Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen (Purple-Light-up-Day)

Donnerstag, 30. November 2023
Es gilt das gesprochene Wort.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zuerst Präsidentin Arpa entschuldigen – sie musste zum nächsten Termin; sie hat schon vorher angekündigt, dass sie nicht länger Zeit hat –, das tue ich sehr gerne, denn es ist uns wichtig, dass Bundesrat und Nationalrat, gerade was Inklusion, Accessibility und Barrierefreiheit betrifft, an einem Strang ziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Jarmer als Keynotespeakerin! Herr Präsident Kravanja! Besonders bedanken möchte ich mich bei unseren Mitarbeitern, Frau Novakovic und vor allem auch bei Dienstleiter Herrn Nestlang und seinem ganzen Team, die sich sehr stark engagiert haben. Es ist ein Ausdruck dessen, was Sie getan haben, dass Sie heute diese Zertifizierung, den Nachweis dafür bekommen, was das neue Haus eigentlich zum Ausdruck bringen möchte.

Wir sind vor der Frage gestanden: Ist es nur die gesetzliche Vorgabe, die wir beim Umbau zu berücksichtigen haben, oder ist es mehr, was wir mit diesem Haus bezwecken? Wir wollten ein Haus für alle Österreicherinnen und Österreicher, ein Haus für alle Gäste anbieten, denn wenn Demokratie als solche alle erreichen möchte, dann müssen wir auch vom Haus her die Voraussetzungen dafür schaffen, dass alle hier eine Teilhabe haben.

Es ging also nicht nur darum, gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. Ich werde mitnehmen, dass wir auch am Gesetz zu arbeiten haben, um das Behindertengleichstellungsgesetz weiterzuentwickeln, damit es nicht nur eine Aufforderung ist, sondern die Leute auch in die Pflicht nimmt, das zu erfüllen. Es war für uns notwendig, das auch mit Menschen mit Behinderung zu testen. Wir haben mit vielen Firmen und Firmenangehörigen zusammengearbeitet, um die Möglichkeiten auch in der Ausführungsplanung und schlussendlich im pragmatischen Umsetzen auszuloten.

Da gab es noch vieles zu tun, und ich darf mich wirklich auch bei unseren Beratern von Myability bis zu Zero Project ganz, ganz herzlich bedanken, was sie alles an Information, an Wissen und vor allem an Beteiligung eingebracht haben. Dass das Haus heute so geworden ist, verdanken wir der guten Zusammenarbeit.

Ich freue mich, dass das Thema der Barrierefreiheit oder der Zugänglichkeit immer ein Thema gewesen ist, das von allen Parteien mit der nötigen Nachdrücklichkeit angegangen wurde. Ich freue mich, dass diese Barrierefreiheit gelungen ist. Wir haben schon eine Fülle von Führungen mit Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen in unserem Haus durchführen können, und schlussendlich hat uns auch die Kritik, die sie uns gegeben haben, weitergeholfen, noch besser zu werden. Und dieser Prozess ist nicht am Ende. Wir sind mit diesem Prozess beileibe nicht am Ende, und es braucht immer wieder das kritische Hinterfragen.

Ich glaube, dass wir im Hinblick auf Mobilitätseinschränkung, Seheinschränkung, Höreinschränkung, aber auch mentale Einschränkungen eigentlich einen guten Standard erreicht haben. Es braucht aber natürlich auch darüber hinaus vor allem in der Feingliedrigkeit der unterschiedlichsten Behinderungsformen noch viel mehr Möglichkeiten, damit alle – und das sind in Österreich über 18 Prozent der Menschen – ein selbstbestimmtes Leben führen können. Es ist für die Menschen – Norbert (in Richtung Präsident Hofer), du hast es gesagt: Jeder hat quasi eine Form, womit er nicht der Norm entspricht –, die keine Behinderung haben, gar nicht vorstellbar, was es heißt, kein selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Man sieht auch, dass Menschen mit Behinderung nicht bedürftig sind und sich auch nicht so fühlen, dass sie einen Nachteil haben, wenn die Umgebung, die Struktur so funktioniert, dass sie sich ganz selbstverständlich in diesen gesellschaftlichen Prozess einbringen können.

