Obmann Norbert Sieber leitet nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung zwecks Einlasses des Bevollmächtigten des Volksbegehrens und seiner Stellvertreterinnen, der Expertinnen und Experten, der informierten Vertreterinnen und Vertreter der Ressorts sowie der Öffentlichkeit in den Saal zum öffentlichen Teil der Sitzung und zum öffentlichen Hearing über und begrüßt den – noch nicht anwesenden – Bevollmächtigten des Volksbegehrens, Herrn Lukas Papula, die von ihm für diese Sitzung nominierten Stellvertreterinnen, Frau Madeleine Kreuzer und Frau Viktoria Hofer, die geladenen Expertinnen und Experten sowie die informierten Vertreterinnen und Vertreter der Ressorts und dankt ihnen dafür, dass sie der Einladung des Familienausschusses gefolgt seien. Weiters begrüßt der Obmann die Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal sowie die Zuseherinnen und Zuseher via Livestream.
Anschließend erläutert der Obmann den Ablauf des Hearings; es folgen technische Mitteilungen betreffend die Redeordnung.
Der Obmann geht in die Debatte ein und ersucht die Bevollmächtigter-Stellvertreterin des Volksbegehrens um ihre einleitende Stellungnahme.
Einleitende Stellungnahme der Bevollmächtigter-Stellvertreterin des Volksbegehrens
Madeleine Kreuzer: Sehr geehrte Abgeordnete! Verehrte Bundesministerin! Geehrte Expert:innen! Sehr geehrter Obmann! Wir beziehungsweise ich möchte mich herzlich für die Einladung und auch die Chance, unser Anliegen in dieser Sitzung des Familienausschusses direkt vorzubringen, bedanken.
Ganz besonders möchten wir uns allerdings bei den 172 015 Einwohnern unseres Landes bedanken, die unserem Anliegen mit ihrer Unterschrift Antrieb und Rückenwind geben, die damit ein klares Zeichen setzen und eine klare Meinung vertreten. Es ist eine Aufforderung an die Entscheidungsträger dieses, unseres Landes, konkrete Schritte und Maßnahmen zu setzen, um die Rechte unser aller Zukunft zu bewahren, zu sichern, aber auch vor allem eines: auszubauen.
Die Zukunft dieses Landes steckt zweifelsohne in den heutigen Kinderschuhen. Dazu allerdings, wie wir diese Zukunft gestalten und verbessern, sollen heute weitere klärende Diskurse stattfinden sowie hoffentlich stärkende, konkrete Schritte zur Maßnahmenbildung gesetzt werden.
Bis hierher zu gelangen war ein wahrlich langer Prozess: Von der Einreichung im Jänner 2021 bis zur heutigen Anhörung vergingen zweieinhalb Jahre. Umso beeindruckender ist es allerdings, dass trotz fehlender Werbung und fehlendem Marketing jedweder Art und trotz der Tatsache, dass wir keinen einzigen öffentlichen Auftritt für unser Begehren absolviert haben, über 172 000 Einzelpersonen in diesem Land ihre private Zeit und auch Energie aufgewendet haben, um mit ihrer Unterschrift eine klare Message an Sie, an unsere Regierung, an unser Land zu senden.
Darauf, wie diese Forderungen konkret aussehen, wird in Kürze – hoffentlich – von einem weiteren Vertreter unseres Volksbegehrens eingegangen werden.
Lassen Sie mich an dieser Stelle bitte noch betonen, dass wir keinesfalls Anspruch auf geistiges Urheberrecht erheben! Diese Forderungen stammen definitiv nicht aus unserer kreativen Feder, sondern spiegeln lediglich Herz und gesunden Menschenverstand wider. – Danke.
Obmann Norbert Sieber dankt für die Ausführungen und leitet zu den Eingangsstatements der Expertinnen und Experten über.
Eingangsstatements der Expert:innen
Mag. Alexandra Lugert: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Mitglieder des Familienausschusses! Liebe Damen und Herren! Danke für die Einladung! Einleitend möchte ich betonen, wie wichtig es ist, Kinder in den Mittelpunkt unserer Gesellschaft zu stellen und ihnen ein Leben voller Chancen zu bieten. Dabei sollten Eltern nach besten Kräften unterstützt werden, damit sie ihre Kinder gut begleiten und sie auf dem Weg zu selbstständigen Erwachsenen unterstützen können.
Kinder haben ein Recht auf ihre Eltern und ein Recht auf eine gute und gewaltfreie Erziehung. Um dies zu gewährleisten, ist es unerlässlich, dass Eltern genügend Zeit für ihre Kinder haben. Es ist wichtig, Eltern in Zeiten von Überforderung zu unterstützen und idealerweise bereits präventive Maßnahmen zu ergreifen.
Hierbei sind Frühe Hilfen von großer Bedeutung. Es bedarf auch einer umfassenden Elternbildung und eines vielfältigen Spektrums an Möglichkeiten für familiäre und externe Kinderbetreuung und -förderung. Dies umfasst die Stärkung der Großeltern, die Förderung von Tageseltern oder Leihgroßeltern sowie die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Krippen und Kindergärten. Kinder und ihre Familien sind vielfältig und haben unterschiedliche Bedürfnisse und Geschwindigkeiten, daher sollten wir den Fokus darauf legen, diese Vielfalt zu berücksichtigen, wenn es um die Umsetzung von Kinderrechten geht.
Zu Punkt eins: Die Mehrheit der Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention ist von Experten und Expertinnen sorgfältig formuliert und in unsere Verfassung aufgenommen worden. Sie dienen als solide rechtliche Grundlage für den Schutz und die Förderung der Kinderrechte in unserem Land.
Es ist wichtig, dass wir uns weiterhin darauf konzentrieren, die Implementierung der Kinderrechtsbestimmungen zu verbessern und zu stärken. Dies kann durch die Stärkung der Sensibilisierung, Bildung und Schulung für Kinderrechte in allen relevanten Bereichen einschließlich des Bildungssystems, der Justiz und des Sozialwesens erreicht werden.
Punkt zwei: Kinderarbeit ist zutiefst zu verurteilen. Daher ist es notwendig, dass wir gemeinsam mit den anderen EU-Staaten angemessene Maßnahmen ergreifen, um sie zu bekämpfen. Diese sollten so gestaltet sein, dass sie das Ziel, Kinderarbeit zu verhindern, in einer Weise erreichen, dass es realistisch machbar ist. Das Ziel muss gesucht und erreicht werden. Es ist wichtig, zu erkennen, dass die Wurzeln der Kinderarbeit oft in wirtschaftlicher Not und Armut liegen, wenn Eltern gezwungen sind, ihre Familien durch die Arbeit ihrer Kinder zu unterstützen. Um wirksam gegen Kinderarbeit vorzugehen, sollten wir daher auf Entwicklungsarbeit, Bildungsinitiativen und faire Löhne setzen sowie Produkte nachfragen, die unter Bedingungen, die keine Kinderarbeit involvieren, hergestellt werden.
Zum Punkt tägliche Turnstunde: Da rege ich an, über den bloßen Aspekt einer Turnstunde hinauszudenken. Der derzeitige Schulversuch zu täglichen Bewegungseinheiten ist da ein guter Ansatz. Die Ergebnisse müssen wir abwarten. Sportliche Aktivitäten benötigen oft mehr Zeit, idealerweise mindestens eine Doppelstunde. Die feste Vorgabe einer 50‑minütigen Turnstunde schränkt den Rahmen für eine vielfältige sportliche Betätigung zu sehr ein.
Durch die kreative Integration von Bewegungseinheiten in verschiedene Unterrichtsfächer können wir den Schülern und Schülerinnen nicht nur eine vielfältige und ganzheitliche Bildung bieten, sondern auch ihre Freude an Bewegung und Sport fördern. Beispiele: Man könnte im Mathematikunterricht das Einmaleins spielerisch durch ein Hüpfspiel lehren, in der Geschichtsstunde eine Schnitzeljagd machen oder in der Biologiestunde hinausgehen. Das würde Spaß machen und Bewegung lustig gestalten.
Essen muss in verschränkten Schulformen, in Schulen mit Nachmittagsbetreuung und auch in Horten gleichermaßen gefördert werden. Dabei ist es begrüßenswert, hochwertiges, regionales Essen für die Kinder anzustreben, jedoch sehe ich nicht die Notwendigkeit, dass das Essen für alle Kinder kostenfrei sein muss. Stattdessen könnte eine sozial gestaffelte Gebührenstruktur in Betracht gezogen werden, bei der Kinder, die sich das Essen nicht oder nicht zur Gänze leisten können, eine kostenfreie oder stark ermäßigte Mahlzeit erhalten. Dieser Ansatz ermöglicht es, Ressourcen zielgerichtet einzusetzen und denjenigen zu helfen, die Unterstützung am dringendsten benötigen.
Zur Erhöhung des Kinderbetreuungsgeldes: An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, meinen Dank für die großartigen Verbesserungen für Familien, die in den letzten Jahren und auch kürzlich erfolgt sind, auszusprechen. Die Einführung des Familienbonus Plus war ein Meilenstein für die Steuergerechtigkeit für Menschen mit Kindern. Dieser Bonus wurde kürzlich erhöht und hat dazu beigetragen, die finanzielle Belastung von Familien zu verringern.
Darüber hinaus wurden in Zeiten der Krise auch Sonderfamilienbeihilfen ausbezahlt, um Familien zusätzlich Unterstützung zukommen zu lassen. Die nunmehr regelmäßige Valorisierung aller Familien- und Sozialleistungen zeigt zudem, dass die Bedürfnisse von Familien ernst genommen werden – dafür wirklich ein ehrliches Danke von meiner Seite.
Im letzten Punkt des Kinderrechte-Volksbegehrens wird eine staatliche Unterhaltsgarantie gefordert. Eine solche Garantie ist möglicherweise nicht das geeignete Ziel. Vielleicht sollten wir uns darauf konzentrieren, festzustellen, wo der bestehende Maßnahmenmix und die Nutzung bestehender Unterstützungsleistungen für Familien – Kinderbetreuungsgeld, Familienbeihilfe, Unterhaltsvorschuss und Sozialhilfe – nicht ausreichen, um Familien mit Kindern angemessen zu unterstützen.
Abschließend: Es ist unsere Verantwortung als Gesellschaft, dafür zu sorgen, dass Kinder und ihre Familien die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um sich optimal entwickeln zu können. Indem wir ihnen Raum, Zeit und die nötigen Ressourcen bieten, können wir sicherstellen, dass ihre Rechte gewahrt werden und sie die bestmöglichen Startchancen im Leben erhalten.
Auch Förderung und Umsetzung von Kinderschutzkonzepten sollten als prioritärer Schwerpunkt betrachtet werden, wenn es um die Stärkung der Kinderrechte geht. Indem wir den Schutz der Kinder gewährleisten, schaffen wir die Grundlage für eine sichere und gesunde Entwicklung, in der sie ihre Rechte vollständig entfalten können. – (In Richtung Obmann Sieber:) Ich bin der Glocke entkommen.
Obmann Norbert Sieber dankt der Rednerin für ihre Ausführungen und begrüßt eine Schulklasse auf der Galerie.
Mag. (FH) Erich Fenninger, DAS: Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt haben wir es gehört: Liebe Kinder und Jugendliche! Laut der aktuellen Studie der Statistik Austria geben 36 Prozent an, dass ihr Haushaltseinkommen gesunken ist. Bei einem Drittel ist die Teuerung der Grund für die Einkommensverluste.
Die Forderungen, die im Volksbegehren, das wir heute besprechen, von 172 015 Personen öffentliche Unterstützung erfahren haben, sind für die Kinder und für die Jugendlichen enorm wichtig, würde ich meinen. Für armutsbetroffene Kinder und Jugendliche ist eine kindergerechte öffentliche Infrastruktur der Reichtum, auf den sie sich verlassen können sollten, aber leider nicht ausreichend verlassen können, weil die öffentliche Infrastruktur auszubauen ist. Deshalb begrüßen wir auch die Forderungen des Volksbegehrens. Sie sind aus Perspektive der Kinder und Jugendlichen letztlich zentral. Insbesondere möchte ich die tägliche Turnstunde, ein gesundes warmes Essen, kostenfrei für alle, und als Drittes die Unterhaltsgarantie nennen.
Warum betone ich armutsbetroffene Kinder und Jugendliche so stark? – Kinderarmut ist kein Phänomen der Vergangenheit, sondern es ist ein Skandal der Gegenwart, den wir nicht nur im globalen Süden finden, sondern in Europa und letztlich auch in Österreich. Die Zahlen sind dramatisch: In Summe 1 550 000 Menschen waren 2022 armuts- und ausgrenzungsgefährdet, also 17,5 Prozent. Höher ist die Quote bei den Kindern: Beinahe jedes fünfte Kind ist von Armut betroffen, 353 000, die nicht ausreichend materiell abgesichert sind.
Wenn man sich ein Bild davon machen will, dann könnte man gedanklich eine Reise von Wien nach Rijeka unternehmen. Auf diesem Weg würde sozusagen auf jedem Meter ein armutsbetroffenes Kind stehen. Wir würden jetzt gedanklich am Strand bei Rijeka landen, aber das ist jener Punkt, den diese armutsbetroffenen Kinder nie erreichen werden, nicht in der Gegenwart und meistens auch nicht in der Zukunft.
Das heißt, Armut ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern sie wirkt zentral für die verschiedensten Lebensbereiche dieser Kinder: Die materielle Dimension, Soziales – sie haben wenige Freundinnen und Freunde, können nicht teilhaben –, die gesundheitliche Komponente und die Bildungskomponente sind umfasst. Deshalb, glaube ich, spricht das Volksbegehren tatsächlich wichtige Punkte an.
Wir wissen – und vor allem Sie als Abgeordnete wissen das natürlich –, wer besonders betroffen ist: Einelternhaushalte zu 52 Prozent, Familien mit Drittstaatsangehörigkeit zu 47 Prozent, Mehrkindfamilien et cetera. Ich glaube, da muss ich mich nicht weiter verbreitern.
Vor allem hervorzuheben sind die Alleinerzieher:innenhaushalte, die besonders betroffen sind, die diese staatliche Unterhaltsgarantie als Absicherung brauchen. Wir erleben immer wieder, um Beispiele zu nennen, wie betroffen die Menschen sind, die uns auch erzählen, dass die Kinder in den Familien einfach nicht zelebriert werden können. Sie können nicht gefeiert werden wie andere auch, um selbstwirksam zu werden oder ein Selbstwertgefühl aufzubauen. Eine Party gibt es nie, maximal eine Torte. Zoobesuche oder andere Dinge, die Kindern Freude machen würden, sind nicht möglich – insbesondere auch aufgrund der jetzigen Teuerung sind sie überhaupt in die Ferne gerückt.
Die Kinder formulieren es so: Wir sind nirgends dabei, ich bin draußen. – Das ist dramatisch, weil das das Kind im Prozess des Aufwachsens prägt. Die Eltern sehen natürlich, dass sie diese Teilhabe nicht organisieren können. Sie schnallen den Gürtel bei sich enger und enger, aber sie wissen nicht, wie sie die Kinder ausreichend in ihrem Prozess des Aufwachsens unterstützen können, und das ist dramatisch.
Über Lebensmittel haben Sie, glaube ich, in den letzten Wochen ausreichend debattiert. Ich betone vielleicht noch einmal: Das ist ein Treiber für die Betroffenen. Das unterste Dezil ist ja massiv von diesem Bereich betroffen: 14 Prozent im Vergleich zu 9 Prozent im obersten. Das sagt natürlich viel darüber aus, wie schwer leistbar das tägliche Leben in diesem Einkommenssegment ist. Gleichzeitig haben im letzten Jahr die Lebensmittelkonzerne weltweit ihre Gewinne verdoppelt. Wir sehen eine extreme Spreizung – global, auch in Europa und durchaus auch in Österreich.
Deshalb meinen wir auch, dass die Teilhabe gesichert werden muss – das ist im Volksbegehren auch so dargelegt. Im außerschulischen Bereich ist das genauso wichtig wie im schulischen Bereich. Es ist wichtig, die Konzentration auch auf die Teilhabe an Schulveranstaltungen zu legen, bei denen, wenn der Bus zu einer einwöchigen Schulveranstaltung wegfährt, die armutsbetroffenen Kinder winken und im Schulsystem in eine andere Klasse gehen müssen.
Ich sehe, das Lämpchen leuchtet. – Das heißt, ich möchte vielleicht noch kurz betonen, dass auch die Turnstunde und die Aktivitäten in der Schule wichtig wären.
Ich komme aber zu einem Punkt, der, glaube ich, eine Lösung sein könnte. Wir haben aus einem Forschungsprozess heraus eine Kindergrundsicherung entwickelt, die wir der Öffentlichkeit präsentiert haben. Wir sehen, dass sie wirkt, nämlich einerseits rein technisch: Wir könnten die Armutsbetroffenheit der Kinder von 16,3 Prozent auf rund 2 Prozent senken. Wir wären die erste Republik der Erde, die es schafft, die Kinderarmut sozusagen zu beseitigen und damit einen anderen Prozess des Aufwachsens einzuleiten, in dem die Kinder nicht von der Bildung ausgeschlossen werden, sondern drinnen bleiben, in dem sie ausreichend teilhaben können.
Das ist relativ simpel: Sie alle kennen die familienbezogenen Transferleistungen , und wir denken an eine Grundsicherung gleichen Ranges für alle Kinder und dazu eine einkommensbezogene Tangente für jene Kinder, deren Eltern das Aufwachsen nicht ausreichend im positiven Sinne unterstützen können.
