Transkript der Veranstaltung:

Concordia-Preise 2023

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(Es folgt ein Musikstück.)

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(Beifall.)

Daniela Kraus (Moderatorin): Vielen Dank an das Cross Atlantic Trio, das uns heute durch den Nachmittag begleitet.

Mein Name ist Daniela Kraus. Ich bin die Generalsekretärin des Presseclub Concordia und freue mich, dass ich die heutige Veranstaltung moderieren darf. Ganz herzlich willkommen zur Verleihung der Concordia-Preise, besonders passend – heute – am Tag der Pressefreiheit 3. Mai.

Die Concordia-Preise werden seit 1997 vergeben und würdigen außerordentliche publizistische Leistungen in den Bereichen Pressefreiheit und Menschenrechte, und es gibt einen Ehrenpreis.

Als Allererstes bedanke ich mich natürlich ganz herzlich im Namen der Concordia, dass wir die Preise wieder hier im Parlament vergeben dürfen. Ich darf zuallererst die anwesenden Gastgeber, die anwesende Gastgeberin der heutigen Veranstaltung begrüßen:

Den Präsidenten des Bundesrates Günter Kovacs. – Bitte. (Beifall.)

Die Zweite Präsidentin des Nationalrates Doris Bures. (Beifall.)

Parlamentsdirektor Dr. Harald Dossi. (Beifall.)

Vielen Dank, dass wir hier sein dürfen.

Der Präsident des Nationalrates Mag. Wolfgang Sobotka sowie der Dritte Präsident des Nationalrates Ing. Nobert Hofer sind terminlich verhindert und können daher heute nicht teilnehmen.

Ganz herzlich willkommen heißen darf ich Frau Bundeskanzlerin außer Dienst Dr.in Brigitte Bierlein. (Beifall.)

Außerdem möchte ich namentlich den Präsidenten des Bundesrates außer Dienst Prof. Herwig Hösele (Beifall) und Volksanwältin außer Dienst Mag. Terezija Stoisits begrüßen. – Hallo! (Beifall.)

Für den Presseclub Concordia darf ich unseren lieben Präsidenten Dr. Andreas Koller willkommen heißen. (Beifall.)

Für die Jury begrüße ich – heute leider nur via Livestream – Dr. Heide Schmidt, Vorsitzende der Jury und Dritte Präsidentin des Nationalrates a.D., und natürlich auch die hier anwesenden Mitglieder der Jury. – Vielen, vielen Dank. Wir wissen alle, wie aufwendig die Juryarbeit für so einen Preis ist. Vielleicht an dieser Stelle gleich einmal ein Dankeschön. (Beifall.)

Aber ganz besonders im Mittelpunkt stehen heute natürlich die Preisträger und Preisträgerinnen, die noch ausführlich geehrt werden – das ist ja der Sinn und Zweck des heutigen Nachmittags –, aber begrüßen möchte ich Sie alle jetzt doch noch einmal gesondert: Gerhard Haderer, die Vertreter:innen der Redaktion von „Dossier“ und die Vertreter:innen der Redaktion von „Andererseits“, die wir jetzt nicht alle namentlich nennen, sonst kommen wir mit der Zeit nicht durch; aber alle kriegen nachher eine Bühne. Ich darf herzlich, herzlich willkommen sagen! Ich freue mich total. (Beifall.)

Die Laudatorinnen sind Anneliese Rohrer und Katharina Stemberger und später kommt auch noch Corinna Milborn. Wollen wir euch auch gleich einen Applaus geben, warum denn nicht? (Beifall.)

Es freut mich natürlich auch sehr, alle anwesenden aktiven und ehemaligen Abgeordneten zum Nationalrat und Mitglieder des Bundesrates begrüßen zu dürfen sowie die Medienvertreter und Medienvertreterinnen und Sie, liebes Publikum, hier und via Stream. Herzlich willkommen, ich freue mich wirklich! (Beifall.)

Ich darf nun gleich die Worte an die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures für die Begrüßung übergeben. – Vielen Dank.

Doris Bures (Zweite Präsidentin des Nationalrates): Vielen lieben Dank, Daniela Kraus. Meine sehr geehrten Präsidenten! Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem aber liebe Preisträgerinnen und -preisträger. Es ist mir eine große Freude und Ehre, Sie alle bei der heutigen Preisverleihung des Presseclubs Concordia wieder im historischen Parlament begrüßen zu dürfen.

Die letzte Concordia-Preisverleihung hier in diesem Saal, da sah er noch ein wenig anders aus, fand 2017 – auf den Tag genau vor sechs Jahren – statt. Wenn wir so zurückdenken, dann wissen wir, dass seither eigentlich Unfassbares, vieles in der Welt, in unserem Land und in unser aller Leben geschehen ist. Bis dahin gewohnte Säulen der Gesellschaft werden heute mittlerweile infrage gestellt, Vertrauen und Glaubwürdigkeit von Politik, Wissenschaft und Demokratie geraten mittlerweile bedenklich ins Wanken. Wir leben aber auch in einer Zeit, in der die Medienbranche und der Journalismus massiven Erschütterungen ausgesetzt sind. Die älteste Tageszeitung der Welt, die „Wiener Zeitung“, wird per Federstrich eingestellt. Der ORF und die Zeitungsverleger befinden sich zweifelsohne in heftigen Auseinandersetzungen und die Regierung begegnet dem mit zweifelhaftem Tauschhandel.

Die heutige Preisverleihung am Internationalen Tag der Pressefreiheit fällt also in eine Zeit, in der Journalistinnen und Journalisten vielfach mit dem Rücken an der Wand stehen. Ökonomischer Druck angesichts steigender Kosten und fallender Werbe- und Verkaufserlöse, der asymmetrische Wettbewerb mit globalen, sozialen Medien und deren Plattformen und zweifelsohne auch politischer Druck, zum Beispiel via Messagecontrol, haben der Medienbranche existenziell zugesetzt. Bewusste mediale Irreführung durch – unter Anführungszeichen – strategisch notwendigen Unsinn wurde eine Zeit lang sogar zur manipulativen Staatsdoktrin erhoben. Journalistische Biegsamkeit Einzelner, wie in manchen Chatkorrespondenzen zuletzt nachzulesen war, hat das wichtigste Kapitel von seriösem Journalismus angegriffen, nämlich eben die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen. Wenn dann wie gesagt eben selbst publizistische Leuchttürme, wie die älteste Tageszeitung der Welt, leichtfertig von der Bundesregierung geopfert werden, dann muss das eine liberale demokratische Öffentlichkeit wachrütteln, denn unbestritten ist, gerade angesichts sozusagen der heutigen – unter Anführungszeichen – neuen Unordnung, dass es eben dieses wachsamen Journalismus bedarf, eines Journalismus, der mit hohen ethischen Ansprüchen an sich selbst und die Gesellschaft insgesamt das politische Zeitgeschehen seriös einordnet und natürlich kritisch beleuchtet. Gerade eine parlamentarische Demokratie, wie wir sie in diesem Haus mit Leben erfüllen, die sich selbst ernst nimmt, braucht diese Öffentlichkeit und braucht diesen kritischen Journalismus als Vermittler des politischen Diskurses und eines demokratischen Wettbewerbs.

