Tag der Volksgruppen

im Parlament

Transkript

verfasst von der Abteilung 1.4/2.4 – Stenographische Protokolle

 

 

 

 

Dienstag, 12. Dezember 2023

9.30 Uhr – 18.20 Uhr

 

 

Nationalratssaal

Auditorium

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(Es folgt ein Musikstück.)

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(Beifall.)

Katja Gasser (Moderatorin): Sehr geehrte Damen und Herren! Drage dame, dragi gospodje! Das Diknu-Schneeberger-Trio: noch einmal einen heftigen Applaus! (Beifall.)

Das Trio zählt zu den weltbesten Gypsyjazzbands, wir haben es gehört. Das Trio, das sind Julian Wohlmuth, Martin Heinzle und eben Diknu Schneeberger.

Sehr geehrte Damen und Herren! Drage dame, dragi gospodje! Herzlich willkommen – prisrčno pozdravljeni, dobro došli, del tumencá, vitajte, vitáme vás, üdvözöljük! – hier im Plenarsaal des Nationalrates aus Anlass des Tages der Volksgruppen, gestaltet von den österreichischen autochthonen Volksgruppen auf Einladung des Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka und der Bundesratspräsidentin Claudia Arpa – gleich einmal ein Applaus dafür! (Beifall.)

Mein Name ist Katja Gasser. Ich leite seit vielen Jahren das Literaturressort im ORF-Fernsehen, bin selbst Kärntnerin slowenischer Herkunft und werde Sie durch die nächsten Stunden begleiten.

Zunächst darf ich die Gastgeber der Veranstaltung noch einmal begrüßen: den Präsident des Nationalrates Wolfgang Sobotka sowie die Präsidentin des Bundesrates Claudia Arpa.

Ich freue mich sehr, dass die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien Susanne Raab unter uns sein wird – aus terminlichen Gründen ist sie nur jetzt noch nicht im Saal. Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Martin Polaschek wäre gerne mit uns gewesen, er ist aber aus terminlichen Gründen verhindert. Er lässt sich jedoch von der Leiterin der Sektion Personalentwicklung im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung Margareta Scheuringer vertreten – ein Applaus für Margareta Scheuringer. (Beifall.)

Es freut mich sehr, die Vertreter:innen des Diplomatischen Korps willkommen heißen zu dürfen, das sind Daniel Glunčić, Botschafter der Republik Kroatien, Aleksander Geržina, Botschafter der Republik Slowenien, Jiří Šitler, Botschafter der Tschechischen Republik, Edit Szilágyiné Bátorfi, Botschafterin von Ungarn und Jozef Polakovič, Botschafter der Slowakischen Republik. (Beifall.)

Des Weiteren möchte ich die Bereichssprecher:innen für Volksgruppen der Parlamentsklubs, und zwar Nikolaus Berlakovich von der ÖVP, Harald Troch von der SPÖ, Isabella Theuermann, FPÖ, Olga Voglauer, Grüne, und Michael Bernhard von den NEOS begrüßen. (Beifall.)

Ich freue mich, dass zahlreiche Mitglieder der autochthonen österreichischen Volksgruppen an der heutigen Veranstaltung teilnehmen. Stellvertretend für all diese möchte ich die Vorsitzenden und die stellvertretenden Vorsitzenden der Volksgruppenbeiräte herzlich im Parlament willkommen heißen! (Beifall.)

Die Keynotespeakerin des heutigen Tages ist Emma Lantschner, Professorin am Zentrum für Südosteuropastudien der Universität Graz. Auch sie sei herzlich willkommen geheißen! (Beifall.)

Abschließen darf ich alle anwesenden aktiven und ehemaligen Abgeordneten zum Nationalrat und Mitglieder des Bundesrates sowie Abgeordnete der Landtage und alle Protagonist:innen der heutigen Veranstaltung sowie Sie, hochverehrtes Publikum, herzlich willkommen heißen! (Beifall.)

So viel zum protokollarischen Teil.

Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir gewissermaßen zur Einstimmung ein paar Gedanken, damit wir gemeinsam eine Art gedankliche Rahmung erfahren: Demokratie bedeutet nicht die Diktatur der Mehrheit, das schreibt bereits der Verfasser unserer demokratischen Verfassung Hans Kelsen. Die Mehrheit hat die Macht, sehr geehrte Damen und Herren, die Mehrheit hat nicht das Recht. Das ist ein gravierender Unterschied, und man kann nicht zu müde sein, um darauf hinzuweisen.

Was aber bedeutet Demokratie? – Demokratie impliziert einen ständigen Kompromissfindungsprozess zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen eines Landes. Das ist also ein hochkomplexer Vorgang, weswegen gilt: „Es kann keine Demokratie von Idioten geben“. Das ist ein Satz, den Robert Menasse unlängst in einer vielbeachteten Rede gesagt hat. Robert Menasse ist bekanntlich leidenschaftlicher Demokrat, überzeugter Europäer und zählt zu den herausragendsten Autoren unseres Landes.

Demokratie, sehr geehrte Damen und Herren, bedeutet auch, dass die Mehrheit um ihre Verpflichtung weiß, Minderheiten zu schützen, und Minderheitenrechte, die Menschheitsrechte sind, zu gewährleisten – zumal in einem Land wie Österreich.

Österreich ist ein mehrsprachiges, ein mehrkulturelles Land, und das ist ein historisch gewachsenes Faktum. In der Habsburgermonarchie gab es nicht nur eine Staatssprache, sondern es gab neun Staatssprachen, das waren Deutsch, Ungarisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Italienisch, Polnisch, Rumänisch Ruthenisch, Slowenisch und Tschechisch. Und heute? – Heute gibt es in Österreich sechs anerkannte autochthone Volksgruppen, die allesamt wesentlich zu dem beitragen, was wir gemeinhin als österreichische Identität bezeichnen.

Diese sechs anerkannten autochthonen österreichischen Volksgruppen werden von Volksgruppenbeiräten vertreten. Diese Beiräte beraten die Bundesregierung in Volksgruppenangelegenheiten und sind beim Bundeskanzleramt angesiedelt. Sie – eben diese Volksgruppenbeiräte – leisten einen wesentlichen Beitrag dazu, dass die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Gesamtinteressen der Volksgruppen nicht nur gewahrt werden, sondern auch weiterentwickelt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Drage dame, dragi gospodje! Was Sie heute erwartet im Parlament – an unterschiedlichsten Orten desselben, und zwar eben hier im Plenarsaal, im Empfangssalon, im Lokal Theophil Hansen, Lokal 3, und im Auditorium –, ist eine spannende Mischung aus Kultur, Wissenschaft und Politik, allesamt zusammengehalten von der tiefen Überzeugung, dass es der Dialog ist, der offene Austausch, der uns als Gesellschaft zusammenhält, der Frieden stiftet und uns alle letztlich auch gemeinsam voranbringt.

Der Dialog, sehr geehrte Damen und Herren, muss nicht konsensual sein. Eine Demokratie lebt von Meinungsvielfalt. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut in einer Demokratie – allerdings unter der Voraussetzung, dass wir uns darauf verständigt haben, dass es eine Einigung über Unabstimmbares gibt. Zu diesem Unabstimmbaren zählt, dass wir uns darauf verständigt haben, dass es keine Hetze gibt, dass es keinen Hass gegen Andersdenkende gibt, gegen Menschen, die von woanders herkommen, gegen Menschen, die eine andere Sprache sprechen, dass es keinen Hass gibt und kein Schüren von Hass.

Einen Auftakt zu dieser heutigen Veranstaltung, sehr geehrte Damen und Herren, haben Dutzende Schülerinnen und Schüler bereits um 8.30 Uhr exakt vor der Parlament gemacht, und zwar hat die Wiener Komenský-Schule dafür gesorgt, dass sich rund 500 Jugendliche vor dem Parlament einfanden, die Schulhymne angestimmt haben und ein Fotoshooting mit der Bundesratspräsidentin und mit dem Nationalratspräsidenten absolviert haben. Das war ein frischer, junger Auftakt für diesen heutigen Tag, und mit diesem Geist wollen wir heute diesen Tag beschreiten.

Liebe Schülerinnen und Schüler, die ihr von diesem Auftakt um 8.30 Uhr hierhergekommen seid, herzlich willkommen! Schön, dass ihr da seid! (Beifall.)

Und jetzt: Bühne frei für den Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka. (Beifall.)

Eröffnungsworte

Wolfgang Sobotka (Präsident des Nationalrates): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herzlich willkommen! Dobro došli! Del tumencá! Vitajte! Vitáme vás! Üdvözöljük! – Ich hoffe, es einigermaßen geschafft zu haben.

Für mich ist das heute ein ganz großer Freudentag, da Sie alle hier sind. Es ist Ihr Tag, Sie haben ihn gestaltet; wir sind Gastgeber und Plattform. Daher gilt dieses: Herzlich willkommen!, zu allererst den Volksgruppenbeiräten mit ihren Volksgruppen, die in diesem gemeinsamen Wirken einiges erreicht haben. Wir haben seit 2022 im Parlament eine Dialogplattform eingerichtet, der Sie mit so viel Engagement nachgekommen sind, dass Sie heute diesen Tag gestaltet haben – durch Ihr Mittwirken und das von unserem Mitarbeiter Thomas Kassl, dem ich hier auch von dieser Stelle wirklich ein herzliches Dankeschön sagen darf. Anderenfalls wäre dieser Tag der Volksgruppen im Parlament nicht möglich gewesen. (Beifall.) Es ist dies nach zehn Jahren der erste – vielen herzlichen Dank! (Beifall.)

Ich freue mich, dass heute auch die Botschafterinnen und Botschafter unserer Nachbarstaaten –der kroatische Botschafter kommt etwas später – hier sind.

Es ist ein ganz wichtiges Zeichen, dass wir das, was die Sprache in Mitteleuropa ausmacht und das keine Landesgrenze als solche kennt, mit einer besonderen Wertschätzung in den eigenen Volksgruppen nicht nur unter Beweis stellen, sondern dass wir das auch in der guten Kooperation mit unseren Nachbarländern unterstützen. Ich denke, es ist ein gutes Zeichen, dass Sie heute da sind. Für Ihre Anwesenheit, Exzellenzen, ein herzliches Dankeschön – seien Sie auch von meiner Seite herzlich begrüßt!

