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Mitglied des Europäischen Parlaments Barbara Thaler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Abgeordnete! Liebe Zuseher:innen! Brüssel ist weit weg, geografisch gesehen 1 000 Kilometer Luftlinie und politisch gesehen manchmal mehr als eine ganze Welt. Dieser Abstand ist manchmal ein bisschen mühsam, aber manchmal hilft er auch. Heute hilft er, finde ich.
Teuerung und Inflation treffen nämlich auch alle anderen – und so, wie dies oft der Fall ist, haben 27 Länder 27 Lösungen. Das ist kein Bug, sondern das ist für mich ein Feature, es ist eine große Stärke der Europäischen Union, dass wir voneinander lernen können. Wir haben heute schon viel über die vergangenen Herausforderungen gehört. Es waren in der Tat große Herausforderungen, die die Regierungen aller Mitgliedstaaten zu meistern hatten, aber man kann, glaube ich, jetzt zumindest sagen, dass all die Prognosen von Energiepreisen, die auf Jahre hinaus auf einem Höchststand sein werden, von massiver Arbeitslosigkeit, von Gasrationierungen im Winter und so weiter weder in Österreich noch in Europa eingetroffen sind.
Ja, die Inflation ist hoch. Wenn man gezwungen ist, die Staatsausgaben massiv zu erhöhen, dann ist das quasi ein Naturgesetz. Verstärkt wurde das Problem auch dadurch, dass wir in Europa leider die Tendenz hatten, zu hohe Schulden zu machen – auch in guten Zeiten. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Es war übrigens die österreichische Bundesregierung, die mit der liberalen Regierung der Niederlande und den damals sozialdemokratisch regierten Ländern Schweden und Finnland auf einen sparsameren Umgang gedrängt hat. Von vielen wurde das damals belächelt, in der Krise sieht man aber, dass die sparsamen Länder mehr Spielraum hatten. In den letzten Jahren und Monaten hat Österreich mit verschiedensten Maßnahmen besser stabilisieren können als andere Länder. Diese Beispiele haben wir heute gehört. (Beifall bei der ÖVP.) Klar ist aber auch, dass wir jetzt wieder zu einem ausgeglichenen Budget zurück müssen, das ist vor allem auch auf europäischer Ebene sehr wichtig.
An alle, die die Maßnahmen der Regierung so kritisiert haben und vermeintliche Erfolge anderswo feiern: Ich glaube nicht, dass Sie viele Länder finden, in denen die Kaufkraft erhalten wurde, die Arbeitslosigkeit gering ist und man sich aus eigener Kraft sanieren kann. Wir stehen im Gegensatz zu anderen Ländern vor keinem Schuldenberg, der 100 Prozent des BIPs überschreitet. Wir sind da wesentlich selbstbestimmter. (Abg. Wurm: ... nicht viel, Barbara! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich glaube, das ist eine sehr, sehr gute Ausgangslage. (Beifall bei der ÖVP.)
Lieber Kollege Georg Mayer! Ich will die Situation nicht schönreden, ganz und gar nicht. Es ist gerade eine herausfordernde Zeit für viele Haushalte, für viele Unternehmen, für junge Familien. Es ist eine herausfordernde Zeit für Häuslbauer, für Alleinerziehende, für alle, die politische Verantwortung tragen und auch Entscheidungen treffen müssen. Was denn sonst? Wir haben eine Pandemie hinter uns, einen Krieg neben uns und einen potenziellen Handelskonflikt zwischen China und Amerika vor uns.
Das ist weder von uns verschuldet, noch haben wir als Österreich großen Einfluss darauf. Einfluss auf so etwas haben wir als gemeinsames Europa. Wir leisten unseren Beitrag in der Union, und manchmal muss man eben auch dort hindrücken, wo es wehtut, denn sonst gibt es keine Lösungen.
Erlauben Sie mir noch abseits der momentanen krisengeschuldeten Hintergründe einen etwas längerfristigen Blick auf das Thema Inflation! Ein sehr gutes Mittel gegen Inflation und Preissteigerungen ist der europäische Binnenmarkt. Damit dieser aber sein volles Potenzial ausschöpfen kann, muss man diesen Markt auch arbeiten lassen. Deshalb danke ich an dieser Stelle unserem Bundeskanzler Karl Nehammer, der sich auf europäischer Ebene zum Beispiel vehement für Technologieneutralität eingesetzt hat.
Wie verwundbar eine Konstellation machen kann, wenn man von einem großen Lieferanten abhängig ist, sieht man gerade. Neben der Stärkung des Binnenmarkts ist, glaube ich, auch die Diversifizierung der Rohstoff- und Energielieferanten immens wichtig. Das sind zwei langfristige, aber sehr maßgeblich und konstant zu drehende Schrauben.
Ja, die Politik hat die Aufgabe, an Schrauben zu drehen, um externe Schocks wie Lieferkettenprobleme oder Energieengpässe abzufedern, denn Stabilität des Umfelds ist eine Qualität an sich. Österreich ist trotz all der Krisen einer der wenigen Mitgliedstaaten mit einer hohen Industriequote. Das ist eine gewaltige Leistung.
Lassen Sie es mich mit einem wöchentlichen Blick aus 1 000 Kilometern Entfernung sagen: Viele Kollegen von uns in Brüssel würden sich Ähnliches für ihre Länder wünschen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
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