Erlauben Sie mir noch eines anzusprechen: Die in einem kleinen Land wie Österreich besonders symbolische Nähe zwischen Politik und Journalismus stellt ein problematisches Spannungsfeld dar. Meiner Meinung nach kann man dem nur mit professioneller Distanz adäquat begegnen. Das halte ich für sehr wesentlich. Ich denke, dass dies eine Lehre sein kann aus der doch manchmal allzu großen medialen Begeisterungsfähigkeit für messianische Politikdarsteller, wie wir sie in der jüngsten Vergangenheit erleben mussten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir war es auch wichtig, das anzusprechen, weil es zeigt, dass gerade deshalb eine Veranstaltung wie die heutige, nämlich die Verleihung der Concordia-Preise durch den Presseclub, ebenso wichtig für unser Land und für unsere Demokratie sind. Die Würdigung seriöser und aufrichtiger journalistischer Arbeit zahlt nämlich kräftig ein auf das so wichtige moralische Immunsystem der österreichischen Medienlandschaft. Sie zeigt damit, dass auch unter existenziellen ökonomischen Herausforderungen im Angesicht offener Anfeindungen der Pressefreiheit durch Populisten, durch Lügenpropaganda, Agitatoren oder durch Urbanisierungspropagandisten der aufrechte Gang von verantwortungsvollem Journalismus möglich und erwünscht ist. Für eine demokratische Gesellschaft wie die unsere ist dies eine lebensnotwendige Grundvoraussetzung, ja, eine Überlebensfrage unserer demokratischen Verfasstheit. Dieses gesellschaftliche Zusammenspiel zwischen Rechtsstaat, Exekutive, Parlament, unabhängigen selbstbewussten Medien, dieses Zusammenspiel schafft überhaupt erst dieses lebensnotwendige Klima für Freiheit, Frieden und Demokratie, das diese Republik so lange ausgemacht hat. Diese Balance darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Dass Sie, liebe Preisträgerinnen und Preisträger, mit Ihren journalistischen und publizistischen Leistungen dazu wichtige Beiträge erbracht haben, das wollen wir heute gebührend würdigen. Ich möchte Ihnen meinen Dank und meinen größten Respekt dafür aussprechen. Alles Gute! Ich gratuliere Ihnen von ganzem Herzen! (Beifall.)

Daniela Kraus: Herzlichen Dank, Doris Bures.

Concordia-Präsident Andreas Koller: Darf ich dich nach vorne bitten?

Andreas Koller (Präsident des Presseclub Concordia): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin außer Dienst! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich heute kurzfassen und möchte Sie gar nicht lange aufhalten. Das hat einerseits damit zu tun, dass ich eigentlich Sprechverbot habe, und das wiederum hat nichts mit der Medienpolitik zu tun, sondern mit meinem HNO-Arzt, der mir gesagt hat, ich soll möglichst wenig reden, weil ich eine Kehlkopfentzündung habe; ich hoffe, ich huste Ihnen heute nicht etwas vor. Ich möchte mich aber vor allem deshalb kurzfassen, weil der heutige Nachmittag den Preisträgerinnen und Preisträgern gehört, den Laudatorinnen und nicht so sehr uns, die wir jetzt reden.

Die Danksagungen hat die Generalsekretärin schon hervorragend erledigt. Ich möchte es noch ergänzen. Mein Dank gilt natürlich der Juryvorsitzenden Heide Schmidt, die heute leider nicht hier sein kann, und natürlich auch ihrer Jury, die ich kurz namentlich vorlesen darf: Brigitte Handlos, Barbara Haas, Barbara Trionfi, Andrea Helige, Martin Halama, Robert Treichler, Dieter Bornemann, Christa Zöchling und Martin Thür, und Dank natürlich auch den Sponsoren, die uns diese Veranstaltung heute ermöglichen, nämlich die Strohmayer-Privatstiftung und die Bank Austria.

Ich möchte mich kurzfassen, aber doch einige Worte verlieren und erklären, warum trotz dieses festlichen Rahmens vielleicht die Feststimmung heuer ein wenig gedrückt ist, gedrückt nämlich deswegen, weil meiner Ansicht nach in diesem Haus vor einigen Tagen medienpolitische Entscheidungen gefallen sind, die hinsichtlich ihrer historischen Dimension einfach falsch sind. Die Frau Präsidentin hat es schon angesprochen, ich spreche jetzt unter anderem vom Abwürgen – vom vorsätzlichen Abwürgen muss man sagen! – der „Wiener Zeitung“, was ich für eine kulturelle und politische Schande empfinde. Sie haben es im Ohr, der dazugehörige Schlachtruf hat ja gelautet: Print ist tot, die Zukunft des Journalismus liegt im Digitalen! – Also ich halte das für ein Schablonendenken, das uns nicht wirklich weiterbringt und das irgendwie auch diesen Transformationsprozess nicht berücksichtigt, dem sich auch die Printszene in den letzten Jahren unterworfen hat. Meine Ansicht ist: Die Zukunft des Journalismus liegt schlicht und ergreifend im Journalismus, ganz egal über welche Plattform er daherkommt und über welche Abspielkanäle.

Wir verlangen nicht mehr von der Regierung, als die notwenigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Im Fall der „Wiener Zeitung“ hätte das bedeutet, auch dieser Zeitung den Transformationsprozess zu ermöglichen – die Fehler liegen natürlich in der Vergangenheit –, also ihr diesen Prozess zu ermöglichen oder die Zeitung zu veräußern. Zusperren ist keine Lösung! Dass ein Transformationsprozess ins neue digitale Zeitalter auch bei Printmedien möglich ist, beweist ja der Umstand, dass es in diesem Land immer noch, muss man sagen, eine relativ blühende Zeitungsszene gibt.

Ich halte es auch für relativ absurd und fast frivol auf den Trümmern der „Wiener Zeitung“ gewissermaßen eine Journalistenausbildung in der Weisungskette des Bundeskanzleramts zu installieren. Ich glaube, wenn so etwas in den östlichen Nachbarstaaten passieren würde, würden wir vor deren Botschaft demonstrieren. Jetzt machen wir es halt nicht.

Ich will der gegenwärtigen Regierung nichts Böses unterstellen, was ihre demokratiepolitische Sauberkeit und Reife betrifft, aber wenn ich mir Umfragen anschaue, dann frage ich mich schon, ob nicht irgendwann einmal Menschen im Kanzleramt das Sagen haben, die es mit der Demokratie nicht mehr so genau nehmen. Und wenn wir denen jetzt schon die Instrumentarien liefern, mit denen sie die Öffentlichkeit beeinflussen können, halte ich das gelinde gesagt für nicht optimal.

Ich spreche auch die mangelhafte Dotierung des österreichischen Presserates an, der natürlich in einer Zeit, wo Fakenews dominieren, immer wichtiger wird und immer größere Aufgaben und mehr Aufgaben bekommt. Er soll zukünftig auch für reine Onlinemedien zuständig sein. Wie er das tun soll, entzieht sich meiner Kenntnis, weil die Dotierung des Presserates seit 2010 nicht angepasst wurde; sie wird zwar jetzt ein wenig erhöht, aber viel zu wenig. Ich hoffe, dass mein Eindruck nicht richtig ist, wenn ich eben den Eindruck habe, dass da eine kritische Instanz mundtot gemacht werden soll.

Ich bin schon am Ende. Ich will die Feststimmung nicht trüben. Ich freue mich für alle Preisträgerinnen und Preisträger. Ich danke den Laudatorinnen und wünsche uns allen einen sehr schönen Nachmittag. – Herzlichen Dank. (Beifall.)

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(Es folgt ein Musikstück.)

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(Beifall.)

Daniela Kraus: Freudig wie der Anlass.

Wir schreiten in medias res. Aus organisatorischen Gründen drehen wir das Programm ein bisschen um und beginnen mit dem Preis für Pressefreiheit.

Mit diesem Preis wird die Redaktion von „Dossier“ ausgezeichnet. Ich sage kurz, warum die Jury so entschieden hat – normalerweise macht das Heide Schmidt, aber das übernehme ich jetzt in aller Kürze.

