12.57

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Wir stehen, so steht es im Entschließungsantrag, in uneingeschränkter Solidarität an der Seite Israels und seiner Bevölkerung und verurteilen die Hamas und ihre brutalen Terroranschläge in Israel auf das Schärfste. Es freut mich sehr, dass wir – alle hier im Parlament vertretenen Parteien – das unterstützen.

Ich bedanke mich beim Außenminister auch noch einmal für die Erläuterung, dass es da keine Relativierung – keine Äquidistanz zwischen einer pluralistischen Demokratie, wie Israel es ist, und einer gelisteten Terrororganisation – geben darf.

Ich bedanke mich auch beim Präsidium und auch bei den vielen Kolleginnen und Kollegen, die sich an dieser Aktion betreffend Parlament fordert Freilassung beteiligt haben. Wir haben (nacheinander vier Tafeln mit der roten Überschrift „Ent­führt“ und Fotos von sowie Text zu entführten Israelis in die Höhe haltend) diese Plakate – liebe Kollegin Ewa Ernst-Dziedzic, vielen Dank für die Initiative. Sie alle sind Geiseln; sie alle sind Geiseln, die noch immer in der Hand dieser Verbrecher sind.

Sie kennen meine Reden in der Zwischenzeit schon. Ich versuche über, sagen wir, vielleicht sehr allgemeine Worte doch sehr viel konkreter zu werden. Ich finde das Beispiel dieser Geiseln eine ausgezeichnete Möglichkeit, um die Prob­le­matik unseres westlichen Wertesystems – unserer Dilemmata – zu veranschaulichen. Was passiert da gerade? –Wenn es gut geht, werden zehn dieser unschuldigen Frauen, Männer, Babys, Senioren heute freigelassen – unschuldige Zivilisten. Wie heißt es jetzt in den Medien? – Im Austausch gegen 150 Frauen und Kinder: Palästinensern. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Gestern fragte mich ein Kollege zu Recht: Sag, ist das wirklich so, dass in Israel Frauen und Kinder im Gefängnis sitzen? – Das ist der wichtige Punkt: Das sind Frauen und junge Männer, die Anschläge verübt haben, die rechtskräftig verurteilt sind, die Blut an ihren Händen haben. Diese werden jetzt von der Hamas freigepresst: 150 für zehn – aber unschuldige – Frauen, Babys und Kinder, wobei Israel darum ringen musste, dass nicht die Babys ohne ihre Mütter freigelassen werden.

Das muss man sich schon einmal auf der Zunge zergehen lassen, wie wir da in diese Falle geraten, wie da in den Medien ein Bild transportiert wird: Auf der Seite gibt es Frauen und Kinder, auf der anderen Seite gibt es Frauen und Kinder, und die werden jetzt einmal ausgetauscht. Sie erinnern sich: In meiner letzten Rede habe ich immer vom moralischen Kompass geredet, auf den wir achten müssen. Das ist ein wunderbares Beispiel dafür.

Ich gebe Ihnen aber noch ein Beispiel, was diesen Antrag betrifft. Ich finde es ausgezeichnet, dass wir Israel immer wieder und immer wieder daran erinnern, auf Zivilisten zu achten, nach dem Kriegsrecht darauf zu achten, dass die Zivilbevölkerung maximal geschont wird. Dabei wissen wir aber ganz genau, es gibt keinen Staat in dieser Welt, der in einer Kriegsführung so Rücksicht auf Zivilisten nimmt wie Israel. Wir wissen, dass das so ist. Israel hat die Bevölkerung aufgerufen, den Nordteil des Gazastreifens zu verlassen. Jedes Haus, von dem man weiß, dass es eine militärische Installation beherbergt, wird vorgewarnt. Es werden Flugblätter abgeworfen, die Leute in den Häusern werden angerufen und aufgefordert, dass sie diese Häuser verlassen, weil man ganz genau weiß, dass die Hamas in jeder Moschee, in jeder Schule, in jedem Kindergarten, in jedem Spital militärische Einrichtungen unterbringt. Israel weiß, dass sich in diesem Al-Shifa-Spital in Gaza die militärische Kommandozentrale der Hamas befindet – die ganze Welt weiß es. Es wäre ein Einfaches, das zu bombardieren, Israel tut es nicht, und wir fordern das auch.

