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beratungen des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union

V-10 der Beilagen zu den stenografischen protokollen
des nationalrates XXVII. GP


Auszugsweise Darstellung

Dienstag, 2. November 2021

 

 


Beratungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses
in Angelegenheiten der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

Dienstag, 2. November 2021

 

 

Tagesordnung

1.)   COM(2020) 825 final
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG
(49024/EU XXVII.GP)

 

2.)   WK 9504/21 LIMITE
Presentation of the programme and priorities of the Slovenian Presidency in the field of Company Law (Themenfokus „Sustainable Corporate Governance“)
(70012/EU XXVII.GP)

 

3.)   12717/20
Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen
Evaluierung der Richtlinie 2008/99/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt
(38551/EU XXVII.GP)


 

Digital Services Act: besserer Schutz von VerbraucherInnen

 

Die Europäische Kommission hat einen Verordnungsvorschlag zu einem Digital Services Act vorgelegt. Dieser zielt auf den besseren Schutz von VerbraucherInnen und ihren Grundrechten im Internet. Zudem soll ein leistungsfähiger und klarer Transparenz- und Rechenschaftsrahmen für Online-Plattformen geschaffen werden sowie Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit am Binnenmarkt gefördert werden.

 

Dabei wird Augenmerk auf die Neuregulierung der Haftungsfreistellungen für Vermittlungsdienste sowie die explizite Festlegung spezifischer Sorgfaltspflichten gelegt. Der Rechtsakt gilt für alle AnbieterInnen, die ihre Dienste NutzerInnen in der Europäischen Union zur Verfügung stellen – unabhängig davon, in welchem Land die DienstleisterInnen ihren Firmensitz haben. Neue Mechanismen sollen Justiz- und Verwaltungsbehörden erlauben, grenzüberschreitend gegen illegale Inhalte vorzugehen und Auskünfte von Providern einzufordern. Außerdem werden Sorgfaltspflichten von Providern sowie Verpflichtungen für Vermittlungsdienste, Online-Plattformen und Online-Marktplätze definiert. Eigene Regelungen werden für große Online-Plattformen mit mindestens 45 Mio. aktiven monatlichen NutzerInnen getroffen. So werden für diese AnbieterInnen unter anderem die Transparenz von Recommender-Systemen, zusätzliche Transparenzpflichten und der Datenaustausch mit Behörden und Forschung festgelegt.

 

Es brauche einen durchsetzungsstarken Rechtsrahmen, um gegen international agierende Internetgiganten ankommen zu können, erklärte Justizministerin Alma Zadić. Die Reichweite nationaler österreichischer Gesetze reiche hier nicht aus, begrüßte Zadić die Umsetzung in Form von Unionsrecht.

 

ÖVP und Grüne: VerbraucherInnen und deren Vertrauen in die digitale Wirtschaft schützen

 

Für wirksame, verhältnismäßige und einheitliche Regulierungsmaßnahmen, die VerbraucherInnen und deren Vertrauen in die digitale Wirtschaft schützen, setzten sich die beiden Regierungsfraktionen in einem gemeinsamen Antrag auf Stellungnahme ein. Dieser wurde mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS angenommen. Die beiden Fraktionen forderten die Justizministerin auf, sich dafür einzusetzen, dass alle Mitgliedstaaten zur Umsetzung wirksamer Maßnahmen zum Schutz der NutzerInnen, insbesondere der VerbraucherInnen digitaler Dienstleistungen, verpflichtet werden. Die Nutzung digitaler Dienstleistungen müsse unter Wahrung der Grund- und Menschenrechte, insbesondere der Rechte auf Datenschutz, Privatsphäre und Meinungsäußerungsfreiheit gewährleistet werden. Außerdem müsse der Zugang zu unabhängigen staatlichen Rechtsstellen sichergestellt werden, wenn die Rechtmäßigkeit von auf Plattformen veröffentlichten Inhalten, Dienstleistungen und Waren strittig sei. Für kleine und mittlere Unternehmen sollten andere Sorgfaltspflichten und Verpflichtungen gelten als für große Plattformen, erklärte Antragstellerin Therese Niss (ÖVP). Man müsse auf die Größe der Unternehmen Rücksicht nehmen. Dies unterstützte auch Süleyman Zorba (Grüne) und betonte, dass es wichtig sei, einheitliche Regelungen auf EU-Ebene zu setzen, um stärker gegen große Internetkonzerne vorgehen zu können.

 

SPÖ: US-amerikanische Konzerne enger an die Zügel nehmen

 

Europa müsse die US-amerikanischen Konzerne vor allem in jenen Bereichen enger an die Zügel nehmen, wo es um demokratische und soziale Errungenschaften geht. Diese Online-Konzerne hätten mittlerweile sehr große wirtschaftliche Macht und Einfluss auf das Meinungsgeschehen angehäuft, stellte die SPÖ-Abgeordnete Katharina Kucharowits in einem Antrag auf Stellungnahme fest. Der Antrag blieb mit den Stimmen von SPÖ und NEOS in der Minderheit. In dem Antrag forderte die SPÖ die Bundesregierung dazu auf, sich für zahlreiche Präzisierungen und Verbesserungen beim Digital Services Act einzusetzen. So forderten die SPÖ-Abgeordneten unter anderem bessere Widerspruchsmöglichkeiten bei Beitragslöschungen, strengere Vorgaben bei Online-Werbung, mehr Transparenz bei Algorithmen sowie die Feststellung, dass die Rechtsprechung eine staatliche Aufgabe sei.

