Transkript der Veranstaltung:
Podiumsdiskussion
„Medien. Macht. Meinungsvielfalt.
Die Rolle der Medien in der Demokratie.“
Katharina Schell (Moderatorin, Stv. Chefredakteurin, APA – Austria Presse-Agentur): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, Sie heute Abend im Nationalratssaal begrüßen zu dürfen. Es ist mein erstes Mal im neuen Hohen Haus und, ich denke, auch für einige von Ihnen das erste Mal.
Wir sprechen heute über Medien, Macht und Meinungsvielfalt. Wir haben uns dafür einen extrem guten Termin ausgesucht, was mich freut, aber vielleicht auch eventuell die Themenwahl in unserer Diskussion beeinflussen wird.
Es ist mir eine große Freude, einige Personen hier namentlich begrüßen zu dürfen: zuerst auf jeden Fall den Gastgeber des heutigen Abends, Herrn Parlamentsdirektor Harald Dossi, in der Folge auch Bundesratspräsident außer Dienst Herwig Hösele – herzlich willkommen! (Beifall) –, außerdem Parlamentsvizedirektorin Dr.in Susanne Janistyn-Novák (Beifall), darüber hinaus alle anwesenden aktiven und ehemaligen Abgeordneten zum Nationalrat und Mitglieder des Bundesrates sowie auch Abgeordnete zu den Landtagen – herzlich willkommen in Wien! (Beifall) – und natürlich den geschäftsführenden Vorstand der APA – Austria Presse-Agentur, die ja gemeinsam mit dem Parlament heute eingeladen hat, Clemens Pig (Beifall).
Zu guter Letzt, bevor wir tatsächlich starten, möchte ich natürlich auch die heutigen Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer begrüßen: Alexandra Föderl-Schmid (Beifall), Johannes Bruckenberger (Beifall), Karl-Heinz Grundböck (Beifall) und Andre Wolf (Beifall). Falls Sie sich fragen sollten, wer denn diese Menschen sind – aber Sie wissen es natürlich –: Wir werden uns dann zu einer Diskussion zusammensetzen, und ich werde sie noch ein wenig ausführlicher vorstellen.
Zuerst möchte ich aber Herrn Dr. Dossi um seine Begrüßungsworte an unsere Gruppe bitten.
Harald Dossi (Parlamentsdirektor): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen im frisch sanierten Plenarsaal des Nationalrates des österreichischen Parlaments – es ist einleitend ja schon gesagt worden, es ist noch nicht allzu lange, dass wir wieder hier arbeiten können; es hat schon einige Sitzungen des Nationalrates hier gegeben, auch einige wenige Veranstaltungen. Wir sind alle froh, wieder hier zu sein, und arbeiten im Team der Parlamentsdirektion auch jeden Tag daran, kleinere Rädchen noch ein bisschen anzupassen, damit es dann möglichst bald ganz, ganz perfekt funktioniert. Aber wie gesagt: Wir sind froh, wieder hier zu sein.
Die heutige Veranstaltung ist eine Veranstaltung in Kooperation mit der APA, die seit vielen Jahren ein enger und treuer Partner des Parlaments und der Parlamentsdirektion ist, wofür ich mich auch von dieser Stelle aus herzlich bedanken möchte. Wir schätzen das sehr. Wir haben insbesondere in den letzten Jahren bei der Neuaufstellung dessen, was man früher Medienbeobachtung genannt hat, ein noch engeres Arbeitsverhältnis mit der APA begründet und haben das bei uns seit einigen Jahren bestehende neue 360-Grad-Themenmonitoring in enger Kooperation mit der APA aufgestellt, und ich bin froh, dass sich bei den Abgeordneten, bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Klubs und der Parlamentsdirektion dieses wirklich umfassende Themenmonitoring, das intern zur Verfügung steht, einer großen Beliebtheit erfreut. Wir bekommen auch in internationalen Kontakten von anderen Parlamenten immer wieder interessierte Nachfragen, wie wir das gemacht haben und wie wir das betreuen. Das ist also aus meiner Sicht ganz großartig und sicherlich mit ein Grund – aber nicht der Hauptgrund –, dass wir diese Veranstaltung hier im Parlament und im Plenarsaal haben.
Ein weiterer Grund liegt vielleicht auch darin, dass ich zwischen den primären Aufgabenstellungen der APA und jenen der Parlamentsdirektion durchaus ein paar Ähnlichkeiten sehe, weil die APA, aus meiner Sicht zumindest, eine wesentliche Aufgabe hat: Informationen auch der gesamten Medienlandschaft zur Verfügung zu stellen – als Grundlage, um dann politische Ereignisse und Entwicklungen einzuordnen und zu kommentieren. Die Parlamentsdirektion hat einerseits eine breitere Aufgabenstellung darin, Parlamentarismus zu ermöglichen und zu unterstützen, und als Teilbereich dieser Aufgabe sehen wir es auch als eine wichtige Aufgabe von uns, die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten, von Medienvertreter:innen in Österreich, aber auch international zu unterstützen und zu ermöglichen.
Wir machen das auf der Basis von, ich glaube, drei wesentlichen Säulen: Mit unserem Medienservice unterstützen wir Journalistinnen und Journalisten hier bei ihrer täglichen Arbeit im Haus, versuchen, das so leicht und so gut wie möglich zu machen.
Die zweite wesentliche Säule: Wir berichten über die parlamentarischen Geschehnisse, insbesondere aus den Ausschüssen des Nationalrates und des Bundesrates, die ja, wie Sie wissen, nicht öffentlich sind, sodass also wesentliche Informationen über die Vorgänge aus den Ausschüssen über die Parlamentskorrespondenz in die Welt gesetzt werden. Wohlgemerkt: Wir berichten über parlamentarisches Geschehen, wir bewerten nicht, wir kommentieren nicht, wir sehen das als eine weitere Serviceleistung für die Medienwelt, als Grundlage für Kommentare und Einordnungen.
Und: Wir nutzen auch die neuen Technologien, insbesondere die sozialen Medien, um über parlamentarische Ereignisse zu berichten – auch da mit dem Ziel, Lust auf Politik zu machen, einen Beitrag zu leisten, zu erklären, was in diesem Hause passiert. Auch da das Bemühen, äquidistant zu bleiben, zu berichten, nicht zu kommentieren; und – wiewohl das manchmal auch im politischen Diskurs so nicht gesehen wird – wir betreiben auch nicht die politischen privaten Sozial-Media-Accounts von Abgeordneten, von Präsidenten, Präsidentinnen dieses Hauses – das ist eine eigene Säule, die nichts mit der Parlamentsdirektion zu tun hat.
Und als wesentliche dritte Säule – wir haben das als Teil des jetzt gerade beendeten Sanierungsprojektes auch noch einmal gestärkt – versuchen wir, für die Abgeordneten, für die Klubs und für die Präsident:innen des Hauses eine Plattform für eigene parlamentarische Medienaktivitäten zu bieten. Das geht von der Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten für Pressekonferenzen über die zur Zurverfügungstellung von Studios, in denen Video-, Fernsehaufnahmen gemacht werden können, und schließlich haben wir vor einiger Zeit auch – Stichwort „Politik am Ring“ – begonnen, Plattformen zu bieten, um Abgeordneten, Klubs zu aktuellen politischen Themen auch eine Bühne für Diskussionssendungen zu geben.
Das nur so ein bisschen erklärend, wie wir in diesem Bereich die Rolle der Parlamentsdirektion sehen.
Schlussendlich, als Summe all dieser Säulen, sehen wir uns auch als Plattform für Veranstaltungen wie diese – und ich glaube, die Moderatorin hat es einleitend schon gesagt – zu Themen, zu denen ich jetzt hier einleitend nichts sagen werde, bei denen ich aber davon ausgehe, dass das auch Themen sind, die in diesem Haus relativ zeitnah immer wieder behandelt und diskutiert werden.
In diesem Sinne freut es mich, dass diese Veranstaltung hier möglich ist. Ich wünsche Ihnen allen, uns allen einen interessanten Abend und bedanke mich noch einmal für Ihr Interesse und für Ihr Kommen. – Vielen Dank. (Beifall.)
Katharina Schell: Danke, Herr Dr. Dossi. Wir bemühen uns nach Kräften, es spannend und interessant zu machen. Sie sind natürlich kraft Ihres Amtes ein Parlamentsprofi.
Jemand, der nicht ganz so oft im Hohen Haus unterwegs ist, ist Clemens Pig, CEO der APA, und ich kann mir vorstellen, dass es für dich etwas ganz Spannendes ist, dich jetzt kurz hierherzustellen und uns deine Begrüßung zu übermitteln.
Clemens Pig (Geschäftsführender Vorstand, APA – Austria Presse-Agentur): Russland hat seine Einheit wiederhergestellt – die Tragödie von 1991, diese furchtbare Katastrophe unserer Geschichte, diese unnatürliche Zerrissenheit ist überwunden. – Zitatende. In den Morgenstunden des 26. Februar des vergangenen Jahres, also zwei Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, war zumindest für die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti durch den irrtümlichen Versand eines vorbereiteten Jubelkommentars das Ziel dieser Invasion schon erreicht, und damit auch für zahlreiche russische Medien.
Nachrichtenagenturen stehen weltweit an der Spitze der Informationspyramide, und in dieser Zeitenwende für eine neue Weltordnung birgt die Rolle dieser Nachrichtenagenturen als Arterien des nationalen und internationalen Informationsstroms enorme Chancen und zahlreiche Gefahren. Bis zu zwei Drittel aller täglichen massenmedialen Informationen in Europa – in Fernsehen, Radio, Tageszeitungen, Zeitschriften, in den Online-Ausspielkanälen – gehen direkt oder indirekt auf das Material von Nachrichtenagenturen zurück. Und die eingangs erwähnte RIA Nowosti bezeichnet sich ebenso als Nachrichtenagentur wie die ebenfalls russische Tass oder die chinesische Xinhua.
Doch auch die drei globalen Weltagenturen – AP Associated Press aus Nordamerika, Reuters mit Hauptsitz in London und die französische Agence France-Presse in Paris –, aber auch die international tätige dpa Deutsche Presse-Agentur und, ich sage, unsere österreichische APA – Austria Presse-Agentur sind Nachrichtenagenturen. Der elementare Unterschied besteht darin, dass Erstere – also RIA Nowosti, Tass, Xinhua – beispielhafte Exponenten für staatliche Propaganda sind und die Letztgenannten Vertreter einer absoluten Minderheit von unabhängigen Agenturen, die den globalen free flow of information aufrechterhalten wollen. Und diesen Agenturen kommt insbesondere in Zeiten dieser globalen Verwerfungen, die wir alle erleben, und dieser massiven Unsicherheiten eine besondere Bedeutung zu.
Die österreichische APA – Austria Presse-Agentur ist nur eine von rund 20 Nachrichtenagenturen weltweit, die privatwirtschaftlich organisiert sind, völlig frei von Staat und Regierung arbeiten und auch keinerlei staatliche Subventionen, Fördergelder jedweder Art erhalten. In ihrer und damit auch in unserer Berichterstattung sind wir einzig und allein dem Wertesystem der true and unbiased news verpflichtet, die auf das Konzept des legendären Ken Cooper – im Jahr 1942 der große Mann, damals waren es leider im Regelfall nur Männer, der amerikanischen AP – zurückgehen, und wie manche vielleicht wissen, ist die österreichische APA nach dem Zweiten Weltkrieg nach dem Vorbild der Amerikaner als gewinnorientierte Genossenschaft gegründet worden.
In der heutigen digitalen Transformation der Medienindustrie einerseits und in den grundlegenden Veränderungen der digitalen Desinformationsgesellschaft andererseits sind Innovationen unsere Lebensversicherung, und in der vorherrschenden digitalen Ökonomie ist Kooperation unser Betriebssystem.
Die moderne Interpretation von Innovation als Lebensversicherung lautet konkret für die APA: von trusted content zu trusted AI. Die zukunftsorientierte Interpretation von Kooperation als Betriebsmodell bedeutet: die APA als neutrale, medienübergreifende Plattform für die privaten Publisher in Österreich und den ORF. Mit privaten Publisher meine ich sowohl Print als auch natürlich den gesamten Privat-TV- und -Radiomarkt. Das ist ein wirtschaftlich erfolgreiches Rolemodel aus Österreich für die europäische Nachrichtenagenturlandschaft.