Die Einmoderation hat mir schon vieles vorweggenommen – Frau Gasser, vielen herzlichen Dank für die Begleitung durch den ganzen Tag. Es ist für uns, glaube ich, notwendig, dass wir diesen Tag so begonnen haben und mit dem Panel 3 den Vormittag auch so ausklingen lassen: dass die Jugend im Zentrum steht. Ich darf mich bei der Komenský-Schule ganz, ganz herzlich bedanken. Ich habe leider den Fototermin nicht erreicht, weil ich mein Telefon zu Hause vergessen habe und 70 Kilometer wieder zurückfahren musste, um es dann doch zu holen. Ohne dieses Gerät ist man heute relativ hilflos.

Vielen herzlichen Dank, Herr Direktor – der gleichzeitig auch im Beirat ist –, für Ihr Engagement! 500 Schülerinnen und Schüler um halb neun vorne auf die Rampe des Parlaments zu bringen ist schon ein logistisches Problem. Sie dann noch mit Begeisterung – ich habe es im Video gesehen – die Schulhymne singen lassen ist schon ein markantes Zeichen. Die Schülerinnen und Schüler dieser Schule maturieren am Ende dann viersprachig und haben wirklich eine Europareife der besonderen Art. Vielen herzlichen Dank für Ihr Engagement und für das, was die Komenský-Schule alles vorlebt und tut! (Beifall.)

Wir haben uns auf diesen Tag auch im Parlament vorbereitet. Es ist eine Initiative, die schon vor 20 Tagen begonnen hat: die Vorbereitung – 20 Tage, 20 Wörter. Auf unseren Screens, die Sie überall in den Gängen sehen, sind Wörter in all den Sprachen der autochthonen Volksgruppen eingeblendet – auch für uns, um sie zu verstehen, um auch Respekt zu bekunden und gleichzeitig damit die Vielfalt Österreichs einmal mehr unter Beweis zu stellen.

Diese Vielfalt zeigt sich auch im heutigen Programm: musikalisch – wirklich herzlichen Dank für die musikalische Begleitung aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen! Herzlichen Dank auch für die Vielfalt der Panels, und herzlichen Dank, dass das auch am Nachmittag weitergeht: Am Nachmittag, ab 14 Uhr, wird im Lokal Theophil Hansen, Lokal 3 der Kulturteil stattfinden.

Schlussendlich dürfen wir heute auch eine Ausstellung eröffnen. Meine Kollegin Arpa wird so freundlich sein, sie zu eröffnen und einzubegleiten. Ich freue mich ganz besonders, dass wir mit dieser Ausstellung zu 30 Jahre Anerkennung der Roma und Sinti in Österreich als autochthone Volksgruppe auch die Sprache Romanes darstellen und dass es gleichzeitig möglich geworden ist, eine Volksgruppe, die seit 600 Jahren bei uns in Österreich angesiedelt ist, in das Blickfeld zu rücken – eine Volksgruppe, die so lange gekämpft hat, die so lange gelitten hat und letzten Endes auch in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurde, genauso wie Jüdinnen und Juden, und unzählige Opfer zu beklagen hatte, die heute ein ganz wertvoller und wichtiger Teil unserer Gesellschaft geworden ist und das auch durch ihre Sprache zum Ausdruck bringt.

Es freut mich ganz besonders, dass wir in der Lage waren, am heutigen Tag – mit Stolz darf ich Ihnen das zeigen – (der Redner hält die entsprechenden Folder in die Höhe) sechs Folder für das Parlament, in allen Sprachen, zu haben. Das heißt: Egal in welcher Volksgruppe Ihr Zuhause ist, nutzen Sie Ihre Sprache! Wir führen auch in diesen Sprachen durch das Parlament, das ist uns als solches auch ganz, ganz wichtig.

Wenn wir diesen Tag der Volksgruppen im Parlament als Dialog sehen: Sie haben schon anklingen lassen, was Dialog bedeutet. Dialog ist das Finden, das Respektieren der unterschiedlichen Meinungen, aufeinander zuzugehen, den Kompromiss zu finden. Wo wäre das besser aufgehoben als hier im Plenarsaal? Auch wir, mit unterschiedlichen Parteien, entscheiden nicht immer einstimmig, aber der Dialog, das Miteinanderreden, ist das Kennzeichen der parlamentarischen Demokratie: sich um ein Gemeinsames zu bemühen und das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. Das ist an diesem Tag, glaube ich, etwas ganz besonders Wichtiges.

So darf ich Sie nicht mehr lange auf die Folter spannen, um die intensiven Panels zu hören. Etwas, das mich besonders freut – ich habe es schon erwähnt –, ist, dass wir mit der Jugend, der Komenský-Schule, begonnen haben und auch im dritten Panel hören werden, was sich junge Teilnehmer aus den einzelnen Volksgruppen vorstellen und wünschen.

Damit hat sich das Gymnasium Oberwart schon vor geraumer Zeit auseinandergesetzt: Was ist in ihrem Sinne in der Demokratie wichtig, auch als Volksgruppenangehörige? Wie es in unserer Demokratiewerkstatt Usus ist, gibt es am Schluss auch ein gemeinsames Produkt – es ist entweder ein Film oder ein Podcast oder in diesem Fall (ein Exemplar in die Höhe haltend) eine Zeitung. Wenn man die liest, dann sieht man, mit welchem Engagement, mit welcher Beherztheit und mit welcher Einstellung junge Menschen zu ihrer Volksgruppe stehen und sich auch von der Mehrheitsgesellschaft wünschen, nicht nur als die anderen anerkannt zu werden, sondern – was mich besonders gefreut hat – genauso wie alle anderssprachigen Österreicher eben als Österreicher: kroatische Österreicher, slowenische Österreicher, romaneske Österreicher, ungarische, slowakische und tschechische Österreicher:innen.

Dafür ist dieser Tag in besonderer Art und Weise da: um das einmal mehr auch vor den Vorhang zu holen. – In diesem Sinne: Bühne frei! (Beifall.)

Katja Gasser: Vielen Dank, Wolfgang Sobotka!

Bundesratspräsidentin Claudia Arpa gelangt jetzt zu Wort. Claudia Arpa ist seit 1. Juli 2023 in diesem Amt, seit dem 13. April 2023 ist sie vom Kärntner Landtag entsandtes Mitglied des Bundesrates. Als gebürtige Kärntnerin weiß Claudia Arpa sehr genau zum Beispiel über die Situation der Kärntner Slowenen in ihrem Herkunftsbundesland Bescheid.

Claudia Arpa (Präsidentin des Bundesrates): Danke für die wunderschöne Einbegleitung und danke dafür, dass Sie mich jetzt auch vorgestellt haben – dann brauche ich das nicht zu übernehmen. – Vielen Dank dafür.

Geschätzte Damen und Herren! Dobro jutro! Drage dame in gospodje! Liebe Schülerinnen und Schüler! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Österreicherinnen und Österreicher und alle die uns zuhören und unserer Veranstaltung folgen! Willkommen im Parlament, willkommen im Haus der Demokratie! Es ist mir eine Freude, Sie heute, am Tag der Volksgruppen, begrüßen zu dürfen.

Es ist ja ein Tag der Vielfalt, ein Tag der Wertschätzung und ein Tag des Bekennens. Es ist aber auch ein Tag, an dem wir das gesprochene Wort, die Sprache mit ihren vielfältigen Möglichkeiten und Ausdrucksformen, würdigen möchten. Was mit Sprache und mit Worten auszudrücken gelingt, erzeugt letztendlich Wirklichkeit, denn Sprache schafft Wirklichkeit. Diese Tatsache ist für die Debatte und die gesellschaftliche Teilhabe unumgänglich. Wer nämlich sprachlich unterrepräsentiert ist, rückt auch gesellschaftlich in den Hintergrund. Umso wichtiger ist es, die sprachliche und damit auch die kulturelle Vielfalt in unserem Land zu stärken und zu unterstützen.

Jemand, der sich mit Sprache, Vielfalt, Mehr- und Minderheit auf einer anderen Ebene und auf brillante Weise auseinandergesetzt hat, war ja Hans Kelsen. Dem Architekten und Mitbegründer unserer Bundesverfassung galten Minderheiten als höchster Wert einer Demokratie. Der Schutz der Minderheiten wurde von ihm als essenzieller Bestandteil der Demokratie angesehen. Auf seine geniale Weise sagte Kelsen damals, dass die Demokratie gerade nicht die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit ist, sondern dass es vielmehr charakteristisch für die Demokratie ist, eine Minorität oder eine Opposition anzuerkennen – nicht zuletzt weil ja eine Majorität eine Minorität voraussetzt. Die ist in ihren Grund- und Freiheitsrechten zu schützen.

Heute leben wir in einem Österreich, das die sechs Volksgruppen anerkennt, in einem Land, das die Vielfalt der Volksgruppen als integralen Bestandteil und auch als Identität begreift. Wir wollen nicht leugnen, dass der Weg bis dorthin kein leichter war und die Schatten von Vorurteilen und Diskriminierung stets noch unsere Begleiter sind. Es ist noch nicht lange her, dass Menschen der Volksgruppen Opfer von Attentaten und auch Gewaltakten waren. Es ist auch noch nicht lange her, dass in meinem eigenen Bundesland Kärnten Artikel 7 des Staatsvertrages umgesetzt wurde.

Was den ehemaligen Kärntner Landeshauptmann Hans Sima im Kärnten der Sechzigerjahre schon möglich erschien, ist schließlich erst 2011 verwirklicht worden. Die Konsequenz jahrelanger gesellschaftlicher und politischer Ausgrenzungen sehen wir heute in sinkenden Zahlen der Volksgruppenzugehörigen: Waren in Kärnten 1960 noch fast 25 000 Menschen slowenischsprachig, geben heute nur noch rund 12 000 Menschen an, slowenisch zu sprechen. Dabei haben gerade wir den Volksgruppen eine große Bereicherung zu verdanken, denn wie eingangs erwähnt, schafft Sprache Wirklichkeit, und in unserem Land gelebte Mehrsprachigkeit erzeugt eine große kulturelle Bereicherung. Nicht zuletzt sind ja gerade aus den Volksgruppen namhafte Künstler:innen, Schriftsteller:innen und Musiker:innen oder auch bildende Künstler:innen hervorgegangen.