„Dossier“ wurde 2012 gegründet und kümmert sich seitdem um Presse- und Informationsfreiheit. Das „Dossier“-Team ist dabei besonders mutig. Die Journalisten recherchieren sehr genau und sind auch sehr beharrlich dabei. Besonders viel haben sie über Medienpolitik und Journalismus geschrieben. Damit haben sie dazu beigetragen, und zwar sehr stark dazu beigetragen, dass über Themen geredet wird, die für die Demokratie sehr wichtig sind, wie wir vorhin schon gehört haben. Zum Beispiel war „Dossier“ eines der ersten Medien, das über Werbung der Regierung und anderer öffentlicher Stellen in Zeitungen recherchiert hat, und „Dossier“ berichtet, was dabei schiefläuft. Seit Herbst 2021 wissen wir alle, dass manchmal solche Inserate an Medien nicht so toll für die Demokratie sind, nämlich dann, wenn dafür gute und freundliche Berichterstattung angeboten wird. Manchen Leuten gefällt die Berichterstattung von „Dossier“ nicht und sie drohen dann mit Klagen, aber davon lässt sich das „Dossier“-Team auch nicht einschüchtern – ganz im Gegenteil, würde ich sagen. Die Anerkennung mit dem Concordia-Preis, da war sich die Jury ganz einig, war deshalb einfach längst fällig.

Die Lobrede für „Dossier“ hält die sehr bekannte Journalistin Anneliese Rohrer, die ich den meisten nicht länger vorstellen muss. Ich bitte Sie hier nach vorne. Frau Rohrer hat „Dossier“ seit seiner Gründung begleitet und kann uns einiges über das Team erzählen. – Ich danke Ihnen ganz herzlich. (Beifall.)

Anneliese Rohrer (Journalistin und Kommentatorin): Liebe Anwesende! Liebes „Dossier“-Team! Es ist tatsächlich so, wie Frau Kraus gesagt hat, wir kennen uns seit fast 20 Jahren – seitdem ihr den Weg an die Fachhochschule für Journalismus am Währinger Gürtel gefunden habt, die damals noch, würde ich sagen, wirklich guten Journalismus unterrichtet hat; seither etwas vom Pfad abgekommen ist und eher auf die PR-Schiene und Contentschiene gewechselt hat, was wirklich ein Schaden für die Branche ist.

Als ihr dort angefangen habt, war die Welt des journalistischen Handwerks und des objektiven Journalismus noch in Ordnung.

Unsere Bekanntschaft, Herr Skrabal, hat etwas originell begonnen. – Er kam nämlich und hat behauptet, er hätte einen Abgang von einer Pilotenschule in Florida. Ich habe mir damals gedacht: Das weiß ich jetzt aber wirklich nicht, ob das so sein kann!, und habe das unternommen, was Skrabal in dieser Situation auch getan hätte, ich habe dort angerufen und habe gesagt: Habt ihr einen Studenten namens Florian Skrabal?, und die waren, anders als die österreichischen Institutionen, sehr auskunftswillig und haben gesagt: Ja, ja, der hat bei uns abgeschlossen. – Also gut, ich habe mich blamiert, aber nur vor mir selbst. Ich habe es ihm nie erzählt. (Heiterkeit.)

So begann seine akademische Laufbahn – für kurze Zeit, würde ich sagen, er hat sie dann unterbrochen, aber, wie so oft, er kam zurück und hat abgeschlossen. Und seitdem, seit der Gründung des „Dossier“ 2012, oder vor allem in der Anfangsphase – Frau Kraus hat es auch schon erwähnt, die Anfangsphase war geprägt von Untersuchungen in diese speziell österreichische Art von Werbung und Politik und Medien –, hat das Team „Dossier“ sämtliche Preise eingeheimst, damals, 2012, 2013, die es überhaupt nur gab.

Angefangen hat es bezeichnenderweise mit einem Preis aus Deutschland, mit dem Axel-Springer-Preis für Jungjournalisten, eben für diese Untersuchung von Werbung, Politik und Berichterstattung. Das ging dann weiter über den Hochner-Preis und über den Rode-Preis und ich weiß nicht was noch für einen Preis, und ich habe mir gedacht: Das ist alles sehr gut und sehr anerkennenswert, aber von Preisen werden diese jungen Menschen nicht leben können!

So war es auch, und was wir hier heute für euch, mit euch feiern, ist dieses unglaubliche Durchhaltevermögen in einer Zeit, in der es wirklich, glaube ich, schwierig war oder in der ihr an der Kippe gestanden seid: Kriegen wir das noch hin? Ist das überhaupt noch wirtschaftlich vertretbar?

Das waren doch eigentlich wirklich fürchterliche Zeiten, fürchterliche unsichere Zeiten! Und in einer Periode – seit 2010 –, in der sich, glaube ich, keine andere Branche in Österreich so lustvoll um den eigenen Untergang gekümmert hat wie die Medien, war da eine Gruppe junger Leute, die einfach nicht aufgegeben haben!

Und wie das in Österreich so ist: Diese Inseratengeschichte zum Beispiel hat angefangen 2010 –Herr Skrabal, ja? –, so 2010, 2013; jetzt schreiben wir das Jahr 2023. Man rechnet unschwer, dass in Österreich etwas zehn Jahre braucht, bis es wirklich publik wird und bis es wirklich trägt. Nach zehn Jahren reden wir alle über die Inserate, über die die Jungen von „Dossier“ schon 2013 geschrieben haben. Das ist wahrscheinlich ein österreichisches Merkmal: Es braucht etwas länger. – Wir hoffen, dass es umso besser wird, weil es so lang gebraucht hat.

Die „Wiener Zeitung“ wurde schon erwähnt. Der Grundrahmen in Österreich ist, dass man nicht das Gefühl hat – und seit dem Beschluss, Frau Prof. Blimlinger, über die „Wiener Zeitung“ hat man überhaupt nicht mehr das Gefühl –, dass irgendjemand in Österreich an unabhängigem, objektivem Journalismus besonders interessiert ist.

Das macht natürlich diese Arbeit dieser jungen Leute wahnsinnig schwierig, und sie haben auch einen anderen Weg eingeschlagen als normal, sie sind nämlich von online auf gedruckt gegangen – zuerst war es nur online, und jetzt geben sie drei Magazine, Schwerpunktmagazine im Jahr heraus –, leben von Mitgliedern, leben von whatever Förderungen man in Österreich einsammeln kann, wo immer, ohne dass irgendwelche Verpflichtungen damit zusammenhängen – in einem Land, in dem unabhängiger, kritischer Journalismus einfach von niemandem – das können Sie nicht an einer Seite festmachen, sondern wirklich von niemandem, Frau Professor! – wirklich geschätzt wird und wirklich unterstützt wird.

In dieser Zeit und in diesem Land haben diese jungen Menschen von „Dossier“ – die wirklich, ich habe es ja verfolgt, mitunter unter existenzbedrohenden Bedingungen gewerkt haben – einen unösterreichischen Zugang zu diesem Thema, nämlich: dranbleiben, nicht aufgeben, sich nicht einschüchtern lassen, hoffen, dass eine Millionenklage wieder zurückgezogen wird – was sie dann auch wurde. In dieser Zeit, in der ihr als junge Menschen – obwohl man doch immer sagt, junge Menschen seien nicht interessiert oder engagiert genug – faktisch die ganze Existenz, die ganze, wie man so sagt, Balance zwischen Arbeit und Freizeit – was jetzt so wichtig ist – eigentlich zugunsten der Arbeit in die Waagschale werft, in dieser Zeit verdient ihr diesen Preis – obwohl ihr auch davon nicht leben könnt – wie nur irgendjemand in diesem Land heute, hier und jetzt!

Meine Aufforderung oder mein Wunsch an euch ist: Gebt nicht auf! Ihr habt bis jetzt, in den letzten zehn Jahren, bewiesen: Es kann sich auszahlen. – Es wird schwierig, aber beweist in den nächsten Jahrzehnten, dass ihr durchhalten könnt – unösterreichisch und zum Ärger der Politik! – Danke. (Beifall.)

Daniela Kraus: Vielen Dank, liebe Frau Rohrer.

