Transkript der Veranstaltung:

Budgetausschuss – öffentliches Expertenhearing zum Bundesfinanzgesetz 2023

Gabriel Obernosterer (ÖVP, Obmann): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und begrüße die Expertinnen und Experten. – Ich danke Ihnen, dass Sie der Einladung des Budgetausschusses gefolgt sind.

Zwischen den Klubs wurde folgende Vorgangsweise vereinbart:

Zunächst werden die Expertinnen und Experten in alphabetischer Reihenfolge ein maximal 8-minütiges Einleitungsstatement abgeben. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, das Einleitungsstatement 1 Minute lang zu ergänzen. Dann beginnt die erste Fragerunde.

Es werden zumindest zwei Fragerunden abgehalten. Die Redner und Rednerinnen werden in folgender Reihenfolge aufgerufen: SPÖ, Grüne, FPÖ, ÖVP und NEOS. Jeder Klub hat 4 Minuten Fragezeit pro Fragerunde. Allenfalls verbleibende Beratungsrestzeit wird in einer letzten Fragerunde gleichmäßig auf die Klubs aufgeteilt. Die Abgeordneten sollen ihre Frage gezielt an eine bestimmte Expertin beziehungsweise an einen Experten oder an den Bundesminister richten. Die Antwort erfolgt jeweils direkt nach der Frage, das heißt: Frage – Antwort.

Gibt es gegen diese Vorgangsweise einen Einwand? – Das ist nicht der Fall, daher gehen wir so vor.

Wir kommen zur gemeinsamen Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2. Als Berichterstatter für Tagesordnungspunkt 1 wurde mir Kollege Jakob Schwarz genannt und als Berichterstatter für Tagesordnungspunkt 2 Kollege Stark.

Ich bitte zuerst um die Berichte, bevor wir zu den Experten kommen. – Bitte schön, Herr Kollege Schwarz.

Jakob Schwarz (GRÜNE, Abgeordneter zum Nationalrat): Vielen Dank, Herr Vorsitzender.

Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren Expert:innen! Geschätzter Herr Dr. Berger! Ich erstatte Bericht über das Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2023 bis 2026 erlassen wird (Bundesfinanzrahmengesetz 2023 bis 2026 – BFRG 2023-2026) und bitte um Behandlung.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals, Herr Kollege.

Weiter: die Berichterstattung für Tagesordnungspunkt 2. – Herr Kollege Stark, bitte schön.

Christoph Stark (ÖVP, Abgeordneter zum Nationalrat): Herr Vorsitzender! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren Expertinnen und Experten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte Bericht über das Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2023 (Bundesfinanzgesetz 2023 – BFG 2023) samt Anlagen in 1669 der Beilagen und bitte, in die Debatte einzusteigen.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals für den Bericht.

Ich bitte nun um die Einleitungsstatements in alphabetischer Reihenfolge. Beginnen wir mit Herrn Univ.-Prof. Badelt. – Bitte schön.

Christoph Badelt (Experte): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte dieses Einleitungsstatement dazu verwenden, ein generelles Bild aus meiner Perspektive des Bundesvoranschlags 2023 und eben auch des Finanzrahmens, der sich daran anschließt, zu geben.

Erstens: Ich glaube, dass dieses Budget stärker als in anderen Jahren durch externe Zwänge oder durch das externe Umfeld geprägt ist. Sie finden in diesem Budget auf der einen Seite, sozusagen in Zahlenform gegossen, die gesamten Unterstützungsmaßnahmen, die im Zusammenhang mit der Teuerung beschlossen worden sind. Sie finden ferner noch die relevanten Beträge, die aus den Covid-Unterstützungen folgen. Sie finden in diesem Budget auch die Auswirkungen der schon vorher beschlossenen ökosozialen Steuerreform. Das alles schlägt sich in durchaus beträchtlichen Beträgen auf der Auszahlungsseite nieder. Sie finden aber auch eine Reihe von Schwerpunkten, die von der Regierung definiert und benannt worden sind. Wichtig erscheint mir hier insbesondere die Klima- und Transformationsoffensive, wobei ich hier die Gemeindeinitiative oder die 500 Millionen Euro im Gemeindepaket auch noch dazuzählen würde. Ich erinnere an das Verteidigungsbudget, ich erinnere an besondere Zahlungen für die Pensionen. Es ist auch für die Pflege ein – in Relation zu den anderen Beträgen – kleinerer Betrag vorgesehen, der diese erste Etappe der Pflegereform auch budgetär entsprechend alimentiert.

Das ist alles gelungen. Es ist gelungen, das in ein Bild zu bringen, wo das Defizit gegenüber dem Jahr 2022 sinkt und auch die Staatsschuldenquote sinkt. Nun muss man aber dazusagen – ich sage das vor allem auch im Hinblick auf die breitere Öffentlichkeit –, dass das Sinken dieser beiden Schlüsselzahlen in erster Linie eine Folge der Inflation und damit eine Folge der starken Steigerung des nominellen Sozialprodukts ist. Man sollte sich also nicht in der falschen Sicherheit wiegen, dass eigentlich vom Budgetpfad her eh alles in Ordnung ist.

Jetzt kann niemand etwas für diese Inflation – oder zumindest nicht diese Regierung oder dieses Parlament –, aber ich glaube, man sollte den trügerischen Charakter dieses Bildes durchaus sehen.

Man muss auch dazusagen, dass ein wesentlicher Aspekt der Budgeterstellung in diesem Jahr war, dass durch die Inflation die Einnahmen sehr stark steigen, was natürlich für die Budgeterstellung nützlich ist. Der einfache Grund dahinter ist der, dass Sie eben bei den Einnahmen vor allem die Steuern und die Sozialabgaben und damit indirekt auch andere Aspekte drinnen haben, die sehr rasch auf die Inflation reagieren, während die Ausgaben dann erst zeitverzögert auf die Inflation reagieren.

Man könnte also sagen: Ja, dieses Budget repräsentiert sozusagen die finanzielle Bedeckung der beschlossenen Hilfeleistungen und setzt ein paar Schwerpunkte. Man kann natürlich darüber streiten, ob das jetzt die richtigen Schwerpunkte sind oder nicht. Das ist eine politische Festlegung, die ich als Experte nicht kommentieren möchte.

Was ich aber kommentieren möchte, ist, dass in diesem Budget eine Reihe von Dingen angelegt sind, die die Erstellung künftiger Budgets erschweren werden. Ich sage das auch, weil ich ja unter anderem Präsident des Fiskalrats bin, der auf die nachhaltige finanzielle Entwicklung des Staatshaushaltes besonders zu achten hat. Ich möchte darauf hinweisen – und ich sage das bewusst auch als Fiskalratspräsident –, dass ich es in einer Situation von wirtschaftlichen Krisen, von wirtschaftlicher Not – das war zunächst einmal bei Covid so und ist jetzt auch aufgrund der Inflation so – als absolut gerechtfertigt ansehe, Maßnahmen zu ergreifen, die sich auch in einer Erhöhung der Staatsverschuldung äußern – und die Staatsverschuldung steigt, auch wenn die Staatsschuldenquote inflationsbedingt zurückgeht. Das ist einfach eine Notwendigkeit in einem Sozialstaat, und es ist auch politisch, gesellschaftlich und ökonomisch sinnvoll, solche Unterstützungsmaßnahmen zu finanzieren.

Man darf aber auf der anderen Seite auch nicht vergessen, dass es mittelfristig notwendig sein wird, das Budget wieder zu konsolidieren. Wann der Prozess der Konsolidierung beginnen soll und beginnen kann, hängt wohl über weite Strecken davon ab, wann sich die Krisenerscheinungen von selbst erledigt haben, und das liegt halt leider nicht in unserer Macht, weil ein großer Teil dieser Krisenerscheinungen eben auf die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine zurückzuführen sind.

Ich möchte aber auf ein paar Dinge besonders hinweisen, vielleicht gar nicht so sehr als Kritik an dem jetzigen Budget als noch viel mehr als eine Art Arbeitsprogramm, mit dem sich das Hohe Haus dann in den folgenden Jahren zu beschäftigen hat. Es gibt ein paar Aspekte, die jetzt die Budgeterstellung erschwert haben und die sie in den nächsten Jahren schwieriger machen werden. Dazu zählt zum Beispiel die Inflationsentwicklung, denn die Inflationsentwicklung hilft jetzt bei der Budgeterstellung, in den nächsten Jahren wird sie sie schwieriger machen. – Mir ist nur meine Stoppuhr abhandengekommen, insofern müssen Sie mich dann entsprechen bremsen.

Gabriel Obernosterer: Sie haben noch 1,5 Minuten.

Christoph Badelt: Dann muss ich geschwinder sein.

Also, Inflation: Die Zinsausgaben sind im Steigen begriffen. Sie sind nicht so katastrophal, wie sie in den Neunzigerjahren und auch bis 2009 waren, aber sie sind im Steigen begriffen. Es gibt eine sich öffnende Schere zwischen der Ausgabenseite durch die Dynamisierung der Sozialausgaben und der Einnahmenseite, wo die kalte Progression teilweise abgeschafft worden ist, und es gibt eine Reihe von demografischen Aspekten, die immer schon da waren oder lange Zeit schon da waren, die uns aber jetzt langsam, aber sicher auch einholen. Und es gibt zusätzliche Ausgabenwünsche, die an sich berechtigt sind, wie etwa im Bereich der Pflege, wie etwa im Bereich der Bildung, die noch bedeckt werden müssen in einer Zeit, in der dann die Budgetkonsolidierung ansteht.

Insofern, glaube ich, sollten wir uns rechtzeitig auch über die entsprechenden legistischen Grundlagen den Kopf zerbrechen, um einen solchen Budgetkonsolidierungspfad einzuleiten, sozusagen Gegenfinanzierungen aufzubauen zu den jetzigen Ausgaben. Ich erwähne das, was die meisten Wirtschaftsforscher immer wieder sagen: Die berühmten Strukturreformen, die zum Teil auch mit dem föderalen System in Österreich zu tun haben, müssten halt einmal angegangen werden.

Dabei lasse ich es jetzt einmal fürs Erste bewenden.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals.

Man möge es mir entschuldigen: Herr Bundesminister, ein recht herzliches Grüß Gott Ihnen und Ihren Expertinnen und Experten! – Das habe ich einleitend leider vergessen, das tut mir sehr leid.

Als nächster Experte kommt Herr Mag. Gundinger zu Wort. – Bitte schön.

Martin Gundinger (Experte): Vielen Dank.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde hier bewusst vorerst nicht auf die Untergliederungen im Budget eingehen, ich werde nur ein paar allgemeine Sätze zum Budget sagen. Näheres zu den Untergliederungen dann gerne in den Fragerunden.

Die Auszahlungen im Budgetentwurf 2023 steigen im Vergleich zum Status quo ante, also dem Vorpandemiejahr 2019, um 46 Prozent. Um die Größenordnung ein bisschen begreifbar zu machen: Das sind pro Erwerbstätigen 8 500 Euro mehr im Vergleich zu 2019. Noch einmal: Das ist eine Steigerung um 46 Prozent.

Zur Einordnung: Die Preise sind seit 2019 um etwa 15 Prozent gestiegen. Nachdem Sie jetzt für das kommende Jahr keine Preissteigerungen von 25 Prozent annehmen – zumindest hoffe ich das –, wirkt dieses Budget preistreibend. Es stellt sich halt die Frage, woher das Angebot kommen soll, mit dem die zusätzliche Nachfrage, die jetzt im Budget geschaffen wird, bedient wird, denn: aus Österreich – bei einer Wachstumsprognose von 0,2 Prozent mit erheblichen Abwärtsrisiken – eher nicht. Global schaut es ehrlich gesagt auch nicht viel besser aus.

Zusätzlich besteht jetzt schon, in der jetzigen Situation, ein erheblicher Angebotsmangel in vielen Bereichen. In einer solchen Situation noch zusätzliche Nachfrage zu schaffen, das treibt natürlich die Preise, weil ein zusätzlicher Nachfrageüberschuss entsteht. Diese extrem teure, preistreibende Politik wird dann früher oder später von den Steuerzahlern bezahlt werden müssen.

Wie bereits angemerkt: 8 500 Euro mehr im Vergleich zu 2019. Sie lassen also Steuerzahler leider teuer für eine Politik bezahlen, die ebendiese Steuerzahler auch schädigt.

Sehr geehrte Damen und Herren, mir ist völlig bewusst und mir ist auch verständlich, dass Sie helfen wollen. Allerdings muss Ihnen bewusst sein, dass Sie mit jedem Euro, mit dem Sie helfen, in der jetzigen Situation die Inflation noch einmal zusätzlich befeuern. Wenn Sie mit dem Budget einen Beitrag zur Inflationsbekämpfung leisten wollen, dann wird dieses Budget aus meiner Sicht anders aussehen müssen. Was Sie nämlich mit diesem Budget planen, kann man damit vergleichen, einem Suchtkranken, weil er Schmerzen hat, eine Drogendosis zu verabreichen. Natürlich werden die Schmerzen kurzfristig etwas gelindert werden, aber später werden die Dosen dann immer größer werden und werden mittelfristig oder langfristig zu schweren Problemen bei dem Suchtkranken führen. So ist es aus meiner Sicht auch mit den Hilfsmaßnahmen, die Sie verabschiedet haben: Sie lindern die Schmerzen zwar kurzfristig, aber sie werden dann dafür sorgen, dass die Hilfsleistungen im nächsten Budget höher ausfallen werden müssen.

Wenn Sie den Weg, den Sie jetzt eingeschlagen haben, weiter verfolgen, kann es gut sein, dass am Ende dieses Weges der Kollaps der österreichischen Wirtschaft steht, begraben unter einer Geldlawine. Aus meiner Sicht wäre das Budgetgebot der Stunde, die Auszahlungen so niedrig wie möglich zu halten, um die Nachfrage und die Preise nicht zusätzlich zu befeuern beziehungsweise anzuheizen.

Geholfen werden sollte daher nur jenen Menschen, deren Existenz akut bedroht ist. Ich glaube, da gibt es absoluten Konsens, dass man diesen Menschen helfen muss. Allerdings muss man natürlich auch schauen, dass man mit dem Steuergeld möglichst sorgsam umgeht. Bei Unternehmenshilfen bin ich deswegen eher kritisch, weil diese das Risiko mit sich bringen, dass man Strukturen am Leben erhält, die eigentlich im Markt nicht mehr lebensfähig sind, und das auf Kosten der Steuerzahler.

Stattdessen sollten aus meiner Sicht Hemmnisse abgebaut werden, welche die unternehmerische Aktivität erschweren. So kann nämlich gewährleistet werden, dass die durch Insolvenzen frei werdenden Ressourcen neu eingesetzt werden und dass neue Arbeitsplätze entstehen. Wenn geholfen werden soll, dann wäre es wichtig, so zielgerichtet wie möglich zu helfen, ohne dass man dabei übermäßig neue Bürokratie schafft. Eine zielgerichtete und unbürokratische Hilfe, das muss aus meiner Sicht nicht notwendigerweise im Widerspruch zueinander stehen, wie das auch einige andere Länder in der EU in der Pandemie vorgezeigt haben und auch noch immer zeigen.

Allgemein gilt aus meiner Sicht: Die Produktivität muss zur Bekämpfung der Preissteigerungen gehoben werden, beispielsweise durch eine umfassende und ersatzlose Streichung von wirtschaftsbezogenen Regulierungen. Ein Überdenken mancher politischer Tabus wird aus meiner Sicht ebenfalls notwendig sein. Erwähnt sei hier als Beispiel die geplante Transformation der Wirtschaft unter dem Motto Klimagerechtigkeit.

Einen ernsthaften Fokus auf die Produktivität findet man aber in diesem Budget aus meiner Sicht nicht. Daher, liebe Regierung, stimme ich dem Finanzminister zu: Nicht alles, was populär ist, ist auch vernünftig. – Dieses Budget würde ich aus den genannten Gründen als nicht wirklich vernünftig bezeichnen.

Abschließend: Ich habe ehrlich gesagt nur bedingt Verständnis dafür, dass Sie die jetzige schwierige Situation mit massiven Fehlentscheidungen wie auch den Coronalockdowns oder Ihren Maßnahmen zur Energiewende mitverursacht haben, vor deren Konsequenzen viele – und auch ich – eindrücklich gewarnt haben. Ich hoffe wirklich, dass Sie nach diesem Hearing Bereitschaft zeigen, das Budget zu überarbeiten. Angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre bitte ich Sie: Verlassen Sie sich bei Ihren Entscheidungen nicht auf grundlos optimistische Prognosen!

Dieses Budget ist aus meiner Sicht eine Kampfansage an den österreichischen Wohlstand, den österreichischen Mittelstand und zukünftige Generationen. Ich rate Ihnen dringend, es zu ändern. – Vielen Dank.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals.

Wir kommen jetzt zu Frau Dr. Monika Köppl-Turyna. – Ich bitte um Ihre Ausführungen.

Monika Köppl-Turyna (Expertin): Vielen herzlichen Dank.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Obmann! Sehr geehrte Damen und Herren! Christoph Badelt hat es bereits erwähnt: Das Budget 2023 ist ein Krisenbudget. Unter diesen Umständen ist es natürlich schwierig, eine schwarze Null zu erzielen. Dennoch bin ich der Meinung, dass die ergriffenen Maßnahmen notwendig waren, um das Abrutschen in die Armut zu verhindern und vor allem auch die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft am Leben zu erhalten.

Umso mehr ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass in dieser schwierigen Situation eine strukturelle Reform gelungen ist: die Abschaffung der kalten Progression, die auch in dieser Situation dazu beitragen wird, dass Teile der Gesellschaft nicht weiter in die Armut abrutschen beziehungsweise die Kaufkraft der Konsumenten erhalten wird.

Dennoch ist noch ausdrücklich zu fordern, dass die Abschaffung der kalten Progression in den kommenden Jahren wirklich in vollständigem Ausmaß über alle Einkommensteuerstufen erfolgen soll. Ein Fokus nur auf die niedrigen Steuerstufen würde mit der Zeit dazu führen, dass sich die Stufen angleichen und die Mitte der Gesellschaft weiter belastet wird.

Christoph Badelt hat auch bereits erwähnt: Das Budget führt uns ausdrücklich vor Augen, was aufgrund der Demografie, des demografischen Wandels auf uns zukommen wird. Die Ausgaben für UG 22, 23 steigen auf 33 Milliarden Euro innerhalb von wenigen Jahren. Das ist ein Anstieg von 10 Milliarden Euro innerhalb von drei Jahren – das ist mehr als das gesamte Bildungsbudget dieses Landes.

Die schlechte Nachricht dabei ist leider, dass das noch nicht das Ende ist, denn aufgrund der demografischen Veränderungen werden bis 2035 verglichen mit 2019 noch 2 Prozent mehr – am BIP gemessen – für Pensionen ausgegeben werden.

Später werden noch weitere demografiebedingte Ausgaben– für Pflege, für Gesundheit – dazukommen. Nach unseren Berechnungen mit unseren Modellen wird in den kommenden Jahren mehr als 25 Prozent der Wirtschaftsleistung nur für diese drei Bereiche ausgegeben – der Wirtschaftsleistung, nicht des Budgets. Ein Drittel der Wirtschaftsleistung wird notwendig sein, um Gesundheit, Pflege und Pensionen zu finanzieren. Das ist also wirklich ein dringender Appell, sich diese drei Bereiche in der Zukunft näher anzuschauen.

Der finanzielle Spielraum, wie auch Christoph schon erwähnt hat, wird auch durch Zinslast weiter beschränkt. Hier haben wir auch einen enormen Anstieg innerhalb weniger Jahre. Die Zinslast wird im Jahr 2026 auf 8 Milliarden Euro beziehungsweise 1,5 Prozent des BIPs ansteigen, und da muss ich nur sagen: Danke an die Bundesregierung, die nicht dem Rat einiger Ökonomen gefolgt ist, sich in der Vergangenheit noch mehr zu verschulden, weil die Zinsen ja so niedrig waren, denn sonst hätten wir jetzt ein noch größeres Problem. Das zeigt uns auch ausdrücklich, dass diese Zinsänderungen wirklich kommen können, und auch wenn die Zinslast sehr lange Zeit eine niedrige war, bedeutet das nicht, dass es so bleibt. Der Anstieg von 1 auf 1,5 Prozent des BIPs an Zinslast innerhalb von wenigen Jahren ist markant. Die Renditen der österreichischen Anleihen steigen laut Prognose meiner Kolleg:innen vom Wifo in wenigen Jahren auf über 4 Prozent. Das haben wir seit 20 Jahren nicht gesehen. Wenn das länger so anhält, dann haben wir da künftig natürlich ein noch größeres Problem.

Diese Herausforderungen treffen meiner Meinung nach vor allem eine Gruppe der Gesellschaft: den Mittelstand. Die Mitte der Gesellschaft ist eine besonders wichtige Gruppe für die volkswirtschaftliche Entwicklung aus mindestens zwei Gründen: Einerseits wird dort oft – viel mehr als in anderen Gruppen der Gesellschaft – in Humankapital investiert. Das ist etwas, das uns langfristig Wohlstand bringt. Es werden auch überdurchschnittlich viel selbstständige Tätigkeiten durchgeführt, die auch mit innovativen, neuen Geschäftsmodellen einhergehen. Deswegen ist es sehr wichtig, dass künftig diese Mitte nicht noch weiter unter Druck kommt.

Die Mitte ist eben durch die Inflation jetzt verstärkt unter Druck geraten. Ich erwähne noch einmal, dass die Abschaffung der kalten Progression in diesem Umfeld einen wichtigen Beitrag dazu leistet, dass sie nicht weiter erodiert, aber diese Entwicklungen haben natürlich nicht erst seit gestern stattgefunden. Das ist nicht nur die Inflation. Wir haben in den letzten Jahren zwei Entwicklungen, die dazu geführt haben, dass es für die Mitte der Gesellschaft zunehmend schwierig ist, Eigentum aufzubauen: Einerseits ist dies die hohe Belastung der Arbeit. Wir haben in einer Studie letztes Jahr berechnet, dass die Belastung der Arbeitszeit seit 1975 massiv gestiegen ist. Im Jahr 1975 hat der Bezieher der Höchstbeitragsgrundlage 44 Prozent des Bruttoeinkommens als Steuern und Abgaben abgeben müssen, und dieser Wert trifft im Jahr 2022 auf einen Mindestlohnbezieher zu. Also innerhalb von 50 Jahren sind die Mindestlohnbezieher so hoch belastet wie ein Höchstbeitragsgrundlagebezieher.

Gleichzeitig sind die Immobilienpreise massiv gestiegen. Wir haben in den letzten zehn Jahren eine allgemeine Inflation von etwa 20 Prozent gehabt. In diesem Zeitraum haben sich die Immobilienpreise mehr als verdoppelt. Also durch Arbeit wirklich Eigentum aufzubauen ist in diesem Land beinahe unmöglich.

Ich habe auch das Gefühl, dass der Mittelstand zunehmend unzufriedener ist mit der Qualität der Leistungen, die mitfinanziert werden. Wir haben sehr hohe Ausgaben etwa für Bildung – es gibt nur zwei OECD-Länder, wo pro Schüler mehr für die Schulen, für Bildung ausgegeben wird –, aber in allen standardisierten Tests schneiden wir mäßig oder unterdurchschnittlich ab. Da zeigt sich, das Geld ist wirklich nicht das Problem, sondern es sind vielmehr die Strukturen, die dahinterstecken, und die mangelnde Qualität.

Ein Bereich der Bildung wird in diesem Land tatsächlich unterfinanziert, das sind die Kindergärten. Da geben wir vergleichsweise wenig aus, und in diesem Budget sehen wir leider auch, dass bei Weitem nicht dieser Anstieg der Ausgaben vorgesehen ist, der notwendig wäre, um wirklich die Humankapital- und Arbeitsmarktsituation der Frauen zu verändern. Die zusätzlich budgetierten 105 Millionen Euro entsprechen einer Erhöhung der Betreuungsquote der unter Dreijährigen um etwa 2,4 Prozentpunkte oder um eine halbe Stunde längeren Öffnungszeiten im Landesschnitt. Das ist natürlich viel weniger, als notwendig wäre, um hier einen großen Wurf zu erzielen.

Aus meiner Sicht müssen eben weitgehendere Reformen durchgeführt werden. Ich habe zwei konkrete Beispiele – um jetzt an das anzuschließen, was Christoph Badelt angefangen hat, zu sagen –:

Erstens natürlich: Pensionsreform. Hier muss ausdrücklich gesagt werden, die budgetären Probleme werden nicht dadurch gelöst, dass man ein faktisches Antrittsalter erhöht, denn das verschiebt nur die Probleme in die Zukunft. Wir haben ein Zuschlagssystem und ein Abschlagssystem; mit jedem zusätzlichen Arbeitsjahr erwirtschaften Menschen höhere Pensionen später, die auch irgendwann bezahlt werden müssen, vielleicht nicht in dieser Parlamentskadenz, aber doch in ein paar Jahren wieder. Die einzige dauerhafte Lösung ist die Erhöhung des gesetzlichen Eintrittsalters, um diesen Druck von den Pensionen wegzunehmen.

Und die zweite strukturelle Reform: Föderalismus. Hier möchte ich zwei Bereiche nennen:

Erstens: der Finanzausgleich im engeren Sinn, also die Mittelverteilung auf die Länder und Gemeinden. Hier gibt es viele gute Vorschläge, wie man das besser machen kann, etwa im Bildungssystem, dass mehr Mittel in die Ballungsräume fließen sollen, wo viele Kinder mit Migrationshintergrund sind, wo wirklich die großen Bildungsprobleme sind, vielleicht weniger in kleine Schulen. Es muss auch viel mehr überregionale Planung erfolgen, wo diese Mittel fließen sollen, um das möglichst effizient zu gestalten.

Und der zweite Aspekt ist natürlich die Reform der Steuer- und Abgabensysteme auf der föderalen Ebene. Hier gibt es auch viele gute Vorschläge, etwa für die Länder mehr Einnahmenautonomie, um mehr Transparenz und sozusagen die Übernahme von mehr Verantwortung für die Einnahmen zu erreichen – etwa ein Zuschlag auf eine Einkommensteuer oder eine Reform der motorbezogenen Versicherungssteuer würden sich anbieten –, und auch auf Gemeindeebene würde eine Reform der Grundsteuer, und zwar insbesondere der Bemessungsgrundlage der Grundsteuer, die Einnahmenautonomie der Gemeinden verbessern.

Und schließlich noch – letzter Punkt –: Digitalisierung. Wir haben jetzt in der Krise gesehen, dass es nicht immer möglich ist, effizient mit dem Steuergeld umzugehen, weil es einfach an gewissen Datenbeständen mangelt und irgendwelche Lösungen gefunden werden müssen, sodass die Hilfen überhaupt gewährleistet werden können. Wir haben – und es würde beim effizienten Umgang mit Steuergeld schon sehr helfen, wenn hier auch weiterhin in diese Richtung gearbeitet wird – mit dem Bundesstatistikgesetz einen wichtigen ersten Schritt gemacht, um auch die Evaluierung der wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu verbessern und diesen effizienten Umgang zu garantieren. Natürlich muss hier weit mehr passieren, um auch künftig mehr Effizienz bei den Staatshilfen zu gewährleisten.

Vielen herzlichen Dank. Gerne auch konkrete Fragen später in der Fragerunde.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals.

Als Nächster kommt Herr Dr. Marterbauer zu Wort. – Bitte.

Markus Marterbauer (Experte): Herr Bundesminister! Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Abgeordnete! Das Bundesfinanzgesetz und das Bundesfinanzrahmengesetz basieren auf der Prognose des Wifo vom Oktober, die eine Stagnation beim realen BIP, wieder steigende Arbeitslosigkeit und eine relativ hohe Inflation vorsieht. Die Prognose muss als recht optimistisch angesehen werden, da eine Rezession droht.

Unter diesen Rahmenbedingungen ergibt sich ein Finanzierungsdefizit des Gesamtstaates von 2,9 Prozent des BIPs. Die Budgetpolitik ist damit expansiv ausgerichtet, was den Umständen auch angemessen ist; allerdings könnte aufgrund der fehlenden Gegenfinanzierung und auch unter den Rahmenbedingungen der inadäquaten europäischen Fiskalregeln bereits 2024 eine Budgetkonsolidierung erforderlich sein.

Die Bundesregierung setzt mit dem BFG und dem BFRG aus meiner Sicht drei erkennbare Schwerpunkte:

Seit mehreren Jahren steigen die Ausgaben gegen die Klimakrise unter anderem in der UG 41 deutlich – das ist ebenso erfreulich wie dringlich. Im BFG steigen die besonders klimarelevanten Auszahlungen 2023 um 65 Prozent gegenüber 2021 auf 7,3 Milliarden Euro. Besonders hervorheben möchte ich – wie auch Prof. Badelt schon – den kommunalen Klimainvestitionsfonds im Umfang von 500 Millionen Euro, der das riesige Potenzial an Klimaschutzaktivitäten von Städten und Gemeinden heben soll; dieser sollte auch dringend dauerhaft dotiert werden.

Trotz der hohen Auszahlungen in diesem Bereich sehe ich zwei gravierende Unzulänglichkeiten: Erstens reichen die Maßnahmen nicht, um Österreichs Klimaverpflichtungen einzuhalten – die Treibhausgasemissionen sinken 2022 und 2023 um 2 Prozent, notwendig wären 6 Prozent pro Jahr.

Zweitens steigen die Subventionen ganz stark, allerdings ohne klar erkennbare Ziele und mit der Gefahr erheblicher Ineffizienzen. In Zukunft sollten budgetschonende Regulierungen und Vorgaben eine größere Rolle spielen als die sehr teuren Subventionen.

Die Bundesregierung ist zweitens um eine Verbesserung im Sozialsystem bemüht. Die Pflegereform in der UG 21 bringt wirklich dringend notwendige Entgelterhöhungen für die Pflegekräfte, und es sind auch Verbesserungen in der Pflegequalität erkennbar. Die Entgelterhöhung erfolgt im Wege eines Transfers an die Bundesländer in der Höhe von 570 Millionen Euro. Allerdings ist deutlich mehr notwendig, um eine gute soziale Pflege für alle Bevölkerungsschichten erreichen zu können, und das ist auch kurzfristig notwendig – besonders im Ausbau der mobilen Dienste, in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte und in der schrittweisen Integration der unter den Bedingungen von Scheinselbstständigkeit und Lohndumping agierenden 24-Stunden-Betreuer:innen, die in das Pflegesystem eben integriert werden sollten. Bessere soziale Pflege ist sehr teuer und hebt den Wohlstand gewaltig.

Die Bundesregierung hat sich die Halbierung der Armut zum Ziel gesetzt, die Teuerungskrise droht nun allerdings die soziale Ungleichheit massiv zu erhöhen. Einmalzahlungen helfen 2022 deutlich und sind auch sehr positiv, die Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes und einige kleinere, aber recht wichtige Maßnahmen in den UG 21, 24 und 25 sind positiv hervorzuheben – sie reichen allerdings nicht. In einer Gesellschaft, in der es Milliardär:innen gibt, darf es keine manifeste Armut geben.

Das heißt: Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe, Unterhaltsvorschuss müssen zügig in Richtung Armutsgefährdungsgrenze erhöht werden, die integrativen sozialen Sachleistungen wesentlich ausgebaut werden, kollektivvertragliche Lohnuntergrenzen kräftig angehoben werden und prekäre Arbeit rasch zurückgedrängt werden. Mit 2 bis 3 Milliarden Euro könnte man manifeste Armut in Österreich vollständig zum Verschwinden bringen. Das ist viel Geld, aber recht wenig in Relation zu den Staatsausgaben in der Höhe von 200 Milliarden.

Die Bundesregierung baut mittelfristig – und das ist der dritte Schwerpunkt – die militärische Sicherheit kräftig aus: 2023 steigen die Ausgaben um 680 Millionen Euro. Ein der österreichischen Neutralität entsprechender und gesellschaftlich sinnvoller Sicherheitsbegriff würde wohl nahelegen, die derzeit so peinlich niedrigen operativen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit, den Auslandskatastrophenfonds etwa für die humanitäre Hilfe für die Ukraine, die Mittel für internationale Institutionen wie zum Beispiel das UNO-Welternährungsprogramm zumindest im gleichen Ausmaß wie die Militärausgaben aufzustocken.

Drei weitere Schlüsselbereiche sehe ich im BFG und BFRG teils sträflich vernachlässigt:

Erstens: In der UG 30 Bildung ist kaum nennenswerter Fortschritt erkennbar. Die für 2023 budgetierten 250 Millionen Euro für die 15a-Vereinbarung sind etwa ein Viertel der für den Ausbau der Elementarpädagogik dringend benötigten Mittel. Österreich investiert gerade in dieser entscheidenden Phase viel zu wenig in die Kinder, nämlich in die Fähigkeiten der Kinder. Die zusätzlichen 50 beziehungsweise 100 Millionen Euro für den Ausbau der Pflegeschulen sehe ich als sehr positiv; hingegen fehlen schmerzlich die flächendeckende Schulfinanzierung nach dem Chancenindex und der besonders dringende Ausbau von Ganztagsschulen und Tagesbetreuung für die Sechs- bis 13-Jährigen. Nur Wien und Burgenland erfüllen im Moment das ohnehin sehr niedrig angesetzte 40-Prozent-Ziel bei der Betreuungsquote. Wir bräuchten wenigstens 200 Millionen Euro pro Jahr kurzfristig zusätzlich, um hier Fortschritt erzielen zu können.