Ich möchte hier jetzt, wenn es mir gestattet ist, folgende Kärntner:innen nennen: Fabian Hofer, Florian Lipusch, Maja Haderlap, Valentin Oman, Werner Berg oder auch Tanja Prušnik. Und es freut mich ganz besonders, dass mit Ana Blatnik, liebe Ana, 2014 eine Vertreterin der slowenischen Volksgruppe auch Präsidentin des Bundesrates war.

Wenn wir uns zu einer vielfältigen Gesellschaft, die für alle Beteiligten eine Bereicherung darstellt, bekennen, dann gilt es auch weiterhin, die Rechte des Artikels 7 zu verwirklichen. Was 1955 im österreichischen Staatsvertrag vereinbart wurde, sollten wir im Jahr 2023 und auch bald 2024 mit absoluter Großzügigkeit erfüllen.

An unserem gemeinsamen Ziel, dass Angehörige einer Volksgruppe ihr gesellschaftliches, wirtschaftliches, soziales, aber auch kulturelles Dasein ohne Vorurteile und Diskriminierung leben können, führt die gegenseitige Achtung und Stärkung des interkulturellen Dialogs nicht vorbei. Es gilt, nicht nur Maßnahmen für das aktive Leben der Volksgruppen selbst zu fördern, sondern auch das Verständnis innerhalb der Gesellschaft zu stärken. Wissen ist der Grundstein, um alle Arten von Rassismus und Intoleranz zu bekämpfen. Wer über Sprachen, Volksgruppen und Kultur Bescheid weiß, der wird anderen ohne Vorurteile begegnen. Schließlich gilt es ja auch, verankerte Rechte nicht nur zu vereinbaren, sondern sie auch durchsetzen zu können. Als Teil der Europäischen Union hilft uns auch die EU-Rahmenstrategie dabei, die teilhabende Gleichstellung aller Menschen, der gesamten Bevölkerung nachhaltig erreichen zu können.

Ich wünsche mir, dass alle Österreicherinnen und Österreicher unser Land als etwas Vielfältiges begreifen können, und hoffe, dass wir gemeinsam die Rechte der Volksgruppen und der Minderheiten umfassend verwirklichen und auch in die Zukunft führen können.

Ich freue mich, mit Ihnen heute gemeinsam diesen Tag im Zeichen der Vielfalt, im Zeichen der Volksgruppen, dem höchsten Gut der Demokratie, wie es Kelsen formuliert hat, begehen zu können. Vielen Dank für Ihr Dasein, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, vielen Dank dafür, dass Sie daran arbeiten, dass Österreich ein vielfältiges Land ist. – Danke schön. (Beifall.)

Moderatorin Katja Gasser: Vielen Dank, Claudia Arpa.

Keynote: Vielfältiges Österreich. Volksgruppenschutz als kontinuierliche Aufgabe

Moderatorin Katja Gasser: Ich bitte nun die Keynotespeakerin Prof. Dr. Emma Lantschner zum Pult. Sie lehrt, wie bereits gesagt wurde, am Zentrum für Südosteuropastudien an der Universität Graz. In ihrer wissenschaftlichen Arbeit hat sie sich auf Minderheitenrechte und Minderheiten im Allgemeinen und Diskriminierungsprävention, nicht zuletzt in Europa, spezialisiert. Sie ist zudem auch Mitglied und zugleich erste Vizepräsidentin des soeben erwähnten Ausschusses des europäischen Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarats, und zwar für Italien.

Ursprünglich als Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention diskutiert, besteht das Übereinkommen mangels einer diesbezüglichen Einigung der Mitgliedstaaten des Europarates nun neben der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Der Vortrag von Prof. Lantschner trägt den Titel: Vielfältiges Österreich. Volksgruppenschutz als kontinuierliche Aufgabe. Nach dem Vortrag, sehr geehrte Damen und Herren, wird uns das Vokalensemble Basbaritenori aus dem Burgenland mit einem Lied beglücken.

Prof. Dr. Emma Lantschner (Assoziierte Professorin am Zentrum für Südosteuropastudien, Universität Graz): Vielen Dank für die Vorstellung.

Sehr geehrter Herr Präsident des Nationalrates! Sehr geehrte Präsidentin des Bundesrates! Liebe Abgeordnete und vor allem liebe Vertreter und Vertreterinnen der Volksgruppen und besonders auch die Jugend, die heute hier ist! Für mich ist es jetzt tatsächlich eine sehr große Freude und Ehre, hier zu stehen und die Eingangsrede für diesen Tag der Volksgruppen halten zu dürfen.

Zum einen ist es für mich als Südtirolerin – Sie werden es vielleicht hören, ich bin Südtirolerin und deswegen auch für Italien in diesem Gremium vertreten – eine Ehre, hier zu stehen, in dem Wissen, wie wichtig die Rolle Österreichs bei der Ausverhandlung der Rahmenbedingungen für die aktuelle Autonomie in Südtirol war. Das ist für mich ein Beispiel dafür, dass zwei Länder konstruktiv im Dialog bleiben können, wenn es um Minderheitenfragen geht. Es war nicht immer reibungsfrei, aber konstruktiv, und das ist in unserer heutigen Welt sehr wichtig.

Zum anderen freut es mich natürlich auch – das hat es schon, als ich die Einladung bekommen und gesehen habe, dass die Jugend hier heute eine besondere Rolle spielen wird –, dass so viele jugendliche Vertreterinnen und Vertreter der Volksgruppen anwesend sind. Das sind nämlich jene Menschen, die für die künftige Ausgestaltung des Volksgruppenschutzes in Österreich verantwortlich sein werden und natürlich auch dafür, wie dieser Volksgruppenschutz in Österreich gelebt wird.

Ganz besonders freut mich aber, dass der Nationalrat den österreichischen Volksgruppen diesen Tag widmet. Wir sind uns alle darin einig, dass solche Tage nicht ausreichen, um aktiven Volksgruppenschutz zu betreiben – ich bin auch der Überzeugung, dass das auch im Sinne dieses Hauses ist –, aber das sind Initiativen, um das Bewusstsein zu stärken und die Sichtbarkeit der Volksgruppen zu erhöhen, und das ist überaus wichtig und auch keine Selbstverständlichkeit.

Der Minderheitenschutz in Europa befindet sich nämlich schon seit einiger Zeit in einer Phase der Stagnation, wenn nicht sogar des Rückschritts. In manchen Ländern gibt es Bemühungen, die Staatssprachen zu stärken, was in gewissen Kontexten durchaus legitim ist. Dieses Ziel ist aber mit Augenmaß zu verfolgen und darf unter keinen Umständen auf Kosten des Schutzes und der Förderung der jeweiligen Minderheitensprachen erfolgen. Aktuelle Entwicklungen deuten auch immer mehr darauf hin, dass der Minderheitenschutz mancherorts nicht mehr als Beitrag zum Frieden und zur Stabilität in Europa betrachtet wird, sondern als Bedrohung für innerstaatliche Stabilität, und dem ist entgegenzutreten, und zwar entschieden.

Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist multilaterale Zusammenarbeit in diesem Bereich, und Österreich tut dies unter anderem durch seine Bemühungen, das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten umzusetzen. Dieses Rahmenübereinkommen des Europarats ist vor 25 Jahren in Kraft getreten und hat in etlichen Ländern zu einer rechtlichen Verankerung und zu einer Verbesserung des Minderheitenschutzes beigetragen. Es hat sich zu einem Instrument zum Umgang mit der Vielfalt in unseren Gesellschaften entwickelt. Das Rahmenübereinkommen ist auch hierzulande seit 25 Jahren in Kraft. Erst im Juni dieses Jahres hat der Beratende Ausschuss die fünfte Stellungnahme im fünften Monitoringzyklus angenommen, die Stellungnahme ist seit Oktober auch für jeden Mann und jede Frau auf der Webseite des Europarates zugänglich.

Vor dem Hintergrund dieses völkerrechtlich verbindlichen Dokuments möchte ich jetzt in meinen Ausführungen auf den Stand des Volksgruppenschutzes in Österreich eingehen und dabei besonders die zwei sehr wichtigen Bereiche Bildung und Sprache in den Fokus nehmen.

Der Volksgruppenschutz reicht in Österreich natürlich sehr viel weiter zurück als die Ratifizierung des Rahmenübereinkommens vor 25 Jahren, angefangen schon beim Artikel 19 Staatsgrundgesetz, Staatsvertrag von Saint-Germain über den Staatsvertrag von Wien, die Bundesverfassung und auf einfachgesetzlicher Ebene das Volksgruppengesetz bis zu den Minderheiten-Schulgesetzen von Burgenland und Kärnten und anderen relevanten Gesetzen. Zentral ist dabei natürlich Art. 8 Abs. 2 B-VG, in dem sich die Republik zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt bekennt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern. Die Betonung liegt auf fördern, auch in die Zukunft gerichtet. Auch das aktuelle Regierungsprogramm, wie Sie alle wissen, hat sich in Sachen Volksgruppenschutz einiges vorgenommen. Positive Entwicklungen in den letzten Jahren sind sicher die Verdoppelung der Volksgruppenförderung, die eine Zeit auf sich warten hat lassen. Inzwischen aber ist sie gekommen und man kann nicht genug betonen, wie wichtig das für die Volksgruppen war.

Das Kärntner Dialogforum und das Forum4Burgenland haben sich als gute Möglichkeit der Einbindung der Volksgruppen auf Landesebene etabliert.

