Sehr geehrter Herr Dr. Peter Barth,

sehr geehrte Frau Mag. Ulrike Toyooka,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

hiermit möchte ich Ihnen meine gewünschte Stellungnahme übermitteln:

 

Grundsätzlich möchte ich festhalten, dass ich eine Reform des UbG sehr begrüße und viele Überlegungen und geplante Änderungen in diesem Entwurf der Novelle sehr zu einer Verbesserung der Betreuung unserer Patient*innen beitragen können. Jedoch ersuche ich sehr darum, nachfolgend erwähnte Bedenken und Sorgen umfassend zu überprüfen, aufzugreifen und ggf. den Entwurf der Novelle des UbG entsprechend zu adaptieren.

 

Dieser Gesetzesentwurf ist sicherlich ein Versuch, Patient*innenrechte zu stärken, Patientenanwält*innen, gesetzl. Vertreter*innen sowie zusätzlich Vertrauenspersonen und Angehörige vermehrt miteinzubeziehen. Dies ist selbstverständlich zu begrüßen, jedoch sollte bedacht werden, dass Angehörige nicht immer wohlwollend und im Sinne von Patient*innen handeln und deswegen die Zustimmung für Auskünfte über Patient*innen immer aktiv eingeholt werden soll. Die derzeitige Formulierung vermittelt, dass die Verschwiegenheitspflicht nicht mehr gilt, wenn „der Patient nicht widerspricht“ – das sehen wir (mein Team an der Abteilung und ich) mit größter Sorge. Für eine Entscheidung, zu widersprechen oder nicht zu widersprechen, muss die Person realitäts- und situationseinsichtig sein. Dies ist in Aufnahmen nach UbG wohl nicht immer gewährleistet. Zusätzlich kann es eine negative Auswirkung auf das ohnehin oft schwierig herzustellende Vertrauensverhältnis zwischen Patient*innen und Behandler*innen haben, wenn wir Informationen ohne dezidierte Einwilligung der Patient*in weitergeben. Dies steht in meinem ethischen Verständnis im Widerspruch zur ärztlichen/therapeutischen Verschwiegenheitspflicht. Insgesamt scheinen die Interessen, die Verschwiegenheitspflicht über die Krankengeschichte und der Datenschutz gegenüber den Patient*innen deutlich reduziert, was nicht im Sinne der Vertretung der Rechte der Patient*innen sein kann. Auch wenn diese Gesetzesänderung auf den höchst unerfreulichen Umstand am Brunnenmarkt erfolgt ist, sollte doch bedacht werden, dass die klar überwiegende Zahl unserer Patient*innen keine Gewaltverbrechen begehen.

 

Die deutliche erhöhte Dokumentations- und Verständigungspflicht sowie Fristenkoordination und –verwaltung hat absolut Vorteile und sollte unbedingt möglich gemacht werden. Dieser vermehrte Aufwand braucht jedoch konsequenterweise dementsprechend vermehrt Personalressourcen (Ärzt*innen, Sozialarbeiter*innen und Mitarbeiter*innen des klinisch administrativen Dienstes), die ab der Umsetzung des „UbG neu“ dem stationären Bereich unbedingt zur Verfügung stehen müssen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die dafür benötigte Zeit von der Zeit der direkten Patient*innenbetreuung abgezogen wird, was es in jedem Fall zu vermeiden gilt.

 

Als Abteilungsvorständin einer psychiatrische Abteilung, die für die regionale Versorgung zuständig ist, besteht die große Sorge, zunehmend mehr eine Aufgabe des "Aufpassens" und "Verwaltens" zu bekommen und im Vorfeld von strafrechtlichen Belangen tätig sein zu müssen, was von mir und meinem Team für höchst bedenklich gehalten wird und grundsätzlich nicht gewünscht, sogar abgelehnt wird.

 

Zu den einzelnen Paragraphen des „UbG neu“ möchte ich das Folgende anmerken:

 

Ad §2:

Die juristische Bedeutung von Aufsicht und Weisungsrecht des Landeshauptmanns/der Landeshauptfrau sind mir, einer Nicht-Jurist*in, unklar - es darf jedenfalls nicht bedeuten, dass dem Landeshauptmann/der Landeshauptfrau oder deren Büro direkt Informationen zur Krankengeschichte über konkrete Patient*innen gegeben werden müssen.

