Rede der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures anlässlich der Eröffnung des neu renovierten Parlamentsgebäudes

Donnerstag, 12. Jänner 2023
Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geschätzter Herr Bundespräsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Als ich 2014 nach dem viel zu frühen Tod von Barbara Prammer zur Nationalratspräsidentin gewählt wurde, da übernahm ich auch das von ihr so professionell vorbereitete Projekt der Generalsanierung des Parlamentsgebäudes.

Dieses Projekt wurde auf Basis eines langen, breiten und soliden parlamentarischen Konsenses gestartet. Ziel war es, ein modernes Arbeits-Parlament der Zukunft zu schaffen. Aber vor allem ging es um die dringlich notwendige Erhaltung der historischen Bausubstanz für nächste Generationen.

Alle Parlamentsfraktionen wurden dabei eingebunden und trugen dieses komplexe Sanierungsprojekt mit. Seriosität, Aufrichtigkeit und offene Kommunikation waren dabei die entscheidenden Instrumentarien.

Die Jahre des Umbaus des Parlaments, mitsamt dem 2017 erfolgten aufwendigen Umzug in das Ausweichquartier, sie standen – trotz allem – für Kontinuitäten. Kontinuitäten, wenn es um die Bedeutung von Freiheit, liberaler Demokratie und Menschrechte geht.

Die letzten fünf Jahre stehen aber auch für Brüche, für politischen Aufprall und durchaus heftige Schocks.

Denn: seitdem ist viel geschehen! Viel geschehen –mit diesem Gebäude, mit unserem Land, in unserer Welt – Brüche, Umbrüche, ja eine „Zeitenwende“ haben mittlerweile Einzug in das globale politische Geschehen gehalten.

Und schließlich kam mit der COVID-Pandemie eine Gesundheitskrise, die die Welt fast drei Jahre lang in ihren Fesseln hält. Kaum dachte man, all das sei fordernd genug gewesen, da wurden wir mit dem russischen Angriff auf die Ukraine zu Zeugen des nächsten historischen Schocks. Europa wurde nach friedvollen Jahrzehnten erstmals wieder zum Schauplatz eines furchtbaren Angriffskrieges, von Vertreibung und Zerstörung.

Und in der Innenpolitik wurde viel zu oft mit schrillen Angstparolen und mit wohlklingenden Illusionen hantiert.Bei Vielen wurden erst Hoffnungen geweckt, letztlich aber allzu oft bitter enttäuscht.

Diese Brüche und Erschütterungen haben in unserem Land zu einem Verlust von Vertrauen- und Glaubwürdigkeit geführt. Dies hat zuletzt auch der „Demokratiemonitor“ dokumentiert.

Hybris, Selbstgefälligkeit und Abgehobenheit waren die eitlen Weggefährten eines demokratiepolitisch bedenklichen Kurses der Abwertung der Politik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, umso mehr muss es daher jetzt – nach der Sanierung des Parlamentsgebäudes – auch um eine grundlegende Sanierung des Vertrauens in die Demokratie und ihre Institutionen gehen.

Dies sollten wir im „neuen“ Parlament mit Aufrichtigkeit und mit Mut zu einer offenen Fehlerkultur angehen – hin zu einem respektvollen demokratischen Diskurs.

Denn, dieses - heute so strahlende Haus darf kein Hort des Establishments und keine Heimstatt vermeintlicher „Eliten“ sein.

Dieses Parlament, als Arbeitsort der demokratisch gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter, ist ein Haus des Volkes!

Seinen Interessen, seinem Wohl und Wehe gilt unser aufrichtiges Streben.
Dafür braucht es Empathie und mehr Respekt. Wir müssen die Meinungsvielfalt achten. Auch Zwischentöne zulassen und hören.

Die Präsidentin des Deutschen Bundestages Bärbel Bas, hat dies kürzlich in ihrer Rede zum Tag der Deutschen Einheit, so formuliert:
„Suchen wir das Gespräch. Gehen wir einander nicht aus dem Weg, weil es bequemer ist. Fragen wir nach! Machen wir uns die Mühe, Widerspruch auszuhalten. Es braucht weniger Wut und mehr Respekt. Weniger Rechthaberei und mehr Neugier. Weniger Vorurteile und mehr Empathie.“

Auch ich denke wie Bärbel Bas. Nur so können verloren gegangenes Vertrauen und Glaubwürdigkeit wiedergewonnen werden!

Hohe Festversammlung! Erlauben Sie mir abschließend festzuhalten:
Hunderte haben an diesem Projekt und dieser Baustelle hart gearbeitet.
Stellvertretend für diese vielen fleißigen Menschen, die diese komplexe Sanierung in den vergangenen Jahren realisiert haben, habe ich heute eine Gruppe junger Menschen als meine persönlichen Ehrengäste eingeladen. Es sind die Lehrlinge, die im Zuge ihrer Ausbildung hier an der Sanierung gearbeitet haben.

Ich möchte Euch – stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sagen: jeder von Ihnen kann mit Fug und Recht stolz auf die hier vollbrachte Leistung sein! Ohne Sie wäre dies alles nicht möglich gewesen. Ihnen gilt daher unser aller Dank und unsere Anerkennung.