Anerkennen wir doch auch, wie schwer das alles, was Israel da tut, ist! Vergessen wir nicht, dass vor ein paar Jahren wir es waren, die internationale Gemein­schaft, die im Kampf gegen die Isis in Mossul, in Rakka genau das Gleiche machen mussten. Es gab genau den gleichen Häuserkampf. Es ging darum, dass die Isis zerstört werden musste. Wir wussten, wir kommen daran nicht vorbei.

Ich stelle Ihnen folgende Frage: Was glauben Sie, wo sind mehr Zivilisten umgekommen: in Mossul, in Rakka oder bis jetzt im Gazastreifen?, so die Zahlen stimmen, aber das ist jetzt irrelevant. Ich kann Ihnen ein Geheimnis ver­raten: Es war in Mossul und in Rakka, wo viel mehr Zivilisten umgekommen sind. Gab es dazu eine Sitzung des UNO-Sicherheitsrates, des UNO-Menschen­rechtsrates?

Damit komme ich zu den internationalen Organisationen, und da finde ich das Beispiel, das ich Ihnen jetzt bringe, besonders interessant. Was machen wir mit diesem himmelschreienden Schweigen der internationalen Organisationen über das, was in Israel passiert ist, welche Verbrechen dort passiert sind? Ich gebe Ihnen ein konkretes Beispiel (einen Flyer von UN Women zur Kampagne Orange the World in die Höhe haltend): Sie kennen das, oder? Haben wir das nicht heute sozusagen zelebriert?

Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag: Öffnen Sie die Homepage dieser Organisation UN Women. Ich habe es gemacht. Ich öffne diese Homepage (ein Tablet, auf dem die besagte Homepage geöffnet ist, in die Höhe haltend), und schauen Sie, ob da irgendetwas hinsichtlich der fürchterlichen Verbrechen an Frauen, die die Hamas an israelischen Frauen verübt hat, zu finden ist! Die Frauen wurden vergewaltigt, verstümmelt – ich möchte auf die Berichte von der Obduktion der Leichen, die ich bekommen habe, gar nicht mehr näher eingehen. Sie zeigen, wie fürchterlich zugerichtet die Frauen dort wurden. Schauen Sie durch! Schauen Sie durch auf dieser Homepage, ob Sie irgendetwas dazu finden! – Sie finden drei Berichte in diesem Zusammenhang. Der eine ist (auf dem Tablet scrollend) – ich muss mir die Zeit nehmen, Sie verzeihen –, der eine Bericht ist: „In-focus: The conflict in Gaza“, der zweite Bericht ist: „Voices from Gaza“ – die Geschichte einer Frau über ihr Überleben in Gaza –, und der dritte: „Facts and figures: Women and girls during the war in Gaza“. – Drei Berichte über Gaza. Irgendein Bericht über das, was den israelischen Frauen passiert ist?

Der Begriff himmelschreiend stammt eigentlich aus dem Alten Testament. Ich bin neugierig, ob Sie wissen, woher das kommt. Es kommt von der Geschichte von Kain und Abel. Bekanntlich hat Kain seinen Bruder ermordet. Gott fragt Kain: Was ist eigentlich mit deinem Bruder Abel?, woraufhin er frech antwortet: Bin ich denn der Hüter meines Bruders? Darauf sagt Gott: Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit bis zum Himmel.

Das Blut dieser israelischen Frauen schreit zum Himmel – und wir, die internationalen Organisationen, schweigen und sagen: Bin ich denn der Hüter meines Bruders? – Wollen wir das wirklich zulassen?

Damit komme ich zum Schluss und sage: Ich bin sehr stolz auf Österreich und auf unseren Minister, dass wir dieser verlogenen Resolution in der UNO-Generalversammlung nicht zugestimmt haben. Es gebührt uns dafür der größte Respekt, und wir bekommen ihn auch.

Ich glaube, dass wir in den internationalen Organisationen den Auftrag haben, diesen moralischen Kompass, diesen Wertekompass wieder richtigzustellen. Ich glaube, dass Österreich den wichtigen Auftrag hat, das zu tun, und ich bedanke mich noch einmal beim Minister und bei der Regierung insgesamt dafür, dass sie diese Arbeit macht. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der NEOS sowie der Abg. Blimlinger.)

13.06