V-16 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Beratungen des Ständigen Unterausschusses des
Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union
(Auszugsweise Darstellung)
Donnerstag, 3. November 2022
Beratungen des Ständigen Unterausschusses des
Hauptausschusses in Angelegenheiten der
Europäischen Union
(Auszugsweise Darstellung)
XXVII. Gesetzgebungsperiode 3. November 2022
1.)COM(2022) 209 final
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern
(109099/EU XXVII.GP)
2.)COM(2021) 891 final
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 über einen Unionskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen
(89350/EU XXVII.GP)
3.)COM(2022) 740 final
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen/Migrations- und Asylbericht
(116103/EU XXVII.GP)
Innenminister Karner soll sich bei EU-Verordnung zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch für grundrechtskonforme Maßnahmen einsetzen
Der Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union beschäftigte sich in Anwesenheit von Bundesminister Gerhard Karner mit aktuellen EU-Agenden aus dem Bereich Inneres. Im Zuge der Verhandlungen des Migrations- und Asylberichts betonte er die durch Schlepperei ausgelöste derzeitige Drucksituation im Asylwesen.
Die Ausschussmitglieder diskutierten zudem Verordnungsvorschläge der Kommission zum Schengener Grenzkodex sowie zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet. Angenommen wurde dazu ein Vier-Parteien-Antrag auf Stellungnahme (ÖVP, SPÖ, Grüne, NEOS), um sicherzustellen, dass sich die Bundesregierung für einen grundrechtskonformen EU-Rechtsakt einsetzt. Alle Parlamentsfraktionen äußerten datenschutzrechtliche Bedenken.
Prävention von Kindesmissbrauch im Internet: Grundrechtsbedenken
Die Kommission möchte einen harmonisierten Rechtsrahmen für die Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet schaffen. Es soll diesbezüglich ein eigenes EU-Zentrum zur Unterstützung der nationalen Behörden sowie der Opfer eingerichtet werden. Anbieter von Kommunikationsdiensten sollen durch den Verordnungsvorschlag Rechtssicherheit hinsichtlich ihrer Risikobewertung erhalten und gegebenenfalls Missbrauch aufdecken und melden. Österreich befürwortet es, den Schutz von Kindern zu verbessern und ein sicheres Bewegen im Internet zu ermöglichen, allerdings seien bei der konkreten Ausgestaltung laut Innenminister Gerhard Karner noch viele Punkte offen, da man erst am Beginn der Verhandlungen stehe. Besonderer Wert wird darauf gelegt, dass die vorgesehenen Maßnahmen strengen Bedingungen in Bezug auf den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre entsprechen. Die Ausschussmitglieder bemängelten das EU-Vorhaben diesbezüglich unisono.
Zur Sicherstellung einer grundrechtskonformen Ausgestaltung der EU-Verordnung wenden sich ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS mit einem gemeinsamen Antrag auf Stellungnahme an den Minister. Dabei gehe es auch darum, sich bei der Suche nach geeigneten Instrumenten zum Schutz vor Kindesmissbrauch aktiv einzusetzen, erläuterte Abgeordnete Jeitler-Cincelli (ÖVP).
Katharina Kucharowits (SPÖ) führte den zentralen Kritikpunkt trotz genereller Unterstützung des Ziels aus und erinnerte auch an die Fehleranfälligkeit, etwa beim Einsatz von künstlicher Intelligenz. Die Verordnung sei überschießend, da sie eine generelle, grundrechtswidrige "Massenüberwachung" von Bürger:innen beinhalte, meinte sie. Für Süleyman Zorba (Grüne) ist in diesem Sinne noch unklar, wie die Kontrolle von Kommunikationsdiensten – Chats – überhaupt technisch gelöst werden soll. Wie auch NEOS-Mandatarin Katharina Werner, betonte er die Grundrechtswidrigkeit des derzeitig vorliegenden Vorschlags, zu dem auch schon mehrere Institutionen Bedenken geäußert hätten. Auch die FPÖ-Mandatare Christian Lausch und Petra Steger schlossen sich den Bedenken an, wenngleich sie der Vier-Parteien-Initiative nicht zustimmten, sondern einen eigenen Antrag zur Vermeidung der geplanten "Chatkontrolle" einbrachten, den auch die SPÖ-Fraktion unterstützte. Er blieb damit aber in der Minderheit. Abgeordnete Steger (FPÖ) findet nicht nur den Ansatz falsch, unbescholtene Bürger:innen in Chats zu überwachen, sondern sieht auch Probleme hinsichtlich der Handhabe.