Es darf bitte nicht sein, dass eine Untersuchung nach §8 von der Politik „angeordnet“ werden kann.

 

Ad §6:

Die Verständigungspflicht eines/r Angehörigen nicht „auf Wunsch der Patient*innen“, sondern wenn der/die Patient*in "nicht widerspricht“ sehe ich - wie oben bereits erwähnt - sehr kritisch. Nachdem die von uns unterzubringenden Patient*innen in der Aufnahmesituation fast regelhaft nicht entscheidungsfähig sind und damit in der Akutsituation bei Aufnahme nicht widersprechen können, kann dies zum Problem führen, dass die Patient*innen der betreuenden Abteilung (zurecht) vorwerfen können, dass Angehörige über Dinge informiert wurden, ohne dass dies der/die Patient*in wollte. Dies gilt auch für die Übermittlung einer maschinenschriftlichen Ausfertigung des Zeugnisses.

Darüber hinaus muss bei Umsetzung des „UbG neu“ geregelt sein, wie eine datensichere (das heißt dem aktuell geltenden Datenschutz entsprechende) Übermittlung gewährleistet werden kann. Meines Wissens nach ist dies für Gericht und Patientenanwaltschaft geklärt. Wie ist das für jede einzelne gewählte Vertreter*in, die vermutlich nicht alle gesicherte Leitungen oder Faxgeräte haben, geregelt?

Kann davon ausgegangen werden, dass die Patient*in selbst uns in der Abteilung über ihren/seinen gewählte Vertreter*in informieren muss? Wie kann die Abteilung sonst an diese Information kommen bzw. darüber rechtzeitig Bescheid wissen? In einer akuten Notfallsituation, wie die in der das UbG zu tragen kommt, eine ist, muss die Versorgung der Patient*in bitte immer an erster Stelle stehen – und darf bitte durch gesetzliche Rahmenbedingungen nicht gefährdet werden. Es darf bitte nicht die Recherche in der Krankengeschichte vor die Behandlung der Patient*in gestellt werden.

 

Ad §8:

Wie soll der/die Amtsarzt*in, der/die ohnehin häufig Stunden braucht bis er/sie zum Bestimmungsort kommen kann, ein Gespräch mit Angehörigen, anderen namhaft gemachten Personen sowie ein Gespräch mit dem/r behandelnden Arzt*in in einer angemessenen Zeit führen können? Dies scheint ebenfalls nur mit in einer deutlichen Vermehrung der Personalressourcen bei den Amtsärzt*innen möglich. Ansonsten würde der vermehrte zeitliche Aufwand zu Lasten der Wartezeit anderer Patient*innen gehen, was mir nicht zumutbar scheint. Muss der/die Patient*in dann bei der Polizei diese Zeit abwarten bis der/die Amtsärzt*in den/die behandeInde/n Ärzt*in erreicht hat?

Wie soll/darf der öffentliche Krisendienst datenschutzkonform verständigt werden (per Mail, telefonisch)? Wird die Verfügbarkeit rund um die Uhr eines solchen Krisendienstes ab der Gültigkeit des „UbG neu“ sichergestellt sein?

Wenn die genannte Kriterien für §8 nicht erfüllt werden können (z.B. wegen zu langer Wartezeit auf die Amtsärzt*in), würde dann § 9 UbG angewendet? Ist das wirklich im Sinne des Gesetzes?

Dringendst sollte die Bescheinigung der Amtsärzt*innen ebenfalls maschinenschriftlich ausgefertigt werden, da diese derzeit häufig nicht oder nur sehr eingeschränkt leserlich sind und damit wichtige Informationen verloren gehen.

Wesentlich wird eine ausgebaute psychiatrische Schulung/Weiterbildung der Amtsärzt*innen sein, deren Begründungen für eine Einweisung derzeit teilweise aus fachärztlich psychiatrischer Sicht nicht nachvollziehbar sind.

 

Ad §9 (3) Z3 und Z4:

Datenschutzbedenken idem zu oben (Verständigen von Angehörigen...)

Diese, sowie die Bedenken bezüglich der Formulierung „wenn der Patient nicht widerspricht“ die bereits ausführlich dargestellt wurden, gelten auch für alle weiteren Erwähnungen dieser Formulierung und werden nicht mehr extra erwähnt.

