19.48

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Justizminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es geht um einen Appell an die Regierung, dass sie sich auf internationaler Ebene dafür einsetzt, dass in anderen Staaten das Strafmündigkeitsalter angehoben wird. Ich muss sagen, das ist schon ein­mal ein Thema, bei dem wir als FPÖ ein Problem haben, wenn man so aus der warmen Stube heraus auf andere mit dem moralischen Zeigefinger zeigt, andere Gesellschaften vielleicht sogar für das, was sie machen, ächtet und damit sich selbst moralisch erhöhen will. Das ist jedenfalls nicht unser Ansatz, und ich werde darauf noch ein bisschen näher eingehen.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin weder für eine Anhebung noch für eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters in Österreich. Alles, was ich jetzt sage, muss man unter die Prämisse setzen, dass wir nicht dafür sind, das Strafmündigkeitsalter abzusen­ken. Trotzdem muss man anerkennen, dass in anderen Gesellschaften die Dinge anders gesehen werden.

Wenn man sich nun hier darüber auslässt, dass es in anderen Staaten eben ein niedri­geres Strafmündigkeitsalter gibt, muss man schon einmal sagen: Es gibt auch sehr hoch entwickelte Rechtsstaaten, die eine niedrigere Altersgrenze haben: England: zehn Jahre, Schottland gar acht Jahre, die Niederlande, die nicht so weit weg sind: zwölf Jah­re, Neuseeland: zehn Jahre – und es gibt auch andere Staaten. Es ist folglich nicht so, dass man sagen kann, eine niedrigere Strafmündigkeitsgrenze bedeutet automatisch, dass das ein Staat ist, der sich nicht normal mit Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und so weiter auseinandersetzt. Das kann man diesen Staaten beispielsweise nicht vor­werfen.

Außerdem muss man ehrlicherweise schon sagen: Auch wir in Österreich haben ein gesellschaftliches Problem mit unmündigen Minderjährigen – das heißt also mit Minder­jährigen, die unter 14 Jahre alt sind. Wir haben ein Phänomen, dass zunehmend Strafta­ten von Personen begangen werden, die halt nicht strafmündig sind, sie können daher im Sinne des Strafrechts nicht bestraft werden. Wir kennen allerdings Fälle von Teil­nahme an Gruppenvergewaltigungen, Überfällen, Drogenhandel. Auch in der Bettelei und so weiter werden oft strafunmündige unter 14-Jährige eingesetzt oder begehen von sich aus solche Straftaten.

Das heißt, in Wahrheit müssen wir uns als Gesellschaft in Österreich damit auseinan­dersetzen, wie wir hierzulande richtig vorgehen. Wie gesagt, ich bin nicht dafür, dass wir die Strafmündigkeitsgrenze absenken, aber das ist ein Phänomen, das in den letzten Jahren durchaus zugenommen hat. Man könnte zum Beispiel darüber nachdenken, dass man sagt, dass es ein Erschwerungsgrund ist, wenn jemand einen unmündigen Minder­jährigen anstiftet – weil wir ja wissen, dass eben oft Kinder herangezogen werden, in der Bettelei und so weiter. Sie werden vielleicht aber auch zu Diebstahl, Taschendiebstahl und Ähnlichem angeleitet und können dann eben nicht belangt werden. Der Auftragge­ber kann sich damit abputzen, weil da kein Verfahren durchgeführt wird. Es ist also ein gesellschaftliches Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.

Außerdem stört mich immer dieses Mit-zweierlei-Maß-Messen. Wir haben heute ja schon über Sanktionen gegen Weißrussland debattiert. Da war ein Argument: Weißruss­land hat ja die Todesstrafe. Ja, ich bin absolut gegen die Todesstrafe, aber ich weiß, dass wir mit anderen Staaten, die auch die Todesstrafe haben, durchaus gute Bezie­hungen pflegen, auch wirtschaftlich gute Beziehungen. Ich denke an China und die USA, da wird das nicht als Argument gesehen, dass man mit denen nicht mehr kooperieren könnte oder bei jedem Zusammentreffen darauf hinweisen müsste, dass sie die Todes­strafe abschaffen – weil es halt ins Konzept passt, und daher wird diesbezüglich mit zweierlei Maß gemessen.

Ein anderer typischer Fall ist das König-Abdullah-Zentrum in Wien. Saudi-Arabien hat keine kodifizierte Strafmündigkeit, soweit ich das gefunden habe. Man geht davon aus, dass vielleicht zwölf Jahre die Grenze zur Strafmündigkeit sind. Nun gibt es jedenfalls Medienberichte, dass jemand, der als Zehnjähriger an einer Demonstration teilgenom­men hat, derzeit mit der Todesstrafe bedroht ist. Dieses König-Abdullah-Zentrum, das weitgehend von Saudi-Arabien finanziert wird, das haben wir allerdings hier in Wien. Da geht es immer darum: Dialog ist wichtig, mit denen müssen wir einen Dialog führen. Da wird nicht gesagt: Nein, das ist undenkbar, mit einem Staat, in dem so etwas passiert, der auch mit Kindern so umgeht, der vielleicht sogar die Todesstrafe für so jemanden einsetzt, können wir auch nicht zusammenarbeiten. Das ist ja in Wien, das ist nicht im Ausland. Wir reden nicht davon, dass wir irgendwelche anderen Staaten dazu anleiten, dass sie sich anders verhalten sollten, sondern das findet hier in Wien statt, dieses Zen­trum befindet sich hier in Wien (Zwischenruf der Abg. Ernst-Dziedzic) – und es wird letztendlich mit Steuergeld von uns allen unterstützt. Es ist folglich zweierlei Maß, mit dem wir da messen.

Weißrussland übrigens hat eine Strafmündigkeitsgrenze von 16 beziehungsweise 14 Jah­ren. Auch damit verhält es sich zum Beispiel ganz anders.

Wie schon gesagt: Ich denke, wir sollten uns um die Probleme im eigenen Land küm­mern. Beschäftigen wir uns also besser damit, wie wir das hier besser machen, bevor wir mit dem moralischen Zeigefinger auf andere zeigen! (Beifall bei der FPÖ.)

19.54

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.