Eine Vertreterin des Innenressorts informierte, dass sich eine Expertengruppe im Bundeskriminalamt damit beschäftige und ein umfassender interministerieller Austausch zu dem Thema stattfinde. Der juristische Dienst des Rates habe ein Gutachten bis Ende des Jahres angekündigt. Innenminister Gerhard Karner sagte den Ausschussmitgliedern zu, sich intensiv einbringen zu wollen um die Bedenken in den Rechtsakt einzuarbeiten. Dabei stehe man aber erst am Anfang. Eine politische Auseinandersetzung ist für den nächsten EU-Innenministerrat Anfang Dezember in Aussicht gestellt.
Neuer Schengen-Kodex
Zu den gegenwärtigen Kommissionsvorhaben zählt auch die Stärkung des Schengen-Raums, in dessen Zusammenhang ein weiterer Verordnungsvorschlag erörtert wurde. Die für die Mitgliedstaaten vorgesehene Möglichkeit, Binnengrenzkontrollen für einen längeren Zeitraum selbst einzuführen, wird von Seiten Österreichs begrüßt. Aus Sicht des Innenministers bedarf es dem Handlungsspielraum, um autonom auf individuelle Bedrohungen reagieren und Kontrollen selbst einführen zu können. Er berichtete, dass der "Schengen-Kodex Neu" intensiv auf EU-Ebene debattiert wurde. Im Wesentlichen herrsche zwischen den EU-Innenminister:innen aber Einigkeit, dass Binnengrenzkontrollen derzeit notwendig seien, solange es keinen funktionierenden Außengrenzschutz gibt.
ÖVP-Mandatar Wolfgang Gerstl schätzte den Kommissionsvorschlag hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit, um Sicherheit und Freiheit in Europa gleichzeitig bewerkstelligen zu können. Für Michel Reimon (Grüne) ist die Reisefreiheit eines der höchsten Güter der EU. Man müsse aufpassen, dieses Grundrecht nicht durch Binnengrenzkontrollen einzuschränken, sagte er. Diese sollen laut vorliegendem Vorschlag eine Höchstdauer von zwei Jahren nicht überschreiten, kritisierte FPÖ-Mandatarin Petra Steger, woraufhin der Minister ausführte, dass bei entsprechender Begründung auch eine längere Dauer möglich sei.
Von SPÖ-Abgeordneter Katharina Kucharowits auf Alternativmaßnahmen angesprochen, sprach Karner vom derzeit großen Druck an der österreichisch-ungarischen Grenze, wo es zu zusätzlichen Maßnahmen komme. Dazu zählen gemischte Streifen, der Einsatz von österreichischen Exekutivbediensteten an den EU-Außengrenzen aber auch die Zurverfügungstellung von technischem Equipment. Generell bestünde derzeit enormer Druck durch die Schlepperei, sagte der Innenminister. In den Augen von Christian Lausch (FPÖ) ist Schengen gescheitert, solange die Schleppermafia innerhalb der Europäischen Union agiere.
Im Zuge der Verhandlungen wurde von Katharina Kucharowits (SPÖ), Katharina Werner (NEOS) und Christian Lausch (FPÖ) die Frage nach menschenwürdigen Asylunterkünften aufgeworfen. Innenminister Karner rechtfertigte den Einsatz von Zelten als Notmaßnahme um Obdachlosigkeit vorzubeugen. Derzeit seien knapp 200 junge Männer, die praktisch keine Chance auf Asyl in Österreich hätten, in Zelten untergebracht.