 

Es sei wichtig, den Rechtsschutz zu erleichtern, erklärte Johannes Margreiter (NEOS) die Unterstützung des SPÖ-Antrags durch seine Fraktion. Derzeit sei es etwa für Unternehmen schwierig, gegen nicht gerechtfertigte Bewertungen ihrer Betriebe auf Portalen vorzugehen.

 

FPÖ: Meinungsfreiheit im digitalen Raum erhalten

 

Meinungsfreiheit sei eines der höchsten Güter in einer funktionieren Gesellschaft, stellten die FPÖ-Abgeordneten Reinhard Eugen Bösch und Harald Stefan in einem Antrag auf Stellungnahme fest, der keine Mehrheit fand. Der Vorschlag für eine Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Gesetze verfolge eine Strategie der Zensur. Dieser würde AnbieterInnen ermutigen, in Form eines "overblocking" Inhalte im Zweifel zu löschen, kritisierte Harald Stefan und forderte Maßnahmen, die digitale AnbieterInnen davon abhalten, aus Zeit- oder Kostengründen überschießend Inhalte zu löschen. Damit soll der FPÖ nach die Meinungsfreiheit im digitalen Raum erhalten werden.

Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz in gesamter Lieferkette

 

Die Abgeordneten diskutierten heute im EU-Unterausschuss auch die geplante verstärkte Sorgfalts- und Rechenschaftspflicht von Unternehmen. Das Europäische Parlament hat im März 2021 eine Entschließung verabschiedet, in dem es eine Richtlinie über die Sorgfaltspflicht und Rechenschaftspflicht von Unternehmen (Corporate Due Diligence Directive) forderte und einen eigenen Entwurf dafür präsentierte. Ein Richtlinien-Entwurf der Europäischen Kommission wurde für Herbst 2021 angekündigt, liegt aber noch nicht vor.

 

Herzstück des EP-Entwurfs ist eine "Due-Diligence-Strategie", die die erfassten Unternehmen aufstellen und umsetzen müssen. In dieser müssen unter anderem nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte, die Umwelt und die verantwortungsvolle Unternehmensführung ermittelt und bewertet werden.Dem Vorschlag des Europäischen Parlaments nach sollen in der Richtlinie nicht nur große Unternehmen erfasst werden, sondern auch bestimmte "EU-KMU". Darüber hinaus soll sie aber auch für drittstaatliche Unternehmen gelten, die im EU-Binnenmarkt aktiv sind.

 

Justizministerin Alma Zadić erklärte, dass Menschenrechte, ArbeitnehmerInnenrechte und der Schutz der Umwelt gewahrt werden können, wenn rechtliche Vorschriften in der gesamten Lieferkette eingehalten werden. Es müsse das gemeinsame Ziel Europas sein, sich für ein konsequentes Eintreten gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung auf allen Ebenen sowie das Einfordern unternehmerischer Verantwortung durch verbindliche Regeln einzusetzen. Freiwillige Handlungsempfehlungen würden dafür leider nicht ausreichen, wie die Erfahrung zeige. Verbindliche Regeln würden auch zu einem faireren Wettbewerb beitragen und jenen heimischen Unternehmen helfen, die menschenrechtliche Standards einhalten, so Zadić. Sie werde sich daher für eine rasche Vorlage eines Vorschlags der Kommission einsetzen. Sollte es nicht dazu kommen, wolle sie auf österreichischer Ebene einen Vorschlag erarbeiten, sagte die Justizministerin.

 

Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) unterstützte das klare Einfordern eines Richtlinienvorschlags. Sie sprach sich jedoch für eine Umsetzung aus, die den kleinen und mittleren Betrieben keinen überbordenden administrativen Mehraufwand verursache. Auch Harald Stefan (FPÖ) plädierte dafür, sich durch entsprechende Regelungen nicht mehr zu behindern, als man damit erreichen könne.

 

Niemand habe gesagt, dass es einfach werde, entgegnete Petra Bayr (SPÖ). Der Schutz der Umwelt und der Menschenrechte habe es sich aber verdient, dass man sich anstrenge. Der Entwurf des EP beinhalte auch, dass die Regelung angemessen sei und es nicht zu Belastungen für kleine Betriebe komme. Weil die Kommission noch immer keine Richtlinie vorgelegt habe, wollte Bayr die Regierung mit einer Stellungnahme auffordern, sich auf europäischer Ebene für eine schnellstmögliche Vorlage von EU-Rechtsvorschriften zu Sorgfaltspflichten für Menschen und Umwelt entlang der gesamten globalen Lieferkette einzusetzen. Der Antrag auf Stellungnahme fand jedoch keine Mehrheit.

 

Sie wolle die Justizministerin nicht durch einen Handlungsauftrag einschränken, sagte Astrid Rössler (Grüne) in diesem Zusammenhang. Es sei jedenfalls klar, dass es Regeln brauche, weil freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen in diesem Bereich nichts bringe.