Demokratie heißt für uns, dass es nicht nur hier im Hohen Haus, in den Ausschüssen, im Nationalrat barrierefrei zugeht, sondern Demokratie – das sehen Sie unten in unserer Ausstellung – braucht ganz wesentlich alle Österreicherinnen und Österreicher zur Teilhabe, egal ob es darum geht, eine Petition an das Parlament zu richten, ob es darum geht, sich an einem Volksbegehren zu beteiligen, sich in den verschiedensten Formen von Parteien einzubringen, selbst Parteien zu gründen, sich selbst um das gesellschaftliche Miteinander zu kümmern. Ich denke, dass wir allen Grund haben, das in dieser Breite anzulegen.

Wenn ich mit Menschen diskutiere, wenn wir das Haus in seiner Barrierefreiheit vorstellen, und sie frage, was sie glauben, wie viele Menschen in Österreich in irgendeiner Form eine Behinderung haben, dann rätseln manche: zwischen 2, 3, 4 Prozent? Erst die Zahl von 18 Prozent bringt sie zum Nachdenken, was das eigentlich bedeutet, was es für ihr tägliches Leben bedeutet, mit mehr Sensibilität vorzugehen.

Wir sehen, dass so viel zu machen wäre, wenn man sich vor einer Planung – Sie haben es schon angesprochen –, vor einer Ausführungsplanung schon mit den Experten zusammensetzt: Was kann man Positives bewirken? Das ist nicht nur alles teurer – mitnichten! –, sondern es muss besser durchdacht sein, es muss insbesondere in diesem Zusammenwirken klarer dargestellt werden.

Wir sehen, dass es auch für Menschen ohne Behinderung wesentlich besser und qualitätsvoller ist. Denken Sie nur an einen einfachen Text, der dann für jeden verständlich ist: Wir können ihn in einem bestimmten Maße erfassen. Denken Sie nur daran, dass ein Weg mit einer geringeren Neigung auch für den ganz normalen Gebrauch viel angenehmer als mit einer steileren Neigung zu beschreiten ist.

Es gibt so viele Möglichkeiten, die wir jetzt haben, in diesem Haus zu präsentieren, die wir davor nicht hatten. Es war ein erklärtes Ziel, dass wir diese etwa 10 000 Quadratmeter, die wir durch den Umbau gewonnen haben, nicht primär den Abgeordneten, nicht primär unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern unseren Gästen zur Verfügung stellen. Ich muss aber auch sagen, die Abgeordneten nutzen diese zusätzlichen Räume auch immens, weil sie sehr, sehr viele Führungen machen, weil sie sich viel öfter in diesem Haus aufhalten als zuvor. Das heißt, auch ihnen dient es, aber es dient in allererster Linie unseren Gästen.

Es dient unseren Jugendlichen, die sich im Plenarium oben in der Demokratiewerkstatt erstmals mit den Formen der Demokratie auseinandersetzen, und es dient unseren Individualgästen im Besucherzentrum, um sich umfassend – es sind 80 Stunden Information, die wir dort anbieten – mit Österreich, der Geschichte der Demokratie in Österreich und dem Wesen der Demokratie auseinanderzusetzen.

Es ist für mich eine große Auszeichnung, die nicht ich persönlich, sondern die ich stellvertretend für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Empfang nehmen durfte. Herr Präsident Kravanja, herzlichen Dank für diese Auszeichnung! Es ist Ihre Arbeit, es ist Ihr Lohn dafür. Man spürt das oft nicht in dem Maße, aber hier sieht man, wie sinnvoll Ihre Arbeit ist und welche Dankbarkeit Ihnen entgegenschlägt. Dafür Ihnen und Ihrem Team ein ganz herzliches Danke und eine herzliche Gratulation, Frau Novakovic! (Beifall.)

So wünsche ich uns mit dieser Auszeichnung, dass wir auch bei der Rezertifizierung in drei Jahren wieder ein Stück vorangekommen sein werden. In diesem Sinne: Vielen herzlichen Dank. (Beifall.)