In einem Umfeld dieser globalen Krisen, der objektiv steigenden Desinformation und überhitzter digitaler Meinungsmärkte ist das Bereitstellen eines faktenbasierten, glaubwürdigen, zuverlässigen und ausgewogenen Nachrichtenbasisdienstes – so, wie es auch in unseren Statuten steht – wahrlich keine leichte Aufgabe. Ich denke, es ist für uns alle – repräsentativ in diesem Saal, in diesem Raum – aber eine existenziell notwendige und für unseren Berufsstand eine ausnehmend sinnstiftende und, um das auch einmal zu sagen, eine ebenso ehrenwerte Aufgabe, weil es eben keine freie, demokratische Gesellschaft ohne diesen kritischen, unabhängigen Journalismus geben kann. Diese viel zitierte vierte Säule der Demokratie ist ohne Freiheit und ohne Unabhängigkeit des Journalismus und seiner Geschäftsmodelle nicht tragfähig. Und solange eine Gesellschaft – von Politik, Wirtschaft bis hin zu den Menschen – diese Freiheit nicht als unantastbar in einer Demokratie begreift, müssen diese Auseinandersetzung und der Diskurs darüber immer wieder geführt werden, gerne auch jeden Tag – in unseren Redaktionsbüros, in unseren Geschäftsführungsbüros genauso wie in den politischen Prozessen, in den Medien selber, in der breiten Öffentlichkeit und natürlich bei Podiumsdiskussionen wie der heutigen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Direktor Dossi! Ich danke Ihnen für Ihre Eingangsworte bezugnehmend auf die Kooperation mit der APA. Ich darf das von ganzem Herzen so zurückgeben, ich freue mich auch auf eine Vertiefung dieser Kooperation. Ich bedanke mich beim österreichischen Parlament für diese gemeinsame Veranstaltung, und auch ich möchte Sie alle, meine sehr verehrten Damen und Herren, herzlich willkommen heißen. Möge es eine kritische und selbstkritische Veranstaltung und Diskussion werden – mit klaren Zukunftsperspektiven für eine erfolgreiche strategische Positionierung der liberalen Mediendemokratie. Ich freue mich sehr, heute als Mitveranstalter mit dem österreichischen Parlament dieses Thema in diesem Rahmen beleuchten zu dürfen, und wünsche Ihnen allen eine spannende Veranstaltung. – Vielen Dank. (Beifall.)
Katharina Schell: Vielen Dank, Clemens Pig.
Ja, wie angesprochen, wir haben eine Zeit der massiven geopolitischen Verwerfungen, wir haben aber in Österreich auch – gerade heute und dieser Tage – eine Zeit der medienpolitisch sehr nachhaltigen Entscheidungen. Gerade dieser Tage wird das Schicksal der „Wiener Zeitung“ besiegelt, die Spielregeln für einen digitalen ORF werden neu geschrieben – und wir sitzen mittendrin und können darüber reden.
Den Aufriss dafür, sozusagen den Einsprungspunkt wird uns jetzt Alexandra Föderl-Schmid beisteuern. – Herzlich willkommen!
Man muss Sie wohl nicht vorstellen –ich tue es natürlich trotzdem, weil es sich so gehört: Langjährige „Standard“-Chefredakteurin, derzeit stellvertretende Chefredakteurin der „Süddeutschen Zeitung“. – Alexandra, ich bitte um deine Keynote.
Alexandra Föderl-Schmid (Stv. Chefredakteurin, Süddeutsche Zeitung): Vielen Dank, Katja. Vielen Dank für die Einladung. Kritisch und selbstkritisch sollen die Worte sein – das war der Wunsch von Clemens Pig und das ist auch von den Kolleginnen und Kollegen der APA übermittelt worden –, und deshalb wurde wohl ich ausgesucht, mit dieser Innen-, aber auch Außenperspektive vielleicht einiges zu dem medienpolitischen Diskurs heute beizusteuern.
Ich habe vor einem halben Jahr die Anfrage erhalten, und es war absolut nicht absehbar, dass in diesen Tagen tatsächlich die Medienpolitik in Österreich entscheidende Stunden erlebt und tatsächlich eben Entscheidungen in diesem Haus getroffen werden, die die Medienlandschaft in Österreich verändern werden – zum Guten, aber natürlich gibt es aus meiner Sicht auch negative Aspekte. Es wird wenig überraschen, dass ich es tatsächlich fast bizarr finde, dass wir heute – wie gesagt, vor einem halben Jahr geplant – am Vorabend zum Thema Medien, Macht und Meinungsvielfalt diskutieren, wenn morgen tatsächlich hier die Entscheidung getroffen werden soll, die das Aus für die „Wiener Zeitung“ bedeutet.
Kolleginnen und Kollegen haben vor dem Parlament einen Tisch aufgebaut, halten eine Redaktionssitzung ab, wollen mit Menschen ins Gespräch kommen, und ich finde, das ist tatsächlich etwas, das Ihnen allen, die morgen diese Entscheidung treffen, zum Nachdenken gereichen sollte: dass Sie tatsächlich das Aus für ein Medium beschließen, das mit Stolz darauf verweisen kann, die älteste Zeitung der Welt zu sein.
Ob die „Wiener Zeitung“ tatsächlich als Tageszeitung noch eine Zukunft hat, und zwar nachhaltig, vermag ich nicht zu sagen und auch nicht zu entscheiden, aber was ich tatsächlich weiß: dass es Investoren gegeben hätte und weiterhin gibt, die bereit wären, dieses Medium weiterzuführen, in der einen oder anderen Form; es gab auch VÖZ-Medienvertreter, die Interesse signalisiert haben. Und etwas, was tatsächlich denjenigen, die dafür Verantwortung tragen – einige sind ja heute hier im Saal –, vorzuwerfen ist: dass sie nicht einmal versucht haben, Interessenten, Investoren potenziell an einen Tisch zu holen, einfach nur einmal darüber nachzudenken: Gibt es noch andere Möglichkeiten für den Weiterbetrieb der „Wiener Zeitung“ als Medium?, denn, und da sind wir wieder beim Stichwort Medienvielfalt, ich glaube, wir sind uns alle einig, dass es in Österreich nicht zu viele Medien gibt, sondern viel zu wenige, und das auch im internationalen Vergleich. Man zieht bei Diskussionen immer sehr gerne Deutschland heran: In Deutschland gibt es über 300 Tageszeitungen, in Österreich gibt es nur noch ein Dutzend. Und ein Befund, der auch auf Österreich zutrifft: dass der Boulevard einfach eine sehr dominierende Rolle spielt.
Das ist tatsächlich den Verantwortlichen vorzuwerfen: dass sie auf Biegen und Brechen ein Konzept durchziehen wollen und dafür außerdem noch 16,5 Millionen Euro an Steuergeldern zur Verfügung stellen wollen, um ein Onlinemedium zu kreieren und vor allem eine neue Ausbildungsinstitution zu schaffen, die im Bundeskanzleramt – das kann man drehen und wenden, wie man will, es ist so – angesiedelt werden soll.
Es gibt auch sehr viele praktische Fragen. Zu Recht fragen sich die Kolleginnen und Kollegen von der „Wiener Zeitung“: Was soll ab Juli eigentlich mit ihnen werden? Sollen sie dann Journalisten ausbilden, für dieses Onlinemedium arbeiten? – Also viele Fragen, die offen sind; aber noch einmal: Die Journalistenausbildung unter der Ägide des Kanzleramtes – wenn so ein Vorschlag von der Regierung Orbán gekommen wäre, ganz Europa hätte darüber diskutiert.
Außerdem ist im Zuge der Neuordnung der Haushalts- und Finanzierungsmodalitäten des ORF ja immer wieder von politischer Seite darauf verwiesen worden – und es gab ja vor knapp zwei Stunden die Pressekonferenz, bei der von den handelnden Politiker:innen noch einmal die Details vorgestellt wurden –, es ist mit gewissem Stolz darauf verwiesen worden, dass man die Gebühren reduziert. – Hier geht es auch um Steuerzahlergeld, und wenn man tatsächlich einen Investor, eine Investorin gefunden hätte, die die „Wiener Zeitung“ weiterbetrieben hätten, man hätte sogar Steuerzahlergeld eingespart.
Morgen geht es auch um etwas, was tatsächlich notwendig ist: mehr Transparenz. Es soll morgen auch beschlossen werden, dass eine Transparenzpflicht verschärft wird. Jetzt muss man sagen: Das gibt es schon seit dem Jahr 2012. In diese Datenbank wurden vierteljährlich tatsächlich immer wieder Daten eingespeist, die zeigen – was alle wussten –, dass in Österreich sehr, sehr viel Geld an Inseraten der öffentlichen Hand für die Medien zur Verfügung gestellt worden ist und – was auch passiert und auch klar erkennbar ist – dass der Boulevard überdurchschnittlich profitiert und – was auch seit vielen Jahren klar erkennbar ist – dass nicht nachvollziehbar ist, nach welchen Kriterien diese Gelder vergeben werden: mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr – das ist einzigartig im europäischen Vergleich.
Wenn, wie der VÖZ argumentiert, ja „nur“ 80 Millionen Euro vonseiten der Regierung oder der Landesregierungen kommen, der Rest von staatsnahen Unternehmen, dann ist das im Vergleich zu Deutschland noch immer massiv viel mehr, als dort für die Informationspflicht, die eben dort vonseiten der Regierung auch besteht, ausgegeben wird. Im langjährigen Durchschnitt sind es in Deutschland 58 Millionen Euro – und, noch einmal, Deutschland ist zehnmal größer, aber die Diskrepanz der Summen sagt alles.
Ich war auch drei Jahre in Israel, einem Land – auch damit vergleicht man sich ja in Österreich gerne und schaut immer wieder gerne nach Israel –, das von der Einwohnerzahl vergleichbar ist – etwa 9 Millionen –: Da gibt es an Inseraten 12 Millionen pro Jahr, die ausgegeben werden – und es gibt ein Medium wie die „Haaretz“, die sagt: Wir wollen dieses Geld nicht, wir verzichten freiwillig auf diese Inserate!, weil sie sagen, sie wollen davon nicht abhängig werden. – Das kann man sich, glaube ich, in Österreich nicht vorstellen.
Und es hat einen Grund, warum es diesen Begriff Inseratenkorruption nur in Österreich gibt. Ich war in den vergangenen Monaten, als die Chataffäre aufkam – und ich brauche das jetzt nicht alles zu wiederholen, Sie wissen, wovon ich rede –, immer wieder gefordert, dieses Wort zu erklären. Ich glaube aber, da steckt auch eine Geisteshaltung dahinter, und das ist das Problem. Man müsste in Österreich tatsächlich noch mehr Geld nach nachvollziehbaren Kriterien ausschütten und weniger über Inserate ausgeben. Das ist zum Teil jetzt passiert, und es ist auch, genauso wie die verschärfte Transparenzpflicht, zu begrüßen, dass jetzt mit der Qualitätsjournalismusförderung die bisher bescheidene Presseförderung aufgestockt wird. Es hat auch 54 Millionen Euro Digitaltransformationsförderung gegeben, aber auch da fragt man sich, wenn man sich genauer in die Zahlen vertieft und sich auch anschaut, wofür da jetzt Geld genehmigt worden ist – also etwa 300 000 Euro für einen Newsletter –: Wer trifft solche Entscheidungen?
Prinzipiell aber – um nicht nur Negatives rauszupicken –: Es ist positiv, dass etwa die Auslandskorrespondenten extra gefördert werden oder dass es auch extra Geld dafür gibt, wenn ein Redaktionsstatut existiert. Das ist nämlich etwas, was nicht einmal in allen Qualitätsmedien vorhanden ist.
Braucht ein Medium, das unabhängig ist, überhaupt Förderung? – Das ist eine Frage, die ich auch in Deutschland immer wieder gestellt kriege. In Deutschland gibt es nämlich keine Förderung. Ich habe jetzt in Vorbereitung für diese Diskussion extra beim Pendant des VÖZ, also dem Pendant zu den österreichischen Zeitungsverlegern, noch einmal nachgefragt, und die haben mir zurückgeschrieben, es gibt in Deutschland keine Presseförderung, und ich zitiere wörtlich: Nada, niente, zero. – So die offizielle Antwort.
Jetzt weiß ich, dass es tatsächlich in Skandinavien Fördermittel gibt, genauso in Frankreich oder in der Schweiz – auch damit wird ja gerne verglichen –, aber diese Ballung an 200 Millionen Euro für Inserate und jetzt eine noch üppiger ausgestattete Förderung über andere Kanäle, also insgesamt 73 Millionen Euro für private Medienunternehmen, das ist schon einzigartig.
Und weil ja auch neue Kriterien eingeführt worden sind: Zwei Dinge vermisse ich bei den Neuregelungen. Das eine ist – aber darüber könnte man ja morgen auch noch einmal diskutieren –, dass man keine Obergrenze eingeführt hat, was Inserate betrifft – also da bestünde morgen, wenn man sich die Transparenzinitiative noch einmal näher anschaut, die Gelegenheit dazu, das noch einmal zu diskutieren und anzuschauen –, und das andere: der Presserat. Es ist so, dass tatsächlich der Presserat auch mehr Bundesmittel kriegt, aber auch da noch einmal ein Vergleich mit Deutschland: Jahrelang war der Bundeszuschuss 223 000 Euro. Dieser wurde dann im Vorjahr auf 261 000 Euro erhöht, und ab nächstem Jahr sind es 423 000 Euro – also eine massive Erhöhung der Mittel des Presserats in Deutschland, weil einfach auch von staatlicher Seite damit signalisiert werden soll: Es ist wichtig, dass es einen Presserat als Selbstregulierungsorgan gibt, und die Aufgaben haben sich vervielfältigt, und deshalb gibt es dafür auch Mittel.