Dann darf ich stellvertretend für „Dossier“ Chefredakteur Florian Skrabal nach vorne bitten, Hannes Strohmayer für die Preisgeldübergabe; und, lieber Präsident, übergibst du die Urkunde? – Bitte schön. 

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(Es erfolgt die Übergabe der Auszeichnung.)

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Die Urkunde wird übergeben, vielen Dank, und Florian Skrabal darf jetzt etwas sagen.

Florian Skrabal (Redaktion „Dossier“): Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätztes Publikum! Was wäre das Leben ohne Premieren – den ersten Schultag, den ersten Arbeitstag, die erste Rede im Parlament? – Das Leben wäre wohl langweiliger.

So stehe ich heute vor Ihnen, aufgeregt und zugleich geehrt, hier im Hohen Haus sprechen zu dürfen. Es ehrt mich, mit so wunderbaren Kolleg:innen wie euch von „Andererseits“ und mit Ihnen, Herr Haderer, an einem Tag ausgezeichnet zu werden. Gratulation zu eurem beeindruckenden Schaffen!

Frau Dr. Rohrer, Sie ehren mich mit Ihrer Rede. Dafür möchte ich Ihnen danken, wie für Ihren Rat, den Sie mir seit dem Beginn meiner journalistischen Laufbahn – meist gefragt, manchmal ungefragt (Heiterkeit) – schenken. Vielen Dank auch für die Nachforschungen, die Sie zu meinem ersten Bildungsweg angestellt haben. Es zeigt, was für eine erstklassige Journalistin Sie sind, und zumindest ist meine Karriere jetzt auch im Parlament verbrieft.

Danke auch an die Jury der Concordia, dass Sie unsere Arbeit, dass Sie „Dossier“ mit dem diesjährigen Concordia-Preis in der Kategorie Pressefreiheit so wertschätzen.

Mein größter Dank aber gilt euch, liebe „Dossiers“, die ihr seit Jahren daran arbeitet, den uns bestmöglichen Journalismus zu machen – nicht im Streben nach dem großen Geld oder dem großen Ruhm, sondern aus Überzeugung: aus der Überzeugung heraus, Dinge zu hinterfragen und Licht in dunkle Machenschaften zu bringen.

Würde einmal ein Theaterstück über „Dossier“ geschrieben werden, das wäre die Stelle, an der ich sage: Ihr seid das beste Team, das ich mir jemals hätte wünschen können, und ich bin verdammt stolz auf uns! – Bitte erhebt euch: Sahel, Georg, Ashwien, Julia und all die anderen, die in den vergangenen zehn Jahren für „Dossier“ gearbeitet haben, die für „Dossier“ geschrieben haben, lektoriert haben, gezeichnet haben. (Lebhafter Beifall.) Das ist euer Preis. Danke!

Seit mehr als zehn Jahren begleitet uns ein Thema – es wurde heute schon öfters genannt –, es ist journalistisch ebenso ergiebig wie für unsere Demokratie zersetzend: öffentliche Inserate. Darüber könnte ich jetzt lange sprechen, ich werde mich aber kurzfassen.

Zuerst Werner Faymann von der SPÖ, dann Sebastian Kurz, ÖVP – zwei Bundeskanzler, zwei Parteien, eine Gemeinsamkeit: staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Zwei Regierungschefs in zehn Jahren, die sich mit Inseraten, und das kann ich hier ohne parlamentarische Immunität sagen, gute Presse gekauft haben – die berühmten „Millionen für den Werner“, das Beinschab-Tool für Sebastian Kurz und Co. Auf der einen Seite Politiker:innen, die Karriere machen, die regieren wollen, koste es, was es wolle, auf der anderen Seite Verleger:innen, die Medien – und ich sage bewusst nicht Journalismus, sondern Medien – machen, um Geld, eine Menge Geld zu verdienen – nun fehlt nur noch das bevorzugte Zahlungsmittel: Inserate. Es ist ein System, das der Korruption Tür und Tor öffnet.

Natürlich sind es letztlich auf beiden Seiten, auf der Seite der Politik und auf der Seite der Medien, die wenigen schwarzen Schafe, bei denen das Quidproquo, das Inserat für die wohlwollende Berichterstattung, direkt und plump funktioniert, und doch reicht das schon, um die Glaubwürdigkeit der gesamten Branche zu beschädigen und letztlich das Vertrauen in die Demokratie zu untergraben.

Heute, am Internationalen Tag der Pressefreiheit, bringen etliche Zeitungen ihren Protest gegen das neue ORF-Gesetz zum Ausdruck: mit leeren Titelseiten. – Das kann man machen. Da gibt es viel zu besprechen, viel zu diskutieren. Doch wo ist der Schulterschluss der Verleger:innen gegen die öffentlichen Inserate, die den Markt seit Jahrzehnten verzerren? Wo bleibt der Aufschrei gegen Regierungsinserate, mit denen versucht wird, sich schamlos PR zu kaufen? Wo ist der Protest gegen die Inserate öffentlicher Stellen, wenn diese just in Wahlkämpfen eingesetzt werden?

Hier wird es ruhiger in der Zeitungswelt. Bitte reisen Sie mit mir kurz zurück ins Jahr 2017. Es war ein aufregendes Jahr, es war eine Premiere: Sebastian Kurz wurde zum jüngsten Bundeskanzler gewählt, den die Republik bisher hatte. Dass die ÖVP die Wahlkampfkostenobergrenze damals massiv überschritten hat, klammere ich jetzt einmal aus; ebenso dass hinter den Kulissen, wie man heute weiß, Kräfte am Werk waren, mit denen nicht nur ethische, sondern mitunter auch strafrechtliche Grenzen verletzt wurden. Worum es mir geht, ist das System. Wie so oft zuvor konnten wir es auch 2017 nicht lassen und haben Inserate gezählt. Das Ergebnis war verblüffend: In den sechs Wochen vor der Nationalratswahl – Intensivwahlkampf heißt das – schaltete Österreichs Bundesregierung, SPÖ- wie ÖVP-geführte Ministerien, mehr Inserate als alle politischen Parteien zusammen.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Es ist Wahlkampf, und die Bundesregierung wirbt mehr als die wahlkämpfenden Parteien!

In Deutschland ist das seit 1977 verboten, nicht in Österreich. Hier geht das Füllhorn auf – der Regierungen im Bund, aber auch in der Stadt Wien –, und zwar so richtig, wenn gewählt wird. Jeder erdenkliche Vorteil wird genutzt.

Schon damals sahen wir, dass die Werbeausgaben des heute medial viel beachteten Finanzministeriums stark anstiegen. Es war aber ein anderes Ministerium, das den sprichwörtlichen Vogel abgeschossen hat: das Innenministerium, kurz BMI. 2,6 Millionen Euro gab das BMI im Wahljahr 2017 für Werbebuchungen aus. Zum Vergleich: Das deutsche Innenministerium – auch in Deutschland wurde 2017 bundesweit gewählt – schaltete im selben Zeitraum 1 200 Euro. – 2,6 Millionen versus 1 200 Euro!

In Österreich wird dann argumentiert, das BMI müsse inserieren, um die Bevölkerung über die bevorstehende Wahl zu informieren. – Wenn dem wirklich so wäre: Warum erhielt die Tageszeitung „Der Standard“ im Wahljahr 2017 kein einziges Inserat vom BMI? – Sie sehen, es ergibt keinen Sinn.

Viel schlüssiger ist eine andere Erklärung. Sie rutschte dem ehemaligen Innenminister Wolfgang Sobotka Jahre später heraus. Fürs Inserat gibt es ein Gegengeschäft, sagte Sobotka live on air im Gespräch mit Wolfgang Fellner, einem der korruptesten Medienmacher des Landes.