 


 

Neue EU-Richtlinie für strafrechtlichen Schutz der Umwelt Ende 2021

 

Ebenfalls Thema im Ausschuss war eine Richtlinien-Evaluierung der Europäischen Kommission über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt. Diese Richtlinie sei das wichtigste Instrument der EU im Bereich des Umweltstrafrechts, führt die Kommission darin an. Sie schaffe die Verpflichtung, dass rechtswidriges, die Umwelt gefährdendes Verhalten geahndet wird. Die Richtlinie soll nun überarbeitet werden, da die Ziele nicht vollständig erreicht worden seien und trotz einiger Fortschritte nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen würden, wird angeführt. Ein entsprechender Legislativvorschlag soll Ende dieses Jahres vorliegen.

 

UmweltsünderInnen sollten stärker zur Verantwortung gezogen werden können, betonte Justizministerin Alma Zadić im Ausschuss. Derzeit gebe es eine vergleichsweise niedrige Verurteilungsrate im Bereich des Umweltstrafrechts in Österreich. Dies zeige den Reformbedarf in diesem Bereich. Insbesondere im Bereich der Tatbestandsmerkmale sei die Definition derzeit nicht genau genug und sollte nachgeschärft werden. Sie werde sich daher auf europäischer und auf nationaler Ebene für eine rasche Umsetzung von scharfen und zielgerichteten Maßnahmen einsetzen, betonte die Justizministerin.

 

Er lese aus der Evaluierung die Tendenz heraus, das Umweltstrafrecht auf europäischer Ebene zentralisieren zu wollen, sagte Reinhard Eugen Bösch (FPÖ), und wollte wissen, ob die Ministerin das begrüße. Die NEOS stünden einer Verschärfung des Umweltstrafrechts mit Skepsis entgegen, erläuterte Johannes Margreiter. Aus seiner Sicht seien die Tatbestände ausreichend erfasst, es handle sich eher um ein Vollzugsproblem.

 

Georg Strasser (ÖVP) erkundigte sich nach den Erwartungshaltungen gegenüber der geplanten Richtlinie. Astrid Rössler (Grüne) wollte wissen, wo Zadić den größten Handlungsbedarf sehe, und Eva Maria Holzleitner (SPÖ) interessierte sich für die Positionierung der Ministerin.

 

Alma Zadić sprach sich für eine stärkere zwischenstaatliche Zusammenarbeit aus. Die Evaluierung habe ergeben, dass nicht in jedem Land das gleiche Delikt strafbar sei. Eine europäische Vorgabe von strafbaren Delikten sei daher in diesem Bereich aus ihrer Sicht absolut sinnvoll. Verbesserungsbedarf, auch auf nationaler Ebene, sehe sie insbesondere bei der Verantwortlichkeit von juristischen Personen und bei der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungskompetenz. Hier wolle sie mit verstärkten Schulungen ansetzen.

Mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS (dagegen: SPÖ, FPÖ) wurde folgender Antrag auf Stellungnahme angenommen:

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

der Abgeordneten Reinhold Lopatka, Therese Niss, Meri Disoski, Süleyman Zorba, Kolleginnen und Kollegen

eingebracht in der Sitzung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 2.11.2021

 

betreffend TOP 1 COM (2020) 825 final Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (49024/EU XXVII.GP)

 

Der digitale Wandel und die nicht zuletzt durch die COVID-19-Pandemie verstärkte Nutzung digitaler Dienste stellen eine Chance für die Gesellschaft dar, die jedoch auch neue Risiken und Herausforderungen mit sich bringt.

 

In diesem Sinne bekennt sich die österreichische Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm dazu, dass jede Österreicherin und jeder Österreicher die Vorteile der Digitalisierung in allen Lebensbereichen möglichst eigenverantwortlich, transparent und erfolgreich nützen kann. Darüber hinaus sollen Grund- und Menschenrechte gestärkt und insbesondere der datenschutzrechtliche Grundrechtsschutz weiterentwickelt werden.

 

Österreich nimmt in diesem Bereich auch eine Vorreiterrolle ein, indem es unter anderem ein Maßnahmenpaket gegen Gewalt und Hass im Netz implementiert hat, wodurch Betroffene schnell und kostengünstig gegen Gewalt und Hass im Netz unter gleichzeitiger Wahrung der Meinungsfreiheit vorgehen können.

 

Auch der am 15. Dezember 2020 veröffentliche Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (im Folgenden „Gesetz über digitale Dienste“ genannt), mit dem die über zwanzig Jahre alte e-Commerce-Richtlinie (2000/31/EG) reformiert werden soll, verfolgt ähnliche Ziele. 

 

Das Gesetz über digitale Dienste soll einen Beitrag zum besseren Schutz von Nutzerinnen und Nutzern im Allgemeinen und insbesondere auch von Verbraucherinnen und Verbrauchern und ihrer Grundrechte im Internet sowie die Schaffung eines leistungsfähigen und klaren Transparenz- und Rechenschaftsrahmen für Online-Plattformen leisten, sowie zu Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit im Binnenmarkt beitragen.

