Transkript der Veranstaltung:
Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen
Purple Light up Day
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(Es folgt ein Musikstück.)
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(Beifall.)
Barbara Sima-Ruml (Moderation): Herzlich willkommen zur heutigen Auftaktveranstaltung zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen. Besonders begrüßen darf ich die Gastgeber:innen der heutigen Veranstaltung, nämlich Herrn Nationalratspräsidenten Mag. Wolfgang Sobotka (Beifall), die Präsidentin des Bundesrates Claudia Arpa (Beifall) sowie den Dritten Präsidenten des Nationalrates Ing. Norbert Hofer. (Beifall.)
Ein weiterer Gruß geht an die zahlreich erschienenen Vertreter:innen von Institutionen, die sich mit Menschen mit Behinderungen und mit der Inklusion beschäftigen. – Danke, dass ihr alle hier seid. (Beifall.)
Des Weiteren heiße ich natürlich auch alle anwesenden aktiven und ehemaligen Abgeordneten zum Nationalrat und die Mitglieder des Bundesrates herzlich willkommen. (Beifall.)
Namentlich begrüßen möchte ich auch noch die Protagonist:innen der heutigen Veranstaltung, nämlich vor allem Mag.a Helene Jarmer, die Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes, die die Keynote halten wird, und Herrn Rudolf Kravanja – er ist der Präsident des Öziv Bundesverbandes –, der die Laudatio zum Höhepunkt und Anlass der heutigen Veranstaltung halten wird, nämlich die Verleihung des Zertifikats Fair für alle für das Parlament. (Beifall.)
Und natürlich, wir haben es schon gehört, verantwortlich für die musikalische Untermalung ist heute das Ensemble Ohrenklang. Das ist ein junges, inklusives Ensemble, das in kooperativer Kommunikation zwischen Studierenden der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und jungen musizierenden Menschen mit Behinderungen die Texte der Autoren des Literaturwettbewerbs Ohrenschmaus musikalisch gestaltet. – Herzlich willkommen. (Beifall.)
Auf uns wartet heute ja ein spannendes Programm und ich bitte daher gleich Frau Bundesratspräsidentin Claudia Arpa für die Eröffnungsworte zu mir. (Beifall.)
Claudia Arpa (Präsidentin des Bundesrates): Herzlichen Dank für die wunderbare Einbegleitung auf der einen Seite von deiner Seite und auf der anderen Seite für die musikalische. Herzlichen Dank dafür! Ein Dankeschön auch noch den Gebärdensprachdolmetscher:innen, die uns dann durch das Programm begleiten.
Vielleicht etwas zu meiner Person: Für mich ist es heute das erste Mal, dass ich im Nationalrat sprechen kann, denn Sie haben ja gehört, ich bin die Bundesratspräsidentin, und normalerweise ist mein oder unser Saal, in dem ich sprechen darf, der Bundesratssaal. Das ist für mich heute auch eine große Ehre. Vielleicht auch noch ein paar persönliche Worte: Ich habe ja, wenn man sich mit meiner Biografie auseinandersetzt, auch einige Jahre daran gearbeitet, behinderte Menschen zu begleiten, auf den Weg zu bringen. Deswegen ist es mir eine große Freude und eine Herzensangelegenheit, immer darauf hinzuweisen, dass Inklusion etwas ist, woran wir auch alle arbeiten müssen, dass wir das einfach weiterbringen. Das wollte ich nur eingangs einmal erwähnen, damit Sie einmal wissen, wer diese Frau ist, die da vor Ihnen steht und heute die Grußworte sprechen darf.
Ja, ich denke wir müssen heute auch gemeinsam ein Stück weit die Rechte und die Anliegen von Menschen mit Behinderungen unterstützen, und diese Initiative Purple Light up ist eine wunderbare Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen, denn in einer pluralen und vielfältigen Gesellschaft, wie wir sie in Österreich leben möchten, ist dieser Vielfältigkeit auch Rechnung zu tragen und allen Menschen Chancengleichheit zu bieten.
Österreich hat sich ja 2008 zur Behindertenrechtskonvention der UN bekannt und will auf Bundesebene und auch auf Ebene der Europäischen Union die Zielsetzungen und behindertenrechtlichen Interessen wahrnehmen. Das bedeutet konkret, auf allen Ebenen der Bildung, der Beschäftigung, der beruflichen Teilhabe, der Selbstbestimmung und Mitwirkung am öffentlichen Leben und durch alle Lebenslagen und Altersstufen hinweg sind Maßnahmen zu setzen.
Es gilt daher, weiter am Ausbau bei der Bildung beziehungsweise an Ausbildungsangeboten zu arbeiten, die Kooperationen auf Bund-, Länder- und Gemeindeebene zu fördern und so von der Elementarpädagogik über die Schulen bis hin zu den Universitäten, aber auch in der Erwachsenenbildung die Inklusion zu verankern.
Auch in Beschäftigung und beruflicher Teilhabe ist die Berücksichtigung von Menschen mit Behinderung aus meiner Sicht unerlässlich. Einer beruflichen Tätigkeit und bezahlter Arbeit nachzugehen gehört aus meiner Sicht ebenso zum Leben wie die Teilhabe am öffentlichen und sozialen Leben. Auch hinsichtlich der Gesundheitsversorgung haben wir ein Höchstmaß an Qualität zu gewährleisten, auch da gilt es weiter daran zu arbeiten, und wir haben auch den Auftrag, weiter daran zu arbeiten, eine umfassende Barrierefreiheit zur Verfügung zu stellen. Wie es die Verpflichtung der UN-Konvention darlegt, darf niemand aufgrund seiner Behinderung diskriminiert werden.
Behindertenrechte sind Menschenrechte. Sie betreffen uns alle, vom Kind bis hin zum älteren Menschen, und so müssen sie die Gleichstellung und so müssen auch wir die Gleichstellung in unserer Gesellschaft umfassend gewährleisten.