Jetzt, um 16 Uhr, ist eben vorgestellt worden, dass es in Österreich auch eine Haushaltsabgabe geben soll. Etwas, was es in Deutschland und in der Schweiz zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schon gibt, kommt jetzt endlich auch nach Österreich. Ich finde es richtig, dass diese Form der Finanzierung gewählt wird, und vor allem, dass es keine direkte Budgetfinanzierung gibt.
Und etwas, was auch heute verkündet worden ist: dass dem ORF die Möglichkeit geboten wird, mehr auch im Onlinebereich zu tun – die Digitalnovelle –, dass das jetzt auch in Österreich einsetzt. Wenn man in Deutschland in einem Privathaushalt einen Fernseher aufdreht, da kommt man ja aus dem Staunen nicht mehr heraus, weil die Angebotsvielfalt über die Mediathek eine immense ist. Umso absurder ist es, wenn ich in Bayern den Fernseher aufdrehe und über 3sat wunderbare Dokumentationen über Österreich anschauen kann, weil eben nicht – wie in Österreich bisher – diese Angebote nur sieben Tage zur Verfügung stehen, sondern über viele Monate. Aus Sicht von jemandem, der Gebühren – oder in Zukunft dann die Haushaltsabgabe – zahlt, ist es eigentlich auch nicht einsehbar, dass das den Österreicherinnen und Österreichern bisher vorenthalten worden ist. Wenn das jetzt so kommt wie angekündigt, dann ist das etwas Positives.
Leicht absurd finde ich wiederum, dass ein anderes Angebot jetzt beschnitten werden soll – mutwillig –: Orf.at soll, wie ich vorab gelesen habe, jetzt nur noch 350 Meldungen pro Woche veröffentlichen dürfen. Warum? Auch aus Sicht einer Gebührenzahlerin – ich zahle in Österreich freiwillig bisher die GIS-Gebühr –: Warum wird hier eigentlich etwas beschnitten, und wer kontrolliert das? Sitzen dann die Verleger, die das moniert haben, Tag und Nacht – denn das Angebot wechselt ja auch –, machen Stricherl und sagen dann: Ups, jetzt gibt es irgendwo einen Putsch oder vielleicht eine wichtige Meldung, die der russische Präsident von sich gegeben hat, oder eine politische Krise in Österreich – leider haben wir diese Woche schon die 350 Meldungen überschritten; dürfen wir jetzt auf orf.at nicht mehr berichten? – Das ist mit Verlaub absurd und nicht praktikabel. (Beifall.)
Ich glaube auch nicht, dass auch nur ein Digitalabo mehr bei einem österreichischen Medienverlag verkauft wird, nur wegen dieser Beschränkung.
Ich verstehe es in Zeiten von Fakenews und Desinformation nicht, a) dass man ein Qualitätsmedium wie die „Wiener Zeitung“ einstellt und b) dass ein eingeführtes Medium, das niederschwellig ist, wo sich viele Menschen in diesem Land informieren – Gott sei Dank – über ein Informationsangebot eines öffentlich-rechtlichen Unternehmens, jetzt beschnitten werden soll und man vielleicht lieber hat, dass die Leute sich dann in den Social Media informieren. Das ist für mich nicht nachvollziehbar und nicht verständlich. Und wenn ich in diesen Tagen Interviews lese – davon gibt es eine Reihe, und das Timing ist nicht zufällig jetzt, in Zusammenhang natürlich auch mit dem, was beim ORF passiert, da ist ein Verteilungskampf im Gange –, wenn ich dann von privaten Medienunternehmern, von Geschäftsführern lese, die im Zusammenhang mit dem ORF von einem Todesurteil für private Bezahlmedien oder von Massenvernichtungswaffen sprechen, dann frage ich mich tatsächlich, ob das notwendig ist. Eigentlich wäre in diesem Land vielmehr eine Abrüstung der Worte notwendig.
Und immer noch der Hinweis: Es geht um Geld der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger!, denn – auch das sei in aller Offenheit gesagt – jahrelang haben Verleger in diesem Land ganz gut verdient. Ich sage es noch einmal: Dadurch, dass man in Österreich sowohl Inserate der öffentlichen Hand üppig vergibt und es eben eine – bisher niedrigere, aber in Zukunft dann höhere – Presseförderung, wie immer die jetzt ausgestaltet ist, gibt, hat man bisher in Österreich als Verleger auch ganz gut leben können. Und dieses System – auch in aller Offenheit – hat natürlich dazu geführt, dass man sich dem, was jetzt mit Vehemenz auch in Österreich zu bemerken ist, zu wenig gestellt hat. Also: Es gibt in Österreich Medien, die erst vor Kurzem erkannt haben, dass es so etwas wie das Internet gibt – etwas zugespitzt formuliert. Es gibt Qualitätsmedien, die eben keinen guten Onlineauftritt hatten und, auch was die Boulevardmedien betrifft, da einfach viel Nachholbedarf haben.
Um noch einmal den Vergleich zu Deutschland anzusprechen, der ja gerne gezogen wird, wobei gesagt wird: Ja, man braucht das alles in Österreich, weil es ein kleiner Markt ist!, aber – und das war mir in dieser Deutlichkeit auch nicht so bewusst, bevor ich nach Deutschland gegangen bin –: Deutschland ist ein größerer Markt, das heißt aber auch, man hat nicht einen Druckstandort, sondern fünf zu betreiben, man hat ein ungleich größeres Vertriebsnetz sicherzustellen, weil das Land einfach sehr viel größer ist – Vertrieb ist, finde ich, ein eigenes Thema und demokratiepolitisch ein Problem, wenn die Zeitungen nicht mehr in allen Teilen des Landes, egal wo, zugestellt werden können –, und es gibt wie gesagt sehr viel mehr Mitbewerber auch um einen Werbekuchen. Und die Konkurrenz, die in Österreich natürlich jetzt immer beschworen wird, von Google, Facebook et cetera, die gibt es in Deutschland natürlich auch.
Das heißt, dass das, was wir in Österreich vorfinden, schon zum Teil auch selbst mitverschuldet wurde, dass man einfach bei vielem auch zu lange gewartet hat. Dieses symbiotische Verhältnis, das es in Österreich zwischen Politik und Medien gibt, beinhaltet natürlich auch die Möglichkeit eines Missbrauchs, führt aber auch zu etwas, was man vielleicht als Mutlosigkeit, auch Neues zu wagen, bezeichnen kann. Und etwas mehr Äquidistanz – ein Wort, das Herr Dossi vorhin auch in den Mund genommen hat – wäre auch etwas, was Österreich gut anstünde. Bei dieser Gelegenheit – weil eben ein großes, dickes Medienpaket geschnürt worden ist und weil eben heute und morgen auch entscheidende Tage sind –: Etwas fehlt: die Entpolitisierung des ORF, vor allem im Stiftungsrat. (Beifall.) – Auch das wäre ein Beitrag für mehr Medienvielfalt.
Es sind entscheidende Tage, es sind spannende Stunden, die wir hier erleben, und ich freue mich, dass wir jetzt hier in der Herzkammer der Demokratie, im Parlament, das jetzt wirklich wunderbar erneuert worden ist, weiter diskutieren können und vielleicht die eine oder andere Anregung und Anmerkung, die ich gegeben habe, auch noch Stoff zum Diskutieren bietet. – Vielen Dank. (Beifall.)
Katharina Schell: Herzlichen Dank, Alexandra Föderl-Schmid! Ich komme gleich wieder zurück zu dir. Ich möchte nur die Gelegenheit nützen, jetzt auch den Präsidenten des Nationalrates, Herrn Mag. Wolfgang Sobotka, zu begrüßen: Schön, dass Sie es zu uns geschafft haben! (Beifall.)
Ja, kritisch haben wir es uns gewünscht, kritisch ist es geworden – wie es sich für uns als Veranstalter gehört: äquidistant kritisch. Danke sehr dafür!
Ich möchte jetzt mein Podium zu mir bitten und begrüße alphabetisch: Johannes Bruckenberger, Chefredakteur der APA – Austria Presse-Agentur (Beifall), Karl-Heinz Grundböck, Sprecher und Kommunikationsleiter der Parlamentsdirektion (Beifall), Corinna Milborn hat es auch auf den letzten Drücker zu uns geschafft – danke dafür! –, Infochefin von ProSiebenSat.1 PULS 4 und Puls 24 und dort zu Hause (Beifall), und Andre Wolf, Journalist und Autor, Fake-Entlarver und bekannt für seine Arbeit unter anderem mit Mimikama. (Beifall.)
Ja, was Alexandra Föderl-Schmid uns da geschildert hat – eine Medienlandschaft, in der die Beziehung von Politik und Medien jetzt, sagen wir einmal, nicht unbedingt eine harmonische Zweierbeziehung ist, ich würde fast sagen, eher ein bissl toxisch –, ist beileibe, denke ich, nichts Neues für uns, die wir uns mit diesen Themen schon lange auseinandersetzen und die wir auch schon lange Akteure und Akteurinnen in diesem Gemisch sind.
Ich habe meine erste Frage an Johannes Bruckenberger: Wir haben hier jetzt ein Bild geschildert bekommen – und wir wissen es ja auch tatsächlich, weil wir schon sehr lange damit arbeiten – von einer Medienlandschaft, die von einer Vielzahl von Abhängigkeiten geprägt ist und in der sozusagen auch Machtblöcke, die voneinander abhängig sind, um etwas ringen. Wir haben aber auch von Clemens Pig gehört, dass die APA – auch zu Recht – stolz ist auf ihre Mitgliedschaft im kleinen Klub der tatsächlich unabhängigen Nachrichtenagenturen. So, jetzt sitzen wir sozusagen im Zentrum der politischen Entscheidungsmacht – die unabhängige APA in einer Medienlandschaft, in der so viel Macht einander bedingt und voneinander abhängt. Wie geht es uns, dir als Chefredakteur, damit?
Johannes Bruckenberger (Chefredakteur, APA – Austria Presse-Agentur): Wir leben in spannenden und interessanten Zeiten. Also wir sind ja als APA ein bisschen so die Schweiz der österreichischen Medienlandschaft, sage ich jetzt einmal, weil ja die verschiedenen Medienteilnehmer, von öffentlich-rechtlich bis zu allen privaten Veranstaltern, von Print bis TV/Radio, zum Teil bei uns in der Genossenschaft Mitglied sind oder aber auch unsere Kunden sind. Also das ist das eine. Von daher versuchen wir, auch hier das zu leben, was wir auch in unserer Berichterstattung leben, nämlich Objektivität, Ausgewogenheit, Unabhängigkeit, und sozusagen die alle zu servicieren.
Die Unabhängigkeit – ich komme vielleicht trotzdem zuerst ein bisschen dazu, ehe wir uns dann auch über die Themen unterhalten, die in der Keynote angesprochen wurden –, nämlich die redaktionelle Unabhängigkeit, ist für uns alles und ist für uns extrem wichtig. Unser Geschäftsführer hat es ja erwähnt, die APA ist eine von nur 20 unabhängigen Nachrichtenagenturen weltweit. Und ja, welche negativen Auswirkungen auf Öffentlichkeit und auch auf Gesellschaft staatliche, propagandistisch agierende Nachrichtenagenturen haben können, das sehen wir derzeit leider an Beispielen wie Russland oder auch in Ungarn – China ist auch so ein großer Player – und sehen täglich auch, was das dann für Folgen hat, weil das auch ganze Gesellschaften sozusagen auf falsche Wege führen kann, wie man etwa in Russland sehr gut sieht.
Ich glaube, darum ist es extrem wichtig, dass Österreich Gott sei Dank eine liberale Demokratie ist, aber auch eine liberale Mediendemokratie und es hier eine unabhängige Nachrichtenagentur gibt. Wir versuchen, diese Unabhängigkeit zu leben, indem wir faktenbasierten Qualitätsjournalismus liefern, ausgewogen und objektiv – true and unbiased ist schon gefallen. Es ist halt so die tägliche Suche nach der bestmöglichen Version der Wahrheit, auf die wir uns begeben, und diese liefern wir dann an unsere Kunden weiter. Da ist es, glaube ich, auch so – das haben auch die vergangenen Jahre und auch Beispiele gezeigt –, dass zu große Nähe zur Politik auch schlecht für das Vertrauen in die Unabhängigkeit von Medien ist – und da versuchen wir eben, äquidistant zu sein, auch da, und unseren Job ordentlich zu machen.
Wenn man jetzt wieder auf diese ganzen sozusagen medienpolitischen Aspekte eingeht, ist meine Sicht dazu: Also – ich habe es schon gesagt – ich bin Schweizer, ich bin nicht glücklich über diese aufgeputschte Stimmung, die da derzeit herrscht, weil ich glaube, dass uns am Ende im großen Spiel nur Kooperation und Zusammenarbeit weiterführen werden. Vielleicht nur ein ganz kleines Beispiel: Ich habe vor ein paar Wochen mit einem hochrangigen Vertreter eines Mobilfunkanbieters gesprochen. Der hat vor ein paar Journalisten völlig den Kopf darüber geschüttelt, wie sich derzeit, ich sage einmal, die unterschiedlichen Medienplayer in Österreich bekämpfen, weil er sagt: Der Traffic in unserem Netz der österreichischen Medien zusammen macht weniger als 10 Prozent aus. Ihr werdet nur eine Chance haben, wenn ihr gemeinsam agiert!