Mittel für die Erwachsenenbildung fehlen ebenso wie die mittelfristige Aufstockung der Fachhochschulen um zumindest 3 600 zusätzliche Anfänger:innenplätze und eine ausreichende Finanzierung der Universitäten.

Während viele Unternehmen über Arbeitskräfteknappheit klagen und viele Beschäftigte unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden, nimmt die Bundesregierung die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik in der UG 20 nach dem Auslaufen der Covid-Maßnahmen zurück. Arbeitskräfteknappheit wäre die sehr erfreuliche Gelegenheit, jene Menschen, die es bislang am Arbeitsmarkt nicht so leicht haben – nämlich die Arbeitslosen, die in ordentliche Jobs mit ordentlichen Löhnen vermittelt werden sollten, Frauen und Ältere, denen höhere Erwerbstätigkeit ermöglicht werden sollte, Beschäftigte in den vielen miserabel bezahlten Jobs –, zu jenen guten Unternehmen zu lotsen, die gute Arbeitsbedingungen bieten. Das wären die zentralen Aufgaben der Arbeitsmarktpolitik.

Das ungenutzte Arbeitskräftepotenzial im Inland umfasst aus meiner Sicht mehrere Hunderttausend Menschen. Es zu heben, erfordert eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die auf höhere soziale Mindeststandards abzielt. Dafür müsste endlich die seit mehr als einem Jahr versprochene, aber immer noch nicht umgesetzte Arbeitsmarktreform die notwendigen Mittel samt strengeren Vorgaben bringen.

Die Bundesregierung nutzt brachliegende Finanzierungsmöglichkeiten für den rascheren Ausbau der sozialen Pflege und ein besseres Bildungssystem, für die Abschaffung der manifesten Armut und eine aktivere Arbeitsmarktpolitik, für die Wahrnehmung der internationalen Verpflichtungen und zusätzliche Klimamaßnahmen sowie für geringere Abgaben auf Leistungseinkommen aus Arbeit bewusst nicht. Der Verzicht auf die nicht notwendige Senkung des Körperschaftsteuersatzes würde 800 Millionen Euro bringen, eine gerechte Übergewinnsteuer auf Energieunternehmen 2 Milliarden, das Schließen der Steuerlücke mehrere Milliarden, die Einführung einer progressiven Erbschafts- und Vermögensteuer ein hohes Milliardenaufkommen.

Alle diese Maßnahmen – von den strukturellen Verbesserungen im Sozialstaat und im Klimaschutz bis zu den höheren Finanzierungsanteilen von Großunternehmen und Vermögenden – würden den sozialen Ausgleich mit wirtschaftlichem Erfolg verbinden und so den Wohlstand in Österreich deutlich erhöhen; sie würden die viel zu hohe soziale Ungleichheit verringern und so auch einen unverzichtbaren Dienst an der Rettung der heute so stark gefährdeten Demokratie leisten. – Vielen Dank.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Dr. Schratzenstaller-Altzinger. – Bitte schön.

Margit Schratzenstaller-Altzinger (Expertin): Vielen Dank. Ich habe jetzt wie immer die undankbare Aufgabe, diesen Reigen an mehr oder weniger detailreichen Ausführungen abzuschließen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich werde jetzt die Gelegenheit nutzen, um noch einmal den großen Bogen zu spannen. Als ich in Vorbereitung auf das Budgethearing meine Notizen durchgeschaut habe, bin ich auf diese Diskussion gestoßen, die wir im Frühjahr 2020 geführt haben, dass das der schwierigste Budgeterstellungsprozess seit Beginn der Zweiten Republik ist – ich glaube, diesmal ist es noch schwieriger; ich glaube, das kann man gut so sagen. Das Budget 2023 ist das vierte Krisenbudget in Folge, es ist immer noch geprägt – rein finanziell – von der Coronakrise, es ist geprägt von der Inflation, es ist geprägt vom Energiepreisanstieg und den damit verbundenen sozialen und ökonomischen Herausforderungen. Aber die langfristigen Herausforderungen, die Defizite in wichtigen Zukunftsbereichen, die wir haben, die bestehen nach wie vor und gewinnen eigentlich – auch befeuert durch die aktuellen kurzfristigen Krisen – noch mehr an Dringlichkeit.

Völlig offensichtlich: Klimaschutz; Energieunabhängigkeit sind Herausforderungen, die an Bedeutung eigentlich noch gewonnen haben. Der demografische Wandel macht sich bemerkbar, wir haben eine Dynamik bei den Ausgaben in den altersabhängigen Bereichen. Wir haben Defizite im Arbeitskräfteangebot, rein quantitativ macht sich das allmählich bemerkbar, und wir brauchen eine bessere Integration von Zugewanderten. Digitalisierung ist nach wie vor eine große Herausforderung, sowohl was Investitionen in Qualifikation als auch Investitionen in die Infrastruktur anbelangt. Wir brauchen eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung, Bildung, Ausbildung, Qualifizierung – Punkte, die schon angesprochen worden sind.

In dem Zusammenhang: Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist, glaube ich, eine Herausforderung, die wir noch nicht ausreichend bewältigt haben. Sie macht sich im Moment am Arbeitsmarkt schmerzlich bemerkbar. Ich glaube, es werden jetzt diese Defizite bei der Integration der Frauen im Erwerbsleben ganz offensichtlich sichtbar.

Auch die internationalen Entwicklungen dürfen wir nicht außer Acht lassen, Stichwort: internationale Klimafinanzierung. Wir haben eine sehr starke und im Vergleich zu unserer Position hier im reichen Westen sozusagen eine sehr viel stärkere Betroffenheit der ärmeren Teile der Welt durch Corona, durch den Klimawandel – auch das ist etwas, was auch das österreichische Budget betreffen sollte. Und wir haben – Prof. Badelt hat es angesprochen – die fiskalische Nachhaltigkeit als Herausforderung beziehungsweise als Voraussetzung dafür, dass wir diese langfristigen Herausforderungen bewältigen können.

Wie antwortet die aktuelle Budgetplanung auf diese Herausforderungen? – Wir haben auf der Ausgabenseite sehr stark, und eigentlich noch stärker als in den letzten Jahren, wieder diesen Spagat zwischen der Notwendigkeit von kurzfristigen Unterstützungsmaßnahmen – Corona, Inflation, Energiepreisanstieg – einerseits und investiven Maßnahmen in wichtige Zukunftsbereiche andererseits. Das ist ein schwieriger Spagat, es gibt aber einige doch, glaube ich, positiv zu bewertende Akzente in wichtigen Zukunftsbereichen: Der Klimaschwerpunkt ist am deutlichsten, auch wenn es nach wie vor Defizite gibt. Wir haben eine Aufstockung für den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung. Es ist das Frauenbudget ausgeweitet worden. Es gibt mehr Mittel für die Pflege. Es gibt auch mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit.

Aber – ich kann mich da nur an die Vorrednerin und an die Vorredner anschließen –: In allen Bereichen brauchen wir neben strukturellen Verbesserungen auch einfach mehr Mittel.

Und: Wir haben im Bundesvoranschlag 2023 eigentlich sehr wenig Akzente bei der Bildung und auch bei der Digitalisierung.

Wir haben 2023 – das schlägt sich auch im Bundesvoranschlag natürlich nieder – weitere Schritte zur Verbesserung der Abgabenstruktur: Es werden die Tarifsteuersätze in der Einkommensteuer weiter gesenkt, es wird die kalte Progression kompensiert, es gibt auch weitere Schritte zur Senkung der Lohnnebenkosten, und es ist – und das schlägt sich 2023 erstmals richtig nieder – der Einstieg in die CO2-Bepreisung gelungen, wenn auch mit einem moderaten Pfad. Grundsätzlich ist das wegen der Kompensations- und Anpassungsmaßnahmen für die Haushalte aufkommensneutral. Ich will an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass ich es sehr positiv finde, dass die Einführung nicht weiter verschoben worden ist.

Es besteht allerdings auch im Abgabensystem weiterer struktureller Reformbedarf. Es bedarf weiterer Schritte zur Senkung der hohen Abgaben auf die Arbeit. Das Ganze sollte angesichts der doch relativ hohen Abgabenquoten möglichst aufkommensneutral erfolgen, indem man weitere Schritte zur Ausweitung der Besteuerung von Emissionen, aber auch von Umweltverbrauch im weiteren Sinne setzt. Höhere Steuern auf Immobilienvermögen, auf Grundvermögen, auf hohe Erbschaften sind ein weiterer Pfeiler einer solchen aufkommensneutralen Umstrukturierung des Abgabensystems, auch der Abbau von Steuerausnahmen in der Einkommen- und in der Umsatzsteuer. Ich glaube, ganz aktuell ist auch wichtig, die Beschlüsse auf EU-Ebene zur Besteuerung von Zufallsgewinnen umzusetzen – und natürlich das ewig alte Thema: die Einschränkung von ökologisch kontraproduktiven steuerlichen Ausnahmeregelungen.

Ein ganz kurzer Blick – weil Christoph Badelt das schon sehr ausführlich behandelt hat – auf die fiskalische Nachhaltigkeit: Wir sehen eine kontinuierliche Rückführung der Verschuldung bis 2026, allerdings sieht diese Entwicklung nachhaltiger aus, als sie ist. Wir haben schon gehört: Die Quoten gehen vor allem wegen der hohen Inflation und wegen der entsprechend aufgeblähten Wirtschaftsleistung stark zurück, der Schuldenstand steigt absolut. Gleichzeitig werden die Budgetspielräume in den nächsten Jahren enger. Das liegt zum einen an den strukturellen Maßnahmen, die zur Abfederung der Inflation gesetzt worden sind – die Valorisierung einer Reihe von Sozialleistungen, die Kompensation der kalten Progression –; gleichzeitig haben wir einen Ausgabenanstieg eben durch die Valorisierung der Sozialleistungen, aber auch in einer Reihe von weiteren Ausgabenbereichen – das Bundesbudget profitiert ja nicht nur von steigenden Einnahmen durch die Inflation, sondern ist natürlich durch steigende Ausgaben auch betroffen.

Wir haben einen Anstieg der demografieabhängigen Ausgaben – das betrifft die Pensionen, das betrifft natürlich auch die Pflege –, wir haben einen mittelfristigen, zwar noch nicht sehr starken, aber doch spürbaren Anstieg der Zinsausgaben eben wegen einer deutlich höheren Zinsbelastung für die Staatsschuld.

Aber: Der weitere Mittelbedarf im Bereich der Zukunftsinvestitionen erfordert größere Spielräume im Budget. Also was machen wir? Was ist zu tun? Für diese Budgetspielräume ist viel mehr zu tun, als sich im Moment abzeichnet. Einige Stichworte sind schon angesprochen worden: die berühmte Föderalismusreform. Der Finanzausgleich läuft Ende 2023 aus. Jetzt wäre es eigentlich hoch an der Zeit, hier entsprechende Schritte vorzubereiten. Das Fördersystem ist, glaube ich, ein wichtiger Kandidat, die Schulverwaltung, das Gesundheitswesen und auch Maßnahmen zur Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters. All diese Maßnahmen, all diese Bereiche sind in den letzten Jahren aufgrund der sehr akuten Krisen in den Hintergrund geraten und sollten jetzt wieder stärker in den Vordergrund geholt werden.

Ganz kurz abschließend: Was kommt also zusammengefasst zu kurz? Wo ist weiterer Handlungsbedarf? – Weitere Schritte, das habe ich angesprochen, zur Nachhaltigkeitsorientierung im Abgabensystem sind erforderlich. Ich glaube auch, dass wir die Generationengerechtigkeit wieder stärker in den Vordergrund rücken müssen. Wir haben auf der einen Seite einen Anstieg der demografiebedingten Ausgaben – das ist auch völlig legitim und natürlich auch selbstverständlich in einer alternden Gesellschaft –, wir haben aber auf der anderen Seite Defizite in wichtigen Zukunftsbereichen, die gerade für die jüngeren Generationen von wirklich größter Bedeutung sind: Das sind die Schulen, das ist die Betreuung, das ist die Unterstützung in krisenhaften Lebenssituationen – besonders wichtig im Moment –, und das ist natürlich der gesamte Bereich Klimaschutz. Um das wieder besser in die Balance zu bringen, sind auch da wieder der Schlüssel die großen Effizienzreformen.

Vielen Dank, und Details werden wir sicher in den nächsten Stunden besprechen können.

Gabriel Obernosterer: Ich bedanke mich recht herzlich bei den Expertinnen und Experten.

Es besteht jetzt für Sie noch die Möglichkeit für eine Ergänzung. Möchte diese jemand noch nützen? Ansonsten würden wir in die Fragerunde einsteigen. – Dann bedanke ich mich einmal für die Ausführungen.

Wir beginnen jetzt mit der ersten Fragerunde, und ich erteile der SPÖ das Wort. Herr Kollege Krainer hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte schön.

Kai Jan Krainer (SPÖ, Abgeordneter zum Nationalrat): Meine erste Frage geht an Frau Köppl-Turyna: Sie haben immer von der Mitte der Gesellschaft gesprochen. Wie definieren Sie die Mitte der Gesellschaft?

Monika Köppl-Turyna: Hier gibt es verschiedene Definitionen. Die übliche ist die, die von der OECD verwendet wird: jemand, der über zwischen 80 und 150 Prozent des Medianeinkommens verfügt. Es gibt aber Varianten – das Wifo, glaube ich, hat das ein bisschen anders, 60 bis 200 oder so. Also es gibt Varianten rund um diese 80 bis 150 Prozent. Das entspricht eben Personen, die sich leicht unter- und leicht oberhalb des Medianeinkommens befinden.

Kai Jan Krainer: Ich wollte nur wissen, wie Sie es definieren, dass es allgemeine Definitionen gibt, ist mir schon klar, aber wie Sie es definieren, ist: diese 80 bis 150 Prozent des Medianeinkommens?

Monika Köppl-Turyna: Ich definiere es so, wie es eben in der wissenschaftlichen Literatur üblich ist. Das entspricht den Menschen, die grundsätzlich keine großen finanziellen Sorgen haben. Die befinden sich natürlich oberhalb der Armutsgrenze, und es sind normalerweise auch nicht jene zwischen 60, 70, 80 Prozent des Einkommens. Es sind also nicht jene Personen, die vielleicht noch irgendwelche finanziellen Schwierigkeiten haben, und es sind nicht die reichen Personen. Und bei dieser Gruppe wissen wir statistisch, dass das viele Menschen sind, die vorwiegend ein Arbeitseinkommen beziehen, Vollzeit arbeiten, in Bildung investieren, weil sie oft eher eine durchschnittliche Bildung haben, also auch in die Bildung der Kinder investieren. Sie machen sich auch oft selbstständig. Also das ist, wie gesagt, das, was aus der Statistik hervorgeht, aber es deckt sich auch mit der wissenschaftlichen Definition, die ich hier verwende.

Kai Jan Krainer: Das heißt, das sind alles Personen, die nicht in der dritten Einkommensteuerklasse sind? Dieser Prozentsatz vom Medianeinkommen, das ist die zweite Steuerklasse, nicht die dritte.

Monika Köppl-Turyna: Ja, so gesehen haben Sie natürlich recht. Wir können diese Definition auf 200 ausweiten, dann haben wir die dritte Stufe auch. Ja, selbstverständlich. Der Punkt ist auch, dass bei der - - Ich gehe davon aus, dass Sie sich auf die Abschaffung der kalten Progression beziehen. Nein? – Okay. Dann verstehe ich die Frage vielleicht nicht ganz, worauf Sie hinauswollen.

Kai Jan Krainer: Die Frage ist ja relativ einfach: Ich wollte nur wissen, wie Sie die Mitte definieren. Und wenn Sie sagen, 80 bis 150 Prozent, dann verstehe ich, was Sie unter Mitte verstehen. Das hat aber dann sehr, sehr wenig zu tun mit dem, was Sie über die Folgen für die Mitte sagen, denn gesprochen haben Sie vielleicht über das obere Drittel, aber nicht über die Mitte der Gesellschaft, über deren Probleme.

Aber wie dem auch sei, meine nächste Frage geht an Herrn Marterbauer: Habe ich das richtig verstanden, dass wir von unseren Klimaverpflichtungen, die wir eingehen, quasi vom Pfad, von dem, was wir eigentlich erreichen müssten, nur ein Drittel schaffen? Sie haben, glaube ich, gesagt, wir müssten um 6 Prozent sinken, wir sinken aber nur um 2 Prozent.

Markus Marterbauer: Wir sinken jetzt, 2022 und 2023, erstmals um 2 Prozent. Also das ist schon ein Fortschritt, dass die Treibhausgasemissionen zurückgehen – aber deutlich weniger, als wir es brauchen würden, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Da bräuchten wir, und zwar jedes Jahr, minus 6 Prozent. Das heißt, wir brauchen deutlich stärkere Anstrengungen, deutlich stärkere Regulierungen, deutlich mehr Investitionen in Energieeffizienz, in erneuerbare Energiequellen.

Wir sind nicht am Pfad, Österreich wird die Ziele nicht erreichen. Das wird große Milliardenbelastungen für das Budget bedeuten, aber noch viel mehr Belastungen für die Gesellschaft und für die Umwelt. Wir sind im Umweltbereich nicht am Pfad.

Kai Jan Krainer: Sie haben vorhin gesagt, dass wir wesentlich mehr Geld ausgeben, aber Sie haben gesagt, vernünftiger wäre eine budgetschonende Regulierung; so haben Sie das genannt. Was meinen Sie da?

Markus Marterbauer: Ich glaube, man müsste sich in so vielen Bereichen in der Budgetpolitik überlegen, ob die besten Instrumente wirklich steuerliche Maßnahmen oder Subventionen oder Transfers sind, ob nicht Vorgaben sozusagen etwas Wichtigeres wären – und wir haben ja viele Vorgaben. Wir könnten zum Beispiel Vorgaben machen, wie viele Langzeitbeschäftigungslose in Großbetrieben anzustellen sind. Das wäre eine Vorgabe, die eine Subvention ersetzen würde. Wir könnten sagen – und das wird jetzt im Erneuerbare-Wärme-Gesetz auch konkret umgesetzt –, dass Gasheizungen ab nächstem Jahr nicht mehr zulässig sind. Das sind Regulierungen, die dem Budget nichts kosten, aber sozusagen in die richtige Richtung gehen – und in diese Richtung müssen wir viel mehr nachdenken.

Wir haben so eine Tendenz, immer zu sagen: Wenn die Unternehmen irgendetwas tun sollen, brauchen sie eine Subvention. Das ist in manchen Bereichen der Wirtschaft ganz stark ausgeprägt – in der Landwirtschaft gibt es fast nur Subventionen, wenn man irgendetwas will (Zwischenruf) –, und wir müssten viel mehr solche Regulierungen machen. Das gilt aus meiner Sicht eigentlich in allen Bereichen, aber im Klimabereich ist es besonders dringend. (Zwischenruf.)

Kai Jan Krainer: Es gab früher an und für sich einen Grundsatz in der Budgetpolitik, nämlich immer eine Gegenfinanzierung darzustellen. Das ist jetzt bei Covid abgeschafft worden, und bis heute ist diese ja nicht in irgendeiner Form sichtbar. Auch im Budget 2023 - - (Zwischenrufe.) – Aha, da gibt es ein paar Menschen, die haben es noch nicht verstanden. (Zwischenrufe.) 2023 ist wieder ein extrem hohes Defizit mit 2,9 Prozent veranschlagt – Sie haben selber gesagt, das ist optimistisch geschätzt und Sie sehen mehr Risiken, dass es höher wird, als dass es geringer wird, und haben hier ein paar Gegenfinanzierungsmöglichkeiten oder -potenziale aufgezählt. Könnten Sie die noch einmal verdeutlichen und auch monetarisieren, also von wie viel Geld wir da sprechen?

Markus Marterbauer: Also Gegenfinanzierungsmöglichkeiten gibt es natürlich überall, denn in allen einzelnen Untergliederungen muss man überlegen, wie die Ausgaben am effizientesten eingesetzt sind. Ich glaube aber, unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen, wo wir sehr viel Geld ausgeben, auch für den Teuerungsausgleich, müsste man unmittelbare Verknüpfungen in der Gegenfinanzierung herstellen.

Was meine ich damit? – Wenn wir sehr viel Geld ausgeben, um die energiearmen Haushalte zu unterstützen, so ist es völlig unerklärlich, warum wir nicht auf der anderen Seite, wo die riesigen Gewinne, Übergewinne, Zufallsgewinne in der Energiewirtschaft anfallen, diese nicht wegsteuern. Wir haben in der Arbeiterkammer ein ganz konkretes Modell vorgelegt, das etwa 2 Milliarden Euro bringen würde. Ich glaube, das ist sogar sehr konservativ geschätzt, wenn ich jetzt die Mitteilungen von Verbund, OMV und so weiter höre, wie die Gewinne nach oben rasseln – und das kommt ja alles nur aus den hohen Energiepreisen. Und da gibt es noch ganz viele Beispiele. Diese Gewinne gehören auch ökonomisch effizient weggesteuert und verwendet – diese Übergewinne nämlich, nicht die normalen Gewinne. Die Übergewinne, die Zufallsgewinne gehören vollständig weggesteuert. Da kann man Investitionen in Erneuerbare vollständig ausnehmen. Wir haben eine super Abschreibung für Investitionen in Erneuerbare vorgesehen, also noch stärkere Anreize sozusagen, dort zu investieren und diese Mittel hinüberzugeben in die Unterstützung der Haushalte.

Ein zweites Beispiel: Wir helfen jetzt vielen Unternehmen – zu Recht, denn es sollen nicht aufgrund der Energiekrise sozusagen Unternehmen in Konkurs gehen. Auf der anderen Seite: Die Unternehmen, die selbst in dieser Situation hohe Gewinne machen, werden mit der Körperschaftsteuersenkung belohnt, und ich verstehe nicht, warum das notwendig ist. Warum man die, die ohnehin hohe Gewinne machen – und es handelt sich im Wesentlichen um Großbetriebe –, steuerlich begünstigen muss, ist mir völlig unerklärlich. Da geht es um 800 Millionen Euro. Wir wissen, dass wir eine Tendenz zu steigender Ungleichheit in unserer Gesellschaft haben, die Vermögenskonzentration ist enorm hoch, und dennoch finanzieren wir unseren gesamten Sozialstaat über Leistungen direkt oder indirekt aus Arbeitseinkommen.

Das war im Jahr 1946, als der Sozialstaat gegründet wurde, verständlich, da gab es nämlich nur Arbeitseinkommen, aus denen man die Pensionen, die Gesundheitsleistungen, die Pflegeleistungen, die Arbeitslosigkeit finanzieren konnte.

Heute sind die Vermögen der privaten Haushalte ungefähr sechsmal so hoch wie die laufenden Arbeitseinkommen, und es ist völlig klar, dass wir den Sozialstaat stärker aus Vermögensbeständen – und vielleicht auch Vermögenseinkommen, Übertragungen – finanzieren sollten. Also es gibt einen Gegenfinanzierungsbedarf, der enorm ist, und Gegenfinanzierungsmöglichkeiten in Milliardenhöhe.

Die Leistungseinkommen aus selbstständiger oder unselbstständiger Arbeit, die sollten auch entlastet werden, und das wäre sehr sinnvoll, denn davon lebt unsere Gesellschaft, und nicht von den leistungslosen Vermögenseinkommen, die wir steuerlich eigentlich begünstigen.

Kai Jan Krainer: Bereich Digitalisierung: Sehen Sie da im Budget - - Es haben ein paar Experten hier gesagt, da ist wenig bis gar nichts. Wie sehen Sie den Bereich der Digitalisierung?

Markus Marterbauer: Ja, ich bin jetzt nicht der Digitalisierungsexperte, aber mein Eindruck ist auch, dass hier im Moment kein Schwerpunkt erkennbar ist, obwohl das natürlich ein enormer Bereich der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation ist.

Ich habe auch den Eindruck, dass ja Digitalisierung nicht nur sozusagen im Wirtschaftsministerium abgebildet werden sollte, sondern eigentlich alle Bereiche umfassen sollte.

Es geht ja im Bereich der Bildung, des Gesundheitssystems und so weiter darum, die enormen Fortschritte, die wir auch brauchen sozusagen, um die Systeme finanzierbar zu halten, durch große öffentliche Investitionen in diesem Bereich zu stärken, und hier passiert bestimmt zu wenig.

Kai Jan Krainer: Das heißt, wenn man es zusammenfasst, dass in den drei wesentlichen Zukunftsbereichen, die ja nicht nur in diesem Budget, sondern im ganzen Jahrzehnt wirken, nämlich Klima, Digitalisierung und wachsende Ungleichheit, dass das Budget bei Klima ein bisschen macht, aber zu wenig, Digitalisierung kaum messbar, und eher das Problem der wachsenden Ungleichheit verstärkt?

Markus Marterbauer: Ja, ich würde es vielleicht ein bisschen differenzierter darstellen.

Ich kann schon seit einigen Jahren erkennen, dass beim Thema Klima sozusagen massiv versucht wird, dort etwas zu machen, aber es reicht einfach nicht, und das ist völlig offensichtlich: Wir müssten viel mehr tun.

Österreich ist, wenn man in Bezug auf die Ungleichheit, den dritten Punkt, eingeht, ja in der Einkommenswelt eine relativ egalitäre Gesellschaft – es ist der Erfolg des Sozialstaates, der kollektivvertraglichen Lohnverhandlungssysteme, und Österreich ist da ein Vorbild –, aber es gelingt uns nicht, in der Gesellschaft Armut zu verhindern, was ich wirklich für dramatisch halte

Ich möchte es noch einmal sagen: Ich persönlich verstehe nicht, wie eine Gesellschaft akzeptieren kann, dass es Milliardär:innen und gleichzeitig Armut gibt. Das passt nicht zusammen. Das gibt es nicht. Das kann nicht sein.

Der Bereich der Vermögenskonzentration, um das haben wir uns überhaupt nie gekümmert, über die Jahrzehnte nicht, es gab auch praktisch keine Daten. Während wir über die Einkommen alles wissen, wissen wir über die Vermögen nichts. Wir bräuchten ein Vermögensregister für in Österreich bestehende Vermögen und Vermögensbestands-, Übertragungs- und Vermögenseinkommenssteuern. Erbschaftssteuer wäre auch ein ganz wichtiger Punkt. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Eine Bundesregierung im Jahr 2008, ich glaube, Ihre Fraktion war an der Bundesregierung beteiligt, und das war ein großer Fehler von den beiden Fraktionen, die damals in der Regierung waren. (Matznetter: Na, wir wurden von der ÖVP erpresst! – Heiterkeit. – Matznetter: Ich bin Zeitzeuge! – Weitere Zwischenrufe.)

Es werden im Jahr in Österreich ungefähr 20 Milliarden Euro vererbt, größenordnungsmäßig. Die Erbschaften sind noch stärker konzentriert als der Vermögensbestand, das heißt, es geht alles ganz weit in die obersten 1, 2 Prozent der Haushalte hinauf.

Es ist für mich als Ökonom unverständlich, warum leistungslose Erbschaften nicht zumindest gleich stark wie die durchschnittliche Lohnsteuerquote, die bei 14 Prozent liegt, besteuert werden.

Dann würden sozusagen leistungslose Einkommen zumindest endlich gleich stark wie Leistungseinkommen besteuert werden, und Sie können sich jetzt sozusagen 14 Prozent von 20 Milliarden ausrechnen, was das potentielle Aufkommen ist, dann führen Sie noch Freibeträge ein, was auch immer, aber das Aufkommen ist riesig, und es ist eine enorme ökonomische Ungerechtigkeit und auch falsch, Erbschaften nicht zu besteuern.

Kai Jan Krainer: Vielen Dank. Ich gebe innerhalb der Fraktion weiter.

Gabriel Obernosterer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Matznetter. – Bitte schön.

Christoph Matznetter (SPÖ, Abgeordneter zum Nationalrat): Ganz kurz, Herr Dr. Marterbauer: Sie haben uns drauf hingewiesen, dass es ja ganz, ganz sonderbar ist, dass gerade die Übergewinne, die aus den überhöhten Energiepreisen kommen, in keiner Form zur Stabilisierung der öffentlichen Haushalte genützt werden.

Nun haben wir jetzt ja eine Reihe von Beispielen in Europa, zuletzt war es das Königreich der Niederlande, wo ja, selbst rückwirkend für 2022, die konservative Regierung eine Übergewinnbesteuerung eingeführt hat.

Wie viel Mittel könnte man hier ungefähr freimachen, um im entsprechenden Ausmaß, sowohl für erneuerbare Energie wie auch zur Entlastung der durch die Energiepreise Betroffenen, gegenzusteuern?

Markus Marterbauer: Ja, ich bin eigentlich sehr optimistisch, dass eine Übergewinnsteuer kommen wird, weil der internationale Druck zunimmt und es auch sachlich völlig gerechtfertigt ist. Sie sollte auch rückwirkend auf 2022 sein, so wie es jetzt andere Länder machen.

In unserem Modell ist es so, dass ein Gewinn, der über den Normalgewinn hinausgeht, im geringen Ausmaß sozusagen akzeptiert wird, nicht besteuert wird, aber sonst zwischen 60 und 90 Prozent Steuersatz auf die Übergewinne sein sollte, und wir haben berechnet, dass das Aufkommen ungefähr 2 Milliarden Euro sein sollte.

Ich glaube, dass es eigentlich mehr werden wird, wenn ich jetzt die letzten Quartalsergebnisse von Verbund und OMV sehe. Es ist übrigens kein adäquater Ersatz, das über zusätzliche Ausschüttungen zu bekommen. Das passt überhaupt nicht zusammen, und das wäre auch eine Art Freiwilligkeit, weil die Aktiengesellschaften selber die Ausschüttungen beschließen, und da braucht man natürlich eine Steuer, die das festsetzt, damit es ordentlich gemacht wird.

Christoph Matznetter: Kurze Zusatzfrage: Ist das nicht auch in Wahrheit ein grauer Finanzausgleich, nachdem viele Energieversorgungsunternehmen, vor allem im Strombereich, in Landesbesitz sind? Wird hier über eine Steuer, nämlich zu hohe Energiepreise, die Bevölkerung und die Wirtschaft angezapft und letztlich die Haushalte, wenn Dividenden erfolgen, in eine Art grauen Finanzausgleich geführt, und es gibt erst recht eine Notwendigkeit, es abzuschöpfen und in gerechter Form zu verteilen?

Markus Marterbauer: Ja, ich glaube, dass das grundsätzlich richtig ist. Wir haben ja über die Steuer dann sozusagen den offiziellen Finanzausgleich, über die entsprechenden Einnahmen, aber die Mittel, die für die Hilfen für energiearme Haushalte oder generell für den Ausgleich der Energiesteigerungen kommen, kommen ja vor allem übers Bundesbudget, und deshalb sollte eigentlich auch der Bund sozusagen der Profiteur der Übergewinnsteuer sein, damit das entsprechend ist.

Gabriel Obernosterer: Danke, Herr Kollege. Sie hätten noch 12 Sekunden. – Bitte schön. Herr Kollege Stöger ist zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Kollege.

Alois Stöger (SPÖ, Abgeordneter zum Nationalrat): Zwei Fragen an Herrn Dr. Marterbauer: Die Ausgaben für die Gemeinden oder die Ertragsanteile für die Gemeinden steigen um 14,9 Prozent, die Ertragsanteile der Länder um 23 Prozent. Ist das sachgerecht? Das ist die eine Frage.

Und die zweite Frage, die ich stellen will, ist: Im Regierungsframing heißt es Entlastung von Unternehmen, und man nimmt den Familien 353 Millionen Euro weg. Könnte man das auch Belastung für die Familien nennen – oder insbesondere Belastung für die Frauen, wenn Familienleistungen nicht stattfinden – oder ist das im Budget gegengerechnet?

Markus Marterbauer: Die 353 Millionen kommen von wo? (Ruf: ... Familienlastenausgleich!) Warum sinken die? Ach so, durch die - - ja, okay.

Ja, also wenn ich zunächst auf die zweite Frage eingehe: Die Senkung des Familienlastenausgleichs ist ja sozusagen der Versuch, die Lohnnebenkosten zu senken, aber wir haben damit Verbindungen auf der Auszahlungsseite, wo aber unmittelbar keine Einschränkungen erfolgen. Das heißt, wir haben ja nicht einen direkten Ausgleich dort.

Ich persönlich glaube, dass man in einigen Bereichen, etwa auch beim Familienlastenausgleichsfonds, über eine neue Finanzierung der Leistungen nachdenken sollte. Das über den Flaf-Beitrag zu finanzieren, war ein Konzept aus der Zeit, wo die Arbeitseinkommen die entscheidenden waren, und ich glaube, man sollte es aus dem allgemeinen Steuertopf finanzieren.