Ich möchte betonen, dass die Inklusion von Menschen mit Behinderung für alle Beteiligten ja einen Gewinn und eine Bereicherung darstellt. Daher freue ich mich auch sehr, dass wir heute das Zertifikat Fair für alle verleihen und an der globalen Kampagne Purple Light up teilnehmen.
Es geht dabei nicht nur um eine Zeichensetzung. Es geht um gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe an unserer Gesellschaft. Wir möchte im österreichischen Parlament Vorbild sein und auch Vorbildwirkung zeigen. Die Bewusstmachung von mehr Inklusion, Barrierefreiheit und Chancengerechtigkeit möchten wir auch anderen Institutionen, Vereinen, Unternehmen oder Organisationen vermitteln. Es ist nicht so gut, dass es nicht besser werden kann – mit diesen Worten möchte ich schließen und mich bei Ihnen allen bedanken, die sich dafür engagieren, dass das Leben inklusiver wird. – Herzlichen Dank. (Beifall.)
Barbara Sima-Ruml: Vielen Dank für diese Worte, und, er ist schon aufgestanden, bitte schön, Herr Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer. – Bitte um Ihre Begrüßungsworte. (Beifall.)
Norbert Hofer (Dritter Präsident des Nationalrates): Besten Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Frau Präsidentin! Liebe Fest- und Ehrengäste! Du hast heute zum ersten Mal von diesem Pult aus gesprochen, bei mir ist es genauso. Im neuen Parlament bin ich noch nicht hier gestanden und durfte von diesem Pult aus reden. Im alten Parlament war das aber sehr wohl der Fall.
Ich kann mich noch gut erinnern, als die Entscheidung getroffen worden ist, dieses Parlament zu sanieren, umzubauen. Da war das etwas, das gar nicht so einfach war, denn damals waren noch mehr Parteien im Parlament vertreten, als das heute der Fall ist. Es gab das Team Stronach, es gab das BZÖ, und es war eine heikle Angelegenheit, einen Allparteienbeschluss herbeizuführen, denn wir wussten, wenn auch nur irgendeine, eine einzige Partei ausschert – ich bin gespannt, wie das alles übersetzt wird, was ich hier spreche, das ist nämlich immer ganz lustig –, wenn auch nur irgendeine Partei ausschert, wird es schwierig, dieses Projekt positiv zu Ende zu bringen.
Es ist gelungen, dass alle Parteien mitgemacht haben, und der gesamte Prozess der Sanierung war einer, der mit einigen Rückschlägen natürlich - -, Herr Präsident, Denkmalschutz, Herr Parlamentsvizedirektor Wintoniak war natürlich hier auch besonders gefordert – das Haar ist nicht noch weißer geworden, das kann ich bestätigen, es war vorher schon etwas grau meliert, aber es war eine große Herausforderung. Es ist gelungen und wir haben jetzt ein barrierefreies Parlament, und das ist etwas, worauf wir alle ganz, ganz besonders stolz sind.
Frau Präsidentin, du hast inhaltlich schon alles gesagt, was zu sagen ist, und daher bitte ich, ein paar persönliche Worte sagen zu dürfen. Ich hatte am 11. August in diesem Jahr meinen 20. Jahrestag des Übertritts in ein anderes, in ein neues Leben, und ich würde nicht die Wahrheit sagen, wenn ich behaupten würde, dass die ersten Wochen nicht sehr schwierig waren; denn wenn man gerne Marathon gelaufen ist oder vom 10-Meter-Turm gesprungen ist, und dann wird dir gesagt was jetzt passiert ist – und zuerst hat es ja geheißen, der Rollstuhl bleibt –, dann muss man sich zuerst damit zurechtfinden. Mein Vater hat mir damals gesagt, du wirst dich damit zurechtfinden, und er hat recht behalten.
Es war am Weißen Hof, wo wir gemeinsam waren, eine Gemeinschaft, wo wir in diesen neuen Lebensabschnitt hineingegangen sind, und es hat funktioniert; und ich glaube, das kann ich heute sagen, dass dieser Unfall aus mir einen etwas besseren Menschen gemacht hat, denn ich war natürlich, typisch junger Politiker, besonders selbstbewusst und war der Meinung, dass ich das alles in den nächsten Jahren besonders toll machen werde, und dann hat man ein Jahr lang Zeit, um nachzudenken, und das verändert natürlich. Das verändert natürlich. So schwierig das war, die Zeit davor geht mir nicht ab, und ich bin froh, dass ich diese Erfahrung machen durfte.
Mir ist aufgefallen in den letzten Wochen, dass wir auch in den sozialen Netzwerken eine gewisse Diskussion haben, welche Begriffe man uns gegenüber verwenden darf und welche man nicht verwenden darf. Das ist gar nicht so einfach, weil sich das mit der Zeit auch immer ändert. Ich habe jetzt eine Debatte zwischen einem Journalisten und einer anderen Person beobachtet. Da ging es darum: Darf man sagen, ich bin an den Rollstuhl gefesselt? – Natürlich sind wir nicht gefesselt, aber ich glaube, dass es nicht so die Begrifflichkeiten sind, wo wir uns besonders einsetzen müssen, sondern es sind die Taten. Also ob uns jetzt jemand manchmal auch mit Worten wehtut, das passiert, es hat mir immer irrsinnig wehgetan, wenn jemand gefragt hat, wie es mir geht, das ist am Anfang schwierig, aber es sind die Taten.
Ich glaube, was für uns ganz, ganz besonders wichtig ist, ist, dass jeder und jede auch sieht, dass wir einfach frei sein wollen, dass wir selbst entscheiden wollen, wie wir unser Leben leben, dass für uns die Behinderung keine Behinderung ist. Wir sind auch nicht disabled. Wir haben die Fähigkeit, ganz viel zu machen und ganz viel zu erreichen, und deswegen bedanke ich mich bei Ihnen, weil jeder von Ihnen, der sich auch einsetzt für die Rechte von Menschen mit Behinderung, etwas ganz Besonderes leistet.
