146/PET XXVII. GP

Eingebracht am 05.06.2024
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

Abgeordnete/r zum Nationalrat

Julia Herr

An Herrn

Präsidenten des Nationalrates

Mag. Wolfgang Sobotka

Parlament, 1017 Wien, Österreich

                                   Wien , am 05. Juni 2024     

Sehr geehrter Herr Präsident!

In der Anlage überreiche ich/ überreichen wir Ihnen gem. §100 (1) GOG-NR die Petition betreffend

Nachhaltige und gerechte Verkehrspolitik

Seitens der Einbringer:innen wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender Hinsicht angenommen:

Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 - ÖPNRV-G 1999)

Dieses Anliegen wurde bis zur Einbringung im Nationalrat von Bürger:innen unterstützt. Mit der Bitte um geschäftsordnungsmäßige Behandlung dieser Petition verbleibe ich/verbleiben wir

mit freundlichen Grüßen

 

 

Anlage

Hinweis: Ggf. vorgelegte Unterschriftenlisten werden nach dem Ende der parlamentarischen Behandlung datenschutzkonform vernichtet bzw. gelöscht, soweit diese nicht nach den Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes zu archivieren sind.

Parlamentarische Petition „Nachhaltige und gerechte Verkehrspolitik“

der Abgeordneten zum Nationalrat

Julia Herr

Die Mobilitätslandschaft in Österreich steht vor dringenden Herausforderungen, die sowohl ökologischer als auch sozialer Natur sind. In den letzten Jahren haben sich besorgniserregende Trends abgezeichnet, die eine kritische Überprüfung der bestehenden Verkehrspolitik erforderlich machen. Insbesondere in Niederösterreich hat sich die Situation im Regionalbahnnetz dramatisch verschlechtert, was zu erheblichen Auswirkungen auf die Mobilität vieler Bürgerinnen und Bürger geführt hat.

1.         Seit 2010 wurden alleine in Niederösterreich die Regionalbahnen von 670 km auf 90 km zusammengespart.

2.         Der Verkehrssektor ist der einzige Bereich in Österreich, in dem der CO2-Ausstoß weiter steigt, statt zu sinken, was Einsparungen in anderen Bereichen zunichte macht.

3.         Der CO2-Ausstoß pro Personenkilometer im Personennahverkehr mit der Bahn ist 3 mal niedriger als mit dem PKW, im Güterverkehr ist er 8 mal niedriger als mit dem LKW.

4.         Der Ökostrom-Anteil der ÖBB beträgt seit 2019 100%, während er im öffentlichen Stromnetz bei ca. 79% liegt.

5.         Der Anteil der Individualmotorisierung am Land ist in den letzten 30 Jahren deutlich gestiegen, während der Anteil der zu Fuß zurückgelegten Wege abgenommen hat. Gleichzeitig haben Zersiedelung und räumliche Konzentration von zentraler Infrastruktur zugenommen. Das Straßennetz wurde im Vergleich zum Schienennetz stark ausgebaut.

6.         86% der österreichischen Bevölkerung außerhalb der Zentren verfügen über keine oder nur unzureichende öffentliche Verkehrsverbindungen (mind. 3 mal/Tag pro Richtung).

7.         Öffentlicher Personennahverkehr kann (bis auf wenige lokale Ausnahmen) nicht kostendeckend betrieben werden, mit einem angenommenen Kostendeckungsgrad von ca. 35%, im ländlichen Raum max. 15-25%.

8.         Arme Haushalte sind doppelt so oft von Staub und Ruß durch Verkehr betroffen wie reiche Haushalte, und sie leiden öfter unter starkem Lärm, starken Abgasen und Gestank durch Verkehr.

Die vorliegenden Fakten verdeutlichen die dringende Notwendigkeit einer umfassenden Überprüfung und Neugestaltung der Verkehrspolitik in Österreich. Trotz steigender Umweltbelastung im Verkehrssektor wurden erhebliche Kürzungen im öffentlichen Verkehr vorgenommen, insbesondere im Regionalbahnnetz. Dabei ist der öffentliche Verkehr ein essenzieller Bestandteil für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes und die Förderung einer nachhaltigen Mobilität.

Die Daten zeigen ebenfalls, dass die Individualmotorisierung zunimmt, während die öffentlichen Verkehrsverbindungen, insbesondere in ländlichen Gebieten, unzureichend sind. Diese Situation führt zu einer verstärkten Abhängigkeit vom Individualverkehr und verschärft soziale Ungleichheiten, da ärmere Haushalte besonders stark von den negativen Auswirkungen des Verkehrs betroffen sind.

Es ist dringend erforderlich, den Ausbau und die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs zu fördern, sowohl durch die Reaktivierung stillgelegter Strecken als auch durch die Bereitstellung bedarfsgerechter Angebote. Eine Verkehrspolitik, die auf Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit ausgerichtet ist, ist von entscheidender Bedeutung für die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen im Verkehrssektor und für eine lebenswerte Zukunft für alle Bürgerinnen und Bürger Österreichs.

Der Nationalrat wird ersucht, nachfolgende Maßnahmen im Rahmen der Bundesgesetzgebung zu beschließen:

            Reaktivierung und Elektrifizierung von stillgelegten Regional- und Nebenbahnen, sowie Attraktivierung der bestehenden Strecken (wie z.B. bei Neusiedlerseebahn geschehen).

            Sicherstellung attraktiver Bus-Zubringerlinien, besonders zu Pendlerzeiten, um auch Orte ohne direkten Bahnanschluss anzubinden.

            Erhalt und Ausbau der Güterbeförderungsfunktion der Bahnen, um den Industriestandort zu sichern und attraktive Anschlüsse ans Bahnnetz zu gewährleisten.

            Sicherstellung, dass die Transportleistung von Waren bei einer Distanz von über 500 Kilometern zu mindestens 80 % über die Schiene erfolgt.

            Anerkennung des öffentlichen Verkehrs als Grundrecht der Daseinsvorsorge und Sicherstellung ausreichender Finanzierung, da dieser nicht marktlogisch betrieben werden kann.

            Ausbau bedarfsorientierter Angebote wie Rufbusse und Sammeltaxis in dünnbesiedelten Regionen, um die Akzeptanz des öffentlichen Verkehrs zu erhöhen.

            Anschluss aller Bezirkshauptstädte an die Bahn und für diese eine Realisierung eines Halbstundentaktes zwischen 5.00 und 0.00 Uhr.

            Pendlerpauschale reformieren, damit diese in Form eines Absetzbetrages mit großem Pendlerpauschale für alle, die tatsächlich mit Öffis fahren, zu einem sozial gerechten Anreiz für den Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Verkehr wird.

            Berücksichtigung sozialer Aspekte bei Fördermaßnahmen für PKW-Besitzer:innen und Mindestens gleichwertige oder höhere Unterstützung für jene, die sich kein Auto leisten können. Dies beinhaltet z.B. die Befreiung von der KFZ-Steuer für Menschen mit Behinderungen.