Die Familienleistungen insgesamt zu kürzen halte ich für falsch, gerade bei den Familien- oder Kinderbeihilfen. Das sind ja die, die sehr positive Verteilungswirkungen haben. Man sollte eher die Fehler, die jetzt bei den steuerlichen Maßnahmen gemacht wurden, dass die Kinder aus ärmeren Einkommensgruppen dem Staat weniger wert sind als die aus reicheren Einkommensgruppen, rasch wieder korrigieren, denn es passt überhaupt nicht in das hergebrachte System, das vernünftig ist, dass alle Kinder dem Staat gleich viel wert sein sollten.

Gabriel Obernosterer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Schwarz. – Bitte schön.

Jakob Schwarz: Danke, Herr Vorsitzender, danke an die Expertinnen und Experten für die Ausführungen soweit.

Ich möchte vielleicht noch kurz auf die Statements von vorhin eingehen, nämlich: Ich glaube auch, dass die Ambition in der Klimapolitik noch stärker ausgeprägt sein kann und dass das auch im Budget abgebildet sein kann.

Es gibt jetzt die Regierungsvorlage zum EWG. Ich hoffe, dass die SPÖ die Chance nützt und da quasi zur treibenden Kraft des Beschlusses dahinter wird. Das ist eine ordnungspolitische Maßnahme, die kostet auch nicht viel.

Ich möchte noch ergänzen: Die budgetschonendste Klimamaßnahme ist natürlich, wenn man die Steuern auf Emissionen erhöht. Das machen wir mit der CO2-Bepreisung. Da hat sich die SPÖ dagegen ausgesprochen, obwohl sich dankenswerterweise die AK und Herr Bernhofer grundsätzlich dafür ausgesprochen haben.

Ich möchte kurz eine Frage stellen, und zwar an Frau Dr.in Schratzenstaller, Herrn Dr. Badelt und auch Frau Dr.in Köppl-Turyna, nämlich zum Thema Entlastungsmaßnahmen.

Generell ist es ja so, dass die Teuerung das Budget sehr stark prägt, sei es über die zusätzlichen Kosten beim Personal, bei den Vorleistungen, die der Bund hat, aber andererseits auch durch die großzügigen oder umfassenden Entlastungsmaßnahmen, die gesetzt worden sind. Und da würde ich einfach gern sozusagen eine allgemeine Einschätzung von Ihnen haben, wie Sie sowohl die preissenkenden Maßnahmen als auch die einkommensstützenden Maßnahmen bewerten, von Strompreise und Senkung der Energieabgaben auf der preissenkenden Seite bis zu Klimabonus, Antiteuerungsabsetzbetrag und so weiter auf der einkommensstützenden Seite.

Insbesondere auch, weil Herr Gundinger ja angesprochen hat, dass das eine – das ist ja sozusagen eine Kritik, die so oft kommt – die Inflation weiter anheizt, während das andere, wenn man direkt in die Preise eingreift, natürlich die Preise senkt.

Gabriel Obernosterer: Bitte, wer möchte beginnen?

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Danke schön. Dann fange ich einmal an, weil ich als Erste angesprochen worden bin.

In der Tat ist es so, dass Österreich sehr umfangreiche Maßnahmen beschlossen hat. Wenn man alles zusammenzählt, auf der Ausgabenseite und auf der Steuerseite, was an steuerlichen Erleichterungen geboten worden ist, dann kommen wir ungefähr auf 34, 35 Milliarden Euro im Zeitraum 2022 bis 2026.

Es gibt eine sehr aktuelle Übersicht von Oxford Economics. Die haben sich im EU-Vergleich angeschaut: Wie umfangreich sind die Entlastungspakete? Österreich hat das zweitgrößte Entlastungspaket in der EU. Das sind knapp 10 Prozent des BIP von 2021, das ist eben doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt und gemessen an der Wirtschaftsleistung nur ein bisschen geringer als Deutschland mit seinem – alberner Ausdruck, aber alle kennen ihn – Doppelwumms.

Grundsätzlich enthält das Pakete eine Reihe von Maßnahmen, die relativ gesehen die unteren Einkommen stärker entlasten. Ich kann mich da sehr stark auf eine Studie des Budgetdienstes beziehen. Das sind natürlich sämtliche einkommensabhängige Entlastungsmaßnahmen, aber natürlich entlasten auch die diversen einkommensunabhängigen Pauschalleistungen die unteren Einkommen relativ stärker als die oberen.

Allerdings ist es auch so, dass ganz grob geschätzt ungefähr zwei Drittel der kurzfristigen Entlastungsmaßnahmen nicht einkommensabhängig sind. Das heißt, sie fließen an alle Haushalte, an alle Individuen, nicht nur an die Bedürftigen sozusagen. Das heißt auch, sie sind relativ teuer fürs Budget und relativ wenig treffsicher.

Der größte Einzelposten, wir haben schon darüber gesprochen, ist die Kompensation der kalten Progression, die natürlich vorwiegend die mittleren und die oberen Einkommen entlastet, wobei ich diesen Teilautomatismus, dass ein Drittel des Ausgleichvolumens über diskretionäre Maßnahmen zurückgegeben wird, positiv bewerten möchte.

Das bietet einfach den Spielraum, auch unten stärker zu entlasten, soweit das im Rahmen des Einkommensteuertarifs halt möglich ist. Da sind ja natürlich auch Grenzen gesetzt.

Es haben alle Fraktionen gefordert, die kalte Progression abzuschaffen. Es gibt auch gute Gründe dafür, aber es beschränkt natürlich den budgetären Spielraum, wenn wir auf der einen Seite eben inflationsbedingt einen Druck auf die Ausgaben haben und auf der anderen Seite diese inflationsbedingten Mehreinnahmen dann eben beschneiden.

Insgesamt: Umfangreiche Entlastungsmaßnahmen, sehr breit gestreut, soziale Treffsicherheit ist eingeschränkt und relativ teuer für die öffentliche Hand, um das zusammenzufassen.

Natürlich muss man auch dazusagen, dass eine höhere Treffsicherheit auch die entsprechenden Datengrundlagen erfordert, die eben zwar an verschiedenen Stellen vorhanden, aber nicht zusammengeführt sind.

Mein Plädoyer wäre aber schon: Wenn man weitere Entlastungsmaßnahmen vorhat, und das gilt für die Haushalte, aber auch für die Unternehmen, dann müssen die wesentlich treffsicherer als die bisherigen Maßnahmen ausgestaltet sein, weil auf Dauer solche breiten Entlastungen rein budgetär nicht leistbar sein werden.

Ich will aber auch noch ein paar Punkte, aber ganz kurz, betonen. Das eine ist: Ich habe schon den Eindruck, auch aus dem öffentlichen Diskurs, dass die gefühlte Entlastung geringer als die tatsächliche Entlastung ist.

Ich weiß, es ist eine schwierige Kommunikations- und Informationsaufgabe, drei Pakete, die sich über mehrere Monate hinweg erstrecken, zu kommunizieren, aber ich glaube, da muss noch mehr getan werden.

Es gibt ja einen neuen Entlastungsrechner des BMF, der einen Teil der Maßnahmen ganz gut abbildet. Das halte ich für einen guten Schritt, aber ich glaube, da braucht es noch mehr.

Ich sehe, auch aus der ökologischen Perspektive, weil wir vorher so intensiv über Klimamaßnahmen gesprochen haben und dass Österreich wirklich nicht auf dem Klimapfad ist, wo es sein sollte, auch ein paar Wermutstropfen.

Wir haben einige Maßnahmen, die ökologisch kontraproduktiv sind: Erdgas-, Elektrizitätsabgabe werden temporär gesenkt, das Pendlerpauschale, auch das kleine übrigens, ist recht großzügig erhöht worden, und die Strompreisbremse, die ja budgetär, ich glaube, mit 3,6 oder so etwas Milliarden Euro zu Buche schlägt, reduziert eigentlich bei kleineren Haushalten den Anreiz zum Stromsparen, weil sie auf den durchschnittlichen Verbrauch eines Dreipersonenhaushalts abstellt.

Ich habe mir die Daten angeschaut: Fast 70 Prozent der österreichischen Haushalte sind Ein- oder Zweipersonenhaushalte, und ungefähr 50 Prozent der Bevölkerung lebt in solchen Haushalten.

Zu den Alternativen gab es noch eine Frage – ich glaube, ich bin schon zu lang, aber ich mache es ganz kurz –: Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee gewesen wäre, die Mehrwertsteuer zum Beispiel auf Lebensmittel, Treibstoffe, Strom, Gas zu reduzieren.

Zum einen ist es unsicher, inwieweit diese Reduktionen an die Verbraucher, Verbraucherinnen überhaupt weitergegeben werden, wenn sie zeitlich befristet sind, haben wir einen Inflationsschub, sobald eben die Sätze wieder auf das reguläre Niveau erhöht werden, und sie sind sozial relativ wenig treffsicher.

Vor allem bei der Reduktion der Mehrwertsteuer auf Energieprodukte haben wir vor allem eine Entlastung der großen Verbraucher, Verbraucherinnen, und für Details verweise ich wiederum auf die Budgetdienstanalyse, die sich das ja im Detail angeschaut hat.

Ich halte eine Reduktion der Mehrwertsteuer auf Energieprodukte auch für ökologisch problematisch.

Danke schön.

Monika Köppl-Turyna: Dann übernehme ich. Nur ein paar Kommentare zur kalten Progression: Du hast natürlich recht, dass die ersten drei Dezile da naturgemäß nicht entlastet worden sind, aber relativ zum Einkommen ist die Entlastung am höchsten dort, wo die Steuerprogression am höchsten ist, und das sind schon die zweite, dritte Steuerstufe vor allem, also diese mittleren Einkommen sind stärker als die hohen Einkommen entlastet worden.

Wenn man sich auch die Budgetdienststudie im Detail anschaut, dann sieht man einen großen Unterschied zwischen den Jahren 2022 und 2023. Der besonders progressive Effekt der Hilfen ist durch die Einmalzahlungen entstanden.

Im Jahr 2023 haben wir diese nicht und deswegen ist eine signifikant geringere Progression zu vermerken, weil es vor allem der Stromkostenzuschuss und die Abschaffung der kalten Progression hier sind.

Es gibt allerdings auch Varianten, wie man den Stromkostenzuschuss vielleicht ein bisschen besser gestalten könnte. Das hat Deutschland jetzt in den letzten Tagen gemacht. Dort gibt es zwei Unterschiede zu dem österreichischen Modell: Erstens ist es ein Modell, in dem die volle Gutschrift in dem Stromkostenzuschuss einkommensteuerpflichtig ist, das ist in Österreich nicht der Fall. Das heißt, die höheren Einkommen müssen diese Gutschrift in Form der Einkommensteuer zurückzahlen. Das wäre eine mögliche Variante für 2023, sollten da irgendwann Änderungen kommen.

Und das Zweite, was Margit auch angesprochen hat, sehe ich ähnlich: dass mit dem Stromkostenzuschuss relativ wenig Anreiz zum Stromsparen besteht. Das ist im deutschen Modell meiner Meinung nach auch besser gelöst worden. Dort ist die Gutschrift auch in vollem Ausmaß zu bekommen, auch wenn der Verbrauch niedriger als der Normverbrauch ist, also sagen wir nicht 2 900 Kilowattstunden, sondern 2 500 Kilowattstunden. Da bekomme ich die Gutschrift für die 400 Kilowattstunden trotzdem und kann das dann eben vielleicht woanders ausgeben.

Also das wären zwei Varianten, durch die vielleicht die Wirkung noch verbessert werden könnte.

An sich teile ich die Einschätzung, dass die Senkung der Umsatzsteuer nicht zielgerecht wäre, auch aus dem Grund, weil es auch sehr große budgetäre Summen sind, die dann natürlich diesen Spielraum künftig noch massiv verengen würden.

Ich würde dafür plädieren, dass man vor allem eben mit Einmalzahlungen arbeitet, sollte die Notwendigkeit bestehen. Die haben die beste progressive Wirkung und natürlich die höchste Treffsicherheit, und auch die Budgetbelastung ist vergleichsweise geringer als bei breiten Steuersenkungen.

Christoph Badelt: Ich möchte vielleicht nur ein paar Dinge ergänzen beziehungsweise auch dort widersprechen, wo ich ein bisschen eine andere Meinung habe.

Ich fange gleich beim Allerletzten an, dass die Einmalzahlungen von vorherein treffsicher sind: Das teile ich nicht, diese Meinung, und gerade so große Dinge wie etwa der Klimabonus beziehungsweise der Teuerungsbonus – man muss eigentlich fairerweise von der zweiten Hälfte der 500 Euro sprechen – sind eben genau ein Beispiel dafür, wo wir ein Problem mit der Treffsicherheit haben, und das ändert sich auch nicht durch die Tatsache der Einmalzahlung.

Um das ein Stückweit allgemeiner zu formulieren: Ja, wir haben tatsächlich bei einem Teil der Maßnahmen, und zwar vor allem auch bei sehr teuren Maßnahmen, ein Treffsicherheitsproblem, weil sie eben alle gleich oder fast gleich bekommen. Für die zweiten 250 Euro gilt das Wort „fast“ gleich, beim Strompreisdeckel gilt das nicht.

Das heißt, wir haben diese Probleme. Wir wissen auch, dass das relativ viel Geld kostet, und gerade im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der finanziellen Situation sollten wir das möglichst rasch wegkriegen beziehungsweise bei künftigen Maßnahmen auf jeden Fall vermeiden, weil das genau die Milliarden sind: Da brauche ich keine andere Steuer, da brauche ich nur etwas nicht ausgeben, weil es nicht absolut notwendig ist. Und das, glaube ich, wäre sehr gut.

Was jetzt die Datenlage betrifft, so ist darüber ja schon viel gesprochen worden. Natürlich: Hätten wir einen gescheiten Datensatz, wo wir alle Informationen zusammenführen können – und zwar nicht bei Energieversorgern, das ist absurd, sondern beim Finanzamt –, wo wir alle Daten zusammenführen können, die man für eine soziale Treffsicherheit braucht – das sind also insbesondere Haushaltseinkommen und damit auch gewichtete Pro-Kopf-Einkommen, wenn Sie die Haushaltsgröße hernehmen –, dann wäre es einmal rechtstechnisch viel leichter, treffsichere Sozialleistungen zu machen.

Ich weiß, dass das Finanzministerium an dem arbeitet. Ich bin ein bissel ungeduldig, muss ich ganz ehrlich sagen, weil das Problem schon eine Zeit lang auf dem Tisch liegt, aber okay, es wird offensichtlich jetzt werden. Vielleicht kann der Herr Bundesminister dazu auch dann noch etwas sagen. Ich mache aber darauf aufmerksam, dass das, etwa insbesondere bei der Strompreisbremse, auch eine andere Konstruktion der Hilfe erfordern würde, denn dann müsste man tatsächlich auf Zuschüsse an die Haushalte gehen und nicht im Verrechnungssystem einen bestimmten Anteil des Stromkonsums eben zu niedrigeren Preisen abgeben.

Ich persönlich hielte das auch für keine schlechte Lösung, aber ich mache nur darauf aufmerksam, dass das passieren würde.

Eine Möglichkeit, und da setze ich noch einmal eins drauf auf das, was Frau Köppl-Turyna gesagt hat, wo man relativ leicht Treffsicherheit erreichen kann, ist, indem man Transferzahlungen einfach der Einkommensbesteuerung unterwirft. Das ist beim Teuerungsbonus in einem kleinen Ausmaß geschehen, aber eben nur bei den Spitzensteuergruppen. das könnte man auch generell machen. Das wird zwar dann in der öffentlichen Diskussion kritisiert werden als: aus einer Tasche nehme ich das heraus, und in die andere Tasche stecke ich das hinein – was auch richtig ist. Nur: Wenn es nicht anders geht, ist das zumindest verwaltungstechnisch auch eine einfache Lösung.

Das Bessere wäre sicherlich, mit Zuschüssen zu arbeiten, die man automationsunterstützt – das ist wichtig, denn auf einem Antragssystem können Sie immer alles sozial treffsicher machen, nur wäre das ja ein verwaltungstechnischer Wahnsinn, wenn Sie so große Zahlen von Haushalten über Anträge abhandeln wollen.

Ich möchte noch auf etwas aufmerksam machen. Der Budgetdienst hat ja dankenswerterweise auch einen gewissen paradoxen Effekt aufgezeigt, dass wir etwa im untersten Einkommensdezil Maßnahmen zur Bekämpfung der Folgen der Teuerung gesetzt haben, die dann größer als die Inflation sind.

Allerdings leiden wir hier dann natürlich unter dem Phänomen des Durchschnitts, weil das jetzt Durchschnittswerte im untersten Dezil sind, und im Durchschnitt ist das offensichtlich richtig, das kann man sich ausrechnen, aber das ändert nichts daran, und da bin ich bei Markus Marterbauer, dass wir eine wachsende Zahl von Menschen haben, die sich in diesem Dezil befinden, für die aber ihre persönliche Inflationsrate wesentlich höher ist als die, die sich aus dem Warenkorb der Statistik Austria ergibt. Und dort liegen dann die sozialen Probleme, wo man etwas tun muss.

Übrigens darf ich ein bisschen ein Commercial für den Fiskalrat hier absetzen. Wir haben auch mit Mikrosimulation versucht, ungefähr in der Einkommenshierarchie zu identifizieren, wo die Grenze der Haushalte, bei welchem Einkommen die Grenze liegt, wo man auf jeden Fall eine Unterstützungsleistung zahlen müsste. Wir sind damals auf der Basis der Aprildaten auf ungefähr 35 Prozent, die unteren 35 Prozent in der Einkommenshierarchie gekommen, und zwar der Haushaltseinkommenshierarchie. Ich vermute, dass das jetzt schon ein bisschen mehr ist, aber das wäre auch für die Politik ein gewisser Hinweis.

Eines vielleicht noch zu den Einmalzahlungen, weil die Einmalzahlungen ja sehr oft auch kritisiert werden, dass sie nichts nutzen oder eben nur einmal etwas nützen.

Ich möchte schon darauf aufmerksam machen, dass ich eigentlich die Logik so verstanden hatte, dass man die Einmalzahlungen dort beschließt, wo man sehr rasch helfen kann und helfen muss, und dass diese Einmalzahlungen dann im System durch die dauerhaft wirkende Dynamisierung der Sozialleistungen ersetzt werden. Ob das schlussendlich aufgeht oder nicht, wird man sich wie bei vielen anderen Förderungen anschauen müssen, aber ich halte das für ein an sich sinnvolles System.

Ein Letztes noch, weil es auch ein bisschen angedeutet worden ist: Man kann über die Abschaffung der kalten Progression unterschiedlicher Meinung sein. Ich glaube, wenn man sie will, ist das, wie sie beschlossen worden ist, eine gute Art und Weise.

Nur über etwas muss man sich schon im Klaren sein: Mit Armutsbekämpfung hat das sicher nichts zu tun, also das, glaube ich, muss man schon klar sagen, sondern eine kalte Progressionsabschaffung ist in Wahrheit die sozusagen automatische Einführung von dem, was über die letzten Jahrzehnte sonst in den Steuerreformen passiert ist, und das hat der Fiskalrat übrigens auch unlängst sehr deutlich gezeigt. Und das ist kein Instrument zur Armutsbekämpfung – wobei ich nicht sage, dass alles ein Instrument zur Armutsbekämpfung sein muss, ich will es nur entsprechend klarstellen.

Danke schön.

Gabriel Obernosterer: Herr Kollege Schwarz, weitere Wortmeldung oder geben Sie weiter?

Jakob Schwarz: Danke für die Ausführungen.

Ich würde nur noch eine Frage stellen, und zwar an Frau Dr.in Schratzenstaller, nämlich: Die Steigerung der Energiepreise aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine, die kann man einerseits sozusagen einmal - - die Wirkung der steigenden Energiepreise kann man durch diese Entlastungsmaßnahmen bekämpfen.

Andererseits ist es natürlich wichtig, dass wir aus der Abhängigkeit von diesen fossilen Energieträgern rauskommen. Und da ist ja quasi dieses Paket der Bundesregierung intendiert dafür, dass man quasi die Energieunabhängigkeit erhöht, und es würde mich interessieren, wie Sie das in Bezug auf die Wirkung einschätzen.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ja, auch in Vorbereitung wiederum für das Hearing habe ich mir auch die Unterlagen für die letzten paar Male angeschaut und natürlich festgestellt, was aber eh alle wissen hier, alle Anwesenden, dass auch im Budget 2023 die Akzente, die in den letzten Jahren im Klimabereich gesetzt worden sind, weitergeführt werden und verstärkt werden.

Das ist nicht nur der Einstieg in die CO2-Bepreisung, der endlich gelungen ist, sondern auch tatsächlich eine Fortführung und Verstärkung der Klimaschwerpunkte in den letzten Jahren.

Wir haben eine Aufstockung der Sanierungsoffensive, der Fotovoltaikausbau wird gefördert, Fernwärme, Kreislaufwirtschaft, es gibt Investitionen in die emissionsfreie Mobilität. Und diese 500 Millionen Euro an die Gemeinden, die schon ein paarmal angesprochen worden sind, möchte ich auch noch einmal positiv hervorheben, auch deshalb, weil anders als im laufenden kommunalen Investitionsgesetz eben nicht nur 20 Prozent dieser 500 Millionen, die es ja auch 2022 gibt, quasi an Klimavorgaben gebunden sind, sondern dass dieses Mal, 2023, sämtliche 500 Millionen Euro in die Transformation fließen sollen.

Und es gibt eine Aufstockung der internationalen Klimafinanzierung, auch das möchte ich betonen, und das schlägt sich, Markus Marterbauer hat es schon angesprochen, in den diversen betreffenden UGs dann auch entsprechend nieder.

Was mir besonders gut gefällt, auch deshalb, weil es einen Kritikpunkt aufgreift, den ich im letzten Hearing geäußert hab, habe ich noch einmal festgestellt, ist, dass die Mittel für die Transformation bis zum Jahr 2030 auch gesetzlich entsprechend abgesichert werden. Da wurde ja oder soll ein Finanzierungsrahmen von knapp 3 Milliarden Euro bis 2030 eingerichtet werden, und ich halte das für gut, weil natürlich die Bekämpfung oder die Bewältigung des Klimawandels eine sehr langfristige Aufgabe ist und wir im Sinne der Planbarkeit auch für die Unternehmen, für die Haushalte hier wirklich längerfristige Pfade brauchen.

Wir haben, wenn wir uns die einzelnen Maßnahmen so anschauen und auch das berücksichtigen, was in den letzten Jahren schon angestoßen worden ist und umgesetzt worden ist, einen recht breit angelegten Maßnahmenmix. Auch das möchte ich positiv hervorheben. Wir wissen aus allen internationalen Studien, dass es nichts hilft, wenn man auf einzelne Maßnahmen setzt. Es hilft auch nichts, wenn man zum Beispiel nur auf die Besteuerung von CO2-Emmissionen setzt, sondern wir brauchen einen breit angelegten Maßnahmenmix, ausgabenseitig, der auf alle klimarelevanten Bereiche abstellt, aber eben auch einnahmenseitig.

Was noch fehlt, ich habe das vorhin schon ganz kurz angesprochen, ist, dass man all diese wichtigen Maßnahmen nicht weiter konterkariert durch die ökologisch kontraproduktiven Subventionen, von denen wir auf der Ausgabenseite, aber eben auch im Steuersystem einige haben. Es gibt hier aktuelle Evidenz des Wifo, da wurde die alte Studie aktualisiert. Also das möchte ich schon hier explizit noch einmal ansprechen, dass das wichtig wäre, auch diesen Bereich nicht zu vergessen, weil all die positiven Wirkungen natürlich doch durch diese kontraproduktiven Subventionen erheblich abgeschwächt werden.

Aber es ist auch klar, da will ich mich Markus Marterbauer anschließen: Wir brauchen mehr Ausgaben, wir brauchen auch mehr steuerliche Maßnahmen, und der breite Maßnahmenmix wird wahrscheinlich auch mehr Regulierungen erfordern.

Letzter Punkt: Die Bedeutung von Implementierungsmechanismen möchte ich noch hervorstreichen, also Mechanismen, um auch tatsächlich die Ökologisierung in allen wichtigen Bereichen der öffentlichen Finanzen zu unterstützen. Es gibt, das ist im Aufbau- und Resilienzplan vorgesehen, sogenannte Green Spending Reviews, also die systematische Untersuchung von bestimmten Ausgabebereichen. Hier gibt es schon erste Maßnahmen, erste Schritte vonseiten des BMF, das will ich als sehr positiv hervorstreichen.

Ich glaube, man sollte sich hier aber auch noch breitere Ansätze, die auch international im Moment sehr stark diskutiert werden, anschauen. Ich glaube, man braucht da in Österreich eine intensivere Auseinandersetzung mit Green-Budgeting-Ansätzen, die werden ja im Moment auf EU-Ebene, auf der OECD-Ebene entwickelt. Ich glaube, man muss auch in die bereits bestehende Wirkungsorientierung quasi Klima sehr viel stärker einbeziehen, so als Querschnittsaufgabe. Und ich glaube auch, dass wir endlich etwas brauchen, das im Regierungsprogramm verankert ist: nämlich eine stärkere, auch Ebenen übergreifende Klimagovernance.

Und last, not least: Das Klimaschutzgesetz, das haben wir letztes Jahr hier schon besprochen, sollte jetzt endlich beschlossen worden werden.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals.

Frau Kollegin Götze, Sie sind am Wort. Bitte schön.

Elisabeth Götze (GRÜNE, Abgeordnete zum Nationalrat): Danke, Herr Vorsitzender! Werte Expertinnen und Experten! Ich habe eine erste Frage an Frau Dr. Schratzenstaller und Herrn Dr. Marterbauer, und zwar geht es um die Unternehmensunterstützungen, die im Budget auch angelegt sind. Das ist einerseits der Energiekostenzuschuss, das Energiekostenzuschussgesetz, das wir jetzt beschlossen haben, und die Strompreiskompensation.

Und meine Frage wäre, wie Sie diese Maßnahmen bewerten.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ich fange einfach wieder an, wenn ich darf.

Ich glaube, es ist grundsätzlich schon wichtig und nachvollziehbar und auch richtig, dass man auch energieintensive Unternehmen unterstützt, um eben diese hohe Belastung durch die hohen Energiepreise abzufedern. Ich glaube aber auch, dass man einige Kriterien bei diesen Entlastungsmaßnahmen berücksichtigen sollte. Zum einen, glaube ich, brauchen wir einen starken Fokus auf Unternehmen mit einem funktionierenden Geschäftsmodell. Zum Zweiten sollten Entlastungsmaßnahmen möglichst Preissignale nicht zerstören und positive Lenkungseffekte haben beziehungsweise die ökologische Transformation unterstützen. Und drittens sollten sie auch zeitlich nur recht eng befristet gewährt werden. Ich glaube, längerfristig sollte man, was man ja auch mit den Maßnahmen zur Transformation der Wirtschaft richtigerweise tut, in den Ausstieg aus den Fossilen und vor allem natürlich aus dem Gas investieren.

Vor dem Hintergrund dieser Kriterien: Wie ist der Energiekostenzuschuss zu beurteilen? – Ich glaube, man kann sagen, dass er eine relativ breit ausgerollte Förderung bietet. Es haben, unabhängig von ihrer Energieintensität, auch kleinere Unternehmen Zugang zu der Maßnahme. In der Stufe 1 wird auch der Treibstoffverbrauch subventioniert, ökologisch halte ich das für nicht unproblematisch. Es gibt einige Vorgaben, was die Energieeffizienz anbelangt, aber die sind eben befristet, und ich glaube oder ich fürchte ein bisschen, dass die nicht wirklich sehr nachhaltig sind. Und nicht zuletzt: Aus Budgetsicht muss ich sagen, es ist auch nicht ganz billig. Diese Maßnahme kostet 1,3 Milliarden Euro. Wenn man die 235 Millionen Euro aus der Strompreiskompensation dazu nimmt, sind wir bei über 1,5 Milliarden Euro.

Wir haben uns das am Wifo vor Kurzem angeschaut und haben überlegt, dass es eigentlich eine gute Alternative wäre, wenn man künftige Entlastungsmaßnahmen setzt, die auch gezielter sind, dass man vielleicht über einen befristeten Verlustrücktrag nachdenkt. Im Vergleich zu einem Vortrag, den wir ja haben, würde das keine zusätzlichen budgetären Kosten verursachen, würde relativ rasch wirken, würde auch nur Unternehmen entlasten, die früher Gewinne gemacht haben. Und man könnte natürlich auch weitere Senkungen der Lohnnebenkosten überlegen, wobei ich mich da anschließen möchte an das, was Kollege Marterbauer gesagt hat: Die Bereiche, um die es hier geht, zum einen die Familienleistung, aber vielleicht auch der Wohnbauförderungsbeitrag, sollten eigentlich in eine breitere Finanzierungsreform eingebettet werden und nicht einfach so isoliert gemacht werden. Jedenfalls erforderlich ist es, wenn man weitere Energiekostenzuschüsse macht, dass man die wirklich einbettet, in einen gewissermaßen transformationsorientierten Maßnahmenmix.

Markus Marterbauer: Ja, mir bleibt eigentlich nicht sehr viel zu ergänzen, ich schließe mich im Wesentlichen dem an, was Margit Schratzenstaller gesagt hat: Die Förderungen sind gerechtfertigt, zum Teil sehr großzügig, sehr breit und, ich habe es schon in meinem Eingangsstatement gesagt, vielfach zu wenig zielgerichtet aus meiner Sicht, was die Energieeffizienz betrifft und auch sozusagen die Transformation.

Ich möchte generell darauf hinweisen, dass es bei den vielen Mitteln, die in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen werden, um die ökologische Transformation voranzubringen, ganz wichtig ist, die ökologische Transformation um eine sozialökologische Transformation zu ergänzen. Es wird die Bekämpfung der Klimakrise nicht gelingen, wenn es nicht gelingt, die sozialen Aspekte mitzunehmen. Und hier sind einige Weichen, glaube ich, nicht sehr erfreulich gestellt. Gerade wenn die Industrie große Subventionen bekommen soll, dann muss sichergestellt werden, dass auch die Arbeitnehmer:innen in den großen Industriebetrieben mitgenommen werden. Also da geht es dann um Fragen der Arbeitszeitgestaltung, der Arbeitsbedingungen und so weiter. Da ist die Bereitschaft der Unternehmensführungen offensichtlich relativ gering, und da wäre es die Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass das Ganze sozialökologische Transformation ist und nicht nur Unternehmenssubvention.

Gabriel Obernosterer: Weitere Frage, Frau Kollegin? – Bitte.

Elisabeth Götze: Vielen Dank, ja.

Ich schließe bei Prof. Badelt an. Sie haben in Ihrem Eingangsstatement erwähnt, dass der Finanzierungssaldo, also der Nettofinanzierungssaldo, gesunken ist oder im Sinken begriffen ist, meines Wissens auch der Maastrichtsaldo, aber gleichzeitig der Schuldenstand wächst – das haben Sie ausführlich beschrieben.

Und meine Frage wäre noch einmal, wie Sie diese Risiken bewerten, in Bezug auf Haushalt und Schuldentragfähigkeit.

Christoph Badelt: Also ich glaube, man muss einmal, wenn Sie so wollen, das rein Mathematische vom Inhaltlichen unterscheiden. Rein mathematisch ist es halt einfach so: Wenn bei einem Bruch der Nenner stark steigt, und das passiert jetzt in Form des nominellen Sozialprodukts aufgrund der Inflation, dann wird halt, wenn der Zähler nicht noch stärker steigt, der Bruch insgesamt kleiner. So. Das ist einmal ein nicht zu unterschätzendes Phänomen. Wir sollten uns nicht in den Sack lügen. Das gilt sowohl für die Schuldenquote als auch für das Defizit.

Inhaltlich läuft das Ganze natürlich sehr rasch auf die Frage hinaus: Ja wie hoch kann denn oder soll denn ökonomisch gesehen eine Verschuldung sein? Gibt es da Grenzen?

Jetzt streiten sich die Ökonomen über diese Frage seit ewig, und ich glaube nicht, dass sie unter Ökonomen eine einheitliche Antwort bekommen werden, was der maximale Schuldenstand bezogen aufs BIP in einem Land ist, der ökonomisch vertretbar ist. Ja, und auch die Maastrichtkriterien, das weiß man, wenn man das historisch anschaut, diese berühmten 60 Prozent: Das war halt damals der Durchschnitt, den die Länder gehabt haben. Das hat auch niemand inhaltlich begründet.