 

Das vorgeschlagene Gesetz über digitale Dienste enthält Vorschriften für vermittelnde Online-Dienste, die täglich von Millionen von Menschen in Europa genutzt werden. Dazu gehören Vermittlungsdienste, die über ein Infrastruktur-Netz verfügen, wie Internetanbieter, Domänennamen-Registrierstellen, Hosting-Dienste wie Cloud- und Webhosting-Dienste, Online-Plattformen wie Online-Marktplätze, App-Stores und Social-Media-Plattformen. Mit dem neuen Gesetz sollen insbesondere Sorgfaltspflichten für sehr große Anbieter dieser Dienste eingeführt werden, damit für Verbraucherinnen und Verbraucher ein sicheres Online-Umfeld, das transparent und vertrauenswürdig ist, ermöglicht wird und insbesondere ihnen das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit und Nichtdiskriminierung gewahrt wird.

 

Wirksame, verhältnismäßige und einheitliche Regulierungsmaßnahmen, in deren Mittelpunkt der Schutz der Verbraucherinnen und Verbrauchern steht, und die das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in die digitale Wirtschaft unter Wahrung der Grundrechte sicherstellen, tragen wesentlich zum Funktionieren des digitalen gesellschaftlichen Diskurses und des Binnenmarkts sowie zum Entstehen innovativer digitaler Dienste bei. Eine wirksame Kontrolle solcher Maßnahmen bedarf der Zuständigkeit unabhängiger staatlicher Stellen und der Zivilgesellschaft.

 

Der Vorschlag sieht asymmetrische Sorgfaltspflichten für verschiedene Arten von Anbietern digitaler Dienste vor, die von der Art ihrer Dienste und ihrer Größe abhängen. Mit diesem Ansatz werden bestimmte festgestellte Probleme nur dort angegangen, wo sie tatsächlich auftreten, sodass Anbieter, die nicht von diesen Problemen betroffen sind, nicht übermäßig belastet werden. Bestimmte materielle Verpflichtungen gelten nur für sehr große Online-Plattformen, die aufgrund ihrer Reichweite eine zentrale, systemische Rolle bei der Förderung der öffentlichen Debatte und wirtschaftlicher Transaktionen spielen. Sehr kleine Anbieter sind dagegen von den Verpflichtungen komplett ausgenommen. Dies ist auch vor dem Hintergrund der Förderung neuer europäischer Mitbewerber am digitalen Markt und der Stärkung des Wettbewerbs in diesem Bereich wichtig. Insbesondere KMU sollen bürokratisch nicht unverhältnismäßig belastet werden.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

„Die österreichische Bundesregierung, insbesondere die zuständige Bundeministerin für Justiz, werden ersucht, sich dafür einzusetzen, dass

 

-          im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste alle Mitgliedstaaten zur Umsetzung wirksamer Maßnahmen zum Schutz der Nutzerinnen und Nutzer, insbesondere der Verbraucherinnen und Verbraucher digitaler Dienstleistungen verpflichtet werden, sodass eine niederschwellige Nutzung digitaler Dienstleistungen unter Wahrung der Grund- und Menschenrechte, insbesondere der Rechte auf Datenschutz, Privatsphäre und Meinungsäußerungsfreiheit, gewährleistet wird;

-          sobald die Rechtmäßigkeit von auf Plattformen verbreiteten, angebotenen oder in Verkehr gebrachten Inhalten, Dienstleistungen und Waren sowie deren Löschung und Beseitigung strittig ist, ein Zugang zu unabhängigen staatlichen Rechtsstellen sichergestellt wird;

-          asymmetrische Sorgfaltspflichten für verschiedene Arten von Anbietern digitaler Dienste gelten, bestimmte materielle Verpflichtungen nur auf sehr große Plattformen abzielen und kleine und mittlere Anbieter von unverhältnismäßigen Verpflichtungen ausgenommen werden.

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.


 

Folgender SPÖ-Antrag auf Stellungnahme blieb mit den Stimmen von SPÖ und NEOS (dagegen: ÖVP, FPÖ, Grüne) in der Minderheit:

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Mag. Dr. Petra Oberrauner,

Genossinnen und Genossen

 

zu TOP 1: COM (2020) 825 final Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (49024/EU XXVII.GP)

 

eingebracht in der Sitzung des Ständigen Ausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union, 02.11.2021

 

Die Europäische Kommission veröffentlichte am 15.12.2020 ihren Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste („Digital Services Act“) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (COM (2020) 825 final). Dieser Vorschlag einer Verordnung über digitale Dienste zielt auf den besseren Schutz von Verbraucher*innen und ihrer Grundrechte im Internet, die Schaffung eines leistungsfähigen und klaren Transparenz- und Rechenschaftsrahmen für Online-Plattformen sowie die Förderung von Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit am Binnenmarkt ab.