Wolfgang Sobotkas Karriere schadeten die Werbebuchungen des BMI nicht, im Gegenteil: Er wurde wenig später Präsident des Nationalrates, ist es bis heute. – Leider ist er heute nicht anwesend, aber wer weiß, vielleicht sieht er ja die Aufzeichnung dieser Veranstaltung.

Doch warum erzähle ich Ihnen das? – Spätestens im kommenden Jahr 2024 stehen wieder Wahlen an, die EU-Wahlen und die Nationalratswahlen. Die Zeit ist reif, um die österreichische Unart, mit Regierungsinseraten in Wahlkämpfe einzugreifen, endlich abzustellen. Nichts Geringeres als die Glaubwürdigkeit unserer Branche und faire Wahlen, nichts Geringeres als die Demokratie steht auf dem Spiel. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall.)

Daniela Kraus: Vielen Dank, Florian Skrabal! Vielen Dank, „Dossier“, für eure Arbeit! – Noch einer? Ich glaube, da will noch einmal applaudiert werden. Na, warum denn nicht? (Neuerlicher Beifall.)

Wir schreiten nun zur Auszeichnung der Redaktion von „Andererseits“. Die Redaktion von „Andererseits“ erhält heuer den Concordia-Preis für Menschenrechte. Sie erhält ihn für den Film „Das Spenden-Problem“.

„Andererseits“ ist ein junges Medium – es wurde 2021 gegründet –, und es ist ein inklusives Onlinemedium. Es ist barrierefrei und berichtet in einfacher Sprache – das gelingt mir heute hoffentlich auch.

Katharina Brunner, Fabian Füreder, Lisa Kreutzer, Sandra Schmidhofer, Clara Porák und Arthur Moussavi informieren in ihrer Dokumentation über die Spendenaktion Licht ins Dunkel des ORF.

Die Jury sagt dazu: Mitleid ist nicht immer nur gut. Mit Mitleid kann man zwar Geld einsammeln, aber es kann sich auch unangenehm anfühlen. Das ist in der Demokratie wichtig, aber wichtig ist es auch, einfühlsam zu sein und alle mitmachen zu lassen. Das ist deswegen auch eine Aufgabe für den ORF. Spenden sammeln, nur um gut dazustehen und sich als Gönner zu fühlen, ist vielleicht verletzend für die, für die die Spenden gesammelt werden. Und außerdem – das ist ein Problem – verfestigen Spenden die falschen Strukturen. Alle sollen ein Recht darauf haben, gute Unterstützung zu bekommen, und nicht auf Spenden angewiesen sein.

Das Team von „Andererseits“ hat dazu eine großartige Dokumentation gedreht. Dieser Film ist für uns auch deshalb so gut, weil er dazu geführt hat, dass viele Leute über das Spendenproblem und über die Aktion Licht ins Dunkel reden, und außerdem, so fand die Jury, ist der Film sehr fair, weil die Kritiker etwas sagen können, aber auch die Leute, die Licht ins Dunkel gut finden, zu Wort kommen und etwas sagen können.

Deswegen haben wir uns oder hat die Jury sich für die Redaktion von „Andererseits“ entschieden, und die Lobesrede wird Corinna Milborn halten. Corinna Milborn ist auch eine Journalistin, sie ist die Informationschefin beim Fernsehsender Puls 4 – und ich bitte dich nach vorne, damit du die Lobesrede hältst. (Beifall.)

Corinna Milborn (Infochefin Puls 4 und Puls 24): Vielen Dank, Daniela. Es erfüllt mich mit großer Freude, dass ich diese Laudatio auf „Andererseits“ halten darf, weil ich das Medium seit dem ersten Tag verfolge und es für eines der spannendsten Medienprojekte halte, seit ich in diesem Land Medien sehe.

Ich möchte voranstellen, dass die Rechte von Menschen mit Behinderung Menschenrechte sind und Menschen mit Behinderung in Österreich gesetzlich gleichgestellt sind. Das bedeutet, dass es Aufgabe der Gesellschaft ist, dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderungen gleich am Leben, an der Arbeit, an allen sonstigen Aktivitäten teilnehmen können wie alle anderen Menschen. Das ist ein Recht, das man einfordert, und nicht etwas, worum man bittet, und das ist keine Spende der Gesellschaft, sondern es ist die Pflicht der Gesellschaft, dafür zu sorgen.

Was ich sage, ist nicht moralisch, sondern das steht so in den Gesetzen. Leider wissen das in Österreich viele Menschen nicht oder sie wollen es nicht sehen, sondern sie glauben, dass Menschen mit Behinderungen hilfsbedürftig sind, Pech gehabt haben, arm sind und Menschen, Wesen sind, denen man etwas Gutes tun kann, wenn man spendet – und danach fühlt man sich selbst besser –, wenn man gerade daran denkt, zum Beispiel vor Weihnachten; und wenn man gerade nicht daran denkt, dann vergisst man einfach, dass sie existieren, und kümmert sich nicht weiter darum.

Ein Grund dafür, warum das so ist und warum viele Menschen in Österreich diesen Blick auf Menschen mit Behinderung haben, ist die Art und Weise, wie Menschen mit Behinderung in Medien vorkommen – und das ändert „Andererseits“, und das ist in Österreich tatsächlich revolutionär.

„Andererseits“ macht Schluss damit. In „Andererseits“ arbeiten Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Seite an Seite miteinander auf Augenhöhe. Sie sind nicht bemitleidenswert – und sie werden auch nicht so gesehen; das sieht man, wenn man sich das anschaut –, sie sind stark. Sie sind nicht arm, sondern sie sind voller Talente und zeigen diese. Sie sind nicht dankbar, sondern sie sind sehr oft wütend. Sie bitten nicht um Spenden, sondern sie fordern ihre Rechte ein. Und daraus, muss ich sagen – und das kann jeder von Ihnen sich ansehen, wenn er die Seite aufmacht –, entsteht tatsächlich bahnbrechender Journalismus.

Die Doku, die heute ausgezeichnet wird, über Licht ins Dunkel ist ein Beispiel dafür, denn es ist schon Jahrzehnte der Fall, dass Menschen mit Behinderungen die Licht-ins-Dunkel-Gala kritisieren und sich nicht wohlfühlen damit, wie sie dort dargestellt werden, und trotzdem wird jedes Jahr wieder dasselbe Bild gezeichnet: von, wenn es geht, Kindern, die vielleicht nicht gehen können, aber dabei so glücklich sind und die vor allem sehr, sehr dankbar sind für alle Spenden, die da reinkommen, und sehr hilfsbedürftig sind.

Menschen mit Behinderungen haben schon lang geäußert, dass es ihnen nicht behagt und dass sie es falsch finden, wie sie da vorgeführt werden. „Andererseits“ hat diese Doku gemacht, um Menschen mit Behinderungen nicht nur selbst zu Wort kommen zu lassen, sondern die haben die Doku auch gemacht und moderiert, und das auf eine ganz großartige Weise.

Aber das ist nicht alles, was „Andererseits“ macht. In „Andererseits“ schreiben Menschen darüber, wie sie arbeiten, wie sie mit ihren Familien leben, wie sie an Drogen kommen und was Rausch für sie bedeutet. Es sind aufrüttelnde Texte dabei, es sind Texte über Rechte dabei, und es sind Texte dabei, bei denen man einfach nur vor Freude hüpfen will und die ich oft verschicke, wenn jemand einen schlechten Tag hat. Ich empfehle Ihnen allen zum Beispiel den Text „Bubble Tea Party“, den ich sehr oft geteilt habe. Wenn jemand einen schlechten Tag hat, dann lese er diesen Text, und es wird ihm danach besser gehen und er wird sich wohlfühlen.

Das alles sollte normal sein, dass Menschen mit Behinderungen solche Texte schreiben. In Österreich ist das nicht normal, aber „Andererseits“ macht diesen Schritt dorthin, und diese Arbeit verdient diesen Preis, den Preis für Menschenrechte der Concordia. Ich gratuliere dazu sehr herzlich und fordere Sie aber auch alle auf, dafür zu sorgen, dass das weiter passiert.