Aber ich möchte schon auf etwas aufmerksam machen: Ob eine Schuldenstand zu hoch ist oder nicht, entscheidet nämlich nicht der Ökonom oder die Ökonomin, sondern das entscheiden de facto die Kapitalmärkte, die hier eine ganz wesentliche Rolle spielen. Und jetzt ist gar kein Zweifel daran, dass Österreich im internationalen Vergleich, auch innerhalb der EU, trotz gestiegener Schulden immer noch gut dasteht. Aber wir sind nicht mehr in der besten Gruppe, das muss man auch sagen, was jetzt die EU betrifft, die haben wir verlassen. Und man merkt es auch schon bei Ratingagenturen zum Beispiel, die schon mit vorsichtigeren Beurteilungen des Landes hereingehen – nicht nur wegen den Schulden, auch wegen der Abhängigkeit vom russischen Gas und dergleichen mehr. Aber die Ratingagenturen sind, wenn man so will, meistens auch ein erster Schritt in Richtung einer tatsächlich höheren Verzinsung, die am Markt verlangt wird. Man merkt es natürlich auch beispielsweise am Zinsspread zu Deutschland, der eben jetzt auch wieder relevant ist und größer geworden ist. Also es gibt ein paar Indikatoren, wo man sagt: Leute, seid nicht nachlässig oder seid nicht zu großzügig in dieser Frage!

Ich wiederhole aber auch, dass man eben, solange es Krisenerscheinungen gibt, höhere Schulden auch in Kauf nehmen kann und auch in Kauf nehmen muss – das halte ich für eine ganz wichtige Aussage. Nur sollte man halt dann diese Schulden nicht mit Maßnahmen machen, die nicht unbedingt notwendig sind – das will ich auch gesagt haben. Und damit ist man wieder bei der sozialen Treffsicherheit.

Übrigens, was die Defizite betrifft: Also hinsichtlich des Defizits schauen ja die gegenwärtigen Prognosen so aus, als ob wir die Maastrichtkriterien im Prognosezeitraum erreichen würden. Ob das so eintritt oder nicht? Damit sind wir bei der Unsicherheit der Wirtschaftsprognosen im Hinblick auf die Gesamtsituation der Welt.

Und auch bei der Verschuldung werden wir zwar auf Sicht noch nicht bei den 60 Prozent landen, aber da die Bewegung nach unten ist, würde ich das jetzt auch nicht unbedingt als ein Problem sehen – wie überhaupt, und das mag jetzt ein bisserl komisch klingen, aus meiner offiziellen Verantwortung als Fiskalratschef im Hinblick auf die europäischen Stabilitätskriterien: Mir machen im Augenblick die europäischen Stabilitätskriterien da weniger Sorgen als das, was ich vorhin gesagt habe, mit der eigenen fiskalischen Nachhaltigkeit. Weil: Ob das dann wirklich ab 2024 alles wieder so heiß gegessen wird, wie es theoretisch früher heiß gegessen worden ist, und wir wissen eh, es ist auch früher nicht heiß gegessen worden - -

Das ist jetzt nicht mein Hauptpunkt. Ich weiß, zuerst habe ich gerade ein SMS gekriegt, dass Leute in Brüssel hier mithören, aber ich hoffe, man bringt mich jetzt in Brüssel nicht um, wenn ich so etwas sage. Danke schön.

Gabriel Obernosterer: Danke.

Kurze Frage noch in der ersten Runde, Frau Kollegin? (Zwischenruf von Götze.) – Natürlich können Sie sie mitnehmen, auf ein paar Sekunden gehen wir nicht. Sie haben noch 20 Sekunden, wenn Sie sie ausnützen wollen; okay, passt!

Es ist 7 Minuten vor 12 Uhr. Wir haben gesagt 2 Stunden. Ich täte sagen: Sitzungsunterbrechung, und wir beginnen um 12.05 Uhr. – Bitte schön. Danke.

*****

Gabriel Obernosterer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Fuchs. – Bitte schön.

Hubert Fuchs (FPÖ, Abgeordneter zum Nationalrat): Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Sehr geehrter Herr Finanzminister! Werte Experten! Die erste Frage: Geht diese Bundesregierung sorgsam mit dem Geld der Steuerzahler um? Die Frage geht bitte an einen Experten und nicht an einen Abgeordneten, und zwar an Kollegen Gundinger auch an Prof. Badelt.

Martin Gundinger: Also grundsätzlich will ich der Regierung gar nicht den Versuch absprechen, dass sie mit dem Steuergeld sorgsam umgeht. Wenn man jedoch Österreich mit anderen Ländern in Europa vergleicht, dann gibt es da doch einige andere Länder, die wesentlich sorgsamer mit dem Steuergeld umgehen.

Ich habe mir anhand der Cofag-Zahlen angeschaut, wie hier der Ländervergleich ausschaut. Legt man das dann auf die Budgetrubriken, sieht man hier doch erhebliches Einsparungs- beziehungsweise Entlastungspotenzial.

In der Rubrik Recht und Sicherheit, wenn man sich an Ländern wie Irland oder Lettland orientiert, besteht ein Entlastungspotenzial von circa fünf bis sechs Milliarden Euro.

In der Rubrik Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie besteht ein noch viel größeres Entlastungspotenzial, nämlich circa 25 Milliarden Euro, und das, wenn man sich an Ländern wie Finnland, Schweden, Estland, die Niederlande oder Lettland und Irland orientiert. Das sind nicht wirklich Länder, die in der Pandemie sehr schlecht abgeschnitten haben, obwohl es hier sehr viele niedrigere Ausgaben gibt. Alle diese Länder haben außerdem ein aus meiner Sicht funktionierendes soziales Sicherungsnetz.

In der Rubrik Bildung, Forschung, Kunst und Kultur wird ein Entlastungspotenzial von circa fünf Milliarden Euro da sein, wenn man sich Länder wie Finnland, Estland, Großbritannien oder die Niederlande zum Vorbild nimmt. In all diesen Ländern ist es so, dass sie beispielsweise beim Pisa-Test bessere Ergebnisse liefern und auch im Bereich der tertiären Bildung, sprich Universitäten, bessere Ergebnisse liefern, und das trotz deutlich geringerer staatlicher Ausgaben.

In der Rubrik Wirtschaft, Infrastruktur und Umwelt besteht ein Entlastungspotenzial von circa 15 Milliarden Euro, wenn man sich an Ländern wie Finnland, Litauen und Schweden orientiert.

Jetzt ist mir bewusst, dass derartige Ländervergleiche immer schwierig sind. Dieser Ländervergleich zeigt aber aus meiner Sicht, dass es hier doch ein erhebliches Potenzial gibt, wie man mit dem Steuergeld vielleicht sorgsamer umgehen könnte. Wenn man das jetzt auf jeden Erwerbstätigen umlegen würde, dann hätten wir da ein Entlastungspotenzial im Bundesbudget von circa 10 000 Euro pro Erwerbstätigen. Das fällt also sehr, sehr stark ins Gewicht.

Mir ist sehr wichtig zu betonen, dass das Entlastungspotenzial nicht einhergehen muss mit Leistungskürzungen oder schlechteren Leistungen, sondern alle diese Länder, die ich genannt habe, haben zumindest vergleichbare oder sogar bessere Ergebnisse mit dem Steuergeld.

Man sollte sich das also aus meiner Sicht doch ein bisschen genauer anschauen, und wenn man vielleicht noch mehr Entlastungspotenzial finden will, kann man ruhig auch einen Blick über den europäischen Tellerrand hinauswerfen.

Christoph Badelt: Herr Abgeordneter, ich glaube, Sie stellen eine sehr wichtige und aber auch sehr grundsätzliche Frage. Sie fragen nämlich, ob die Regierung sorgfältig mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umgeht.

Ich glaube, an erster Stelle steht eigentlich eine politische Grundsatzentscheidung, wie sehr und wie stark sich der Staat in das Wirtschaftsleben einbringen soll. Dann sind Sie sehr rasch bei der Frage Steuerquoten, Staatsausgabenquoten und dergleichen mehr.

Hier besteht kein Zweifel, dass Österreich eher zu den Ländern mit einem hohen Staatseinfluss zählt. Das kann man jetzt politisch von seinen Werturteilen her an sich als gut oder als schlecht ansehen. Das ist zunächst einmal eine politische Frage. Obgleich natürlich jemand, der lieber einen geringen Staatseinfluss hat, von vornherein einmal sagen wird, es ist nicht sorgsam mit meinem Geld umgegangen worden, wenn du mir so viel wegnimmst und ich es dann später einsetze.

Was meines Erachtens nach noch wichtiger ist, ist die Frage der Effizienz des Einsatzes, und da komme ich ein bisschen zurück auf den ersten Teil Ihrer Frage, nämlich ob das, was die Regierung macht, effizient ist. Tatsache ist, dass die Regierung oder eigentlich das Parlament bestimmte Gelder für bestimmte Zwecke zur Verfügung stellt. Ob man da sorgsam damit umgeht, einmal abgesehen davon, dass man der Meinung sein kann man, will für dies oder jenes kein Geld ausgeben, das ist klar, das wird man immer nur auf der politischen Ebene abhandeln - - Aber eigentlich kann eine Regierung nur indirekt die Effizienz des öffentlichen Sektors lenken. Sie kann sie nicht durch ein Gesetz verändern, und da haben wir sicherlich Probleme. (Zwischenruf.) Bitte? (Ruf: ... wäre effektiv, aber nicht effizient!) Nein, nicht unbedingt. Effektiv heißt nach allgemeiner Definition Grad der Zielerreichung, während bei Effizienz die Relation zwischen Input und Output angeschnitten ist. Die Regierung beschließt ein bestimmtes Budget oder, heruntergebrochen, eine bestimmte Personalausstattung für irgendwelche Aufgaben, und was die dann damit erreichen, das ist dann sehr wohl eine Effizienzfrage. Es ist auch eine Effektivitätsfrage, aber die Frage ging nach der Effizienz.

Was ich damit sagen möchte, ist - - Ich weiß nicht, wie viele politische Gruppierungen im Wahlkampf schon gesagt haben, sie werden durch Steigerung der Effizienz des öffentlichen Sektors entsprechende Budgeteinsparungen erzielen oder Gegenfinanzierungen erzielen. Das mag immer ernst genommen worden sein, es ist in der Praxis aber recht selten passiert. Ich bin der letzte, der bestreiten möchte, dass es Effizienzreserven im öffentlichen Sektor gibt.

Ich glaube, was man auf der Ebene der Gesetzgebung, auf der Ebene der Regierung am ehesten machen kann, ist, Anreizmechanismen zu setzen, damit die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, die das Geld in der Praxis ausgeben, es tatsächlich in einem effizienten Sinn verwenden. Das ist, glaube ich, das, was man am ehesten tun kann.

Hier darf ich auf das Beispiel Bildung zurückkommen, das Herr Gundinger gebracht hat. Es ist ganz offenkundig, dass wir, gemessen an den Bildungsausgaben pro Schüler, Student, Studentin et cetera, relativ viel Geld ausgeben und bei so manchem Outputtest, ist gleich Pisa-Studien und dergleichen mehr, aber nicht sehr gut abschneiden oder zumindest nicht so gut abschneiden, wie es das Geld - - wäre.

Das deutet auf der Makroebene auf Ineffizienzen hin. Die zu heben, ist aber nicht so leicht, und das ist schon gar nicht durch ein Gesetz zu heben. Ich kann nur sagen, Sie wissen, ich komme aus dem universitären Bereich und war lange genug Rektor, dass die Autonomie der Universitäten zweifellos effizient dabei geholfen hat, dass Effizienzreserven an Universitäten gehoben worden sind. Ja, das würde jetzt zu weit führen, das im Detail zu belegen, ich kann nur sagen, da sind zum Teil Budgetkürzungsphasen durchgemacht wurden; wenn Sie das unter einer staatlichen Lenkung gemacht hätten, hätte es sich grauslich abgespielt und dergleichen.

Es gibt aber noch ein anderes Beispiel, das wir als Ökonomen immer wieder anführen. Ich glaube zum Beispiel, dass unsere föderale Struktur auch verschiedene Ineffizienzprobleme hat, die durch Anreizmechanismen entstehen. Diese Kritik, die diesbezüglich von uns kommt, und mit uns meine ich jetzt die Wissenschaftler, weil das viele Ökonomen sagen, ist nicht eine Kritik am Föderalismus per se, sondern an den Anreizmechanismen, mit dem er praktiziert wird. Wenn die Bundesländer, ich muss das einfach so deutlich sagen, zwar über weite Strecken die Verantwortung haben, ein Geld auszugeben, aber keine Verantwortung haben, ein Geld aufzubringen und sozusagen die unpopuläre Seite des öffentlichen Wirtschaftens zu haben, dann ist es aus deren Sicht durchaus logisch, im Finanzausgleich um viel Geld zu kämpfen und sich dann als die Großzügigen darzustellen.

Das muss man auf der Anreizebene lösen, weshalb ich tatsächlich glaube, und da weiß ich mich, glaube ich, mit einem Großteil von den Expert:innen da drüben, beim Markus bin ich mir nicht so sicher, das weiß ich einfach nicht, einig, dass wir hier durch andere Anreizmechanismen, ist gleich durch eine höhere Steuerautonomie und eine größere Selbstständigkeit der Bundesländer, die dann aber auch einhergehen müsste mit einer Neuregelung der Aufgaben der Bundesländer, wahrscheinlich Effizienzgewinne erreichen könnten.

Also der langen Rede kurzer Sinn: Ich glaube, dass es nicht einfach ist, Ihre Frage seriös zu beantworten. Ich teile die oft geäußerte Meinung, dass es im öffentlichen Sektor Effizienzreserven gibt. Ich glaube aber, dass die Hebung der Effizienzreserven in der Praxis nur durch Delegation von Verantwortung und Vorgabe von Zielen und auch vom Budgetrahmen realistisch erreichbar ist.

Gabriel Obernosterer: Herr Kollege, bitte.

Hubert Fuchs: Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Ich kann Ihre Antwort zu weiten Teilen auch teilen. Ich sehe es aber nicht so, dass die Regierung nur indirekt Einfluss nehmen kann. Ich möchte als Beispiel den Energiegutschein oder die heute vielfach gepriesene CO2-Bepreisung mit dem Klimabonus bringen.

Wenn man hier also liest, dass die Klimabonushotline 15 000 Anrufe täglich erhält, es 60 Mitarbeiter bedarf, um hier 250 beziehungsweise 500 Euro unter die Leute zu bringen und an Spitzentagen 200, dann sage ich, die Bundesregierung hat direkt Möglichkeiten, hier sehr wohl zu arbeiten, dass es nicht zu einem Überhang von Bürokratismus kommt.

In diesem Zusammenhang die Frage: Was halten Sie, Kollege Gundinger und auch Prof. Badelt, von der CO2-Besteuerung?

Martin Gundinger: Also von der CO2-Besteuerung halte ich wahrscheinlich grundsätzlich im Unterschied zu den meisten Experten hier eher wenig. Für mich gibt es hier fünf Gründe, die ich nennen will. Dass die CO2-Besteuerung Vorteile hat, will ich überhaupt nicht bestreiten. Sie hat Vorteile mit der Bepreisung von CO2, und das ist natürlich wichtig.

Gleichzeitig, und das habe ich schon im letzten Budgethearing, also letztes Jahr, erwähnt, ist die Höhe im Wesentlichen willkürlich, weil es auf die Modellannahmen ankommt, wie dann die Social Cost of Carbon ausfällt, und der kann sogar in manchen Fällen negativ sein. Das heißt, da müsste man eigentlich den CO2-Austoß subventionieren. Das will ich bitte nicht, das ist kein Ratschlag.

Zweitens werden dann in der jetzigen Situation die Preise für Energie durch eine solche Steuer noch weiter erhöht, und ich halte das angesichts der Energiepreisexplosion, die wir erlebt haben, für wenig sinnvoll.

Drittens, das ist damit verbunden, leistet man einer eventuellen Deindustrialisierung in Österreich Vortrieb, und das hat den leider sehr blöden Effekt, dass man dadurch die Preissteigerung weiter befeuert. Wenn das Angebot nämlich durch eine Deindustrialisierung sinkt, dann wirkt das treibend auf die Preise.

Viertens werden dann auch Ressourcen gebunden, die man aus meiner Sicht für Anpassungsmaßnahmen verwenden könnte. Sie können beispielsweise nicht die gleiche Ressource für das Bauen von Windkraftwerken und für Anpassungsmaßnahmen verwenden.

Fünftens würde so eine Steuer im schlimmsten Fall für zunehmende CO2-Emissionen weltweit sorgen, nämlich dann, wenn die Industrie in Länder auswandert, wo die Kapitalausstattung weniger umfangreich ist wie in Österreich. Als Beispiel wäre zu nennen: Wenn ein Industriebetrieb aus Österreich nach China geht, dann wird der wahrscheinlich in China mit einer höheren CO2-Emission produzieren, als er das in Österreich würde, und das halte ich für problematisch.

Christoph Badelt: Darf ich vielleicht zuerst noch auf Ihren Kommentar zu meiner Meinung eingehen? Ja, ich habe das sicherlich zu allgemein formuliert. Ich will aber schon auch sagen, worum es mir gegangen ist, und zwar: dass die großen Effizienzprobleme tatsächlich meistens einfach nur durch dezentrale Verantwortung gelöst werden können, schlicht und einfach deshalb, weil der, der an der Spitze einer großen Organisation steht, nie genügend Information hat, um einen vernünftigen Preis - -, um wirklich die Effizienzreserven zu heben.

Was aber allerdings, und hier gebe ich Ihnen recht, nicht eine Pauschalrechtfertigung für jegliche Maßnahmen, wie man sie in der Verwaltung umgesetzt hat, sein kann. Das würde ich mir nicht anmaßen. Obwohl man, und darauf möchte ich auch hinweisen, schon sagen muss, man sollte sich nicht täuschen, mehr Personal kann durchaus auch sinnvoll sein. Wir haben in einem Zusammenhang vor der Pause etwa über die Bestückung des AMS gesprochen, und jetzt stellt sich dann immer die Frage: Effizienz ist optimales Verhältnis zwischen Output und Input. Was genau ist der Output, der erzeugt wird? Wir wissen zum Beispiel aus seriösen empirischen Studien, dass ein Mehr, ein dichteres Betreuungsnetz beim AMS sehr wohl die Vermittlung von Arbeitslosen verbessern kann; das also nur am Rande gesagt.

Zur CO2-Bepreisung: Also ich sehe die CO2-Bepreisung grundsätzlich als einen ganz wichtigen Weg, zu einer Kostenwahrheit in der Wirtschaft zu kommen. Sie ist ein Weg; es gibt auch andere, sie ist aber wohl der am ehesten praktikable Weg. Wir dürfen ja bitte eines nicht vergessen: Wir haben einfach, und das ist, wenn Sie so wollen, in jedem Ökonomielehrbuch, zumindest in den hinteren Kapiteln, gut darstellbar, das Problem, dass die sogenannten externen Effekte, also die Effekte, die Dritten gegenüber ausgelöst werden, zum Beispiel im Transportwesen, aber auch bei manchen Produktions- und natürlich auch bei manchen Konsumeffekten, nach wie vor viel zu wenig in den Preisen berücksichtigt werden.

Daher gilt generell leider immer noch, dass umweltschädigendes Verhalten zu billig ist im Verhältnis zu den Kosten, die der Gesellschaft entstehen. Das mag jetzt auf der Angebotsseite bei der Industrie sein, das mag bei den Konsumenten sein, wo auch immer. Wir müssen daher, wenn wir das Umweltproblem ernst nehmen, Mittel und Wege finden, die wahren Kosten des wirtschaftlichen Verhaltens von Menschen in die Kalkulation hereinzukriegen und damit in die Preise, weil umweltschädigendes Verhalten schlicht und einfach über weite Strecken nach wie vor zu billig ist.

Wenn ich dieses umweltökonomische Prinzip jetzt in die Praxis umsetze und sage, wie kann ich das durch staatliche Eingriff machen, dann ist die CO2-Bepreisung ein denkbarer Weg, das zu tun. Ich glaube, es ist vor allem auch ein Weg, den man auf der nationalen Ebene gehen kann, und deswegen bin ich sehr froh, dass sich die Regierung dazu entschieden hat und es schlussendlich auch in Gang gesetzt hat.

Etwas darf man aber nicht unterschätzen: Ganz wichtig bei der CO2-Bepreisung ist die langfristige Orientierung, der langfristige Entwicklungspfad, denn viele Umorientierungen etwa im Produktionsprozess, aber auch im Konsum, also denken Sie zum Beispiel, ob ich mir und was ich mir für ein Auto kaufe und wie oft ich damit fahre, sind nicht von heute auf morgen zu erreichen, sondern es geht um die langfristige Beeinflussung sowohl des Investitionsverhaltens als auch des Konsumverhaltens, und da ist es gut, wenn ich weiß, das wird in einem bestimmten Ausmaß immer teurer werden.

Insofern bin ich ein Fan der CO2-Bepreisung. Ich sage Ihnen ganz offen, ich hätte mir einen höheren Startpreis und einen steileren Pfad für die CO2-Bepreisung gewünscht. Ich sehe aber natürlich ein, dass durch die Inflationskrise, die jetzt gekommen ist, diese an sich umweltökonomisch vernünftige Forderung auch zu relativieren ist, weil man ja jetzt nicht total masochistisch sein soll, was die Preisgestaltung betrifft. Das wäre meine Antwort.

Gabriel Obernosterer: Bitte die Zusatzantwort.

Martin Gundinger: Grundsätzlich stimme ich Herrn Dr. Badelt völlig zu. Nur, was erwähnt wurde, worauf ich hinweisen will: Die wahren Kosten der CO2-Emissionen sind die Grundlage. Es gibt hier eben Studien, die von negativen Social Cost of Carbon bis extrem hohen positiven Social Cost of Carbon - ‑, ja, die zu diesem Ergebnis kommen. Das heißt, die wahren Kosten sind nicht bekannt.

Wenn man jetzt sagt, okay, negative Externalitäten müssen berücksichtig werden: Klar müssen sie, aber wir wissen nicht, ob es erstens eine negative oder eine positive Externalität ist, und zweitens wissen wir nicht, in welcher Höhe.

Christoph Badelt: Zugegeben, Sie wissen nicht immer die exakte Dimension, aber die Richtung wissen Sie sehr wohl. Wenn heute ein Fernlastauto von Norwegen nach Sizilien fährt, um dort Fisch hinzubringen, dann behaupte ich, dass der Treibstoff immer noch zu billig ist.

Gabriel Obernosterer: Danke schön für die Beantwortung. Ich möchte kurz darauf hinweisen: Wir haben ein gewisses Zeitlimit bis 14 Uhr für dieses Hearing eingeschaltet. Ich bin auch von Expertinnen und Experten angesprochen worden, dass es auch am Nachmittag weitere Termine gibt; die Ihr schon vergeben habt. Deshalb darf ich bitten, dass wir auch versuchen, bei den Antworten ein bisschen kürzer zu sein. Bei den Fragen ist alles perfekt. – Bitte schön, Herr Kollege Fuchs.

Hubert Fuchs: Danke, Herr Vorsitzender. Ich darf die Frage vielleicht noch ein bisschen allgemeiner stellen, weg von der reinen CO2-Bepreisung. Wie soll mit der Thematik des Klimawandels aus Ihrer Sicht umgegangen werden? Die Frage geht wieder an Kollegen Gundinger und auch an Sie, Herr Prof. Badelt.

Martin Gundinger: Aus meiner Sicht sollte man da vor allem auf die Forschung vertrauen. Es gibt mittlerweile Ansätze in der Technologie, mit denen man erstens den CO2-Austoß relativ stark reduzieren kann. Es gibt auch in der Carboncapture schon die Forschungen, die in die richtige Richtung gehen. Ein dritter Punkt von mir wären Anpassungsstrategien.

Wovor ich aber warnen möchte, ist, dass man weiterhin mit Verboten und Vorschriften agiert, vor dem einfachen Hintergrund, weil das immer das Risiko birgt, dass der derzeitige Wohlstandsverlust, den wir schon haben, weiter beschleunigt werden würde, weil wir dann das Risiko einer Deindustrialisierung haben. Ich möchte das noch einmal betonen.

Ein geringerer Wohlstand hat leider auch den Effekt, dass die Bereitschaft in der Bevölkerung, etwas für den Umweltschutz, für den Klimaschutz zu tun, abnimmt. Das ist die sogenannte Environmental Kuznets-Curve. Das heißt, man muss hier sehr aufpassen, dass man nicht mit solchen Klimamaßnahmen zu stark den Wohlstand absenkt.

Christoph Badelt: Die Kombination der Mahnung des Vorsitzenden, kurz zu sein, und die danach folgende Frage, wie man mit dem Klimawandel umgeht, bringt mich in ein gewisses Dilemma - - (Matznetter: Effizienz!) – Bitte? (Matznetter: Effizienz!) Effizienz, genau. Danke, Herr Matznetter, genau das werden wir machen.

Nein, also im Ernst: Jetzt, nachdem ich nach Gundinger spreche, möchte ich auch noch sagen, Sie sorgen sich um die Wohlstandsverluste, die man durch irgendwelche Vorschriften kriegt. Ich sorge mich um die Wohlstandsverluste, die wir durch den Klimawandel kriegen, und die sind, glaube ich, wirklich die drohende Gefahr, übrigens auch ein ganz ein spannendes Verteilungsproblem sowohl innerhalb Österreichs als auch weltweit, aber gut.

Im Grunde genommen, glaube ich - - Also ich bin froh, dass wir im Augenblick eine Europäische Kommission haben, die hier wirklich versucht, Leitlinien vorzugeben. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als mit einer gescheiten Mischung von Preisanreizen, über die wir zuerst gesprochen haben, und von Geboten und Verboten die entsprechenden Anreize zu setzen, dass sich das menschliche Verhalten verändert.

Dazu zählt auch die Forschung in Gebieten, die uns beim Klimawandel helfen. Das ist unbestritten. Ich würde es aber für höchst gefährlich halten, zu sagen, na ja, es schaut zwar schon ziemlich dramatisch aus, aber die Forschung wird uns schon retten. Das wäre, glaube ich, auch gefährlich.

Persönlich meine ich - - Wir haben heute vor der Pause schon gehört, wie schlecht wir auf dem notwendigen Pfad der Reduktion von CO2-Emissionen oder überhaupt von Emissionen liegen. Das ist ja nicht nur bei uns so, das muss man auch sagen, obwohl wir besonders schlecht liegen; auch das muss deutlich gesagt werden. Wir werden die Forschung dringend brauchen, um die Lücke an Reduktion von CO2 zu füllen oder auch, von mir aus, vom Wiedereinfangen von CO2, die wir durch unser Unvermögen, unser Verhalten entsprechend steil zu verändern, offenlassen werden.

Ich lasse es jetzt einmal. Wenn Sie spezifisch noch etwas nachfragen wollen, Herr Abgeordneter, dann sagen Sie das bitte.

Aber sonst wird es, glaube ich, zu breit.

Hubert Fuchs: Danke, Herr Professor. Nächste Frage an Kollegen Gundinger: Wie stehen Sie zur Energiewende?

Martin Gundinger: Na gut, das war ja heute schon ein großes Thema. Vor allem ein großes Thema war, dass wir weit hinter den Zielen - -, ja, dass wir die Ziele nicht erreichen. Ich glaube, es gibt einen relativ einfachen Grund dafür, und der ist, die Ziele sind unrealistisch. Und ich tue mir da jetzt leider auch schwer, dass ich mich kurzhalte, ich werde es probieren.

Wenn wir uns jetzt anschauen, was unser Energieverbrauch in Österreich ist: Der liegt bei 1,4 Exajoule. Wir haben 0,5 Prozent des Bruttoinlandsverbrauchs an Energie - ‑ haben wir letztes Jahr zusätzlich an erneuerbaren Energien geschaffen, wenn wir Windkraft, Wasserkraft und Sonnenkraft dazu zählen.

Wenn wir jetzt in dem Tempo weitermachen würden, würde die Energiewende knapp 180 Jahre dauern. Ja, angesichts der Zahlen wird schon offensichtlich, das ist ein riesiges Vorhaben. Wenn man sich das jetzt genau durchrechnet und wenn man ansetzt, dass die Wachstumspfade für Wasserkraft, für Windkraft und für Sonnenenergie ähnlich sind wie in den Jahren 2005 bis 2021, dann bedeutet das, dass 1 350 zusätzliche Wasserkraftwerke, 4 500 zusätzliche Windkraftwerke errichtet werden müssen. Und zusätzlich müsste eine Fläche von knapp 2 000 Quadratkilometern mit Fotovoltaikanlagen quasi überdacht werden – das ist zum Vergleich eine Fläche fast so groß wie Vorarlberg.

Und wenn man sich jetzt auch anschaut, was das an Ressourcen brauchen würde: Das wären die Jahresproduktion von Eisen - - wäre es das Fünffache, für Kupfer das Zwölffache und für Aluminium das 104-fache der Jahresproduktion in Österreich. Wenn man sich das jetzt weltweit anschaut, weil wir ja nicht das Klima alleine retten werden können, dann haben wir da Werte: für Eisen das 14-fache, für Kupfer das 33-fache und für Aluminium das 79-fache der Jahresproduktion. Also das sind Werte, wo man dann auch noch dazusagen muss, wir werden nicht die gesamte Jahresproduktion verwenden können.

Wenn wir dann nur von einem Wert von 5 Prozent der Jahresproduktion ausgehen würden, dann würde diese Klimawende knapp 600 Jahre dauern. Also es - - das ist ein riesiges Vorhaben, das aus meiner Sicht ganz einfach nicht realistisch umzusetzen ist. Wenn man dann sagt, okay, da müssen wir zusätzlich andere Maßnahmen setzen: Ja, klar, stimmt, aber man muss sich schon angesichts dieses Rohstoff- und Ressourceneinsatzes fragen, lohnt sich das überhaupt, diese spezielle Strategie auch zu verfolgen, oder sollte man sich vielleicht bei der Strategie - - von der Strategie verabschieden und sich anschauen, was für Alternativen es gebe.

Und da gibt es noch zusätzliche Probleme wie zum Beispiel, dass erneuerbare Energie oft nicht grundlastfähig ist, dass wir deswegen Speicherkapazitäten brauchen oder eine Struktur, die quasi diese Volatilität ausgleichen kann – das ist dann meistens Gas, Öl oder Kohle. Und diese Strukturen müssen dann natürlich auch errichtet und am Laufen gehalten werden.

Das sind alles Probleme, wo ich sage, ja, wahrscheinlich ist der Grund, dass wir die Ziele, die wir uns gesetzt haben, nicht erreichen, dass die Ziele viel zu ambitioniert sind. Man muss sich das genauer anschauen. Danke.

Hubert Fuchs: Wie viel haben wir noch? Nächste Frage an Prof. Badelt: Sie haben ja korrekterweise gesagt, dass wir uns auch mittelfristig wieder überlegen sollen, wie wir den Haushalt wieder in Ordnung bringen. Sie haben von Strukturreformen gesprochen, aber Sie haben auch erwähnt, dass man auch Gegenfinanzierungsmaßnahmen andenken sollte. Und daher die Frage an Sie, Herr Professor: An welche Gegenfinanzierungsmaßnahmen denken Sie da?

Christoph Badelt: Also ich habe das Wort Gegenfinanzierung in einem sehr allgemeinen Sinn verwendet. Also unter Gegenfinanzierung fällt für mich sowohl die Reduktion von Ausgaben aufgrund gesetzlicher Veränderung als auch die Erhöhung von Einnahmen in bestimmten Bereichen, wobei ich allerdings glaube, dass wir insgesamt gut daran täten, die steuerliche Belastung nicht zu weit zu erhöhen, wenn überhaupt. Ja, also da bin ich mir ehrlich gestanden nicht sehr sicher.

Die Inhalte: Da kann ich nur sagen, im Grunde genommen geht es genau um jene Strukturreformen, von denen heute schon mehrfach die Rede war. Wir werden im Föderalismus um die Anreizmechanismen nicht herumkommen. Wissen Sie, ich bringe Ihnen ein Beispiel, und ich weiß das ja auch aus der Forschung. Ich bin der Letzte, der sagt, Subventionen sind a priori schlecht. Subventionen sind nichts anderes als eine Maßnahme, die im Einzelnen beschlossen wird, und das kann sehr, sehr sinnvoll sein. Aber es ist völlig ineffizient, dass Bund, Länder und Gemeinden voneinander nicht wissen, was sie für Subventionen für ähnliche Zwecke auszahlen. Das gilt in der Kulturförderung so, das gilt in der Wirtschaftsförderung so, das gilt in der Familienförderung. Sie merken es nämlich immer dann, wenn Sie als Wissenschaftler versuchen, an Zahlen zu kommen, wie viel für einen bestimmten Zweck ausgegeben wird, und Sie schon alleine an den Zahlen scheitern. Und die werden Ihnen nicht nur nicht gegeben, weil man vielleicht nicht will, dass Sie das transparent machen, sondern Sie werden Ihnen auch nicht gegeben, weil man es wechselseitig nicht weiß.

Also im Grunde genommen bin ich daher der Meinung, dass wir eine solche - - einfach einen Konsolidierungspfad brauchen werden. Ob man jetzt eine Umstrukturierung des Steuersystems packt, weiß ich nicht. Wissenschaftlich gesehen wäre sie zweifellos sinnvoll, weil wir eine zu hohe Belastung des Faktors Arbeit haben – das ist unbestritten. Und wenn Sie jetzt nicht ins Schlaraffenland verfallen wollen und die Belastung des Faktors Arbeit reduzieren wollen, dann bleiben Ihnen eigentlich nur mehr Ressourcen und Vermögen übrig, um einen gewissen Ausgleich zu finden. Aber sehr viel davon sind auch wirklich rein politische Entscheidungen.