 

Der „Digital Services Act“ (DSA) ist dabei Teil eines umfassenderen Pakets an neuen Vorschriften für digitale Dienste sowie soziale Medien, Online-Marktplätze und andere Plattformen, die in der Europäischen Union tätig sind. Zweiter Teil dieses Pakets ist der Vorschlag einer Verordnung eines „Digital Markets Act“ (COM (2020) 842 final), der Regulierungen für große Online-Plattformen mit erheblichen Netzwerkeffekten beinhaltet, die als „Gatekeeper“ im Binnenmarkt der Europäischen Union fungieren sowie die Möglichkeit gezielter Marktuntersuchungen.

 

Insgesamt braucht es mehr Transparenz und Regulierung. Europa muss die US-amerikanischen Konzerne vor allem in jenen Bereichen enger an die Zügel nehmen, wo es um demokratische und soziale Errungenschaften geht. Die Online-Konzerne haben sehr große wirtschaftliche Macht und Einfluss auf das Meinungsgeschehen angehäuft. Das stellt letztlich auch eine Gefahr für die Demokratie dar, wenn Wahlen potentiell manipuliert, Meinungen unterdrückt und Blasen geschaffen werden, die den gesellschaftlichen Austausch unmöglich machen. Gleichzeitig ist beim der Plattformregulierung essentiell, die Balance zwischen freier Meinungsäußerung und Regulierung zu halten. Nutzer*innen und Verbraucher*innen müssen ihre Grundrechte im Internet geschützt wissen und die Verantwortlichkeiten der Plattformen und Behörden klar ersichtlich, transparent und nachvollziehbar sein. Zum Schutz der Meinungsfreiheit braucht es daher bessere Widerspruchsmöglichkeiten für Nutzer*innen bei Löschungen von Beiträgen. Dies schränkt auch die Gefahr von Overblocking ein. Klar muss ebenfalls sein, dass die Rechtsprechung eine staatliche Aufgabe ist. Hier darf es zu keiner Privatisierung kommen. Die Konzerne haben bereits sehr große Macht, wir dürfen diese nicht verstärken, das Primat der Politik muss gesichert sein.

 

Bedauerlich ist es, dass die EU-Kommission die aus wettbewerbspolitischer Sicht bedeutenden Aspekte der Besteuerung des digitalen Sektors sowie der Online-Plattform-Arbeit ausklammert und Vorschläge zu einem späteren Zeitpunkt separat präsentieren möchte. Es ist hinlänglich bekannt, dass sowohl die ungleiche Behandlung der Beschäftigten als auch eine ungleiche Besteuerung der Digitalindustrie einen unfairen Wettbewerbsvorteil auf Kosten der traditionellen Wirtschaftsbereiche verschafft. So beträgt laut der Europäischen Kommission der effektive Steuersatz für digitale Unternehmen 9,5 % verglichen mit 23,2 % für herkömmliche Geschäftsmodelle. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) wiederum hat in einer Aussprache im Europäischen Parlament darauf hingewiesen, dass Beschäftigte im digitalen Sektor ihre Tätigkeiten unter prekären Arbeits­bedingungen verrichten müssen und die Digitalunternehmen ihre Rolle und Verantwortung als Arbeitgeber regelmäßig abstreiten.

 

Ein Arbeiterkammer Stichprobentest bei großen Online-Marktplätzen im Jahr 2021 hat gezeigt, dass auf Social Media-Plattformen immer öfter auch unseriöse Dropshipping-Händler*innen werben. Auch Online-Werbung ist ein riesiges Einfallstor für manipulative, irreführende und strafrechtsrelevante Marktpraktiken. Im Sinne eines optimalen Schutzes für Konsument*innen, muss der vorliegende Verordnungsvorschlag dringend mehr zum Schutz für Konsument*innen tun. Online-Plattformen sollen aktiv dazu beitragen, Konsument*innen vor Übervorteilung, etwa durch Fake-Shop-Angebote zu schützen und die Rückverfolgbarkeit von Onlinehändlern sicherstellen. Aktive Ermittlungspflichten für Online-Marktplätze können dazu beitragen, offenkundig betrügerische Angebote herauszufiltern. Bei Online-Werbung braucht es ‑ insbesondere auch zum Schutz von Kindern ‑ strengere Maßnahmen und mehr Transparenz. Online-Plattformen müssen beim Verhindern unzulässiger Werbung und illegaler Angebote stärker in die Verantwortung genommen werden. Dabei sind auch differenzierte Vorschriften für grundrechtssensible Meinungsplattformen und reine Onlineshops nötig. Bei ersteren besteht immer die Gefahr, die Meinungsvielfalt zu gefährden, bei zweiteren ist mehr Kontrolle möglich und nötig. Online-Marktplätze sind nicht grundrechtssensibel. Diese Mechanismen müssen mit individuellen Rechtsansprüchen der Konsument*innen verbunden werden.