Damit komme ich wieder zurück zur APA. Die APA ist so eine Plattform, wo diese gemeinsamen Kooperationen möglich sind. Da gibt es jede Menge Beispiele, die schon funktionieren, die sogar auch EU-regelkonform sind. Das reicht von der Austria-Videoplattform bis hin zu gemeinsamen Faktencheck-Schulungen, die wir für Österreichs Medien anbieten und – ich glaube, unsere IT-Geschäftsführer sind auch hier – wo wir auch im IT-Bereich dabei sind. Also wir versuchen so, auch integrierte Produktionsplattform für den österreichischen Medienmarkt zu sein, und ich glaube, dass uns am Ende nur Kooperation und gemeinsame Zusammenarbeit in die Digitalisierung weitertragen werden, weil die großen Player ganz woanders sitzen.
Katharina Schell: Danke.
Ich gehe gleich weiter zu Corinna Milborn: Corinna, gemeinsam oder jeder gegen jeden? Also gerade der private Fernsehmarkt in Österreich hatte ja einen sehr langen, wenn nicht jahrzehntelangen Kampf zu fechten. Die Frage ist, ob in einer Zeit, in der Alexandra Föderl-Schmid zu einer Abrüstung der Worte aufruft, eine solche in einer zugespitzten und aufgeheizten medienpolitischen Situation überhaupt möglich ist. Wo stehen in dieser Konstellation Privatsender wie Puls 4 und Puls 24 derzeit?
Corinna Milborn (Infodirektorin, Puls 4): Also wir haben uns gerade in dieser Diskussion der letzten Wochen extrem zurückgehalten und keine solchen Worte in den Mund genommen, auch aus dem einfachen Grund, weil wir überzeugt davon sind, dass die Konkurrenz, die tatsächlich die österreichische Medienlandschaft existenziell bedroht – das gibt es! –, nicht in Österreich sitzt und dass es, wenn man in Österreich damit weitermacht, versucht, sich gegenseitig um diesen kleiner werdenden Kuchen einen Krieg der Gartenzwerge zu liefern – während vor allem im Streaming Amazon, Netflix, Disney und so weiter und im Markt der Augen auf dem kleinen Bildschirm die verschiedenen sozialen Medien, die amerikanischen und die chinesischen, und ebenso am Werbemarkt diese einen immer größeren Anteil machen –, einfach keinen Sinn hat, wenn sich Private und der ORF die ganze Zeit in die Goschn hauen und sich gegenseitig ausrichten, wie viele Artikel oder wie viele Videos man auf der Startseite haben darf.
Ich möchte dazusagen: Das ist tatsächlich nur auf Print, denn die Videos verdoppeln sich, habe ich heute erfahren, auf der Startseite. Da merkt man dann, woher die Sachen kommen: Die, die lobbyieren, bekommen so etwas, andere nicht. Ich weiß nicht, ob die Politik überhaupt glaubt, dass das etwas bringt, dass man dort hinunterschraubt, oder ob das so ein letzter Versuch ist, etwas zu retten von etwas, wo wenig zu retten ist. Ich glaube tatsächlich, dass Kooperation da the way out ist, also dass es da nur in Richtung Kooperation gehen kann (Beifall) – danke für die Zustimmung, ich bin wirklich überzeugt davon – und auch nur das eine österreichische Medienlandschaft erhalten kann, denn die Situation ist tatsächlich sehr bedrohlich, aber das kommt eher von außen als von innerhalb Österreichs.
Ich möchte zwei Dinge aufgreifen, die Alexandra Föderl-Schmid gesagt hat. Das eine ist die Inseratenkorruption, das andere ist der ORF. Bei der Inseratenkorruption ist es ja, wenn man jetzt die Anklageschriften – also es sind ja nicht Anklagen, Entschuldigung, ich nehme das sofort zurück –, die Ermittlungsschritte der WKStA, die Anordnungen zu Hausdurchsuchungen liest, wahnsinnig befriedigend für jemanden, der in Österreich lebt und immer gesehen hat, das, was da passiert, ist korrupt, das einmal so aufgeschrieben zu sehen und zu sehen: Ja, hier wurde tatsächlich versucht, Geld, Inseratengeld gegen Berichterstattung zu tauschen – zumindest ist das der Verdacht, um das juristisch richtig zu formulieren –, und es ist gut, das einmal aufgeschrieben zu sehen.
Man muss sich aber auch vor Augen führen, dass das nicht neu ist. Das hat nicht diese Partie erfunden, gegen die jetzt ermittelt wird, sondern das geht ja viel weiter zurück, in die Zeit, als Printmedien unter Druck geraten sind, weil die Anzeigen, die Kleinanzeigen und so weiter, zurückgegangen sind und das von der Politik ausgenützt wurde. Das geht zurück auf Faymann schon in der Stadt Wien, Faymann im Bund und so weiter, und hat sich ja seither durchgezogen. Und das hat durchaus verhindert, dass es in Österreich Innovationen gegeben hat. Es gibt andere Märkte, da haben sich die Medienlandschaften ganz anders entwickelt, weil es diese künstliche Alimentierung, diesen künstlichen Tropf, diese Abhängigkeit eben nicht gegeben hat und man sich weiterentwickeln musste und zum Beispiel Paymodelle entwickelt hat oder andere Modelle entwickelt hat. Das war hier einfach nicht nötig, weil es diese öffentlichen Gelder – in dieser korrupten Art, wie sie vergeben werden – gab. Da ist viel mehr zu tun, als diese genannten Fälle aufzuklären, also das geht noch viel weiter.
Das Zweite ist der ORF. Ich bin absolut der Meinung und ich teile das mit meinen Kollegen, dass es wichtig ist, einen gut aufgestellten, gut finanzierten, gut abgesicherten öffentlichen Rundfunk zu haben, und dass das für eine Demokratie absolut wichtig ist, aber: Erstens muss es noch Platz daneben für Medienvielfalt geben. Im Moment ist die im elektronischen Bereich nicht wahnsinnig groß, obwohl Video das wichtigste Bewegtbild ist. Das heißt, es muss Raum geben. Wir lösen das jetzt vor allem mit Kooperationen, werden nächste Woche, am 4. Mai, hier im Parlament auch etwas im Streamingbereich vorstellen.
Zweitens ist das aber nur dann gut für die Demokratie, wenn der ORF auch unabhängig ist – und das ist er nicht. Wir haben eine Konstruktion, die eigentlich der Idee des Öffentlich-Rechtlichen widerspricht, weil die Regierung eine absolute Mehrheit, die absolute Macht im Stiftungsrat hat und der Stiftungsrat sich – entgegen dem, was er tun sollte – tatsächlich bis zu einzelnen Postenbesetzungen einmischt. Da wird gesprochen bis hin zur Direktorenebene und darunter. Das wissen wir in einigen wenigen Fällen jetzt aus Chats. Da hat es Rücktritte gegeben, meiner Meinung nach Bauernopfer, weil alle, die je da drinnen gearbeitet haben, wissen, dass es die letzten Jahre so war. Wenn man den öffentlichen Rundfunk auf gute finanzielle Beine stellt, ist das sehr wichtig, wenn man aber zugleich die Abhängigkeit nicht beendet, dann bedeutet das eine Abhängigkeit von den Regierungen, die da kommen mögen – und das werden wechselnde Regierungen mit unterschiedlichen Ansprüchen an diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein. Das halte ich für eines der größten Versäumnisse in dieser Diskussion jetzt, dass dieses Problem, dass diese politische Einflussnahme und Abhängigkeit strukturell nicht abgeschafft wurden. (Beifall.)
Katharina Schell: Das kommt gut an.
Ist ein in dieser Art geschildertes Szenario eigentlich, um auch an ein Wort im Titel unserer Veranstaltung zu erinnern, eine doppelte Behinderung von Meinungsvielfalt: ein starker, nicht unabhängiger Öffentlich-Rechtlicher?
Ein anderes Wort, das mir gut gefallen hat und das ich deswegen gleich an meinen nächsten Wortmelder richten möchte: dieser „Krieg der Gartenzwerge“ in unserer gemütlichen kleinen Branche. Wie nimmt sich der denn für einen Kommunikationsprofi von der anderen Seite aus?
Karl-Heinz Grundböck (Sprecher der Parlamentsdirektion): Also zum einen: Natürlich haben wir in der Planung dieser Veranstaltung nicht wissen können, dass wir dermaßen überrollt werden von dieser - -
Katharina Schell: Ich liebe meinen Job!
Karl-Heinz Grundböck: - - Aktualität in der Frage der Neuordnung in gewissen Bereichen der Medienlandschaft. Aber zurückkommend auf die Frage dieses Krieges der Gartenzwerge und wie ich das in meiner Realität, in der Kommunikation in der Verwaltung oder in einer Verwaltungsinstitution, konkret in der Parlamentsdirektion, wahrnehme:
Natürlich ist diese Fragestellung des ORF: Wie beeinflusst jetzt die Neuordnung manche Angebote im ORF, auch die Medienlandschaft, auch die Privaten, und welche Konsequenzen leiten sich daraus ab? - -, ganz ohne Zweifel kommt man natürlich an dem Thema auch nicht vorbei.
Natürlich ist das irgendwie auch als Krieg der Gartenzwerge in irgendeiner Form wahrnehmbar, aber das führt mich auch zu einem anderen Punkt: Ich glaube, dass ich durchaus aufmerksamer als der Durchschnitt der österreichischen Bevölkerung versuche, die mediale Berichterstattung gerade in dieser Thematik auch nachzuvollziehen. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe jetzt nicht wirklich ein großes Erklärstück darüber irgendwo in der Berichterstattung gefunden, nämlich abgesichert: Welche Schritte sind es ganz konkret, welche Konsequenzen leiten sich ganz konkret daraus ab? Das heißt, obwohl ich mich überdurchschnittlich interessiert fühle, fühle ich mich nicht ausreichend informiert, um darüber für mich selbst eine klare Meinung jetzt schon zu haben.
Und das führt mich wieder zu etwas anderem – ich muss eines offenlegen, ich habe mir jetzt in der Vorbereitung auch die Rolle des Krokodils zugedacht und versuche das auch zu erfüllen –: Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass wir in der Diskussion aktuell noch nicht ausreichend zwischen Medien und Journalismus differenzieren. Das ist für mich nicht dasselbe. Und gerade wenn wir jetzt über diese Frage der Konsequenz für die Öffentlichkeit, für die politische Meinungsbildung, wenn wir genau darüber auch sprechen wollen, dann denke ich mir, geht es um den Journalismus, und ich würde gerne auch über dieses Thema Journalismus sprechen und nicht nur über die Frage der Finanzierung von Medien, weil nur über eine abgesicherte Finanzierung von Medien noch nicht zwingend sichergestellt ist, dass auch der Journalismus stattfindet, den ein politisches System und eine Demokratie brauchen.
Katharina Schell: Nicht auf den Journalismus vergessen und – und da komme ich jetzt zu Andre Wolf – vielleicht noch auf etwas anderes nicht vergessen, Sie haben es jetzt ganz zum Schluss angesprochen: eine Demokratie, eine Gesellschaft.
Wir sprechen über Akteure, über Player am Medienmarkt, wir sprechen über Akteure, Akteurinnen in den Medien und in der Politik, aber vergessen wir da nicht vielleicht eine relativ wichtige Gruppe, nämlich die Menschen, die diese Politik wählen, und die Menschen, die diese Informationen wollen oder hoffentlich wollen, brauchen, also die User und Userinnen?
Ich sehe gerade Mimikama et cetera auch ein bisschen so als Anwalt der User und Userinnen, die ja eigentlich im Zentrum unseres Bemühens – als Medienmacher:innen genauso wie als Politikmachende – stehen sollten. Wird da derzeit ein wenig zu wenig userzentriert gearbeitet, in der Politik und in den Medien?
Andre Wolf (Pressesprecher, Mimikama): Im Grunde genommen ist es ja spannend, wenn wir auf unsere eigene Geschichte jetzt einmal schauen, bei Mimikama: Wir sind ja tatsächlich nur entstanden, weil Nutzerinnen und Nutzer gewarnt wurden. Bei uns wurde ja immer nur auf Userebene gearbeitet und nicht von oben herab. Es wurden von unten die Themen geholt und geschaut: Was können wir machen, was brauchen Menschen, was brauchen die Menschen auf Social Media in unserer Umgebung?, und dementsprechend wurden die Themen geschaffen. Und das finde ich jetzt gerade auch recht interessant: Was passiert, wie nehmen Menschen auf Social Media überhaupt Informationen wahr? Das muss man ja auch einmal verstehen.