„Andererseits“ hat Abos. Sie suchen gerade 700 neue Unterstützer:innen. Ich glaube, 200 Menschen werden hier im Saal sein, vielleicht haben nicht alle schon ein Abo. Schauen Sie auf die Seite und holen Sie sich eines, denn es ist nicht nur ein Journalismus, der genau das tut, was Journalismus tun soll, nämlich aufdecken, hinschauen, dorthin schauen, wo nicht gesehen wird, und dazu beitragen, dass sich Verhältnisse ändern, sondern es ist auch ein herzerwärmender Journalismus. Man kann darüber lachen, man kann oft darüber wütend sein, man ist aufgerüttelt, und es ist einfach guter Journalismus, der da passiert.

Damit noch einmal: Die Rechte von Menschen mit Behinderungen sind Menschenrechte, und Menschenrechte sind unteilbar. Wenn man sie einem nimmt, dann trifft das alle. Wenn man die Rechte von Menschen mit Behinderungen nicht einhält, dann nimmt man sie uns allen.

Damit herzlichen Dank an die Redaktion von „Andererseits“ dafür, dass ihr da den Finger drauflegt, und herzlichen Glückwunsch zum Preis! (Beifall.)

Daniela Kraus: Darf ich euch nach vor bitten: Katharina Brunner, Fabian Füreder Lisa Kreutzer, Clara – und Arthur kommt auch? – Arthur ist krank, okay. – Dann schreiten wir doch jetzt zur Übergabe!

Frau Morales Albiñana-Rosner übergibt für die Bank Austria Urkunden und Preisgeld. – Vielen Dank. Jetzt einmal einen Applaus, würde ich sagen! (Beifall.)

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(Es erfolgt die Übergabe der Auszeichnung.)

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Vielen Dank. – Bitte.

Fabian Füreder (Redaktion „Andererseits“): Danke an Corinna Milborn. Es ist mir eine Ehre, dass ich die Doku für „Andererseits“ gemacht habe. (Beifall.)

Katharina Brunner (Redaktion „Andererseits“): Für ein bisschen mehr Barrierefreiheit in der Sprache eine kurze Beschreibung:

Wir drei stehen ja heute hier für das Team, das den Film „Das Spenden-Problem“ gemacht hat.

Mein Name ist Katharina Brunner. Ich trage ein schwarzes Kleid und ich habe braune Haare. Meine Kollegin Lisa Kreutzer hat lange braune Haare und trägt ein schwarzes Shirt. Mein Kollege Fabian Füreder steht neben mir und trägt ein Hemd mit Sakko.

Fabian Füreder: Ich freue mich über den Preis. Was mir wichtig war: dass die Leute merken, dass Licht ins Dunkel Menschenrechte verletzt. Die Doku zeigt, dass Licht ins Dunkel Menschen mit Behinderungen schlecht dastehen lässt. In Zukunft soll Licht ins Dunkel keine Spenden verteilen, sondern der Staat sollte gleiche Chancen für alle schaffen.

Danke an alle, die die Doku möglich gemacht haben: Sandra Schmidhofer, Clara Porák, Arthur Moussavi-Wagner, Katharina Kropshofer, Emilia Garbsch, Christoph Schattleitner, Lukas Burnar, Artin Madjidi, Luise Jäger, Nikolai Prodöhl, Dominik Pandelidis, The Wurst Agency. (Beifall.)

Katharina Brunner: Und weil „Andererseits“ sehr, sehr gerne im Team arbeitet: Alle, die von „Andererseits“ heute hier sind, bitte steht kurz auf und holt euch euren Applaus! (Beifall.)

Wir freuen uns sehr, in so guter Gesellschaft diesen Preis entgegennehmen zu können; und ich finde, dass das Team von „Andererseits“ diesen Preis bekommt, das ist eine Revolution im Journalismus. (Beifall.)

 Es gibt Hoffnung, dass die Medienwelt ein bisschen verstanden hat, dass es nicht egal ist, wer Journalismus macht. Die meisten Redaktionen schließen Menschen mit Behinderungen aus. Ihre Arbeitsweise funktioniert für Menschen mit Behinderungen oder Lernschwierigkeiten nicht.

Weil auch in anderen Räumen der Gesellschaft Menschen mit Behinderungen wenig oder nicht vertreten sind, bekommen Journalist:innen teilweise gar nicht mit, was ihre Probleme sind, wo Rechte verletzt werden und wo Ungerechtigkeit passiert. Menschen mit Behinderungen machen rund 18 Prozent unserer Bevölkerung aus, und trotzdem haben die meisten Redaktionen sehr wenig mit ihnen zu tun.

Der Journalismus soll die Welt abbilden, wie sie ist. Deshalb ist es besonders wichtig, dass er von unterschiedlichen Menschen gemacht wird. Nur so kann Journalismus von der Welt erzählen. Sie ist vielfältig. Sie ist voller Behinderungen und sie ist voller Diskriminierungen. Darum schaffen wir bei „Andererseits“ einen Raum, wo Menschen mit Behinderungen Journalismus machen können.

Die meisten Medien denken Menschen mit Behinderungen nicht einmal eine Sekunde als Zielgruppe mit. Es gibt eine Studie aus Deutschland, die sagt, mehr als ein Drittel der Menschen brauchen einfache Sprache, um zu verstehen, was in Zeitungen geschrieben wird. Einfache Sprache erklärt schwierige Wörter und verwendet kurze Sätze. Sie wird nur selten verwendet, wie wir auch heute hier bemerken können.

Die Zahl aus Deutschland lässt sich auch auf Österreich übertragen. Die meisten Qualitätsmedien erreichen also viele gar nicht. Das ist ein Problem, denn wer sich nicht informieren kann, der kann auch keine informierten Entscheidungen für unsere Demokratie treffen. Mir kommt es so vor, als hätte der Großteil der Journalist:innen und Politiker:innen das nicht verstanden.

In unserer Doku zeigen wir, wie Politiker:innen bei Licht ins Dunkel auftreten. Sie überreichen Spenden und können sich wohltätig darstellen, aber am nächsten Tag in ihrer Arbeit tun sie zu wenig für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. An einer Stelle in unserem Film fragen wir: Aber was tun Politiker:innen wirklich? Und das fragen wir uns auch heute.

Zugegeben, wir fühlen uns nicht ganz so wohl, hier zu stehen. Das Parlament ist ein Ort für Demokratie, es kann guten Journalismus ehren, der auch für die Demokratie sorgt. Heute aber haben Politiker:innen die Gelegenheit, sich auch schmücken zu können mit dem Journalismus, den wir machen. Und gleichzeitig haben sie erst vor wenigen Tagen ein neues Gesetz für die Medienförderung beschlossen. Das Gesetz setzt die Hürden für junge, innovative Medien sehr hoch – so hoch, das Magazine wie „Andererseits“ sie nicht erreichen können.

Lisa Kreutzer (Redaktion „Andererseits“): Denn obwohl das Gesetz Qualität im Journalismus fördern soll, stärkt es vor allem Medien, die es schon gibt. Oft ist nicht das Wichtigste, wie gut der Journalismus ist, der gefördert wird, sondern es kommt darauf an, wie groß das Medium schon ist.

Hier im Parlament können Politiker:innen die Medienpolitik verändern, so, dass neue Ideen in Österreichs Journalismus Platz finden und wachsen können. Die Organisation Reporter ohne Grenzen misst, wie frei die Presse in einem Land ist. Sie sagt, die Presse in Österreich ist letztes Jahr weniger frei geworden. In der Liste von Ländern ist sie um 14 Plätze gefallen, auf Platz 31. Auch dieses Jahr hat es sich mit Platz 29 kaum verbessert.