 

Der Vorschlag der Verordnung ist ein erster politischer Schritt auf gemeinschaftlicher europäischer Ebene den Plattformen, im Konkreten den Konzernen, begegnen zu können. Mit klaren Regulierungen und Vorgaben. Der Vorschlag der Plattformregulierung muss jedoch in etlichen Punkten präzisiert und verbessert werden. Bei der Festlegung, welche Plattformen als sehr große Onlineplattformen gelten, braucht es klare und rasche Mechanismen, die festlegen welche Plattformen damit gemeint sind. Die Grenzen müssen so gesetzt werden, dass einerseits die Weiterentwicklung kleinerer Plattformen nicht verhindert wird, sonst besteht die Gefahr, dass das Quasimonopol der sehr großen Plattformen wie google oder facebook einzementiert wird. Andererseits müssen jedoch alle Plattformen, die in ihrem Sektor eine marktbeherrschende Stellung haben, unter die Definition fallen. Derzeit fallen z.B. airbnb oder uber nicht unter die Regelung. Mehr Transparenz und Offenlegung braucht es bei der Verwendung von Algorithmen. Nutzer*innen müssen wissen, warum ihnen bestimmte Beiträge angezeigt werden oder warum Inhalte geblockt oder gelöscht werden. Auch in Bezug auf die Identifizierung und Weiterverbreitung von Fake News und personalisierter Werbung wäre das ein wichtiger Schritt.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten ersuchen daher die zuständige Bundesministerin sich in den derzeit laufenden Verhandlungen auf europäischer Ebene für Verbesserungen des Kommissionsvorschlages auszusprechen und stellen daher folgenden

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz werden aufgefordert, sich in den aktuellen Verhandlungen auf europäischer Ebene für Präzisierungen und Verbesserungen beim Digital Services Act einzusetzen. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf folgende Punkte gelegt werden:

 

-          Klare Regeln für große Online-Konzerne, die diese stärker in die Pflicht nehmen, und Sicherung des Primats der Politik,

-          Stärkung der Rechte von Nutzer*innen und Konsument*innen,

-          Schaffung von besseren Widerspruchsmöglichkeiten für Nutzer*innen beim Löschen von Beiträgen, um Overblocking entgegenzuwirken,

-          Transparenz und Offenlegung bei der Verwendung von Algorithmen,

-          Stärkere funktionelle Unterscheidung zwischen Online-Marktplätzen für den Erwerb von Waren und Dienstleistungen und anderen Plattformen vorrangig zur Nutzer*innenkommunikation,

-          Keine allgemeinen Überwachungs- oder aktiven Ermittlungspflichten oder präventiven Filtermaßnahmen und proaktive Kontrolle bei Meinungsplattformen,

-          Strengere Vorgaben bei Online-Werbung und besserer Schutz von Kindern, mehr Verantwortung von Online-Plattformen beim Verhindern unzulässiger Werbung und illegaler Angebote,

-          Klare und einfach zu vollziehende Vorgaben, welche Plattformen als sehr große Onlineplattformen gelten,

-          Klare datenschutzrechtliche Verantwortlichkeiten,

-          Wirksame und rasche Rechtsdurchsetzung,

-          Harmonisierte Haftungsregeln für ein zeitgemäßes, rechtssicheres Regelwerk, bei dem Online-Plattformen für eigene Pflichtverletzung und bestimmte Sorgfaltsverstöße Dritter haften, die zu Schäden auf Verbraucherseite führen,

-          Effiziente Aufsichtsbehörde zur Überwachung der Einhaltung der Regelungen im DSA und zielgerichtete und effiziente Sanktionen.“

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 


 

Folgender FPÖ-Antrag auf Stellungnahme blieb mit den Stimmen von FPÖ (dagegen: ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS) in der Minderheit:

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. Harald Stefan

und weiterer Abgeordneter

 

betreffend Punkt 1 der Tagesordnung COM (2020) 825 final Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (49024/EU XXVII.GP)

 

eingebracht in der Sitzung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 2. November 2021

 

In einer funktionierenden Demokratie ist die Meinungsfreiheit eines der höchsten Güter. Eine Einschränkung derselben untergräbt nicht nur die Grundfreiheiten der Bürger, sondern kann das demokratische politische System an sich gefährden.

 

Infolge der Digitalisierung der Gesellschaft haben sich kommunikative Räume geöffnet, welche der politischen Vernetzung, Diskussion und des Meinungsaustausches zuträglich waren. Derartige digitale Möglichkeiten tragen das Risiko in sich für rechtswidrige Zwecke missbraucht zu werden, wobei strafbare Handlungen, wie die Planung terroristischer Angriffe oder der Verkauf illegaler Substanzen, vom Rechtsstaat zu verfolgen und zu sanktionieren sind. Die Grenze muss hierbei immer das Strafrecht bilden. Der Vorschlag für eine Verordnung über einen Binnenmarkt für digitale Gesetze verfolgt allerdings eine darüberhinausgehende Strategie der Zensur.

 

Denn in diesem Vorschlag wird eine privatisierte Rechtsprechung durch digitale Großkonzerne im Rahmen der Selbstregulierung forciert. Anbieter digitaler Dienste müssen mit erheblichen Sanktionen und Gewinnverlusten rechnen, wenn sie vermeintlich illegale Inhalte nicht entfernen. Über den tatsächlichen strafrechtlichen Gehalt eines Inhalts entscheiden damit die Unternehmen selbst, welche wohl das Risiko einer Geldbuße nicht eingehen und deswegen zu großzügigen Löschungen bereit sein werden. „Overblocking“ ist daher die naheliegende Folge dieser Selbstregulierung. Als Konsequenz dieser Gesetzesinitiative würden kritische Kommentare und Anmerkungen einfach auf den sozialen Plattformen verschwinden, das Recht eines Bürgers, seine Meinung frei zu äußern und zur Debatte zu stellen, damit erheblich beschnitten werden. Man muss sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, ob die Europäische Kommission bewusst den finanziellen Profit digitaler Konzerne über das Recht zur freien Meinungsäußerung stellt.