Das würde ich noch gerne anmerken, denn ich glaube, es wäre genial, wenn wir die erste Republik wären , die die Armut abschafft. – Danke vielmals.
Tom Seliger: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrtes Auditorium! Die österreichischen Kinder sind die österreichische Zukunft. In einer Welt, in der die Kinder die Zukunft repräsentieren, ist es von entscheidender Bedeutung, ihre Rechte zu schützen und sicherzustellen. Sie sollen in einer Umgebung aufwachsen, die ihre körperliche, geistige und emotionale Entwicklung fördert.
Doch trotz bedeutender Fortschritte gibt es immer noch Bereiche, in denen Verbesserungen notwendig sind. Zwei solche Themen, die dringend diskutiert werden müssen, sind die Bedeutung regelmäßiger körperlicher Aktivität von Kindern in Schulen und der Kampf gegen Kinderarbeit im Produktionssektor auf internationaler Ebene.
Liebe Zuhörer! Freizeitlicher Sport ist wichtig, doch Sport in Schulen ist noch viel wichtiger. Die Einführung täglich konsekutiver Sportstunden bringt viele positive Aspekte mit sich. Zum einen fördert das Teamarbeit. Im Schulsport lernt man, miteinander umzugehen, man arbeitet lösungsorientiert, taktikorientiert – eben in einem Team. Das bringt einen großen Vorteil im restlichen Leben mit sich. Außerdem wirkt es sich positiv auf die körperliche Gesundheit der Kinder in Österreich nicht nur kurz-, sondern auch langfristig aus. Sport treibt an, Sport macht fit, Sport ist gut.
Aus persönlicher Erfahrung kann ich bezeugen, dass viele Kinder die Schule verachten. Ich meine, kann man es ihnen übel nehmen? Stundenlang in einem Klassenraum zu sitzen, mit Informationen, die oft kein bisschen den Interessen erwähnter Kinder entsprechen, nahezu bombardiert zu werden: Das hört sich wie ein Albtraum an.
Eine tägliche Sportstunde hingegen wird – bewiesen unter anderem durch eine Studie der TU München – die Konzentrationsfähigkeit im Unterricht intensivieren. So fühlt sich der Schultag nicht mehr allzu quälend an. Das Interesse am Unterricht wird gesteigert, und langfristig wird die Lernbereitschaft der Kinder gestärkt. Sie haben ein Recht auf körperliche sowie geistige Gesundheit. Die Schüler haben ein Recht darauf, dass sich die Regierung um ihre Konzentrationsfähigkeit kümmert.
So mögen einige Schüler nun denken: Was für ein Unsinn, eine Stunde länger pro Tag in der Schule, dann komme ich ja noch später nach Hause! – Auf den ersten Blick mögen sie recht haben: Aus einer absoluten Perspektive verlängert sich die Zeit in der Schule tatsächlich.
Lassen Sie uns aber einen Moment innehalten und diesen Fakt aus einer relativen Sichtweise betrachten! Mit gesteigerter Konzentration und einer bewussten Haltung vergeht die Zeit in der Schule plötzlich viel schneller: keine ständigen Blicke auf die Uhr, keine hoffnungsvollen Wünsche nach einem Wunder; stattdessen bemerken die Schüler, dass der Unterricht viel schneller vergeht. Ja, sie werden vielleicht später zu Hause sein, aber lassen Sie mich Ihnen sagen: Am Ende des Tages werden die Kinder feststellen, dass sich der Tag viel kürzer angefühlt hat als ohne eine Sportstunde.
Die fehlende Konzentration und fehlende sportliche Aktivitäten der österreichischen Kinder zu bemängeln ist klarerweise Meckern auf hohem Niveau. Während unsere Jugend das Privileg hat, Bildung bereitgestellt zu bekommen, werden Kinder in Entwicklungsländern regelrecht gezwungen, ihre Kindheit für das Überleben der Familie in schäbigen Fabriken und bei risikoreicher Arbeit in Minen aufzuopfern; sie sind Sklaven der Produktion. Wir hier in Österreich kriegen außer ein paar Schlagzeilen über ein paar Minen nicht viel mit, wir genießen nur die Vorteile dieser Kinderarbeit.
Nein, nicht ich! Ich schaue auf das Fairtrade-Siegel, ich vergewissere mich, dass ich in keiner Weise diese menschenverachtenden Produktionsketten unterstütze. – Vergewissern Sie sich, bevor oder nachdem Sie mit Ihrem neuen Elektroauto in den Apple-Store fahren und sich das nagelneue I-support-child-labour-Phone kaufen?
Ich meine, Automobilkonzerne wie beispielsweise VW verleugnen nicht einmal, dass sie zwei Drittel ihres Kobaltbedarfs aus dem Kongo beziehen, und die Situation dort werde ich Ihnen wohl hoffentlich nicht erläutern müssen.
Und Apple, was machen denn die? – Von Kinderarbeit bei chinesischen Zulieferern wissen und die Kündigung der Geschäftsbeziehung extra drei Jahre lang herauszögern, um noch möglichst viele Vorteile davon genießen zu dürfen, und dennoch das Image haben wollen, dass sie sich um Kinderrechte kümmern. Mir geht es nicht um die Abschaffung von Luxus in Österreich, mir geht es um gerechtfertigten Luxus.
Es muss sich dafür eingesetzt werden, dass die Importbeziehungen von Firmen stark hinterfragt und überprüft werden, dass Produkte aus Kinderarbeit gar nicht erst den Weg nach Österreich finden. Die Regierung muss sich um nationale und internationale Kinderrechte sorgen, sei es nun relativ oder absolut.
Lasst uns mit vereinten Kräften dafür sorgen, dass die Würde und Unschuld unserer Kinder bewahrt wird! Nur durch einen starken Schutz von Kinderrechten und eine entschlossene Ablehnung von Kinderarbeit können wir eine Zukunft garantieren, in der die kommenden Generationen in einer Welt voller Hoffnung und moralischer Integrität aufwachsen können.
Lasst uns unsere Verantwortung als Gesellschaft anerkennen und dafür sorgen, dass die Last der Ausbeutung nicht länger auf den Schultern der Kinder in den Entwicklungsländern liegt und dass unsere Kinder einen an Konzentration reichen, informativen und sportlich aktiven Schulalltag erleben können! – Danke schön.
Obmann Norbert Sieber dankt dem Redner für seinen engagierten Beitrag.
Mag. Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez: Einen guten Morgen und vielen Dank für die Einladung! Vielen Dank für eine öffentliche Sitzung! Vielen Dank, Frau Ministerin, dass Sie auch hier sind! Und vielen Dank für das Kinderrechte-Volksbegehren an sich, weil es dem Thema Kinderrechte öffentliche Aufmerksamkeit gegeben hat, eine Aufmerksamkeit, um die wir, das Netzwerk Kinderrechte Österreich, Zusammenschluss von 51 Organisationen, seit 1998 buhlen müssen! Wir müssen darum buhlen, dass man sich dafür einsetzt, für alle Kinder und Jugendlichen von 0 bis 18 Jahren Verbesserungen in unserem Österreich zustande zu bringen.
Es wird oft gesagt: Es geht um die Schwächsten in der Gesellschaft. Ich sage lieber: Es geht um die liebsten, um die witzigsten, innovativsten, neugierigsten und nettesten Menschen in unserer Gesellschaft. Deswegen bin ich auch schon so lange an diesem Thema dran: weil es einfach guttut, sich für Kinderrechte einzusetzen.
Eines möchte ich noch voranstellen: Kinderrechte kennen keine Parteipolitik. Wer sich für Kinderrechte einsetzt, ist nicht links, ist nicht rechts, nicht oben, nicht unten. Es geht um Menschenrechte, um einen internationalen Vertrag, den Österreich ratifiziert hat, und deshalb – ich habe das schon mehrmals gesagt, ich sage es noch einmal – halte ich den Usus, Experten für Kinderrechte über Fraktionen einzuladen, für überholt. Ich bitte darum, dass fachliche Expert:innen nicht einer Partei zugeordnet werden. Es gibt im kinderrechtlichen Denken – auch das sei noch einmal ganz klar gesagt – keinen politischen Gegner. Wenn wir etwas gemeinsam verbessern wollen, dann geht das nur gemeinsam.
Das Netzwerk Kinderrechte setzt sich wie gesagt seit 1998 damit auseinander, was es in Österreich an Verbesserungen braucht. Ich verweise nur auf den letzten Bericht aus dem Jahr 2019/2020 (eine Broschüre mit dem Titel „Ergänzender Bericht zum 5. und 6. Bericht der Republik Österreich an die Vereinten Nationen gemäß Artikel 44 Absatz 1b des Übereinkommens über die Rechte des Kindes“ in die Höhe haltend): ein dickes Werk, das viele Bereiche umfasst. Die Vertreter:innen der anderen Ministerien – Justizministerium, Sozialministerium, Außenministerium, Innenministerium –, in deren Ressorts es hineinfällt, sind heute auch hier.
Wir fragen auch immer Kinder und Jugendliche, wie sie es denn sehen. Ich möchte nur ein paar Zitate vorlesen. Wir haben Kinder gefragt: Was, glaubt ihr, soll sich in Österreich verbessern? An erster Stelle stand das Recht auf Gleichheit. Luca, 14 Jahre, sagt: „Dass jeder gleich viel wert ist, egal ob sie Geld haben oder nicht.“ Laura, 17, sagt: „Die Gleichstellung von Kindern mit Behinderungen steht auf dem Papier, aber im Alltag wird sie sehr oft nicht gelebt.“ Und Lena, 13, sagt: „Wir Mädchen werden ständig benachteiligt, egal ob bei der Feuerwehr oder beim Fußball.“
172 015 Menschen über 16 Jahre mit österreichischer Staatsbürgerschaft haben das Kinderechte-Volksbegehren unterzeichnet. Ich möchte nur ganz kurz darauf hinweisen: Die Personen, die es unterzeichnen können, sind eben die, die das Wahlrecht in Österreich haben. Wählen ab 16 ist eine großartige Errungenschaft, aber natürlich hat man das Wahlrecht nur, wenn man auch die österreichische Staatsbürgerschaft hat. Das heißt, ganz viele, um deren Wohl es in diesem Kinderrechte-Volksbegehren geht, konnten es nicht unterzeichnen, weil sie entweder jünger sind oder weil sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht haben. Wir haben in unserem Bericht auch angeregt: Es braucht eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts und des Wahlrechts, weil die Schere in Bezug auf diejenigen, die hier auf die Welt kommen, die hier aufwachsen, aber nicht mitbestimmen können, immer größer wird.
Ich möchte nur zwei, drei Themen aus aktuellem Anlass anreißen: Kinderarmut – Kollege Fenninger hat das schon erwähnt. Auch wir haben im Netzwerk Kinderrechte schon 1998 festgestellt, dass jedes fünfte Kind von Armut betroffen ist. Wir wissen, wir haben sehr hohe Familienleistungen in Österreich, die auch das Armutsrisiko senken. Wir wissen, dass wir im internationalen Vergleich gut dastehen, aber es sind bei uns die gleichen Gruppen überproportional betroffen, eben auch Kinder, und dem Einzelnen hilft es gar nichts, zu wissen, dass wir im internationalen Vergleich gut dastehen.
Die jetzt beschlossenen 60 Euro für sozial schwache Familien pro Kind sind von erprobten Kinderrechtler:innen als: Schön und gut, aber! oder: Besser als nichts! bezeichnet worden. Es sollte nämlich laut einer Vorgabe der EU seit eineinhalb Jahren auch ein Nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung von Kinderarmut vorliegen, der nicht und nicht beschlossen wird. Er liegt auch in Ihrem Ressort, Frau Ministerin, vielleicht in der Schublade, vielleicht auch nicht, aber da kommt es zu keiner Zustimmung. Wir hören immer nur: Es braucht die politische Abstimmung.
Eine Kindergrundsicherung haben auch wir schon seit 1998 gefordert. Es ist ein Weg; man muss mehrere Wege gehen, weil das Risiko, von Armut betroffen zu sein, über die Jahrzehnte nicht sinkt. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg hat zum Beispiel gesagt, man könnte kostenlose Öffis bis 18 Jahre und einen Kulturpass schaffen. Es ist ganz wichtig, zu schauen, wie wir Kinder in ihrem Aufwachsen, wenn das so viele Auswirkungen hat, stärken können.
Es darf keine Beschämung geben. Frau Ministerin, Sie haben, nachdem das präsentiert wurde, auch extra noch gesagt: Das Geld soll zum Wohl der Kinder für diese gut eingesetzt werden! – Bei mir ist diese Botschaft wie eine Art von Beschämung angekommen: Damit ihr auch wisst, was ihr mit diesem Geld richtig machen müsst!
Ich war letzte Woche bei einer Veranstaltung zur Armutsvermeidung. Drei betroffene Frauen haben dort gesagt: Wir sind zwar arm, aber wir sind kein Dreck, wir sind nicht dumm und wir sind nicht faul. Es gab die Erzählung von einer Frau, die nach einem heißen Sommertag, den sie mit ihren Kindern im Schwimmbad verbracht hatte, vom Vermieter empfangen wurde, der ihr vor den Nachbarn und vor den Kindern gesagt hat: Was fällt Ihnen ein, dass Sie ins Schwimmbad gehen, wenn Sie sich doch eh nicht einmal gescheit die Miete leisten können?! – Wir brauchen ein Klima in Österreich, das von Beschämung weggeht, das von Schuldzuweisung weggeht und wirklich auch einmal andere, innovative neue Schritte setzt. (Obmann Sieber gibt das Glockenzeichen.)
Die restlichen Themen, ganz kurz gesagt: Gewalt an Kindern. Sie wissen es alle hier, laut Ministerratsvortrag vom 25. Jänner dieses Jahres gibt es ganz viele Schritte in verschiedensten Ressorts, um Gewalt an Kindern zu verhindern, das Risiko zu senken; Kinderschutzkonzepte wurden genannt – ein extrem wichtiger Weg.
Klimaschutz: Es liegt eine Klimaklage von zwölf Kindern beim Verfassungsgerichtshof. (Obmann Sieber gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Er wird sie jetzt im Juni auch noch behandeln, und er könnte – international beachtet – ein wirklich gutes Urteil für Klimaschutz und für Kinderrechte fällen.
Geflüchtete Kinder: Obsorge ab Tag eins, Umsetzung der Empfehlungen der Kindeswohlkommission.
Kinder mit Behinderungen: 11., 12. Schuljahr, inklusive Kindergartenplätze (Obmann Sieber gibt neuerlich das Glockenzeichen), ein Gehalt und nicht ein Taschengeld zu bekommen, persönliche Assistenz.
Die Fülle dessen, was es alles an kinderrechtlichen Verbesserungen braucht, ist so groß. Weg von Einzelfällen, weg von Beschämungen, berühmten Namen, sondern wirklich etwas tun, weil Kinder - -
Obmann Norbert Sieber weist die Rednerin darauf hin, dass sie zum Ende kommen muss.
Mag. Dr. Caroline Culen: Schönen guten Morgen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Abgeordnete und sehr geehrte Kinder und Jugendliche! Vielen herzlichen Dank für die Einladung! Sie haben es an den Redebeiträgen meiner Kolleg:innen hier gesehen: Das Thema Kinderrechte ist sehr, sehr breit. Ich sitze hier einerseits als Mutter, als Frau, als Staatsbürgerin, aber auch als Geschäftsführerin einer Dachverbandsorganisation von über 100 Einrichtungen, die im Kinder- und Jugendbereich, vor allem im Kinder- und Jugendgesundheitsbereich und -bildungsbereich, arbeiten; und aus dieser Perspektive möchte ich auch berichten.
Ganz kurz vielleicht eine Präambel: Mir ist schon klar, warum bei uns die Kinderrechtskonvention noch nicht vollständig umgesetzt ist und nicht in ihrem ganzen Umfang im Verfassungsrang ist. Weil – und das haben wir auch gesehen –: Natürlich profitieren wir auch immer wieder davon, dass Kinderrechte nicht eingehalten werden; und ich möchte aus dieser Perspektive auf ein paar Punkte eingehen.
Noch einmal ganz prinzipiell, es gibt vier Grundprinzipien der Kinderrechte: das Recht auf Gleichbehandlung, der Vorrang des Kindeswohls, das Recht auf Leben und persönliche Entwicklung und auch die Achtung vor der Meinung und dem Willen des Kindes.
Alle diese vier Grundprinzipien werden tagtäglich in Österreich auf unterschiedlichen Ebenen verletzt. Ich nenne ein paar ganz konkrete Beispiele, damit Sie sich etwas vorstellen können, zum Beispiel – wir haben es auch in den Redebeiträgen hier schon gehört – das Thema Diskriminierung und Nichtgleichstellung: Nicht alle Kinder in Österreich haben die gleichen Chancen. Da geht es um Kinder mit Armutsrisiken, da geht es um Kinder mit chronischen und seltenen Erkrankungen, Behinderungen; das sind immerhin 20 Prozent unserer Kinder und Jugendlichen, das ist nicht nichts, und das kann jeden und jede von uns betreffen – als Mutter, als Geschwister, als Tante, wie auch immer.
Das Kindeswohl wird auf vielen Ebenen vernachlässigt, zum Beispiel – und auch das hat Kollege Seliger schon angesprochen – wenn es um wirtschaftliche Interessen, um verkehrspolitische Interessen, um klimapolitische Interessen geht. Auch da – und da springe ich gleich einmal auch zu der Meinung und dem Willen der Kinder und Jugendlichen – werden ihre Ansichten sehr oft belächelt, vom Tisch gewischt, als naiv, als uninformiert, idealistisch et cetera, et cetera abgetan.