Lassen Sie mich noch eines sagen, was ich gerne sage: Jeder von uns hat eine Behinderung. Jeder von uns ist irgendwie etwas aus der Norm; der eine mehr, die eine mehr, der andere weniger, die andere weniger. Für Arnold Schwarzenegger, als er 25 war, wären wir alle Schwächlinge gewesen. Es kommt immer darauf an, von welcher Basis man die Dinge sieht. Jeder ist ein bisschen aus der Norm, und das macht unsere Gesellschaft aus.
Besten Dank für Ihren Einsatz und danke, dass Sie heute da sind! (Beifall.)
Barbara Sima-Ruml: Vielen lieben Dank auch an Sie. Nun hören wir den nächsten musikalischen Beitrag des Ensembles Ohrenklang. Ich bitte darum.
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(Es folgt eine musikalische Gestaltung des Ensembles Ohrenklang von Texten der Autor:innen des Ohrenschmaus Literaturwettbewerbs.)
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(Beifall.)
Barbara Sima-Ruml: Vielen lieben Dank für diese wunderbare inklusive Darbietung. Wenn man auch den Text mitliest – ich finde, das ist total bewegend. Danke dafür. Ich habe mir das gar nicht so erwartet, muss ich ehrlich gestehen. Es steht auch gar nicht hier, aber es ist wirklich sehr schön gewesen. – Danke.
Als Nächste bitte ich jetzt bitte Frau Mag.a Helene Jarmer zu uns. Sie wird die Keynote sprechen, und zwar zu dem Thema: das Parlament vor und nach der großen Sanierung. Frau Jarmer ist die Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes, das heißt, sie ist gehörlos, und das wird von ihrem Gehörlosendolmetscher übersetzt. – Bitte schön. (Beifall.)
Helene Jarmer (Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes): Das tue ich einmal runter, das brauche ich ja nicht.
Ja, vielen herzlichen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, dass ich heute hier sein darf. Danke schön. Ich freue mich wirklich insbesondere, jetzt hier im neuen Parlament stehen zu dürfen, mit so einem tollen Publikum an diesem besonderen Tag, und das war früher nicht so und ist jetzt wirklich auch wunderschön, auch alleine, wenn man vorbeigeht und die Beleuchtung sieht – ein großartiges Zeichen vom österreichischen Parlament. Vielen Dank dafür. (Beifall.)
Wenn ich mich zurückerinnere: Bevor ich ins Parlament gekommen bin, gab es natürlich ganz viele Mythen, und da gab es diese zwei Dolmetscherinnen da oben noch nicht, da war es leer. Als ich dann ins Parlament gekommen bin, erinnere ich mich noch ganz genau an die Zwischengespräche: Kann man das wirklich alles übersetzen? Kann man das, was im Hohen Haus passiert, tatsächlich eins zu eins so übersetzen? Ganz viele Fragezeichen, ganz viele Fragezeichen! Dann hatte ich meine erste Rede, und die Kollegin da oben, Sabine Zeller, hat dann meine 10-minütige Rede hier gedolmetscht, und da war es ganz schön still im Raum, habe ich erfahren. Alle hatten so ein großes Fragezeichen im Gesicht: Was passiert hier?
Wir haben uns natürlich vorbereitet. Es war schon recht spät, und seit dem Tag, als ich dann begonnen habe, hier als Abgeordnete zu arbeiten, gibt es auch Gebärdensprachdolmetscher:innen hier vorne, und ich bin auch sehr froh, dass es sie auch bis heute noch gibt und weiterhin geben wird. Danke dafür, es ist nicht in jedem Parlament selbstverständlich, das muss man auch dazusagen.
Wenn ich so zurückblicke und auf meine Reden achte, gab es halt immer wieder - - Also ich kann mich noch erinnern an eine Rede von Sozialminister Hundstorfer, des ehemaligen Sozialministers, der einmal in einer Rede gesagt hat: Ich bin ja nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen! Und alle haben zu den Dolmetschern geschaut. Kann man das wirklich - - Entschuldigung, können Sie das wirklich übersetzen? Und ich war so: Na, was sonst?! Also natürlich kann man das übersetzen! – Das Fragezeichen ist zwar kleiner geworden, ist aber nicht ganz weggegangen. Es war so ein Erstaunen dar.
Dann gab es einmal eine Sitzung, eine Ausschusssitzung, wo dann auch Kolleg:innen von Parteien natürlich Zwischenrufe gemacht haben. Die wurden dementsprechend auch in der Ausschusssitzung gedolmetscht, einerseits das, was der oder die Redner:in gesagt hat, und die Zwischenrufe. Ich habe daraufhin auf einen Zwischenruf reagiert und geantwortet, und die Abgeordnete war so: Woher wissen Sie das, Sie hören ja nicht?! Und ich so: Entschuldigung, vor mir sitzen zwei Dolmetscher:innen, die das dolmetschen! – Ach so, auch die Zwischenrufe? – Na, selbstverständlich! Alles, was in die Ohren geht, kommt bei den Händen raus.
Also das waren viele Erlebnisse, und das war, glaube ich, auch eine große Sensibilisierung, die hier stattgefunden hat. Oder bei Journalistinnen und Journalisten – diese große Angst, bevor sie mich treffen: Wie kann ich sie erreichen? Warte einmal, Moment, aha, der Dolmetscher ruft an. Okay, können Sie bitte Frau Jarmer - -? – Sie sprechen mit Frau Jarmer! – Ja, aber können Sie Frau Jarmer sagen - -? – Sie sprechen mit Frau Jarmer! – Okay!, und am Ende: Na einen lieben Gruß an Frau Jarmer! – Richte ich aus!