Und so bleibt diese Einladung in das Parlament eine Geste. Sie soll zeigen, wie wichtig Qualitätsjournalismus ist, aber das Lob heute Abend ändert nichts. Der österreichische Journalismus hat ein Problem mit fehlender Transparenz, also damit, dass es sehr schwer ist, an Informationen zu kommen, und damit, dass zu wenig unterschiedliche Menschen Journalismus machen. Und er hat auch ein Problem mit Inseratenkorruption, das heißt, bei manchen Medien kann man sich Berichterstattung kaufen.

Heute werden wir hier gelobt, aber morgen werden auf diese Worte keine Taten in Form von Gesetzen folgen. Auch morgen hat „Andererseits“ als junges Onlinemedium keinen Zugang zu klassischen Presseförderungen. Leider können wir uns also nicht darauf verlassen, dass sich die Politiker:innen für Medienvielfalt einsetzen. Deshalb verlassen wir uns auf etwas anderes: auf unsere Community. Das heißt, langfristig wollen wir uns zu einem Großteil über unsere Leser:innen finanzieren. Wir glauben daran, dass der Journalismus der Zukunft ein Journalismus ist, der gemeinsam mit Leser:innen gemacht wird.

Dass wir heute für diese Art von Journalismus einen so wichtigen Preis bekommen, das freut uns natürlich auch deshalb sehr. Wir bedanken uns deshalb sehr für die journalistische Wertschätzung und besonders beim Presseclub Concordia und bei den Menschen, die an „Andererseits“ glauben, die daran glauben, dass Veränderung möglich ist. Danke. (Beifall.)

Daniela Kraus: Danke und herzliche Glückwünsche noch einmal.

Wir kommen jetzt zum Ehrenpreis. Mit dem Ehrenpreis wird nicht eine einzelne Arbeit ausgezeichnet, sondern die Arbeit vieler Jahre. Über diesen Preis entscheidet das Präsidium der Concordia, und ich freue mich besonders über die Entscheidung in diesem Jahr.

Der Preis geht an Gerhard Haderer, der nicht schreibt oder filmt, sondern zeichnet. Seine Zeichnungen erklären uns, was gerade in Österreich und auf der Welt passiert. Er ist deshalb auch einer der bekanntesten Zeichner in Österreich und Deutschland. Seine Bilder sind aber nicht nur inhaltlich sehr interessant, sondern sie sind auch großartig gemacht, sie sind Kunstwerke. Gerhard Haderer schafft es, dass eine Zeichnung oft Dinge besser erklärt als ein langer Text und vielleicht auch dass es mehr Genuss ist, sie sich anzusehen.

Er deckt Lügen auf und er steht immer auf der Seite der Schwächeren. Gerhard Haderer steht damit vorbildlich für die Werte, die die Concordia vertritt. – Ich mach’ mal jetzt hier einen Applaus. (Beifall.)

Ich darf jetzt eine Lobesrednerin, Katharina Stemberger, nach vor bitten. Auch sie werden die meisten von Ihnen kennen. Sie ist Schauspielerin, Produzentin und eine wichtige Stimme der Zivilgesellschaft, und sie hat gerade das Buch „Courage. Warum es sich lohnt, anzuecken“ veröffentlicht. Und damit, glaube ich, ist sie die ideale Rednerin für unseren Preisträger. – Bitte, Frau Stemberger.

Katharina Stemberger (Autorin, Produzentin, Schauspielerin): Lieber Gerhard! Sehr geehrte Festgäste! Mir wird heute die Ehre zuteil, dich für dein Wirken hochleben zu lassen, und ich weiß, dass du jemand bist, der eigentlich derlei Ehrungen nicht mag. Du misstraust den Preisen, den Urkunden, den Orden und Medaillen.

Sicher, du hast vor Monaten zu diesem Termin Ja gesagt, und wenn jetzt deine liebe Frau neben dir sitzen würde, dann würdest du dich wahrscheinlich zu ihr beugen und irgend so etwas sagen wie: Warum habe ich da zugesagt? Wollen die mich jetzt in Pension schicken oder was? Komm, wir gehen. Und es ist weiters nicht auszuschließen, dass deine großartige Frau Margit als deine Sister in Crime deinen Abgang auch noch decken würde. So wie ich euch kenne, sage ich, alles ist möglich.

Aber wenn der Presseclub Concordia dir einen Preis für dein Lebenswerk verleiht und noch dazu im Herzen der Demokratie, dann kannst du das, glaube ich, getrost annehmen, denn es ist dieses schlagende Herz, das wir wachsam hegen und pflegen und im Falle auch verteidigen müssen mit Zähnen und Klauen oder in deinem Fall mit Stift, Feder, Farbe und Papier, kraftvoll, zärtlich, entschieden und manchmal auch laut.

Das mit dem Lebenswerk ist ja so eine Sache. Es wird jemand für sein Wirken über viele, viele Jahre ausgezeichnet. Das ist schön und wichtig, aber ich frage mich, ob es nicht auch richtig wäre, einem jungen Menschen, der den Mut hat, kompromisslos seinen Weg zu gehen, einen Preis für seine Entschlossenheit zu geben, das System also umzudrehen. Du hattest eine abgesicherte Existenz in der Werbebranche, warst Mitte 30 und hattest zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Kinder. Dein Talent wurde geschätzt und gut bezahlt – ein bequemes Leben ohne Sorgen.

Warum also die Kehrtwende? – Etwas stimmte zunehmend nicht, stimmte nicht mehr überein, konnte nicht mehr stimmig gemacht werden. Schein und Sein drehten sich umeinander, kamen ins Trudeln, und bevor sie aufschlugen, hast du die Flügel ausgebreitet und bist losgezogen ins Ungewisse.

Das sieht man, egal ob man das Glück hat, einen Blick auf eine deiner Skizzen werfen zu dürfen, eine fertige Karikatur in Händen hält oder ein riesiges Ölbild bestaunt. Man lacht. Das Lachen bleibt einem im Hals stecken. Es drückt einem die Kehle zu, manchmal auch das Herz. Und am Schluss ist man erleichtert, dass das Bild das zeigt, was so dringend benannt werden muss und wofür es einfach nicht genug oder nur die falschen geschwätzigen Worte gibt.

Ich habe oft darüber nachgedacht, woher deine Präzision kommt, und kann nur Vermutungen anstellen, Vermutungen, die ich mit Ihnen, mit euch, teilen möchte. Ich denke, dass es ein Wissen um die Unvollkommenheit von uns Menschen ist – unsere Unsicherheiten, Eitelkeiten, Ängste, unsere Gier und unsere Bösartigkeiten. Du studierst sie, betrachtest sie von allen Seiten, riechst daran, schmeckst sie, nimmst Witterung auf, gehst ganz nah dran, um dann im nächsten Moment wie ein Mauersegler oder ein Raubvogel die ganze Szenerie von oben zu betrachten. Du hältst zitternd inne und stößt dann präzise und ohne zu Zögern zu. Manchmal ist das Ergebnis unerträglich süß oder scharf wie Cayennepfeffer und brennt noch lange nach.

Außerdem: deine Unbestechlichkeit, nein, genauer, deine fröhliche Unbestechlichkeit. Du hattest, als noch keiner den rosa Saft kannte, das dringende Angebot von Didi Mateschitz, Red Bull werbemäßig aufzuziehen. Er soll gefühlte 27 Mal angerufen haben, aber du lehntest ab mit den Worten: Das wird sowieso nichts, wer braucht den pickigen Schas?

Auch das Key Visual für die Fußballweltmeisterschaft 2006 zu machen hast du abgelehnt und damit einen Millionenbetrag ausgeschlagen, weil du die korrupten Machenschaften der Fifa nicht so leiwand gefunden hast. Mir hast du einmal gesagt: Viel wichtiger als die Dinge, die man macht, sind die Dinge, die man nicht macht.