Also die meisten von uns – wenn wir online gehen – schauen auf das Smartphone, wir scrollen so ein bisschen durch und bleiben da stehen, wo uns etwas interessant vorkommt. Das heißt, vieles geht über die Bilder, die wir sehen, über die Schlagzeilen, die wir sehen, letztendlich eigentlich nur über dieses sogenannte Clickbaiting. Ich habe heute auch ein tolles Wort gelesen, das nennt sich Ragefarming, das heißt, Themen, die bewusst hingeworfen werden, damit man sich darüber ärgert, um bewusst Empörung zu erzeugen. Das ist dann dieses Von-oben-herab, wo dann Menschen einfach Themen hingeworfen bekommen, wo sie dann mitmachen.
Aber was passiert, was möchten eigentlich die Menschen haben, von unten? Was interessiert viele Leute? – Ja, da geht es eigentlich wirklich auch nur darum, dann diese Basis zu fragen, die Themen reinzuholen, zu beobachten, wo Menschen dann auch interagieren – da ist Social Media ein großer Indikator.
So, und jetzt kommen wir natürlich an die Stelle: Wie nehmen Menschen das wahr, worüber Medien Bericht erstatten, also das, was sie auf ihren Smartphones letztendlich lesen, und vor allem, wie filtern sie Informationen? Das ist auch immer wieder etwas ganz Spannendes.
Ich habe erlebt, dass viele Menschen gar nicht unterscheiden können zwischen Fakten- und Meinungsjournalismus – so nenne ich das jetzt einmal –, oder dass viele, betreffend diesen gesamten alternativen Mediensektor, den wir noch gar nicht angesprochen hatten, der ja interessanterweise auch in vielen Fällen von den Geldern profitiert, nicht unterscheiden können: Was sind Meinungen, was ist eine Kolumne? Das wissen viele gar nicht, und sie wissen dann teilweise auch gar nicht, wie Informationen, News aufgebaut sind – also die reinen Informationen. Und dementsprechend ist es auch da spannend, zu sehen, oder überhaupt dort voranzukommen, dass man auch transparent zeigt, wie das aufgebaut wird.
Ja, und da kommt es dann halt mit den Geldern: Wenn ich das Geld bekomme, wenn ich viel Geld bekomme, habe ich natürlich viel mehr Möglichkeiten, etwas zu machen – das ist logisch. Wir als kleiner Verein beispielsweise, wir kriegen gar nichts. Ich sitze immer lachend in meinem Sessel in unserem kleinen Büro, wenn ich höre, dass irgendjemand wieder 700 000 Euro für eine Digitaltransformation bekommen hat, der oder die wiederum es mit der – ich nenne den Begriff ungern, aber – Wahrheit nicht immer ganz so gerne hat; und wir gehen am Ende leer aus und müssen uns aber darum kümmern, dass Menschen so informiert werden, dass sie eben auf Fakten zugreifen können, ohne dass eine Meinung rauskommt.
Und deswegen ist es – ja –natürlich immer ganz besonders wichtig, zu schauen: Was passiert da draußen? Wir dürfen nicht vergessen: Wer liest dort? Wir müssen natürlich immer wieder so informieren, dass die Menschen da draußen das verstehen. Wir dürfen aber auch nicht mit zu viel Drama arbeiten, denn das ist auch nicht besonders gut, denn dann heize ich Menschen auf, das haben wir eben auch schon gehört. Dieses Aufheizen, das ist immer eine Katastrophe.
Ich werde in den Fragerunden nach Vorträgen häufiger gefragt: Ja wie kann ich denn jetzt herausfinden, wer am besten oder am nächsten an der Wahrheit liegt? – Das weiß ich ohne Faktencheck auch nicht genau, aber ich sage immer: Entschleunige dich, und – vor allem – lies immer erst die, die unaufgeregt Bericht erstatten, und dann schaue einmal, was die anderen schreiben! Also tatsächlich: Ja, es ist natürlich wichtig, zu schauen: Wer sitzt da draußen, wer liest?, und die natürlich mit ins Zentrum zu nehmen.
Katharina Schell: Ja. Ich würde gerne ergänzend dazu auf das Krokodil im Raum zurückkommen und die Frage an das Podium weiterreichen: Denken wir, weil wir so auf die Machtblöcke in unserer Branche und auf die ach so mächtigen Gartenzwerge fixiert sind, zu wenig an das Journalistische, an den Journalismus, oder bleibt uns eh nichts anderes übrig, weil der Journalismus ja – wie wir seit 20 Jahren Podiumsdiskussionen wissen – auch in der Krise ist, weil es eben kein Geld gibt? Also, würdet ihr diese These unterschreiben oder geht es halt nicht anders, weil ja Verleger, Unternehmen den Rahmen und den Boden für Journalismus – hoffentlich guten Journalismus – einfach sichern müssen?
Alexandra Föderl-Schmid: Es ist tatsächlich so, dass man sich in Deutschland oder bei einem deutschen Medium, ich sage jetzt einmal, mehr auf die eigentliche Arbeit konzentrieren kann, weil einfach sehr viel wegfällt.
Also ich kann sagen: Ich bin jetzt fast drei Jahre in der Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“. Es hat in diesen fast drei Jahren kein einziger Politiker angerufen, weder bei mir noch bei den drei anderen. Ja, in Österreich gab es Politiker, die auch am Samstag um halb elf Uhr noch zum Telefon gegriffen haben und ihren Unmut kundgetan haben.
Da hat man tatsächlich mehr Chance, sich auf die eigentliche Arbeit zu konzentrieren; und das, was Johannes Bruckenberger gesagt hat, finde ich ganz, ganz wichtig: Ich glaube tatsächlich, das, was in Österreich an der Kleinheit positiv ist, ist, dass man mehr kooperieren könnte. Es gibt im digitalen Journalismus so viele Notwendigkeiten technischer Natur und da tatsächlich viele Chancen, zusammenzuarbeiten, also eine Infrastruktur herzustellen – Bezahlmodelle, sich gemeinsam weiterzuentwickeln, was das Storytelling betrifft.
Also da fände ich einfach, dass man, ohne dass man jetzt den gleichen Journalismus macht, aber allein, wenn man sich da viel mehr zusammentäte und diese Infrastrukturfragen klärt, statt dieses Klimas, das vorhin ja auch beschrieben worden ist, da vieles zum Positiven wenden könnte, auch im Sinne der Medienkonsumentinnen und -konsumenten. Die wollen, glaube ich, nicht, dass man sich hier eben wechselseitig solche Dinge ausrichtet; sondern: Worum sollte es eigentlich gehen? – Um den bestmöglichen Journalismus.
Katharina Schell: Corinna Milborn hat sich gemeldet, dann Johannes Bruckenberger.
Corinna Milborn: Ich habe jetzt ein bisschen gebraucht, um die Frage zu verstehen, denn es geht ja darum, guten Journalismus zu machen, der von vielen Leuten nachgefragt, gelesen, gesehen und so weiter ist, das ist ja unsere Arbeit! Also dass Beschäftigen mit den Machtblöcken die Konzentration auf Journalismus verhindern könne, ist eigentlich ein ganz fürchterlicher Befund über diese Medienlandschaft, den du da bringst, aber wahrscheinlich ein nicht so falscher – ja.
Vielleicht, um es zu erklären, denn es wissen ja nicht alle, was wir machen: Wir haben derzeit eine Redaktion mit 180 Personen und wir machen eine recht breite Palette. Wir machen die Nachrichten für Puls 4, für ATV, für ProSieben, für Sat.1. Wir machen den Nachrichtenkanal Puls 24, wir machen eine Seite, puls24.at, wir haben eine App und so weiter.
Wir haben also eine sehr breite Palette, die aus diesem Newsroom kommt, und das alles hat immer nur Sinn, wenn Menschen es sehen, und es gibt auch keine andere Möglichkeit, das zu machen. Man kann investieren, also zum Beispiel Puls 24, der Nachrichtensender, ist definitiv ein Investitionsprojekt, das sich derzeit noch nicht ganz trägt, aber die Hoffnung ist schon, das wird sich tragen, weil es viele Menschen sehen wollen; und diese Beziehung ist ja die, die im Vordergrund stehen muss: zwischen Journalistinnen und Journalisten, die nachfragen, die aufbereiten, die Information aufbereiten, und den Leuten, die es nachfragen, ihrem Publikum oder ihren Leserinnen und Lesern.
Diese Beziehung, das ist bei vielen vielleicht ins Wanken geraten; bei uns nicht so sehr, denn wir sind ein Teil einer großen Fernsehgruppe, bei unter 50-Jährigen der größten im Land, und haben deswegen eine andere finanzielle Basis als jemand, der zum Beispiel nur Printjournalismus macht. Da ist es schwieriger, das Geschäftsmodell, das im Fernsehen schon noch funktioniert, anders als im Print, neu aufzustellen.
Aber wenn das nicht im Mittelpunkt steht, dann wird es keinen unabhängigen Journalismus geben – wenn da Dritte reinfunken, deren Interessen wichtiger werden, wie zum Beispiel Fördergeber, öffentliche Inserate oder auch einzelne, sehr große Inseratenkunden. Wenn es viele sind und das aufgeteilt ist und die sich die Reichweite kaufen, dann hat das ja keinen Einfluss und dann funktionieren ja diese Firewalls zwischen Redaktion und Anzeigenverkauf sehr, sehr gut, weil es keine einzelnen, großen Interessen gibt.
Wenn es aber einzelne Eigentümer gibt oder einzelne Mäzene oder nur einzelne, sehr große, dominierende Kunden, dann fängt das Ganze an zu bröckeln. Und das Ganze ist: Das Geschäftsmodell von Journalismus war immer und sollte immer sein, für Leserinnen und Leser, für Seherinnen und Seher, für die Zuhörerinnen und Zuhörer zu arbeiten und nicht für irgendjemanden anderen (Beifall), und solange diese Beziehung nicht funktioniert, wird das Ganze nicht funktionieren.
Katharina Schell: Also Journalismus nicht, um Macht auszuüben, sondern um relevanten Impact zu entfalten, für die Demokratie, Gesellschaft und - -
Corinna Milborn: Wir sind alle Journalistinnen und Journalisten, weil wir mit Leidenschaft Information aufbereiten und glauben, dass es wichtig ist und dass es einen Unterschied macht, herauszufinden: Was steckt hinter dem, was gesagt wird, was steckt hinter den Reden, die man hört, was sind die wahren Antriebsgründe, welche Machtverhältnisse gibt es, was ist passiert, bis hin zu: was ist passiert, warum steht da unten die Feuerwehr – also beim Lokaljournalismus –, oder: darf ich morgen auf die Straße gehen oder nicht, weil es hagelt oder weil es neue Coronaregeln gibt?, also Dinge, Informationen, die Leute für ihr tägliches Leben brauchen und zum Einordnen dessen, was auf der Welt passiert, damit sie informierte Entscheidungen treffen können.
Dazu gehört natürlich oben ganz groß die Entscheidung, wen sie wählen und wer das Land regiert. Das ist eine unserer größten Aufgaben, das aufzubereiten. Deswegen sind wir ja Journalistinnen und Journalisten und aus keinem anderen Grund. Also wer das aus Machtgründen macht, ist, glaube ich, in diesem Beruf einfach fehl am Platz.
Wir sind auch nicht sonderlich mächtig – ich weiß nicht, das wird uns manchmal zugeschrieben –, aber wenn wer Macht dadurch ausübt – es gibt solche, wir kennen auch die Namen –, dann ist das nicht die Art von Journalismus, die irgendwen weiterbringen wird und schon gar nicht die Demokratie.
Johannes Bruckenberger: Also ich sehe das genauso, ich wollte eigentlich etwas Ähnliches sagen. Ich glaube, wir diskutieren über so Machtblöckefragen und Finanzierungsfragen ja auch immer nur bei solchen Podiumsdiskussionen.
In den Redaktionen reden wir nur über Journalismus und welche Geschichten wir heute machen, und zwar in den verschiedensten Formaten, wie wir sie aufbereiten, damit wir auch, ich sage einmal, in einem modernen, digitalen Zeitalter Userneeds berücksichtigen können.
Wir denken ganz viel über neue Formate nach, damit eben unsere Kunden diese digitale Transformation auch bestmöglich hinkriegen können, und wir wollen sie dabei unterstützen; sei es, indem wir neue Formate anbieten, wie ein Morgenbriefing oder ein Abendbriefing im Tickerformat, indem wir Faktenchecks liefern, Livevideostreams anbieten und unsere Inhalte multimedial aufbereiten, so gut es geht; Automated-Content-Angebote, also automatisch erstellte Ergebnisse von allen Gemeinden bei Wahlen, wie wir es jetzt in Salzburg wieder geliefert haben und, und, und.
Und wir beschäftigen uns auch ganz intensiv mit diesen neuen Dingen, die wir da gerade hören und die auch so gehypt werden wie KI und Chat-GPT und solche Sachen. Kann man die journalistisch - - oder können die uns bei gewissen Dingen unterstützen oder auch nicht?
Das sind in Wirklichkeit die Fragen, mit denen wir uns in den Redaktionen intensiv beschäftigen – Innovation, Digitalisierung, also das sind die Themen. Klar, Journalismus und so eine Redaktion, in unserem Fall mit ungefähr 150 Leuten, kosten natürlich Geld, und da muss man sich auch darum bemühen, dass man das irgendwie finanziert, weil – das zeigt sich schon auch immer – unsere redaktionelle Unabhängigkeit wird am Ende des Tages auch durch eine wirtschaftliche Unabhängigkeit gesichert.
