19.16

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie nahe die Krise ist, das wissen wir. Dass dieses Gesetz aus unserer Sicht nicht entsprechend vorbereitet ist, hat Kollege Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, glaube ich, ausreichend begründet. Deswegen möchte ich Ihnen von einem Krieg erzählen.

Ich war nämlich mit der parlamentarischen Freundschaftsgruppe – herzlichen Dank an Ewa Ernst-Dziedzic, Wolfgang Gerstl, Harald Troch und unseren politi­schen Berater Thomas Jandl – in der Ukraine. Wir waren in Odessa, Mykolajiw und auch in noch östlicher gelegenen zerstörten Dörfern und Städten.

Wie nahe der Krieg kommt, haben wir heute früh in den Nachrichten mitbe­kommen, als eine Rakete – oder ich glaube, es waren sieben Raketen – in einem Wohngelände in Lwiw einschlug und dort vier Menschen getötet wurden, 37 sind verletzt. Es steht mir nicht zu – ich hätte es mir eigentlich erwartet –, zu sagen: Da könnten wir eine Gedenkminute einlegen! Ich kann Sie aber nur auffordern, Kolleginnen und Kollegen, darüber nachzudenken, wie es den Men­schen dort jetzt geht, wie es den Verwandten, die in Österreich leben, geht, die nicht wissen, wie es ihren Verwandten zu Hause gerade geht.

Wir haben, als wir in Odessa waren, erlebt, was die Menschen seit 500 Tagen mitmachen. Wir haben nämlich jede Nacht auf unser Handy schauen müssen, und es gab natürlich jede Nacht Alarm, und niemand weiß, ob es sein Haus trifft.

Was wir dann erlebt haben, vor allem in Mykolajiw und östlich davon, war die Auslöschung ganzer Dörfer: Man fährt durch Dörfer, die strategisch völlig unbedeutend sind, die aber von den Russen ganz gezielt ausgelöscht werden – jedes einzelne Haus! –, weil, und jetzt bin ich bei einem entscheidenden Punkt, es nicht darum geht, dass Russland und die Ukraine einen Krieg um irgend­welche Gebiete führen. – Nein. Es geht Putin um die Auslöschung der Ukraine! Es geht darum, und das hat sein Philosoph Dugin ja aufgeschrieben, dass die Ukrainer ein minderwertiges Volk sind, das man auslöschen muss. Im russischen Fernsehen hört man, wie viele Babys umgebracht werden müssen, wie viele Menschen getötet werden müssen. Darum geht es!

Ich bin für Frieden, so schnell wie möglich, aber uns allen muss klar sein, dass, gäbe es einen Waffenstillstand, wir nur darauf warten würden: Wo könnten sie weiter die Menschen angreifen? Und ich kann wirklich nur jedem raten, in die Ukraine zu fahren; ich gratuliere Kollegen Matznetter als Obmann des Außenpo­litischen Ausschusses – er ist gerade nicht da, wir haben schon darüber gesprochen –, er hat gesagt, ja, er werde auch in die Ukraine fahren, sich das anschauen. Ich halte das für notwendig.

Was wir auch erlebt haben, ist ein unglaublicher Spirit dieser Menschen dort, die sagen: Wir lassen uns nicht zerstören! Und man fährt drei Stunden zurück von diesen zerstörten Gebieten und fährt in eine Stadt Odessa, eine lebhafte, großartige, wunderschöne Stadt, in der die Menschen sozusagen ein normales Leben führen. Am meisten hat mich beeindruckt, wie ein Vater sein Baby in die Luft hält und das fotografiert wird. – Das ist Leben, das ist Zukunft.

Dann waren wir beim Bürgermeister Truchanow, Bürgermeister von Odessa. Er hat vom Wiederaufbau gesprochen und hat noch etwas gesagt: Sie in Österreich, in Wien, ich weiß das, Sie sind so gut im Denkmalschutz! Wir reden jetzt schon darüber, wie wir die Stadt so aufbauen, dass sie so schön ist, wie sie vorher war!

Können Sie sich das vorstellen? Wir sitzen mitten in der Zerstörung – vorher waren wir noch beim Gouverneur von Mykolajiw Kim, dessen Regierungs­gebäude zerstört wurde; da sind 37 Menschen gestorben –, und er hat gefragt: Mit welchen österreichischen Unternehmen könnten wir den Wiederaufbau organisieren? – Das ist die Stimmung, die Sie dort mitbekommen und die meiner Erfahrung nach inzwischen ja auch alle in Österreich durchaus verstehen – außer einigen, die sagen: Wir sind auf jeden Fall für Putin. Putin soll machen, was er will. Er soll mit Prigoschin oder ohne Prigoschin die Leute umbringen, das Land vernichten, das ist uns alles gleichgültig. Da schauen wir einfach zu, und im Zweifel unterstützen wir ihn. – Das wird (in Richtung FPÖ weisend) Ihnen, den Freunden Putins in Österreich, auf Dauer nicht nützen, sage ich Ihnen, weil die Menschen in Österreich immer mehr verstehen, was dort los ist.

