13.30

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe ZuseherInnen! Die Lage ist wirklich dramatisch, und wenn man sich ansieht, was Frau Zichanouskaja, die der Herr Bundesminister ja getroffen hat, sagt, dann wissen wir, dass Belarus – und damit auch ein Stück Europa – am 26. Oktober möglicherweise auf eine dramatische Art und Weise ganz anders ausschauen wird.

Ich weiß nicht, wie weit Sie das verfolgt haben, aber sie sagt, wenn nicht drei Bedingun­gen erfüllt werden – nämlich der Rücktritt Lukaschenkas, die Freilassung der vielen poli­tischen Gefangenen und auch die Abkehr von der Gewalt –, dann wird am 26. Oktober die Zivilgesellschaft des Landes aufstehen, dann wird es einen Generalstreik geben, dann werden die Menschen auf die Straße gehen, dann können und müssen wir mögli­cherweise das Schlimmste befürchten.

Deswegen ist schon meine Frage, Herr Bundesminister: Was macht denn die Europäi­sche Union in dieser Situation? Ich glaube nicht, dass wir einfach zuschauen und sagen können, hoffentlich passiert an diesem 26. Oktober nichts – weil wir dann nachher hier sitzen und sagen, eigentlich haben wir gewusst, dass dort möglicherweise ein Massaker an Menschen ausgeübt wird. Wir müssen das in der gegenwärtigen Lage befürchten, und ich fürchte, das ist sehr, sehr ernst.

Da stellt sich natürlich dann die Frage: Was macht man? Kollege Kassegger hat gemeint, Sanktionen haben keinen Sinn; Kollege Troch hat richtigerweise auf den Magnitsky Act hingewiesen – ich habe das Buch sogar da, wenn Sie wollen, „Red Notice“ von Bill Browder. Er ist der Erfinder des Magnitsky Acts, weil er in Russland beobachtet und erlebt hat, wie sein Steuerberater und Anwalt, Herr Magnitsky, aus irgendwelchen faden­scheinigen Gründen verhaftet, gefoltert und letztlich umgebracht wurde. Dieser Bill Brow­der, ein amerikanischer Investor, hat dann gesagt, die einzige Chance, wie wir gegen Russland vorgehen können, ist, dass wir herausfiltern, welche Persönlichkeiten Teil der Unterdrückung sind. Gegen die müsse man vorgehen, nicht gegen das Volk. Dasselbe gilt meiner Meinung nach für Belarus, deswegen ist dieser Magnitsky Act, gerade was Belarus betrifft, sehr sinnvoll.

Nun möchte ich noch ein Wort zur Lage in Armenien und in Aserbaidschan sagen, leider sind wir da wieder bei der Lage der Europäischen Union – und ich muss Herrn Erdoğan zitieren: Das ist ein einflussloses und oberflächliches Gebilde. Das müssen wir uns, meine Damen und Herren, gerade von jemandem wie Herrn Erdoğan sagen lassen – und dann müssen wir sagen: Möglicherweise hat er nicht ganz unrecht. Hoffentlich sind wir nicht oberflächlich, aber dass wir einflusslos sind, das kann man schon befürchten. Dazu gibt es einen guten Kommentar im „Economist“, mit der Überschrift „No one in charge“. Es ist ganz konkret niemand da, der sich kümmert, und dann heißt es weiter, es gibt eben ein Vakuum des Global Leadership. Das Vakuum des Global Leadership sind wir in Europa: Wir befinden uns mitten in Europa und wir haben da die Konflikte. Wenn wir diese nicht gemeinsam lösen, dann werden es entweder andere machen, oder es werden noch mehr regionale Konflikte in unserem Bereich, in Europa entstehen, und die werden Folgen haben, die natürlich in erster Linie die Menschen dort, aber indirekt auch wir zu tragen haben.

Deswegen, und ich meine das wirklich ernst, ich sage es ja sehr oft und wir beobachten es leider – ein ganz neues Buch, „Twilight of Democracy“ (das genannte Buch in die Höhe haltend) –: Es ist die Dämmerung der Demokratie. Die Autorin ist Anne Apple­baum, eine große amerikanische Journalistin, die in Polen lebt und dort mit dem früheren Außenminister Sikorski verheiratet ist, also Europa, insbesondere Polen, Ungarn und diese Länder wirklich alle sehr gut kennt. Sie analysiert in diesem Buch sehr genau, wie nun immer wieder ein Stück Demokratie verloren geht. Das darf in Europa nicht sein, das ist gegen unsere Werte, gegen unsere Tradition und gegen unsere Erfahrung – auch unsere Erfahrung in Österreich –, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir wissen auch, wie die Demokratie in Österreich verloren gegangen ist und was das letztlich für Folgen gehabt hat. Wir wissen auch, dass das mit einem Wort verbunden war, und das möchte ich auch noch einmal sagen, nämlich mit dem Wort Hass. Sie zitiert da Julien Benda, einen französischen Philosophen, der schon im Jahr 1927 gesagt hat, dass in unserem Zeitalter politischer Hass wiederkommen wird und viel zerstören wird. Dagegen können wir als Europäische Union auftreten, aber wir müssen es auch tun.

Noch einmal mein Appell, Herr Bundesminister: Die Außenminister müssen mehr sagen, als sie das momentan tun. Wir können heute etwas beschließen – wunderbar, da sind wir sehr dafür, aber die Außenminister werden in den nächsten Tagen und Wochen mehr machen müssen als eine Resolution zu beschließen. Wir werden uns intensiv um Bela­rus kümmern müssen, weil wir sonst dort das Schrecklichste befürchten müssen. – Dan­ke schön. (Beifall bei den NEOS.)

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