Beim Recht auf Leben würde ich jetzt einmal davon ausgehen, dass das in Österreich prinzipiell gesichert ist, aber was die persönliche Entwicklung betrifft, gibt es einiges an Luft nach oben, und das in einem der reichsten Länder der Welt. Das ist durchaus – und ich sage es jetzt auch noch einmal – beschämend.
Wir wissen, Kinder mit gebildeten Eltern haben größere Chancen, selber gebildet zu sein. Diejenigen mit mehr Geld haben die größere Chance, gesund zu sein, länger zu leben, mehr gesunde Lebensjahre zu haben, Chancen auf bessere Jobs et cetera, et cetera. Das heißt, in Österreich werden die Chancen vererbt, und das widerspricht wirklich bis in die Grundfesten allen Kinderrechten und allen Menschenrechten.
Natürlich ist es ganz angenehm, wenn man vermeintlich oben auf der Schaukel sitzt, aber de facto sitzen wir alle im gleichen Boot. Sie kennen vielleicht das Bild von einem Boot, das sinkt, die eine Seite ist schon unten im Wasser, und auf der anderen Seite des sinkenden Boots sitzen feixende Menschen und sagen: Ha, uns geht es gut, schaut euch die da unten an! – Nein, wir sitzen alle im gleichen Boot. Ich glaube, das muss uns immer wieder bewusst sein. – Gut, das war es einmal so prinzipiell zum ersten Punkt des Kinderrechte-Volksbegehrens.
Der zweite Punkt, denke ich, ist ein Punkt, auf den auch schon eingegangen wurde: Import von Produkten, bei denen Kinderarbeit involviert ist. Da müssen wir vielleicht auch ehrlich schauen, wo wir von diesen Themen profitieren, und da – es wurde schon angesprochen – gibt es ein paar Punkte, an denen wir durchaus eingreifen und sagen könnten: Kinderrechte enden nicht an den Grenzen Österreichs!
Das Thema Sport und Bewegung in Schulen: Prinzipiell gibt es in Österreich ja das Bekenntnis zu gesunder Ernährung, ausreichender Bewegung. Wir haben Nationale Aktionspläne zum Thema Bewegung und Ernährung – sie werden nur teilweise nicht umgesetzt. Ich werde Sie jetzt nicht mit Gesundheitsdaten behelligen, aber wir wissen aus unterschiedlichsten Studien: Mittlerweile ist jedes dritte bis vierte Volksschulkind von Übergewicht betroffen, und Gewicht, das im Alter von zehn Jahren zu viel auf den Hüften sitzt, werden Kinder und Jugendliche nicht mehr los. Übergewicht bedeutet massive Einschränkungen im Aufwachsen, es bedeutet Gesundheitsrisiken und vieles mehr. Gleichzeitig wissen wir, dass Ernährung – regional, gesund und eine warme Mahlzeit am Tag – da helfen würde.
Die Umsetzung ist noch einmal ein anderes Thema. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso zum Beispiel nach wie vor Getränkeautomaten und auch Snackautomaten in Schulen stehen und das gesunde Schulbuffet so ein Riesenthema ist. Da nehme ich jetzt auch die Sportkantinen nicht aus: Wo werden so viel Pommes Frites und Bosnawürstel wie am Fußballplatz konsumiert? – Auch da, denke ich, wäre es ein Einfaches, umzudenken.
Zum Thema Kinderarmut, Kindergrundsicherung, Kinderbetreuungsgelder haben meine Kolleg:innen vorhin schon gesprochen. Deshalb möchte ich noch einmal auch auf Wünsche und Anregungen von unserer Seite kommen, die auf der strukturellen Ebene angesiedelt sind – und ich bin gleich am Ende, Herr Vorsitzender –: Es könnte, analog zum Senior:innenbeirat, durchaus auch einen gesetzlich verankerten Kinderbeirat geben.
Ich habe einen Großvater, der ist 101 Jahre alt, der darf alles. Von meiner Kindern – mittlerweile habe ich nur mehr ein Kind unter 16 Jahren, der darf ganz viel nicht – haben die älteren in Bezug auf Mitsprache gesagt: Das schauen wir uns einmal an, so wie unsere Institutionen und Bildungseinrichtungen aufgebaut sind, wie viel wir mitsprechen können!
Liebe Elisabeth, du hast es schon erwähnt: Es gibt sehr, sehr viele Jugendliche, die aufgrund ihrer Nichtstaatsbürgerschaft überhaupt kein Wahlrecht haben und nicht mitreden können. Auch da könnten wir ansetzen.
Kinderrechte-Monitoring ist in Österreich auch noch in den Kinderschuhen. Da tatsächlich hinzuschauen, zu monitoren und daraus auch verbindliche Konsequenzen zu ziehen wäre wichtig. (Obmann Sieber gibt das Glockenzeichen.) – Ich werde abgeklingelt.
Ich denke, da gibt es noch ein paar Punkte, aber dazu kommen wir vielleicht in der Fragerunde. – Herzlichen Dank.
Obmann Norbert Sieber merkt an, dass der Bevollmächtigte, Herr Lukas Papula, nun anwesend ist. Es sei darauf hingewiesen worden, früh genug da zu sein, aber es habe Probleme beim Zutritt in das Parlament gegeben. Er, Sieber, gebe diesem jetzt außerhalb der Redeordnung 3 Minuten Zeit, dem Ausschuss seine Sicht der Dinge zu erläutern.
Stellungnahme des Bevollmächtigten des Volksbegehrens
Lukas Papula: Ich möchte mich vor allem bei jenen zahlreichen Menschen bedanken, die dieses Anliegen unterstützt haben – da sind bestimmt auch einige hier im Saal, danke auch Ihnen –, und auch allen, die es nicht unterschrieben haben, ein herzliches Grüß Gott!
Man muss wissen, es ist mittlerweile schon zweieinhalb Jahre her, dass dieses Volksbegehren abgegeben wurde. Da ist in der Zwischenzeit auch schon etwas passiert. Zum Beispiel hat ja beim Kinderbetreuungsgeld, zusammen mit anderen Sozialleistungen, die noch nicht inflationsangepasst waren, eine Wertvalorisierung stattgefunden, die, glaube ich, mit diesem Jahr wirksam wird. Das ist gut. Es ist natürlich nicht diese signifikante Erhöhung, die wir uns erwartet hätten beziehungsweise explizit gefordert haben.
Fast noch wichtiger wäre es mir, da als weitere staatliche Transferleistung zugunsten der Kinder die Unterhaltsgarantie zu erwähnen, weil ich sie für ein deutlich besseres Modell als die gegenwärtige Alternative des Unterhaltsvorschusses halte. Dieser ist mit hohen bürokratischen Hürden verbunden: Man muss da nicht nur einen Exekutionstitel gegen den Schuldner erwirken, sondern auch darauf basierend die Pfändung probieren und, wenn ich mich richtig erinnere, soll auch, glaube ich, die öffentliche Hand eine positive Regressionsprognose haben. Sparen wir uns lieber diesen ganzen bürokratischen Wahnsinn und zahlen die Unterhaltsgarantie direkt aus!
Ja, zur täglichen Turnstunde, unserer dritten Forderung, kann man sowieso nicht viel sagen: Dazu gab es schon 2013 eine Petition, ich glaube, des Bundessportverbandes, der sich auch die Ärztekammer angeschlossen hat. Diese hat damals, wenn ich richtig informiert bin, gute 150 000 Unterschriften bekommen. Und wenn man sich die Geschichte vor allem der Ankündigungen der täglichen Turnstunde ansieht, dann sieht man, dass diese Historie durchaus reichhaltig ist.
Bei unserem Zeitgeist, bei der sich entwickelnden Lebensrealität von Jugendlichen, die sich wahrscheinlich weniger an der frischen Luft bewegen, als das bei früheren Generationen der Fall war, ist das durchaus notwendig. Man liest, dass die Umsetzung der täglichen Turnstunde, wenn ich das richtig im Kopf habe, mit einem Investitionserfordernis von 200 Millionen Euro unfinanzierbar wäre. Dem muss ich entgegnen, dass das eine große volkswirtschaftliche Investition in die Zukunft wäre, man sollte das als medizinische Präventivmaßnahme verstehen.
Genauso geht es um gesundes Essen an Schulen. Angesichts der Teuerung, wobei sich ja die Lebensmittel bei uns preislich ganz anders, nämlich disproportional, entwickeln, und zwar nach oben, sollte man dafür sorgen, dass zumindest in den Schulen ein tägliches warmes und, wie wir fordern, regional bezogenes Mittagessen auf dem Tisch steht, weil jetzt aktuell die Leute sparen, was auch beim Essen für die Kinder der Fall sei, wie man manchmal lesen kann. Nicht zuletzt würden damit natürlich die heimische Lebensmittelindustrie beziehungsweise auch die kleineren Erzeuger unterstützt.
Was haben wir noch gefordert? – Ein Verbot von Produkten, die in ihrer Wertschöpfungskette oder, wie man heutzutage sagt, in der Lieferkette Kinderarbeit aufweisen. Das ist natürlich abzulehnen, das ist mit unseren Arbeits-und Produktionsstandards nicht zu vereinbaren.
Und dann haben wir noch gefordert – nur zwei Sätze noch –, dass die UN-Kinderrechtskonvention in ihrer Vollständigkeit in den Verfassungsrang gehoben wird. Die Argumente, die hier vielmals vorgebracht werden, nämlich dass gewisse Artikel eher für strukturschwächere Länder als Österreich maßgeschneidert sind, möchte ich ein bisschen relativieren. Diese Argumente sind nicht ganz falsch. Es gibt zum Beispiel auch zum Vorbehalt des Artikels 7 durchaus legitime Kritik. Wir meinen, es geht vor allem um die Ratifizierung– unterschrieben ist es ja schon – des Dritten Zusatzprotokolls der Kinderrechtskonvention. Da geht es quasi um einen Instanzenzug jenseits des nationalen und darum, dass sich Kinder als Rechtsträger auch ihres Rechtsschutzes sicher sein können und dieser effektiver ist. In Deutschland ist das ratifiziert, es gibt keinen Grund, warum man das bei uns nicht am Mittwoch schon nachholt oder zumindest versucht. – Danke.
Obmann Norbert Sieber bedankt sich beim Bevollmächtigten des Volksbegehrens und leitet zur ersten Fragerunde der Abgeordneten über.
Erste Fragerunde der Abgeordneten
Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Vorsitzender! Frau Minister! Liebe Initiatoren, Expertinnen und Experten, Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal auch von meiner Seite eine herzliche Gratulation für so viele Unterschriften. Politik funktioniert nur durch einen breiten Dialog und ein Miteinander von vielen beziehungsweise allen, und dazu haben Sie sehr, sehr viel beigetragen. Ihnen allen auch ein Dankeschön für das Herkommen und für die vielen Themen, die Sie angeschnitten haben, die für uns auf allen Ebenen interessant, relevant und diskussionswürdig sind.
Für mich, für uns alle, glaube ich, ist die Kinderrechtskonvention ein grundlegendes Dokument, nicht nur in ihren Artikeln, auch in ihrer Präambel. Da steht nämlich etwas drinnen, was für uns gemeinschaftlich – Sie haben es auch angeschnitten –, überfraktionell ganz wichtig ist. Auch in der Millenniumsdeklaration habe ich einen wunderschönen Satz zum Thema Kinder gefunden, den ich euch nicht vorenthalten möchte. Da heißt es nämlich:
Wir als Verantwortliche haben die Verpflichtung, uns für die Verwundbarsten – Frau Mag. Schaffelhofer hat gesagt: die Liebsten; das sehe ich auch so, im Text steht nur die Verwundbarsten, aber die Liebsten stimmt auch – ganz besonders einzusetzen, und das sind insbesondere unsere Kinder, denen die Zukunft gehört.
Ich glaube, dass das grundlegend für unsere politische Arbeit sein muss, und darum haben wir auch sehr viele Initiativen für Kinder, auch für Familien gesetzt. In der Präambel der Kinderrechtskonvention heißt es auch, die Familie muss geschützt werden, damit das Kind gut aufwachsen kann. Familienbonus, Valorisierung der Familienhilfeleistungen – danke, Herr Papula, dass Sie das auch angeschnitten haben –, Prozessbegleitung, Teuerungsausgleich – es wird sehr viel gemacht, aber es ist natürlich nie genug; auch da sind wir uns alle einig.
So, was heißt das jetzt ganz konkret? – Liebe Initiatoren, Sie haben gesagt, eine Begründung ist nicht notwendig, weil es eh klar ist. Aber wenn Sie jetzt aufmerksam den Expertinnen und Experten zugehört haben, dann sehen Sie, wie viele Themen da drinnen stecken, wo uns eine Begründung schon geholfen hätte, in welche Richtung Sie genau gehen wollen. Ganz vieles steht da nämlich nicht drinnen, könnte aber drinnen stehen. Ich kann mir dann überlegen, was Sie vielleicht meinen, aber ohne Begründung ist es mir nicht ganz klar. Das heißt, beim nächsten Mal wünsche ich mir, dass Sie es schon ausformulieren, was es genau bedeutet.
Ich darf jetzt zu den Forderungen eins und zwei noch ganz kurz meine Fragen anschließen:
Punkt eins: Kinderrechtskonvention in den Verfassungsrang heben. Wir haben da ja eine richtige Historie eines Dialoges in Österreich, de facto über 20 Jahre. 2011 wurde das BVG über die Rechte von Kindern mit Verfassungsjuristen ausgearbeitet. Über die Jahre wurde immer wieder ein Monitoring gemacht, und die Verfassungsjuristen haben gesagt, wissenschaftlich ist das gut, was wir gemacht haben. 2014 gab es noch einmal ein Monitoring. Der UNO-Kinderrechtsausschuss hat von der Forderung Abstand genommen, dass man mit dem Heben in den Verfassungsrang in Österreich weitermachen soll, dieser hat nämlich gesagt, eigentlich stimme es so, wie es gemacht worden sei. Aber eine Evaluierung ist im Gange, und wir erwarten Ergebnisse bis Ende des Jahres. Hier sind vier österreichische Universitäten gemeinsam an der Arbeit, und dann werden wir schauen, was dabei herauskommt, aber der gemeinsame Wunsch, hier für die Kinder das Beste zu tun, eint uns alle.
Darum darf ich jetzt meine Frage vielleicht an Frau Dr. Culen richten: Sie haben vollkommen recht mit der Gleichstellung von behinderten und nicht behinderten Kindern, nur genau das steht ja auch im Artikel 6. Ist es denn nicht oft eine Frage der Umsetzung, wo wir mehr tun müssen? Und wenn wir da von Ihnen die Begründung hätten, könnten wir hier vielleicht mehr in die Tiefe gehen. Das, was Sie gefordert haben, steht wirklich genau so im Verfassungsrang. Ich lasse es jetzt einmal so stehen.
Jetzt zu Punkt zwei, dem Thema Kinderarbeit. Es wurde auch schon gesagt: Ganz oft sehen sich Familien quasi gezwungen, auf Kinderarbeit zurückzugreifen, was natürlich einen schrecklichen Teufelskreis erzeugt. Die Kinder, die arbeiten müssen, weil die Familie keinen anderen Weg sieht, können nicht zur Schule gehen, das heißt, die nächste Generation wird wieder in der gleichen Situation sein. Kinderarbeit ist für die Kinder gesundheitsgefährdend, sie werden ausgebeutet, weil sie sich nicht wehren können, die Kindersterblichkeit steigt, die Lebenserwartung sinkt, und so weiter. Wie können wir diesen Teufelskreis durchbrechen?
Deswegen meine Frage an die Expertinnen und Experten, die sich angesprochen fühlen: Mit welchem Begleitkonzept können wir sicherstellen, dass die Familien aus diesem Teufelskreis aussteigen können? Das heißt Überlebenshilfe, das heißt aber auch Bildungsmaßnahmen, und da muss man vielleicht ganz besonders auf die Mädchen schauen. Also das Lieferkettengesetz ist das eine, aber was sind da Ihre Vorschläge in Bezug auf diese Begleitmaßnahmen?
Dann darf ich vielleicht noch etwas erwähnen, was mir in den Forderungen ein bisschen fehlt: Kinderrechte im Bereich von Kinderschutzkonzepten, wie wir sie ja gerade diskutieren, Umgang mit Social Media, wo unsere Generation wahrscheinlich noch viel lernen muss. Da geht es um Fragen wie: Gebe ich dem Kind das Smartphone und sage einfach: Viel Spaß!?, oder geht das besser? Ich glaube, Frau Dr. Culen ist da auch Expertin, daher würde ich mich freuen, wenn Sie etwas dazu sagen würden.
Über all dem drüber: Damit die Kinder, das Wertvollste, das wir haben – so, wie es in der Präambel heißt –, ihre Persönlichkeit voll und harmonisch entfalten können, „umgeben von Glück, Liebe und Verständnis“ in der Familie, so heißt es in der Kinderrechtskonvention, müssen wir da nicht in unserer Gesellschaft noch mehr darüber nachdenken, wie wir es schaffen, mehr Zeit miteinander zu haben, aus dem Hamsterrad auszusteigen, für einander da sein zu können, dass Kinder die Seele baumeln lassen können? Wäre das nicht ein gesellschaftlicher Dialog, den wir brauchen, weil es auch das Recht des Kindes ist, so aufzuwachsen? – Danke.
Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Initiatorinnen und Initiatoren! Liebe Expertinnen, liebe Experten! Zunächst einmal auch von meiner Seite natürlich Gratulation zu dem Erfolg dieses Volksbegehrens. Ich habe es schon in meiner Rede im Rahmen der ersten Lesung gesagt, es ist ein Volksbegehren, das ohne – und das ist auch in der Einleitung gesagt worden – großes Backing funktioniert hat, es gibt keine große Organisation, die dahintersteht, und daher ist diesem Erfolg auch doppelter Respekt zu zollen. Man weiß, wie schwierig es oft schon ist, selbst mit Organisationen im Hintergrund 100 000 Unterschriften zu bekommen. Es ist Ihnen gelungen.
Das ist natürlich ein deutlicher Beleg dafür, dass das Thema Kinderrechte tatsächlich vielen Menschen unter den Fingernägeln brennt.
Es sind ja schon viele Punkte von den Expertinnen und Experten genannt worden. Es ist heute der besondere Fall, es ist einleitend darauf hingewiesen worden: Wir haben danach gleich einen normalen, regulären Familienausschuss, wo man sagen muss: The proof of the pudding is in the eating!, da sind ja einige Anträge auf der Tagesordnung, deren Anliegen jetzt von vielen Expertinnen und Experten auch unterstützt wurden und die sich letztlich auch in diesem Volksbegehren wiederfinden.
Ich erwähne die Kindergrundsicherung, die als entsprechender Antrag vorliegt. Ich erwähne den Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz. Ich erwähne das Gratismittagessen. All das werden wir dann 2 Stunden später behandeln und ist ja auch von vielen Expertinnen und Experten unterstützt und natürlich auch angeregt worden. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt.
Ich möchte in der ersten Runde zwei Fragen an die Expertinnen und Experten stellen. Das eine ist: Die Kinderrechtskonvention ist im Jahr 1989 beschlossen worden, 2011 in weiten Teilen, aber nicht in allen, wie angesprochen wurde, in den Verfassungsrang gehoben worden, und wir wissen alle, seit 1989 hat sich die Welt ordentlich weiterentwickelt.
Es sind ja einige Punkte angesprochen worden, aber was mich besonders interessieren würde: Sieht man gerade aus der kinderrechtlichen Sicht hier die Notwendigkeit, auch über eigentlich völlig neue Punkte zu diskutieren? Der Klimaschutz, das Recht auf Unversehrtheit, die Umwelt et cetera, das ist ja angesprochen worden, aber ich glaube, dass es doch auch einige weitere relevante Themen gibt. Ich würde in erster Linie jemanden vom Netzwerk Kinderrechte bitten, vielleicht noch für das Auditorium darzulegen, welche Überlegungen es hier gibt, zusätzliche Punkte nicht nur in eine internationale, sondern nationale Diskussion einzuführen, denn man muss ja nicht unbedingt auf einen Beschluss der Vereinten Nationen warten. Man kann ja vielleicht den einen oder anderen Punkt auch auf unserer Ebene umsetzen.
Ein weiterer Bereich, der angesprochen wurde, sind die Staatsbürgerschaft, das Wahlrecht und natürlich die Problematik, dass viele junge Menschen, die in diesem Land leben und aufwachsen, gar nicht die Möglichkeit haben, sich zu artikulieren, zumindest als Jugendliche. Jetzt kann man darüber diskutieren, was das für Kinder heißt, aber ich glaube, da gibt es auch schon internationale Beispiele, wie man auch auf kindgerechter Ebene mit solchen Themen agieren kann. Das Staatsbürgerschaftsrecht hat vor einigen Jahren für große Diskussionen gesorgt, es hat Abschiebungen von Kindern und Jugendlichen gegeben, und es ist eine Kindeswohlkommission eingesetzt worden.
Da würde ich mich in erster Linie an Erich Fenninger wenden und mich interessieren, wie die Einschätzung von Ihnen in diesem Zusammenhang ist: Inwieweit wurden die Empfehlungen dieser Kindeswohlkommission umgesetzt? Was ist da noch notwendig zu tun? Und: Trägt man im Bereich der Justiz und in vielen anderen Bereichen der Verwaltung tatsächlich dem Artikel 1 der Kinderrechtskonvention mittlerweile Rechnung, sodass das Kindeswohl im Mittelpunkt steht? Ich glaube, das ist ein ganz, ganz wesentlicher Punkt, und da würde mich die Einschätzung interessieren, was hier noch aktuell zu tun wäre und wie man die Entwicklung seither, seit Einsetzung dieser Kindeswohlkommission, beurteilt, die ja mit einer Vielzahl von Empfehlungen an die Öffentlichkeit getreten ist. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt.
Eines möchte ich vielleicht noch zur Vorrednerin anmerken, weil ja viele Bereiche, gerade der Bereich Armutsbekämpfung, angesprochen worden sind, deren Umsetzung aus meiner Sicht deshalb wichtig ist, damit alle Kinder mit der Seele baumeln können. Wir müssen nämlich zur Kenntnis nehmen, es können nicht alle Kinder mit der Seele baumeln, weil die Familien unter Lebensbedingungen leben, die es den Eltern gar nicht ermöglichen, das zu gewährleisten, was wir uns alle – und das, glaube ich, eint uns mit Sicherheit – erträumen, nämlich dass Kinder mit der Seele baumeln können. Da ist das Gratismittagessen, da ist die Kindergrundsicherung et cetera, glaube ich, eine gute Anregung, und daher kann ich nur hoffen, dass wir in den anschließenden Sitzungen diese Anträge auch gemeinsam beschließen. – Danke schön.
Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Herr Vorsitzender! Geschätzte Experten! Sehr geehrte Frau Minister! Ich glaube, wir sind uns fraktionsübergreifend einig, dass Kinder die schützenswerteste Gruppe in unserem Land sind und wir alle für sie die Verantwortung tragen. Im Kinderrechte-Volksbegehren sind diese vier Grundprinzipien: Diskriminierungsverbot, Recht auf Leben und persönliche Entwicklung, Beteiligungsrecht und Kindeswohl vorrangig enthalten, und das haben 172 000 Menschen, darunter viele junge Erwachsene, unterschrieben. Sehr viele, Hunderttausende wahrscheinlich, haben es nicht unterschrieben, würden es aber unterschreiben, wenn man ihnen den Zettel vorlegt. Das heißt, die Bedeutung wird uns auch von den Bürgern draußen in unserem Land widergespiegelt. Kinder haben ein Recht auf Leben, sie haben ein Recht auf Gewaltfreiheit, Bildung, Schutz vor Ausbeutung und Schutz vor Gewalt in jeder Hinsicht.
Meine Frage an die Experten, wer immer sich jetzt darum annimmt, wäre: Was sagen Sie dazu, dass es bis jetzt keine bundeseinheitlichen Kinderschutzkonzepte gibt? Es wurde etwas präsentiert, aber es ist bis jetzt noch nichts umgesetzt.
Zwei Fragen hätte ich an Herrn Seliger. Wir haben hier im Hohen Haus schon oft über die psychische Gesundheit von Kindern diskutiert. Sie stehen kurz vor dem zweiten Teil Ihrer Matura. Wie schaut es in Ihrer Schule punkto psychischer Gesundheit aus? Vielleicht können Sie als Experte uns dazu heute etwas aus der Praxis erzählen.
Meine zweite Frage: Sie haben die Studie zur regelmäßigen körperlichen Betätigung von der TU München erwähnt. Vielleicht haben Sie da noch ein paar aussagekräftige Punkte, die Sie uns mitgeben können.
Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Danke zuerst einmal für das wichtige Volksbegehren und vor allem auch Danke an die Expertinnen und Experten, die ja wirklich schon sehr viele Jahre für dieses wichtige Thema kämpfen. Ich glaube, gerade bei dem Thema Kinderrechte sind wir noch lange nicht dort, wo wir sein sollten. Gerade in der aktuellen Situation der Teuerung wissen wir, dass das vor allem jene trifft, die es davor schon nicht leicht hatten.
Es wurde mehrfach das Thema Kinderarmut angesprochen, das uns natürlich massiv beschäftigt. Herr Fenninger hat es angesprochen: Arm zu sein heißt nicht, einfach nur weniger Geld zu haben, sondern es bedeutet, nicht dabei zu sein, was nicht nur ein nicht schönes Gefühl ist, sondern sich auch massiv auf die berufliche Laufbahn und den gesundheitlichen Zustand unserer Kinder auswirkt. Darum sind wir dabei, mit dem Kinderarmutspaket, das wir jetzt aufgestellt haben, das wirklich sozial treffsicher ist, so schnell wie möglich zu helfen. Nichtsdestotrotz ist die langfristige Vision von uns schon die Kindergrundsicherung; wir waren auch im Bundestag und haben uns diesen Prozess angeschaut, der ganz interessant ist.
Ich habe die Ausführungen von Kollegin Kugler interessant gefunden. Also wenn es ein Plädoyer für die Verkürzung der Arbeitszeit war, dann kann ich das sehr begrüßen. Es wurde jetzt auch von der Kollegin von der FPÖ angesprochen: Es stimmt, im Kindergewaltschutzbereich ist in der Vergangenheit viel zu wenig passiert, und darum bin ich sehr froh über das große Gewaltschutzpaket dieser Bundesregierung, deshalb auch die Frage: Was bräuchte es Ihrer Meinung nach konkret bei der Umsetzung dieses Ministerratsvortrags, dass es tatsächlich zu massiven Verbesserungen kommt?
Eine weitere Frage betrifft das Kinderrechte-Monitoring: Was braucht es für ein wirklich effektives Monitoring?
Und zum Thema Klimaschutz: Der Verfassungsgerichtshof entscheidet diesen Monat noch über die Klimaklage von Kindern, vielleicht können Sie noch darauf eingehen, was die Klimakrise tatsächlich mit Kinderrechten zu tun hat. – Danke.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Ich bedanke mich als Letzter in der Reihe auch ganz herzlich bei Ihnen für diese Initiative, für dieses erfolgreiche Volksbegehren und möchte ein paar einleitende Worte sagen, bevor ich als NEOS-Abgeordneter auch zu unseren Fragen komme.
Im Wesentlichen ist es so, dass wir uns ja als NEOS gegründet haben, weil wir damals den Anspruch hatten, allen Kindern die Flügel zu heben. Und da geht es genau um die Frage: Können sich alle Kinder, alle Kleinkinder, alle Schulkinder, bis zu den jungen Erwachsenen in unserem Land auf die gleichen Chancen oder auf faire Chancen verlassen? Können sie sich so entwickeln, wie es ihren Talenten entspricht? Da ist die Begrenzung durch die ökonomischen Mittel natürlich ein ganz zentrales Element. Es ist nicht das einzige, es gibt viele andere auch, aber das ist eines, das wir in der Politik in Österreich auch stark beeinflussen können. Das Paradoxe ist, dass wir mithin die höchsten Geldleistungen bei den Familienleistungen innerhalb der Europäischen Union haben, wir haben auch keine überdurchschnittliche Kinderarmut, aber wir haben auch keine unterdurchschnittliche. Das heißt, wir kommen mit Geld allein nicht ans Ziel.
Daher finde ich die Forderungen, die Sie gebracht haben, auch sehr spannend, weil wir einen breiteren Diskurs darüber brauchen, wie wir diesem Ziel näher kommen, dass sich Kinder frei entwickeln können.
Die konkreten Positionen werden wir ja nach dem Hearing auch noch im Ausschuss weiter diskutieren, deswegen würde ich jetzt gerne direkt auf die Fragen übergehen, die uns als NEOS beschäftigen.
Die erste Frage ist jene der treffsicheren Sachleistungen. In diesem Zusammenhang richte ich sowohl an Frau Dr. Culen als auch an Herrn Mag. Fenninger die Frage: Welche treffsicheren Sachleistungen sind aus Ihrer Sicht sozusagen im Werkzeugkasten vorhanden und könnten wir als Politik so unterstützen, dass sie wirklich unmittelbar bei den Kindern ankommen und auch einen Effekt haben, um diese unmittelbare Ausgrenzung ein Stück weit zu lindern?
Die zweite Frage, die uns auch sehr beschäftigt, sind – weil das ja auch angesprochen wurde und teilweise auch gefordert wird – das kostenlose Mittagessen, aber auch die tägliche Turnstunde. Frau Dr. Culen, welchen gesellschaftlichen Impact haben aus Ihrer Sicht solche konkreten Maßnahmen? Es wurde ja auch eingeschränkt, man soll das sozial staffeln. Aber wenn solche Maßnahmen da sind, kostenfreies Mittagessen, gesundes warmes Mittagessen für alle: Was hätte das für einen Impact?
Eine weitere Frage, die uns sehr beschäftigt, ist: Was können wir denn – Stichwort Kinderrechte – jenen Menschen anbieten, die im Bereich Frühkindpädagogik arbeiten, die im Kinderbereich im weitesten Sinne arbeiten? Gibt es da von der Politik konkrete Maßnahmen, die wir noch setzen können, damit die Menschen, die mit unseren Kindern arbeiten, noch mehr an Möglichkeiten haben, um die Kinder perfekt zu begleiten? Frau Dr. Culen, aber bitte gerne auch Frau Mag. Schaffelhofer-Garcia Marquez, wenn Sie diesbezüglich eine Einschätzung hätten, wären wir sehr dankbar.
Abschließend, die letzte Frage, die ich jetzt hier stellen möchte: Wo sind die größten Baustellen bei der Kinder- und Jugendgesundheit und welche politischen Lösungen gäbe es? Das wird ja von unterschiedlichen Seiten auch durch die Maßnahmen angesprochen. Frau Dr. Culen, wenn Sie auch dazu eine Einschätzung hätten, wären wir sehr dankbar. – Vielen Dank.
Zweite Fragerunde der Abgeordneten
Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Initiatoren und Initiatorinnen des Volksbegehrens! Sehr geehrte Expertinnen und Experten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Danke zuerst auch von meiner Seite – es ist schon mehrmals gefallen – an die Initiatoren. 172 000 Unterstützerinnen und Unterstützer sind eine beachtliche Zahl, und mir als überzeugter Demokratin ist es immer sehr wichtig, dass demokratische Instrumente auch genutzt werden. Darum ein Danke für die Initiative.
Meiner Meinung nach ist es auch immer sinnvoll, über Kindeswohl und Kinderrechte zu diskutieren und dass wir die Kinder in den Mittelpunkt unserer Diskussion stellen.
Wir haben es jetzt schon ein bisschen gehört: Die fünf Anliegen des Volksbegehrens sind durchaus divers, umfangreich, und es gibt auch mehrere Kompetenzen, die da dahinterstehen, wo es einfach einen komplexen Regelungsbedarf gibt.
Kollegin Kugler von unserer Fraktion hat sich ja auch auf Themen fokussiert und ich möchte bei der gesunden Jause anschließen. Mir als Mama einer fast Vierjährigen ist durchaus bewusst, dass gesunde abwechslungsreiche Ernährung vor allem für Kleinkinder eine Herausforderung ist, weil Kleinkinder halt oft gerne Nudeln, Reis, Pasta und Schokolade essen, und dass man da als Elternteil sehr stark in der Verantwortung ist, damit Kinder auch etwas Gesundes, Vitamine und Nährstoffe zu sich nehmen.
Ein Aspekt, den ich da gerne einbringen möchte, ist, dass eine gesunde regionale Jause vielleicht auch ein bisschen zu spezifizieren wäre.
Ich komme aus Freistadt, das ist knapp an der tschechischen Grenze, und wenn ich da von regionaler Jause rede und einen Zirkel in eine Landkarte einschlage und den Umkreis von 50 Kilometern nehme, dann bin ich schnell einmal in Temelín, und da ist es mir lieber, ich packe in der Früh die Jausendose meiner Tochter selbst, als dass sie in der Jausenpause die regionale Jause aus Temelín bekommt.
Ich glaube, das ist schon auch ein Aspekt, über den wir in diesem Zusammenhang diskutieren müssen: Was ist regional?, und: Ist regional gleich gesund?, und: Ist eine Jause automatisch eine warme Mahlzeit?
Ich bin ganz bei Ihnen: Warme Mahlzeiten, ausgewogene Mahlzeiten sind unabdingbar für unsere Kinder. Ich glaube, das ist wirklich etwas, wo man als Elternteil besonders in der Verantwortung ist. Gott sei Dank haben wir ein sehr großes soziales Netz, das da wirklich sehr viel abfedert.
Das ist gerade auch in der aktuellen Debatte um die Elternbeiträge für das Mittagessen immer wieder in den Medien, aber auch hier im Hohen Haus ein Thema, darum hätte mich das schon auch interessiert – Frau Lugert, vielleicht können Sie dazu noch Stellung beziehen –: Wir als Bund hätten ja nur in Bundesschulen die Kompetenz für Mittagessen, für Jause in den Schulen; die Länder und die Gemeinden haben sie für andere Schulformen. Wien hat jetzt bezüglich offener verschränkter Ganztagesschulen etwas angekündigt; Horte und Kindergärten fallen da wieder heraus, dafür sind Beiträge wieder erhöht worden. Wie sehen Sie das?
Ebenso die Bewegung im Unterricht – tägliche Bewegung ist wichtig, zum Teil muss man da auch etwas vorleben. Es gibt auch schon einen Pilotversuch – im Gegensatz zum Vorschlag der täglichen Turnstunde –: die tägliche Bewegungseinheit. Frau Sektionschefin Wagner, vielleicht können Sie noch kurz erklären, wie das funktioniert!
Da möchte ich auch wieder auf das Mühlviertel Bezug nehmen, gerade das Mühlviertel ist da auch eine Pilotregion. Wir haben sehr viele Schulen, die schon teilnehmen. Vielleicht können Sie uns kurz Erfahrungen schildern und auch einen Ausblick geben – das Projekt wird evaluiert –: Wie viele Schulen interessieren sich da noch dafür, ist das Interesse groß? Wie schaut die Zusammenarbeit mit den Dachverbänden aus? Ich glaube, wir müssen auch den Blick darauf schärfen, dass es da ja schon Pilotversuche gibt.