Der Kommissionsvorschlag beinhaltet ferner Mechanismen zur Notfallplanung wie die Ermöglichung von vorübergehenden Reisebeschränkungen. Die Trilogverhandlungen haben allerdings noch nicht begonnen.
Migrations- und Asylbericht der Kommission
Anlass zur Diskussion lieferte ferner eine Mitteilung der Kommission, worin über die zentralen Entwicklungen und Fortschritte im Bereich Migration und Asyl berichtet wird. Russlands Einmarsch in die Ukraine habe zur raschen Aktivierung der Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes und so zur Registrierung von über vier Millionen Flüchtlingen aus der Ukraine in der EU geführt. In Österreich befinden sich derzeit rund 56.000 Ukrainer:innen in der Grundversorgung.
Innenminister Gerhard Karner betonte auch bei diesem Tagesordnungspunkt den derzeitigen Druck im Asylwesen. Parallel zur Situation in der Ukraine habe sich ein neues Geschäftsfeld für Schlepper etabliert. Mit der EU-Vertriebenen-Richtlinie sei anderorts geworben und somit das europäische Asylsystem zusätzlich belastet worden. Auch in den nächsten Wochen sei noch mit einer intensiven Belastung zu rechnen, wurde ÖVP-Mandatar Wolfgang Gerstl informiert. Leider sei der europäische Asyl- und Migrationspakt noch nicht weit gediehen, es gebe noch viel zu tun und einen Bedarf an nachbarschaftlicher, grenzüberschreitender Zusammenarbeit, so Karner. Österreich würde einen solidarischen Beitrag leisten, wenngleich es natürlich eine europäische Lösung trotz vieler unterschiedlicher Interessen der Mitgliedstaaten braucht, sagte er zu Robert Laimer (SPÖ), der den freiwilligen EU-Solidaritätsmechanismus und einen Verteilungsschlüssel thematisierte. Letzteres lehnt der Innenminister ab. Es sei nicht praktikabel.
Petra Steger (FPÖ) legte einen Forderungskatalog vor, wie das europäische Asylsystem nach der Vorstellung ihrer Fraktion auszusehen habe. Der Antrag auf Stellungnahme beinhaltet unter anderem die generelle Ablehnung des EU-Migrationspakts und eine Legalisierung von "Push-Backs" an der EU-Außengrenze. Er wurde nicht weiter unterstützt und somit abgelehnt.
Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) kritisierte den FPÖ-Vorstoß als unseriös und meinte, dass derartige Herausforderungen nur gemeinschaftlich zu lösen seien. Sie sprach sich zudem dafür aus, (Arbeits-)Migration klar von Flucht und Asyl zu trennen sowie die Fluchtursachen zu bekämpfen. Auch Katharina Werner (NEOS) und Eva Maria Holzleitner (SPÖ) sehen diesbezüglich Diskussionsbedarf auf europäischer Ebene.
Zur Bewältigung der gegenwärtigen Migrationslage wird im Kommissionsbericht festgehalten, dass sich die Zahlen entlang der östlichen Mittelmeerroute gegenüber 2021 verdoppelt und am Westbalkan verdreifacht haben. In den ersten sieben Monaten 2022 wurden EU-weit 480.000 Asylanträge gestellt. Während EU-Asylagentur, Europol und Frontex die Mitgliedstaaten bei der Lagebewältigung unterstützen, zählt auch das integrierte europäische Grenzmanagement zu einem wichtigen Instrument. Das EU-Rückkehrsystem wird weiterentwickelt, hin zu einem Konzept der Migrationspartnerschaften mit Drittländern. Generell sei geplant die Verhandlungen über das EU-Asyl- und Migrationspaket bis Februar 2024 abzuschließen.