Dass die starke Belastung des Faktors Arbeit ein ökonomisches Problem ist, das, glaube ich, kann man sehr klar sagen. Auch wenn dieses Problem jetzt ein Stück weit in den Hintergrund tritt, weil wir eine Arbeitskräfteknappheit haben, ist es immer noch so, dass das von der Allokation der Ressourcen her schlecht ist.

Hubert Fuchs: Daran ergänzend, Herr Professor: Sie sagen, Umstrukturierung des Steuersystems, es bleiben nur mehr Ressourcen und Vermögen übrig - - An was denken Sie da, wenn Sie in diesem Bereich die Einnahmen erhöhen?

Christoph Badelt: Na ja, im Grunde genommen über die Dinge, die schon am Tisch gelegen sind. Es gibt gar nicht so viele verschiedene Möglichkeiten. Die CO2-Bepreisung oder eine andere Art von Ressourcenbepreisung hat in Hinblick auf eine langfristige Umstrukturierung des Steuersystems eher das Problem, dass man das als Lenkungssteuer einsetzen will und sich eigentlich wünscht, dass das Aufkommen aus der CO2-Besteuerung sinkt, weil man ja damit verhindern will, dass CO2 emittiert wird. Also ist das vielleicht nicht die langfristige Lösung per se.

Und wenn Sie meine persönliche Meinung zum Thema Vermögensbesteuerung hören wollen, dann sage ich Ihnen ganz klar, das ist meine höchstpersönliche Meinung als Wissenschaftler: Ich betrachte eine Besteuerung der Vermögenssubstanz als nicht sinnvoll, wohl aber eine Besteuerung des Vermögensertrages, und dazu gehört selbstverständlich auch das Erben. Also wir haben beim Erben meiner Meinung nach eher das Problem, dass, wenn Sie zu starke negative Effekte vermeiden wollen, Sie nicht einfach nur zugreifen können. Es ist schon schön, sage ich jetzt einmal zu Markus Marterbauer hinüber, wenn ich sage, es werden, ich weiß nicht, wie viel hast du gesagt, wie viel Milliarden jedes Jahr vererbt - - Wie viel sind es, 20 oder was? 20 Milliarden vererbt und davon nehme ich jetzt x Prozent weg und das gehört dann dem Staat. Ja, nur so ist es halt nicht.

Das heißt, du kannst es schon tun, aber der größte Teil dieser Vermögen steckt natürlich in Unternehmen. Und wenn du das den Unternehmen einfach wegnimmst, dann wirst du die Unternehmen kaputtmachen. Also müsstest du, aber das sind - ‑ (Zwischenruf.) – Bitte? (Ruf: Die Erbschaftssteuer ist doch nicht auf die Unternehmen, sondern auf die Haushalte – immer auf die, die erben!)

Ja, ja eh. Eh, aber er muss es sich ja irgendwoher zahlen. Wenn ich ein Unternehmen in die nächste Generation bringe, dann kann ich - - Natürlich muss der Eigentümer, der kommende Eigentümer, das dann bezahlen, nur das Cash muss er ja auch irgendwoher haben. Also ich will damit sagen, du kannst - ‑ Das ist ein bisschen eine vereinfachte Darstellung, wenn du sagst, na ja, da werden jetzt 20 Milliarden vererbt und da nehme ich mir jetzt 10 Prozent oder 15 Prozent und das gehört dem Staat. So ist es einfach nicht, ja.

Aber natürlich kann man auch darüber nachdenken, über entsprechende Übergangsmechanismen und dergleichen. Also wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, das ist schon klar. Und gerade beim Vererben glaube ich wirklich, dass da, und da bin ich wieder völlig deiner Meinung, keine Logik daran besteht, die Weitergabe von Vermögen sozusagen ohne Beteiligung der öffentlichen Hand zu ermöglichen, wenn aber jede Leistung besteuert wird – das halte ich nicht für möglich.

Jetzt haben wir - ‑ Das ist jetzt vielleicht schon eine Spezialdebatte zwischen uns, aber ich nahm an, Sie wollen von mir irgendeine Aussage dazu hören.

Hubert Fuchs: Also Nachtrag: Also wenn Sie sagen, Sie wollen, ich sage einmal, den Ertrag, den ein Erbe hat, besteuern, dann selbstverständlich wahrscheinlich auch Schenkungssteuern, oder?

Christoph Badelt: Ja. Würde ich jetzt genauso sehen, ja.

Hubert Fuchs: Auch Erhöhung der ImmoESt?

Christoph Badelt: Also wissen Sie, Sie kennen jetzt - - Sie können jetzt zu jeder einzelnen Steuer fragen, ob Christoph Badelt grundsätzlich der Meinung ist, das sollten wir tun oder nicht tun. Ich weiß nicht, was das bringt. Ich sage Ihnen nur, ich würde bei einer Umstrukturierung des Steuersystems - - da muss man schon so fair sein, wenn man sagt, man will dort oder da Steuern entlasten, man will aber gleichzeitig auch Ausgaben finanzieren, dann muss man sich auch trauen, über andere Dinge zu reden. Und der große Widerstand etwa gegen Erbschaftsbesteuerung kommt ja, Klammer auf, meiner Meinung nach zu Recht, Klammer zu, vor allem von den Leuten oder von den Gruppen, die sagen, das kriegen wir auf eine relativ hohe Einkommensbesteuerung oben drauf. Und da muss ich wieder sagen, verstehe ich auch wieder die Gegner der Vermögensbesteuerer. Also ich sehe die Dinge etwas differenzierter als nur in der Schwarz-Weiß-Technik.

Hubert Fuchs: Also noch einmal ergänzend, Herr Professor, wenn Sie die - ‑ Ressourcen sind mir klar, Vermögen ist mir ja fast klar, also da bleibt eh nur mehr die Immobilienbesteuerung beziehungsweise die Kapitalbesteuerung über. Die Erbschafts- und Schenkungssteuer, die haben Sie ja klar befürwortet. Die Vermögensbesteuerung als Substanzbesteuerung an sich haben Sie abgelehnt, aber Sie - - persönlich für eine höhere ImmoESt beziehungsweise eine höhere Besteuerung von Kapitalvermögen eintreten, weil es recht viel anderes Vermögen ja nicht gibt.

Christoph Badelt: Nein, es gilt auch bei Kapitalvermögen von meinen persönlichen Werturteilen her die Auffassung, dass ich die Vermögenssubstanz nicht besteuern würde. Ich glaube, wir sollten in einem Steuersystem leben, wo der Zuwachs an Vermögen ordentlich besteuert wird, aber dann ist es das auch. Das ist, wenn Sie so wollen, mein finanzwissenschaftliches Credo. Und das betrifft dann natürlich auch die Immobilien.

Das betrifft auch die Immobilien. (Zwischenruf.) Na ja, solange Sie das Kapitalvermögen halten. Ja, natürlich, aber schauen Sie, Sie haben hier sehr oft Vermögenszuwachs, der sich aus irgendwelchen Kursschwankungen ergibt, und wenn Sie sagen, Sie wollen bei einem Vermögen, das gehalten wird, den Vermögenszuwachs besteuern, dann wäre es konsequent, den Vermögensverlust dann auch irgendwie steuerlich zu berücksichtigen. Das ist meiner Meinung nach nicht ein wirklich zielführender Weg.

Hubert Fuchs: Also ich darf Sie noch einmal, hoffentlich korrekt, zusammenfassen: Sie sind gegen eine Substanzbesteuerung, Sie sind aber für realisierte - - oder sagen wir, für eine Besteuerung von realisierten Gewinnen bei Immobilien beziehungsweise bei Kapitalvermögen, also keine Papiergewinne, sondern realisierte, sprich Dividenden, sprich auch falls eine Veräußerung, egal ob jetzt mit Gewinn oder Verlust, vollendet ist.

Christoph Badelt: Ja, und ich würde noch in einem Fall eine Vermögenszuwachs - - einer Vermögensbesteuerung des Bestandes akzeptieren, wenn ein Grundstück durch staatliche Umwidmung wesentlich mehr wert wird, dann gehört das meiner Meinung nach besteuert, sage ich Ihnen auch. Das ist ein reines Werturteil. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass die öffentliche Hand eine Maßnahme setzt und der Private den Ertrag kassiert.

Hubert Fuchs: Die Umwidmungsgewinne im Zeitpunkt der Umwidmung oder im Zeitpunkt der Veräußerung?

Christoph Badelt: Lieber Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen jetzt zwar irgendwas darauf sagen, aber ich habe mir das nicht so genau überlegt. Sie fragen mich einfach nach meinen grundsätzlichen ökonomischen Haltungen. Abgeordneter Hanger stellt mir dann immer irgendwelche Prüfungsfragen als Revanche für Prüfungsfragen, die ich Ihnen gestellt habe, aber ich stehe ja gerne dafür zur Verfügung. Schauen Sie, ich bin ja in einem Lebensabschnitt, wo man mir nicht wirklich was tun kann für das, was ich da sage, also insofern - - schauen wir mal.

Gabriel Obernosterer: Herr Kollege Fuchs, ein paar Sekunden hätten Sie noch in der ersten Runde. Bitte schön.

Hubert Fuchs: Ja, meine letzte Frage: Halten Sie die Prognosen, auf denen das Budget basiert, für realistisch und plausibel, Herr Prof. Badelt?

Christoph Badelt: Ich würde einmal sagen, nachdem ich jetzt nicht mehr verantwortlich für die Wirtschaftsprognosen bin, sondern nur für die darauf aufbauenden Fiskalprognosen: Ich bin davon überzeugt, dass die Institute das mit dem besten Stand des Wissens machen. Ich bin aber auch überzeugt, dass niemand weiß, was die Zukunft bringt, und dass daher die Prognosen auch falsch sein können. (Ruf: Wie wir aus der Vergangenheit wissen!) Jawohl. Aber sie waren manchmal auch richtig.

Gabriel Obernosterer : Herr Kollege Fuchs, passt. Danke vielmals. Wir kommen jetzt zur ÖVP. Herr Kollege Stark, bitte schön.

Christoph Stark: Ja, ich hätte eine Frage an Prof. Badelt und gleichzeitig auch an Frau Köppl-Turyna. Es war heute noch nicht das Thema, aber es wird sicher in den kommenden Budgetdiskussionen Thema werden, und das betrifft diverse Preisdeckel, die wir in dem Haus schon leidenschaftlich diskutiert haben. Meine Frage an Sie: Aus der ökonomischen Sicht, wie stehen Sie zu allfälligen Preisdeckel, sowohl Energiepreis, Mietpreis, allgemeine Preise? Ist das ein probates Mittel, auf nationaler, ich betone, auf nationaler Ebene, das umzusetzen und hilft das dem Staat und den Menschen ökonomisch mittel- bis langfristig aus dieser schwierigen Zeit?

Christoph Badelt: Also ich halte es auf der nationalen Ebene nicht für ein probates Mittel, aus dem einfachen Grund, weil wenn Sie bei einem gegebenen Marktpreis, der höher ist als das, was Sie sich politisch wünschen, den politisch gewünschten Preis durch irgendwelche gesetzlichen oder andere Regulierungsmaßnahmen erzwingen und gleichzeitig aber die Versorgung mit dem Gut aufrechterhalten wollen, dann müssen Sie den Anbieter subventionieren.

Ich bin aber der Meinung, man sollte nicht den Anbieter subventionieren, sondern man sollte die Konsumenten, die sich das absolut nicht leisten können, wenn es um Grundbedürfnisse wie zum Beispiel Energie geht, subventionieren. Das ist nicht nur billiger, es ist auch verteilungspolitisch wesentlich gerechter, als wenn Sie jedem und jeder Staatsbürger:in in den Genuss des begünstigen Preises kommen lassen.

Es entsteht darüber hinaus dadurch auch ein Fehlanreiz, weil die Preise ja die Knappheit zum Ausdruck bringen. Diese Knappheit mag politisch hergestellt worden sein – das heißt, im konkreten Fall ist sie das zweifellos –, trotzdem ist sie da.

Sie haben nur nach der nationalen Ebene gefragt. Ich möchte aber doch dazu sagen, weil ich auch glaube, dass es wichtig ist, dass sich die österreichische Regierung dort einsetzt, dass ich es für sehr sinnvoll erachten würde, wenn man auf der europäischen Ebene den Gaspreis subventioniert für jenes Gas, das zur Herstellung von Strom verwendet wird. Dann haben Sie einerseits gesunkene Strompreise, Sie haben auf der anderen Seite aber auch die Möglichkeit, den Marktmechanismus dort werken zu lassen, und den Anreiz, möglichst billig zu produzieren.

Monika Köppl-Turyna: Ich schließe mich da eigentlich vollumfänglich an. Preisdeckel bedeuten im Klartext nur, dass ein Ungleichgewicht am Markt erzeugt wird, wo es mehr Nachfrage gibt und weniger Angebot. Und dieser Unterschied zwischen Nachfrage und Angebot ist die Knappheit. Dadurch entstehen entweder Schwarzmärkte, weil diese Produkte doch weiterhin irgendwo verkauft werden. Und wo es nicht einfach geht, entsteht einfach eine Knappheit.

Deswegen werden alle ausdrücklich, Mietmärkte zum Beispiel - - Nach einer Einführung der Preiskontrolle in Berlin ist das Angebot massiv eingebrochen. Ähnliche Effekte sehen wir in anderen Großstädten, wo Mieten reguliert werden, weil es auch in diesem Fall am Schwarzmarkt relativ schwierig ist. Und deswegen: Allgemeine Preisdeckel lösen keine Probleme und sie führen nur dazu, dass die Produkte anders verkauft werden, normalerweise eh zu dem Gleichgewichtspreis.

Und zu national, international sehe ich das eigentlich genau gleich. Ich sehe auch international, bei dem Preisdeckel muss man auch sehr vorsichtig sein. Ich schließe mich an, dass der Deckel des Gaspreises für Strom eine sinnvolle Idee ist, allerdings ein allgemeiner Gaspreisdeckel wiederum nicht, weil das würde natürlich auch wieder zu viel Nachfrage generieren und auch keinen Lenkungseffekt erzeugen. Also ich kann eigentlich nur wiederholen, was Christoph Badelt gesagt hat.

Gabriel Obernosterer: Danke schön. Herr Kollege Stark, bitte.

Christoph Stark: Kurze Nachfrage noch, danke einmal für die Ausführungen. Zum Zweiten: Ein gewaltiger Budgetposten ist ja das Transformationsbudget, das heuer zum ersten Mal wirklich greifen wird. Und meine Frage an Sie, Herr Prof. Badelt: Wie sehen Sie das in der ökonomischen Langfriststrecke? Wenn der Staat diese Transformation wirklich mit diesem Budget unterstützt, was hat das aus Ihrer Sicht für Auswirkungen? Ich habe zwar, glaube ich, heute grosso modo überall gute Feedbacks von Ihnen bekommen, auch zum Transformationsbudget, bis auf Herrn Gundinger, der das eher negativ sieht, aber darum noch meine finale Frage an Sie, Herr Prof. Badelt: Wie sehen Sie dieses Budget in der ökonomischen Langfrist?

Christoph Badelt: Na, ich glaube, das Budget hilft, den Transformationsprozess in die Praxis umzusetzen. Es hilft auf der einen Seite - ‑ es hilft im Grunde genommen, das müsste man sich jetzt bei den einzelnen Maßnahmen anschauen, den Unternehmen, einen Substitutionsprozess einzuleiten oder zu finanzieren oder mitzufinanzieren für eine Umstellung ihres Energie- oder überhaupt ihres Ressourceninputs. Es hilft für die Forschung in dieser Richtung. Und, und das ist, glaube ich, ein Punkt, den man mitbedenken muss, das wird dann nicht immer unter dem Transformationsbudget subsummiert.

Es ist natürlich auch sehr wichtig, dass die öffentliche Hand in ihrem eigenen Bereich durch entsprechende Investitionen was für die Transformation tut – und da denke ich vor allem an das Verkehrswesen, ich denke aber auch an die Gebäude. Und beim Verkehrswesen denke ich jetzt nicht nur an die Infrastruktur, sondern zum Beispiel auch an die Verbilligung oder irgendwelche günstigen Tickets für den öffentlichen Verkehr, der für den Konsumenten und die Konsumentin starke Anreize setzt, auf die Öffis umzusteigen, solange es auch das entsprechende Angebot gibt.

Die Deutschen haben, glaube ich, gezeigt, wie es nicht geht. Und ob Sie jetzt mit dem 49-Euro- ‑ Ob sich das dort ausgehen wird, da bin ich schon sehr neugierig, also ob das die Bahnen aushalten werden. Von der Idee her ist es natürlich für ein Land wie Deutschland faszinierend.

Gabriel Obernosterer: Danke. Und als Nächster zu Wort: Herr Kollege Hanger. Bitte schön.

Andreas Hanger (ÖVP, Abgeordneter zum Nationalrat): Danke, Herr Vorsitzender. Werte Expertinnen und Experten! Ich möchte ein Thema - ‑ Ich möchte eine Frage zum Thema Inflation stellen. Ich darf ja schon seit einigen Jahren auch beim Budgethearing dabei sein und kann mich erinnern, wir haben das Thema Inflation immer thematisiert, weil ja die EZB jetzt über viele Jahre schon eine sehr offensive Geldpolitik gemacht hat. Ich möchte die Frage an Prof. Badelt und vielleicht, um eine differenzierte Sicht der Dinge zu haben, auch an Herrn Marterbauer stellen:

Wir haben dazumal immer schon offensive Geldpolitik thematisiert. Eigentlich müsste das zu einer erhöhten Inflation führen, haben Sie mich dazumal noch auf der Universität gelehrt. Wenn die Geldmenge erhöht wird und das Warenangebot gleich bleibt, dann wird es Inflation geben. Ich kann mich erinnern, dass von den Experten unisono immer gesagt worden ist, das Inflationsrisiko ist ein sehr, sehr geringes. Das war das Credo all dieser Debatten, die wir da geführt haben, zumindest großteils. Und heute sehen wir natürlich eine sehr große Inflation. Jetzt muss man natürlich eingestehen, niemand hat die Energiekrise vorhersehen können.

Mich interessiert jetzt wirklich, um auf der fachlichen Ebene zu bleiben: Wie schätzen Sie die Situation ein, diese hohe Inflation, die wir derzeit haben, in der Verursachersituation der Geldpolitik geschuldet oder von der Energiesituation durch den Ukrainekrieg verursacht? Wo sind hier quasi, wenn man probiert, das zu gewichten, die Gewichtungen?

Und noch eine konkrete Frage anschließend: Was kann man jetzt tatsächlich gegen die hohe Inflation machen? Wir haben schon ein bisschen diskutiert: Preisdeckel, Regulierung, natürlich können wir das. Das Instrument der Zinsen. Die EZB und natürlich auch global - - drehen ja jetzt an der Zinsschraube mit all den Nachteilen, die dann wieder damit verbunden sind. Gibt es da noch andere Instrumente, die man ergreifen könnte, um die Inflation einzubremsen, was natürlich ein sehr großes Ziel in der Volkswirtschaft wäre?

Christoph Badelt: Also dass es einen Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation gibt, glaube ich, sehen die meisten so, obgleich sich gerade in den letzten zehn bis 15 Jahren gezeigt hat, dass, wenn Sie auf einer europäischen Ebene, wo so viele unterschiedliche Volkswirtschaften mit sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Situationen sind, wenn Sie dann nur einfach in die Erhöhung der Geldmenge stecken, Sie dann die Inflation auf der gesamteuropäischen Ebene nicht unbedingt auf die 2 Prozent bringen – das hat sich einfach empirisch so gezeigt. Also eine naive Quantitätstheorie, die gibt es halt - - das heißt, die gibt es schon, aber sie ist sicherlich nicht richtig.

Wenn ich das gesagt habe, dann will ich damit auch zum Ausdruck bringen, dass wir uns nicht darauf verlassen sollten, dass die Europäische Zentralbank jetzt einen wesentlichen Beitrag für die Senkung der Inflation leisten kann. Die mögen jetzt noch ein paar Mal die Zinsen erhöhen, Sie wissen selbst, das wirkt nur längerfristig und kann auch im Grunde genommen nur in zweifacher Hinsicht wirklich wirken: Das eine sind die Inflationserwartungen, die ja eine wichtige Rolle in der Inflationstheorie spielen, und das andere ist, dass sie damit natürlich jenen Teil der Inflation beeinflussen können, der nachfrageseitig bedingt ist. Der ist aber nach meiner Einschätzung und auch nach Einschätzung der Wifo-Experten nach wie vor der wesentlich kleinere Teil – der wesentlich kleinere Teil.

Und insofern glaube ich auch nicht, dass es durch klassische nachfragedämpfende Maßnahmen heute möglich wäre, die Inflation wesentlich zu beeinflussen, was mich zur Frage bringt, was eine Regierung, insbesondere auf der nationalen Ebene, gegen die Inflation tun kann. Ich glaube, die Regierung kann im Wesentlichen - ‑ oder vor allem die Inflationsfolgen für die Bevölkerung mildern, aber die Inflation selber nur in einem sehr kleinen Ausmaß sozusagen beeinflussen, denn was wirklich im rechentechnischen Sinn wirken würde, wären natürlich irgendwelche Preisregelungen. Jetzt sind wir bei den Preisdeckeln und dergleichen mehr. Aber ich glaube eben, dass diese aus den gesagten Gründen nicht sehr effektiv wären.

Und man muss natürlich auch sagen, dass in Ausnahmefällen oder in einzelnen Teilbereichen die öffentliche Hand sehr wohl was tun kann – also beispielsweise bei den öffentlichen Gebühren. Verzeihung, wenn ich jetzt ein triviales Beispiel bringe, aber ich habe noch nicht verstanden, warum die Erhöhung der Parkgebühren in Wien, für die man umweltpolitisch durchaus eintreten kann, eine Folge der Energiepreissteigerung sein sollten. Das hat mir noch keiner erklären können. Es ist ein kleines Beispiel, wo die öffentliche Hand – (Zwischenruf) Bitte? – also etwas bei den öffentlichen Gebühren machen kann.

Der europäische Gaspreisdeckel: Über den haben wird zuerst schon geredet, das sind auch Beispiele. Aber ich glaube, der große Zugang muss wirklich durch eine zielgerichtete Unterstützung sein, um die Inflationsfolgen abzumildern.

Markus Marterbauer: Ja, also grundsätzlich stimme ich weitgehend überein, wie meistens mit Christoph Badelt. Bei den Zahlen, was die Inflationsursachen auf Verbraucher:innenebene betrifft, sind die Antworten der Wissenschaft ja relativ eindeutig: Etwa zwei Drittel der Inflation auf Verbraucher:innenebene kommen direkt oder indirekt aus den Energiepreisen – also direkt ist klar, und indirekt über höhere Kosten und dann die entsprechenden Preisanpassungen. Wir haben also nach wie vor eine primär angebotsseitig getriebene Energiepreisinflation, und deshalb wäre ich vielleicht auch ein bisschen aufgeschlossener bei der Frage, ob man nicht direkt in Energiemärkte eingreifen soll, zumindest vorübergehend, um Preise zu regulieren, um die Dynamik herauszunehmen.

Zweiter Punkt: Ich teile die Einschätzung von Christoph Badelt, was die Quantitätstheorie betrifft – sehr schwacher empirischer Zusammenhang. Ich glaube, dass die Geldmengenerhöhungen, die es in Europa gegeben hat, ja schon nach der Finanzkrise begonnen haben. 2008/2009 haben wir schon eine Verdoppelung der Bilanz mit der EZB gehabt, und wir haben eigentlich die längste Zeit Deflationsprobleme gehabt, das Inflationsziel wurde nie erreicht.

Ähnliches gilt für Japan, wo man seit vielen Jahren versucht, die Geldmenge zu erhöhen, um endlich Inflation zu bekommen, nie ist es gelungen. Wir haben aber natürlich Effekte bei den Vermögenspreisen – Immobilienpreisen oder vielleicht auch Aktienkursen et cetera. Da sieht man es, glaube ich, schon von der Geldmengenpolitik.

Was kann man tun? – Ich bin sehr skeptisch, was die Möglichkeiten der Zinspolitik betrifft. Viele Argumente wurden schon genannt. Es würde die Nachfrage senken, und wir sagen: Ja, lasst uns eine Rezension herbeiführen! Wie viele Arbeitslose dürfen es denn sein für weniger Inflation? – Also das halte ich für ganz gefährlich. Noch dazu weiß man, dass die Verzögerungswirkungen zwischen zwölf und 18 Monate betragen. Eine jetzige Zinserhöhung wirkt also in eineinhalb Jahren, und wer weiß, wo wir dann mit der Wirtschaftslage und der Inflation sind.

Ich glaube – über das hinausgehend, was Christoph Badelt gesagt hat –, dass man jetzt vorsichtig sein muss, Trittbrettfahrereffekte auszulösen. Wenn irgendwelche Unternehmen sagen: Wir erhöhen die Preise, weil es alle anderen auch tun!, dann wird es gefährlich, wenn sich das verselbstständigt.

Man muss bei den staatlich administrierten Preisen, den automatisch steigenden Preisen aufpassen. Ich bin ein großer Kritiker dieser Mieterhöhungen bei den Richtwert- und Kategoriemietzinsen und auch bei der automatischen Anpassung von privaten Mieten, nur weil die Inflation gestiegen ist, denn das heißt ja nichts anderes als: Die Gas- und Strompreise haben sich erhöht, die Mieter:innen zahlen jetzt mehr für Strom und Gas, dadurch steigt die Inflation insgesamt, und jetzt müssen sie noch einmal mehr für die Miete zahlen. Das ist ein verrücktes System, das muss man unterbinden. Man kann jetzt sagen: Da wird eingegriffen, diese Erhöhungen sind nicht gerechtfertigt!, und damit auch sozusagen den Druck herauszunehmen, auch bei Gebühren und so weiter.

Ja, ich glaube, das war es im Wesentlichen. Ich habe schon vorhin gesagt – wenn ich das noch ergänzen darf, meine Befürchtungen; ich habe 17 Jahre Prognosen gemacht, muss es jetzt zum Glück nicht mehr machen, und ich darf deshalb jetzt ein bisschen offener sein –: Ich glaube, dass die Prognosen im Moment zu optimistisch sind, dass wir in eine Rezession geraten werden, dass das auch aufgrund dieser schwächeren Nachfrageinflation vielleicht rascher zurückgehen wird, als wir es jetzt unterstellen.

Zum Zweiten glaube ich, dass auf europäischer Ebene die Eingriffe in die Energiemärkte viel stärker sein werden und deshalb die Energiepreise rascher sinken werden. Ich könnte mir deshalb vorstellen – aber ich sage es jetzt sozusagen ungeschützt, meine Prognose müssen Sie ja nicht mehr so ernst nehmen wie noch zu der Zeit, als ich am Wifo für Prognosen zuständig war –, dass das auch durchaus rascher wieder zurückgeht, und glaube auch, dass der Zinserhöhungszyklus viel schneller vorbei sein wird, als jetzt allgemein angenommen wird.

Gabriel Obernosterer: Herr Kollege Hanger, haben Sie noch eine kurze Zusatzfrage? Fertig? – Danke schön.

Wir haben noch ein paar Sekunden. Herr Kollege Hörl, wollen Sie in die zweite Runde zurückgehen? Wir haben noch ein paar Sekunden – eine kurze Frage.

Franz Hörl (ÖVP, Abgeordneter zum Nationalrat): Ja, ich habe eine ganz kurze Frage an Herrn Prof. Marterbauer. Sie haben in Ihrem Vortrag von mehreren Hunderttausend potenziellen Arbeitnehmer:innen gesprochen. Was meinen Sie damit? Und noch eine Zusatzfrage: Miserabel bezahlte Branchen – wen genau meinen Sie?

Markus Marterbauer: Ich beginne mit der zweiten Frage. Wenn Sie sich die kollektivvertraglichen Löhne anschauen, so sehen Sie, dass es in Österreich große Unterschiede gibt. Gestern oder heute in der Nacht wurde in der Metallindustrie ein Kollektivvertragsabschluss erreicht, nach dem die unterste Lohngruppe – das ist für nicht Qualifizierte ohne Arbeitserfahrung – auf 2 300 Euro erhöht wird. Das erreicht man beim Friseurgewerbe selbst nach zehn Jahren nicht, das ist im Kollektivvertrag gar nicht drinnen.

Im Tourismus und in der Gastronomie beginnt man mit etwa 1 700 Euro und kommt kaum sehr viel weiter hinauf. Ich meine die Metallindustrie: Wenn Sie sich anschauen, wo dort die Löhne sind, sehen Sie, dass wir in der Metallindustrie in der 50. Lohngruppe über 7 000 Euro, 8 000 Euro haben – das gibt es sonst in wenig Kollektivverträgen.

Das heißt, die Lohnunterschiede sind massiv. Ich frage mich: 600 000 bis 800 000 Leute in Österreich verdienen brutto unter 2 000 Euro für Vollzeit, und man fragt sich, wie man davon leben soll, noch dazu bei einer Preissteigerungsrate von 10 Prozent. Die 2 000 Euro vom letzten Jahr sind jetzt sozusagen nur noch 1 800 Euro.

Das heißt, wir haben sehr schlecht zahlende Branchen, und die Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik müsste sein, Leute aus schlecht zahlenden Betrieben in gut zahlende Betriebe, die es in den gleichen Branchen auch gibt, zu bringen – wir haben in der Hotellerie gute Betriebe, die gut zahlen. Das bringt auch viel mehr Produktivität, das bringt auch insgesamt gesamtwirtschaftlichen Fortschritt. Wir müssen sie aus schlecht zahlenden Dienstleistungsbereichen in die gute Industrie bringen.

So, jetzt gab es die Frage nach dem Arbeitskräftepotenzial. – Ich muss schauen, dass ich kurz antworte, Herr Vorsitzender, es würde lange Antworten erfordern. – Ich beginne mit der ersten großen Gruppe: Frauen. Wenn wir die Frauenerwerbsquote der Niederlande, die die höchste Quote haben, hätten, wären ungefähr 150 000 Frauen mehr in Erwerbstätigkeit. Wenn wir in der Teilzeitbeschäftigung, bei der im Moment die durchschnittliche Stundenanzahl in Österreich knapp 20 Stunden pro Woche beträgt, die Stundenanzahl auf 25 wie in Belgien erhöhen, bekommen wir ungefähr 100 000 Frauen sozusagen zusätzlich hinein.

Bei den Älteren ist es so, dass wir bei den 55- bis 60-Jährigen jetzt schon eine Erwerbsquote wie bei den 20- bis 50-Jährigen haben. Es gab große Fortschritte in den letzten zehn Jahren: von 50 auf 80 Prozent, das hat sehr viel gebracht. Bei den 60- bis 64-Jährigen haben wir die Beschäftigungsquote von 10 auf 30 Prozent erhöht. Wenn das auf 50 Prozent geht, sind das noch einmal ungefähr 60 000 bis 70 000 Leute.

Wir haben von den 300 000 Arbeitslosen ungefähr, würde ich sagen, die Hälfte unmittelbar zur Verfügung, das sind 150 000 mehr. Wir haben bei den schlecht zahlenden Betrieben und Branchen, von denen ich vorhin gesprochen habe, 600 000 bis 800 000, würde ich eben sagen, die man in bessere Jobs bringen kann.

Wir kommen also in Österreich im Inland auf riesige Arbeitskräftepotenziale, wir brauchen aber Politik, die uns hilft, sie zu heben.

Gabriel Obernosterer: Danke schön. – Damit kommen wir zur nächsten Fraktion, und zwar zur Frau Kollegin von den NEOS, Frau Doppelbauer – bitte schön.

Karin Doppelbauer (NEOS, Abgeordnete zum Nationalrat): Herr Vorsitzender! Herr Finanzminister! Werte Expertinnen und Experten! Ich möchte meine erste Frage an Frau Dr. Köppl-Turyna stellen und würde gern damit beginnen. Wir haben im NEOS-Lab etwas erarbeitet, das Zukunftsindikator heißt. Da geht es darum, dass man sich anschaut, was die langfristigen Ausgaben sind, die man als Staat tätigt, um eben zum Beispiel in Bereichen wie Wissenschaft, Bildung und Klima auch langfristige nachhaltige Akzente setzen zu können. Da würde mich interessieren, was Sie von einer solchen Kennzahl zur Budgetsteuerung halten, um eben auch sicherzustellen, dass auf diese Zukunftsinvestitionen nicht vergessen wird.

In diesem Zusammenhang würde ich Sie dann auch gerne bitten, Ihre Einschätzung zu geben, wir zukunftsorientiert denn das Budget 2023 ist, welche zukünftigen Herausforderungen für Generationen auf uns zukommen und in welchen Bereichen Sie nicht nur mehr, sondern auch effizienter investieren würden, weil es ja tatsächlich nicht immer – aus meiner Sicht zumindest – eine Frage des Geldes ist, sondern auch der Struktur und der Qualität.