Im Bereich Bildung möchte ich besonders auf die neuen Lehrpläne, die mit dem aktuellen Schuljahr in Kraft getreten sind, hinweisen. Sie sehen als einen der Grundsätze für kompetenzorientierten Unterricht die Behandlung von Sprache, Kultur und Geschichte der Volksgruppen vor, und das – wie ich das lese – nicht mehr nur in den Gegenden, in denen die Volksgruppen beheimatet sind, sondern in ganz Österreich. Sie sehen auch den Unterricht über Roma als Opfer des Holocaust vor. Das ist wichtig, weil, wie wir auch schon gehört haben, das Wissen über die Vielfalt der österreichischen Gesellschaft wesentlich ist, um gegenseitige Achtung, interkulturellen Dialog und Verständnis zu fördern.

Die neuen Lehrpläne sehen vor, dass Schüler:innen das Bewusstsein erlangen sollen, dass Vielfalt zugleich Realität und wertvolle Ressource ist, dass das Erlernen und Beherrschen mehrerer Sprachen für die individuelle Persönlichkeitsentwicklung und die Teilnahme an der Gesellschaft wichtig ist. Das entspricht voll und ganz dem Ansatz des Beratenden Ausschusses zum Rahmenübereinkommen und auch der Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten über die Bedeutung einer mehrsprachigen und interkulturellen Bildung für die demokratische Kultur.

Dieser Grundsatz in den Lehrplänen ist jetzt entsprechend umzusetzen. Wenn es sich um Grundsätze handelt, ist das manchmal etwas schwerer zu bewerkstelligen, da braucht es natürlich auch die Unterstützung des Lehrpersonals in diese Richtung und eine entsprechende Evaluierung, ob dieser Grundsatz auch tatsächlich in den Unterricht einfließt und gelebt wird.

Es gibt natürlich noch Bereiche, in denen es auch in Österreich noch Luft nach oben gibt. Ich komme auf den Minderheitensprachunterricht zu sprechen. Im Rahmenübereinkommen ist das Recht festgelegt, die Sprache zu erlernen oder in ihr unterrichtet zu werden. Das Ziel des Minderheitensprachunterrichts ist es, ein Niveau der Sprachbeherrschung und der Lese- und Schreibfähigkeit zu erhalten oder zu vermitteln, das eine Verwendung der Sprache im öffentlichen und privaten Umfeld, sowie die Weitergabe dieser Sprache an die nächste Generation ermöglicht.

In diesem Sinne ist dieser Sprachunterricht auch eine wichtige Maßnahme gegen die Assimilierung einer Minderheit, wie es in Artikel 5 des Rahmenübereinkommens gefordert wird. Besonders kleinere Minderheiten, die einem stärkeren Assimilierungsdruck ausgesetzt sind, brauchen gegebenenfalls positive Maßnahmen zur Revitalisierung ihrer Sprache.

Der Beratende Ausschuss zum Rahmenübereinkommen fordert dabei Kontinuität in den Bemühungen auf allen Bildungsebenen, das beginnt beim Kindergarten, geht über die Volksschule, die Sekundarstufe bis in den Bereich der Hochschule und der Erwachsenenbildung. Auch im gesamteuropäischen Vergleich sehen wir häufig Schwierigkeiten im Vorschulbereich und im Sekundarschulbereich. Das ist auch in Österreich so. Die zweisprachige Bildung im Kindergarten ist in Kärnten nach wie vor nicht ausreichend gesetzlich geregelt und abgesichert, es gibt auch noch nicht das gesetzlich festgelegte Recht auf zweisprachige Bildung im letzten verpflichtenden Kindergartenjahr. Das zweisprachige Angebot wird im Moment noch im Wesentlichen von privaten Kindergärten gestellt, die öffentlich bezuschusst werden.

Das Angebot ist aber wohl noch zu gering, das zeigen auch die Zahlen im zweisprachigen Kindergarten und dann in der Volksschule. Es braucht also noch weitere Bemühungen und Anstrengungen in Richtung einer gesetzlichen Regelung und auch der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, um zumindest mittel- oder kurzfristig den Mangel an Kindergartenpersonal in den Griff zu bekommen. Wie aus den Medien zu entnehmen war, ist auch die Kärntner Bildungsabteilung damit beauftragt, die Rahmenbedingungen für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu schaffen.

Wie in anderen Ländern auch stellt der Sekundarschulbereich eine besondere Herausforderung dar. Für Ungarisch und Kroatisch gibt es nur an wenigen Standorten zweisprachigen Unterricht; wenn die Sprache als Wahlfach gewählt werden kann, dann häufig nur zulasten einer anderen Fremdsprache. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die ihre Minderheitensprache lernen oder in ihr unterrichtet werden, geht zurück. Was das Slowenische betrifft, so wird mittlerweile bezüglich der Volksschule von einer Phase der Resilienz beziehungsweise Revitalisierung gesprochen. Es gibt gleichbleibend hohe Anmeldezahlen in der Volksschule, auch außerhalb des zentralen Siedlungsgebiets. Im Sekundarschulbereich gehen die Zahlen zurück, das heißt, die Möglichkeiten im Sekundarschulbereich sollten weiter ausgebaut werden. Auch da gibt es, zumindest, was das Ungarische und Kroatische angeht, habe ich gesehen, Ansätze in diese Richtung in den neuen Lehrplänen, vielleicht hören wir in einem der nächsten Panels mehr dazu.

In Beratung mit der Volksgruppe der Roma wäre es auch wichtig, Anreize für den Unterricht im Kindergarten, in Schulen und Universitäten zu schaffen. Und worauf der Beratende Ausschuss auch immer besonderen Wert legt, ist, dass der Bedarf an Sprachunterricht insgesamt zu erheben ist, egal, ob das jetzt im Siedlungsgebiet oder außerhalb des Siedlungsgebietes ist. Das heißt: Auch der Bedarf an Ungarisch-, Kroatisch-, Slowenisch- und Romanesunterricht besonders in Wien sollte erhoben werden, um genau sagen zu können, was der Bedarf der Minderheiten ist und das dann entsprechend aufgreifen zu können.

Die tschechische und slowakische Gruppe ist heute mit der Komenský-Schule sehr stark vertreten. Ich finde es wirklich hervorragend, wie Sie sich hier einbringen. Das zeigt aber auch, wie wichtig es ist, den Bestand dieser Schule zu sichern – auch finanziell –, damit dieses tolle Angebot auch langfristig bereitgestellt werden kann.

Man sieht auch, dass das Interesse, als Lehrer oder Lehrerin an solchen Schulen zu wirken, zurückgeht, insofern braucht es auch noch verstärkte Anstrengungen, Lehrer und Lehrerinnen auszubilden. Das ist natürlich jetzt nicht nur für die Sprachgruppen ein Thema. Wir hören es sehr oft in den Medien, dass es insgesamt Schwierigkeiten gibt, Pädagogen und Pädagoginnen zu erreichen oder diesen Beruf attraktiv zu gestalten. Umso mehr Investitionen braucht es natürlich im Bereich der Volksgruppen.

Was die Verwendung der Minderheitensprachen in Kontakt mit Verwaltungsbehörden betrifft, so setzt das Rahmenübereinkommen dafür einen tatsächlichen Bedarf voraus. Dieser Kontakt in den Minderheitensprachen soll in den Gebieten möglich sein, in denen die Minderheiten traditionell oder in beträchtlicher Anzahl leben. Laut Beratendem Ausschuss ist, um diesen tatsächlichen Bedarf festzustellen, die Kenntnis der Staatssprache nicht das entscheidende Kriterium. Die Bedrohung der Funktionalität der Minderheitensprache als Kommunikationsmittel, also wenn die Minderheitensprache Gefahr läuft, in der öffentlichen Verwendung zu verschwinden und nur mehr in den privaten Bereich zurückgedrängt zu werden, reicht aus, um diesen Bedarf festzustellen.

Außerdem ist für den Gebrauch der Minderheitensprachen ein förderliches Umfeld zu schaffen. Das betrifft zweisprachige Aufschriften in den Amtsgebäuden, zweisprachige Formulare, die leicht abrufbar oder erhältlich sind, keine unverhältnismäßigen Verfahrensverzögerungen und natürlich auch die Rekrutierung von zweisprachigem Personal.

Slowenisch, Kroatisch und Ungarisch wird in Kontakt mit der öffentlichen Verwaltung in Österreich nicht so häufig verwendet. Das sollte aber nicht so gedeutet werden, dass es keinen Bedarf gäbe. Vonseiten der Vertreterinnen und Vertreter der kroatischen und ungarischen Volksgruppe hört man auch, dass die Notwendigkeit aktiver Schritte gegeben ist, um die bereits relativ vorangeschrittene sprachliche Assimilierung umzukehren. Dass diese Sprachen nicht so häufig genutzt werden liegt wohl eher an den Rahmenbedingungen, die dem Gebrauch der Minderheitensprache eben nicht zuträglich sind.

Mögliche Schritte, um die Situation zu verbessern, wären die gezielte Rekrutierung zweisprachigen Personals, die flächendeckende Bereitstellung von Formularen, auch online, und die sichtbare Information, dass die Minderheitensprache verwendet werden kann. Es gibt ja auch schon die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung für zweisprachige Gemeindewebseiten, das sollte von den Gemeinden verstärkt in Anspruch genommen werden.

Im Gerichtswesen möchte ich positiv hervorheben, auch im Kontext mit dem Rahmenübereinkommen, dass in Österreich die Möglichkeit der Verwendung der Minderheitensprache über das Strafverfahren hinausgeht. Das geht sozusagen über das hinaus, was im Rahmenübereinkommen vorgesehen ist. Aber auch da gibt es Probleme bei der praktischen Umsetzung. Soweit ich gehört habe, gibt es auch schon in der laufenden Legislaturperiode erste Schritte in die Richtung, die Verwendung des Slowenischen durch eine Reform der Gerichtsstruktur in Kärnten zu verbessern. Im Moment werden diese Bemühungen, soweit ich weiß, nicht fortgesetzt. Es wären aber auf jeden Fall Schritte zu setzen, um den Gebrauch des Slowenischen sicherzustellen.