Angenommen wurde folgender Antrag (Zustimmung, ÖVP, SPÖ, Grüne, NEOS):
Antrag auf Stellungnahme
gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG
der Abgeordneten Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA, Katharina Kucharowits, Süleyman Zorba, MMag. Katharina Werner, Bakk.
Kolleginnen und Kollegen,
betreffend
TOP 1 COM (2022) 209 final Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (109099/EU XXVII.GP)
eingebracht in der Sitzung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 03.11.2022
Die Europäische Kommission legte am 11.5.2022 einen Verordnungsentwurf vor, dem zufolge Hosting-Provider und Anbieter:innen von Kommunikationsdiensten, Access-Provider und App-Store-Betreiber:innen Maßnahmen zur Risikominderung in Bezug auf den Missbrauch ihrer Dienste für die Verbreitung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch und für die Kontaktanbahnung mit Minderjährigen („Grooming“) vorsehen müssen.
Es ist dringend geboten, Kinder vor sexualisierter Gewalt und Kinderpornografie zu schützen und gegen Straftaten im Internet rasch und wirksam vorzugehen. Der vorliegende Entwurf wird jedoch sowohl von Bürgerrechtsorganisationen,[1] den EU-Datenschutzbehörden, als auch von Kinderschutzorganisationen, wie dem Deutschen Kinderverein, kritisiert. Insbesondere zeigten sich der Europäische Datenschutzbeauftragte und der Europäische Datenschutzausschuss[2] zu Recht besonders besorgt, was die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der geplanten Aufdeckungsmaßnahmen betrifft, wenn es um Maßnahmen geht, die zur Aufdeckung von unbekanntem Material über sexuellen Kindesmissbrauch und Grooming in interpersonellen Kommunikationsdiensten dienen sollen. Der juristische Dienst des Rates wurde mit der Prüfung beauftragt, ob die Anordnung zur Aufdeckung bei interpersoneller Kommunikation verhältnismäßig ist.
Der Entwurf greift in das Recht auf Datenschutz, das Recht auf Privat- und Familienleben, sowie die Vertraulichkeit der Kommunikation aller Bürger:innen ein. Eine verhältnismäßige grundrechtliche Ausgestaltung des Vorschlages ist daher unabdingbar und natürlich muss er der Judikatur des EuGH voll entsprechen. Es bedarf daher einer grundrechtskonformen Ausgestaltung, wonach entsprechend der geltenden Rechtslage keine generellen Überwachungspflichten für Online-Plattformenbetreiber über die Inhalte ihrer Nutzer:innen eingeführt werden und eine vertrauliche, insbesondere Ende-zu-Ende verschlüsselte, Kommunikation im Internet zwischen Nutzer:innen gewahrt bleibt. Die notwendige Grundrechtskonformität trifft insbesondere auch auf die spätere technische Ausgestaltung zu, auch wenn der Entwurf technologieneutral ausformuliert wurde.
Insbesondere zu achten ist auch auf besonders schützenswerte Kommunikation, wie jene zwischen Missbrauchsopfern und Hilfsorganisationen, sowie von Journalist:innen, Ärzt:innen, Rechtsantwält:innen und Hinweisgeber:innen.
Wünschenswert wäre auch auf europäischer Ebene eine stärkere Koordinierung bei Kontakt- und Notruf-Möglichkeiten für betroffene Kinder, Hilfs- und Betreuungsmaßnahmen sowie der Vernetzung der zuständigen Behörden.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden
Antrag auf Stellungnahme gemäß Art 23e Abs. 3 B-VG
„Die österreichische Bundesregierung, insbesondere der zuständige Bundesminister für Inneres, die Bundesministerin für Justiz und die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien werden ersucht, sich auf europäischer Ebene weiterhin
- für den Ausbau und die verstärkte EU-weite Harmonisierung und Koordinierung von geeigneten, wirksamen und grundrechtskonformen Maßnahmen zum Schutz vor Kindesmissbrauch und Grooming online und offline einzusetzen, und
- im Rahmen der Verhandlungen für eine Verordnung zur Festlegung von Vorschriften für die Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (COM(2022) 209 final) für die Sicherstellung einer grundrechtskonformen Ausgestaltung dieser Verordnung aktiv einzusetzen und der genannten Verordnung nur zuzustimmen, wenn sichergestellt ist, dass diese grundrechtskonform- im Sinne des Fließtextes- ausgestaltet ist.“
Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.