Und deine Verspieltheit. Wer dir jemals in die Augen schauen durfte, hat sie gesehen, diese jungenhafte Ausgelassenheit, den Charme des Surferboys mit einer Prise liebevoller Hinterlist. Du bist nicht zu fassen, nie. Mit keinem der großen Medienhäuser, mit denen du gearbeitet hast, gab es je einen Vertrag. Wenn es keinen Spaß mehr macht, dann gehst du. Deine Entscheidungen sind oft schnell, aber du kannst auch schnell sein, wenn es sein muss.

Dann weißt du immer, welche Komplizen du brauchst, um dein Werk zum Ziel zu führen. So gab es früher die schöne Tradition, dem Lokführer der ÖBB in Linz am Bahnhof deine frische Karikatur noch schnell in die Hand zu drücken, damit sie zeitgerecht in Wien zum Andrucken in der Redaktion eintrudelte. Man muss einfach wissen, wann es wichtig ist und wann nicht.

Und eine Vermutung habe ich noch: deine Hoffnung, deine Überzeugung, dass es auf der Welt auch anders zugehen kann. Du bist ein politischer Mensch, ein wacher Bürger. Dein Platz ist immer an der Seite der Schwachen, derer, die man nicht sieht, die keine Lobby haben, die, die es nicht so gut erwischt haben im Leben. Du erzählst ihre Geschichte, indem du jene zur Schau stellst, die dafür verantwortlich sind. Mit einem Ruck ziehst du den Vorhang der Verlogenheit weg und plötzlich ist das Bild da und zeigt grell und deutlich, worum es eigentlich geht.

Lange bevor wir uns das erste Mal persönlich begegnet sind, bewunderte ich deine Arbeiten aus der Ferne, las eines deiner seltenen Interviews und fragte mich, wie dieser Mensch wohl ist. Freundlich? Bitter? Amüsant? Oder unnahbar?

Im Sommer 2015 veranstalteten mein Mann und ich ein Benefizkonzert unter freiem Himmel in Oberösterreich für einen Film über Geflüchtete, gemeinsam mit Willi Resetarits & Stubnblues. – Willi, das Bussi ist für dich.

Eine gemeinsame Freundin, die auch zum Konzert kam, sagte mir: Du, übrigens, der Gerhard Haderer wird heute auch kommen, aber der ist total scheu. Daraufhin ich: Aha, heißt das, dass ich ihn nicht anreden soll oder was? Sie darauf: Weiß ich nicht, vielleicht zeigt er sich gar nicht. Alles ist möglich, mal abwarten.

Das Konzert war wunderbar, großartige Stimmung, glückliche Menschen auf und vor der Bühne. Am Ende sangen alle gemeinsam „Imagine“ von John Lennon in einer deutschen Übersetzung von meinem Mann: „Stell dir vor!“ Ich kam von der Bühne, stand am Rand der Zuschauertribüne, die an den Wald grenzte. Plötzlich sprang etwas oder jemand aus dem Dunkel auf mich zu und umarmte mich. Ich schaute in die begeisterten blauen Augen des scheuen Gerhard Haderer, der sichtlich bewegt war. Das ist wohl der Grund dafür, dass ich heute zu euch, zu Ihnen, sprechen darf.

Wenn ich noch einmal auf die Idee zurückkommen darf, dass man Menschen Preise in jungen Jahren geben sollte, um ihnen Wind unter den Flügeln zu machen, und wenn wir weiters davon ausgehen, dass das Zeichnen für Gerhard wie Atmen ist, dann können wir uns noch alle anschnallen, weil du gerade erst angefangen hast und noch lange nicht fertig bist.

Wir alle brauchen dein messerscharfes Korrektiv wie ein Schiff das Licht eines Leuchtturms in der Nacht. Und eines ist klar: Ohne „Stell dir vor!“ geht gar nichts. – Herzliche Gratulation. (Beifall.)

Daniela Kraus: Jetzt habe ich fast ein schlechtes Gewissen, den scheuen Gerhard Haderer nach vorne zu bitten und den Präsidenten noch einmal.

Danke schön. Es gibt eine Urkunde und einen Kristall, und dann sind wir neugierig auf die Worte.

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(Es erfolgt die Übergabe der Auszeichnung.)

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Gerhard Haderer (Preisträger Concordia Ehrenpreis): So scheu ist er gar nicht. Einen schönen Nachmittag wünsche ich Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst einmal ein herzliches Dankeschön für diese unglaublich persönliche und gescheite Rede von Katharina Stemberger. (Beifall.)

Zum Zweiten, herzliche Gratulation an meine Mitpreisträger heute, obwohl die Kategorie eine wesentlich andere ist. Ich gratuliere wirklich zu diesem Preis heute, und nicht nur dazu, sondern auch zu der unglaublich wichtigen und wertvollen Arbeit, die Sie beide leisten. – Noch einmal einen Applaus, bitte. (Beifall.)

In meinem Fall verhält sich die Sache etwas anders. Ich bin bildender Künstler. Der Platz am Rednerpult ist nicht wirklich meine Wohnstätte, das ist heute schon angeklungen. Wie gesagt, so scheu bin ich auch wieder nicht, ich habe mich nur für die kurze Version meiner Rede entschieden – ich hätte auch eine längere, aber die dauert bis morgen Vormittag –, die kurze deswegen, weil ich glaube, die großen Gedanken sollte man einem Kleinkünstler nicht unbedingt abringen.

Das Allerwichtigste ist, dass hier jemand vor Ihnen steht, der eine Art von Einzelkämpfer ist. Als Karikaturist in einem Magazin hat man meistens die letzte Seite. Es gibt aber Leser, die haben eine Tradition darin gehabt, eine Zeitung von hinten zu lesen, und auch das ist meinen Vorgängern geschuldet. Ein großes Hallo in diesem Fall an Helmut Qualtinger und an den unvergesslichen und sehr, sehr schmerzlich vermissten Manfred Deix. (Beifall.)

Das Privileg, wie gesagt, das ich habe, nütze ich jetzt aus: Niemand erwartet von mir große Reden, auch keine großen Gedanken. Kleinkünstler sind bescheidene Menschen. Ich habe nur zum Ende einen großen Wunsch an die Damen und Herren Politiker dieses Hauses, auch an die Politiker landauf, landab: Bitte, hören Sie nicht auf damit, sich weiterhin so zu verhalten, wie Sie es tun! Kultivieren Sie Ihre Sprache nicht, benehmen Sie sich nicht besser! Sie sind die wesentlichsten Mitarbeiter, weltweit die besten in Österreich für uns Karikaturisten und Kabarettisten. – Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall.)

Daniela Kraus: Danke schön. Das war wirklich eine kurze - - wie angekündigt, die Kurzversion der Rede. Vielen Dank, herzliche Gratulation noch einmal.

Ich danke allen für die wunderbaren Lobesreden. Ich danke noch einmal den Preisträgern und Preisträgerinnen für ihre Arbeit. Ich danke noch einmal, dass wir hier im Haus sein durften, und vor allem auch allen Kollegen und Kolleginnen hier, die uns betreut haben. Es ist wirklich immer toll. Es ist eine großartige Zusammenarbeit. Danke an die Technik. Danke an die Gebärdendolmetscher:innen. – Das war es schon von meiner Seite.

Das Wichtige ist, dass es jetzt noch einen Austausch gibt. Es gibt einen Empfang in der Säulenhalle, und da können wir alles Weitere besprechen. Aber vorher bekommen wir noch eine kleine, schöne, leichte Verabschiedung in den Nachmittag. Und ich bitte alle Beteiligten: Es gibt noch Fotos im Anschluss. (Beifall.)

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(Es folgt ein Musikstück.)

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(Beifall.)

Daniela Kraus: Es gibt einen Empfang und Austausch in der Säulenhalle.