Und wir müssen, glaube ich, auch aufpassen, dass wir die Lehrpläne nicht noch mehr überstrapazieren – ich formuliere es jetzt einmal so; ich glaube, Sie alle wissen, was gemeint ist. Tägliche Bewegung ist wichtig, aber ich glaube, die tägliche Bewegungseinheit, wie sie im Pilotversuch vorgestellt wird, wäre vielleicht leichter zu integrieren, weil sie nicht so starr ist wie eine Turnstunde.
Ich möchte auch noch anerkennen, dass Sie, Herr Papula, schon anerkannt haben, dass in Sachen Familienleistungen schon sehr viel passiert ist. Lieber Kollege Bernhard, danke, dass du das auch noch einmal anerkannt hast, dass wir in Österreich bei den Familienleistungen top sind. Wir haben strukturelle Maßnahmen gesetzt und auch Einmalzahlungen, und ich glaube, die Summe macht es aus.
Ich weiß, das Kinderbetreuungsgeld bringt Herausforderungen sowohl für uns in der Gesetzgebung als auch für jene, die in den Beratungsstellen aktiv sind, als auch für die Anwenderinnen und Anwender mit sich, das muss man wirklich klar sagen, aber ich glaube trotzdem, dass wir in Summe jetzt sehr viele Maßnahmen gesetzt haben, die Verbesserungen bringen werden. Wir müssen uns auch einmal anschauen, wie diese Maßnahmen jetzt greifen werden.
Frau Lugert, vielleicht noch ergänzend: Was ist aus Ihrer Sicht noch notwendig – die Frage ist schon ähnlich gekommen –, um Kinderrechte im Alltag auch verstärkt durchzusetzen? Was bedeutet das für die Familien abseits der Bundesverfassung und des verfassungsgesetzlichen Rahmens?
Abschließend, weil sich meine Redezeit auch schon dem Ende zuneigt, möchte ich noch ein paar Worte zum Unterhaltsrecht verlieren. Sie wissen ja vielleicht, dass zum Kindschaftsrecht aktuell Verhandlungen laufen, auch im Justizministerium. Für uns als Volkspartei ist es auch ganz wichtig, dass beim Unterhaltsvorschuss noch einmal nachgeschärft wird, dass man sagt, es muss wirklich schnelle Verfahren geben, damit die Kinder, die Familien da schnell zum Geld kommen. Ich weiß, es gibt immer wieder Spezialfälle, und in jenen Fällen, in denen kein Unterhaltsvorschuss möglich ist, hat das Kind auch Anspruch auf Sozialhilfe. – Damit schließe ich meine Ausführungen.
Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Vorsitzender! Geschätzte Einbringer:innen des Volksbegehrens! Werte Expertinnen und Experten! Frau Ministerin! Ich möchte in aller Kürze noch auf das Kinderbetreuungsgeld eingehen. Das Kinderbetreuungsgeld ist ein Thema, das uns im Nationalrat laufend beschäftigt, und wir haben viele Hürden, viele Hindernisse, und auch in der nachfolgenden Sitzung des Familienausschusses haben wir zahlreiche Anträge auf der Tagesordnung, weil das einfach viele Baustellen beinhaltet.
Wir setzen uns für eine Gesamtreform des Kinderbetreuungsgeldes ein. Diese Forderung stellen wir immer wieder, und ich ersuche jetzt hier auch darum, dass wir das gemeinsam angehen, um den Eltern den Zugang zum Kinderbetreuungsgeld auch wirklich so leicht wie möglich zu machen, und wir nicht jede einzelne Hürde hier immer wieder aufzeigen müssen.
Frau Schaffelhofer, Sie haben gesagt, das Recht auf Gleichheit ist den Kindern am allerwichtigsten und das ist sowohl eine Frage des Geldes natürlich als auch eine Frage der Teilhabe und der Chancengleichheit, der Chancengerechtigkeit. Und jedes fünfte Kind hat diese Chancengleichheit nicht – das habt ihr in eurem Volksbegehren auch ganz deutlich aufgezeigt.
Deswegen auch meine Frage an die Expertinnen und Experten: Wir haben immer wieder das Thema der Grundsicherung als mögliche Lösung, als mögliche nachhaltige strukturelle Lösung, um Kinderarmut auch tatsächlich zu beseitigen. Wie wäre eine Kindergrundsicherung umsetzbar und in welchem Zeitraum wäre das möglich, damit wir endlich nachhaltige strukturelle Lösungen finden und nicht immer nur Einzellösungen?
Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Ich darf die Ausführungen meiner Kollegin Petra Wimmer noch kurz ergänzen. Mich würde auch interessieren, Herr Fenninger, welche Erkenntnisse Sie durch die Kindergrundsicherung gewonnen haben, welche Auswirkungen sie hat. Sie als Volkshilfe haben da ja auch schon ein Modell angewandt, begleiten das auch wissenschaftlich. Also was sind die Erkenntnisse, was sind die Vorteile der Kindergrundsicherung, die Sie in Ihrer Forschung da quasi erhoben haben?
Ich möchte auch noch auf ein anderes Thema eingehen: Frau Schaffelhofer-Garcia Marquez hat ja auch davon gesprochen, dass die 60 Euro, die heute auch noch beschlossen werden, ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Und diese Umgestaltung der Leistungen und die Umgestaltung des Wohlfahrtsstaates in manchen Bereichen sind schon auch ein zentraler Punkt, um Kinderarmut abzuwenden. Ich möchte da auch noch einmal auf die Unterhaltsgarantie zurückkommen, weil es 2017 eigentlich schon den politischen Konsens dafür gegeben hat, dieser Konsens damals über alle Parteien hinweg, auch wenn sich mittlerweile einige Parteivorsitzende geändert haben, gegeben war – von Sebastian Kurz, von Heinz-Christian Strache, damals von Christian Kern, von Peter Pilz, von Ulrike Lunacek und von Matthias Strolz. Ich glaube aber, dass sich in der ideologischen Ausrichtung der Parteien dahin gehend kaum etwas geändert hat. Es ist mir daher unerklärlich, warum wir seit 2017 trotzdem hier keinen Fortschritt in Richtung Unterhaltsgarantie machen oder gemacht haben, trotz der Vorschläge.
Ja, natürlich, es hat Anpassungen beim Unterhaltsvorschuss gegeben, aber wir sehen trotzdem, dass gerade Kinder in Alleinerzieher:innenhaushalten trotzdem ein Problem haben, insbesondere unter Armut leiden und das Modell der Unterhaltsgarantie tatsächlich abfedern könnte. Ich verstehe daher nach wie vor nicht, warum wir diese Unterhaltsgarantie noch nicht haben, obwohl es den politischen Konsens seit 2017 gäbe. Und die Expertise, in diesem Fall Frau Schaffelhofer, hat uns hier ja auch dargelegt, dass diese 60 Euro wichtig sind, aber einfach nicht ausreichen, um Kinderarmut abzuwenden.
Ich habe eine Frage noch ergänzend zu den Ausführungen des Kollegen Oxonitsch, gerade was das Thema Staatsbürger:innenschaft betrifft: Frau Schaffelhofer, wo sehen Sie Möglichkeiten, um Teilhabe auch möglich zu machen, für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren beziehungsweise auch darüber hinaus, damit Wählen ab 16 – ein solch großer Erfolg für Österreich damals – auch heute noch für Jugendliche und auch für Kinder in der Teilhabe dann unter 16 gelebt werden kann? – Danke.
Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Vorsitzender! Werte Initiatoren! Frau Ministerin! Experten! Es ist bereits mehrfach gefallen und ich möchte es ganz kurz noch einmal ansprechen, weil es ein ganz, ganz wichtiger Aspekt ist: Sport und Bewegung.
Sport und Bewegung hat einen enormen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen, vor allem aber natürlich einen enormen Nutzen für die Gesundheit. Ich möchte ein paar Zahlen erwähnen, um das ein bisschen eindrücklicher zu machen. Alleine die Wertschöpfung durch Sport und Bewegung beträgt jährlich rund 17 Milliarden Euro. Und der Sport und die Bewegung ersparen dem Staat jährlich bis zu 530 Millionen Euro und da sind die Unfallkosten bereits berücksichtigt, bereits abgezogen.
Herr Papula hat auch das angesprochen, was wir bräuchten – eine ganz, ganz wichtige Forderung aus meiner Sicht; wir müssen das bedenken –: Wenn wir die Zahl jener Menschen, die sich gemäß den Empfehlungen der WHO ausreichend moderat bewegen, nur um 10 Prozent erhöhen könnten, würden wir volkswirtschaftlich weitere 117 Millionen Euro einsparen. Das heißt – wenn wir das noch weiterspinnen –, wenn wir die ganze Bevölkerung dazu bringen könnten, sich zu bewegen, würden wir sogar 1,15 Milliarden Euro einsparen. Wir hätten da also einen enormen volkswirtschaftlichen Nutzen und das würde sich bei den Gesundheitskosten deutlich bemerkbar machen.
Umso erstaunlicher ist es, dass wir dieses Thema – ich selbst fühle mich bereits wie ein Papagei; seit ich hier im Parlament bin, rühre ich dafür immer wieder die Trommel – immer wieder haben und wir uns noch immer darum bemühen müssen, mehr Sport und Bewegung in den Unterricht hineinzubringen.
Es ist ganz wichtig – und das ist mein Appell; es ist ganz egal, welche Bundesregierung wir haben, welche Farbe diese hat, ich glaube, darin ist man sich einig –: Es braucht endlich ein Zusammenwirken zwischen allen Ministerien, die da beteiligt sind – und das sind viele. Das ist das Sport-, das ist das Finanz-, das ist das Gesundheits-, das ist das Bildungsministerium und am Ende betrifft es auch die Kinder. Es gibt ein gemeinsames Interesse, nämlich dass wir hier weiterkommen. Ein Pilotprojekt ist natürlich gut und wichtig, aber ich glaube, wir müssen uns damit auseinandersetzen, ob wir nicht den Turnunterricht verpflichtend einmal am Tag in den Lehrplan hineinbringen. Und dafür würde ich mir noch mehr Initiativen wünschen. – Danke schön.
Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Einer der Punkte des Volksbegehrens ist ja die Gleichbehandlung von Kindern, und man ist oft versucht, zu glauben, wenn jedes Kind das Gleiche bekommt, dann sind sie gleichbehandelt. Eltern, Menschen, die mit Kindern arbeiten und befasst sind, wissen, dass das nicht so ist, da jedes Kind verschiedene Bedürfnisse hat und jedes Kind etwas anderes braucht, um ihm gerecht zu werden.
Die Situation von Kindern in Österreich ist so, dass es verschiedene Perspektiven gibt, die wir heute schon gehört haben: Kinder, die von Armut betroffen sind, brauchen finanziellen Ausgleich; Kinder, die von Gewalt betroffen sind, brauchen Schutz und sichere Umgebung; Kinder, die mit einer Behinderung leben müssen, sind in Österreich noch immer sehr im Hintertreffen.
Und jetzt wäre meine Frage an Frau Dr. Culen: Wenn Sie drei Maßnahmen umsetzen könnten, was würden Sie sich wünschen, dass die Politik im Zusammenhang mit Kindern und Behinderungen angeht? Egal ob im schulischen Bereich, im sozialen Bereich, was würden Sie uns heute mitgeben, wenn Sie drei Wünsche frei hätten?
Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Vorsitzender! Frau Bundesministerin! Liebe Expertinnen und Experten! Da passt es gut, Kollegin Ecker, wenn ich jetzt noch etwas dazu sagen darf, weil ich mich in den letzten Tagen mit Müttern und Vätern von behinderten Kindern unterhalten habe. Und ich kann schon ein paar Vorschläge machen und Ihnen das sagen, was die mir gesagt haben: Ein wesentlicher Punkt ist, solche Kinder brauchen regelmäßig einen Kuraufenthalt, im Rahmen dessen sie sehr viel dazulernen. Faktum ist, wenn dann – und es handelt sich dann leider oft um alleinerziehende Mütter – die Mutter, und die muss ja dabei sein, bei ihrem Kind ist, muss sie sich für diese Zeit den Jahresurlaub nehmen. Das heißt also, dass eine Frau, die ohnehin schon sehr stark belastet ist, dann auch nicht mehr Urlaub machen kann, weil sie die Zeit mit dem Kind dort verbringen muss.
Das ist ein wesentlicher Punkt. Ich weiß nicht, wie man es gesetzlich ändern kann, vielleicht können Sie uns das erklären. Aber weil hier von Gleichbehandlung die Rede war, muss ich sagen, da ist natürlich überhaupt keine Gleichbehandlung.
Ein anderer Punkt betreffend Gleichbehandlung ist das Thema Schule. Und da muss ich schon die ÖVP anschauen: Wir haben das hier auch schon diskutiert, da ist Herr Bundesminister Polaschek hier gestanden und hat gesagt, ja, diese Eltern sind ja so toll, was die nicht alles machen. Ich habe ihm damals schon gesagt, dass die Eltern von dieser seiner Aussage allein überhaupt nichts haben. Aber es ist ganz einfach, es steht ja auch in der UN-Kinderrechtskonvention, nämlich das Recht zumindest auf das 11. und 12. Schuljahr.
Jetzt reden wir schon ich weiß nicht wie lange darüber – und Sie nicken, danke schön –, und dann heißt es immer wieder, ja, das sollte man machen. – Warum machen Sie es nicht? Ich möchte wirklich auch von Ihnen, Frau Bundesministerin, eine Antwort auf die Frage: Warum machen Sie es nicht? Wir wissen, dass diese Kinder, wenn sie 15 oder 16 Jahre alt sind, natürlich nicht in der Lage sind, in das Leben hinauszugehen oder in eine Lehre einzutreten. Wir wissen, dass sie eine Schule brauchen. Wir wissen, dass es die Schulen gibt, und wir wissen, dass es möglich ist. In Wien machen wir es ja jetzt auch, aber es ist auch nur für ein Jahr finanziert. Ich hoffe, dass es jetzt länger geht.
Warum ist diese so extreme Ungleichbehandlung in diesem Land noch immer möglich, obwohl wir gleichzeitig alle möglichen internationalen Abkommen, Konventionen unterschreiben? Dann hält sich keiner daran? Es ist, glaube ich, etwas, was man ganz leicht beschließen könnte. Ich bin aber auch für Hinweise dankbar, was man noch machen könnte.
Das ist eigentlich mein letzter Punkt: Sie haben von 20 Prozent Betroffenen gesprochen. Ich habe jetzt nicht genau verstanden, worauf sich das bezieht. Das würde ich auch noch gerne hören.
Ich bitte dann um ganz klare, konkrete Vorschläge und richte dann den Appell an die Mehrheit im Haus, diese auch umzusetzen. – Danke schön.
Antwortrunde der Expert:innen
Mag. Dr. Caroline Culen: Es werden nur ein paar Punkte sein. Ich bin froh, dass ich keine Politikerin bin, die dann konkrete Maßnahmen schneidern muss, aber ich werde versuchen, ein paar Hinweise zu geben.
Der erste Punkt vielleicht: 20 Prozent, das sind Kinder mit chronischen Erkrankungen, Behinderungen oder seltenen Erkrankungen, auch psychischen Erkrankungen, die einfach Gesundheitsleistungen brauchen und die auch selbst angeben, dass sie diese brauchen. Das ist aus der HBSC-Studie.
Ich werde mich auf die Themen Gesundheit, Bildung und Teilhabe konzentrieren. Es geht um die Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen oder chronischen und seltenen Erkrankungen. Da gibt es viele Themen, wir wissen das. Sie sind im Bildungsalltag von der Teilhabe ausgeschlossen, sie können nicht überall mitfahren. Schon allein sehr viele Gebäude der Bildungsinstitutionen in Österreich sind einfach quasi 150 Jahre alt, und es gibt nicht einmal barrierefreie Zugänge für Kinder und Jugendliche. Das ist so sowohl für jene, die im Rollstuhl sitzen, aber auch für jene, die vielleicht andere körperliche Einschränkungen haben, vielleicht auch solche Erkrankungen wie zystische Fibrose, wo das Lungenvolumen nicht ausreicht, um in den dritten Stock hinaufzukommen. Ich denke, die Barrierefreiheit ist ein ganz wichtiger Punkt. Das wissen wir auch. Da braucht es einfach klare Maßnahmen und vor allem finanzielle Unterstützungen, da können wir die Bildungseinrichtungen nicht alleinlassen.
Es geht um das Freizeitprogramm und um Sommerbetreuung. Wenn man mit den Eltern spricht – man muss auch sagen, das sind dann allermeist Mütter, die diese Kinder und Jugendlichen betreuen; nicht weil die Väter das vielleicht nicht wollen oder sich nicht kümmern, sondern irgendjemand muss auch für das Familieneinkommen sorgen –, sehen die sich im Sommer neun Wochen gegenüber, in denen es gar keine Betreuung gibt. Ich rede jetzt noch nicht einmal vom 11. und 12. Schuljahr, sondern tatsächlich von den vielen, vielen Wochen im Jahr, in denen es außerhalb der Bildungseinrichtungen keine Betreuungen für Kinder und Jugendliche mit körperlichen Beeinträchtigungen gibt.