Abgelehnt wurde folgender FPÖ-Antrag (Zustimmung SPÖ, FPÖ):
Antrag auf Stellungnahme
gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG
der Abgeordneten Petra Steger, Mag. Christian Ragger
und weiterer Abgeordneter
betreffend Punkt 1 der Tagesordnung COM (2022) 209 final Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (Text von Bedeutung für den EWR) (109099/EU XXVII.GP)
eingebracht in der Sitzung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 3. November 2022
Nein zu der geplanten Chatkontrolle der EU-Kommission
Die Europäische Kommission präsentierte im Mai 2022 einen Plan zur anlasslosen Massenüberwachung. Die Nachrichten völlig unbescholtener Bürger, ohne jeden konkreten Verdacht, zu durchleuchten, widerspricht allerdings den bürgerlichen Freiheiten und dem Recht auf Privatsphäre. So sehr der Kampf gegen jede Form von Kindesmissbrauch so unterstützen ist, dieser Schritt geht in die falsche Richtung.
Nicht nur, dass von einer sehr hohen Fehlerquote und Falschmeldungen – inklusive schwerer Konsequenzen für unschuldige Bürger – auszugehen ist, auch die Meinungsfreiheit würde beschnitten werden. Selbstzensur wäre eine unweigerliche Folge. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass derartige Technologien auf weitere Einsatzbereiche ausgedehnt werden würden. Rechtsstaatliche Prinzipien sowie die Unschuldsvermutung würden damit massiv untergraben werden.
„Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS) und der Europäische Datenschutzausschuss (EDPB) stellten Ende Juli zudem in einem Gutachten fest, ‚dass der Vorschlag in seiner jetzigen Form möglicherweise mehr Risiken für Einzelpersonen und damit für die Gesellschaft im Allgemeinen birgt als für die Straftäter‘. Darüber hinaus bestehe laut ihnen die Gefahr, ‚dass der Vorschlag die Grundlage für ein allgemeines und unterschiedsloses Scannen des Inhalts praktisch aller Arten von elektronischer Kommunikation werden könnte‘“ (Der Standard 10.10.2022: Messenger-Überwachung: EU-Abgeordnete üben scharfe Kritik an Gesetzesentwurf).
„Bei der Betrachtung potenzieller Folgen einer Chatkontrolle muss zunächst der Frage nachgegangen werden, ob das beabsichtigte Vorhaben der Kommission mit einem tatsächlichen Mehrwert für das verfolgte Ziel verbunden ist. Dies ist vorliegend fraglich. Bezweifelt werden darf bereits, ob die einschlägigen Messengerdienste bislang überhaupt eine tragende Rolle bei der Verbreitung kinderpornographischer Dateien gespielt haben. Selbst wenn man dies bejaht, liegt die Vermutung nahe, dass die Dienste spätestens dann nicht mehr zur Verbreitung der Dateien genutzt werden, wenn bekannt ist, dass die Anbieter die Chatkontrolle zuverlässig durchführen“ (WD 10 – 3000 – 026/22, S. 16).