Also Sie sehen, es braucht Zeit. Es braucht Zeit, bis dieses Verständnis da ist, auch bei meinem Kollegen zum Beispiel, unserem Kollegen Franz-Joseph Huainigg. Ich kann mich an die Sitzung erinnern, wo es dann schon 2 Uhr nachts war und wir weiter hinten gesessen sind, uns ausgetauscht haben, um parteiübergreifend auch etwas auf die Beine zu stellen, ÖVP, Grüne. Wir hatten dann die Idee, dass wir gemeinsam den Aschermittwoch gestalten und auch eine gemeinsame Rede hier halten, und das haben wir dann tatsächlich auch eingeführt und immer am Aschermittwoch eine Veranstaltung gemacht, wo es dann auch einmal darum ging, über sich selber lachen zu dürfen, auch einmal darüber zu lachen, wie es so im Alltag ist, und da hat man natürlich auch ganz viele unterschiedliche Reaktionen gehabt. Ein paar haben die Grenzen ausgelotet und geschaut: Okay, was ist noch okay und wie locker darf man eigentlich sein?
Sensibilisierung in den verschiedensten Formaten hat hier stattgefunden, und wenn ich jetzt auf die Renovierung und auf die Sanierung zurückkomme: Ich weiß, dass es sehr viele Gespräche, Pläne und Sitzungen gab, und sehe hier auch viele Gesichter, die in den Umbau involviert waren. Das hat dann natürlich seine Jahre gedauert, wie alle auch wissen, und jetzt, wenn man hier steht: Ich erkenne auch ein großes Lächeln bei ganz vielen Personen. Ich erinnere mich auch an die Veranstaltung von Tatjana Novakovic im September, wo wir mit unterschiedlichen Parlamenten auch den Vergleich gemacht haben, und man muss sagen: Das österreichische Parlament ist schon ein Vorbildparlament geworden. Ich gratuliere allen beteiligten Personen, gratuliere zu dieser großartigen Leistung. (Beifall.)
Was mich auch sehr freut, ist, dass es jetzt eine Barrierefreiheitsbeauftragte gibt, Tatjana Novakovic, die auch hier ist. Vielen Dank, dass diese Funktion vergeben wurde und dass es sie gibt! Es ist halt nicht nur eine Rampe, es sind halt nicht nur Gebärdensprachdolmetscher:innen. Barrierefreiheit ist ein Wort, aber dahinter steckt so viel – ich glaube, da können Sie bei Frau Novakovic einmal nachfragen.
Unsere Anliegen – auch was die UN-Behindertenrechtskonvention betrifft, da gibt es natürlich viele – und die echte Partizipation und die Inklusion sagen ganz klar: Menschen mit Behinderungen sind Experten für sich, sowohl auf Bundeslandebene als auch in den Gemeinden. Auf jeder politischen Ebene braucht es Menschen mit Behinderungen, die für sich sprechen können, genauso wie hier – also ich brauche hier für viele Personen, die betroffen sind, nicht zu sprechen, sie wissen es selbst –, es braucht Entscheidungen von den Personen selbst.
2017 – Sie erinnern sich vielleicht auch, Herr Präsident Hofer – ging es um den Inklusionsfonds. Den haben wir noch beschlossen; ich kann mich noch erinnern, es war in einer der letzten Sitzungen, bei denen ich noch dabei war. Aber jetzt ist es halt so, dass es beim Finanzausgleich – und da muss ich auch die Bundesratspräsidentin ansprechen – wichtig ist, dass auch die Bundesländer in Verantwortung kommen und diesen Inklusionsfonds für Menschen mit Behinderungen auf die Beine stellen, damit dieses Bittstellertum endlich endet und Menschen mit Behinderungen in Österreich ein tatsächlich barrierefreies, partizipatives Leben haben. Veranstaltungen wie diese braucht es, solange es das eben noch nicht gibt. Das wäre mein ganz großer Weihnachtswunsch, ich hoffe, Sie erfüllen ihn mir. – Danke schön. (Beifall.)
Barbara Sima-Ruml: Vielen, vielen Dank für diese, wie ich meine, sehr wichtige Keynote zum Thema Inklusionsfonds! Auch für alle Menschen, die gehörlos sind und jetzt direkt zuhören konnten, war es, glaube ich, ganz interessant, einmal nicht nur auf ihren Dolmetscher zu schauen, sondern wirklich die Redner:in selbst anschauen zu können und das eben zu hören.
Übrigens: Die Arbeit an dieser heutigen Moderation von mir hat schon letzte Woche begonnen, da war ich nämlich hier und habe eine Tour durch das Parlament gemacht, und wir haben dabei einen Film gedreht. Ein Filmteam hat mich begleitet und wir haben einen Film darüber gedreht, wie barrierefrei das Parlament ist. Tatjana Novakovic hat uns begleitet. Diesen Film schauen wir uns jetzt an.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Alexis Wintoniak (Parlamentsvizedirektor): Ein wesentliches Thema, das wir mit der Sanierung des Parlamentsgebäudes verfolgt haben, war eine weitere Öffnung des Parlaments für alle Bürgerinnen und Bürger, für alle Menschen, die uns besuchen. Damit war die Barrierefreiheit natürlich zentrales Thema. Dieses Thema haben wir gemeinsam mit den Expertinnen und Experten, aber auch mit Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Verbände, der betroffenen Gruppen über viele Monate verfolgt. Diese Zusammenarbeit der vergangenen Monate und Jahre war äußerst fruchtbar, und wir freuen uns darauf, diese Zusammenarbeit auch fortsetzen zu können.
Harald Brunner (Mitarbeiter der Parlamentsdirektion): Das ist jetzt der Nationalratssitzungssaal, das Couloir, wo sich die Abgeordneten treffen; hier auf der rechten Seite siehst du den Saal, die Türen öffnen sich auf Knopfdruck.
Barbara Sima-Ruml (Sachverständige für barrierefreies Bauen): Sehr gut. Und der Teppich, das wurde auch alles frisch verlegt?
Harald Brunner: Ja, genau. Der Teppich war früher grün, jetzt ist er grau. Das ist aber gar nicht das Besondere, sondern das Besondere ist, dass unter dem Teppich vollflächig Induktionsschleifen verlegt wurden, auch am Balkon und auf der Galerie für die Besucherinnen und Besucher.
Barbara Sima-Ruml: Das heißt, Menschen, die eine Hörbehinderung haben und ein Hörgerät tragen, können dann wirklich störungsfrei alle Dinge hören, die hier in das Mikro hineingesagt werden.