Katharina Schell: Klingt toll. Ich stimme natürlich allem, was du gesagt hast, zu, unter anderem, weil einige der Projekte, die du gemeint hast, irgendwie eh meine sind. Das Problem ist, wir haben hier eine Art Befunddiskrepanz.
Alexandra Föderl-Schmid meint, die österreichische Medienlandschaft ist, sagen wir einmal, innovationsmäßig über Gebühr hintennach, unter anderem wegen öffentlicher Fördermittel, öffentlicher Gelder als Innovationshemmern. Würde ich jetzt jedes einzelne österreichische Medienhaus fragen, würde es mir in glühenden Farben schildern, wie innovativ und digital es ist.
Mich würde tatsächlich interessieren, ob wir uns auf einen Befund einigen können: Wie hintennach oder Avantgarde sind wir da eigentlich in Österreich, in unserem eigenen Bezugsrahmen? Hat dazu vielleicht jemand eine Beobachtung? Ich kann meine ja nicht sagen, weil ich die Moderatorin bin.
Karl-Heinz Grundböck: Ja, also ich möchte es jetzt auch nicht irgendwie beurteilen, bewerten oder Noten verteilen – in dieser Frage: wie innovativ –, sondern was mich sehr viel grundsätzlicher beschäftigt, ist eher diese Frage: Was braucht ein demokratisches, politisches System, um so funktionieren zu können?
Ich würde gerne die Demokratie auch als eine konstruktive Diskursgemeinschaft verstehen; das heißt, dass es auch um die Frage der Herausforderungen, die wir als Gemeinschaft, als Gesellschaft haben, geht, um diese Frage von, ja, auch Unterschieden, die wir in unserer Gemeinschaft haben.
Es sollte ja von der Idee her genau dieser Saal, nämlich der Plenarsaal des Parlaments, der Ort der größtmöglichen Verdichtung der Unterschiede in einer Gemeinschaft sein, und es sollte auch der Ort sein, wo all diese Unterschiede auch konstruktiv erörtert, ausgetragen werden und am Ende dann Entscheidungen stehen, die von allen mitgetragen werden.
Das Bindeglied zwischen diesem Plenarsaal und dem Land und der Bevölkerung an sich sind Medien. Das heißt, die Frage ist: Wirkt die Medienlandschaft, unterstützt der Journalismus, der in den Medien stattfindet, auch genau dahin gehend, diese konstruktive Diskursgemeinschaft zu fördern?
In dieser Frage habe ich einen durchaus kritischen Befund. Ich glaube, dass es einerseits ja auch für alle merkbar ist, dass dieses Multiplikationsmonopol der klassischen Medien durch die digitale Kommunikation faktisch abgeschafft ist. Das heißt, man braucht jetzt nicht mehr diese technische, ökonomisch aufwendige Infrastruktur, um Information für viele zu verbreiten, sondern es reicht eigentlich ein Handy, mit dem man auch alle erreichen kann.
Das verändert natürlich die Medienlandschaft, es ist aber auch die Frage: Welche Konsequenz hat das für den Journalismus? – Da habe ich den Eindruck, dass der Journalismus, der in seiner Logik natürlich auch sehr stark mit Zuspitzung, auch mit dem Instrument der Emotionalisierung gearbeitet hat und immer noch arbeitet, vielleicht aber auch einen anderen Anspruch in der digitalen Kommunikationsgesellschaft hat.
Das wäre für mich eher nicht das Reduzieren von Komplexitäten – denn ich glaube, das machen Social Media ausreichend –, sondern eher ein Erhöhen der Komplexität im öffentlichen Diskurs, und das ist etwas, von dem ich – freundlich formuliert – gerne noch mehr sehen würde, als ich derzeit sehe.
Katharina Schell: Das passt auch ein bisschen zu den Tipps, sich eher an die Unaufgeregten zu halten. Emotionalisieren tun Social Media seit Jahren, das kennen wir, die Algorithmen befeuern es, und es gibt mittlerweile viele Gefühlsausdrücke, die nicht einmal mehr verbal stattfinden müssen.
Wenn ich richtig verstanden habe, wären Journalistinnen und Journalisten dazu aufgerufen, eher den Schritt zurückzutun, nicht zu übersimplifizieren, gelassen und ruhig zu bleiben und sich ruhig auch zu trauen, komplexe Sachverhalte komplex darzustellen. Die Frage, wie weit das mit einer – wir haben den Begriff heute schon öfter gehört und wir werden ihn noch öfter hören, heute, morgen und übermorgen – digitalen Transformation und wohl auch einer gewissen Überforderung – Kanäle, Formate et cetera –, einer Fragmentierung des Informationswesens zusammenpasst, das würde mich selber eigentlich sehr interessieren. Das ist nämlich unser täglich Brot. – Corinna Milborn?
Corinna Milborn: Die Frage war ja ursprünglich auch jene nach der Innovation; aber das passt ganz gut zusammen, weil ich glaube, viele Medien in Österreich sind sehr innovativ.
Ich kann besser von uns sprechen als von anderen, aber wir haben zum Beispiel schon seit 2018 eine App, die mit künstlicher Intelligenz aus Artikeln drei Bulletpoints filtert, damit man einen schnellen Überblick bekommt. Wir haben Innovationen im Streaming wie Zappn, wo man quer durch die Medienlandschaft alles anschauen kann, und zwar am Handy genauso wie am großen Stream und so weiter.
Ich möchte jetzt nicht alles aufzählen, aber wir haben auch oft danebengehauen, das muss ich auch sagen. Wenn man innovativ ist, begräbt man auch manchmal ein Projekt. Was wir aber nie machen werden, ist das, was soziale Medien machen – das ist der große Unterschied –, denn diese große Innovation in den sogenannten sozialen Medien ist, dass ja die Chefredaktion durch den Algorithmus ersetzt ist, der ausschließlich auf die Millisekunden, in denen das Augenpaar auf dem Bildschirm ist, abgestellt ist. Das ist der Maßstab: Wie lange hält man die Aufmerksamkeit, Viewtime?
Natürlich wollen wir auch Viewtime. Wir schauen uns auch die Kurven an und sagen: Oh, da haben die Leute weggeschaltet oder sie haben zugeschaltet – warum, was haben wir da falsch gemacht? Wir wollen auch, dass die Leute dranbleiben; aber wir übergeben das nicht einer Maschine, denn wenn man das einer Maschine übergibt, dann passiert das, was man auf Tiktok, auf Facebook und so weiter sieht, nämlich, dass Rage, also dass Wut die Aufmerksamkeit stärker bindet als Komplexität, dass Lüge besser funktioniert als die Erklärung von Hintergründen und den verschiedenen Seiten der Wahrheit; weil diese eine Wahrheit, die eine Wahrheit, die behauptete, besser funktioniert als die tatsächlich komplexe Realität.
Diesen „Innovationsschritt“ – unter Anführungszeichen – machen wir nicht, und das ist natürlich schwierig in einem Markt, wenn man andere hat, die - - Ich war einmal in Stanford und habe mir diese psychologischen Labs angeschaut. Da ist einfach die beste Psychologie der Welt dahinter, die besten Psychologen und Psychologinnen der Welt, die schauen: Wie kann man Menschen dazu bringen, dass sie noch eine Millisekunde länger dranbleiben?
Die Effekte kennen wir ja: Das ist eben diese dauernde Gereiztheit, das sind Filterbubbles, das sind tatsächlich Informationswelten, in denen Menschen sich bewegen, die überhaupt nichts mehr mit der des Nachbarn zu tun haben. Und dagegen müssen wir ja ansteuern, da kommt Journalismus ins Spiel.
Wir haben zum Beispiel dieses Grundmotto: wir beleuchten beide Seiten; und dann noch in der Auswahl der Geschichten, zu dem, was eh klar ist, also den üblichen Kriterien, auch noch solche Dinge wie die Nachhaltigkeitsziele der UNO, um zu sagen, was wichtig ist und was nicht, um die Welt besser zu verstehen. So etwas müssen Menschen machen, das kann man nicht an einen Algorithmus auslagern; man kann schon, aber dann ist es nicht mehr demokratiefördernd.
Da muss man, glaube ich, schauen, dass man da so viel Vertrauen hat, wie wir es in Österreich ja noch haben – bei uns sind soziale Medien noch nicht die Nummer eins bei der Informationsquelle, sondern es sind tatsächlich traditionelle Medien.
Karl-Heinz Grundböck: In jüngeren Altersgruppen sind sie es.
Corinna Milborn: Ja, bei den unter 20-Jährigen fängt es jetzt an.
Es gibt aber europäische Länder, da ist das schon der Fall; und da, finde ich, ist wirklich die Frage: Wie geht man damit um und wie – jetzt komme ich noch einmal auf den ORF zu sprechen – sinnvoll ist es, dass man diesen Strom an Dingen, denen man in Österreich nicht vertraut und sagt: Okay, wenn ich wirklich etwas wissen will, dann schaue ich sozusagen auf ein echtes Medium, auf ein journalistisches Medium und schaue dort, was stimmt und was nicht stimmt – - -
Ist es gut, da extra Dinge zu produzieren, die in diesen Strom reinkommen, wo das nachher bei, ich weiß nicht, Report24 oder AUF oder sonst einem rechtsextremen Studio genau gleich ausschaut wie im ZIB-Studio und somit die gleiche – weil das ZIB-Studio auch da ist – Glaubwürdigkeit bekommt, oder ist es besser zu sagen: Hier gibt es die echte Information!?
Das ist einer der Aspekte der Digitalnovelle, die jetzt gerade vorgestellt worden ist, der mir ehrlich gesagt Sorgen macht: Wenn man mit öffentlich-rechtlichen Geldern für Unternehmen produziert, die immer nur Viewtime voranstellen – nicht nur unter völliger Missachtung von Demokratie, sondern unter Inkaufnahme von Wahlbetrug, von Massenmorden, von Genoziden wie in Myanmar –, und das nicht nur mit Produktion füttert, sondern dem auch noch Glaubwürdigkeit verleiht, dann macht mir das ehrlich gesagt Sorgen.
Ich weiß, es ist eine diffizile Sache, aber man muss irgendwo, glaube ich, die Grenze ziehen: Wo ist die Art von Innovation, die in Medien stattfinden kann, noch gut für Demokratie und noch richtig im Sinne von Journalismus?
Katharina Schell: Die Frage natürlich – und wahrscheinlich will Alexandra Föderl-Schmid genau dazu etwas sagen – ist: Sollen sich Medien, die zum Beispiel zu den jüngeren Zielgruppen den Kontakt verlieren, weil die Zielgruppen nicht mehr zu ihnen kommen, zurücklehnen und sagen, die werden schon kommen, wenn sie älter sind? – Das ist ein bisschen etwas, was ich mich dann dazu natürlich frage.
Corinna Milborn: Ja, aber wieso sollen sie nicht etwas machen, damit die jüngeren Zielgruppen dorthin kommen, anstatt aufzugeben und zu sagen - - Also, da rede ich noch einmal über die Öffentlich-Rechtlichen – aber wir versuchen das ja auch!
Wir schauen ja, dass jüngere Zielgruppen uns schauen. Das gelingt ja teilweise auch sehr gut. ProSieben zum Beispiel hat seine sehr, sehr junge Zielgruppe, und dort machen wir Nachrichten für Leute, die unter 30 sind, im Schnitt, da ist 12 bis 29 sehr stark, zum Beispiel.
Da muss man halt schauen, dass man sich dort etwas aufbaut, anstatt aufzugeben und zu sagen: Ich gebe meine Schnipsel auf ein chinesisches Medium, das mit Daten dermaßen übel agiert, dass es jetzt überall auf öffentlichen Handys verboten wird, aber zugleich produzieren wir da mit und geben denen, ohne überhaupt etwas dafür zu bekommen, Content und Glaubwürdigkeit! – Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist oder ob man sich nicht auf die Beine stellen und sagen sollte: So, wir schaffen ein Angebot!
Katharina Schell: Ein bisschen vielleicht auch ein Déjà-vu zurück in jene Zeiten, als wir oder als die Medien ihren Content auf Facebook ausgespielt haben, ohne eine Kontrolle über den Algorithmus zu haben und nicht einmal mehr wussten, welche User wir mit diesen Inhalten erreichen.
Corinna Milborn: Was ja in dem Fall dann Facebook abgedreht hat und nicht die Medien, ehrlich gesagt.
Katharina Schell: Genau. – Alexandra Föderl-Schmid, bitte.
Alexandra Föderl-Schmid: Ich wollte nur kurz beim Thema Social Media noch einhaken: Ich glaube tatsächlich, dass man Tiktok anders betrachten muss, weil da ein chinesisches Unternehmen dahintersteckt. Wer sich die Bestimmungen anguckt, stellt fest: Also da gibt man wirklich die Daten frei Haus, und das müsste allen bewusst sein. Jetzt sage ich nicht, die großen amerikanischen Tech-Giganten sind so viel besser, aber der Umgang mit Daten ist doch ein anderer.