Wir sehen, es gibt einen Pflegenotstand in Österreich. Ja, das stimmt, aber wir sehen, dass die Kinderkrankenpflege stark vernachlässigt wird. Familien könnte massiv geholfen werden, wenn es flächendeckend aufsuchende, mobile Pflege gäbe. Das wäre eine große Entlastung. Sie wissen, viele Familien mit Kindern und Jugendlichen müssen weite Wege auf sich nehmen, um zu ihren Gesundheitsleistungen zu kommen. Zusätzlich müssen sie Kosten auf sich nehmen, weil sehr oft notwendige Therapien wie Ergo-, Logo- oder Physiotherapie, aber auch psychosoziale Angebote nicht kostenfrei sind – und das für Menschen, die sehr belastet sind, für Kinder und Jugendliche, die im Aufwachsen besondere Herausforderungen haben. Es wäre also auch eine Forderung, diese Therapien für diese Kinder auf jeden Fall kostenfrei anzubieten.
Ein nächster Punkt noch ganz kurz: Wir sehen uns auch gerade im Kinder- und Jugendgesundheitsbereich sehr stark einem Mangel an Kassenärzt:innen gegenüber. Wir haben jetzt in der Covid-Krise gesehen, wie viele Kinder und Jugendliche unversorgt sind, wenn es um psychische Probleme geht. Das wussten wir schon vor der Pandemie, da gab es wenig Gehör dafür. In der Pandemie haben wir einerseits diese wirklich schrecklichen Zahlen gehört, und andererseits, glaube ich, kennt jeder und jede von uns Kinder und Jugendliche, die massiv gelitten haben. Dann gab es aber in einem Land wie Österreich keine ausreichende Versorgung. Sie kennen das Projekt Gesund aus der Krise, das ist ein – wie soll ich sagen? – Feuerlöschplan. Dem gegenüber sind wir durchaus positiv gestimmt, aber es braucht im Bereich psychischer Versorgung von Kindern und Jugendlichen eine Lösung für die Zeit nach diesem Projekt.
Jetzt schaue ich, ob ich noch einen konkreten Punkt für die Versorgung hatte. – Genau, es geht um die Pflege, um die aufsuchende Pflege, um die Freizeitangebote und die Betreuung, es geht um die kostenfreien Therapien. Es gibt mittlerweile Rehabilitationsangebote, es gibt Kinder- und Jugendlichenrehabilitation in ganz Österreich. Der wichtige Punkt, damit diese Kinder sie auch aufsuchen können, ist die Pflegefreistellung für einen begleitenden Elternteil. Oft gibt es aber auch noch Geschwisterkinder. Es muss auch die Betreuung der Geschwisterkinder, die zur selben Zeit zu Hause bleiben und in Kindergarten oder Schule gehen, gewährleitet sein. Mir ist klar, das sind keine trivialen Aufgaben, aber dafür braucht es Lösungen.
Ein Punkt, der mir wichtig ist, war das Kinderrechte-Monitoring. Es gibt das Kinderrechte-Board, angesiedelt im Familienministerium beziehungsweise im Bundeskanzleramt. Ich denke, dort hat man schon Strukturen, die durchaus genützt werden könnten. Sie bräuchten noch einmal ein anderes Pouvoir und vielleicht brauchen diese Boards auch eine Geschäftsordnung, die dann auch ein bisschen schlagkräftiger ist, wenn Expertinnen und Experten zusammensitzen und überlegen: Wo gibt es in Österreich Luft nach oben, aber was ist vielleicht auch schon umgesetzt? Was sehen wir auch gar nicht? Wo gibt es also tatsächlich auch Verbesserungen?
Ein Punkt, glaube ich, wo wir sehr viel machen könnten, ist betreffend Wissen um und Sensibilisierung für Kinderrechte. Es ging ganz kurz um die Elementarpädagog:innen, um den Bereich der ganz jungen Kinder, aber überhaupt der Bildungseinrichtungen. Ich nehme jetzt nicht nur die Volksschulen und die Gymnasien, sondern auch die Lehre. Das Wissen um Rechte ist bei Kindern und Jugendlichen ganz wenig verbreitet, auch was das in der politischen Dimension bedeutet. Ich denke, politische Bildung ist bei Kindern und Jugendlichen überhaupt sehr gering geschätzt.
Sie machen bis zur Matura einen Biotest, schreiben ein Geschichteportfolio, dann ist Matura, und sie stehen da und sollen irgendwie vollwertige Bürgerinnen und Bürger sein, die aber in puncto Mitspracherecht, in puncto demokratiepolitische Instrumentarien ganz wenig mitbekommen haben. Das gilt sowohl für die, die Matura machen, als auch für die, die eine Lehre machen. Sie sind gewohnt, in einem System zu sein, das paternalistisch organisiert ist. Das gilt übrigens auch für unser Gesundheitssystem. Darauf werde ich hier jetzt nicht besonders eingehen. Mitspracherecht und Partizipation wird unseren Kindern aber nicht beigebracht, weil sie die Erfahrung machen: Ich sage etwas, aber es wird nicht erst genommen oder es hat keine Auswirkung. Vielleicht sagt mein Gegenüber sogar, sehr interessant, aber ich spüre die Auswirkung nicht. Dieses Thema der Selbstwirksamkeit wird bei uns vernachlässigt.
Das führt mich eben zu folgendem Punkt: Ich würde mir Ausbildungen zum Thema Kinderrechte für alle Menschen wünschen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, vor allem diejenigen, die hauptamtlich arbeiten, aber gerne auch für die, die ehrenamtlich arbeiten, entwicklungsgerecht für Kinder und Jugendliche aufbereitet. Dafür braucht es nicht riesige Umstrukturierungen in Lehrplänen, das müsste einfach in die DNA von uns allen eingehen.
Kinderschutzkonzepte und Gewaltschutz werden sicher noch von meinen Kolleg:innen angesprochen werden. Bei der Kindergrundsicherung ist es ähnlich. Gut, meine Zeit ist aus. – Vielen herzlichen Dank.
Mag. Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez: Dann beginne ich gleich mit der Frage nach Kinderschutzkonzepten und dem Gewaltschutzpaket. Was braucht es, damit es wirklich gut ankommt? – Ich sage, eine interministerielle Arbeitsgruppe. Dieser Ministerratsvortrag wurde von sieben Ministern und Ministerinnen unterzeichnet. Was wir mitbekommen, ist, dass es nur punktuell untereinander Austausch gibt, welches Ministerium welche Schritte setzt. Bei Kinderschutz braucht es immer einen übergreifenden, umfassenden Blick.
Was passiert gerade im Bildungsministerium? – Bis Ende dieses ersten Halbjahres soll ein Gesetz vorgelegt werden, wie Kinderschutzkonzepte an allen Schulen Österreichs implementiert werden können. Ich verweise darauf, in Wien gibt es für die Schulen im Pflichtschulbereich schon konkret die Vorgabe, das bis zum Ende dieses Sommersemesters zu machen. Wie geht das vor sich, wenn es dann für Bundesschulen oder für alle Schulen in Österreich womöglich eine andere Vorgabe gibt? – Dazu braucht es etwas Übergreifendes, Koordiniertes, Transparentes aller Bundesländer untereinander.
Wir wissen, im Elementarpädagogikbereich gibt es in Wien, Salzburg, Vorarlberg, im Burgenland, in der Steiermark– falls ich jemanden vergessen habe, bitte ich um Verzeihung – schon Bewegung dahin, dass es verpflichtet kommt. Wie gesagt, in Wien ist schon etwas auf dem Weg. Die Rückmeldung von Lehrkräften ist, sie fühlen sich alleingelassen, es fehlen ihnen die Ressourcen, es braucht da einen Klimawandel.
Ich habe immer gesagt, Kinderschutzkonzepte an den Schulen könnten eine historisch großartige Chance sein, Gewalt wirklich aus dem Schulalltag herauszunehmen. Noch einmal ganz klar gesagt: Bitte, weg von dem einzigen Fokus auf sexualisierte Gewalt! Gewalt hat so viele Formen und sie passiert nicht nur im Machtgefälle zwischen Pädagog:innen und Kindern, sondern auch unter den Kindern. Ein Kinderschutzkonzept kann so etwas wie gegenseitige Beschimpfungen zum Thema machen. Was sind unter anderen auch die Schimpfworte von Kindern? – Das sind Behinderter, Schwuler, Mädchen, Veganer – habe ich jetzt auch schon als Schimpfwort gehört –, Opfer. Es kann zum Thema machen, wie wir miteinander umgehen.
Ein Kinderschutzkonzept bricht einmal etwas auf. Es ist bei all den Themen nicht von heute auf morgen so, dass alles super sein wird. Es ist auch sehr vieles schon sehr gut. Es gibt auch eine Unmenge an ausgezeichneten Pädagoginnen und Pädagogen in Österreich. Ich will ja nicht, dass hier dann gesagt wird, wir machen alles nur schlecht. Nein, aber wenn wir eine Verbesserung wollen, dann muss man einmal den Start setzen. Ein Kinderschutzkonzept wäre ein sehr guter Punkt. Und es braucht Ressourcen! Es braucht wirklich Ressourcen, damit man sich zusammensetzen und das im Team auch bearbeiten kann.
Was man bei dem Paket jetzt noch gesehen hat: Von der Jugendstaatssekretärin wurde ja schon ein Leitfaden für den außerschulischen Bereich vorgelegt, der übrigens unter anderem auch auf dem Kinderschutzkonzept des Netzwerks Kinderrechte beruht. Es ist gut, dass es das gibt, wir wissen trotzdem, für Vereine ist das nicht verpflichtend.
Noch eine Verknüpfung: Es müssen nicht alle bei null anfangen. Natürlich braucht ein Kindergarten etwas anderes als eine HTL, als ein Karateverein. Es gibt aber internationale Vorgaben, was ein Kinderschutzkonzept beinhalten muss, und da kann man gemeinsam Ressourcen nutzen.
Bei den Strafrechtsänderungen haben wir von Anfang an immer gesagt, die Erhöhung der Strafen – das wird auch von Strafrechtsexpert:innen so beschieden – wird wahrscheinlich nicht zu weniger Delikten führen. Wir haben das jetzt auch in der Stellungnahme kundgetan. Auch betreffend Änderung des Namens Kinderpornografie braucht es – das sage ich immer bei allen Themen – viel Austausch mit Expertinnen und Experten, was sinnvoll und was nicht sinnvoll ist.
Auch eine Kampagne ist in diesem Paket vorgesehen. Dazu mein Plädoyer: Eine Kampagne braucht zuerst Geld. Jetzt sind 1 oder 2 Millionen Euro vorgesehen. Das mag viel klingen, ist für eine Kampagne, glaube ich, aber zu wenig, wenn man eine Änderung vorantreiben möchte. Frau Ministerin, Sie sind auch für Medien zuständig. Ich schlage vor, auch den ORF mit seinem öffentlichen Auftrag in so eine Kampagne einzubeziehen. Ich nenne – positiv oder nicht positiv – das Beispiel zu Coronazeiten, als uns wirklich überall – auf jeder Plakatwand, am Citylight, in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder eben im ORF – Werbung fürs Abstandhalten und was auch immer entgegengekommen ist. Das sollte man auch für eine Kinderrechts-, Kinderschutzkampagne nutzen. Adressaten für Kinderschutz sind immer Erwachsene. Die sind dafür zuständig, Kinder zu schützen.
Ein Punkt noch: Sie sind dafür zuständig, aber wir müssen bei den Kindern und Jugendlichen immer rückchecken, worum es denn wirklich geht. Auch ein Kinderschutzkonzept muss also unter Beteiligung von Kindern und Jugendlichen erarbeitet werden, für die es dann gilt, denn die sagen, was ihnen wehtut oder was sie nicht mögen. Noch einmal: Es ist nicht nur die sexualisierte Gewalt. Das braucht es dann halt einheitlich in ganz Österreich.
Effektives Kinderrechte-Monitoring: Ja, es gibt das Kinderrechte-Board im Familienministerium. Es bräuchte viel mehr. Ich nenne die Eckpunkte: Wir wissen, es gibt die Volksanwaltschaft, es gibt den Monitoringausschuss zur Behindertenrechtskonvention, es gibt die Kinder- und Jugendanwaltschaften in den Bundesländern. Es gibt in Deutschland das Vorbild des Deutschen Instituts für Menschenrechte und dort eine Monitoringstelle für Kinderrechte. Es gibt von uns seit langer Zeit Vorschläge, dass man sich wirklich einmal zusammensetzt und fragt: So, und wie bauen wir das für österreichische Verhältnisse auf?
Was hat die Klimakrise mit Kinderrechten zu tun? – Ganz extrem viel! In der Kinderrechtskonvention sind mehrere Verweise darauf, dass Kinder eben ein Recht auf eine gesunde Umwelt, auf ein gesundes Aufwachsen haben. In den Empfehlungen des UN-Kinderrechtsausschusses an Österreich aus dem Jahr 2020 wurde extra darauf hingewiesen, dass Österreich ganz genau auf Umwelteinflüsse schauen soll, auch ein Klimaschutzgesetz umsetzen soll, damit Kinder eben gesund aufwachsen können. Insofern besteht ein großer Konnex.
Zur Frage, was vielleicht noch nicht in der Kinderrechtskonvention ist und wo wir Vorreiter sein könnten: Im Herbst wird ein sogenannter General Comment vorgestellt, also noch einmal eine aussagekräftige Interpretation des Kinderrechtsausschusses, was die Klimakrise bedeutet. Wir haben erst vor zwei Wochen mit Fridays for Future auch noch einmal extra darauf hingewiesen, warum es dieses Klimaschutzgesetz in Österreich auch braucht. Genau an diesem Tag haben sich nämlich die Vereinten Nationen zu der Razzia bei der Last Generation in Deutschland geäußert, wo sie gesagt haben: Bitte, wir brauchen diese moralische Stimme von Jugendlichen, von jungen Menschen, die uns nämlich trotz Widerstand einfach zeigen, in welche Richtung es geht! Kinder und Jugendliche zeigen uns also ganz oft, dass wir aus unserer Trägheit, die wir als Erwachsene haben, aufbrechen müssen.
Teilhabe für Jugendliche: § 57a Schulunterrichtsgesetz – seit ganz vielen Jahren haben Kinder das Recht, in der Schule mitzubestimmen. Beim Coronasonderbericht haben sie uns gesagt: Wir wollen gesehen werden! Das macht etwas für unser Leben, wenn wir wahrgenommen werden.
Ausbildung, Fortbildung hat die Kollegin schon angesprochen. Es braucht nicht nur das Wissen, sondern wirklich danach zu leben.
Tom Seliger: Ich möchte die Frage von Frau Ecker beantworten und die meinerseits erwähnte Studie der TU München erläutern. In dieser Studie ging es eben wie gesagt darum, herauszufinden, ob sich Sport positiv auf die Lebensqualität und auf die Konzentrationsfähigkeit auswirkt. Dazu wurden rund 3 200 Jungs und 3 300 Mädchen befragt und getestet. Diese Studie wurde nach international standardisierten Testverfahren aufgebaut.
Herausgekommen ist im Endeffekt, dass Kinder, die sich täglich aktiv und sportlich bewegen und oft sportliche Aktivitäten machen, nicht nur eine höhere Konzentrationsfähigkeit haben, dass diese nicht nur eine höhere Lebensqualität haben, sondern unter anderem – im Kontrast zu jenen, die jetzt eher adipös wirken – auch eher den Sprung auf ein Gymnasium schaffen würden. Das war das Endergebnis.
Um die andere Frage betreffend psychische Gesundheit in der Schule zu beantworten: Ich bin ja momentan noch in der Schule. Ich bin in meinem letzten Jahr, ich habe jetzt bald die mündliche Matura. Infolge des Homeschoolings ist, so wie ich es mitbekommen habe, die psychische Gesundheit nicht nur in meiner Klasse, sondern generell in der ganzen Schule, nicht nur meiner Schule, sondern in vielen Schulen, stark gesunken.
Ich würde jetzt einmal meine Schule, die Internationale Schule in Kufstein, als Paradebeispiel anführen, weil sie sich damit schon befasst hat. Die hat nämlich schon gesagt: Hey, wir müssen aufpassen, wie es unseren Kindern geht, wir müssen sie psychisch unterstützen! Daher hat sie eine Psychologin eingesetzt, die nun wöchentlich an unsere Schule kommt, zu der jeder hingehen kann, mit der jeder reden kann, seine Wünsche – nicht nur schultechnisch, sondern auch generell im Leben – äußern kann. Somit haben wir halt einfach jemanden zum Reden, wenn wir jemanden brauchen.
Das Problem, das ich darin sehe, ist jedoch dennoch, dass sich viele Schüler erstens einfach gar nicht trauen, dorthin zu gehen, und zweitens wissen sie gar nicht, dass sie das brauchen. Sie sind sich gar nicht bewusst, wie stark die Psyche von ihnen nachgelassen hat, weil sie für längere Zeit damit befasst wurden und es damit halt nicht aktiv mitbekommen haben, weil es sich eben über eine längere Zeit gezogen hat. Obwohl das, so wie es an meiner Schule jetzt gemacht wurde, ein guter Lösungsweg ist, ist es aber wie gesagt trotzdem noch ein Problem.
Eines der signifikantesten Probleme, die daraus auch noch hervorgehen, ist, dass viele Kinder, also eher Jugendliche, die psychische Deteriorationen durch das Homeschooling erfahren haben, jetzt, da es wieder möglich ist, soziale Kontakte zu pflegen, anstatt psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, eher zu Alkohol gegriffen haben, dass sie wirklich statt hinauszugehen, etwas mit Freunden zu unternehmen, daheimsitzen und sich mit Alkohol ihren Frust wegtrinken. Das hört sich ziemlich aggressiv an und das ist es auch.