Harald Brunner: Genau so ist das.
Barbara Sima-Ruml: Sehr cool.
Und da ist der sichere Verweilbereich. Der ist hauptsächlich für Menschen, die eine Behinderung haben und vielleicht gar nicht selber flüchten können. Das muss gar nicht Rollstuhlfahrer betreffen, auch Menschen, die vielleicht ein Problem mit der Hüfte haben, normalerweise einen Aufzug verwenden würden und über eine Treppe nicht flüchten können, kommen hierher und lassen sich dann retten, wenn wirklich ein Notfall entsteht und eine Evakuierung notwendig wäre.
Ich sage immer, dass die Barrierefreiheit nicht nur für Menschen mit Behinderungen wichtig ist, sondern auch für Menschen, die unaufmerksam sind, oder Menschen, die abgelenkt oder in einer schlimmen Position sind oder eben gerade irgendeine schwierige Situation managen.
Harald Brunner: Hier bauen wir gerade um. Da kommt ein Element her, das dann immer runtergeklappt ist, damit man da auch runterschauen kann, wenn man im Rollstuhl oder im Kinderwagen sitzt, oder für kleinere Menschen.
Barbara Sima-Ruml: Ja, da sieht man schon wirklich viel besser.
Und da gibt es so ein taktiles Aufmerksamkeitsfeld, das blinde Menschen ertasten können, und dann wissen sie, hier gibt es Informationen für sie – in diesem Fall über unsere Demokratie, auch hier wieder mit QR-Code, auch der ist taktil erfassbar, also da weiß man, hier gibt es einen QR-Code, den man abfotografieren kann, und dann bekommt man alle Informationen, die man braucht, direkt auf das eigene Handy.
Harald Brunner: Erkennst du das – wo die Punkte sind, wo man etwas zum Anschauen hat? Da haben wir zum Beispiel ein taktiles Modell des Parlamentsgebäudes.
Barbara Sima-Ruml: Da ist eigentlich das gesamte Parlament, also die Baumasse des Parlaments, taktil erfassbar. Das heißt, blinde Menschen können sich auch einen Eindruck davon machen, wie groß das Gebäude ist. Es ist ja wirklich ein sehr, sehr großes Gebäude, auch sehr kompliziert aufgebaut.
Harald Brunner: Schau, da ist die Bibliothek, da können wir hinschauen – sie ist dort hinten.
Barbara Sima-Ruml: Ja, schön, da gehen wir hin, gehen wir in die Bibliothek!
Schau her, da kann man den Tisch verstellen, sodass er ein bisschen runtergeht. Stellen wir ihn auf 75, das ist die ideale barrierefreie Höhe. Mit dieser Braillezeile kann man dann auch lesen, oder man lässt sich das Ganze vorlesen. Das, was vorgelesen wird, wird dann auch markiert, damit du weißt, wo es weitergeht.
Harald Brunner: Das funktioniert, fantastisch.
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(Beifall.)
Barbara Sima-Ruml: Sie sehen also, ich konnte mich selbst von der umfassenden Barrierefreiheit überzeugen. Was Sie vielleicht nicht alle wissen: Ich bin amtliche Sachverständige für barrierefreies Bauen, ich habe auch ein bisschen Expertise in dieser Sache – nicht nur weil ich selber im Rollstuhl sitze, sondern weil ich ein ganzes Architekturstudium hinter mich bringen musste, um Sachverständige zu werden.
Danke an alle Beteiligten – ich weiß, was es bedeutet, im Bestand Barrierefreiheit herzustellen, das ist mein tägliches Brot. Wirklich danke an alle Beteiligten, die diese umfassende Barrierefreiheit möglich gemacht haben!
Damit kommen wir auch gleich zum Höhepunkt und auch zum Anlass der heutigen Veranstaltung, nämlich der Verleihung der Zertifikats Fair für alle. Mit dieser Barrierefreiheitszertifizierung setzt das Parlament nämlich ein weiteres Zeichen dafür, dass für Menschen mit Behinderungen erfolgreich Inklusionslösungen umgesetzt wurden, die ihnen eine gleichberechtigte Teilnahme am parlamentarischen Geschehen ermöglichen.
Ich bitte daher nun Rudolf Kravanja, den Präsidenten des Öziv-Bundeverbandes für Menschen mit Behinderungen, für seine Laudatio zum Rednerpult. (Beifall.)
Rudolf Kravanja (Präsident des Öziv Bundesverbandes): Grüß Gott! Ich war noch nie da, deswegen muss ich schauen, wie das geht.
Einen schönen Abend, einen schönen Nachmittag! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir eine große Ehre und Freude, heute hier zu sein und dem Besucher:innenzentrum und der Bibliothek dieses Zertifikat zu überreichen. Das ist natürlich ein wichtiger Meilenstein für uns als Öziv-Bundesverband, aber es ist für alle Interessenvertreter sehr wichtig, dass es hier im Parlament Barrierefreiheit gibt, und wir sind sehr stolz darauf.
Der Öziv-Bundesverband ist die Koordinationsstelle für Fair für alle. Ein bisschen etwas von dem, was wir machen, hat man jetzt schon mitbekommen; in späterer Folge komme ich noch einmal dazu, um hier kurz über das Fair-für-alle-Zertifikat zu berichten.
Das Parlament ist nicht nur der Sitz der Gesetzgebung und der politischen Debatte, sondern auch ein Symbol für Demokratie und Teilhabe. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass dieses Gebäude als Vorzeigeprojekt für die Bürgerinnen und Bürger zugänglich und nutzbar ist.
An dieser Stelle möchte ich aus diesem Amt noch etwas Kritisches mit einbringen: Das Behindertengleichstellungsgesetz gibt es seit 2006, und es hat keine Zähne: Das heißt, es gibt, wenn es um Barrierefreiheit geht, keine Konsequenz für jemanden, der sich nicht daran hält. Es ist sehr wichtig, dass man etwas dafür tut, dass dieses Behindertengleichstellungsgesetz Zähne bekommt, und dass auch etwas für Menschen mit Behinderungen getan wird. Es ist sehr wichtig, da etwas zu machen, denn es muss etwas passieren. Es kann nicht sein, dass Menschen mit Behinderungen immer auf die Seite geschoben und vertröstet werden. Es ist sehr wichtig, dass wir dieses Gesetz verändern. Genau in diesem Gebäude hier wäre es schön, wenn man das tun würde, und ich freue mich darauf. (Beifall.)
