19/PET XXVII. GP

Eingebracht am 09.06.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

 

Abgeordnete/r zum Nationalrat

                                                                                                                                              Yannick Shetty

An Herrn

Präsidenten des Nationalrates
Mag. Wolfgang Sobotka
Parlament

1017 Wien, Österreich

Wien, am 9.Juni 2020

Sehr geehrter Herr Präsident!

In der Anlage überreiche ich/ überreichen wir Ihnen gem. §100 (1) GOG-NR die Petition betreffend Blutspende öffnen - Leben retten!

Seitens der EinbringerInnen wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender Hinsicht angenommen:

die Blutspenderverordnung Ist Bundessache

Dieses Anliegen wurde bis zur Einbringung im Nationalrat von _______ BürgerInnen unterstützt.

Mit der Bitte um geschäftsordnungsmäßige Behandlung dieser Petition verbleibe ich/verbleiben wir

mit freundlichen Grüßen

Anlage

Hinweis: Ggf. vorgelegte Unterschriftenlisten werden nach dem Ende der parlamentarischen Behandlung datenschutzkonform vernichtet bzw. gelöscht, soweit diese nicht nach den Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes zu archivieren sind.

Blutspende öffnen - Leben retten!

In einigen Ländern Europas ist es homosexuellen und bisexuellen Männern - also Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) - immer noch nicht erlaubt, Blut zu spenden, so auch in Österreich. Der pauschale Ausschluss von MSM beruht auf der diskriminierenden Annahme, dass ihr Sexualverhalten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung per se als sexuelles Risikoverhalten zu bewerten sei. Diese Vorgehensweise muss insbesondere wegen der Corona-Krise und der dringend benötigten lebensrettenden Blutplasmaspenden von COVID- 19-Genesenen sowie dem ständigen Mangel an Blutkonserven umgehend überarbeitet werden.

Während in einigen Ländern Europas, wie z.B. Italien, Lettland, Portugal, Bulgarien, Polen und Spanien, die Diskriminierung von MSM bei der Blutspende aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bereits Geschichte ist, halten andere Länder, darunter auch Österreich, weiterhin am pauschalen Ausschluss von MSM von der Blutspende fest. Die Grundlage für diesen pauschalen Ausschluss bildet ein Anamnesebogen, der die Eignung potenzieller Spender_innen überprüft. Dieser Anamnesebogen enthält unter anderem die Frage, ob Spender_innen innerhalb der letzten zwölf Monate Sex mit Männern hatten. Wird diese Frage mit Ja beantwortet, werden MSM für zwölf Monate gesperrt - das kommt faktisch weiterhin einem Total-Ausschluss gleich. Auch Frauen, die Sex mit MSM hatten, werden übrigens von der Blutspende ausgeschlossen.

Rechtliche Basis für dieses Vorgehen ist die Blutspenderverordnung (BSV). Diese sieht gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 lit. s einen dauernden Ausschluss von Personen vor, bei denen dauerndes Risikoverhalten für eine Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten, insbesondere mit HIV oder HBV, als Risikofaktor anamnestisch festgestellt wird. Als zeitlich begrenzter Ausschlussgrund (Rückstellung) wird in § 6 Abs. 2 Z 15 der BSV normiert, dass nach ärztlicher Beurteilung Personen, die sich einem Risiko für eine Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten, insbesondere mit HIV und HBV, ausgesetzt haben, für die Dauer von zwölf Monaten ab diesem Ereignis auszuschließen sind.

Natürlich müssen Blutspendeeinrichtungen sorgfältig überprüfen, ob das gespendete Blut gesundheitsgefährdend für Empfänger_innen ist - die Blutsicherheit muss an oberster Stelle stehen. Die Überprüfung der Eignung für eine Blutspende muss aber vom tatsächlichen sexuellen Risikoverhalten einer Person ausgehen und dieses auch definieren, nicht pauschal einer Personengruppe unterstellen - nämlich MSM. Diese Vorgehensweise ist klar diskriminierend. Riskante sexuelle Praktiken, wie sie MSM praktizieren, werden von verschiedengeschlechtlichen Sexualpartner_innen ebenso praktiziert. Außerdem legt ein Mann, der in einer langjährigen Beziehung mit einem Mann ist, bestimmt kein höheres sexuelles Risikoverhalten an den Tag als ein Mann oder eine Frau mit wechselnden Sexualpartner_innen des anderen Geschlechts. Nicht nur ist der pauschale Ausschluss von MSM aufgrund ihrer sexuellen Orientierung eindeutig diskriminierend, sondern entsteht durch das Nicht-Definieren des gemeinten sexuellen Risikoverhaltens auch ein blinder Fleck bei Menschen, die verschiedengeschlechtlichen Sex haben.

Besonders absurd scheint das Festhalten am diskriminierenden Blut- und Blutplasma-Spendeverbot für MSM jedoch gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise.

Menschen sind dringender denn je auf Blutspenden und v.a. Blutplasmaspenden von genesenen COVID-19-Patient_innen angewiesen. Diese helfen in Notfällen, Leben zu retten und werden dazu verwendet, lebenswichtige Arzneimittel herzustellen - zurzeit eine absolute Priorität in der medizinischen Forschung. Die Nachfrage für lebensrettende Blutspenden ist unter normalen Umständen schon sehr hoch, Österreich braucht It. Angaben des Roten Kreuzes bislang jährlich rund 350.000 Blutkonserven. Durch die Corona-Pandemie gehen noch viel weniger Menschen zur Blutspende und es mangelt besonders an Blutplasmaspenden von Corona-Genesenen, deren Blut wertvolle Antikörper gegen das Virus enthält. Andere Länder wie z.B. die USA lockern bereits ihre Regelungen und reduzieren zumindest die Rückstellung von MSM auf 3 Monate, auch wenn Infektionskrankheiten wie HIV durch moderne medizinische Testungen bereits wesentlich rascher festgestellt werden können. Frankreich hat die Rückstellungsfrist immerhin auf 4 Monate reduziert.

Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung dessen, dass jede Blutspende ohnehin getestet wird und die gezielte Frage nach dem klar definierten individuellen sexuellen Risikoverhalten jeder einzelnen Person unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung wesentlich treffsicherer und somit im Interesse der Allgemeinheit wäre,

stellen wir folgende Forderungen:

-          Die Blutspenderverordnung soll so angepasst werden, dass eine diskriminierungsfreie Blutspende für MSM ermöglicht wird. Dazu soll nach § 3 BSV eine Formulierung, angelehnt an die im Jahr 2010 vorgeschlagene Bestimmung, eingefügt werden:

§ 3a. Bei der Befragung des Spenders zu seinem Gesundheitszustand und dessen Dokumentation sowie der diesbezüglichen Aufklärung und Information dürfen keine diskriminierenden Formulierungen verwendet werden."

-          Der standardisierte Anamnesebogen (Empfehlung der Blutkommission vom 3.12.2019) soll von der Blutkommission so überarbeitet werden, dass eine Diskriminierung von MSM ausgeschlossen ist. Genauer gesagt soll das individuelle sexuelle Risikoverhalten von Personen klar definiert und darauf abgestellt werden, nicht auf pauschale Annahmen bezüglich der sexuellen Orientierung.

-          Eine bundesweit einheitliche Umsetzung dieser Forderungen ist gegenüber der derzeit willkürlichen Umsetzung unbedingt zu gewährleisten.