 

Die im Vorschlag angeführten Beschwerdewege bei ungerechtfertigter Löschung können diese Beschränkung der Meinungsfreiheit mitnichten ausgleichen. Es fehlen zeitliche Auflagen und Fristen. Ein User müsste wohl mehrere Wochen oder Monate warten, bis seine gelöschte Meinungsäußerung wieder zugelassen werden würde. Eine derartige Zensur ist unzumutbar.

 

Darüber hinaus ist mehr als problematisch, dass der Begriff der Illegalität in der Verordnung nicht im Ansatz definiert wird. Es wird nur in der Verordnung ausgeführt, dass illegale Inhalte möglichst weit gefasst werden sollten. Derartig unsachliche Definitionsversuche sind nicht zu akzeptieren. Selbst Justizkommissar Didier Reynders führte in einer Aussprache zum Rechtsstaatlichkeitsbericht 2021 am 11. Oktober 2021 mit Vertretern des österreichischen Nationalrates an, wie bedeutend eine Einigung auf eine genaue Definition des Begriffs „Hass-Rede“ sei. Wobei hierzu anzumerken ist, dass der Begriff Hass juristisch nicht greifbar ist und im Grunde in einer Rechtsordnung nichts verloren hat. Im Gegensatz dazu ist eine Definition des Illegalen nicht nur möglich, sondern zwingend notwendig.

 

Es ist festzuhalten, dass bereits jetzt Umtriebe der Zensur auf sozialen Plattformen stattfinden. Vor wenigen Jahren noch undenkbar, werden mittlerweile selbst parlamentarische Reden gelöscht. Dazu kam es beispielsweise im Jänner 2021, als die Rede des freiheitlichen Klubobmannes und Nationalrates Herbert Kickl auf der Videoplattform YouTube entfernt wurde, weil Kickl gegen die Maßnahmen der Coronapolitik der schwarz-grünen Bundesregierung aufgetreten ist.

 

Die schwarz-grüne Bundesregierung leistete der Zensur auf sozialen Plattformen durch private Unternehmen mit ihrem Kommunikationsplattformen-Gesetz bereits Vorschub. Eine weitere Stärkung des Impulses zur Zensur durch Anbieter digitaler Dienste ist eine Bedrohung für die Meinungsfreiheit und unserer demokratischen Kultur. Gegen derartige Tendenzen muss eine verantwortungsvolle Bundesregierung Stellung beziehen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

„Die österreichische Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, sich vehement im Rahmen der Institutionen der Europäischen Union für den Erhalt der Meinungsfreiheit im digitalen Raum stark zu machen. Um diesem Anspruch gerecht werden zu können ist es notwendig, das Gesetz über digitale Dienste im Rat der Europäischen Union abzulehnen. Stattdessen sind Maßnahmen zu forcieren, welche digitale Anbieter davon abhalten, aus Zeit- oder Kostengründen überschießend Inhalte zu löschen.“

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

Folgender SPÖ-Antrag auf Stellungnahme blieb mit den Stimmen von SPÖ (dagegen: ÖVP, FPÖ, Grüne, NEOS) in der Minderheit:

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS

Genossinnen und Genossen

 

zu TOP 2: RAT: WK 9504/21 Presentation of the programme and priorities of the Slovenian Presidency in the field of Company Law (70012/EU XXVII.GP) (Themenfokus „Sustainable Corporate Governance“)

eingebracht in der Sitzung des Ständigen Ausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union, 02.11.2021

 

Die Europäische Kommission hat bereits mehrmals angekündigt vermutlich zwei Richtlinienentwürfe betreffend directors duties und supply chain due diligence vorzulegen. Zu der Vorlage kam es jedoch bis heute nicht. Laut dem slowenischen Ratsvorsitz kann im Herbst 2021 mit einer Veröffentlichung der beiden Richtlinien gerechnet werden. Insbesondere das „Lieferkettengesetz“, eine EU-Rechtsvorschrift zur verpflichtenden Einhaltung unternehmerischer Sorgfaltspflichten im Bereich Menschenrechte und Umweltschutz, wird mit Spannung erwartet.

 

Eine im Februar 2020 veröffentlichte Studie der EU-Kommission ergab, dass nur eines von drei Unternehmen in der EU derzeit Maßnahmen zur Sorgfaltspflicht ergreift, während rund 70 Prozent der befragten europäischen Unternehmen EU-weite Sorgfaltspflichtvorschriften unterstützen.[1]

 

Bestehende internationale Rahmenwerke zur Sorgfaltspflicht, wie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, der Globale Rechtsindex des Internationalen Gewerkschaftsbundes 2021[2] und der weltweite Anstieg an Kinderarbeit[3] machen deutlich, dass der bisherige freiwillige Ansatz nicht ausreicht, um die negativen Auswirkungen der globalisierten Wirtschaftstätigkeiten zu bekämpfen.