Topografie ist natürlich ein Thema, das in diesem Haus schon für sehr viel Beschäftigung gesorgt hat. Ich möchte dazu nur auch aus der Praxis des Beratenden Ausschusses einbringen, dass zweisprachige Topografie gefördert werden soll, dass die Botschaft vermittelt wird, dass ein Gebiet harmonisch und friedlich von verschiedenen Bevölkerungsgruppen bewohnt wird. Zweisprachige Topografie trägt dazu bei, das Sprach- und Kulturerbe zu erhalten und Bewusstsein und Sichtbarkeit für die Präsenz von nationalen Minderheiten zu schaffen. Die Gemeinden sollten, wenn nötig, auch finanziell dabei unterstützt werden, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, über die im Volksgruppengesetz gelisteten Ortschaften hinaus auf freiwilliger Basis zweisprachige Ortsschilder zu beschließen und anzubringen.

Es gäbe noch einige andere Bereiche, die man ansprechen könnte, aber ich bin sicher, dass auch in dem Panel mit den Volksgruppenbeiräten noch sehr viele andere Themen debattiert werden, und möchte daher zum Schluss kommen.

Der Minderheitenschutz ist eine sehr dynamische Materie. Die Gesellschaften verändern sich und dadurch natürlich auch die Interessen und Bedürfnisse der Volksgruppen. Daher ist es wichtig, in diesem austauschenden Dialog zu bleiben. Auch der heutige Tag steht unter diesem Motto, also den Dialog mit den Volksgruppen zu fördern. Beratungsgremien wie in Österreich die Volksgruppenbeiräte sind für diesen Austausch natürlich zentral.

Bei diesem Dialog mit den Volksgruppen ist aber auch auf die Diversität innerhalb der Volksgruppen zu achten. Volksgruppen sind genauso wenig homogene Blöcke, wie es die Mehrheitsbevölkerung ist. In diesem Zusammenhang möchte ich wieder auf die Jugend zu sprechen kommen. Die Sichtweise der Jugend und die Bedürfnisse der Jugend sind natürlich in diesem Dialog auch vorrangig zu berücksichtigen.

Veranstaltungen wie diese tragen zu dieser Bewusstseinsbildung bei, sie tragen auch zu einer sehr wichtigen Sichtbarmachung der Volksgruppen bei. Deswegen bin ich auch froh, dass es dieses Gruppenfoto mit so vielen Jugendlichen vor dem Parlament gegeben hat, dass das jetzt nicht nur eine Veranstaltung ist, die hier in diesem schönen Plenarsaal stattfindet, sondern dass das auch nach außen hin sichtbar war.

Ich möchte dieser Veranstaltung für ihren weiteren Verlauf und natürlich allen Bemühungen, die in diesem Haus zum Schutz der Volksgruppen in Österreich in Zukunft noch getroffen werden, alles Gute wünschen. – Vielen Dank. (Beifall.)

*****

(Es folgt ein Musikstück.)

*****

(Beifall.)

Katja Gasser: Basbaritenori – das sind Filip Tyran, Tome Janković, Ruben Gludovacz, Palček Maly. Bitte noch einmal einen heftigen Applaus. (Beifall.)

Panel 1 – DIALOG verbindet. Blickpunkt Volksgruppenbeiräte

Katja Gasser: Wir sind beim ersten Panel, beim Panel mit den Volksgruppenbeiräten, angelangt. Ich bitte die Volksgruppenbeiräte zu mir aufs Podium. Das Gespräch mit den Volksgruppenbeiräten wird unter dem Thema Sprache und Bildung stattfinden.

Diesem Panel sind 30 Minuten zugewiesen, und wir sollten uns daran halten. Ich wurde ermahnt, einen zeitlich recht straffen Ablauf zu verfolgen.

Auf dem Podium Platz genommen haben jetzt: Martin Ivancsics, frisch gewählter Vorsitzender des Volksgruppenbeirates für die kroatische Volksgruppe (Beifall), Emmerich Gärtner-Horvath, Vorsitzender des Volksgruppenbeirates für die Volksgruppe der Roma (Beifall), Vladimir Mlynar, Vorsitzender des Volksgruppenbeirates für die slowakische Volksgruppe (Beifall), der heute schon allseits gerühmte Karl Hanzl, Vorsitzender des Volksgruppenbeirates für die tschechische Volksgruppe, der die Komenský-Schule vors Parlament brachte (Beifall), Attila Somogyi, Vorsitzender des Volksgruppenbeirates für die ungarische Volksgruppe (Beifall), Augustine Gasser, Vorsitzende des Volksgruppenbeirates für die slowenische Volksgruppe, die als Beiratsvorsitzende für die Slowenen in Kärnten und der Steiermark spricht. (Beifall.)

Brigitta Busch wird mich bei diesem und den nächsten Panels inhaltlich unterstützen. Sie ist eine der führenden Expert:innen auf dem Gebiet der interkulturellen Kommunikation und Mehrsprachigkeit, lehrt unter anderem nach wie vor am Institut für Sprachwissenschaft in Wien und war viele Jahre das, was im Moment Frau Professor Lantschner ist, nämlich Mitglied des Beratenden Ausschusses des Europarates zum Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten in Europa.

Für dieses Gespräch sind wie gesagt rund 30 Minuten vorgesehen, das Thema umfasst Bildung und Sprache.

Liebe Brigitta Busch, Sie eröffnen dieses Panel. Lassen Sie uns damit beginnen, eine kleine Rückschau zu halten, was die Entwicklung in Sachen Volksgruppenpolitik in Hinsicht auf Bildung und Sprache in den letzten Monaten, Jahren angeht.

Brigitta Busch (Professorin für angewandte Sprachwissenschaft, Universitäten Wien und Stellenbosch): Ich freue mich sehr, heute hier zu sein, werde aber keine großen Formalitäten jetzt hier abspulen, was Begrüßungen betrifft, weil die Zeit knapp ist.

Ich habe die Aufgabe bekommen, die zwei Dialogplattformen, die wir hatten, und zwar Dialogplattformen autochthoner Volksgruppen im Parlament, die in den letzten zwei Jahren auf Einladung des Nationalratspräsidenten stattgefunden haben, diese Diskussionen kurz zusammenzufassen und einzelne Punkte herauszugreifen.

Wir haben heute schon gehört, dass die Zahlen der Sprecher:innen von Minderheitensprachen in den letzten Jahrzehnten immer rückläufig waren. Das ist die schlechte Nachricht. Aber die gute Nachricht ist, dass wir auch gegenläufige Tendenzen beobachten können, die wir in der Wissenschaft unter die Begriffe Revitalisierung oder, was mir ein bisschen besser gefällt, Reclaiming, also Rückforderung, fassen.

Es ist so, dass doch in der jüngeren Generation viele, die in der Familie nicht mehr primär mit der Volksgruppensprache aufgewachsen sind, wieder Interesse an den Volksgruppensprachen haben und diese lernen wollen und auch praktizieren wollen. Dazu kommen andere Personen, die ihren Lebensmittelpunkt in Regionen mit Volksgruppensprachen wählen und auch Interesse am Lernen der Sprache zeigen. Beide Tendenzen wurden für die slowenische Volksgruppe in Kärnten durch die vom Bundeskanzleramt in Auftrag gegebene OGM-Studie kürzlich belegt, gelten aber bis zu einem gewissen Grad auch für die anderen Volksgruppen.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig – das ist heute schon mehrmals angetönt, und wir haben auch das tolle Beispiel von der Mehrsprachigkeit im Parlament gehört –, dass die Sprachen sichtbar und erfahrbar werden sollen, nicht nur in der Familie und im Privaten, sondern auch in der Öffentlichkeit.

Im Zuge dieses Reclaiming, der Revitalisierung: Respekt für die Minderheitensprachen, Wertschätzung für die Minderheitensprachen, auch das haben wir schon gehört, im öffentlichen Raum und Anerkennung für die Minderheiten.

Ein weiterer wesentlicher Punkt unserer Beratungen in der Dialogplattform war die Mobilität der jüngeren Generation, teilweise temporäre Mobilität, teilweise auch längerfristige Mobilität, in die großen Ballungszentren, Wien an erster Stelle, aber nicht nur Wien. Es ist daher die Frage: Wie kann man sicherstellen, dass diese temporäre Mobilität oder die Mobilität nicht auf Kosten der Minderheitensprachen geht? Welche Möglichkeiten können da geschaffen werden?

Der dritte Punkt, den ich aus den Diskussionen in der Dialogplattform hervorheben möchte, ist: Um die Sprache für Wiedereinsteiger:innen oder neu Dazugekommene attraktiv zu machen, braucht es ein Bildungswesen, das wirklich durchgängig von der Elementarpädagogik bis zur tertiären Bildung geht, das sich nicht erschöpft im Lernen der Minderheitensprachen, sondern ein reelles zweisprachiges Bildungswesen ist. Das heißt, dass auch die Nachmittagsbetreuung, die Freizeitpädagogik eingeschlossen ist, weil gerade diese einen niederschwelligen Zugang auch zur Bildung in den Minderheitensprachen oder zur zweisprachigen Bildung eröffnen. Da besteht natürlich ein gewisser Nachholbedarf, und ich bin sicher, dass das die anderen Panelteilnehmer thematisieren werden.

Katja Gasser: Vielen Dank, Brigitta Busch.

Es sind viele alte Erkenntnisse, die in der Gegenwart nach wie vor nicht wirklich realisiert sind, in unterschiedlichen Bereichen.

Ich würde gerne die nächsten, verbliebenen 25 Minuten in einem Zweischritt verbringen, und zwar mit einem kleinen Blick zurück jeweils die Frage an Sie: Was ist in der Vergangenheit geschehen, was Sie aus heutiger Sicht als besonders wertvoll, emanzipatorisch und relevant für die eigene Volksgruppe einstufen? Und im zweiten Teil würde ich gerne zu Ihren jetzigen Forderungen kommen: Was halten Sie gegenwärtig für das Prioritäre, was umgesetzt werden müsste, was forciert werden müsste?

Zu meiner ersten Frage, die da eben wäre: Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Gelungene für Ihre jeweilige Volksgruppe in den letzten Jahren, das stattgefunden hat? Vielleicht fangen wir am äußeren Rand an: lieber Gärtner-Horvath.