„Aus vorgenannten Gründen ist jedoch fraglich, ob der aktuelle Verordnungsentwurf für das bezweckte Vorhaben überhaupt einen Mehrwert darstellt. Vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des EUGH zur Vorratsdatenspeicherung ist davon auszugehen, dass an die Verordnung 2022/0155 (COD) hohe Anforderungen zu stellen sind und der Verordnungsentwurf in seiner aktuellen Fassung so nicht in Kraft treten dürfte. Es erscheint unwahrscheinlich, dass eine grundsätzliche Überwachung von Individualkommunikation der Überprüfung der (europäischen) Grundrechte standhalten würde. Zudem wäre eine Ausweitung der Überwachung auch auf andere Bereiche möglich und zu befürchten. Ausgehend von den genannten Aspekten und Problemen, sieht der aktuelle Verordnungsentwurf unverhältnismäßige Eingriffe in die geprüften Grundrechte der GRCh vor. Zudem sind bislang viele Fragen und Anforderungen an die Chatkontrolle, insbesondere das konkrete Verfahren im Hinblick auf Ende-zu Ende verschlüsselte Dienste, noch offen geblieben und bedürfen der Klärung“ (WD 10 – 3000 – 026/22, S. 19).
Die Überwachungspläne der EU-Kommission treffen nur völlig unbescholtene Bürger, beschneiden die Meinungsfreiheit und verletzen weitere Grundrechte. Folgerichtig sind diese abzulehnen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG
„Die österreichische Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, sich im Rahmen der Institutionen der Europäischen Union gegen die von der Europäischen Kommission geplante Chatkontrolle auszusprechen und den diesbezüglichen Verordnungsvorschlag COM (2022) 209 abzulehnen.“
Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.
Abgelehnt wurde folgender FPÖ-Antrag (Zustimmung FPÖ):
Antrag auf Stellungnahme
gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG
der Abgeordneten Petra Steger
und weiterer Abgeordneter
betreffend Punkt 3 der Tagesordnung COM (2022) 740 final Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen/Migrations- und Asylbericht (116103/EU XXVII.GP)
eingebracht in der Sitzung des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 3. November 2022
Grenzenloses Totalversagen der Bundesregierung gegen die illegale Massenmigration
2022 hat sich offenbart, dass beschwichtigende Rhetorik allein nicht reicht, um eine erneute Migrationskrise von den Ausmaßen des Jahres 2015 zu verhindern. Hauptverantwortlich für die aktuellen katastrophalen Entwicklungen im Migrationsbereich sind Vertreter der Österreichischen Volkspartei. Weder der Bundeskanzler noch der Innenminister haben die notwendigen Maßnahmen gesetzt, um auf nationaler und europäischer Ebene einem neuen Migrationsansturm entgegentreten zu können.
Und dieser Ansturm hat es in sich: Wie aus dem neuesten Migrations- und Asylbericht der Europäischen Kommission zu entnehmen ist, explodieren in diesem Jahr die illegalen Grenzübertritte und Asylanträge. Bereits in den ersten sieben Monaten des Jahres stieg die Zahl der Asylanträge auf rund 480.000 (COM (2022) 740, S. 10). Interessanterweise ist nur an einer EU-Außengrenze Entspannung eingetreten: Nämlich an der Ostgrenze zu Weißrussland. Eben hier haben allerdings mutige EU-Mitgliedstaaten, allen voran Polen, selbst das Heft in die Hand genommen und Grenzbarrieren von hunderten Kilometer Länge aufgebaut, um der illegalen Migration zu trotzen. An der Ostgrenze zu Weißrussland wurde der Beweis erbracht, dass physische Barrieren illegale Migrationsströme aufhalten können und Erpressungsversuche von Drittstaaten folgerichtig ins Leere laufen.
Die österreichische Bundesregierung hat bedauerlicherweise nichts aus der Migrationskrise von 2015 gelernt und schützt die österreichischen Grenzen in keiner Weise. Die Konsequenzen sind verheerend: Allein im Zeitraum Jänner-September 2022 wurden 71.885 (!) Asylanträge in Österreich gestellt. Aller Voraussicht nach wird in diesem Jahr sogar der Schreckenswert von 2015 mit 88.340 Asylanträgen übertroffen (BMI Vorläufige Asyl-Statistik September 2022: 2).