Wie Sie im Film schon gesehen haben: Hier ist viel passiert. Das Gebäude ist modernisiert, barrierefrei gemacht worden, mit Rampen, taktilen Leitsystemen, induktiven Höranlagen – vieles ist hier passiert. Die Zertifizierung des besucherintensiven Teils ist daher ein Beweis für Qualität und Innovation, die in diesem Projekt stecken. Sie ist auch ein Zeichen für Engagement und Verantwortung der Parlamentsdirektion für Menschen.
Ich möchte daher allen Beteiligten gratulieren, die an Planung, Umsetzung und Evaluierung dieses Projektes mitgewirkt haben. Sie haben hervorragende Arbeit geleistet, und es ist ein Vorbild, eine Inspiration für andere – für die Länder, für Gemeinden, für Städte, für Unternehmen, für Organisationen. Sie alle können herkommen und sich anschauen, was da passiert ist und was mit Denkmalschutz in ganz Österreich möglich ist. Es ist sehr wichtig, glaube ich, dass man sozusagen alle herholt und ihnen zeigt, wie gut das mit einer gewissen Zusammenarbeit gelingen kann.
Der Anfang, dass man zu diesem Zertifikat gekommen ist, war die Vorstellung in der Parlamentsdirektion: In der Parlamentsdirektion haben wir das Fair-für-alle-Zertifikat vorgestellt und dann den Anruf und die Zusage von Frau Dipl.-Ing.in Tatjana Novakovic bekommen. Da darf ich ein herzliches Danke dafür sagen, dass wir dahin gekommen sind, dass wir jetzt hier stehen und das übergeben dürfen.
Das Zertifikat Fair für alle ist für mehr Barrierefreiheit in Institutionen, Organisationen, Unternehmen gedacht. Da geht es aber nicht nur um Barrierefreiheit, sondern es geht darum, dass man das im Managementprozess bis hinauf in die oberste Ebene für Menschen mit Behinderungen mitdenkt, mitüberlegt. Es geht nicht nur darum, dass man eine Rampe baut, sondern es geht darum, dass wir Menschen alle gemeinsam unterwegs sein können.
Dieses Zertifikat wurde von zehn Behindertenorganisationen gemacht. Wir sind zusammengesessen, haben uns überlegt, was die Kriterien und so weiter sind, und wurden dabei vom Ministerium unterstützt. Es ist so, dass Berater:innen und Auditoren von Behindertenorganisationen das Ganze begleiten. Sie sind immer dabei und versuchen, ihr Know-how dazuzugeben.
Großer Dank gebührt auch unseren Kooperationspartner:innen, die im Zertifizierungsprozess mit Rat und Tat dabei waren. Besonderer Dank gilt Herrn Daniele Marano von der Hilfsgemeinschaft, der heute hier ist, und Frau Monika Schmerold von der Bewegung Selbstbestimmt leben.
Herzlichen Dank auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion für das Engagement, für die respektvolle Zusammenarbeit – nur so konnten wir Barrieren überwinden und dieses Ergebnis erzielen. Darauf kann man stolz sein. (Beifall.)
Positiv ist auch, dass dieser Prozess dazu geführt hat, dass Menschen mit Behinderungen ins Parlament gekommen sind, dass wir heuer hier eine zweite Veranstaltung gehabt haben, bei der sich alle Organisationen präsentieren konnten, um Nationalratsabgeordneten, Besucherinnen und Besuchern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu zeigen, wie Menschen mit Behinderungen hier in Österreich leben, was sie brauchen, was sie tun. Es ist für uns natürlich ganz wichtig, dass dieser Austausch passiert und dass wir einfach den Alltag von Menschen mit Behinderungen kennenlernen.
Liebe Gäste! Das barrierefreie Parlament ist ein Erfolg, auf den wir stolz sein können, es ist aber auch eine Herausforderung, die uns motivieren sollte, weiterhin für Barrierefreiheit und Inklusion zu kämpfen, denn Barrierefreiheit ist nicht nur eine technische oder rechtliche Frage, sondern vor allem eine Frage der Menschenrechte, der Gleichberechtigung und der Würde. Es ist mir daher eine große Freude, Ihnen dieses Zertifikat zu überreichen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Freude bei der Nutzung dieses Gebäudes und freue mich natürlich, wenn wir in drei Jahren für die Rezertifizierung wieder hier sind. Ich freue mich, wenn wir dabei das ganze Parlament zertifizieren können. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit, danke schön. (Beifall.)
Ich darf Herrn Präsidenten Sobotka und seinen Mitarbeitern der Parlamentsdirektion jetzt das Zertifikat übergeben.
Barbara Sima-Ruml: Ja, und zwar allen in Wirklichkeit: Ich darf auch den Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer für ein Foto herausbitten, auch Herrn Alexis Wintoniak – grüß Gott, wir haben uns beim Filmdreh leider nicht getroffen, tut mir leid –, Frau Tatjana Novakovic, auch Caroline Lackner, bitte, sowie Daniele Marano und Wolfhard Drabek vom Öziv – bitte für das gemeinsame Foto der Zertifikatsüberreichung. (Beifall.)
Jetzt bräuchten wir noch einen Fotografen.
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(Es wird ein Foto gemacht.)
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Vielen Dank dafür. Sind wir schon fertig? – Ah, okay, Helene.
So, jeder, der ein Foto machen möchte: Bitte jetzt noch schnell abdrücken!
Nein, die Moderatorin muss nicht auf das Foto.
