)

Ja – um Kollegen Leichtfried zu zitieren, der Kollegin Neßler zitiert hat –, dieser FPÖ-Antrag ist grindig. Er ist grindig! (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen. – Abg. Amesbauer: Schon wieder! Das darf man einfach nicht sagen! – Abg. Leichtfried – in Richtung Abg. Amesbauer –: Das ist ja nur ein Zitat!) Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, Sie haben ja auch ei­nen Punkt drinnen: Es kann nicht sein, dass wir jetzt über eine ORF-Finan­zierung sprechen, ohne wirklich ganz grundlegende Fragen vorher zu klären. (Beifall bei den NEOS.) Wir müssen uns die Frage stellen: Was ist denn eigent­lich der öffentlich-rechtliche Auftrag im Jahr 2023 und darüber hinaus? Wie soll denn ein ORF der Zukunft aussehen?

Ich möchte daran erinnern, was die Aufgabe des ORF ist: Er muss ein differenziertes Gesamtprogramm von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport für alle anbieten, er muss Vielfalt bieten, er muss die Interessen der Hörerinnen und Seher abbilden, er muss ausgewogen berichten. Das wäre einmal, recht schwammig formuliert, ein Kernauftrag, aber wir müssen uns zusammensetzen, und zwar gemeinsam mit der Zivilbevölkerung, und in einem ordentlichen Prozess einfach einmal klären: Was ist heute der Auftrag eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Was soll er leisten? Was soll er können? Was ist nicht seine Aufgabe? Was können andere deutlich besser leisten?

Wir wissen derzeit einfach nicht mehr, was die Aufgabe eines Öffentlich-Rechtlichen ist. Diese Fragestellungen werden ja eigentlich auch von den Verantwortlichen gemieden. Wir hören einfach nur ein Buzzword-Bingo von Ihnen, und das führt dann dazu, dass totales Chaos ausbricht. Im Augenblick schreien alle nur mehr durcheinander: Das RSO muss erhalten bleiben – nein, das RSO ist nur etwas für Eliten! Sport plus muss erhalten bleiben – nein, das braucht niemand! Es herrscht totales Chaos, es herrscht totale Verun­sicherung und es herrscht seitens der Politik maximale Beschädigung des öffent­lich-rechtlichen Rundfunks. (Beifall bei den NEOS.)

Dann haben wir aber auch im ORF einen Generaldirektor von Gnaden der ÖVP, der keine Worte zu formulieren vermag: Warum braucht es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?, Warum braucht es sein Haus?, der sich auch nicht hinter seine Redakteurinnen und Redakteure, hinter seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellt.

Es fehlt also jede – jede! – ernsthafte Debatte über den ORF. Das ist aber die Basis, das müssen wir klären. Wir müssen den öffentlich-rechtlichen Auf­trag klären, und wenn wir das gemacht haben, dann brauchen wir eine Gremienreform. Wir müssen den ORF zwingend, umgehend und sofort entpolitisieren. Wir müssen beispielsweise das Anhörungsrecht der Lan­deshauptleute abschaffen. Es sitzen hier ja auch einige junge Leute: Stellt euch einmal vor, ihr bewerbt euch für einen Job, es ist ein interessantes Ge­spräch, und plötzlich sitzt da der Landeshauptmann und redet ein Wörtchen mit – das ist ja völlig absurd – und fragt: Na, welche Partei wählen wir denn? Passt denn das in unser Programm? (Abg. Zarits: Sind wir lustig heute?!) Das darf heute einfach nicht mehr sein. (Beifall bei den NEOS.)

Dann kommt hinzu, dass die Ministerin die zukünftige Finanzierung des ORF, nämlich mit dem Schlagwort Haushaltsabgabe, öffentlich auch dem Koali­tionspartner ausrichtet, ohne vorher mit ihm darüber gesprochen zu haben – das ist natürlich auch ganz alter Stil. Gleichzeitig bleibt der ORF mit der Länder­abgabe, die es weiterhin geben soll, auch weiterhin das Inkassobüro für sieben von neun Bundesländern.

Ich fasse also zusammen: Es bleibt alles, wie es ist. Es gibt keine Reform der Gremien. Die Medienministerin hat es schon ausgerichtet: Eine Gremienreform steht nicht im Regierungsübereinkommen, deshalb macht man es nicht. Es gibt keine Strategie zur Reduktion politischer Abhängigkeiten, keine Maßnahmen für ein Mindestmaß an Transparenz, keine Diskussion darüber, wie der ORF in die gesamte Medienlandschaft Österreichs passt, nichts darüber, was er kann, was er soll und was er darf.

Das ist keine Medienpolitik, das ist Fortführung von Stillstand. Das ist eine bewusste Weiterführung der Abhängigkeit des ORF von der Politik. Hier werden weiterhin mit Sidelettern Posten ausgedealt werden, es wird weiterhin keine Gremienreform geben.

Es gibt ja auch im ORF Menschen, die aufstehen und sich dagegen wehren, es gibt genügend Stellungnahmen seitens des Redakteursrates, aber das verfängt sich anscheinend nicht in der Politik, da agiert man planlos, und das lässt ja auch die Medienexperten und -expertinnen dieses Landes ratlos zu­rück. Man fragt sich schon, was denn eigentlich das Ziel dieser ganzen Übung ist, ob da nicht einfach der ORF weiterhin geschwächt werden soll, der General­direktor sturmreif geschossen werden soll, und dann hat man einfach noch mehr Durchgriffsrecht im Öffentlich-Rechtlichen – und das gilt es auch zu verhin­dern! (Beifall bei den NEOS.)

16.12