Und im letzten Schritt dazu: Wie würden Sie denn das gegenfinanzieren, welche Effizienzpotenziale würde Sie denn sehen? Denn heute ist ja auch sehr viel darüber diskutiert worden, dass wir eventuell auch an den Einnahmen schrauben müssen.

Monika Köppl-Turyna: Vielen Dank. – Zur Zukunftsquote, zum Zukunftsbudget: Das orientiert sich an einem ähnlichen Instrument, das in Deutschland am ZEW, das ist ein deutsches Forschungsinstitut in Mannheim, entwickelt worden ist. Ich denke, solche Indikatoren sind natürlich eine gute Hilfe, um die politischen Ziele des Budgets knapp zu erfassen.

Wir haben ähnliche Instrumente für Genderbudgeting, die uns sagen, wie viel an Budget in Frauenthemen fließt, und diese Zahl wäre mehr oder minder geeignet, um zu sagen, wie viele dieser investiven und zukunftsorientierten Ausgaben fließen.

Natürlich sind solche Indikatoren immer gewissermaßen nach Kriterien ausgewählt, die nicht objektiv sind, aber das ist auch nicht Ziel der Übung.

 

Die sollen auch subjektiv sein und gewisse politische Ziele darstellen. Wenn man die Zukunft im Budget als wichtiges politisches Ziel erachtet, dann ist das sicher etwas Sinnvolles. Besser wäre wahrscheinlich noch, da etwas Europäisches zu haben, mit dem wir uns ein bisschen benchmarken und mit den anderen Ländern vergleichen können. Vielleicht kann jemand auch so etwas entwickeln.

Was das Thema Zukunftsorientierung des Budgets betrifft, muss ich sagen, dass das natürlich kein sehr großer Schwerpunkt dieses Budgets ist. Wir haben vorhin schon sehr viel darüber gesprochen, dass der größte Brocken im Budget nach wie vor die Pensionsausgaben sind, und das ist auch etwas, was uns sehr viel Spielraum nimmt, anderen Zukunftsbereichen vielleicht mehr Mittel zu geben.

Ich habe noch eine Zahl, die ich vorhin nicht genannt habe: 2019, also vor der Coronakrise, lag die Zeit von Frauen in Pension – durch die Lebenserwartung von Frauen – bei 26 Jahren, und Frauen arbeiten im Schnitt 36 Jahre. Wir haben also derzeit eine Situation, in der Frauen nur zehn Jahre kürzer in Pension sind, als sie im Arbeitsleben sind, und den Großteil dieses Arbeitslebens verbringen Mütter in Österreich auch in Teilzeit. Dieses große Pensionsloch ist also prinzipiell faktisch auf das weibliche Arbeitsangebot zurückzuführen. Da muss auch signifikant mehr zugeschossen werden als bei den Männern, und dies nimmt uns sehr viel Spielraum weg. Gleichzeitig – Markus Marterbauer hat das angesprochen – gibt es ein enormes Potenzial auf dem Arbeitsmarkt, das uns auch wirtschaftlich weiterbringen würde, wenn wir diese Arbeitskräfte mobilisieren würden.

Wo würde ich es stattdessen investieren? – Natürlich gibt es diese Effizienzpotenziale, neben den Pensionskosten gibt es diese großen Effizienzpotenziale.  –Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Zahlen haben, Herr Kollege, ich sehe sie vielleicht nicht so hoch wie Sie, aber doch aufgrund der internationalen Benchmarks zu den anderen Ländern, aber auch der nationalen Benchmarks: Diese Möglichkeit haben wir, weil viele Bereiche bei uns föderal organisiert sind, also Pflege, Gesundheit, Bildung. Das können wir gut über die Bundesländer vergleichen, das ist dann besser vergleichbar als mit anderen Ländern, und wir kommen schon auf vier, fünf Milliarden Euro im Jahr, die wir alleine aus diesen Bereichen herbekommen.

Was die Vorschläge betrifft – weil das natürlich einfach zu sagen ist –: Ja, die kann man durch Föderalismusreform hebeln – du, Christoph, hast das ja bereits angesprochen. Es gibt auch unzählige Vorschläge von Forschungsinstituten in Fragen der Gesundheit. Da geht es um überregionale Planung, um mehr Prävention, weniger stationäre Aufenthalte. Da gibt es wirklich konkrete Vorschläge für diese Bereiche, um diese Effizienz zu hebeln.

Für die Pflege gibt es vom Wifo eine sehr gute Studie, die auch zeigt: zum Beispiel mehr Case- und Caremanagement, mehr darauf zu schauen, ob die Pflegedienstleistungen, die man verrechnet, wirklich benötigt werden, vielleicht wäre eine Stufe darunter oder eine andere, günstigere Pflegedienstleistung geeignet – da gibt es auch Möglichkeiten.

In der Bildung – das haben wir bereits angesprochen – geht es primär um die Mittelverteilung, die mehr aufgabenorientiert erfolgen und sich an den Bereichen orientieren soll, in denen es besonders viel Bedarf gibt: vor allem an Ballungsräumen, in denen es viele Kinder mit Migrationshintergrund gibt, die sich in der Schule sehr schwer tun, und so weiter.

Da gibt es also Vorschläge, das ist nicht nur eine Zahl, die wir nennen, sondern wir haben auch wirklich konkrete Vorschläge, wie man diese Effizienz hebeln kann.

Was würde ich stattdessen tun? – Ja, es sind die drei Bereiche, das wurde heute auch schon angesprochen.

Bildung: Wir haben hohe Ausgaben vor allem im sekundären Bereich, nicht so hohe in der Elementarpädagogik, und nach sehr vielen Untersuchungen ist die Elementarpädagogik signifikant wichtiger für das Bildungssystem, weil da die großen Potenziale gehoben werden. Da kann man die soziale Mobilität am meisten steigern, da nehmen wir die Kinder mit, die dann später öfters auf das Gymnasium gehen. Das hat dann großes volkswirtschaftliches Potenzial.

Die Digitalisierung wurde auch schon angesprochen. Wir haben letztes Jahr eine Studie durchgeführt und gezeigt, dass durch Breitbandinvestitionen in den letzten zehn Jahren etwa 19 Milliarden Euro am BIP generiert worden sind. Da gibt es auch sehr viele Studien, die zeigen, welche Effizienzpotenziale es dadurch in der Anwendung, in der öffentlichen Verwaltung gäbe – das gehört jedenfalls gemacht.

Klima: Ich glaube, wir haben heute schon lange über das Klima gesprochen. Ich schließe mich grundsätzlich dem an, was gesagt worden ist: dass die Notwendigkeit besteht, und natürlich muss diese Wende viel schneller erfolgen. Ich verstehe Ihre Kritik, aber ich glaube, das Risiko der Deindustrialisierung minimieren wir, indem wir da schnell vorgehen, denn ich weiß nicht, was die Alternative zu günstiger Energie sein soll, und die muss künftig grün sein. Dadurch, dass wir jetzt hohe Energiekosten haben, ist dieses Risiko der Deindustrialisierung so groß. Wenn wir wieder günstigere Energie aus grünen Quellen haben, dann ist unsere Industrie vielleicht wieder kompetitiver am Weltmarkt. Deswegen muss es schnell und rasch erfolgen. Sie haben recht, es ist wahrscheinlich zu langsam.

Martin Gundinger: Ganz kurz nur, wenn ich darauf antworten darf – natürlich nicht zum Klimathema, nur zu den Zahlen –: Da geht es darum, dass das die Cofag-Zahlen waren. Da ist dann das Einsparungspotenzial aus den Differenzen errechnet worden, und das ist dann auf das Budget umgelegt worden.

Karin Doppelbauer: Dann würde ich die Frage auch noch ganz gerne an Herrn Prof. Badelt weitergeben, nämlich auch in dem Zusammenhang, dass Sie in einem Interview gesagt haben, Sie möchten in fünf Jahren nicht Finanzminister sein. Da wurden Sie in der „Wiener Zeitung“ zitiert, im Vorfeld der Budgetrede, und da würde mich interessieren, warum Sie diese Aussage doch sehr pointiert getroffen haben, wie Sie auf die Zukunftsfähigkeit unseres Budgets schauen, wie Sie das Budget in Österreich zukunftsorientierter machen würden und welche zwei Reformen aus Ihrer Sicht die kritischsten sind, die man in dieser Legislaturperiode noch angehen muss.

Christoph Badelt: Also zunächst einmal habe ich dem Herrn Bundesminister schon gesagt: Dieses Zitat ist zwar richtig, aber wie oft bei Zitaten ist es nur der erste Teil einer Aussage, die ich wirklich gemacht habe. Ich habe nämlich als Zweites dann gesagt: Ich will auch jetzt nicht Finanzminister sein. – Es hat den Herrn Bundesminister sehr beruhigt, dass er in mir keinen Konkurrenten sieht. (Heiterkeit.) Das ist ja immerhin schon einmal wichtig, nicht?

Aber jetzt im Ernst: Warum habe ich das gesagt? – Weil ich tatsächlich glaube, dass wir in schwierigere Zeiten hineinkommen, nämlich budgetär gesehen – sonst vielleicht auch. Ich habe diesen Glauben auch schon vor der Covid-Krise gehabt. Durch die beiden Krisen, kann ich jetzt sagen, ist das Thema ein bisschen verschoben worden, aber es ist nicht gelöst worden. Was will ich damit sagen? – Seit wir die Covid-Krise haben, wird ein Finanzminister nicht mehr daran gemessen, ob er ein möglichst geringes Defizit oder gar einen ausgeglichenen Haushalt hat, sondern er vollzieht das, was man als notwendig ansieht, und dann kommt halt am Schluss irgendein Defizit heraus.

Das ist jetzt vielleicht ein bisschen abwertend gesagt und ungerecht in diesem Sinn, aber darin liegt, glaube ich, schon auch ein Körnchen Wahrheit. Das ist ja auch gut, oder es ist ja auch, wie ich vorhin gesagt habe, einfach die realistische Situation in der Krise. Je länger man das aber hat und je höher auch der Schuldenstand am Anfang ist, desto schwieriger ist es dann, die Staatsfinanzen zu konsolidieren – und mit Konsolidieren meine ich jetzt vor allem auch die Rückführung von Schulden, die mit einer krassen Reduktion des Defizits einhergeht.

Dass wir uns das alles jetzt so locker leisten konnten, hat ja auch damit zu tun gehabt, dass wir vor der Covid-Krise eigentlich in einer sehr guten Situation der Staatsfinanzen waren. Auf dieser Basis konnten wir aufbauen. Irgendwann holen uns dann all diese langfristigen Probleme ein.

Ich glaube, dass wir da auch mutiger sein müssten. Vorhin ist über Pensionen und Gesundheit geredet worden, das sind extrem sensible Bereiche, weil man nicht einfach in der Gesundheit sparen kann, sondern man muss sehr genau hinschauen, wie man ein bisschen Geld aus dem System nehmen kann, das nicht die Qualität verschlechtert.

Bei den Pensionen ist es einfach so: Gäbe es sonst keine Probleme, würde ich diese zusätzliche demografische Belastung locker in Kauf nehmen und sagen: Das werden wir schon mit dem Wirtschaftswachstum irgendwie lösen!, aber wir brauchen Spielraum für die wirklich großen Themen, und das ist heutzutage einmal das Klima. Da wurde schon gesagt: Es passiert irrsinnig viel, aber immer noch zu wenig. Es sind aber auch die technologische Entwicklung und damit die Voraussetzungen für eine Wirtschaft von morgen und damit sehr oft verbunden die Forschung, für die wir einfach viel zu wenig tun.

Wir müssen uns dem Faktum stellen, dass wir zunehmende soziale Probleme haben. Damit meine ich nicht – einmal locker gesagt, vielleicht nicht zum Zitieren, obwohl das in diesem Kreis blöd ist –: Das Bisschen Wohlstandsverlust, das wir jetzt durch die Inflation haben, würden wir noch leicht wegstecken. Es ist nicht angenehm, aber von so einem hohen Niveau herkommend halten wir das schon noch aus, daran geht unsere Gesellschaft nicht zugrunde. Sie geht aber unter Umständen daran zugrunde, wie viele Leute wirklich das Gefühl haben, sich das Alltagsleben nicht mehr leisten zu können. Das ist ein echtes Problem, weil das in eine Unzufriedenheit übergeht, die in eine Politikfeindlichkeit führt, die dann letztlich demokratiegefährdend ist, weil sie Populismus fördert und dergleichen mehr. Das sind einfach wahnsinnig große Probleme, und dafür bräuchten wir Spielraum.

Die Pflege ist auch ein solches Thema; gerade bei der Pflege haben wir zum Beispiel ein Föderalismusthema und dergleichen mehr. Also ich habe jetzt nicht nur zwei, sondern vier genannt, aber umso vorsichtiger wäre ich, einfach pauschal nur zu sagen – und das sage ich jetzt auch, um sozusagen Ihre politischen Positionen ein bisschen zu challengen –, jetzt kommt es nur einmal auf die Entlastungen an der Steuerfront an. Na, ich will das gesamthaft sehen: Was sind die großen öffentlichen Aufgaben, die wir haben, und wie können wir die auch bezahlen?

Karin Doppelbauer: Herzlichen Dank. Dann möchte ich noch einmal zu Ihnen zurückkommen, Frau Dr. Köppl-Turyna. Sie haben ja vorhin ein bisschen den Kopf geschüttelt, als es um das Thema Inflation, getrieben durch die Energiepreise, ging. Dazu wollte ich noch gerne Ihre Position hören. Es würde mich interessieren, wie Sie da darauf schauen.

Monika Köppl-Turyna: Ich kenne jedenfalls eine Untersuchung der EZB, die ist recht frisch und zeigt schon, dass gut die Hälfte des Effekts schon noch nachfragegetrieben ist. Also ich würde nicht die Einschätzung teilen, dass es nur die Angebotsseite ist, dafür haben wir auch schon Anzeichen im Jahr 2021 gehabt: Da sind die Großhandelspreise schon lange, bevor der Ukrainekrieg ausgebrochen ist, relativ hoch gestiegen. Und es ist zum Teil natürlich die EZB, zum Teil sind es die fiskalpolitischen Maßnahmen nach der Covid-Krise; das ist auch etwas, was die Nachfrage jetzt sozusagen noch immer ein bisschen befeuert.

Also ich würde es jedenfalls nicht unterschreiben, dass es sich um ein rein angebotsseitiges Problem handelt. Und wäre es auch ein rein angebotsseitiges Problem, ist es auch nicht so, dass die Zinsen da völlig ineffizient bei der Lösung sind. Sie bringen schon natürlich eine gewisse Nachfragesenkung, die zum Teil auch notwendig ist, aber vor allem im internationalen Umfeld ist das jetzt ein großes Problem, denn die Fed hat jetzt zum vierten Mal die Zinsen erhöht. Das bedeutet, der Dollar ist noch stärker geworden und alles, was wir in Dollar kaufen, unter anderem auch Energie, ist dadurch noch teurer geworden.

Das ist auch das geopolitische Problem, das die EZB hat, womit es auch einen gewissen Druck in die Zinserhöhung geben muss. Ich glaube, die differenzierte Position wäre es, zu sagen, es ist natürlich das Angebot – das ist klar und das ist das Hauptproblem –, aber dass die EZB da völlig ohnmächtig ist, würde ich nicht sagen.

Karin Doppelbauer: Ja, vielen Dank. Dann würde ich gerne noch eine Frage stellen, weil es heute schon sehr oft gekommen ist und weil es ja auch der richtige Zeitpunkt ist: Föderalismusreform ist ja etwas, das im Augenblick offenbar bei allen Ökonomen hier aus den Reihen ein großes Thema ist.

Da würde ich auch gerne mit Ihnen beginnen, Frau Dr. Köppl-Turyna. Sie haben es in Ihrem Statement erwähnt, Föderalismus ist extrem und unnötig teuer. Aus meiner Sicht hat man in der Pandemie auch gesehen, dass es tatsächlich auch gefährlich sein kann, vor allem auch im Gesundheitsbereich und auch im ökologischen Bereich, wenn wir uns jetzt nur anschauen, was wir eigentlich Tag für Tag in Österreich noch an Flächen zubetonieren. Da würde mich Ihre Position interessieren, was Sie da am dringendsten sehen würden; auch die Position von Herrn Marterbauer und von Frau Dr. Schratzenstaller bitte zu diesem Thema.

Monika Köppl-Turyna: Gerne. Also die Vorschläge für Reformen liegen, glaube ich, schon lange vor. Wir haben vor ein paar Jahren eine gemeinsame Studie mit dem Wifo gemacht; da, Margit, warst du auch Koautorin. Ich glaube, das sollte sich jeder für die Verhandlungen zu Herzen nehmen, die jetzt, 2023, starten werden. Ich würde drei Elemente des Föderalismus nennen: Ein Element sind Aufgaben, das andere Einnahmen, das dritte ist der Finanzausgleich im engeren Sinne.

Aufgaben – das haben Sie angesprochen –: Eine Hauptregel am föderalen System muss natürlich immer sein, dass die Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen so weit wie möglich zusammengehören, nicht auseinanderfallen, und dann diese Ebenen der Verwaltung zugewiesen sind, die mit niedrigen Externalitäten verbunden sind. Nehmen wir zum Beispiel die Klimapolitik: Es ist natürlich nicht optimal für eine Steuerung, wenn ein Bundesziel gesetzt ist, aber die Gemeinden große Macht haben, gewisse Entscheidungen zu treffen, deren Externalität auf das ganze Land Auswirkungen haben. Deswegen muss man sich vielleicht in vielen Belangen noch einmal ein bisschen überlegen, auf welcher staatlichen Ebene welche Aufgaben am besten aufgehoben sind, um gewisse Ziele zu erreichen.

Mit diesen Aufgaben kommen natürlich Einnahmen, Ausgaben. Das hat der Christoph Badelt schon angesprochen. Wir haben diese auseinanderklaffende Ausgaben- und Einnahmenverantwortung. Mehr Einnahmenverantwortung für die unteren Ebenen der Verwaltung wäre im Sinne der Transparenz und Effizienz – dafür gibt es unzählige empirische Belege, dass das mit sorgsamem Umgang mit Steuergeld einhergeht, mit niedrigen Steuersätzen einhergeht und einfach viel mehr Rechenschaftspflicht gegeben ist.

Was bedeutet das konkret? – Ich glaube, bei der Länderebene haben wir in den Studien normalerweise eine gewisse Autonomie bei der Erhebung der Einkommensteuern vorgebracht, aber eine relativ kleine Steuer wäre zum Beispiel am Anfang auch die motorbezogene Versicherungssteuer. Das ist eine Steuer, die sich gut für die Länderebene eignen würde, um sie autonom zu gestalten.

Bei der Gemeindeebene gibt es auch Vorschläge. Ich habe einen vielleicht radikal klingenden Vorschlag: weg von der Kommunalsteuer, hin zu anderen Steuerarten. Bei der Grundsteuerreform geht es vorwiegend um die Bemessungsgrundlage. Eine klassische Steuerlehre sagt uns, dass eine Bemessungsgrundlage breit sein soll und die Steuersätze niedrig, um eine effiziente Steuer zu haben. Das ist bei der Grundsteuer genau umgekehrt, was dazu führt, dass, obwohl wir eigentlich im föderalen System einen gewissen fiskalischen Wettbewerb hätten, es eine Möglichkeit gibt, dass die Gemeinden theoretisch die Grundsteuersätze senken, das tun sie aber nicht, weil es natürlich an der Bemessungsgrundlage liegt. Also ein System mit einer breiteren Bemessungsgrundlage würde auch dazu führen, denke ich, dass es mittelfristig die Sätze senken würde, weil es mehr Wettbewerb zwischen den Gemeinden gäbe. Das sehen wir in anderen Ländern, die solche Systeme haben, etwa in Polen, dass es da einfach einen gewissen Effizienzeffekt gibt.

Dann haben wir den Finanzausgleich im engeren Sinn, da ist das Wort Aufgabenorientierung einfach im Bildungssystem; wir haben Elemente davon mit der 15a-Vereinbarung bei der Kinderbetreuung bekommen, aber das ist noch immer zu wenig. Da muss in anderen Bereichen, in Pflege und Gesundheit und in Bildung, viel mehr aufgabenorientiert agiert werden.

Markus Marterbauer: Ich möchte drei Punkte nennen. Der erste ist: Wir haben im föderalen System in vielen Aufgabenbereichen so viele Zuständigkeiten und so viele Finanzströme, sodass nicht einmal die Expert:innen, die sich im Detail damit beschäftigen, das alles nachzeichnen können. Ich erinnere mich daran, dass wir im Fiskalrat eine umfassende Studie über die Finanzierung des Pflegesystems hatten. Die vielen Finanzströme sind vielfach ein Rätsel oder nicht im Detail nachvollziehbar und auch nicht verständlich. Dann können natürlich auch die Effekte so eines Systems schwer bemessen werden, wenn die Ströme so unübersichtlich sind. Das heißt, entscheidend ist Transparenz und auf Basis von Transparenz dann versuchen, Vereinfachungen vorzunehmen und die Finanzierungsströme klarer zu machen. Das sind alles riesige Aufgaben und unbedankt, wenn man das umsetzt, aber das wäre ganz, ganz wichtig. Die Pflege ist hier nur ein Beispiel für viele andere Ausgabenbereiche.

Zweiter Bereich: aufgabenorientierter Finanzausgleich. Ich glaube, da gab es einmal wirklich gute Schritte und erste Programme, bei denen man das versucht hat – das ist schon eine Weile her –, aber die 15a-Vereinbarungen zur Elementarpädagogik wären der richtige Ansatz, aber dann braucht es natürlich auch die ausreichenden Mittel, um das wirklich umzusetzen. Ich habe in meinem Eingangsstatement schon gesagt, wir haben jetzt in dieser konkreten 15a-Vereinbarung 250 Millionen für die Elementarpädagogik und wir wissen, um sozusagen die qualitativen und quantitativen Standards in der Elementarpädagogik wirklich einzuhalten, bräuchten wir mindestens das Vierfache. Das heißt, das muss dann schon ineinander spielen.

Leider ist dieser aufgabenorientierte Finanzausgleich dann völlig eingeschlafen. Nach dem ersten guten Aufschlag hat man das nicht weiter fortgesetzt, aber jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, zu sagen, wir wollen das als Nächstes in der Tagesbetreuung haben. Ganz, ganz entscheidend! Es gibt so riesige Unterschiede – ich habe versucht, das im Eingangsstatement zu sagen–: In der Tagesbetreuung bei den Sechs- bis 13-Jährigen ist das Ziel die 40 Prozent-Quote – die Skandinavier lachen uns aus mit so etwas. Das Doppelte ist dort normal. Das Ziel von 40 Prozent wird von Wien erreicht, da sind es 50 Prozent, und vom Burgenland. Die anderen grundeln bei 20 Prozent. In Tirol waren es meiner Erinnerung nach 14, 15 Prozent. 14, 15 Prozent der Sechs- bis 13-Jährigen haben eine Tagesbetreuung. Na, hallo, was heißt das für die Gesellschaft?! Was heißt das für die Erwerbstätigkeit, die Gleichberechtigung der Frauen und so weiter?

Hier zu sagen, machen wir im Finanzausgleich eine Aufgabenorientierung, da gibt es Mittel, um das voranzutreiben, das würde uns wirklich auch gesellschaftlich, sozial, gleichstellungspolitisch und ökonomisch ganz weit bringen.

Jetzt wollte ich noch etwas Drittes sagen, nur: Was war das? – Ja, vielleicht noch eine kleine Ergänzung, was die Steuern betrifft. Also ich kann mir in Österreich nicht ein Modell vorstellen, wo man neun verschiedene Einkommensteuersysteme hat. Dann fangen wir ein bisschen später wieder an, bei der Pflege nachzuzeichnen, was da ist, und dann haben wir an der Grenze von Niederösterreich und Oberösterreich unterschiedliche Einkommensteuersätze. Na, lustig! Die einen wohnen in Niederösterreich, arbeiten in - - Na, ja!

Ich glaube aber, dass das in einigen Bereichen tatsächlich möglich ist. Die Grundsteuer hat einen enormen Reformbedarf. Da möchte ich nur eines einbringen: Es gibt ein ausgearbeitetes Modell für die Reform der Grundsteuer, von Städte- und Gemeindebund gemeinsam – das Altlengbacher Modell liegt seit ein paar Jahren vor –, wo versucht wird, die Immobilienbewertung auf Verkehrswerte zu bringen, klare Grundsätze. Das könnte man sofort umsetzen – passiert nicht, obwohl man glauben müsste, betreffend Städte- und Gemeindebund ist schon der Kompromiss beinhaltet. Dort weiterzugehen, das hielte ich für ganz, ganz wichtig.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Viel Neues kann ich jetzt nicht dazu sagen, sondern nur im Sinne der Zeitökonomie einfach bestätigen. Ich glaube, dass wir eine radikale Aufgabenentflechtung, eine ganz klare Zuordnung der Verantwortlichkeiten brauchen. Das würde auch die Entflechtung der Transferströme ermöglichen und wäre eigentlich der Hebel für die Effizienzreformen, über die wir jetzt seit fast drei Stunden reden – ob das die Bildung ist, ob das das Gesundheitswesen ist, ob das das Fördersystem ist.

Die Abgabenautonomie selektiv halte ich für wichtig, verbunden mit einer Ökologisierung auch auf den subnationalen Ebenen. Wenn wir über die Ökologisierung des Abgabensystems reden, schauen wir eigentlich einfach immer nur auf den Bund. Ich glaube, es gibt auch Potenzial auf den subnationalen Ebenen.

Zwei Dinge noch ganz kurz: Koordination, Klimagovernance habe ich vorhin angesprochen. Ich glaube, wir brauchen eine stärkere Koordination zwischen den Ebenen in zahlreichen Aufgabenbereichen. Das Zweite ist: Transparenz erhöhen, aber das ist hier auch schon genannt worden.

Christoph Badelt: Darf ich nur einen Satz sagen, weil ich nicht gefragt war? Denken Sie daran, dass es eine Aufgabenverteilung eigentlich nur in der Hoheitsverwaltung gibt und in der Privatwirtschaftsverwaltung machen alle Gebietskörperschaften, was sie so gerne wollten. Das ist auch eine Quelle des Problems – wollte ich nur gesagt haben –, keine allzu kleine, wenn Sie etwa an die Subventionen denken.

Gabriel Obernosterer: Danke. Ich glaube, als Nächster ist Herr Kollege Loacker dran. – Bitte schön.

Gerald Loacker (NEOS, Abgeordneter zum Nationalrat): Danke, Herr Vorsitzender! Die Gefahr besteht ja, dass man darüber spricht, was man nicht beeinflussen kann, beispielsweise über Föderalismusfragen. Wenn wir jetzt schauen: Der Staat hat bekanntlich ein Ausgabenproblem, kein Einnahmenproblem. Wo sind die größten Kostentreiber und wo wäre das Sparen im System auch leicht umzusetzen? Das würde ich gerne von Frau Dr. Köppl-Turyna und von Frau Dr. Schratzenstaller hören, denn leicht umzusetzen fände ich zum Beispiel - - Wir haben 60 Prozent mehr Polizisten als die Schweiz. Leben wir um so viel sicherer? Was sehen Sie für Potenziale?

Monika Köppl-Turyna: Ich glaube, da muss ich mich noch einmal wiederholen. Es gibt Effizienzpotenziale in vielen Bereichen. Das ist ja genau die richtige Frage, die wir uns immer stellen müssen: nicht, wie viel Geld wir ausgeben, sondern was ist das Verhältnis des ausgegebenen Geldes zu den Outputs, die wir damit erzielen? Da kann man natürlich lange streiten, welche Outputs gut sind, aber es gibt sehr viele Studien, die sich für viele Bereiche mit diesem Thema auseinandersetzen.

Allgemein wäre der erste Rat, eben wie Sie richtig sagen, zu fragen: Wie viele Polizisten haben wir? Haben wir so viel weniger Kriminalität? Ich weiß jetzt nicht, ob wir so viel weniger haben oder nicht, aber das ist genau die richtige ökonomische Frage. Diese Frage müssen wir bei Bildung, Gesundheit, Pflege, Verwaltung, Klima, bei allem stellen: Was ist sozusagen der günstigste Weg zum Ziel? Wenn wir diese Bereiche auch in den Studien summieren, die wir kennen, so kommen wir auf einige Milliarden Euro Ersparnis im Jahr.

Das Zweite sind natürlich die Pensionen – das kann ich hier nochmals betonen, das wurde, glaube ich, hier zu wenig gesagt –: faktisches Antrittsalter, ja, wichtig. Viel wichtiger ist das gesetzliche Antrittsalter, denn das ist das Einzige, was das Problem auf Dauer lösen kann. Das faktisches Antrittsalter führt dazu, dass wir fünf Jahre später genau dieselben hohen Ausgaben haben werden, aber die haben wir fünf Jahre in die Zukunft der nächsten Regierung angehängt. Also nur durch die Erhöhung des gesetzlichen Antrittsalters wird man die Pensionsausgaben auf Dauer in den Griff bekommen.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ja, ganz kurz und im Wesentlichen – im Wesentlichen! – wieder affirmativ: Sparen im System sind zum großen Teil die Föderalismusthemen, die wir jetzt alle angesprochen haben. Zum Zweiten glaube ich, dass man tatsächlich aber eher auf das faktische Pensionsantrittsalter abzielen, also in diesem Bereich etwas tun muss.

Gerald Loacker: Danke schön. Es ist schon die Gefahr der Deindustrialisierung angesprochen worden. Wie schauen Sie da innerhalb von Europa auf Österreich mit den unterschiedlichen Voraussetzungen? Und: Die Regierung hat gerade einen Transformationsfonds für die Industrie angekündigt. Sind die da in Aussicht gestellten Mittel und Maßnahmen aus Ihrer Sicht ausreichend oder wirft man hier nur Geld aufs Problem? Was würde es tatsächlich brauchen? – Monika Köppl-Turyna, bitte.

Monika Köppl-Turyna: Ich glaube, das müssen wir ein bisschen mehr systemisch sehen. Ich finde, der Transformationsfonds ist eine sehr gute Sache und ich glaube, es ist sehr wichtig, dass es diesen Schwerpunkt im Budget gibt. Aber was mir ein bisschen fehlt, ist vielleicht noch eine größere strategische Sicht. Das ist ähnlich wie bei der Frage der Effizienz. Wir werden die großen Probleme mit 5 Milliarden auch nicht lösen. Dafür braucht es einfach einen systemischen, strukturellen Ansatz und vor allem eine Strategie. Wofür soll das Geld ausgegeben werden? Ich glaube, das ist auch noch nicht ganz klar. Wir haben ja schon hohe Preise. Viele Industriebetriebe haben ja genug Anreiz. Wir müssen nicht die, die profitabel sind, dann noch zusätzlich fördern.

Da fehlt mir vielleicht noch ein bisschen die konkrete Ausgestaltung, aber vor allem fehlt mir ein systemischer Ansatz der Standortattraktivität allgemein und eben die Frage: Wie kommen wir zu der günstigen Energie? Und wie kann uns diese Klimawende wirklich gegen die Deindustrialisierung helfen? Um nur ein Beispiel zu nennen: Es ist eine gute Sache, dass die EU § 122 dafür verwenden wird, um vor allem die Genehmigungsverfahren zu verkürzen. Aber das ist nur ein Emergency-Instrument. Die EU wird jetzt sagen: Gut, ein Windrad muss jetzt in sechs Monaten stehen. Aber dafür brauchen wir eben auch nationale Elemente, die jetzt nicht in den Emergency-Verfahren der EU-Kommission sind. Die wird in zwei Jahren hoffentlich aus sein und dann müssen wir eigene Instrumente dafür erreichen.

Systemisch bedeutet auch, dass die Standortattraktivität nicht nur auf die Energiefrage, auf das Klima, sondern vor allem einfach auf alle anderen Bereiche der Wettbewerbsfähigkeit ein bisschen abzielt. Da haben wir auch sehr gute internationale Benchmarks, die uns sagen, wo das große Aufholpotenzial für die Industrie ist, aber nicht nur für die Industrie, sondern auch für andere Betriebe in diesem Land. Zum Beispiel erhebt das WEF, das World Economic Forum, solche Sachen und sie sagen immer, das, was gut funktioniert, ist makroökonomische Stabilität, Ausbildung der Lehrlinge, aktive Arbeitsmarktpolitik. Infrastruktur ist super. Was zum Beispiel nicht so gut funktioniert: Wir sind auf Platz 140 von 141 bei der Flexibilität der Arbeitsmärkte und bei Lohnfindungsprozessen, auf Platz 122 von 140 bei interner Arbeitsmobilität, also: Wie mobil sind die Menschen innerhalb der Regionen oder auch innerhalb der Branchen? Hohe Arbeitsbelastung: Platz 128 von 140; darüber haben wir heute schon lange gesprochen. Eine niedrige allgemeine Dynamik, Gründungen, Exits, einfach diese Dynamik im unternehmerischen Prozess: Platz 102.

Der Transformationsfonds ist ein kleines, wichtiges Element, aber es braucht einfach viel mehr Fokus auf die Standortpolitik allgemein, um dieses Problem in den nächsten zehn Jahren in den Griff zu bekommen.