Politisch gesagt, habe ich Ihnen noch ein Buch (ein Exemplar des Buches in die Höhe haltend) mitgebracht: „Die Moskau Connection“. – Folgendes muss ich den Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ sagen: Dieser Gerhard Schröder ist natürlich ein Wegbereiter Putins beim Abhängigmachen Deutschlands, aber auch Österreichs von seinem Gas. Der Wegbereiter Schröder hat Herrn Seele, der hier Russengeneral geheißen hat, nach Österreich geschickt, damit er auch Österreich abhängig davon macht, und in diesem Buch wird wunderbar aufbereitet, was alles falsch gemacht wurde.

Nur ein Zitat: Der ehemalige Außenminister Steinmeier, der jetzt Bundespräsi­dent ist, hat gesagt, er hätte nicht gedacht, dass Putin den „Ruin seines Landes für seinen imperialen Wahn in Kauf nehmen würde. Da habe ich mich, wie andere auch, geirrt.“ – Also auch Steinmeier hat verstanden, dass es nicht nur darum geht, dass Putin das Nachbarland zerstören will, sondern dass er durch seinen imperialen Wahn auch sein Land zerstört, und das ist das, was wir erleben.

Ich möchte wirklich sehr deutlich sagen, dass wir da genau hinschauen müssen, Herr Bundesminister, und auch die Regierung soll genauer hinschauen.

Noch ein wichtiges Wort: Unser Botschafter Arad Benkö und sein Team machen dort einen Superjob, sie werden auch auf Hilfe angesprochen, und sie helfen auch sehr stark; wir waren in einem Frauenhaus, wo auch Artikel hingebracht wurden. Eines ist aber auch klar: Sagen Sie es bitte deutlicher! Wir haben dort darauf hingewiesen, dass wir, was humanitäre Hilfe betrifft, Nummer eins sind. Wir müssen es auch hier sagen.

Vor (in Richtung FPÖ weisend) denen brauchen wir uns nicht zu fürchten. Das sind Menschenverachter (Abg. Kickl: Reißen Sie sich zusammen! Das ist ja unglaublich!), die schauen zu, wie Menschen geschlachtet werden. Vor denen fürchten wir uns nicht. Sagen wir gemeinsam: Wir Österreicherinnen und Österreicher stehen endlich auf der richtigen Seite der Geschichte.

Ich habe Ihnen zum Schluss noch etwas mitgebracht, nämlich (ein gerahmtes Bild, das eine blau-gelb gekleidete junge Frau mit gefalteten Händen darstellt, in die Höhe haltend) dieses Bild. Dazu gibt es eine sehr schöne Geschichte, aber auch eine traurige Geschichte. Schauen Sie sich dieses Bild an! Das hat uns der Bürgermeister von Odessa geschenkt. Ein 14-jähriges Mädchen - ‑ Also er hat eine Ausschreibung gemacht für Kinder: Bitte macht Malereien! (Abg. Kickl: Mit dem Tagesordnungspunkt hat das halt nichts zu tun!) –Ja, Sie schreien, ja, ja. (Abg. Kickl: Na, mit dem Tagesordnungspunkt hat es halt nichts zu tun!)

Ich rede vom Ermorden, ich rede von Kindern, und Sie schreien dazwischen (Abg. Kickl: Ja, ja! Würde das jemand anderer machen!) – das passt eh zu Ihnen! Das passt eh zu Ihnen. (Abg. Kickl: Ja, ja!) Ich rede davon, was Kinder in Odessa machen (Abg. Kickl: Aber auch für Sie gelten die Regeln dieses Hauses! Auch für Sie, Herr Brandstätter!), und Sie schreien dazwischen. So verachten Sie das Leben der Kinder in Odessa (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen), so verachten Sie das Leben aller Menschen in der Ukraine. Sie verachten die Menschen in der Ukraine (Abg. Kickl: Auch für Sie gelten die Regeln dieses Hauses!), weil Sie offenbar wie Putin sagen, dass sie minderwertig sind. Das haben wir - - (Abg. Kickl: Ja, ja!)

Schauen Sie nach in der Geschichte der FPÖ, da ist das alles schon einmal dagewesen. Ich weiß, ja, ja, Reinthaler und so weiter, ich habe das alles gelesen. (Abg. Kickl: Geh bitte! Befreien Sie sich einmal von Ihren Vorurteilen!) Das alles ist von diesen Leuten schon gesagt worden.

Ein 14-jähriges Mädchen macht ein solches Bild, und das ist natürlich groß­artig, weil sie möglicherweise – hoffentlich! – ihre Traumata damit aufarbeiten kann, aber normalerweise haben 14-Jährige lustigere Dinge, mit denen sie sich beschäftigen.

Ich habe heute schon mit Präsident Sobotka gesprochen. Ich habe gesagt, dass wir das hier ins Parlament mitgebracht haben; ich werde es ihm morgen geben. – Er hat versprochen, dass es im Haus aufgehängt wird, auch im Gedenken daran, was diesen Menschen gerade passiert, aber auch im Gedenken daran, was die Menschenverachter in diesem Haus sagen. (Abg. Kickl: Reißen Sie sich zusam­men!) – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

19.23