Dann darf ich den lieben Nationalratspräsidenten auch gleich bitten, hier zu bleiben. – Herr Mag. Sobotka, bleiben Sie bitte hier und sprechen Sie noch! Wir sind ja schon fast am Ende, deshalb gibt es jetzt auch die Abschlussworte. – Bitte schön.
Wolfgang Sobotka (Präsident des Nationalrates): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zuerst Präsidentin Arpa entschuldigen – sie musste zum nächsten Termin; sie hat schon vorher angekündigt, dass sie nicht länger Zeit hat –, das tue ich sehr gerne, denn es ist uns wichtig, dass Bundesrat und Nationalrat, gerade was Inklusion, Accessibility und Barrierefreiheit betrifft, an einem Strang ziehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Jarmer als Keynotespeakerin! Herr Präsident Kravanja! Besonders bedanken möchte ich mich bei unseren Mitarbeitern, Frau Novakovic und vor allem auch bei Dienstleiter Herrn Nestlang und seinem ganzen Team, die sich sehr stark engagiert haben. Es ist ein Ausdruck dessen, was Sie getan haben, dass Sie heute diese Zertifizierung, den Nachweis dafür bekommen, was das neue Haus eigentlich zum Ausdruck bringen möchte.
Wir sind vor der Frage gestanden: Ist es nur die gesetzliche Vorgabe, die wir beim Umbau zu berücksichtigen haben, oder ist es mehr, was wir mit diesem Haus bezwecken? Wir wollten ein Haus für alle Österreicherinnen und Österreicher, ein Haus für alle Gäste anbieten, denn wenn Demokratie als solche alle erreichen möchte, dann müssen wir auch vom Haus her die Voraussetzungen dafür schaffen, dass alle hier eine Teilhabe haben.
Es ging also nicht nur darum, gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. Ich werde mitnehmen, dass wir auch am Gesetz zu arbeiten haben, um das Behindertengleichstellungsgesetz weiterzuentwickeln, damit es nicht nur eine Aufforderung ist, sondern die Leute auch in die Pflicht nimmt, das zu erfüllen. Es war für uns notwendig, das auch mit Menschen mit Behinderung zu testen. Wir haben mit vielen Firmen und Firmenangehörigen zusammengearbeitet, um die Möglichkeiten auch in der Ausführungsplanung und schlussendlich im pragmatischen Umsetzen auszuloten.
Da gab es noch vieles zu tun, und ich darf mich wirklich auch bei unseren Beratern von Myability bis zu Zero Project ganz, ganz herzlich bedanken, was sie alles an Information, an Wissen und vor allem an Beteiligung eingebracht haben. Dass das Haus heute so geworden ist, verdanken wir der guten Zusammenarbeit.
Ich freue mich, dass das Thema der Barrierefreiheit oder der Zugänglichkeit immer ein Thema gewesen ist, das von allen Parteien mit der nötigen Nachdrücklichkeit angegangen wurde. Ich freue mich, dass diese Barrierefreiheit gelungen ist. Wir haben schon eine Fülle von Führungen mit Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen in unserem Haus durchführen können, und schlussendlich hat uns auch die Kritik, die sie uns gegeben haben, weitergeholfen, noch besser zu werden. Und dieser Prozess ist nicht am Ende. Wir sind mit diesem Prozess beileibe nicht am Ende, und es braucht immer wieder das kritische Hinterfragen.
Ich glaube, dass wir im Hinblick auf Mobilitätseinschränkung, Seheinschränkung, Höreinschränkung, aber auch mentale Einschränkungen eigentlich einen guten Standard erreicht haben. Es braucht aber natürlich auch darüber hinaus vor allem in der Feingliedrigkeit der unterschiedlichsten Behinderungsformen noch viel mehr Möglichkeiten, damit alle – und das sind in Österreich über 18 Prozent der Menschen – ein selbstbestimmtes Leben führen können. Es ist für die Menschen – Norbert (in Richtung Präsident Hofer), du hast es gesagt: Jeder hat quasi eine Form, womit er nicht der Norm entspricht –, die keine Behinderung haben, gar nicht vorstellbar, was es heißt, kein selbstbestimmtes Leben führen zu können.
Man sieht auch, dass Menschen mit Behinderung nicht bedürftig sind und sich auch nicht so fühlen, dass sie einen Nachteil haben, wenn die Umgebung, die Struktur so funktioniert, dass sie sich ganz selbstverständlich in diesen gesellschaftlichen Prozess einbringen können.
Demokratie heißt für uns, dass es nicht nur hier im Hohen Haus, in den Ausschüssen, im Nationalrat barrierefrei zugeht, sondern Demokratie – das sehen Sie unten in unserer Ausstellung – braucht ganz wesentlich alle Österreicherinnen und Österreicher zur Teilhabe, egal ob es darum geht, eine Petition an das Parlament zu richten, ob es darum geht, sich an einem Volksbegehren zu beteiligen, sich in den verschiedensten Formen von Parteien einzubringen, selbst Parteien zu gründen, sich selbst um das gesellschaftliche Miteinander zu kümmern. Ich denke, dass wir allen Grund haben, das in dieser Breite anzulegen.
Wenn ich mit Menschen diskutiere, wenn wir das Haus in seiner Barrierefreiheit vorstellen, und sie frage, was sie glauben, wie viele Menschen in Österreich in irgendeiner Form eine Behinderung haben, dann rätseln manche: zwischen 2, 3, 4 Prozent? Erst die Zahl von 18 Prozent bringt sie zum Nachdenken, was das eigentlich bedeutet, was es für ihr tägliches Leben bedeutet, mit mehr Sensibilität vorzugehen.
Wir sehen, dass so viel zu machen wäre, wenn man sich vor einer Planung – Sie haben es schon angesprochen –, vor einer Ausführungsplanung schon mit den Experten zusammensetzt: Was kann man Positives bewirken? Das ist nicht nur alles teurer – mitnichten! –, sondern es muss besser durchdacht sein, es muss insbesondere in diesem Zusammenwirken klarer dargestellt werden.