Emmerich Gärtner-Horvath (Vorsitzender des Volksgruppenbeirates für die Volksgruppe der Roma): Ja, das, was bei uns gelungen ist, das ist 1993 geschehen: dass eben die Sprache Romani kodifiziert und didaktisiert worden ist. Es ist ja bis dato immer mündlich weitergegeben worden, und das war der Schritt sozusagen, dass unsere Jugendlichen, unsere Kinder die Sprache nicht nur hören, sondern auch schreiben und lesen können.

Es hat sich auch sehr viel entwickelt. Wir haben in dieser Zeit sehr viele Projekte gemacht. Es gibt das Skooly-Projekt, das wir umgesetzt haben, das im Burgenland für die Kinder in mehreren Sprachen sozusagen in digitaler Form zugänglich ist, und das gibt es jetzt auch in Romanes.

Weiters ist im Burgenland in das Minderheiten-Schulgesetz das Burgenlandromanes aufgenommen worden, wir können es sozusagen auch anbieten und setzen es auch um.

Zurzeit haben wir im Verein Roma-Service 16 Kinder angemeldet, für die Romanes sozusagen als unverbindliche Übung vom Pädagogen Josef Schmidt durchgeführt wird, in Absprache mit dem Landesschulrat sozusagen.

Ja, es ist heute auch die Ausstellung, es ist sichtbar, was die Aussagen der Jugend beziehungsweise der älteren Generation zur Sprache sind. Ich freue mich in Wirklichkeit ja schon, weil ich an der Ausstellung auch mitgewirkt habe. Wir sind auch Kooperationspartner.

Wie sich das weiterentwickeln wird? – Wir wollen auch in der Elementarpädagogik Fuß fassen.

Katja Gasser: Da kommen wir hin, deswegen der Zweitschritt.

Das wichtigste gelungene Projekt der letzten paar Jahre? Wer möchte dazu etwas sagen? – Bitte.

Vladimir Mlynar (Vorsitzender des Volksgruppenbeirates für die slowakische Volksgruppe): Ja, vielleicht gleich in der Reihe weiter. – Die Erhöhung der Volksgruppenförderung hat uns Slowaken wirklich ein Tor aufgemacht, das Tor zu einer neuen Location, die wir haben: ein Slowakisches Haus, Slovenský dom, das einfach ein Zuhause sein soll, für die Kleinsten bis zu den Pensionisten – ich komme schön langsam in die Pensionsecke –, aber auch für die Jugend soll es sein. Dieses Haus wollen wir auch entsprechend nutzen und ausbauen, und das ist, glaube ich, unser schönstes Projekt der vergangenen Zeit. Für das sind wir dankbar.

Katja Gasser: Dann bleiben wir in der Reihe: lieber Hanzl.

Karl Hanzl (Vorsitzender des Volksgruppenbeirates für die tschechische Volksgruppe): Tschechen und Slowaken, das passt immer. Es ist also die beste Kooperation, die es gibt. Und ich freue mich, dass wir mit den Slowaken gemeinsam auch diese Schule betreiben können.

Ich schließe mich dem großen Dank an Frau Ministerin Raab an. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Politiker oder eine Politikerin den politischen Willen zeigt und eine Unterstützung erhöht. Das müsste sie nicht tun, auch wenn es zehnmal im Regierungsprogramm drinnen steht. Das, was heute entscheidet, ist wirklich der politische Wille.

Bei wem ich mich groß bedanke, das ist jetzt weniger die Politik, das sind vor allem die Tschechen, Slowaken, die ganzen Generationen, die den Glauben an diese Schule bewahrt haben, die im Endeffekt – bei einem Tiefststand des Jahres 1989 mit 120 Kindern – den Glauben gehabt haben: Diese Institution ist es wert, egal ob ich eine Stunde in die Schule und eine Stunde wieder zurück fahre, ob ich Schulgeld bezahle – das kann man ja alles billiger haben. Aber die Tschechen und die Slowaken haben gezeigt: Ja, wir wollen das! Und damit ist die Qualität gehoben worden.

Meine Gratulation geht an die Eltern, an die Kinder, an ihre Großeltern und an die Generationen davor, die für diese Idee, dieses Weitergeben der Sprache gelebt haben – an die eine herzliche Gratulation, die haben sie sich verdient! (Beifall.)

Katja Gasser: Applaus nicht zuletzt an die Schülerinnen und Schüler. Die Eltern können das ja beschließen, in die Schule gehen müssen dann die Kinder, und die sitzen (auf die Besucher:innengalerie weisend) da oben.

Lieber Herr Somogyi.

Attila Somogyi (Vorsitzender des Volksgruppenbeirates für die ungarische Volksgruppe): Was sind die großen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, was die ungarische Volksgruppe betrifft? Liebe Freunde, wir haben eine lange gemeinsame Geschichte, das sieht man auch heute, wo wir hier sitzen. Frau Bundesratspräsidentin Arpa: Das heißt auf Ungarisch Gerste. (Heiterkeit.) Herr Präsident Sobotka hat einen tschechischen Namen, wenn ich richtig von Kollegen Hanzl informiert wurde, und Frau Bundesministerin Raab trägt den Namen eines Flusses, der in der Steiermark entspringt und in Ungarn in die Donau mündet. (Heiterkeit.)

Katja Gasser: Ein herzliches Willkommen der Frau Ministerin an dieser Stelle. (Beifall.)

Attila Somogyi: Daher war es für uns natürlich ganz wichtig. Was bei uns damals natürlich auch ein bisschen Unverständnis erregt hat, war, dass wir nach dem Zweiten Weltkrieg beim Staatsvertrag 1955 nicht im Staatsvertrag waren – eine Volksgruppe, die seit mehr als 1 000 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Österreich lebt! Daher war es ganz wichtig, dass das Volksgruppengesetz 1976 gekommen ist. Ich war damals selber noch Schüler, und da kann ich euch aus meiner Erfahrung berichten: Ich hatte nicht die Möglichkeit, im Burgenland Ungarisch zu lernen, und wie es eingeführt wurde, war es immer noch schwierig.

Jetzt komme ich zu dem Punkt, was für uns der wichtigste und größte Fortschritt war – das war im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen –: dass im Jahr 1992 das zweisprachige Bundesgymnasium in Oberwart eröffnet wurde. Das war ein großer Schritt voraus, auch für die kroatische Volksgruppe – da wurde die österreichische Lösung gemacht: zwei Volksgruppen unter einem Dach. Ich bin ganz besonders stolz; wie wichtig die Entscheidung für diese Schule war, sieht man daran, dass meine Schüler heute auch hier sitzen.

Katja Gasser: Applaus! (Beifall.)

Attila Somogyi: Ein ungarischer Dichter hat einmal gesagt: Nehmt uns bitte nicht die Kirche, die Vereine und die Schulen!, und ich sage in diesem Sinne: Gebt sie uns, auch in Wien! – Das ist für uns ganz wichtig. Wenn wir weitergehen, welche - -

Katja Gasser: Zur Zukunft kommen wir noch.

Attila Somogyi: Der EU-Beitritt und dieses Rahmenübereinkommen sind natürlich für uns auch ganz wichtig. Wir werden heute noch den einen oder anderen Punkt besprechen. Wir sind sehr dankbar, dass diese Fortschritte gemacht wurden, also 1976 das Volksgruppengesetz – ganz wichtig – und 1992 die Eröffnung des zweisprachigen Bundesgymnasiums.

Katja Gasser: Augustine Gasser, Sie sind am Wort. Was ist gelungen, was war das Wichtigste in den letzten Jahren?

Augustine Gasser (Vorsitzende des Volksgruppenbeirates für die slowenische Volksgruppe): Dovoli mi, da pozdravim v slovenskem jeziku in da se zahvalim za današnjo prireditev! Gelungen ist nämlich, dass ich heute im öffentlichen Raum slowenisch sprechen kann, ohne Sorge haben zu müssen, von jemandem beschimpft zu werden. Ich denke, das drückt auch der heutige Tag hier aus: Die Stimmung hat sich geändert und die Wertschätzung hat sich geändert.

In Kärnten ist mit der Ortstafellösung sicher ein wesentlicher Punkt eines Kompromisses gelungen. Der Kompromiss, das haben wir heute auch schon gehört, gehört zur Demokratie und hat in Kärnten den Dialog eröffnet. Ich denke, der Dialog, den wir in Kärnten leben, hat die positive Stimmung dahin gehend verändert, dass auch Eltern von einsprachigen Kindern die Kinder zum zweisprachigen Unterricht anmelden. Ich denke, das ist ein positiver Schritt, nämlich in der Wertschätzung. Positiv zu erwähnen ist sicher auch die erstmalige Nennung in der Verfassung. Die slowenische Volksgruppe ist ja in unserer Kärntner Landesverfassung erstmals erwähnt, und auch das ist sicher positiv hervorzuheben.

Katja Gasser: Lieber Herr Ivancsics.

Martin Ivancsics (Vorsitzender des Volksgruppenbeirates für die kroatische Volksgruppe): Na ja, ich kann ja nur ergänzen, ich will nicht wiederholen: Ich glaube schon, dass es sehr wichtig war, dass wir nach dem Staatsvertrag auch das ernst genommen haben, was vereinbart wurde, und dass eben die Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, wenn auch nicht immer so, wie es sich die Betroffenen vorgestellt haben, umgesetzt wurden. Das ist, glaube ich, einmal dieses Verständnis des Staates: Ich bin in der Schuld! – Das halte ich für groß und für stark, und wir drängen auch immer darauf, dass es entsteht.

Wenn heute vom vielfältigen Österreich gesprochen wird, dann ist auch wieder eine Frage, wie wir das sehen. Ich nehme an, wenn wir für ein vielfältiges Österreich sind, dann müssen wir auch etwas dafür tun. Es gibt rechtliche Bestimmungen, die ihren Sinn haben. Zum Beispiel das Territorialprinzip, schon 1867: Da steht drinnen, dass die Minderheiten in ihren Stammesgebieten das Recht haben, die Sprache zu verwenden und darin unterrichtet zu werden. Nur, dieses Indianertum schadet den Minderheiten, daher gibt es eine Initiative, die wir gestartet haben und über die wir heute ja noch sprechen werden.