Wenn das jetzt bei uns schon so schlimm ist – ich meine, wir haben das vor ein, zwei, drei Jahren erlebt, als wir großteils schon aus unserer Entwicklungsphase heraus waren –, wie muss es dann bei Kindern sein, die das mitten in der Hochzeit ihrer Entwicklungsphase erleben mussten? Wie wird sich das auf die Zukunft dieser Kinder auswirken? Ich kann mir gut vorstellen, dass es da nicht nur bei Alkohol bleibt, sondern dass das auch drastischere Folgen nach sich ziehen wird.
Daher finde ich, dass man beispielsweise, wie es meine Schule gemacht hat, Psychologen an diese Schulen bringen soll. Statt einfach nur hinzugehen und zu sagen: Hey, guckt mal, liebe Schüler! Wir haben jetzt einen Psychologen, eine Psychologin! Ihr könnt da hingehen und euch äußern!, muss man vielmehr auch aktiv auf die Schüler zugehen. Man muss eine oder mehrere Stunden generell veranschlagen, in denen mit den Kindern geredet wird und ihnen bewusst gemacht wird, dass es sein könnte, dass sie psychische Deteriorationen erfahren haben.
Wie gesagt, sind sich viele dessen gar nicht bewusst, und eine Psychologin ohne Klienten bringt nichts. Daher muss man halt die Schüler auch dazu bringen, dass sie sich wirklich dieser Aktion unterziehen, weil es ohne das halt nichts bringt. Man muss die Schüler dazu bringen, man muss herausfinden, woran es liegt, wie man helfen kann. Das macht man halt am besten durch so eine Psychologin. – Danke schön.
Mag. (FH) Erich Fenninger, DAS: Ich hoffe – das waren ja viele Fragen; danke für die Auseinandersetzung –, dass ich dem einigermaßen gerecht werde. Ich fürchte, nicht.
Ich versuche, mich auf einige Punkte zu konzentrieren, zum Beispiel auf einen Punkt von Frau Kugler, die die Frage der Begleitmaßnahmen angesprochen hat. Ich würde meinen, es gibt in diesem Bereich so eine Grundtendenz, dass wir zwar viel proklamieren und erklären und sozusagen Zielvorgaben haben, aber zu wenig operationalisieren. Ich glaube, das wäre der große Appell von meiner Seite oder auch von der Sozialarbeit in Österreich insgesamt: Was wir uns vornehmen, sollten wir durchführen.
Ich glaube, Kollegin Ecker, miteinbeziehen, haben Sie gemeint, wenn ich es richtig verstanden habe.
Es gibt eine dramatische Zunahme an Depressionen, eine dramatische Steigerung unter den Jugendlichen, was Suizidgedanken betrifft. Also wir finden das wirklich erschreckend. Das ist durch viele Studien so belegt.
Die Gründe dafür sind unterschiedlich, glaube ich. Es gibt nicht nur einen, aber einer ist auf jeden Fall Sorge um die Zukunft – das sieht man, wenn man sich die Forschung dazu ansieht –, die Sorgenlast durch die Existenzunsicherheit der Kinder und Jugendlichen. Ein Grund ist natürlich auch die Isolation und die Folgewirkung der Pandemie – das muss man auch betonen –, und ein Grund liegt, glaube ich, generell auch im Bildungssystem, was schon angesprochen wurde: dass viele Kinder und Jugendliche den Bildungsort viel zu wenig als Schutzraum und zu sehr als Angstort erleben. Also insbesondere bei jenen Kindern, die sich schwertun, in der Bildung mitzukommen, oder auch bei den armutsbetroffenen Kindern sehen wir das stark.
Was könnten Maßnahmen sein? – Eben der Umbau in Richtung mehr Lern- und weniger Prüfungsort, weniger Selektion, Ausbau der Sozialarbeit in der Schule, in den Bildungseinrichtungen, aber darüber hinaus keine Schutzzonen, die im Prinzip ja auch wieder behübscht sind, mit denen man die Jugendlichen aus dem öffentlichen Raum hinausbringt, sondern ihnen wieder Möglichkeiten bieten, und vor allem appelliere ich auch in Richtung Ausbau der Kinder- und Jugendarbeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Das ist wirklich dramatisch.
Dann würde ich zu Kollegen Oxonitsch, zur Frage bezüglich der Kinderrechtskonvention weitergehen. Ja, ich könnte mir vorstellen, einerseits wirklich alles, was wir nicht in den Verfassungsrang gehoben haben, in den Verfassungsrang zu heben.
Vielleicht nehme ich da eine Einbeziehung der Frau Kollegin Neßler zu Kollegen Oxonitsch vor. Zur Übergabe einer intakten Umwelt: Wir haben eh schon gehört, natürlich ist etwas drinnen. Ich glaube aber, das sollte man aufbauen, weil auch dort eine große Sorgenlast bei den Jugendlichen erkennbar ist, und es geht um unseren Planeten. Das würde ich empfehlen.
Vielleicht auch noch in Richtung dieser Anfrage: Man sollte nicht nur die Kinderarmut als Problem und deren Abschaffung als Ziel sehen, sondern wirklich irgendwie eine Messbarkeit implementieren.
Zur Kindeswohlkommission: Ich denke, es war ein guter Schritt, der da beschlossen worden ist, aber wie oft bei vielen Themen ist es so: Wir operationalisieren es nicht, oder es ist – jetzt sage ich es ein bisschen salopp – eh wurscht. Man hat geflüchtete Kinder in dieser Zeit auch abgeschoben, ohne das Kindeswohl einzubeziehen. Das ist evident und nachweisbar, und auch die Chefin der Kindeswohlkommission hat darüber Klage geführt, dass das nicht operationalisiert wird.
Zur Treffsicherheit: Ich glaube, in der Sachleistung ist es klar. Ich denke, das Thema Mittagstisch war jetzt sehr stark von den NEOS in Wien, in der Stadtregierung, da. Gut, wir haben Volkshilfe-Breakfastclubs und so weiter. Wir sehen wirklich, dass das wesentlich ist. Das Geld allein ist nicht alles, aber es ist die Voraussetzung. Wenn jemand kein Geld hat, ist oftmals das Geld wichtig.
Dann komme ich am Schluss zu Frau Holzleitner und dorthin, wo die Anfragen waren. Wir haben doch zwei Jahre lang von Vorarlberg bis Wien Kindergrundsicherung ausbezahlt. Wir haben viele Erwartungen gehabt, aber die Veränderung ist so dramatisch. Die Kinder beschreiben sozusagen: Wir haben weniger Sorgen! Am Ende des Monats ist Geld da! Ich muss mich nicht mehr fürchten, dass es womöglich eine Delogierung gibt oder der Strom nicht bezahlt werden kann!
Also die extreme Sorgenlast nimmt ab, auch die Sorgenlast der Eltern, die oftmals die Sorgenlast beim Kind verdoppelt. Der Wohnort, der karg und spartanisch ist, wird ein wenig auch zum Wohlfühlort. Die Kinder sagen: Es gibt ein Ende der Toastbrotzeit! Am Ende des Monats ist ausreichend Geld vorhanden, sodass ich als Kind versorgt werde!
Die Kinder nehmen teil. Die Kinder gehen aus der Isolation heraus in ein Freibad oder können sich vis-à-vis von der Schule auch einmal in der Woche ein Kipferl kaufen, so wie alle anderen Kinder auch. Das heißt, diese Selbstwirksamkeit erhöht sich.
Die Messbarkeit an Freunden und Freundinnen wird mehr. Also das hat uns auch überrascht. Am Beginn haben sie wesentlich weniger Bezugspersonen als danach. Auch am Vereinsleben können sie endlich teilnehmen.
Sie haben auch die Unterstützung durch Nachhilfeservice. Das heißt, sie schreiben in der Schule bessere Noten. Das führt zu einem Glück, weil sie sagen: Jetzt traue ich mich auch, in der Schule etwas mitzuteilen, und rede dort mit!
Zum gleichen Punkt gehört, dass die Gesundheit verbessert wird. Also all diese Kinder – auch die Ärztekammer sagt das – haben sehr früh chronische Erkrankungen, meistens Kopfschmerzen, Bronchitis, Bauchschmerzen, Übelkeit. Wenn die Sorgenlast zu Hause verringert wird, wenn man weiß: Okay, wir kommen schon durch die nächsten Monate!, wird die Belastung reduziert, die diese Erkrankungen auslöst. Damit verringern sich die Fehlzeiten in der Schule. Dadurch, dass sie öfter hingehen und nicht wegen Bronchitis zu Hause bleiben, sind sie anschlussfähig. Wenn es durch eine Kindergrundsicherung noch die Finanzierung einer Nachhilfe gibt, dann schreiben sie bessere Noten. Perspektivisch gesehen wäre das wirklich die Umkehr, der Gamechanger.
Wir wissen aus der Armutsforschung in Deutschland: 25 Jahre lang wurden armutsbetroffene und nicht armutsbetroffene Personen vom Kleinstkindalter an bis heute untersucht, und wir sehen, simplifiziert gesagt (Obmann Sieber gibt das Glockenzeichen) – ich komme zum letzten Satz –, dass diejenigen, die damals arm waren, heute tendenziell Hartz-IV-Bezieher:innen, Sozialhilfebezieher:innen, arbeitslos sind: Das heißt, wenn wir die Kinder in dieser Zeit unterstützen, dann haben sie einen deutlich längeren Bildungsweg vor sich, und die Kinder könnten auch im Erwachsenenalter selbstwirksam werden. – Danke.
Mag. Alexandra Lugert: Danke für die interessante Diskussion, die interessanten Fragen. Ich werde jetzt kurz auf ein paar Dinge eingehen, die mir aufgefallen sind und hoffentlich alle Fragen der Frau Abgeordneten Jachs beantworten.
Ich habe jetzt von meinen Vorrednern gehört: Depression, Suizidgedanken, vielen Kindern geht es nicht so gut. – Da können wir jetzt Maßnahmen setzen, um zu helfen. Ich möchte noch einen Schritt nach vorne gehen und sagen, nicht umsonst sagt der Artikel 2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern, dass die Kinder einen „Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen“ haben.
Wo fängt denn die Resilienz an? – Zu Hause. Hat man zu Hause gute, starke Beziehungen, fühlt man sich sicher. Hat man zumindest da einen starken Wohlfühlort, dann geht man gestärkt nach außen. Von da her möchte ich noch einmal ganz stark auf diesen Aspekt der Elternbildung eingehen, die da wirklich helfen kann.
Wir haben die Situation, dass das Netzwerk der Großfamilie, das früher gang und gäbe war, nicht mehr da ist. Das heißt, die Tante, die zwischendurch einen Erziehungstipp gibt, ist nicht mehr da. Eltern haben oft ein gutes Grundgefühl dafür, was sie tun könnten, verlieren aber die Sicherheit beziehungsweise kommen in schwierige Situationen. Ich denke jetzt an besonders trotzige Kinder, Herausforderungen mit einem Teenager, von dem man Dinge erwartet, die man – wüsste man zum Beispiel durch Elternbildung: Was kann man überhaupt? Was ist die Entwicklungsphase eines Kindes? Wie schaut es im Gehirn eines Teenagers aus? – vielleicht gar nicht erwarten würde, Dinge, die zu ständigen Konflikten zu Hause führen. Man kann auch Strategien finden, wie man damit umgeht.
Überforderung führt oft bei Eltern, die ja grundsätzlich das Beste für ihre Kinder wollen, zu Reaktionen, bei denen es dann zu Gewalt kommt, die wir unter allen Umständen verhindern müssen. Also ich appelliere da. Es wird schon viel getan. Ich bin auch sehr froh, dass Elternberatung jetzt in den Eltern-Kind-Pass, der in Erarbeitung ist, integriert wird. Das ist ein toller Schritt.
Auch ein Aspekt sind die Frühen Hilfen. Ich habe sie vorhin kurz angesprochen. Was vielleicht nicht so präsent ist, ist, dass die Frühen Hilfen auch eine ganz gute Maßnahme gegen die Gatekeepingfunktion mancher Mütter sind, weil dann die Sicherheit vermittelt wird: Der Papa macht es vielleicht anders, aber er macht es auch gut, es gibt verschiedene Wege, und es gibt viele gute Wege. Das stärkt die Partnerschaftlichkeit, und auch das tut Kindern ungemein gut, wenn auch das wieder ein Punkt ist, der die Überforderung verhindert.
Das Smartphone wurde angesprochen. Auch da gilt wieder: Medienkompetenz vor allem auch der Eltern ist wichtig. Es gibt Situationen von Mobbing. Ich weiß nicht, wer das kennt: Es gab da einen wirklich tollen Film von der EU. Da sieht man, eine Mutter macht die Tür auf, und dann kommen ganz schräge Gestalten herein und wollen hinauf zur Tochter, und die winkt sie alle durch. Das ist etwas, das wir im realen, analogen Leben nie tun würden. Plötzlich, im digitalen Raum, verlieren wir die Übersicht und glauben, das Kind kann das eh. Also auch das ist wieder ein Fall für die Elternbildung.
Wien hat die Betreuungsleistungen an offenen Schulen und auch die Betreuungsbeiträge in städtischen Horten erhöht, hat jetzt den Plan, die Kosten in den Ganztagsschulen, die Jause, freizustellen. Ich appelliere, dass man im Schulbereichen die verschränkten Formen, die offenen Formen und auch die Horte gleichstellt, um Eltern da auch die Wahlfreiheit zu geben, das Modell zu wählen, das für die Familie am besten passt. Vielleicht hat das Kind Gitarrenunterricht, oder die Oma freut sich, wenn es jeden Mittwoch kommt. Vielleicht wäre es nur der Drang, die Ganztagsschule zu wählen, weil man es sich jetzt nicht so gut leisten kann, denn im Hort muss man zahlen und in der Ganztagsschule nicht. Wahlfreiheit für die Familien ist mir da sehr wichtig.
Ein ganz kleiner Punkt, der mir jetzt noch eingefallen ist, betrifft die Bewegung in der Schule. Es gab da auch einmal Versuche mit Ergometerklassen. Das klingt für mich auch sehr interessant. Wirklich zu schauen, dass die Kinder sich in der Schule bewegen, unterstütze ich, aber es sollte halt in einer Form passieren, die für den Standort noch einen Spielraum lässt und auch große Sporteinheiten von 2, 3 Stunden für irgendwelche aufwendigeren Sportarten ermöglicht, für die man ja oft auch noch wo hingehen muss. – Danke.
Statement der Bundesministerin
Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Expertinnen und Experten! Vor allem natürlich: Sehr geehrte Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens! Bei Ihnen möchte ich mich eingangs ganz herzlich bedanken. Sie haben es geschafft, dass in diesem Rahmen mit unterschiedlichen Experten, mit der Politik über dieses so wichtige Thema gesprochen wird. Wir tun das häufig, aber ich denke, heute ist noch einmal ein wirklich wichtiger Rahmen, aus dem wir auch neue Anregungen mitnehmen können.
Wir sehen auch heute, wie umfassend, wie breit das Thema der Kinderrechte ist. Also mir begegnet es auch in meinem Portfolio als Ministerin tagtäglich, wenn ich nur daran denke, dass ich als Frauenministerin für die Gleichberechtigung von Mädchen und Burschen kämpfe, dafür, dass Mädchen einfach ausschließlich anhand ihrer Stärken, Interessen und Talente eine Berufswahl treffen können, wenn ich als Integrationsministerin daran denke, dass ich will, dass jedes Kind, unabhängig davon, welchen Migrationshintergrund es hat, ob es einen hat oder nicht, ob es Deutsch als Muttersprache hat oder nicht, einfach die gleichen Rechte vorfindet und auch den gleichen Bildungsweg gehen kann, oder natürlich auch, wenn es darum geht, wie wir die Teilhabe von Kindern mit Behinderung stärken können.
In meinem familiären Umfeld darf ich seit Jahren ein Kind mit Downsyndrom begleiten, und da sehe ich, was Gutes passiert, aber auch, was für die Eltern die großen Herausforderungen für die Zukunft sind, die ihnen natürlich immense Sorgen bereiten.
Als Familienministerin bin ich deshalb froh, wenn ich sehe – und das wurde ja auch mehrmals erwähnt –, dass wir ein breites soziales Netz haben, zu dem ich als Familienministerin einen Teil beitrage, in dem aber natürlich auch die Bundesländer, die Gemeinden sehr stark im Rahmen der Sozialhilfe unterstützen. Wir als Familienministerium unterstützen mit Familienleistungen und sind mit der Summe und der Höhe der Familienleistungen an dritter Stelle innerhalb der Europäischen Union. Das ist gut und richtig, und diesen Weg wollen wir auch weitergehen. Dieser ist mir und uns in der Volkspartei auch wichtig, weil die Familien und selbstverständlich auch die Kinder ins Zentrum unserer Politik in allen Lebensbereichen gehören.
Wir Eltern wollen alle das Beste für unsere Kinder erreichen, und wir in der Politik wollen die Eltern dabei unterstützen, dass das gelingt. Deshalb haben wir auch in den letzten Jahren umfassend daran gearbeitet, wenn es um all die Antiteuerungsmaßnahmen geht. Wir haben es seit Jahrzehnten erstmalig geschafft, dass alle Familienleistungen valorisiert sind. Wenn also das Leben teurer wird, dann steigen auch die Familienleistungen.