Gerald Loacker: Danke. Wenn Sie sagen, Standortpolitik - -

Gabriel Obernosterer: Herr Kollege, Sie haben noch 8 Sekunden.

Gerald Loacker: Ja. Haben Sie zum Beispiel einen Vergleich, wie erfolgreich Spin-offs von Universitäten in anderen Ländern sind und wie erfolgreich da die Österreicher sind?

Monika Köppl-Turyna: Ja, eine der Sachen, die oft international kritisiert werden, ist auch die mangelnde Dynamik der Gründungen und Innovation. Wir haben heute über Forschung gesprochen. Ich glaube, Forschung ist sehr gut in Österreich, was uns wirklich fehlt, ist halt der nächste Schritt. Wie schaffe ich es, aus der Forschung patentierbare Innovationen, Unternehmensgründungen und wirklich radikale Innovationen, die wir auch für die Bewältigung der Klimakrise brauchen werden, zu erreichen? Weil nur mit Effizienz würde man es wahrscheinlich nicht schaffen, sondern es wird wirklich neue Ansätze brauchen. Da stehen wir leider sehr schlecht da. Wir stehen auch sehr schlecht da mit privater Kapitalverfügbarkeit für Gründungen, für Start-ups, für Scale-ups. Viele Firmen, die eigentlich bei uns sitzen sollten, gehen dann in das Ausland. Das ist natürlich in dem Sinn ein sehr verschwenderischer Prozess, denn wir finanzieren mit öffentlichen Budgets tolle Universitäten und dann scheitern wir an dem Schritt, wo aus den Universitäten profitable Firmen werden, die uns dann wieder Steuermittel ins Budget bringen. Also darauf müsste eigentlich auch der Fokus sein, vor allem durch Hebelung des privaten Geldes, durch Schaffen des Rahmens, dass Privatinvestitionen und die Gründungen auch in Österreich profitabel sind.

Gabriel Obernosterer: Danke schön. Damit sind wir mit der ersten Runde fertig. Wir kennen alle die Uhr. Ich bitte alle Fragesteller und Beantworter, ein bisschen auf die Zeit zu schauen, weil wir ziemlich in Verzug sind.

Wir fangen wieder an bei der Fraktion der SPÖ. Frau Kollegin Holzleitner hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte schön. (Zwischenruf von Krainer.) – Bitte? (Krainer: Die Fragesteller können rein systemisch nicht das Problem sein!)

Okay. Frau Kollegin, Sie sind dran.

Eva Maria Holzleitner (SPÖ, Abgeordnete zum Nationalrat): Herzlichen Dank, Herr Vorsitzender! Werte Expertinnen und Experten! Ich habe eine Frage an Herrn Marterbauer und an Herrn Berger, nämlich zum Thema Genderbudgeting, das ja in Österreich im Verfassungsrang steht. Die Gleichstellung der Geschlechter ist eigentlich ein Ziel, das somit auch wirklich Priorität haben muss, und die gerechte Verteilung der finanziellen Mittel auch auf die beiden Geschlechter ist etwas extrem Wesentliches. Sehen Sie das in diesem Budget als Ziel erreicht? Ja oder nein? Beziehungsweise warum nicht? In welchen Bereichen sind wir vielleicht schon ein bisschen weiter? Wo haben wir noch großen Aufholbedarf? Und vor allem: Wo sehen Sie Handlungsbedarf und Weiterentwicklungspotenzial beim Instrument des Genderbudgetings selbst? – Danke schön.

Markus Marterbauer: Ja, eine wichtige Frage. Wenn ich mit dem Positiven vielleicht in der Gleichstellungspolitik beginnen kann: Ich glaube, dass im Frauenbudget einige Ansatzpunkte drinnen sind, wo etwas gelungen ist. Das betrifft insbesondere das Gewaltschutzpaket, das jetzt ausgeweitet wurde, also im Wesentlichen diese Ausweitung der Übergangswohnungen, Gewaltschutzzentren, die Interventionsstellen, wo mehr Geld da ist, und dann auch in der UG 25 bei den Familien, in der Familienberatung einiges. Allerdings ist trotz dieser Aufstockung zu verzeichnen, dass wir die internationalen Vorgaben, oder die Besten sozusagen in diesem Bereich, bei Weitem nicht erreichen in der Gleichstellungspolitik und auch im Gewaltschutz nicht. Also man braucht mehr. Aber man sieht sozusagen bei den bestehenden Mitteln, es geht etwas weiter, es werden positive Elemente sein, wenn Frauenberatungsstellen ausgebaut werden. Und auf diesem Weg, glaube ich, ist es gut, voranzuschreiten.

Die zweite Frage war ja gewissermaßen dann die Makrofrage dahinter, nämlich beim Genderbudgeting. Ich glaube, das war ein ganz großer Erfolg in der Haushaltsrechtsreform. Ich weiß noch, wie wir da lange darüber in Richtung Genderbudgeting diskutiert haben. Es war wirklich, ich möchte sagen eine Revolution in dem Bereich. Die Revolution ist dann in der praktischen Umsetzung doch weit hinter dem zurückgeblieben, was wir uns damals erwartet haben. Ich erinnere mich an das Hearing zur Haushaltsrechtsreform. Wann war das? (Ruf: Vor zehn Jahren!) – Vor zehn Jahren, fünfzehn Jahren. Was wir uns damals sozusagen erhofft und erwartet haben! Weil das Ziel ist ja, dass die - - Genderbudgeting bedeutet, dass eine umfassende Gleichstellungsstrategie damit ausgelöst wird. In allen verschiedenen Bereichen gibt es dann Gleichstellungsmaßnahmen. Und wenn wir uns jetzt die einzelnen Untergliederungen anschauen, oder auch die Wirkungsziele und so weiter, so gibt es oft gar nichts mehr, was in Richtung Genderbudgeting zu verstehen ist – oder das wird überhaupt nicht mehr wahrgenommen in vielen Untergliederungen. Andere wiederum bemühen sich sehr.

Das heißt, ich würde auf die Makrofrage antworten wollen: Wir müssen wieder zur Revolution zurück und schauen, dass wirklich die Umsetzung bei allen Untergliederungen ausreichend da ist, denn dann kommen auch die konkreten Projekte, wo man sieht: Na, was zahlt jetzt ein auf die Ziele?

Helmut Berger (Parlamentsdirektion, Leiter des Budgetdienstes): Ich kann nur kurz ergänzen, vieles wurde schon gesagt: Wir haben an sich ein sehr gutes Instrument. Die Ergebnisse sind ganz einfach nicht dort, wo wir sein sollten. Wichtig wäre sicher, dass die Koordination deutlich verbessert wird, und, wie es Herr Marterbauer auch gesagt hat, dass wir eine Strategie dahinter haben, diese Strategie entsprechend verfolgen und in allen Untergliederungen ganz einfach auch dieser Strategie entsprechend Maßnahmen gesetzt werden. Wichtig wäre auch, wir haben ja jetzt nur Ziele, Indikatoren, aber wir haben eigentlich in Wirklichkeit noch kein Geld hinterlegt, oder wir haben das mit den Maßnahmen nicht verbunden. Das haben andere Länder schon, wo es so ein Genderstatement gibt, wo man auch sieht, wie viele Mittel eingesetzt werden und welche Ziele man konkret erreichen will.

Ich möchte nur eines sagen, denn die großen Probleme, die wir am Arbeitsmarkt mit der Teilzeitbeschäftigung der Frauen haben, wurden auch schon angesprochen; da wurde auch auf die Elementarpädagogik und diese Vereinbarung hingewiesen und die Probleme, die es mit dem Finanzausgleich gibt. Die sind auch da wahrscheinlich ein wichtiger Hebel. Denn diese 15a-Vereinbarungen sind zwar sehr gut und schauen auch von der finanziellen Dotierung recht gut aus, nur das Problem ist, dass die Mittel oft gar nicht abgerufen werden, oder sehr langsam von den Gemeinden abgerufen werden, und zwar deswegen, weil an sich eine Anschubfinanzierung der Grundgedanke ist und die Länder und Gemeinden, die damit neue Plätze schaffen sollten, sagen, solange die alten noch nicht richtig finanziert sind, schaffen sie keine neuen, denn dann lauft diese Vereinbarung aus und sie haben keine Finanzierung.

Insofern glaube ich, dass der nächste Finanzausgleich für viele, viele Probleme eine wirkliche Schlüsselfrage ist, dass wir den angehen. Ich hoffe, dass nicht der übliche Mechanismus eintritt, dass gerade Wahlen kommen, oder etwas Ähnliches, und man verlängert den Finanzausgleich daher ganz einfach wieder für eine gewisse Zeit. Das wäre wirklich eine vergebene Chance, auch im Sinne der Genderproblematik.

Eva Maria Holzleitner: Darf ich ganz kurz ad hoc nachfragen? Und zwar die positiven Aspekte, wo mehr Geld investiert wird, gerade in einen wichtigen Bereich wie Gewaltschutz; das ist es natürlich zu begrüßen. Aber sehen Sie spontan auch Punkte, die der Gleichstellung der Geschlechter sogar in manchen Bereichen zuwiderlaufen könnten?

Markus Marterbauer: Bestimmt gibt es viele Beispiele, aber mir fällt jetzt kein gutes ein. Hilf mir Margit, du bist - -

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Wenn ich darf: Eigentlich sehe ich da weniger das Problem. Ich sehe das Problem, dass es in anderen Bereichen, also Gewaltschutz und so weiter - - und das Frauenbudget ist ja wirklich sehr angestiegen von 10 Millionen auf über 24 Millionen in kurzer Zeit. Ich glaube, wir brauchen in ganz wesentlichen Bereichen mehr Gleichstellungsinitiativen. Das eine, eben Ausbau der Kinderbetreuung, ist genannt worden, Ausbau auch der Pflege, die auch der Vereinbarkeit dient. Pflege, qualitativ hochwertige Pflege ist nicht nur wichtig natürlich aus Sicht der zu Pflegenden, sondern auch aus Sicht der Pflegenden. Diese Doppelbelastung ist noch viel zu wenig im Blickwinkel.

Dann, glaube ich, brauchen wir auch – und das hat Corona ja sehr deutlich gemacht – eine Aufwertung in den Bereichen, in denen wir jetzt Personalmangel haben, in denen wir jetzt Überlastung haben. Das ist die Kinderbetreuung, das ist die Pflege, das ist der Gesundheitsbereich. Also das sind so Bereiche, wo man noch mehr tun muss. Ich halte das für essenziell. Ich meine, wir reden über einen Arbeitskräftemangel, über einen Fachkräftemangel. Wir haben sehr gut ausgebildete Frauen, die in vielen Bereichen besser ausgebildet sind als die Männer. Es ist eine wesentliche Ineffizienz, die wir auch im Budget haben, dass wir die Frauen sehr gut ausbilden und dann dieses Potenzial nicht nutzen. Das ist nicht so tragisch, sage ich jetzt einmal in Anführungszeichen, ökonomisch gesehen in Zeiten, in denen wir eh eine hohe Arbeitslosigkeit haben. Und das ist kein vorübergehendes Phänomen, wir sagen das ja schon länger. Aber in Zeiten des demografischen Wandels, in denen wir tatsächlich jetzt auch die Knappheiten spüren, brauchen wir die Frauen. Und da müssen wir wirklich wesentlich mehr tun.

Helmut Berger: Ich wollte nur kurz auf die Pensionsproblematik hinweisen, die natürlich auch damit verbunden ist. Wir haben ja einen relativ großen Pensionsgap zwischen Frauen und Männern. Wenn es uns nicht gelingt, im Arbeitsprozess die Frauen dann stärker einzubinden, dann haben wir den ewig.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Und vielleicht noch eine Mini-Ergänzung, ein Satz, weil mir jetzt doch noch ein Beispiel eingefallen ist, wo wir tatsächlich kontraproduktive Regelungen haben: Wir haben natürlich eine Reihe von abgabenrechtlichen Regelungen, die eine gleiche Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit verhindern.

Kai Jan Krainer (SPÖ, Obmannstellvertreter): Danke schön. Vielleicht kurz die Uhr einschalten, weil ich auch eine Frage habe. Weil das Thema Haushaltsrechtsreform gefallen ist. Einer der drei Schwerpunkte war ja Genderbudgeting; dass da Luft nach oben ist, ist ja schon gesagt worden. Meine Frage an Marterbauer und Schratzenstaller ist: Haben Sie Hinweise, dass die anderen zwei Schwerpunkte, nämlich Rücklagenmanagement und Wirkungsorientierung, über homöopathische Dosen überhaupt noch sichtbar sind in Ministerien?

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ich muss ehrlich sagen, ich muss zugestehen, dass ich mir das Rücklagenmanagement nicht angeschaut habe.

Kai Jan Krainer: Es ist relativ einfach, das wurde 2014, glaube ich, war es, eigentlich zerstört.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Mhm. Ja.

Kai Jan Krainer: Das gibt es gar nicht mehr.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ist möglich. Ja.

Kai Jan Krainer: Außer für das Finanzministerium. Da funktioniert es noch, weil der Finanzminister selbst auch die Rücklagen freigibt. Aber außerhalb des Finanzministeriums ist es eigentlich zerstört worden. Aber auch die Wirkungsorientierung - - Ob Sie irgendwelche Hinweise haben, dass das noch in Ansätzen gelebt wird irgendwo?

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ich - - (Zwischenrufe.)  – Nein, ich sehe schon auch, das Genderbudgeting ist ja quasi ein Ausschnitt aus der gesamten Wirkungsorientierung. Und das, was für das Genderbudgeting im Kleinen gilt, gilt leider für die Wirkungsorientierung und – ich glaube, Helmut Berger muss mir da beipflichten – im Großen natürlich auch, dass das zu wenig gelebt wird. Und wir leben es hier ja auch viel zu wenig. Ich denke mir das jedes Mal im Experten-, Expertinnenhearing im Parlament. Wir reden nach wir vor viel zu viel über das Geld, das irgendwo reinfließt, und reden viel zu wenig über die Wirkungen, die wir damit erzielen, und viel zu wenig über Mechanismen, also ein bisschen schon natürlich in Ansätzen, aber kaum über Mechanismen und diese Relation zwischen dem, was wir in Bereiche reinstecken – und der Bildungsbereich ist der offensichtlichste, aber es ist in vielen anderen Bereichen auch so –, und dem, was rauskommt.

Es ist nicht nur die Verwaltung im Übrigen, die die Wirkungsorientierung mehr leben muss, es ist auch die Politik und es sind auch die Parlamentarier und Parlamentarierinnen, die interessierte Öffentlichkeit, die Wissenschaft. Also es gibt hier eine ganze Reihe von Zielgruppen. Und alle diese Zielgruppen der Wirkungsorientierung leben sie eigentlich viel zu wenig.

Kai Jan Krainer: Vielen Dank. Gibt es noch Fragen? – Bitte.

Christoph Matznetter: Ganz kurz. Vielleicht in dem Fall an Prof. Badelt sozusagen als Reminiszenz an die WU-Rektorenschaft: Wenn die Deutschen nach dem Doppelwumms tatsächlich nach dem Vorschlag der Expertenkommission den Gaspreis mit 7 Cent für die Industrie und Großgewerbe liefern werden, können wir uns bei unseren energieintensiven Industrieunternehmen leisten, dass wir dort dauerhaft höhere Preise haben, oder würde das dazu führen, dass es zu Verlagerungen nach Deutschland kommt?

Christoph Badelt: Ich weiß zwar nicht genau, was das mit meiner Rektorentätigkeit zu tun hat, aber, ehrlich gestanden, ich frage mich zunächst einmal, wie lange sich das die Deutschen leisten können. Denn wir haben das bei anderen Maßnahmen, die die Deutschen mit großem Trara eingeführt haben, wie zum Beispiel der Mehrwertsteuersenkung, auch gesehen. Aber wenn es tatsächlich so käme, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass es nicht zu Verschiebungen kommt. Das könnte ich mir nicht vorstellen. Wie wollen wir das abschotten? Aber, ehrlich gestanden, wie die Deutschen das alles machen werden, ich verstehe das nicht. Ich weiß auch nicht, wie das mit den 200 Milliarden sein wird. Von wegen Doppelwumms.

Christoph Matznetter: Ich komme noch einmal kurz zur Wirkungsorientierung zurück, weil wir das Thema jetzt ja schon stärker hatten. Bei uns findet es eher im Unscheinbaren statt, indem wir uns im Unterausschuss über Stunden über manchmal sehr sonderbare Wirkungsziele unterhalten. Meine Frage wäre, ob es vielleicht Ideen vonseiten der Experten gäbe, wie wir dem eine größere Bedeutung zukommen lassen, sodass man mit den Wirkungszielen, wenn man die öffentlich diskutieren würde, auch eine stärkere Bindung der jeweiligen Ministerien hätte, um die dazu zu zwingen, dass sie vernünftige Wirkungsziele als Ziel ihrer Politik haben. Dass man sagen kann, du hast es geschafft, du hast es nicht geschafft. Vielleicht wirklich, Herr Dr. Berger.

Helmut Berger: Ja, es ist natürlich auch ein bisschen ein Appell an uns selbst, würde ich einmal sagen. Wenn da jemand einen Druck erzeugen kann, dann sind das die Parlamentarier. Und wenn etwas für einen Minister unangenehm ist, dann ist das, wenn die Parlamentarier dreimal darauf hinweisen, dass da nichts weitergeht, und auch für seine Beamten, denn irgendwann einmal fragt dann der Minister auch, ich lasse mich da nicht zum dritten Mal für das ganze Ziel anschießen. Also insofern ist das, glaube ich, ein wesentlicher Hebel. Sonst haben wir relativ viele Vorschläge gemacht, wie man - - Auch in unseren Analysen versuchen wir das ganz einfach immer, indem wir sagen, man muss schon ein bisschen den Konnex zwischen Finanz und den Wirkungszielen und dem, was dann wirklich erreicht wurde, stärken. Wir haben das zwar jetzt im Budget drinnen, wir haben es dann völlig getrennt in der Rechnungslegung, wo wir das nicht mehr sehen, und wir haben es auch in den Gesprächen hier dann relativ getrennt, da wir selbst, indem wir uns im Unterausschuss damit beschäftigen, aber eigentlich nicht da diese wirkliche Verbindung herstellen.

Wir nehmen es auch zur Kenntnis, wenn ganz einfach ein Ressort manche unangenehmen Indikatoren oder Ziele nicht reinnimmt. Beispielsweise die gesunde Lebensdauer ist in Österreich relativ kurz, das haben wir nicht drinnen. Die Lebenserwartung ist lange, das feiern wir ab. Also ich glaube, wir müssen auch selbst etwas dazu beitragen.

Alois Stöger: Ich hätte nur eine Frage, oder zwei Fragen. Die eine ist zum Finanzausgleich. Ist jemand von den Experten schon eingebunden in den Finanzausgleich 2023 mit Ideen und Vorschlägen? Weil das ist übermorgen. Der läuft übermorgen aus. Wenn man Finanzausgleichsverhandlungen kennt, weiß man, ein Jahr ist da sehr, sehr kurz. Haben Sie schon irgendwelche Expertisen dazu abgeliefert?

Die zweite Frage ist: Was würde in der Aufgabenorientierung - - Ich habe es sehr spannend gefunden, weil sehr viel über Privatwirtschaftsverwaltung gemacht wird, zum Beispiel das Frauenbudget. Im Wesen ist das Landesangelegenheit, wenn man es einmal anschaut. Meine Frage ist: Würde es Sinn machen, mehr Verantwortung an die Gemeinden zu geben und die Verantwortung der Länder zu reduzieren?

Markus Marterbauer: Also ich würde das vom Grundprinzip für richtig halten, weil die Gemeinden natürlich am nächsten bei den Bürgerinnen und Bürgern sind und von dorther sozusagen auch die demokratische Fundierung besser ist. In den einzelnen Aufgabenbereichen muss man sich das im Detail anschauen. Aber die Frage war ja jetzt sehr grundsätzlich. Da hätte ich eine gewisse Präferenz dafür, Gemeinden und Bund zu stärken.

Alois Stöger: Noch einmal konkret: Die Gemeinden tragen nach dem Bund den größten Teil der Krankenanstaltenfinanzierung. In den öffentlichen Darstellungen wird das immer den Ländern zugeschrieben. In Wirklichkeit wird die Krankenanstaltenfinanzierung von den Gemeinden getragen. Zum Beispiel wäre ein Verbot der Kostenübertragung der Krankenanstaltenfinanzierung auf die Gemeinden im nächsten Finanzausgleich folgerichtig, damit wir hier der Ausgabenverantwortung und Ausgabensteuerung näherkommen.

Markus Marterbauer: Da ist der Abgeordnete mehr Experte als der Experte in diesem Gebiet, im Gesundheitsbereich. Ich kann aber bei dieser Frage anhängen, dass ich, oder wir jedenfalls nicht eingebunden sind in irgendwelche Finanzausgleichsvorbereitungen auf Expert:innenebene. Und ich habe auch noch von niemandem meiner Kolleg:innen Entsprechendes gehört.

Monika Köppl-Turyna: Detto. Ich glaube, die letzte große Studie ist tatsächlich die, die ich schon vorher erwähnt habe. Aber das hat wahrscheinlich mit der Tatsache zu tun, dass wir seitdem eigentlich permanent verlängert haben, da war offensichtlich kein Bedarf nach neuen Studien.

Zu der grundlegenden Frage Gemeinde, Länder, Bund kann ich wiederholen, was ich vorher gesagt habe. Da muss man ausbalancieren zwischen Informationszugang – das hat Christoph Badelt auch vorher gesagt –, aber auch wo die Externalität ist. Es gibt Aufgaben, die auch nicht gut auf der Gemeindeebene aufgehoben sind, denn dann sind die externen Effekte auf die ganze Region zu groß und da sollen eher die Länder zuständig sein. Aber ich glaube, in vielen Belangen in Österreich sind diese Aufgaben vielleicht ein bisschen aus der Zeit gefallen. Man muss sich das noch einmal grundlegend anschauen.

Darüber hinaus gibt es noch Bereiche, wo es überregional gedacht werden muss, obwohl Kompetenzen vielleicht wirklich bei den Gemeinden und Ländern liegen. Zum Beispiel im Bildungssystem gibt es gute Vorschläge, wo wir sagen, dass man eben vor allem das Effizienzpotenzial über die Gemeindegrenzen hinausdenkt, das entsteht über Kooperationen, über sich wirklich koordinieren zwischen den einzelnen Einheiten. Es gibt auch nicht so etwas wie eine optimale Gemeindegröße, oder optimale Regionsgröße, denn es ist bei jeder Aufgabe ein bisschen anders. Da muss man, glaube ich, flexibel sein und auch vielleicht einen Anreiz schaffen, dass die Gemeinden in solchen Fragen auch mehr miteinander kooperieren.

Elementarpädagogik: Vielleicht macht es keinen Sinn, dass jede Gemeinde einen Kindergarten hat. Vielleicht soll man Anreize schaffen, dass sich drei Gemeinden zusammen einen leisten und dann einen zusammen führen, wo es sehr kleine Gemeinden, in Westösterreich zum Beispiel, gibt. Da muss man aber im Finanzausgleich wieder nachhaken und schauen: Wie schaffe ich die Finanzierungsströme so, dass die Gemeinden alle daran Interesse haben, zu kooperieren? Und das wird wahrscheinlich das große Problem sein.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ich glaube auch, dass das sehr selektiv unterschiedlich ist, je nach Aufgaben, Arbeit, Orten. Und ich glaube, dass oft einmal natürlich die Frage relevant ist: Welche Ebene macht es? Aber noch relevanter, oder mindestens ebenso relevant ist: Wie stimmt man sich zwischen den Ebenen ab? Man soll so viel wie möglich wirklich von diesen gemischten Zuständigkeiten wegkommen, denn das ist das eigentliche Problem.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals. Danke schön.

Dann kommen wir zur Fraktion der Grünen. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Götze. - Bitte schön, Frau Kollegin.

Elisabeth Götze: Danke, Herr Vorsitzender. Ich möchte auf ein Thema zu sprechen kommen, das, glaube ich, in der Fragerunde noch gar nicht beantwortet, also behandelt wurde, aber in den Eingangsstatements zu meiner Freude, sowohl von Dr. Marterbauer als auch vom Prof. Badelt, und zwar dieses 500 Millionen-Gemeindepaket, also kommunales Investitionspaket. Vielleicht können Sie, die beiden Angesprochenen, nochmals kurz skizzieren, was daran gut ist. Es gibt auch Bestrebungen von Gemeinden, dass sie sagen, die Liquidität ist so schwach. Sie können das Geld womöglich gar nicht abholen, beziehungsweise sind auch Personalkosten gestiegen, Energiekosten. Ob sie nicht auch Anspruch haben auf so eine Art Energiekostenzuschuss, wie das Unternehmen oder Private oder so bekommen haben? Was würden Sie davon halten?

Sie haben speziell angesprochen, dieser Transformationsfonds sollte in ein Dauerrecht übergehen, quasi für Gemeinden, wie dieses dritte Gemeindepaket jetzt angedacht ist, oder wie es kommen soll. Wie könnte das konkret ausschauen? – Danke.

Markus Marterbauer: Ja, ich möchte jetzt die politische Bedeutung des Expert:innenhearings nicht zu groß hängen, aber ich habe im letzten Eingangsstatement gesagt, dass es ganz wichtig wäre, den Gemeinden und Städten mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, um die enormen Potenziale, die dort für die Energiewende sind, zu heben. Deshalb habe ich jetzt sozusagen extra erwähnt, dass ich das als einen ganz großen Fortschritt finde.

Die Potenziale auf kommunaler Ebene sind riesig. Wenn Sie nur an die öffentlichen Flächen denken, die die Fotovoltaik brauchen, wenn Sie an die Umstellung der Fuhrparks denken, wenn Sie an die neuen Mobilitätskonzepte auf kommunaler Ebene denken – da kann man so viel in Richtung Energiewende machen, die Potenziale sind gewaltig. Ich glaube, die gehen weit über dieses Volumen, das jetzt dotiert ist, hinaus. Das war auch der Grund, warum ich gemeint habe, dass das verlängert werden sollte, weil da ganz, ganz viel drinnen ist.

Christoph Badelt: Ich glaube, besser als Markus Marterbauer kann man das gar nicht sagen. Ich unterschreibe das vollständig. Ich will nur noch ergänzen, dass das Ganze hier auf einer Situation aufbaut, wo die Gemeinden in ziemlichen Schwierigkeiten waren, und es daher am Anfang, nämlich bei den ersten 500 Millionen darum gegangen ist, auch denen wieder Liquidität zuzuführen, damit sie ihre schon begonnenen Investitionsprojekte machen. Aber Tatsache ist, bei allen Pros und Cons, was Gemeinden tun sollen: Sie spielen in der heutigen Kompetenzverteilung, gerade in diesen Klima- und Umweltfragen, eine ganz entscheidende Rolle, und insofern ist es wirklich eine gute Sache.

Elisabeth Götze: Aber noch einmal kurz nachgefragt: Das heißt, unmittelbar ein Liquiditätsthema sehen Sie nicht, sondern das Gemeindepaket sollte ihnen ermöglichen, diese Investitionen zu tätigen und daraus auch quasi Liquidität zu schöpfen, weil diese Investitionen ja sowieso anstehen würden? Kann man das so sagen?

Markus Marterbauer: Ich glaube, die Frage kann man so allgemein gar nicht beantworten, weil die ökonomische Situation der Gemeinden so irrsinnig differiert und deshalb die Herausforderungen so groß sind, aber ich würde glauben, dass eben – und ich habe das auch in vielen Gesprächen, etwa zuletzt mit der Stadt Graz, immer wieder gehört – die Hoffnung ist, dass man sich über diese Investitionsförderungen Liquidität schafft, weil man sowieso wusste, dass man die Investitionen tätigen musste. Jetzt hat man eine bessere Finanzierung und das kann in diese Richtung auch helfen – obwohl, glaube ich, die Gemeindefinanzen generell ein eigenes Thema wären und die Stärkung dort grundsätzlich eine sehr sinnvolle Sache wäre.

Christoph Badelt: Ja, ich muss ehrlich sagen, ich weiß auch, dass die Situation der Gemeinden sehr divers ist, aber ich weiß einfach nicht, in welchen Relationen das steht. Das müsste ich mir selber anschauen.

Im Übrigen, Abgeordneter Stöger ist jetzt nicht da, aber der Fiskalrat selbst könnte natürlich schon in den ganzen Verhandlungen zum Finanzausgleich etwas beitragen. Wir haben ja da Leute, die sich mit diesem Thema besonders beschäftigen.

Gabriel Obernosterer: Danke, Frau Kollegin. Haben Sie weitere Fragen? Bitte.

Elisabeth Götze: Ja, danke. Eine Frage ich habe ich noch, und zwar bezieht sich das auf die Entwicklung im heurigen Jahr, wo sich die Wirtschaft in Österreich doch erfreulicherweise stärker und besser erholt hat als in der Eurozone insgesamt. Ich wollte Sie um Ihre Einschätzung bitten, warum das so ist. Lange Zeit oder eine Zeit lang wurde ja kritisiert, Österreich hat viel investiert und es ist wenig rausgekommen. Im internationalen Vergleich kann man jetzt sagen, ganz so war es doch nicht, oder wie ist da Ihre rückblickende Beurteilung? Vielleicht Prof. Badelt, wenn ich Sie bitten darf.

Christoph Badelt: Ich kann mich gut erinnern, ich war damals noch Wifo-Chef, wie wir mit den Vorwürfen oder mit der Kritik konfrontiert worden sind, Österreich gibt so viel Geld aus für Covid. Vom Wirtschaftswachstum liegt das unterhalb der EU und auch hinter einigen Vergleichsländern. Wir haben damals immer gesagt, abgerechnet wird zum Schluss. Genau das hat sich herausgestellt. Wir haben 2022 ein wesentlich höheres Wachstum sowohl als Deutschland als auch die EU, weil die Wirtschaft voll in Gang gekommen ist.

Das war am Anfang, jetzt ist alles wieder vorbei, sehr stark durch die Industrie geprägt, und dann später ist der Konsum auch noch dazugekommen. Jetzt liegen wir ja in den Trends wieder dort, wo sich offensichtlich ganz Europa bei aller Unsicherheit der Prognosen hin entwickelt. Das heißt, abgerechnet wird zum Schluss und rein, wenn Sie, was natürlich immer problematisch ist, aber wenn Sie einen Zusammenhang zwischen der Summe der Covid-Zahlungen - - (Krainer: Es gibt ja keinen Schluss!) – Bitte? (Krainer: Der Schluss kommt ja nie!)

Na ja, sagen wir einmal so, ja, da haben Sie schon recht, der Schluss kommt nie, obwohl ich schon hoffe, dass der Schluss der Covid-Krise schon irgendwann einmal kommt. Der Schluss ist insofern, glaube ich, auch bei der Covid-Krise da, als wir zwar budgetär nächstes Jahr noch, glaube ich, fast 5 Milliarden oder was für Covid-Maßnahmen drinnen stehen haben, aber das sind nicht Mittel, die jetzt oder womöglich erst in den nächsten paar Monaten beschlossen werden. Also von der Beschlusslage her sind wir eigentlich jetzt hoffentlich am Ende der Covid-Krise in diesem Sinne, aber je nachdem, wie weit Sie jetzt zurückgehen wollen, wir haben das locker aufgeholt, was wir an Wachstumsrückständen gehabt haben, wenn Sie das Jahr 2022 rechnen. Jetzt schaut es einmal so aus, als ob es uns überall gleich schlecht ginge, um es einmal so zu sagen.

Gabriel Obernosterer: Danke schön. Weitere Fragen, Frau Kollegin? Ansonsten können wir weitergehen. Danke, von der grünen Fraktion keine Fragen mehr.

Wir kommen jetzt zur Fraktion der FPÖ, der Freiheitlichen Partei. Herr Kollege Brückl, bitte schön.

Hermann Brückl (FPÖ, Abgeordneter zum Nationalrat): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! Eine Frage, Herr Dr. Marterbauer: Sie haben in Ihrem Statement davon gesprochen, dass Sie die Einführung eines Vermögensregisters massiv unterstützen würden. Jetzt meine Frage: Von welchem Vermögen reden wir hier? Was soll da drinnen aufgelistet werden? Was ist für Sie Vermögen in diesem Zusammenhang?

Markus Marterbauer: Das Vermögen ist sehr eindeutig definiert und besteht im Wesentlichen aus Immobilienvermögen, Finanzvermögen, Unternehmensvermögen in Österreich. Wir haben bisher nur Grundlagen auf Basis des Household Finance and Consumption Survey der EZB und der entsprechenden Hochrechnungen, die vermuten lassen, dass das Vermögen der privaten Haushalte ungefähr in der Größenordnung zwischen 1 250 und 1 400 Milliarden liegt, dass bis zur Hälfte dieses Vermögens im Besitz des oberen Haushaltsprozents ist, das heißt die obersten 40 000 Haushalte besitzen bis zur Hälfte dieser genannten Summen.