Umgekehrt muss man aber sagen: Hey, man muss dem ORF schon auch ermöglichen, an Junge ranzukommen! Und das passiert halt mittlerweile sehr viel über soziale Medien; das heißt, da müssen einem Öffentlich-Rechtlichen auch Chancen eingeräumt werden, denn der Impuls, mit dem ich aufgewachsen bin und den ich noch immer habe – und ich habe in Summe jetzt 17 Jahre im Ausland gelebt –, der 19.30-Uhr-Impuls, ist bei mir noch immer da, also „Zeit im Bild“, und der 22-Uhr-Impuls.
Das haben die Jungen nicht mehr, das lineare Nachrichtenangebot des ORF wird eben von Jungen nicht mehr in der Weise genutzt. Die holen sich die Informationen anders, und da, finde ich, muss dem ORF das schon auch gestattet sein, im Bereich Social Media mit einem Angebot unterwegs zu sein.
Corinna Milborn: Darf ich da noch einmal etwas darauf sagen? Was ist das für eine Aufgabe, wenn Öffentlich-Rechtliche – ich meine jetzt gar nicht den ORF allein, das geht vielleicht nicht - -, aber europäische Öffentlich-Rechtliche sind mit wahnsinnig viel Geld und sehr viel Kreativität und sehr viel tollen Menschen ausgestattet und haben eine Bibliothek und Content, den sie dauernd produzieren, die enorm sind.
Tiktok gibt es gerade einmal seit fünf Jahren. Das ist ja nicht in Stein gemeißelt, dass die sozialen Medien, die es jetzt gibt, die sind, wo junge Menschen hingehen, sondern man könnte sich ja auch überlegen, dass man diese ganze, große Kreativität, diese ganze Bibliothek, diesen ganzen Content, diese Filme, diese Schnipsel, diese Nachrichten aus Europa zusammennimmt und die Öffentlich-Rechtlichen gemeinsam mit Privaten eine Plattform schaffen. Das kommt immer wieder auf, in Deutschland ist gerade auch wieder die Diskussion. Es passiert nur nie.
Alexandra Föderl-Schmid: Ja, absolut. Die ist richtig und wichtig in Deutschland.
Corinna Milborn: Aber ich finde, das aufzugeben und zu sagen, ja, die Jungen sind halt dort – ja, dann hat man halt seine Arbeit nicht gut genug gemacht und dann muss man sie halt besser machen und etwas machen, das auch öffentlich-rechtlichen Kriterien entspricht, das ansprechend ist, und nicht aufgeben und die Sachen Tiktok geben.
Alexandra Föderl-Schmid: Da sind wir wieder beim Stichwort Kooperation.
Katharina Schell: Andre, User zu sich bringen oder zu den Usern, Userinnen bringen?
Andre Wolf: Nein, nein, ich will direkt anknüpfen. Wir begehen jetzt hier gerade den großen Fehler und vermischen den Begriff Medien. Social Media sind keine Medien, die veröffentlichen nichts in dem Sinne, sondern das sind Trägerplattformen, das sind Netzwerke; und wir als Inhaltsschaffende, wir nutzen die, um unsere Inhalte nach außen zu bringen. Das ist der große Unterschied.
Wenn jetzt jemand hergeht, egal wer von uns, und einen tollen Inhalt macht, ob das jetzt ein Videoinhalt, ein Textinhalt oder ein Inhalt mit Audiodatei ist: Wir müssen das digitale Storytelling dann halt spielen, und dafür nutzen wir Social Media.
Jetzt ist natürlich die Frage: Wen nutzen wir? – Das ist auch eine ganz tolle und wichtige Frage an dieser Stelle. Tiktok ist natürlich extrem bedenklich, das muss ich ganz klar sagen. Da geben wir Sachen ab – da wissen wir gar nicht, was am Ende damit passiert. Wir haben auch bei Twitter gesehen, wie sich Elon Musk um die Userinnen und User kümmert. Vor ein paar Wochen oder vor gar nicht so langer Zeit war es so: Wenn man eine Presseanfrage an Twitter geschickt hat, bekam man eine automatisierte E-Mail mit einem Scheißehaufen zurück – also da wissen wir, was wir wert sind.
Man muss wirklich sagen, Meta ist noch der einzige Konzern, mit dem man reden kann. Auch wenn jetzt alle sagen: Ah, nein! – Es ist wirklich so: Da kenne ich Menschen, da kann ich Menschen ansprechen, mit denen kann ich irgendwie in Kontakt treten, obwohl das auch gerade so die Nase über der Oberfläche ist. Da muss man auch schauen: Wo spiele ich meine Inhalte aus? Wie spiele ich sie aus? – Ich möchte sie auch so attraktiv wie möglich gestalten. Ja, ich möchte, dass die auf meine Website kommen, zu Mimikama, zu Puls 4, zur „Süddeutschen“, wo auch immer, und dann muss ich halt meine Inhalte so ausspielen, dass sie zu mir kommen.
Das können tatsächlich die Boulevardmedien am besten, muss man einmal sagen. Die machen mit ihrem Clickbaiting leider eine wunderbare Arbeit. Sie wissen, wie man es tut, leider auch über die Emotionen, die sie erschaffen – das ist natürlich grauenvoll –, leider auch über die Themenauswahl, die teilweise überfokussiert ist, dass da Sachen gebracht werden, die keine Relevanz haben, die aber aufgepustet werden. Ich erinnere an die Winnetou-Geschichte vom letzten Jahr: Das war eine Katastrophe, das war in meinen Augen nicht einmal eine Meldung wert; dann zu sagen: Winnetou stirbt! – völliger Unfug, aber genau das funktioniert, und so funktioniert das eben. Das ist dann auch das Problem, dass am Ende wieder der Vertrauensverlust kommt. Da kannst du dann noch so guten Journalismus bringen, du wirst dann über einen Kamm geschoren, da heißt es: Ihr lügt ja alle!
Um aber darauf zurückzukommen: Wir müssen unterscheiden zwischen den Trägermedien, den Netzwerken, Social Media, und denen, die Inhalte aufbauen. Wir wollen halt, dass unsere Inhalte so weit wie möglich herauskommen, und nutzen die Trägermedien dann.
Corinna Milborn: Ich möchte dem vehement widersprechen. Das führt vielleicht zu weit, aber ganz kurz aber noch: Die produzieren natürlich Medien.
Katharina Schell: Kurz und vehement.
Corinna Milborn: Der Tiktok-Feed oder die Facebook-Startseite, die man bekommt, oder Youtube-Autoplay, das ist genauso ein Medium, wie wenn ein Programmdirektor im Fernsehen Serien, Talkshows, Nachrichten, was auch immer, aneinanderreiht.
Andre Wolf: Die produzieren nichts.
Corinna Milborn: Wir produzieren auch einen Bruchteil von dem, was wir spielen, selbst – das produzieren auch andere.
Katharina Schell: Ich denke, das ist eine Diskussion, die ja schon lange geführt wird: Inwieweit ist Kuratierung – sei sie algorithmengesteuert, sei sie menschlich, intellektuell gesteuert – bereits ein Medienschaffen? – Ich bitte also um Nachsicht, wenn wir das hier nicht erschöpfend behandeln, aber es ist natürlich interessant, dass es nach wie vor ein Thema ist, das uns wirklich – wir diskutieren bald zehn Jahren darüber – nach vielen, vielen auch regulatorischen Ansätzen et cetera, et cetera noch immer nicht klar ist: Ist das Ding jetzt ein Medium oder nicht?
Das Problem ist meiner Meinung nach wieder: Nicht das, was wir befinden, zählt, sondern was die Userinnen und User befinden. Wenn die User sagen, das ist ein Medium, in dem ich mich informiere, dann können wir wahrscheinlich herzlich wenig dagegen tun, dass sie dort sind. Wir können wahrscheinlich nur versuchen, sie auch woanders hinzubekommen.
Ich wollte noch ein Thema anschneiden, das seltsamerweise noch kein einziges Mal – oder doch, einmal kurz – erwähnt wurde, obwohl wir doch seit Monaten über nichts anderes sprechen, nämlich die KI: Innovation, Vertrauensverlust, News Avoidance, es gibt ganz viele spannende Entwicklungen, die uns Sorgen machen müssen, aber die letzten paar Monate haben wir eigentlich – außer natürlich über die „Wiener Zeitung“, das ORF-Gesetz – vor allem über Chat-GPT gesprochen und dass das den Journalismus und unsere Branche nachhaltig verändern, wenn nicht kaputtmachen wird.
Wir haben schon öfter den Ausdruck digitale Transformation gehört, und ich frage mich noch einmal, ob wir tatsächlich schon fertig – und zu unserer aller Befriedigung fertig – digital transformiert haben, weil jetzt nämlich die nächste große Welle kommt, und die wird noch einmal schwieriger abzureiten sein.
Gibt es dazu Befunde und vielleicht sogar schon Prognosen? Ich persönlich würde mich nämlich wirklich dafür interessieren, wie es ausgehen könnte.
Alexandra Föderl-Schmid: Ich glaube, einige Beispiele sind ja schon genannt worden: Corinna Milborn hat auf einiges verwiesen, auch Johannes Bruckenberger. Ich glaube, ich teile nicht den Befund, dass alles jetzt furchtbar und schwierig werden wird, sondern es kann auch positive Auswirkungen geben. Beispiel: Wir haben bei den letzten Landtagswahlen KI eingesetzt, um die Ergebnisse wirklich auf Wahlkreisebene möglichst rasch hinzukriegen. Wir hätten gar nicht so viele Kolleginnen und Kollegen einsetzen können, um das leisten zu können; die Maschinen haben das gekonnt, und das ist jetzt einmal, sage ich, ein positiver Beitrag für die Demokratie, wenn man Wahlergebnisse in der Form auch rasch auswerten und zur Verfügung stellen kann.
Kurze Texte, knappe Zusammenfassungen – auch das kann Journalisten entlasten, einen Mehrwert bieten. Wir Journalisten können uns dann vielleicht wieder mehr auf Dinge konzentrieren, zu denen wir jetzt zum Teil zu wenig kommen. Sportergebnisse ist ein weiteres Beispiel, wo man KI einsetzen und Entlastung schaffen kann.
Das, was wir Journalisten halt noch mehr als bisher tun müssen, ist, uns auch als Erklärmedium zu verstehen. Die Welt wird immer komplexer und Aufgabe von Medien ist eben, mit allen Möglichkeiten zu versuchen, diese Komplexität darzustellen und Dinge einfach besser aufzubereiten, um die Welt, wie sie sich darbietet, in Form von Interviews, Einschätzungen, digitalen Innovationen und, und, und – also es gibt viel, viel mehr Möglichkeiten als noch vor ein paar Jahren – besser erklärbar zu machen. Und das ist Journalismus.
Katharina Schell: Kontextualisierung.
Alexandra Föderl-Schmid: Es unterscheidet uns auch von dem, was man halt schnell auf Twitter und so weiter nachlesen kann.
Ich komme zu meinem letzten Punkt: Ich glaube, aufseiten der Medienkonsumenten muss auch die Bereitschaft vorherrschen, dafür auch zu bezahlen. Das ist auch klar, dass es guten Journalismus einfach nicht gratis geben kann.
Katharina Schell: Johannes Bruckenberger, ich muss hinzufügen – danke –, es wird noch ein großes Fass aufgemacht: Zahlungsbereitschaft in Österreich und im deutschsprachigen Raum.
Mir wurde allerdings freundlich, aber bestimmt signalisiert, dass wir uns eigentlich schon dem Ende unserer Diskussion zu nähern haben. Ich würde daher jetzt einmal darauf hinweisen: Wir machen daraus auch gleich eine Schlussrunde, damit wir nicht zu sehr überziehen.
Johannes Bruckenberger: Vielleicht nur ergänzend zum Thema KI: Das, was Alexandra sagt, unterstreiche ich. Wir haben ja schon ähnliche Erfahrungen mit Wahldaten und Ähnlichem gemacht.
Was aber, glaube ich, auch wichtig ist: Wir sollen es dort einsetzen, wo es unsere Arbeit unterstützt, wo es uns auch hilft, Inhalte zu kreieren, die wir mit unseren vorhandenen Ressourcen nicht zustande bringen würden. Was wir aber auch machen – wenn ich mich so zurückerinnere: vor zehn Jahren war es in allen oder vielen Medienhäusern Usus, dass man sich Social-Media-Regularien und -Leitlinien auferlegt hat –: Wir arbeiten jetzt gerade – also du (in Richtung Schell) arbeitest gerade – an einer KI-Leitlinie bei uns im Haus, weil das, wie du sagst, das nächste große Ding ist und wir da für uns auch ein paar Regeln festlegen müssen.
Worum es eben vor allem auch gehen wird – das hat auch Clemens Pig schon angeführt –, ist das Thema Trusted AI: Wir müssen schauen, dass wir diese KI-Systeme auch mit faktenbasierten Inhalten füttern, damit dann auch Informationen dabei herauskommen, die stimmen, die korrekt sind und die richtig sind, damit nicht dadurch noch mehr Desinformation in die Welt gerät.