Wir sehen, dass es auch für Menschen ohne Behinderung wesentlich besser und qualitätsvoller ist. Denken Sie nur an einen einfachen Text, der dann für jeden verständlich ist: Wir können ihn in einem bestimmten Maße erfassen. Denken Sie nur daran, dass ein Weg mit einer geringeren Neigung auch für den ganz normalen Gebrauch viel angenehmer als mit einer steileren Neigung zu beschreiten ist.
Es gibt so viele Möglichkeiten, die wir jetzt haben, in diesem Haus zu präsentieren, die wir davor nicht hatten. Es war ein erklärtes Ziel, dass wir diese etwa 10 000 Quadratmeter, die wir durch den Umbau gewonnen haben, nicht primär den Abgeordneten, nicht primär unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern unseren Gästen zur Verfügung stellen. Ich muss aber auch sagen, die Abgeordneten nutzen diese zusätzlichen Räume auch immens, weil sie sehr, sehr viele Führungen machen, weil sie sich viel öfter in diesem Haus aufhalten als zuvor. Das heißt, auch ihnen dient es, aber es dient in allererster Linie unseren Gästen.
Es dient unseren Jugendlichen, die sich im Plenarium oben in der Demokratiewerkstatt erstmals mit den Formen der Demokratie auseinandersetzen, und es dient unseren Individualgästen im Besucherzentrum, um sich umfassend – es sind 80 Stunden Information, die wir dort anbieten – mit Österreich, der Geschichte der Demokratie in Österreich und dem Wesen der Demokratie auseinanderzusetzen.
Es ist für mich eine große Auszeichnung, die nicht ich persönlich, sondern die ich stellvertretend für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Empfang nehmen durfte. Herr Präsident Kravanja, herzlichen Dank für diese Auszeichnung! Es ist Ihre Arbeit, es ist Ihr Lohn dafür. Man spürt das oft nicht in dem Maße, aber hier sieht man, wie sinnvoll Ihre Arbeit ist und welche Dankbarkeit Ihnen entgegenschlägt. Dafür Ihnen und Ihrem Team ein ganz herzliches Danke und eine herzliche Gratulation, Frau Novakovic! (Beifall.)
So wünsche ich uns mit dieser Auszeichnung, dass wir auch bei der Rezertifizierung in drei Jahren wieder ein Stück vorangekommen sein werden. In diesem Sinne: Vielen herzlichen Dank. (Beifall.)
Barbara Sima-Ruml: Danke für diese Abschlussworte – danke schön, danke vielmals!
Ja, die Rezertifizierung in drei Jahren: Es wurde ja schon anvisiert, dass dann vielleicht das ganze Parlament mit dem Zertifikat Fair für alle zertifiziert wird.
Ich bedanke mich auf jeden Fall. Wir sind schon fast am Ende dieser, wie ich finde, sehr gelungenen Veranstaltung. Es gibt jetzt noch ein künstlerisch-musikalisch interpretiertes Gedicht vom Ensemble Ohrenklang. – Bitte schön.
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(Es folgt eine musikalische Gestaltung des Ensembles Ohrenklang von Texten der Autor:innen des Ohrenschmaus Literaturwettbewerbs.)
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(Beifall.)
Barbara Sima-Ruml: Ja, eine genüssliche Zeit: Von einer genüsslichen Zeit sind wir nur ganz wenige Minuten entfernt, denn es ist nun an der Zeit, dass ich mich persönlich kurz an Sie wende. Ich habe es schon kurz angeschnitten: Ich bin selbst amtliche Sachverständige für barrierefreies Bauen, aber was ich auch bin – für diejenigen, die mich nicht sehen können –: Ich nutze einen Rollstuhl, das übrigens seit 22 Jahren, ich habe auch im August einen Unfall gehabt.
Ich bin querschnittgelähmt. Ich finde auch, dass ich durch meine Behinderung kein schlechteres Leben habe, aber ich möchte allen Menschen, die hier sitzen und keine Behinderung haben, sagen, dass ich am 29. August, also einen Tag, bevor ich meinen Unfall hatte, nicht wusste, dass der nächste Tag mein Leben komplett verändern wird. Es kann jeden zu jeder Zeit treffen, dass er eine Behinderung erwirbt – einfach so –, oder die Mama oder der beste Freund, die beste Freundin. Das heißt, uns allen muss wichtig sein, dass Barrierefreiheit überall umgesetzt wird. Wir alle können davon betroffen sein – wenn nicht wir, dann Freunde von uns, Bekannte oder Verwandte.
Mich hat es sehr gefreut, dass ich heute die Moderation machen durfte. Ich fand das eine wunderschöne Veranstaltung hier im neu sanierten Parlament. Als Bautechnikerin würde ich überhaupt gerne überall reinschauen, in jeden Kasten schauen: Was wurde gemacht? Ich bin total begeistert, wie schön und wie richtig das auch gemacht wurde. Mein Mann hat auch Architektur studiert, ist aber in der Denkmalpflege tätig. Er hat mir auch ganz viele Dinge erzählt, die hier passiert sind, also ich kenne mich auch dahin gehend ein bisschen aus. Ich freue mich, dass das so gut gelungen ist.
Bevor wir jetzt alle zum Empfang in die Säulenhalle rausstürmen, möchte ich noch auf ein paar Dinge hinweisen – die muss ich runterlesen, denn das kann ich nicht auswendig –: In der Säulenhalle starten nämlich bei Lokal 3 Kurzführungen durch das Parlament. Die finden jetzt statt, und zwar beginnend alle Viertelstunden: 19.15 Uhr, 19.30 Uhr, 19.45 Uhr und 20 Uhr. Die Führungen um 19.15 Uhr und um 19.30 Uhr werden auch in Österreichische Gebärdensprache gedolmetscht. Die Zählkarten für die Führungen erhalten Sie vor dem Lokal 3.
Das wäre es mit den Informationen, das wäre es mit dem heutigen Abend. Wir treffen uns nun alle in der Säulenhalle. Wer an den Führungen teilnehmen möchte: Bitte vor Lokal 3!
Ich sage Danke, und uns allen einen schönen Abend! (Beifall.)