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Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Also der Reihe nach: Es gibt tatsächlich noch immer Men­schen, die trotz medizinischer Fakten der Meinung sind, es gäbe nur Männlein und Weib­lein. Diesem Irrglauben hat der Verfassungsgerichtshof 2018 ein Ende gesetzt. Auf Basis einer Klage der intergeschlechtlichen Person Alex Jürgen hat der Verfassungsgerichts­hof ein für alle Mal festgehalten, dass die Geschlechtsidentität von intergeschlechtlichen Menschen rechtlich anerkannt werden muss, auch wenn sie eben nicht weiblich oder männlich ist. Leider – und nur deshalb diskutieren wir heute noch immer über dieses Thema – setzte der damalige FPÖ-Innenminister Herbert Kickl diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes katastrophal und nicht konform mit den Inhalten dieser Ent­scheidung um.

Über 60 zivilgesellschaftliche Organisationen, SPÖ, NEOS, Grüne, viele andere be­kämpften diesen Kickl-Erlass monate-, ja jahrelang, und endlich liegen jetzt Ergebnisse vor. Was sind das nun für Ergebnisse? – Lassen Sie mich drei Punkte herausgreifen!

Erstens: Der Ausdruck dritte Option ist in Österreich seit September Geschichte, denn in Österreich gibt es dank unserer hartnäckigen gemeinsamen Arbeit nicht drei, sondern sechs Möglichkeiten beim Geschlechtseintrag, nämlich: divers, männlich, weiblich, inter, offen – und sogar die Streichung des Geschlechtseintrags ist von nun an möglich. Sechs Möglichkeiten beim Geschlechtseintrag inklusive einer möglichen Streichung: Das ist in­ternational einzigartig und ja, das ist ein verdammt großer Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei den Grünen.)

Zweitens: Es müssen keine neuerlichen Gutachten eingeholt werden. (Abg. Zanger: Was ist das ...?) Nach dem Kickl-Erlass mussten intergeschlechtliche Menschen neue Gutachten vorlegen, die ihre Variation der Geschlechtsmerkmale bestätigen. Diesem Unfug haben wir eine klare Absage erteilt. Mit dem neuen Erlass werden auch bereits bestehende Unterlagen als Voraussetzung für einen Geschlechtseintrag anerkannt – und das ist gut so.

Drittens: Es wird keine Untersuchungen durch ein sogenanntes Varianten-der-Ge­schlechtsentwicklung-Board als Voraussetzung für den Geschlechtseintrag mehr geben. Auch diese Schikane durch den ehemaligen Innenminister haben wir abgestellt – und das ist ganz entscheidend. (Beifall bei den Grünen.)

Verpflichtende Untersuchungen von Menschen, die nicht gewünschte medizinische Eingriffe bis hin zur Genitalverstümmelung erlebt haben, bergen eine große Gefahr von Retraumatisierungen bei den Betroffen. Das wird es mit uns Grünen ganz sicher nicht geben. Und ja, es stimmt, es ist nicht alles perfekt an diesem neuen Erlass, aber alleine diese drei Punkte, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, sind entscheidende Verbesse­rungen im Sinne der betroffenen Menschen.

Lassen Sie mich noch ganz kurz etwas zur parlamentarischen Arbeit hier im Hohen Haus sagen! Der Antrag der Kollegin Bayr ist ein gutes Beispiel dafür, dass Anträge nicht in der Schublade oder im Nirwana verschwinden oder ein Begräbnis erster Klasse erleben, wie wir das immer von der Opposition hören – im Gegenteil! –; abgesehen davon, dass Sie vielleicht vorher, bevor Sie Anträge stellen, das Regierungsprogramm lesen und schauen sollten, was dort bereits vereinbart worden ist, denn dann können Sie davon ausgehen, dass wir daran arbeiten. (Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)

Yannick, noch ein Wort in deine Richtung: Mach dich nicht so wichtig! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Lopatka: Bravo! Sehr gut!) Beim Verbot der Blutspende sind das Ge­sundheitsministerium und der Gesundheitsminister zuständig, und es gibt unsere Ver­einbarung dazu, dieses Verbot zu bekämpfen. (Abg. Loacker: Also wenn sich da eine Person wichtig nimmt, dann sind Sie das!) Betreffend LGBT-freie Zonen in Polen gab es einen Antrag der beiden Regierungsparteien, der eine Mehrheit hatte. Genauso betref­fend den Kickl-Erlass: Es steht nicht nur im Regierungsprogramm, sondern du hast ge­wusst, dass wir das seit Monaten verhandeln. So viel zu deiner seriösen Oppositions­arbeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Loacker: Bei so viel Applaus von der ÖVP sollte man ...! – Zwischenruf des Abg. Bernhard. – Unruhe im Saal.)

Wie auch immer: Ja, was Gleichstellung anbelangt, sind weitere Schritte notwendig, vor allem wenn es um den Zugang zum Geschlechtseintrag für – da hast du zufälligerweise recht – transidente Menschen in Zukunft geht oder aber auch um den Schutz der körper­lichen Integrität von Kleinkindern und Jugendlichen, wenn sie intergeschlechtlich sind und hier in Österreich nach wie vor operiert werden. Auch das debattieren wir, auch das schauen wir uns an. Da brauchen wir, wie gesagt, keine unseriöse Oppositionsarbeit, sondern wir werden mit unserem Regierungspartner daran arbeiten, dass sich die Situa­tion in Österreich für alle Personen, ungeachtet dessen, welchen Geschlechts sie sich zugehörig fühlen, verbessert. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

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