Ein Vermögensregister halte ich deshalb für sinnvoll – das ist ja nicht ein öffentliches Register, in das jeder Einsicht hat –, weil wir ja bei den Einkommen auch die Erfassung haben und die Finanz weiß, wie hoch die Einkommen sind. Das ist wohl sinnvoll. Dort, wo es nicht der Fall ist, müssten wir dringend schauen, dass die Einkommen entsprechend erfasst werden. Also wir haben ja zum Beispiel, um das zu nennen, dadurch große Probleme in der Treffsicherheit von Maßnahmen, dass wir in vielen Bereichen die Einkommen nicht kennen, weil wir so ein Pauschalierungsunwesen haben, dass auf einmal gemeint wird, die Leute könnten nicht mehr Einnahmen von Ausgaben abziehen und zu einem Einkommen kommen, sondern wir pauschalieren auf einmal für die Finanz alles. Das halte ich für problematisch.

Aber die Frage war ja nach den Vermögen: Diese Vermögensregister sind ja bereits in einer Prästudie auf europäischer Ebene und werden dort versucht, und ich halte es für sehr sinnvoll.

Hermann Brückl: Vielen Dank. Eine Frage an Frau Dr. Schratzenstaller-Altzinger: Sie haben von Transformation der Wirtschaft gesprochen. Sie haben von mehr Regulierungen gesprochen, Dr. Marterbauer ebenfalls. Meine Frage: Im Hinblick auf den Industriestandort Österreich, was ist denn mit Regulierungen gemeint, und sind diese dann auch angetan, die Produktivität im Land zu erhalten, wenn wir hier massiv von staatlicher Seite eingreifen?

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ohne jetzt auf Details eingehen zu wollen, sondern warum ich Regulierungen angesprochen habe, war eigentlich hauptsächlich der Punkt, dass man einen gesamten Mix an klimapolitischen Maßnahmen braucht, nicht nur Geld ins Budget, Geld aus dem Budget, sondern auch kluge Regulierungen. Das muss man alles aufeinander abstimmen.

Im Übrigen, wenn man das klug macht, dann hat man nicht ein Problem für den Wirtschaftsstandort, sondern dann kann man auch große wirtschaftliche Chancen für den Wirtschaftsstandort daraus ziehen. Ich glaube, die Mischung macht es. Das war eigentlich der wesentliche Punkt. Über die Details, da müssen wir uns, glaube ich, eine Extrasitzung vereinbaren.

Hermann Brückl: Herr Bundesminister, darf ich Sie unterbrechen: Wie stehen denn Sie zu solchen Regulierungen? (Zwischenruf.) Wie Sie zu diesen Regulierungen stehen, die eingefordert sind im Zusammenhang mit Transformation der Wirtschaft im Sinne der Klimapolitik?

Magnus Brunner (Bundesminister für Finanzen): Ich tue mir ein bisschen schwer natürlich, weil das nicht unmittelbar mit dem Budgethearing zu tun hat, aber könntest du oder könnten Sie, Herr Abgeordneter, darstellen, was konkret Sie damit meinen?

Hermann Brückl: Frau Dr. Schratzenstaller-Altzinger hat gemeint – im Übrigen auch Herr Dr. Marterbauer –, dass wir Regulierungen brauchen, dass es diese Transformation der Wirtschaft braucht, um die Klimaziele voranzutreiben, weil wir hier ganz offensichtlich weit nachhinken – im Übrigen hat das Prof. Badelt auch betont –, dass hier mit Regulierungen eingegriffen werden soll. Jetzt würde mich interessieren, Herr Bundesminister, wie du das siehst?

Magnus Brunner: Es ist, glaube ich, immer eine Mischung notwendig. Meine Priorität wäre natürlich, Anreize zu setzen, insbesondere wenn es darum geht, Verfahren zu vereinfachen, zu beschleunigen. Also da setze ich eher auf diesen Weg. Da haben wir schon einiges, das wir auf den Weg bringen, UVP-Gesetzesnovelle beispielsweise, wo natürlich Projekte für die Energiewende prioritär behandelt werden sollen beziehungsweise schneller umgesetzt werden können, denn gerade im Netzausbau, im Speicherbereich haben wir Nachholbedarf. Wir müssen natürlich viel schneller werden, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen, also eher eine Entregelung in dem Sinne, dass wir schneller werden müssen und einfacher werden müssen. Von zusätzlichen Regeln kann man sich natürlich insbesondere im Netzausbau vielleicht etwas überlegen, aber eben prinzipiell geht es, glaube ich, um Beschleunigung und Vereinfachung von Verfahren und nicht, komplizierter zu werden.

Christoph Badelt: Ich muss mich hier ja nicht beliebt machen und kann daher sagen, ich kann Ihnen eine Regulierung nennen, die einen sehr großen positiven Effekt hätte: Das wäre Tempo 100 auf Autobahnen. (Zwischenrufe.) Das ist ganz offenkundig eine extrem wirksame, sehr einfache Regulierung. (Zwischenruf.) – Aber nein, nach Tirol fahre ich eh mit dem Zug, der darf auch schneller fahren, der darf sogar 200 fahren im Tunnel.

Gabriel Obernosterer: Herr Kollege Brückl, bitte schön.

Hermann Brückl: Ich darf weitergeben.

Gabriel Obernosterer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Leinfellner, bitte schön.

Markus Leinfellner (FPÖ, Mitglied des Bundesrates): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! Ich möchte gleich beim Finanzminister bleiben. Für mich stellt sich die Frage bei dieser Inflation, die im letzten Jahr ins Grenzenlose gegangen ist: Wo sehen Sie die Gründe für die derzeit hohen Preissteigerungen?

Magnus Brunner: Die hohe Inflation hat natürlich unterschiedliche Gründe, wir haben das vorher schon gesehen, in Europa etwas anders wie in den USA, bei uns sehr stark energiepreisgetrieben, aber natürlich auch Effekte wie Lieferkettenproblematik, die wir nach der Pandemie erlebt haben, die ganz stark die Inflation angetrieben hat. Wer hätte sich gedacht, dass ein quer stehendes Schiff im Sueskanal oder ein geschlossener Hafen in Shanghai solche Auswirkungen auf die globale Wirtschaft gehabt hätte? Das ist das eine, dann natürlich Nachholeffekte, gewisse Überhitzung der Wirtschaft nach der Pandemie. Das hat sicher auch zur hohen Inflation beigetragen. Jetzt liegen wir im europäischen Schnitt nicht bei der höchsten, wenn ich mir beispielsweise die baltischen Staaten anschaue mit 25 Prozent Inflation, das heißt aber nicht, dass unsere nicht auch viel zu hoch ist.

Wer kann etwas gegen die Inflation tun? Das ist die nächste Frage, aber das haben die Experten und Expertinnen schon beantwortet, das sind die Zentralbanken mit unterschiedlichsten Möglichkeiten. Was wir tun können als Nationalstaaten ist die Auswirkungen der Inflation, also die Teuerung, abzufedern, nie zu 100 Prozent alle Krisen, die wir abfedern können, aber natürlich abfedern so gut es geht, sowohl für die Bevölkerung als auch für die Wirtschaft. Das ist der Job der Nationalstaaten. Job der Zentralbanken, in unserem Fall der Europäischen Zentralbank, ist Preisstabilität, Preisstabilität, Preisstabilität.

Gabriel Obernosterer: Danke schön. Geben Sie weiter? Bitte, noch eine Frage, bitte schön.

Markus Leinfellner: Eine Frage an die beiden Experten Badelt und Gundinger: Welche Gefahren sehen Sie in Bezug auf die österreichische Bevölkerung, auf den Wohlstand in Österreich, wenn die Bundesregierung diesen eingeschlagenen Weg mit diesem Budget weitergeht?

Christoph Badelt: Ich glaube, dass eine Inflation dieses Ausmaßes jedenfalls Wohlstandsverluste mit sich bringt. Das kann auch keine Regierung kompensieren, sondern sie kann versuchen, es zu kompensieren bei denen, die wirtschaftlich am schwächsten gestellt sind. Ich sehe aus dem jetzigen Budget keine Gefahren, die über die Inflation hinausgehen, für den Wohlstandsverlust, ganz im Gegenteil. Ich denke mir, dass ein - - Sie haben das selbst - - oder Kollege Fuchs war das vorher, der auf die expansive Wirkung des Budgets insgesamt hingewiesen hat, was sicherlich nicht zu Wohlstandssenkungen führt. Also insofern sehe ich es im Zusammenhang mit der Inflation, aber jetzt nicht spezifisch im Zusammenhang mit dem Budget.

Martin Gundinger: Persönlich kann ich dem meisten zustimmen, ich möchte aber kurz noch zum Statement des Herrn Finanzministers etwas sagen. Im Endeffekt ja, die Regierungen können relativ wenig machen, was jetzt die Inflationsbekämpfung kurzfristig betrifft. Was aber Reformen betrifft, wo es um Produktivität zum Beispiel geht, das sind schon Reformen, die den Inflationsdruck dann abmildern. In der Hinsicht, glaube ich, wäre es sehr sinnvoll, wenn man da beim Budget auch mehr machen würde. Das geht dann in die Richtung, was für Gefahren ich sehe, denn das ist zum Beispiel eine Gefahr, die ich sehe, dass man in die Richtung zu wenig macht. Sachen wie Deindustrialisierung habe ich schon erwähnt beziehungsweise allgemein das Abnehmen der wirtschaftlichen Tätigkeit: All diese Sachen sind damit verbunden, dass der Inflationsdruck noch weiter steigt. Allgemein sehe ich relativ wenig im Budget, wie man die Inflation abmildert. Gleichzeitig muss man da auch sehen, was schon gesagt wurde: Primär ist es Aufgabe der Zentralbanken.

Reformen sind für mich auch wenig zu sehen in Bereichen von Pensionen und so weiter. Das sind sicher Dinge, die man sich noch einmal genauer anschauen müsste, weil da, wie es schon erwähnt worden ist, ein massiver Druck in den nächsten Jahren auf uns zukommt. Da sollten wir lieber schneller als langsamer agieren.

Gabriel Obernosterer: Danke, Herr Kollege.

Kollege Angerer, bitte schön, als Nächster.

Erwin Angerer (FPÖ, Abgeordneter zum Nationalrat): Ich versuche, es kurz zu machen, aber einen Block zur Wirtschaft hätte ich gerne und ich hätte gerne Prof. Badelt gefragt: Sie haben sich heute neben 100 auf der Autobahn auch als Fan der CO2-Bepreisung geoutet. Jetzt von der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes, also als Chef der Fiskalpolitik, des Fiskalrates: Wie sehen Sie die Budgetmaßnahmen und die Maßnahmen dieser Regierung, was die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich generell betrifft? Sie haben heute auch davon gesprochen, dass wir auf schwierige wirtschaftliche Zeiten zugehen. Herr Marterbauer, glaube ich, hat von Rezession gesprochen.

Ich stelle die Frage: Wie hoch schätzen Sie das Risiko ein, dass wir in eine Stagflation kommen, weil sehr viele Systeme bei uns eben auf Wirtschaftswachstum aufgebaut sind? Ich glaube, Frau Köppl-Turyna hat heute erwähnt, Pensionen, Gesundheit und Pflege allein brauchen ein Drittel des BIPs. Das heißt, wenn die Wirtschaft einbricht, dann werden wir uns schwertun, das zu finanzieren, außer weiterhin mit Schulden natürlich. Die Frage ist: Wie lange wird das gehen, wenn die Zinsen steigen? Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass die Industrie aufgrund der Maßnahmen abwandert, die sie in dieser Regierung setzen und aufgrund der entsprechenden Auflagen, die die Wirtschaft hier bekommt?

Vielleicht kann mir einer der Experten – was heute mehrfach gefallen ist – erklären, was Zufallsgewinne sind? Weil wenn Energiekonzerne heute Milliardengewinne machen, dann ist das ja kein Zufall, dann ist das ein System, das zugelassen wird von der Politik. Das ist kein Zufall für mich. Also vielleicht kann mir das jemand erklären, was ein Zufallsgewinn ist. Danke.

Christoph Badelt: Zu den Über- oder Zufalls- oder sonstigen Gewinnen sagt sicher Markus Marterbauer dann gerne etwas.

Ich möchte zur Frage des Wirtschaftsstandortes etwas sagen. Es ist zweifellos so, dass durch die gesamte Krisensituation Schwächen des Wirtschaftsstandortes nicht nur in Österreich, sondern überhaupt in Europa offenkundig werden, Schwächen, die sich einfach daraus ergeben, dass wir jetzt einmal ein paar Jahrzehnte mit relativ billiger Energie gewirtschaftet haben, die aus Russland kam, und dieses System ist im Zusammenbruch oder ist schon zusammengebrochen. Da sehe ich tatsächlich eine große Gefahr für den Wirtschaftsstandort Österreich, weil, wenn Sie sich etwa die Energiepreise in den USA, aber auch in Asien anschauen, wir hier tatsächlich, aber nicht durch die Handlungen der Regierung, sondern durch die Entwicklung der Energiemärkte, in eine echte Bedrohung unserer Wettbewerbsfähigkeit kommen. Deswegen sehe ich zum Beispiel das jetzt beschlossene Transformationspaket, diese 5,7 Milliarden, als eine wirksame Hilfe, um die Wettbewerbsfähigkeit zu halten, denn in dem Ausmaß, in dem es uns gelingt, Substitution von Gas und Öl durch erneuerbare Energie zu schaffen, sind wir nicht mehr so von diesen Preisdifferenzen betroffen.

Reichen wird das natürlich nicht. Reichen wird es nicht. Die Frage ist nur: Wie viel können Sie in der relativen Kürze der Zeit, wo das entscheiden wird, überhaupt noch machen?

Was die Standortfaktoren an sich betrifft, möchte ich hier im Hinblick auf die Kürze der Zeit auf Frau Köppl-Turyna verweisen, die Ihnen die verschiedenen Standortfaktoren aufgezählt hat, die eigentlich bei allen internationalen Rankings herauskommen, wo wir gut sind und wo wir weniger gut sind. Da gibt es sicherlich auch das Thema der Regulierungen, das würde ich gar nicht leugnen. Da gibt es Themen, die schon so einen Bart haben – verzeihen Sie den Ausdruck! –, was etwa Unternehmensgründungen betrifft, die Dauer der Verfahren und dergleichen mehr, die für Österreich nicht gut sind. Auf der anderen Seite haben wir sehr viele sehr positive Standortfaktoren. Das ist auf jeden Fall einmal ein relativ hoch ausgebildetes Personal, obgleich wir wie die meisten Industriestaaten jetzt Arbeitskräfteknappheit haben. Das ist aber auch ein gewisses stabiles politisches und ökonomisches System und dergleichen mehr.

Ich denke mir, dass im gegenwärtigen Budget für einige Bereiche explizit Standortförderung dabei ist. Ich sehe andere Maßnahmen, die als solches verkauft werden, nicht als wahnsinnig standortfördernd. Also ich glaube zum Beispiel, dass das große Paket der ökosozialen Steuerreform grosso modo sehr wohl den Standort fördert, aber, um mich auch wieder ein bisschen unbeliebt zu machen, ich glaube nicht, dass wir zur Standortförderung die Körperschaftsteuersenkung gebraucht hätten, weil das etwas ist, was nur sehr, sehr kurzfristig wirkt und auch im Verhältnis zu den Nachbarstaaten ein sehr volatiles Gebilde ist.

Hingegen würde die Standortförderung - - Da gibt es einige Maßnahmen, die beschlossen worden sind: Die Entlastung des Faktors Arbeit und damit die Senkung der Produktionskosten an dieser Front plus der Forschungsförderung und der Unternehmensförderung im Zusammenhang mit Technologie sehe ich wieder auf der positiven Seite der Standortbilanz.

Das einmal ein kleiner Überblick, so wie ich ihn spontan zeichnen würde.

Bitte? Entschuldigung! Na ja, die offiziellen Prognosen von Wifo und IHS, die die am besten fundierten in diesem Lande sind, gehen von der Stagflation aus, und die Frage ist, ob es bei der Stagflation bleibt. Das ist tatsächlich die Frage.

Ich habe, und auch der Herr Felbermayr, würde er hier sitzen, hat jetzt keinen sachlichen Grund, zu sagen: Es wird auf jeden Fall schlechter. Aber es gibt große Abwärtsrisiken bei der Prognose, und wie gesagt, die Stagflation ist sozusagen die optimistischere Variante bei den Wirtschaftsprognosen.

Gabriel Obernosterer: Möchte dazu jemand noch etwas sagen? Nein. Danke schön.

Gibt es weitere Fragen? Bitte schön, Herr Kollege Kaniak.

Gerhard Kaniak (FPÖ, Abgeordneter zum Nationalrat): Die Frage von Kollegen Angerer betreffend die Zufallsgewinne, Definition Zufallsgewinne, wäre noch offen, und ich möchte noch eine generelle Frage vor allem auch in Richtung des Finanzministers nachschicken. Ein Thema, das wir heute noch gar nicht diskutiert haben, ist das Thema der Währungsentwicklung und der Wechselkursentwicklung.

Wir haben ja doch, was den Euro anbelangt, einen massiven Wertverlust in den letzten zwölf Monaten gehabt, vor allem gegenüber dem US-Dollar. Jetzt wissen wir, dass Energie, international vor allem natürlich Gas und Öl in Dollar abgerechnet werden und damit unsere Importkosten massiv gestiegen sind und damit auch ein wesentlicher Teil der Teuerungen da auch mit befeuert worden ist.

Erstens einmal: Wie groß sehen Sie den Anteil?

Zweitens: Wie weit wäre es gerade in Anbetracht dieses bereits sehr stark gesunkenen Wechselkurses nicht auch in der Verantwortung der österreichischen Bundesregierung und von Ihnen als Minister, bei der Haushaltsführung sowohl in Österreich als auch auf europäischer Ebene ganz massiv auf die Einhaltung der Maastrichtkriterien zu drängen, um hier einen weiteren Wertverfall zu verhindern und vielleicht sogar im Gegenteil wieder in eine entsprechende günstigere Korrelation des Wechselkurses zu kommen? Denn wenn man jetzt auch die Energiewende und die notwendigen Transformationsprozesse anschaut, dann brauchen wir für diesen Bereich ja auch großteils Investitionsgüter und Rohstoffe und seltene Erden, die auch wiederum alle in Dollar gehandelt werden und nicht in Euro, die wir auch alle nach Europa importieren müssen, und da würde uns ein besserer Wechselkurs sehr helfen. Und auf der anderen Seite wie gesagt sehe ich eine Politik, die eigentlich diesen Wechselkurs durch diese ausufernde Schuldenpolitik immer weiter verschlechtert.

Magnus Brunner: Die zweite Frage ist an mich gegangen: Ja, sehr gerne.

Also ich glaube, da muss man schon unterscheiden. Das eine ist die Aufgabe der Zentralbank wieder, wenn es um Maßnahmen geht: Wie kann ich den Euro auch stärken? Wir haben das von den Expertinnen und Experten heute schon gehört, dass es natürlich ein Problem ist und ein Dilemma eigentlich der EZB auch ist: Wie stark kann sie agieren, wie schnell kann sie agieren, in welchem Ausmaß kann sie agieren? Weil, und da komme ich auf das zweite Thema, natürlich der Haushalt und die Budgets mancher Mitgliedsstaaten nicht so beieinander sind, dass man schneller und konkreter dagegenhalten könnte – was natürlich wiederum Auswirkungen auf die Schwäche des Euros beziehungsweise auf die Stärke dann im Verhältnis zum US-Dollar hat. Also ja, das ist ziemlich offensichtlich.

Zum zweiten Teil der Frage an mich, wegen Einhaltung der Maastrichtkriterien: Ja selbstverständlich, also ich versuche das auf europäischer Ebene dauernd. Wir werden das auch Montag, Dienstag wieder beim Ecofin in Brüssel diskutieren, weil für nächste Woche ja auch die neuesten Vorschläge der Europäischen Kommission erwartet werden, was den Wachstums- und Stabilitätspaket betrifft. Und auch dort werden wir natürlich dafür eintreten, dass die Kriterien erhalten bleiben auf der einen Seite, dass vielleicht die Flexibilitätsmöglichkeiten, die es eh schon gibt, auch entsprechend ausgenützt werden können, bevor man neue Kriterien auch wieder einführt. Also das sind Dinge, auf die wir natürlich auf europäischer Ebene auch schauen würden.

Wie ist unsere Entwicklung der Kriterien? Das hat Professor Badelt zu Beginn auch schon gesagt. Wir werden bis 2026 in Richtung 72,5 Prozent von jetzt 78 Prozent, was die Schuldenquote betrifft, runtergehen und, was das Maastrichtdefizit betrifft, von jetzt zirka 3 Prozent, und die Grenze ist bei 3 Prozent, auf dann zirka 1 Prozent runtergehen. Also wir bemühen uns sehr, diese Kriterien natürlich auch einzuhalten und auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass es auch europaweit entsprechend eingehalten wird.

Gabriel Obernosterer: Bitte schön.

Markus Marterbauer: Zur konkreten Frage, was die sogenannten Zufallsgewinne betrifft: Wir sprechen in unserem Konzept ausschließlich von Übergewinnen. Die Übergewinne bei den Energieversorgungsunternehmen sind klar definiert: das, was den Durchschnitt der letzten drei Jahre um mehr als 10 Prozent übersteigt. Sie haben völlig recht, Herr Abgeordneter, dass die zu einem Teil durch öffentliche Regulierungen entstanden sind, aber zu einem guten Teil auch nicht, wenn Sie nur daran denken, dass sich die Bruttogewinnmargen der Raffinerien verdreifacht haben.

Ich habe mit dem Herrn Vorsitzenden geklärt, dass ich gehen kann, weil ich um 15 Uhr einen nicht verschiebbaren Termin habe. – Danke.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals. Wir haben das aber schon im Vorhinein abgeklärt, dass einige von euch einen Termin haben und wahrscheinlich nicht bis zum Schluss bleiben können, weil wir so überzogen haben. Danke schön.

Die Redezeit, zumindest Fragezeit der Partei FPÖ ist erschöpft.

Und wir kommen jetzt zur ÖVP. Als Nächster zu Wort gemeldet: Kollege Lindinger. – Bitte schön

Klaus Lindinger (ÖVP, Abgeordneter zum Nationalrat): Danke, Herr Vorsitzender. Ich hätte nur eine kurze Frage an Professor Badelt: Jetzt haben wir 2019 erstmals in der Zweiten Republik ein Budget gehabt, in dem wir fast eine Milliarde Euro Überschuss gehabt haben. Es hat natürlich dann die Maßnahmen gegeben, Corona, viele Unterstützungsmaßnahmen, die Wirtschaft ist unterstützt worden, vor allem die Arbeitsplätze zu erhalten war ein wichtiges Thema, und dann jetzt diese ganzen Teuerungsmaßnahmen.

Sie haben gesagt, zum einen wird das unterste Dezil verhältnismäßig über der Inflation entlastet.

Meine Frage geht aber dahin: Wenn wir an die nächsten Generationen denken, an welchen Hebeln müssten wir dezidiert drehen, trotz der ganzen Maßnahmen, der vielen Maßnahmen, die von der Bundesregierung und von uns im Parlament beschlossen worden sind, und trotz der Herausforderung der hohen Inflation und der Transformation, dass man den nächsten Generationen dann in Jahrzehnten einen möglichst geringen Schuldenrucksack übergeben können?

Das heißt: Was wären aus Ihrer Sicht die prägendsten Aspekte oder Schrauben, wo man drehen könnte, damit wir da den Rucksack möglichst kleinschrauben?

Christoph Badelt: Na ja, ich glaube, es gibt da einen allgemeinen wirtschaftlichen Aspekt. Es gibt einen allgemeinen wirtschaftlichen Aspekt und einen sehr spezifischen Aspekt einzelner Maßnahmen.

Was den allgemeinen wirtschaftlichen Aspekt betrifft, so ist es zweifellos so, dass ein möglichst niedriger Schuldenstand und ein ausgeglichenes Budget zumindest über den Konjunkturzyklus hinweg, wobei das jetzt als echter Konjunkturzyklus gedacht ist und nicht als einer, der so krisengeschüttelt ist, die Handlungsmöglichkeiten auch für die künftigen Generationen maximiert. Ja, das ist sicherlich einmal ein ganz wichtiger Punkt. Und auch eine gut funktionierende Wirtschaft, auf dem baut das auf, aber auch eine intakte Umwelt. Also diese generellen Ziele, die sind natürlich vor allem auch Ziele für die nächsten Generationen. Das ist das eine.

Das andere ist: Wenn Sie jetzt konkret in die Budgetdimensionen hineingehen, dann muss man schon sagen, dass hier vor allem die Aspekte - - alles, was mit Bildung im weitesten Sinne des Wortes zu tun hat, ganz, ganz entscheidend ist. Und ich mache hier darauf aufmerksam: Wir haben wir über die mangelnde Effizienz des Bildungssystems heute schon mehrfach gesprochen.

Ich mache darauf aufmerksam, dass eines der größten Probleme, die wir heute im Bildungssystem haben, darin besteht, dass vor allem dort, wo relativ geballt Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen in die Schule gehen – das ist mehr in den Städten als am Land –, die Ergebnisse der Ausbildung, der Pflichtschule sehr schlecht sind und damit eine ganze Generation von Kindern, die in diesen Schichten aufwachsen, eigentlich keine gute Grundausbildung und kein gutes Fundament hat, um individuell in ein gutes Leben hineinzukommen. Und das zahlt sich auch volkswirtschaftlich aus, hier mehr zu tun, und das betrifft die Elementarbildung genauso wie eben die Grundschulzeit. Das zahlt sich auch volkswirtschaftlich aus, hier viel zu tun und mehr zu tun, als wir gegenwärtig tun, weil Sie damit Arbeitskräfte der Zukunft schaffen, die uns ja aus demografischen Gründen knapp werden. Das heißt, da fällt dann sozusagen die individuelle Lebensperspektive dieser Menschen und die makroökonomische Lebensperspektive zusammen.

Gabriel Obernosterer: Keine weiteren Fragen?

Dann sind wir auch fertig mit der Befragung bei der ÖVP, und wir kommen jetzt zur Fraktion der NEOS, und zu Wort gemeldet hat sich Frau Kollegin Doppelbauer. – Bitte schön.

Karin Doppelbauer: Herzlichen Dank. Ich hätte noch eine Frage an Herrn Dr. Berger vom Budgetdienst. Und zwar geht es mir hier um das Kommunalinvestitionsgesetz, also das KIG 2023, mit den Volumina von 500 Millionen Euro.

Meine Frage ist: Wie schätzten Sie es zum derzeitigen Zeitpunkt ein, wie sinnvoll es jetzt ist, diese 500 Millionen Euro sozusagen an die Gemeinden hier zu übergeben? Weil wir ja sehen, dass tatsächlich im letzten Jahr sehr viel mehr Geld geflossen ist als geplant und es einen eklatanten Fachkräftemangel gibt und wir auch schon gehört haben, dass es oftmals auch Anstoßfinanzierungen braucht, wo aber noch gar nicht weitergemacht werden kann – ist jetzt vielleicht im Energiebereich nicht ganz große Thema. Aber tatsächlich: Wie effizient sind diese 500 Millionen Euro im nächsten Jahr eingesetzt aus Ihrer Sicht?

Helmut Berger: Na ja, das Wichtige ist an sich, wie diese 500 Millionen Euro dann auch umgesetzt werden. Denn es gibt, glaube ich, schon einen Fortschritt gegenüber dem letzten Gemeindepaket, denn das war ganz einfach nicht an irgendwelche Vorgaben gebunden.

Der große Fortschritt dieses Gemeindepakets wäre es, dass man das wirklich für die energetische Transformation verwendet. Man muss dann nur aufpassen, dass das dann nicht im Vollzug ganz einfach sehr verwaschen wird. Weil: Wir haben das schon relativ oft gesehen, dass die Gemeinden dann ganz einfach recht großen Druck ausüben, dass man dann bei Richtlinien, Abwicklungsmechanismen ganz einfach vom Bund her nachgeben muss. Und das wäre ganz einfach wichtig.

Dass es einen gewissen Finanzbedarf der Gemeinden gerade auch in der energetischen Transformation gibt, das ist also jetzt unbestritten.

Gabriel Obernosterer: Danke schön. Gibt es weitere Fragen? Herr Kollege Loacker, bitte schön.

Gerald Loacker: Danke, Herr Vorsitzender.

An Professor Badelt: Sie haben sich gegen Substanzbesteuerung ausgesprochen. Wenn man sich jetzt aber die ImmoESt und die Wertpapier-KESt anschaut, wo vom nicht inflationsbereinigten Wert weg gerechnet wird, findet ja auch teilweise eine Substanzbesteuerung statt. Sie kaufen eine Wohnung um 500 000 Euro, verkaufen sie in zehn Jahren, und da wird das nicht inflationsbereinigt. Inwiefern ist diese Art von Systembesteuerung überhaupt in unserem Steuersystem logisch unterzubringen oder ist sie vielleicht sogar systemwidrig?

Christoph Badelt: Ich teile Ihre Meinung hier. Ich sehe das auch kritisch, genauso wie es eben auch Mehrfachbesteuerungen in Unternehmenssituationen gibt. Also ich würde das schlicht und einfach kritisch sehen.

Ich will mich aber hier jetzt auch nicht als den Steuerfachmann darstellen. Ich bin da eher zu einem allgemeinen Offenbarungseid, welche Steuern ich gut oder schlecht finde, gebeten worden, aber ich sehe die Konsequenz, die meine Aussage hat, durchaus ein und stehe dazu.

Gerald Loacker: Es wurde bereits auf die EZB-Politik und den Versuch der Inflationsbekämpfung durch Zinserhöhungen hingewiesen, und gleichzeitig fährt aber die Republik ein großzügiges Ausgabenprogramm mit vielen Einmalzahlungen und Sonderzuwendungen.

Inwiefern konterkarieren einander da Fiskalpolitik und Geldpolitik und macht der eine die Wirkung des anderen kaputt? Ich hätte gerne Herrn Gundinger und Herrn Prof. Badelt dazu befragt.

Christoph Badelt: Ich kann schon was dazu sagen: Es ist richtig, es gibt im Augenblick einen Widerspruch zwischen einer expansiven Finanzpolitik und einer kontraktiven Geldpolitik, und das ist nicht gut, ja. Das ist nicht gut.

Aber das ist eines der verschiedenen Dilemmata, in den wir uns befinden, wobei ich glaube, dass das Dilemma der EZB das größere ist als das Dilemma der nationalen Fiskalpolitik – denn, wie schon mehrfach gesagt, da halte ich diese expansive Politik für sinnvoll. Aber die EZB ist in einer wirklich schweren Aufgabe, weil die halt einfach Ziele hat, die nicht zusammenpassen. Es wurde zuerst über den Dollar gesprochen: Also die FED rennt davon mit den Zinsen, schon aus dem Grund muss die EZB mit den Zinsen nachziehen.

Wenn wirklich Rezession aufkommt, dann betreibt sie kontraktive Politik, die man dann auch wieder nicht gebrauchen kann. Es ist gibt einfach Trade-Offs oder Dilemmata in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage, die unauflösbar sind.

Gehst du jetzt auch? Ja? Am Schluss bleibt nur mehr der Badelt über. Gut. (Heiterkeit.)

Martin Gundinger: Ja, also im Wesentlichen stimme ich Herrn Dr. Badelt völlig zu.

Eine Sache bei der EZB ist vielleicht noch interessant: Wir haben momentan die Situation, dass die EZB die Zinsen zwar erhöht, aber gleichzeitig die Bilanz weiter ausdehnt. Und das ist durchaus problematisch, weil: Wenn die Geldmenge weiter ansteigt, dann würden wir die Inflation nicht sinnvoll bekämpfen. Aber das ist halt darin begründet, dass die EZB mittlerweile zu einer Rettungspolitik der Mitgliedsstaaten greifen muss, weil es tatsächlich keine politisch akzeptable Alternative gibt.

Gerald Loacker: Danke. Es wurde ja vorhin von Vermögensbesteuerung geredet. Und da wäre, wenn ich eine große Lebensversicherung hätte, diese auch ein Finanzvermögen, das da besteuert würde. Jetzt kann ich leider Herrn Marterbauer nicht mehr fragen. Ich würde nämlich, um seine Arbeiterkammerpension zu bekommen, eine Lebensversicherungspolizze mit 1,5 Millionen Euro brauchen, und da hätte mich interessiert, ob er seine Anwartschaft bei der AK auch besteuert hätte. Das kann ich leider nicht.

Christoph Badelt: Sie haben den Beruf verfehlt.

Gabriel Obernosterer: Okay. Ich glaube, von den Kolleginnen und Kollegen bei den NEOS gibt es keine weiteren Fragen. Habe ich das richtig verstanden?

Danke vielmals. Es liegen keine weiteren Wortemeldungen mehr vor. Damit ist das Hearing beendet.

Ich danke den Expertinnen und Experten, die noch hier sind, für ihr Kommen, den anderen habe ich schon vorhin gedankt.

Der öffentliche Teil der Sitzung ist damit beendet.

Ich danke auch den anwesenden Medienvertretern sowie den Zuhörern – sehe ich nicht viel – für ihr Kommen und bitte sie auch, den Saal zu verlassen.