Es existiert kein nationaler Grenzschutz, ebenso wenig ein EU-Außengrenzschutz. Weder die bilateralen noch die EU-weiten Rückübernahmeabkommen werden ausgebaut. Die Bundesregierung unternimmt nichts gegen zigtausende illegale Migranten, welche nach Österreich kommen und sich hier illegal aufhalten. Die Rückführung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer funktioniert nicht. Längst hätte die Europäische Union über ihre Visapolitik, ihre Entwicklungshilfe und über wirtschaftspolitische Hebel Druck auf wenig kooperationsbereite Länder ausüben können, um Migranten ohne Bleiberecht in ihre Herkunftsstaaten abzuschieben. Aber in diesem für die Zukunft Europas entscheidenden Bereich sind die EU-Institutionen vollkommen untätig.
Maßnahmenpaket gegen illegale Migration
Um die illegale Massenmigration nach Europa und Österreich in den Griff zu bekommen, sind schnellstmöglich effektive Maßnahmen zu ergreifen. Viel zu lange wurde vonseiten der Bundesregierung untätig dem Grenzsturm tausender Migranten nur zugeschaut.
Im Umgang mit Flüchtlingen müssen sich die EU-Länder entgegen der derzeitigen Praxis wieder auf die Grundprinzipien der Genfer Flüchtlingskonvention besinnen: Schutz für diejenigen, die ihn brauchen, so nahe wie möglich zu ihrem Herkunftsland, im Regelfall im Nachbarland.
Das Ziel muss es sein, die illegale Einwanderung zu stoppen – statt über die Verteilung von illegalen Einwanderern in der EU zu reden. Es hätte niemals so weit kommen dürfen, dass es in Österreich – wie bedauerlicherweise durch die Fehler der ÖVP nun Realität – um die Verwaltung illegaler Migration geht. Stattdessen hätte diese in der Vergangenheit verhindert werden sollen und muss in Zukunft unterbunden werden!
Fakt ist, dass die Verhinderung illegaler Migration kein Ding der Unmöglichkeit ist – Polen hat dies unter Beweis gestellt. Aber man muss Mut haben und den politischen Willen, zum Wohle der eigenen Bürger den Massenansturm von Migranten zu unterbinden – beides fehlt der ÖVP und folgerichtig der Regierung.
In diesem Sinne wird im Folgenden ein Maßnahmenpaket vorgebracht, dessen Umsetzung auf europäischer Ebene der illegalen Massenmigration Einhalt gebieten soll.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG
„Die österreichische Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, sich im Rahmen der Institutionen der Europäischen Union für folgende Maßnahmen einzusetzen:
· Ablehnung des EU-Migrationspaktes
· Positionierung gegen jedwede Form von Verteilungsquoten von Migranten
· Verhinderung jeder Form von Strafzahlungen für die Weigerung, Migranten aufzunehmen
· Vorstoß Österreichs in Richtung eines Paradigmenwechsels in der Asyl- und Fremdenpolitik einbringen, wonach keine Asylanträge mehr auf europäischem Boden gestellt werden können, außer von Personen, die aus europäischen Ländern stammen
· Reform des Schengener Grenzkodexes, damit jeder Mitgliedstaat nach eigenem Ermessen unbefristet Kontrollen an seinen nationalstaatlichen Grenzen durchführen kann
· Legalisierung von „Push-Backs“ an der Außengrenze der Europäischen Union
· Abschluss weiterer Rückübernahmeabkommen
· Kein aktiver Transport von „Bootsflüchtlingen“ nach Europa und Schaffung einer Anlaufstelle für Gerettete aus Seenot in Afrika.“
Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.
[1] In einem offenen Brief forderten am 8.6.2022 114 Organisationen die Kommission auf, den Gesetzesentwurf zurückzuziehen, https://edri.org/wp-content/uploads/2022/06/European-Commission-must-uphold-privacy-security-and-free-expression-by-withdrawing-new-law-German-translation.pdf.
[2] Gemeinsame Stellungnahme des Europäischen Datenschutzausschusses (EDPB) und des Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDPS) vom 28.7.2022, abrufbar unter https://edps.europa.eu/system/files/2022-07/22-07-28_edpb-edps-joint-opinion-csam_en.pdf.