Wir müssen dann aktiv darüber nachdenken: Wie schaffen wir das? Wenn viele burgenländische Kroaten, ich nehme als Kroate dieses Beispiel, nach Wien kommen und sich dort ansiedeln, haben ihre Kinder in diesem Moment kein Anrecht mehr auf zweisprachigen Unterricht in der eigenen Volksgruppensprache. Das ist nicht gegeben, auch bei den Ungarn nicht, auch bei den Slowenen nicht. Wir alle verlieren Jahr für Jahr aufgrund der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Leute, Angehörige, die das auch gerne ihren Kindern weitergeben würden, es aber nicht können, weil es rechtlich nicht möglich ist. Das ist eine Vermischung der jetzigen Situation auch - ‑

Katja Gasser: Sie leiten über.

Martin Ivancsics: Ja, ich leite über und sage: Wir im Burgenland, und da meine ich alle drei Volksgruppen, sind schon daran gewöhnt, unsere Rechte einzufordern, aber wir sind auch dazu übergegangen, etwas dafür zu tun. Da bin ich sehr stolz darauf, dass ich einer der Initiatoren bin: Wir haben es geschafft, ein Forum für Burgenland zu bilden, in dem die Kroaten, die Ungarn und die Roma drinnen sind, in dem die Bildungsdirektion und die Pädagogische Hochschule gemeinsam darüber nachdenken, wie wir die Materialien, wie wir die Dinge, die wir in den Schulen brauchen, besser und effizienter gestalten können.

Wir haben schon das erste Projekt fertig gemacht. Wir machen zum Beispiel Unterrichtsmittel, einmal, und übersetzen sie sofort in alle drei Sprachen. Das ist eine Ersparnis, nicht nur für den Staat, sondern auch für alle anderen und eine Beschleunigung bei der Herstellung von Unterrichtsmitteln. Das tun wir in einer ausgezeichneten Weise.

Das Forum besteht nun schon das dritte Jahr. Wir haben, weil es angeklungen ist, jetzt gerade die Elementarpädagogik als den Schwerpunkt definiert, den wir in den nächsten Jahren bearbeiten werden, alle drei zusammen, gemeinsam mit den Profis, die uns beibringen, wie das geht, auch gemeinsam mit der Botschaft: Lieber Bund, öffne die Schulen, öffne die Bildungseinrichtungen! Dort liegt der Krebs im Rückgang der Sprecher unserer Volksgruppensprachen, weil sie in Wien, in Niederösterreich oder in der Steiermark keine Chance haben, eine Ausbildung in ihrer Muttersprache zu bekommen, weil es diese Einrichtungen dort nicht gibt und sie auch nicht diskutiert werden; das muss ich sagen. (Beifall.)

Katja Gasser: Martin Ivancsics hat jetzt, wie ich habe anklingen lassen, bereits die Überleitung zum zweiten Schritt des Panels übernommen, und zwar sind wir bei der Frage angelangt: Was sind die virulentesten Forderungen aus Ihrer jeweiligen Perspektive für Ihre jeweiligen Volksgruppen? Was gilt es aus Ihrer Position, am Dringendsten zu tun? Was muss dringend umgesetzt werden?

Finden wir eine neue Reihung oder fangen wir wieder ganz außen an? – Fangen wir wieder ganz außen an.

Emmerich Gärtner-Horvath: Es wurde schon die Diskriminierung angesprochen, also für uns ist das sicher in jedem Bereich ein Schwerpunkt, auch im Bildungsbereich, dass Pädagogen sozusagen Lehrmaterialien über die Volksgruppe der Roma erhalten. Auch bei den anderen Volksgruppen ist es, glaube ich, notwendig, und nicht nur in den autochthonen Gebieten, sondern darüber hinaus, also in ganz Österreich.

Weiters ist die Elementarpädagogik ja schon angesprochen worden. Im Burgenland wird es vier Pilotprojekte geben, die dann nachher ausgeweitet werden, und ich bin sehr froh, dass da auch die Roma mit drinnen sind. Bei uns fehlen derzeit zwar noch die Elementarpädagoginnen, -pädagogen, aber wir werden schauen, dass die ausgebildet werden, und vielleicht gibt es auch in der Mehrheitsbevölkerung welche, die sagen: Okay, mich interessiert die Sprache! – Es wurde ja auch Englisch gelernt, man kann ja vielleicht auch Romanes lernen.

Katja Gasser: So ist es. – Bitte.

Vladimir Mlynar: Unsere Volksgruppe hat sich heuer – auch im Vorjahr – Jugend und die Mobilität auf die Fahnen geheftet. Das sind zwei Aspekte, die für die Slowaken, aber auch für die anderen Volksgruppen sehr wichtig sind. Ich habe einen Traum: dass sich die Situation, die wir in den Grenzgebieten nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt haben, mit der Assimilierung der Slowaken in diesem Gebiet, nicht wiederholt.

Mein Traum ist auch, dass die Politik die Rahmenbedingungen setzt, dass wir in den Bildungsinitiativen, die wir jetzt gestartet haben, tatsächlich das Commitment dazu haben, dass in diesem Haus diese Gesetze oder die Möglichkeiten geändert werden, damit genau das passiert: dass sich dann in der Zukunft unsere Kinder hier auch in der Muttersprache unterhalten und nicht nur mehr in der Einheitssprache der Mehrheit kommunizieren können. Das ist mein Traum. (Beifall.)

Katja Gasser: Lieber Herr Hanzl.

Karl Hanzl: Für die Tschechen ist es so: Wir können uns auf niemanden anderen ausreden, wie unsere Schule funktioniert, wir sind dafür nur selber zuständig. Wir sind eine Insellösung, die keinen richtigen Angelpunkt im Unterrichtsministerium hat. Man wird mir sagen, irgendwie sei dann sicher das Ministerium zuständig, aber es ist etwas anderes, staatlich geregelte Schulen für die Slowenen in Kärnten sowie für die Ungarn, die Kroaten und die Roma im Burgenland zu haben, als eine Privatschule zu betreiben, die Tag für Tag ihr Geld auftreiben muss.

Ich nicht so ein Fan von Tafeln, ich habe es nur rausgekramt. (Der Redner nimmt eine kleine Schreibtafel aus der Tasche und schreibt die Zahl 1872 darauf.) Das war das Tablet vor 150 Jahren, da hat man mit Kreide auf Tafeln geschrieben. Für unsere Schule war der Gründungszeitraum das Jahr 1872, und seit dieser Zeit haben wir uns diese Tafeln und alles andere, bis zu den heutigen Tablets, allein gekauft! Bitte, wie gibt es so etwas, dass für eine Schule, in die österreichische Staatsbürger gehen, nicht das Betriebsgeld mitbezahlt wird?

Danke schön, seit 1981 gibt es die bezahlten Lehrer, auch das hat seit der Gründung des Schulvereins 100 Jahre gedauert, und dann wurden die Lehrer in dem Moment bezahlt, an dem keiner mehr geglaubt hat, dass diese Schule weiter existiert – da waren 120 Kinder da –, quasi: Der Letzte geht und dreht das Licht ab!

Jetzt haben es die Tschechen und die Slowaken in Wien geschafft; und ich denke, nachdem meine Urgroßeltern das nicht erlebt haben, meine Großeltern es nicht erlebt haben, meine Eltern es nicht erlebt haben, ich es nicht erlebt habe, meine Kinder es nicht erlebt haben, gehen jetzt meine Enkerln in die Schule; und vielleicht erleben sie es, dass der Staat sich an den Betriebskosten der Schule beteiligt. Jeder österreichische Schüler kostet je nach Schultyp und Jahr etwa 3 000 bis 3 800 Euro, je nach dem Gebiet, wo das ist. Das ist für Strom, Heizung, Gas – Gas ist in der Zwischenzeit schon verboten. Aber genau dieses Geld in etwa hätte ich gerne für diese Schule, damit ich das dann nach 30 Jahren oder ein wenig längerer Obmannschaft so übergeben kann, dass die tschechische, slowakische Komenský-Schule weiter existieren kann. Das ist mein großer Traum und Wunsch, und ich hoffe, ich muss das nicht auf meine Enkerln und Urenkerln schieben. – Danke schön. (Beifall.)

Katja Gasser: Lieber Herr Somogyi, was ist Ihr Traum?

Attila Somogyi: Köszönöm szépen a szót, hogy én is mondjak valamit magyarul. – Damit ich auch in ungarischer Sprache etwas sage: Danke für das Wort.

Ich war am Wochenende in Bad Ischl. Da bin an der Lehár-Villa vorbeigegangen. Mein Wunsch wäre: dass genau so, wie Österreich sich Ferenc Lehár einverleibt hat, es die ganze ungarische Volksgruppe sieht und das als positiven Beitrag zur Weiterentwicklung unserer schönen Republik betrachtet.

Dazu gehört natürlich auch die Schule, wie ich vorhin erwähnt habe. Im Burgenland sind wir da auf ganz gutem Weg, und es freut mich, dass auch die Vertreter der Bildungsdirektion Burgenland und der pädagogischen Hochschule anwesend sind, zusammen mit unseren Schülern. Es gibt auch noch einiges zu tun.

In Wien haben wir großen Nachholbedarf. 1992 sind auch die Ungarn in Wien als Teil der ungarischen Volksgruppe anerkannt worden. Die Daten aus den Hauptergebnissen der Volkszählung 2001 sind die letzten aktuellen, die wir haben: Es gibt rund 26 000 österreichische Staatsbürger mit ungarischer Umgangssprache in Österreich. Damit sind wir jetzt die größte Volksgruppe in Österreich.

Natürlich brauchen wir eine entsprechende Abdeckung in Wien, und als gelernter Österreicher sowie als Ungar habe ich Ihnen am heutigen Tag natürlich auch etwas mitgebracht. Wir haben uns nämlich sehr eingehend damit beschäftigt und einen offenen Brief an die Frau Ministerin und den Herrn Minister verfasst. – Frau Sektionschef, für den Herrn Minister, darf ich Ihnen den offenen Brief der ungarischen Volksgruppe übergeben? (Der Redner überreicht einen Brief an Bundesministerin Raab und Margareta Scheuringer. – Beifall.)