Katharina Schell: Da hat Andre Wolf zustimmend genickt.
Andre Wolf: Ja, wir sind ja seit Monaten schon dabei, das Ganze auszuprobieren, auch als Chat-GPT herauskam, haben wir das sofort gemacht. Das ist ja alles nicht neu, wir kannten ja Neuroflash auch schon vorher; das waren ja alles Plattformen, die schon da waren, aber jetzt eben in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind.
Künstliche Intelligenzen im redaktionellen Alltag einsetzen: Von mir aus gerne, aber kennzeichnen, nicht die Recherche übernehmen lassen, denn da sind wir bei den Problemen: Was die teilweise herausbekommen, das ist hanebüchen, da sind teilweise Angaben, die schlichtweg nicht stimmen, wenn Chat-GPT recherchiert. Es geht halt darum: Ich muss so eine künstliche Intelligenz gut füttern, dann ist das Ding wie ein Werkzeug und das, was am Ende herauskommt, muss ich kontrollieren. Ich muss es zwingend kontrollieren und dann kann ich es auch verwerten.
Ich kann es auch gerne als Impuls nehmen; das macht mir persönlich manchmal Spaß. Wenn ich überhaupt keinen Ansatz habe, und sei es für einen privaten Brief oder sonst irgendetwas, dann lasse ich mir einen Impuls geben und baue darauf auf und sage, ja, mit der Idee kann ich arbeiten, oder eben nicht – das muss am Ende ich entscheiden.
Jetzt komme ich zu einem ganz wichtigen Ding, was wir vorhin in der Runde schon hatten: Was passiert, wenn eine künstliche Intelligenz bestimmt, was wir zu Gesicht bekommen? – Das sehe ich als Problem. Ich bin völlig aufgeschlossen gegenüber einer Arbeit mit einer künstlichen Intelligenz, aber wenn Google oder Microsoft oder sonst irgendwer auf einmal anfängt, die zu nutzen, um mir Themen zu zeigen, weil eine künstliche Intelligenz bestimmt, was wichtig ist, dann wird es kritisch, und das ist der Punkt, wo wir da auch ansetzen müssen.
Wir müssen sowieso bei vielen Sachen ansetzen, diverse Kodizes entwickeln, medienethisch und so weiter; an dem Thema werden wir noch viel Spaß haben.
Katharina Schell: Medienethisch und so weiter – das ist dann der Titel der nächsten Podiumsdiskussion.
Andre Wolf: Da bin ich dabei.
Katharina Schell: Corinna Milborn, wird KI alles kaputtmachen oder ist sie der Gamechanger?
Corinna Milborn: Nein, nein, nein. Wir nützen das natürlich schon lange, und das ist super – also zum Beispiel: automatisch Artikel zusammenfassen, Meldungen machen, alles, was gesagt wurde –, weil man dann mehr Zeit für Recherche hat, und recherchieren, nachfragen, wo hingehen und etwas herausfinden, das müssen immer noch Journalisten machen. Wobei: Auch zum Durchkämmen von Dokumenten ist es sehr praktisch, KI zu haben und nicht zehn Leute abstellen zu müssen, die sich durch einen 20 000-Seiten-Akt quälen, wie es früher der Fall war.
Ich sehe die Gefahr von KI aber ganz woanders. Die Gefahr ist – dazu vielleicht zum Thema der Veranstaltung zurück –: Journalismus ist für Macht unangenehm und gefährlich, und deswegen wird Journalismus unter Druck gesetzt, von Menschen, die nicht wollen, dass jemand nachschaut, was sie tun – weltweit, also die Pressefreiheit ist unter Druck, auch in Europa, auch in vielen Ländern in Europa. KI wird derzeit sehr, sehr stark dafür eingesetzt, Fakenews zu produzieren, zum Beispiel Deep Fakes zu produzieren, die gar nicht so sehr dazu da sind, dass man sich denkt: Oh, hat der Papst das wirklich gesagt?, oder: Hat Putin oder hat Biden das wirklich gesagt?, sondern um Zweifel zu säen: Hat er das gesagt oder nicht? Kann ich überhaupt noch jemandem glauben?
Das Ziel ist es auch, dass die Glaubwürdigkeit von Medien untergraben wird, überhaupt von Systemen, das Parlament gehört dazu, die Politik gehört auch dazu, aber Medien gehören ganz, ganz stark dazu. Da, finde ich, ist unsere größte Herausforderung, wie wir Leuten klarmachen: Was ist glaubwürdiger Journalismus, der nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert ist, was ist ein echtes Interview, wo dieser Mensch wirklich da sitzt und ich frage ihn, und was ist der Fake Outtake, der mit einem falschen Ton versehen wird, mit den falschen Untertiteln, irgendein Bild mit einem Zitat daneben?
Dazu braucht man gar keine KI, das funktioniert auch schon so, mit KI funktioniert es halt noch viel besser.
Katharina Schell: Und schneller.
Corinna Milborn: Und schneller, genau.
Dieses Untergraben der Glaubwürdigkeit passiert nicht einfach so – ich finde, wir kochen da auch oft viel zu sehr im eigenen Saft –, sondern zum Beispiel von russischer Seite wird Desinformation nachgewiesenermaßen ganz gezielt betrieben, auch von sehr vielen rechtsextremen Gruppen ganz gezielt betrieben, teilweise von Regierungen, wie zum Beispiel in Ungarn. Da, finde ich, sollten wir die Augen offen halten, was in diesem Machtgefüge passiert und was KI darin macht, aber KI ist ja nicht das große Problem, sondern es ist das Machtgefüge und der Druck, unter dem Journalistinnen und Journalisten stehen.
Katharina Schell: Das Machtgefüge und die Werkzeuge allerdings, deren sich dieses Machtgefüge oder die Parteien in diesem Machtgefügen bedienen können.
Corinna Milborn: Da wären wir auch wieder bei der „Wiener Zeitung“, die wir jetzt hier ausgelassen haben, die aber in der Keynote drinnen war.
Katharina Schell: Destabilisierung von Institutionen und Organisationen, das ist wahrscheinlich ein bisschen ein beunruhigendes Thema?
Karl-Heinz Grundböck: Ist es ganz ohne Zweifel, und ich glaube, Corinna Milborn hat es jetzt auch herausgearbeitet. Es ist ja, glaube ich, jetzt auch sehr schön sichtbar geworden, dass KI in dieser Entwicklung nicht an sich schon ein Problem sein muss, sondern dass man das Instrument für Konstruktives und auch für Destruktives nutzen kann.
Gerade von daher und eben auch dieses Thema ansprechend, diese Frage von Vertrauen und welche Konsequenz das hat: Letztlich baut dieses gesamte demokratische politische System auf Vertrauen, nämlich auf Vertrauen darauf, dass diese Repräsentanz funktioniert, dass Bedürfnisse in diesen Institutionen berücksichtigt werden und dass es auch einen konstruktiven Diskurs über diese Frage – Wie organisieren wir unsere Gemeinschaft? – geben kann. Wenn dieses Vertrauen in die Institutionen leidet, dann sind wir wirklich auch beim Grundsätzlichen, was eben dieses demokratische politische System betrifft.
Ich sehe tatsächlich eben auch die große Herausforderung ja in dieser großen Gereiztheit, die wir ganz ohne Zweifel jetzt in der digitalen Kommunikation an sich schon sehen, sehr stark auch getrieben von Social Media. Die Frage ist letztlich für mich: Welche Bindung gelingt es dem seriösen Journalismus in der Öffentlichkeit zu entfalten? Wie sehr gelingt es, auf diese konstruktive Diskursgemeinschaft hinzuwirken, gerade in einer zunehmend komplexen Welt, wo natürlich auch die Emotionen zur Instrumentalisierung dienen?
Katharina Schell: Nichts ist schöner als eine Podiumsdiskussion, die mit einer Frage endet. Das nehmen wir alle mit nach Hause, gerade wir von den Medien.
Ich beschließe hiermit unseren Talk. Ich hoffe, er hat dem Publikum gefallen beziehungsweise dass ihn das Publikum ähnlich interessant fand wie ich. Wir haben zumindest Themenhopping betrieben, was ich gut finde, denn in diesen Diskussionen beschränken wir uns gerne immer wieder auf einige wenige Themen.
Ich danke meinen Panelists und würde Sie ersuchen, wieder Ihre angestammten Plätze einzunehmen. (Beifall.)
Mir bleibt jetzt nämlich noch, den Nationalratspräsidenten um seine Abschlussworte zu bitten. – Ich darf Sie dafür ans Podium bitten.
Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren, Journalistinnen und Journalisten und Interessierte! Ich darf mich zuerst ganz herzlich bei der APA dafür bedanken, diese Veranstaltung hier mit uns gemeinsam gemacht zu haben.
Wir haben uns mit der Rückübersiedlung vorgenommen, ein Haus des Dialogs und der Dialogbereitschaft zu sein, und die endet nicht bei 183 Abgeordneten, sondern die geht weit über diesen Rahmen hinaus. Wir erleben das eigentlich jetzt sehr, sehr oft.
Ich darf mich für die sehr, sehr intensive, hochstehende Diskussion bedanken. Ich habe sie sehr genossen und werde nicht den Fehler machen, jetzt noch etwas hinzuzufügen. Das überlasse ich Ihnen, jetzt dann beim Buffet draußen in der Säulenhalle. Es gibt genügend Stoff, um darüber zu diskutieren, und das, was uns alle bewegt, ist mit Sicherheit die künstliche Intelligenz. Ich habe heute dazu mit dem Rektor des Hasso-Plattner-Instituts eine lange Diskussion geführt und gefragt: Weiß die Wissenschaft, wohin die Reise geht? – Sie hat derzeit auch nicht das Konzept, das uns vielleicht so sicher die Zukunft sehen lässt.
Das heißt, Medienpolitik und vieles andere steht heute auf einem besonderen Prüfstand, muss sich immer wieder hinterfragen, um diesen neuen Herausforderungen zu begegnen. Die einzige Sorge, die ich diesbezüglich habe, ist, dass wir es schwer haben, einen Rechtsrahmen dafür zu finden, weil wir ganz einfach zu ineffizient und zu langsam sind. Wenn sich das Wissen der künstlichen Intelligenz innerhalb von drei Monaten verdoppelt und wir wissen, dass der Digital Service Act zwar ein guter Anfang ist, man aber etwa noch 1,5 Jahre brauchen möchte, um überhaupt Überlegungen der Regulierung oder Kennzeichnung oder Transparenz zu entwickeln, dann wissen wir, dass wir – jeder – das vielleicht zuerst einmal auf unsere Art und Weise überlegen müssen, aber dann – das wurde hier angesprochen – in diesem Österreich vielleicht doch gemeinsam einen Weg zu suchen haben, wie wir mit dem umzugehen haben.
Etwas zu erklären, den Menschen etwas verständlich zu machen, das ist das Wesen der Demokratie und vor allem der parlamentarischen Demokratie. Dafür eine rechtsstaatliche Basis zu sichern und zu geben, dafür stehen wir da und stehen wir ein.
In diesem Sinne noch einmal herzlichen Dank, dass Sie heute hier sind. Ich hoffe, das war nicht die letzte Diskussion hier in diesem Haus mit der APA oder über Medien und über Journalismus, und ich darf Sie gleich präventiv noch einmal einladen, wenn Sie wieder das Bedürfnis haben – auch in dieser großen Runde – zu diskutieren. Ich halte so eine Paneldiskussion – auch wenn sie nicht immer so in die Tiefe gehen kann, wie man das braucht – für ganz notwendig, um Anregungen zu bekommen, Themen zu sehen, die für uns eben nicht wie im digitalen Feld nur ein Gegeneinander, aneinander vorbei, sondern, indem wir sie aufgreifen, auch etwas Gemeinsames in die Überlegung bringen werden.
In diesem Sinne auch ein herzliches Dankeschön an die Moderation. (Beifall.)
Katharina Schell: Die Moderation wiederum dankt im Namen des Podiums für dieses schöne Feedback.
Mir bleibt nur noch eines, zu sagen: Der Herr Präsident hat schon das Buffet erwähnt – das wird, sobald wir hingehen, eröffnet, nehme ich an, und wir freuen uns darauf –, aber es gibt auch die Möglichkeit, an Führungen im neu renovierten Haus teilzunehmen. All das findet in der Säulenhalle statt. Sie sind herzlich eingeladen, sich in der Säulenhalle beim entsprechenden Schalter, Stand, Aufsteller – Sie werden es finden – zu informieren und für eine Führung anzumelden. Diese dauert circa eine halbe Stunde und ist sicher eine einmalige Gelegenheit für die, die es noch nicht gesehen haben, sich die neuen sozusagen Landmarks des Hohen Hauses anzuschauen.
Ich danke jetzt auch noch einmal allen fürs Kommen, fürs Organisieren, fürs Mitdiskutieren, freue mich auf weiteren Austausch in der Säulenhalle beim Buffet und wünsche noch einen schönen Abend. – Danke sehr. (Beifall.)