Wir haben auch mit zusätzlichen Maßnahmen im Bereich der Antiteuerungspolitik immer die Familien ins Zentrum gestellt: mit der Sonderfamilienbeihilfe, mit der Erhöhung des Familienbonus, mit der Erhöhung des Kindermehrbetrags – das ist besonders für Alleinerzieherinnen, die nicht das Einkommen haben, dass sie von der steuerlichen Ausgleichsmaßnahme Familienbonus profitieren, so wichtig –, mit dem Antiteuerungsbonus für die Erwachsenen und für die Kinder, und, und, und. Ich möchte jetzt nicht alles aufzählen, sondern nur die wesentlichen Punkte unterstreichen, die die Summe insgesamt darlegen sollen.
Jetzt haben wir natürlich auch vernommen, gerade auch von der Zivilgesellschaft und den NGOs – und das haben wir auch sehr ernst genommen –, dass es trotz des breiten sozialen Netzes, das wir in Österreich haben – das haben wir definitiv, und dass wir ein wirklich gut ausgebautes Sozialhilfesystem in Österreich haben, wissen wir alle –, besonders in der Zeit der Teuerung Familien gibt – und ich sage jetzt wieder: besonders alleinerziehende Mamas –, die am unteren Einkommensrand sind, die keine Erwerbstätigkeit haben, die besonders von dieser Teuerung betroffen sind.
Deshalb haben wir jetzt zusätzlich noch einmal ein Maßnahmenpaket gegen Kinderarmut geschnürt. Wir haben gesagt, jetzt haben wir eh schon den breiten Zugang mit Valorisierung der Familienleistungen und Valorisierung der Sozialleistungen gewählt, bei dem uns immer vorgeworfen wird, das sei die Gießkanne. Jetzt haben wir gesagt, wir wollen besonders treffsicher und zielgenau dort hingehen, wo es keine Erwerbseinkommen, Mindestsicherungsbezieher und Alleinerziehende mit ganz geringen Erwerbseinkommen gibt. Ich denke, es ist uns gelungen – oder ich hoffe, es wird uns gelingen, weil der zweite Teil jetzt erst beschlossen werden soll –, dass wir treffsicher und zielgenau noch einmal dort helfen, wo es besonders notwendig ist.
Wir haben auch in den letzten Monaten – und das haben wir in einem Schulterschluss mit meinen Regierungskolleginnen, mit Alma Zadić und Claudia Plakolm, gemacht, weil wir gesagt haben, wir alle haben unabhängig von unserer politischen Zugehörigkeit ja das Interesse, dass Kinder den höchstmöglichen Schutz in unserer Gesellschaft haben – noch zusätzlich ein neues Kinderrechtepaket verabschiedet, bei dem es um zahlreiche Strafverschärfungen, um die Implementierung von Kinderschutzkonzepten, um die Einrichtung einer Qualitätssicherungsstelle im Bereich des Kinderschutzes und natürlich auch um die Durchführung einer österreichweiten Kinderschutzkampagne geht, die Kollegin Zadić und ich gerade gemeinsam ausarbeiten.
Laufend kommt es zu Verbesserungen im Kinderschutz. Ich kann Ihnen ganz aktuell berichten: Ich konnte mit allen zuständigen Landesrätinnen und Landesräten in Österreich nun eine neue 15a-Vereinbarung für den Ausbau von Schutz- und Übergangswohnungen für Frauen und Kinder sicherstellen. Wir werden als Bund erstmalig in diesen Bereich investieren. Da geht es darum, dass für Frauen, wenn sie von Gewalt betroffen sind, und auch für ihre Kinder Schutzorte da sind und auch, um sie dann in die Selbstständigkeit überzuführen, Übergangswohnungen da sind, weil der klassische Frauenhausplatz oft nicht ausreicht, sondern es eben auch diese Übergangswohnungen braucht. (Obmann Sieber gibt das Glockenzeichen.) – Jetzt bekomme ich auch das Zeichen.
Zum Volksbegehren noch zwei, drei Anmerkungen: Es ist mir total wichtig, dass die UN-Kinderrechtskonventionen den höchstmöglichen Standard in Österreich hat. Ich habe das so übernommen, dass die Verfassungsjuristen mir sagen, den hat sie, und auch, wenn ich mit meinen internationalen Kollegen spreche, bekomme ich eigentlich immer die Rückmeldung, dass wir da rechtlich, auch was die Verfassungsabdeckung betrifft, international eine Vorreiterrolle haben.
Ich bin da aber total offen. Also wir haben derzeit die Evaluierung laufen. Wenn die Evaluierung etwas anderes ergibt, dann bin ich die Letzte, die dagegen spricht, dass wir in Österreich den Kinderrechten den höchstmöglichen Schutz in allen Facetten einräumen.
Natürlich ist Kinderarbeit zutiefst zu verurteilen. Das ist kein Thema von Österreich allein, sondern international, auch auf EU-Ebene ein Thema. Deswegen wird es dort auch gerade verhandelt.
Abschließend freue ich mich natürlich, dass wir gewisse Teilbereiche des Volksbegehrens schon, wie Sie – danke für die Sachlichkeit – auch angemerkt haben, in die Umsetzung bringen konnten, wenn auch aus Ihrer Sicht nicht vollumfänglich, aber durch die Valorisierung des Kinderbetreuungsgeldes und das Armutspaket aus meiner Sicht.
Ich denke wie gesagt, alle Eltern wollen das Beste für ihre Kinder, und es gibt im Zentrum natürlich die elterliche Verantwortung. Der Staat kann nicht die hundertprozentige Verantwortung in der Erziehung aller Kinder übernehmen, sondern es stehen die Familien, die Eltern und ihre Kinder, im Mittelpunkt. Wir unterstützen die Eltern in der bestmöglichen Wahrnehmung ihrer elterlichen Verantwortung. Das tun wir finanziell, aber auch durch umfassende Beratungsmaßnahmen, wie beispielsweise durch die 75-prozentige Erhöhung des Budgets aller Familienberatungsstellen seit 2020. – Danke.
Obmann Norbert Sieber gibt den informierten Vertreterinnen und Vertretern der Ministerien noch die Möglichkeit, Ergänzungen im zeitlichen Umfang von 4 bis 5 Minuten zu machen.
Statements der informierten Vertreter:innen der Ressorts
Dr. Brigitte Ohms: Danke, dass das Bundeskanzleramt, der Verfassungsdienst, hier die Gelegenheit bekommt, ein bisschen zur Faktenlage beizutragen. Es ist heute auch schon angeklungen, dass die wesentlichen Inhalte der Kinderrechtskonvention in unserem BVG Kinderrechte enthalten sind.
Wir sind da – ich habe es mir in Vorbereitung für diese Veranstaltung noch einmal angeschaut – auch breiter als die EU-Grundrechtecharta. Ich denke, wenn die Forderung erhoben wird, dass Verbesserungen im Grundrechtsschutz stattfinden sollen, so sind sie eher in der Durchführung zu suchen. Die Verfassung, auf deren Ebene wir schon seit 2011 das BVG Kinderrechte haben, gebietet so viel Grundrechtsschutz, und das wird auch vom Verfassungsgerichtshof und von österreichischen Gerichten aufgegriffen.
Das BVG Kinderrechte ist der eine Hebel. Der zweite Hebel – ich möchte ihn hier der Vollständigkeit halber erwähnen – ist der Gleichheitssatz, der dem Verfassungsgerichtshof sehr, sehr viel Spielraum bietet, den er, gerade auch in Kombination mit dem BVG Kinderrechte, auch wahrgenommen hat, und man sollte dem Gerichtshof nicht vorgreifen. – Ich danke.
Dr. Peter Barth: Weil die Reform des Kindschaftsrechts und auch die Unterhaltsgarantie angesprochen wurden, ein paar Anmerkungen dazu: Wir im Justizministerium haben mit zahlreichen Expert:innen und auch unter Beteiligung von Jugendlichen im Rahmen der Reform des Kindschaftsrechts ein Konzept einer Unterhaltsgarantie entwickelt, das auf der Schließung der Lücken des Unterhaltsvorschussgesetzes beruht.
Jedes Kind mit einem getrennt lebenden Elternteil in Österreich soll den so genannten Richtsatzunterhalt in der Höhe der Halbwaisenpensionsrichtsatzes erhalten. Das sind derzeit 477 Euro. Grundsätzlich ist dieser Elternteil natürlich gefragt, den Unterhalt zu bezahlen. Soweit er nicht dazu in der Lage ist, müsste nach diesem Konzept der Staat einspringen.
Im Sinne eines One-Desk-Prinzips wären die Familiengerichte zuständig. Das heißt, bei den Familiengerichten, wo ja über den Unterhalt entschieden wird, ist das Wissen vorhanden: Wo ist zu wenig Einkommen der Eltern da, dass dieser Unterhalt in voller Höhe geleistet werden kann?, und es kann am selben Schreibtisch dann auch über den Unterhaltsvorschuss entschieden werden. Es wäre weiterhin daran gedacht, dass der Staat versucht, diese Leistungen von den Eltern, die ja grundsätzlich für ihre Kinder zuständig sind, zurückzuerhalten.
Wenn sich Eltern trennen, steigen die Lebenshaltungskosten, das weiß jeder. Da soll der Staat, wenn nötig, unterstützend eingreifen. Wenn Elternteile sehr bedürftig sind, dann gibt es ergänzend natürlich weiterhin die Sozialhilfe, die aber immer nur ein Anspruch der Elternteile und nicht der Kinder ist, und bei der die Leistungen in Österreich in den einzelnen Bundesländern auch sehr unterschiedlich sind. – Danke.
Doris Wagner, BEd MEd: Vielen herzlichen Dank für die Möglichkeit, kurz Stellung zu beziehen. Ich möchte ein paar Punkte einbringen.
Das Erste ist der neue Lehrplan: Wir haben das übergreifende Thema Gesundheitsförderung im neuen Lehrplan. Da sind Ernährung und Bewegung wesentliche Elemente, um auch die Bewusstseinsbildung der Schülerinnen und Schüler zu stärken.
Die tägliche Bewegungseinheit ist angesprochen worden. Uns vom Bildungsressort reicht es jetzt nicht, nur eine Stunde dazuzugeben, sondern wir wollen auch diesen Kulturwandel haben, nämlich in den Fächern grundsätzlich auch Kurzbewegungseinheiten zu implementieren, zusätzlich Bewegungscoaches in die Schulen zu bringen, um auch die Sportorganisationen besser sichtbar zu machen und auch für jene, die mehr Bewegungsförderung brauchen, Angebote zu schnüren.
Noch ganz kurz zum 11. und 12. Schuljahr: Ja, wir haben eine neunjährige Schulpflicht in Österreich. Ja, es braucht aber darüber hinaus noch mehr. Wir haben im sonderpädagogischen Förderbedarf, also bei Kindern mit SPF, die Möglichkeit, zwei Jahre über die Schulpflicht hinaus zu beschulen, aber es braucht die Zustimmung der Schulerhalter und der Bildungsdirektion.
Wir hatten, um es in Zahlen zu fassen, im letzten Jahr von 140 Ablehnungen 118 in einem Bundesland konzentriert. Herrn Bundesminister Polaschek war es wichtig, sofort eine Aktion zu setzen, und wir haben Fallkonferenzen einberufen und gesagt, jede Ablehnung braucht eine pädagogische Begründung. Ich kann Ihnen eines sagen: Es war bisher keine einzige Fallkonferenz notwendig, das heißt, auch keine Ablehnung für das nächste Schuljahr, soweit die Fortschritte in diesem Schuljahr einmal zu beachten sind.
Mein allerletzter Punkt: Wenn es um Kinder und um die psychosoziale Gesundheit geht, dann möchte ich noch auf den Ausbau der Schulpsychologie, den wir massiv durchgeführt haben, verweisen und auch auf die Möglichkeit, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter in den Bundesländern gemeinsam mit den Bundesländern gut zu etablieren, um für unsere Schülerinnen und Schüler nicht nur für einen guten Unterricht zu sorgen, sondern auch, um die psychosoziale Balance gut herzustellen, damit Lernen auch möglich ist. – Danke.
Abschließende Stellungnahme des Bevollmächtigten des Volksbegehrens
Lukas Papula: Herzlichen Dank für die Debatte. Ich möchte mich auch speziell bei der Frau Ministerin für die Bereitschaft bedanken, etwas bei der Kinderrechtskonvention zu verbessern.
Zur Erinnerung: Uns geht es um das Dritte Zusatzprotokoll, denn da muss man schon sagen, dass de facto der Rechtsschutz deutscher Kinder besser als jener österreichischer ist, weil Deutschland eben dieses ratifiziert hat. Die haben einen über die nationale Letztinstanz hinausgehenden Instanzenzug und somit einen besseren Rechtsschutzweg. Das könnte man, glaube ich, ganz gut umsetzen.
Ich möchte auch etwas zu dem Punkt sagen, dass Sie gemeint haben, dass in erster Linie natürlich die Eltern gefordert sind. Das stimmt, nur dürfen Kinder das nicht unverschuldet ausbaden müssen, wenn jetzt der Unterhalt ausbleibt, sei es aus Zahlungsunwilligkeit oder aus fehlender wirtschaftlicher Möglichkeit. Sie haben dieses One-Desk-Prinzip oder diese Methode, alles am selben Bezirksgericht abzuwickeln, angesprochen.
Ich glaube, dass es für die Durchschnittsbevölkerung, die nicht mit den einschlägigen Normen vertraut ist, real eine große Hürde darstellt. Es gibt natürlich auch ein Rechtskosten-, Rechtsberatungskosten- und Prozesskostenrisiko. Ich glaube, es hält Leute ab und es gibt nicht umsonst die Klage, dass es mit bürokratischen Hürden verbunden ist. Es würde Gerichte entlasten, um dies einfach schneller – zumindest ohne diesen Exekutionstitel, vielleicht nach dem Muster einer einstweiligen Verfügung oder dergleichen – auszubezahlen.
Dann möchte ich noch darauf eingehen, dass gesagt wurde, dass eine Begründung fehle. Wie ich das auch vorhin gesagt habe, waren wir der Meinung, dass alle diese Bestandteile unsers Forderungskatalogs, wenn man so möchte, nichts ist, was uns genuin eingefallen wäre. Das haben wir alles einer ja schon jahrzehntelang bestehenden Kinderrechtediskussion entnommen. Ich glaube, so wie es auch die Bevölkerung durch diese Unterschriftenzahl unter Beweis gestellt hat, versteht man das. Überwiegend sind die Forderungen auch intuitiv plausibel. Durch die Referenzierung auf die bestehende Debatte sind auch die Argumente erschöpfend – implizit, wenn man so möchte– dargelegt.
Ich möchte vielleicht an eine Floskel erinnern, die ich in diesem Haus oft gehört habe, als ich noch hier gearbeitet habe: Es wurde schon alles gesagt, aber nicht von jedem. Man muss das, glaube ich, nicht immer allzu breittreten, es liegt auf der Hand.
Noch eine Anmerkung bezüglich der gesunden Jause, weil die aus Freistadt kommende Frau Jachs ja meinte, in einem Umkreis von 50 Kilometern wird es dann die regionale Jause aus Temelín geben. Abgesehen davon, dass ich große Tiktok-Gefahr für dieses Zitat sehe, glaube ich, dass man selbst von Freistadt aus in einem Umkreis von 50 Kilometern nicht einmal in Budweis ist. Wo ist man da in Tschechien? In Dolní Dvořiště oder in Kaplice vielleicht. Es umfasst das halbe Mühlviertel, das halbe Waldviertel, den Nibelungengau, den Strudengau und weite Teile des Alpenvorlandes, also durchaus Regionen, wo man das Zeug essen kann, das dort wächst, und auch die Tiere, die dort gehalten werden.
Ich sehe zwischen einer Turnstunde und einer Bewegungseinheit einen bloß terminologischen Unterschied, und zwar einen vernachlässigbaren. Vermutlich ist auch ein Spaziergang im Wald gesünder als Kontaktsport oder dergleichen, aber man muss etwas für die Bewegung tun. Ich möchte noch einmal appellieren, dass die ins Treffen geführten 200 Millionen – jetzt nicht hier, aber in der medialen Berichterstattung –, die halt anscheinend nicht finanzierbar wären, doch priorisiert werden sollten und man das jedem Kind zukommen lassen sollte, dass es sich – wenn man das so nennen will – im Sinne einer artgerechten Menschenhaltung täglich und ausreichend bewegt
Zuletzt möchte ich an Sie alle – dieses in der Rechtswissenschaft gottgleiche, unergründliche Wesen, den Gesetzgeber, von dem Sie ein Teilsegment sind –appellieren, dass Sie sich doch die eine oder andere Forderung dieses Volksbegehrens zu Herzen nehmen. Es stehen dahinter viele Menschen. Vielleicht wären es mit Werbung mehr geworden, man weiß es nicht. Vielleicht wären es auch mehr geworden, hätten wir irgendwelche Interviewanfragen angenommen, was wir auch nicht gemacht haben. Es sind wirklich Sachen, hinter denen die Menschen stehen, und man macht sich ja nicht unbeliebt, wenn man für Kinder eintritt. Das wissen Sie auch alle, und deswegen ist das eine Chance, jetzt etwas voranzubringen.
Ich bedanke mich noch einmal explizit bei den Expert:innen. Vielen Dank und alles Gute! Mögen die Kinderrechte gestärkt werden!
Obmann Norbert Sieber schließt, da die Redezeit erschöpft ist und keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, die Debatte und dankt allen Expert:innen, Proponent:innen des Volksbegehrens und Vertreter:innen der Ressorts herzlich für ihr Kommen.
Sodann unterbricht der Obmann kurz die Sitzung und beendet damit auch den öffentlichen Teil der Beratungen zu TOP 2.
Schluss des öffentlichen Teils von TOP 2: 12.26 Uhr