 

Ad §32b:

Bzgl. des Behandlungsplan bei Wiederaufnahme stellt sich in einer akuten Notfallsituation (wie die in der das UbG zu tragen kommt, eine ist) wiederum das Problem dar, dass die Versorgung der Patient*in an erster Stelle stehen muss und nicht die Recherche in der Krankengeschichte.

Was geschieht, wenn die Patient*in sich nicht an den Behandlungsplan „hält“?

Was geschieht, wenn die Patient*in (aus welchen Grund auch immer) an einer anderen Abteilung vorstellig wird?

Einen Behandlungsplan zu erstellen ist fraglos ein sinnvolles und therapeutisches Instrument – dies ändert sich leider erheblich, wenn es vom therapeutischen zum gesetzlichen Instrument gemacht wird. Dieser Aspekt sollte bitte berücksichtigt werden und dementsprechend die Formulierung adaptiert werden.

Eine Verständigung der Angehörigen über die Aufhebung der Unterbringung kann nicht gewährleistet werden, weil die Erreichbarkeit der Angehörigen nicht gewährleistet werden kann (ist z.B. die Tel. Nr. bekannt, aktuell, korrekt, etc). Somit stellt sich die Frage der tagtäglichen Umsetzbarkeit und der Konsequenzen, wenn dies nicht umgesetzt werden kann.

 

Ad §35:

Ein nachweisliches Beiziehen von Angehörigen und anderen Personen, um eine Entscheidungsfähigkeit zu unterstützen wird von meinem Team im klinischen Alltag als praktisch nicht (immer) umsetzbar eingeschätzt.

Wie soll das nachgewiesen werden – reicht die Dokumentation im Dekurs?

 

Ad §36:

Muss der/die Patient*in für den Erhalt einer Kopfschmerztablette auch schriftlich zustimmen? Dies halte ich für alltagspraktisch und ethisch höchst bedenklich. Wurde in Holland das UbG nicht genau deswegen geändert, weil die Patient*innen deswegen zulange nicht behandelt wurden.

Eine medikamentöse Behandlung von nicht entscheidungsfähigen Patient*innen nur nach Entscheidung des Gerichts zu ermöglichen, ist mit der ärztlichen Ethik nicht kompatibel. Wenn das Gericht zu jeglicher Behandlung zustimmen muss, wie soll die Wartezeit überbrückt werden? Eine „Wartezeit“ auf eine Behandlung würde eine Schlechterstellung dieser Patient*innen bedeuten, weil ihnen eine ärztlich nötige Therapie zeitlich vorenthalten wird.

Darüber hinaus muss klarer und eindeutig formuliert sein, dass bei Gefahr in Verzug und vitaler Indikation keine Zustimmung des Gerichtes erfolgen muss, oder das Gericht ist rund um die Uhr Vorort verfügbar und entscheidet sofort.

 

Ad §39c (5):

Diese Formulierung ist unklar und lässt offen, ob die Sicherheitsdienststelle auch darüber zu informieren ist, wenn der/die Patient*in nicht nach dem UbG, sondern freiwillig (d.h. ohne UbG) stationär aufgenommen wird.

 

 

Abschließend möchte ich wiederholen, dass für die Umsetzung wesentlich sein wird, dem deutlich vermehrten zeitlichen Aufwand – der im Sinne einer verbesserten Patient*innenversorgung absolut zu begrüßen und zu befürworten ist – dementsprechend vermehrte Personalressourcen zur Verfügung gestellt sein müssen. Dies betrifft sowohl den stationären als auch den extramuralen Bereich.

 

Für Rückfragen stehe ich selbstverständlich und gerne zur Verfügung.

 

Hochachtungsvoll,

Ursula Goedl-Fleischhacker

 

Prim. Dr. Ursula Goedl-Fleischhacker

Abteilungsvorständin

 

Wiener Gesundheitsverbund

Klinik Landstraße

Allgemein Psychiatrische Abteilung

1030 Wien, Juchgasse 25, Haus 22

Tel.: +43 1 711 65-2901

ursula.goedl-fleischhacker@gesundheitsverbund.at

klinik-landstraße.gesundheitsverbund.at

 

 

 

 

 

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