 

Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments formulierte Anforderungen an ein neues EU-Gesetz, das Unternehmen zur Sorgfaltspflicht für ihre Lieferketten verpflichten soll. Der Entwurf der Gesetzesinitiative (angenommen mit 21 Ja-Stimmen, einer Gegenstimme und einer Enthaltung) fordert die Europäische Kommission auf, dringend ein Gesetz vorzulegen, das Unternehmen haftbar macht, wenn sie Menschenrechte, inklusive Arbeitnehmer*innen- und Gewerkschaftsrechte, Umweltstandards und Standards guter Unternehmensführung verletzen oder dazu beitragen. Die Regeln zur Sorgfaltspflicht für Lieferketten sollen auch den Zugang zu Rechtsmitteln und Gerichten für Geschädigte garantieren.

 

Am 10. März 2021 hat das EU-Parlament einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung europäisches Lieferkettengesetz gesetzt. Die Abstimmung der Eckpunkte für ein europäisches Lieferkettengesetz im EU-Parlament hat eine breite Zustimmung gefunden: 504 von 695 EU-Parlamentarier*innen forderten damit die EU-Kommission auf, aktiv zu werden.

 

Verbindliche EU-Regeln zur Sorgfaltspflicht würden Unternehmen dazu verpflichten, ihre Wertschöpfungsketten zu überprüfen, dazu gehören Betriebsabläufe, direkte oder indirekte Geschäftsbeziehungen und Investitionsketten. Identifiziert und abgestellt werden müssten dann negative Auswirkungen auf Menschenrechte, einschließlich sozialer, gewerkschaftlicher und arbeitsrechtlicher Rechte, Umweltstandards und Klimaziele sowie „Good Governance“. Nachweisen müssten dies alle Unternehmen, die Zugang zum EU-Binnenmarkt haben wollen, auch solche, die außerhalb der EU ansässig sind.

 

Die Europaabgeordneten fordern zusätzliche Maßnahmen, darunter ein Verbot der Einfuhr von Produkten, die mit schweren Menschenrechtsverletzungen wie Zwangs- oder Kinderarbeit in Verbindung stehen sollen. Diese Ziele sollten in die Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung von EU-Handelsabkommen aufgenommen werden. Die Abgeordneten betonten außerdem, dass Unternehmen für ihre Handlungen haftbar gemacht und mit Geldstrafen belegt werden sollten, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten nicht wahrnehmen. Ausgenommen von dieser Regelung seien sie nur dann, wenn sie nachweisen können, dass sie im Einklang mit der Sorgfaltspflicht gehandelt und Maßnahmen ergriffen haben, um Schäden zu verhindern und Leidtragende zu entschädigen. Besser geschützt werden sollten damit auch die Rechte von Geschädigten und Stakeholdern in Drittländern, die besonders schutzbedürftig sind.

 

Die EU-Kommission hat bereits mehrmals einen Gesetzvorschlag angekündigt, der jedoch bislang nie vorgelegt wurde. Auch Kommissionspräsidentin Von der Leyen hat in ihrer Rede zur Lage der Union einen Legislativvorschlag für ein Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit angekündigt.

 

Derzeit sieht die Agenda der Kommission lediglich eine bislang noch unbestätigte Diskussion zum Thema Sustainable Corporate Governance am 8.12.2021 vor. Dabei bleibt sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich des konkreten (Rechts-) Instruments unklar, was darunter zu verstehen ist, und ob dies endlich eine Präsentation einer EU-Rechtsvorschrift zur verpflichtenden menschen- und umweltrechtlichen Sorgfaltspflicht nach sich ziehen soll.

 

Es braucht dringend eine EU-Rechtsvorschrift, ein „Lieferkettengesetz“ zur verpflichtenden menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht und soziale, menschenrechtskonforme und nachhaltige Produktionsweisen, denn wie auch schon Kommissionspräsidentin Von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union sagte: „Menschenrechte sind nicht käuflich – für kein Geld der Welt.[4] Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für die schnellstmögliche Vorlage von EU-Rechtsvorschriften zu wirksamen und verpflichtenden Sorgfaltspflichten für Menschen und Umwelt entlang der gesamten globalen Lieferkette einzusetzen und entsprechende Initiativen, wie beispielsweise jene des Europäischen Parlaments, aktiv zu unterstützen.

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden darüber hinaus aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass in dieser EU-Rechtsvorschrift alle Unternehmen erfasst werden, die ihren Sitz in der EU haben oder im Binnenmarkt tätig sind, und Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten Haftung und strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen“.

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.



[1] https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/8ba0a8fd-4c83-11ea-b8b7-01aa75ed71a1; Stand; 30.09.2021

[2] Globaler Rechtsindex des IGB 2021: COVID-19-Pandemie rückt Arbeitnehmerrechte ins Rampenlicht - Internationaler Gewerkschaftsbund (ituc-csi.org); Stand: 04.10.2021

[3] Weltweite Kinderarbeit steigt auf 160 Millionen (unicef.de); Stand: 04.10.2021

[4] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/SPEECH_21_4701; Stand: 03.10.2021