Katja Gasser: Ein gewisses Talent zum Aktionismus kann man den Volksgruppenbeiräten nicht absprechen. (Beifall.) – Vielen Dank, lieber Herr Somogyi!

Augustine Gasser, was ist zu tun?

Augustine Gasser: Was ist zu tun? – Frau Busch hat vieles ja schon vorweggenommen, was uns in Kärnten sehr beschäftigt, auch die OGM-Studie wurde bereits erwähnt. Ich möchte noch einmal betonen und denke, da sind wir uns in den Volksgruppen auch sehr einig: Die Elementarpädagogik ist das wichtigste Element, wenn wir die Sprache erhalten wollen.

Wir haben in Kärnten wie gesagt dieses zweischneidige Schwert: auf der einen Seite den Rückgang des Sprachgebrauchs, den Rückgang der Volksgruppe, und andererseits die Zugewandtheit beziehungsweise Revitalisierung. Wir sind natürlich damit konfrontiert, dass wir Kinder in die erste Klasse der Volksschule bekommen, die kein Slowenisch sprechen, gleichzeitig auch Kinder, die aus slowenischen Elternhäusern kommen und ein Maß an Slowenisch haben. Das heißt, der Unterricht in der Volksschule ist entsprechend schwierig und kompliziert, nämlich die vielen Sprachniveaus miteinander zu verbinden und allen Kindern gerecht zu werden.

Was wir dringend brauchen und wo wir auch den Schlüssel zum Erfolg sehen, ist die Elementarpädagogik, heißt: der frühe Spracherwerb, das Angebot so früh wie möglich. Wir haben dieses Bildungsangebot ja mittlerweile nicht mehr als Kindergarten verankert, sondern als elementarpädagogisches Angebot, Betreuungsangebot, auch mit dem verpflichtenden Kindergartenjahr. Da, denke ich, ist es unbedingt notwendig, die Schulreform zu starten und das auch für diese Elementarpädagogik gesetzlich zu verankern: nämlich den zweisprachigen Unterricht, das zweisprachige Angebot. Wir haben so ein Schlagwort – kein Aktionismus, aber ein Schlagwort –: von der Kita bis zur Matura; da hätten wir bitte gerne den zweisprachigen Unterricht und selbstverständlich auch die Nachmittagsbetreuung, denn Kinder sind heute weit über den Vormittag außer Haus. Sie sind sehr früh außer Haus, und sie müssen auch in diesen Institutionen, in denen sie betreut werden, entsprechend die slowenische Sprache lernen können.

Ein zweiter Punkt, der unmittelbar damit verbunden ist und dringend notwendig ist, ist natürlich auch die Ausbildung der Elementarpädagog:innen in der Zweisprachigkeit. Das ist überhaupt noch nicht gelöst. Wir haben keine Ausbildung, wir haben auch keinen Beruf der zweisprachigen Elemenetarpädagog:innen, und bevor wir das nicht haben, können wir natürlich auch kein qualitativ hochwertiges Angebot in den Bildungsstätten bieten.

Die Finanzierung – da möchte ich mich noch einmal persönlich bedanken –, die Verdoppelung der Finanzierung war natürlich eine große Hilfe; vor allem auch in diesem Zusammenhang für die privaten Einrichtungen, die jetzt diese Arbeit der Elementarpädagogik leisten, die natürlich auch nur mit der Finanzierung geht – und da ein großes Dankeschön. (Beifall.)

Katja Gasser: Lieber Herr Ivancsics, Sie haben mir geholfen, zu Teil zwei voranzuschreiten. Haben Sie dem, was Sie gesagt haben, noch etwas hinzuzufügen?

Martin Ivancsics: 60 Sekunden.

Katja Gasser: Bitte, wir zählen mit.

Martin Ivancsics: Ich glaube, es ist nicht notwendig, zu wiederholen, weil es gemeinsame Anliegen sind, die wir vertreten. Wir haben in allen Volksgruppenbeiräten den Entwurf eines Memorandums diskutiert; die Slowenen sind morgen dran, alle anderen Beiräte haben es schon beschlossen. Wir werden diese Beschlüsse gemeinsam zu Papier bringen – wo sich noch Unterschiede ergeben –, und dann werden wir eine große Einladung an die Bundesregierung, an das Parlament aussprechen, dass sie mit uns gemeinsam nachdenken, wie wir aus diesen Indianerrepubliken wirklich eine Brutstätte – im positiven Sinn – der Stärkung und der Vielfalt, der österreichischen Vielfalt machen. Wir sind auch Österreicher und begeisterte Österreicher und wir wollen da auch in der Tabelle drinnen sein. – Danke schön. (Beifall.)

Katja Gasser: Vielen Dank.

Das war es vom Panel 1. Wir haben uns – ich glaube, ganz gut – an die vorgegebene Zeit gehalten. Man möge uns von Organisationsseite her gratulieren. Vielen Dank allen Beiräten, vielen Dank für eure Artikulationen ihrer Ansprüche.

Brigitta Busch wird mich ins Panel 2 begleiten.

Es findet ein Umbau der Bühne statt, davor aber – ich habe es dieses Mal nicht vergessen – eine musikalische Intervention: Wir hören jetzt das Kvintet Donet aus Kärnten, und zwar mit einem Lied mit dem Titel „Rož, Podjuna, Zila“, eine Art Kärntner-slowenische Hymne voller Wehmut und Schmerz, so wie es sich gehört. Noch einmal Applaus! (Beifall.)

*****

(Es folgt ein Musikstück.)

*****

(Beifall.)

Panel 2 – DIALOG verbindet. Bundesminister:innen im Gespräch

Katja Gasser: Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind bei Panel 2 angelangt. Ich bitte nun Frau Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien Susanne Raab zu mir. – Schön, dass Sie hier sind! (Beifall.)

Und bitte wieder unsere Expertin Brigitta Busch, die hier die Aufgabe haben wird, als eine Art Botschafterin des Panel 1 zu agieren.

Liebe Brigitta, vielleicht zum Einstieg eine Art Zusammenfassung dessen, was wir an diversen Forderungen, aber auch Danksagungen aus dem ersten Panel hierher retten können.

Brigitta Busch: Wir haben das Glück gehabt, dass die Frau Ministerin beim ersten Panel auch schon da war, und das heißt, ich glaube, Sie haben fast alles oder alles aus dem ersten Panel gehört. Ich denke, wir haben auch mit der Keynote von Emma Lantschner am Anfang sehr viel zur aktuellen Situation gehört, weil das ja eine Zusammenfassung des brandaktuellen Berichts des Beratenden Ausschusses des Europarates zur Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten war – es gab also heute wirklich schon eine umfassende Information.

Ich habe mir auch vor dem heutigen Tag das Regierungsübereinkommen angeschaut und es sind wirklich, wie auch die Beiräte betont haben, viele Punkte aus dem Regierungsübereinkommen abgehakt. Es sind aber auch noch zwei, drei Dinge, die möglicherweise in dieser Legislaturperiode noch nicht erfüllt werden, aber zumindest auf den Weg gebracht werden.

Aber du hast gesagt, eine Zusammenfassung: Also ich denke, es geht immer wieder um das Thema Erhalt der Sprachen, Revitalisierung der Sprachen. Was können wir dafür tun? Es kann nicht nur die Aufgabe der Familien sein, obwohl, wie Herr Hanzl betont hat, großer Dank den Familien gilt, die die Sprachen weitertragen, sondern es muss auch in der Öffentlichkeit etwas getan werden. Es braucht auch ein öffentliches Bekenntnis zur mehrsprachigen Konstitution unseres Landes, und wir haben eben gehört, dass diese öffentliche Unterstützung wirklich etwas ganz Zentrales ist.

Es ist circa ein halbes Jahrhundert seit der Verabschiedung des Volksgruppengesetzes vergangen. Es steht auch im Regierungsübereinkommen etwas über eine Neufassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen drinnen.

Das Gesetz ist 1976 damals unter dem Eindruck des Ortstafelsturms konzipiert worden, also in einer sehr polarisierten Situation entstanden. Ich glaube, wie wir heute gehört haben und das auch spüren können, diese Polarisierung ist nicht mehr an der Tagesordnung. Die Frage ist: Wie können wir einen Prozess einleiten, der zu einer Neufassung führt, zu einer Neufassung, die beispielsweise auch die Bildungsbelange der Tschechen und Slowaken in Wien, aber auch der anderen Volksgruppen, die in Wien vertreten sind, berücksichtigt? Wie können wir Lösungen finden, dass da mehr ausgleichende Gerechtigkeit besteht?

Dieser Punkt ist auch im ersten Panel mehrfach angesprochen worden: dass die aktuelle Situation sehr stark vom Territorialprinzip geprägt ist – Herr Ivancsics hat das mit den „Stammesgebieten“ sehr pointiert formuliert. Es ist mehrfach angetönt: Es gibt die Mobilität vor allem der jungen Generation, oft temporäre Mobilität in die Ballungsräume, und wir brauchen eigentlich ein Minderheitenrecht, ein Minderheitengesetz, das diese Mobilität auch berücksichtigt. Das ist wirklich immer wieder als zentrales Anliegen gekommen.

Am 10. Dezember, das war vor zwei Tagen, war der Tag der Menschenrechte. Minderheitenrechte sind Menschenrechte – wir haben es heute auch schon gehört –, und Menschenrechte sind auch Individualrechte, und es spricht einiges dafür, das bei der Konzeption des neuen Gesetzes zu bedenken.

Wir haben auch gehört, dass es immer noch Diskriminierungen und rassistische Anfeindungen gibt, vor allem was die Volksgruppe der Roma betrifft, obwohl auch da viel Positives passiert ist.

Ich denke, das sind Forderungen und Fragen, aus denen Anregungen abzuleiten wären.

Katja Gasser: Liebe Frau Ministerin, jetzt haben Sie viel gehört. Was würden Sie denn in Ihrer ersten Reaktion auf all das Gehörte sagen wollen?

Susanne Raab (Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien): Meine erste Reaktion und meine erste Stimmung ist einmal: Man kommt da herein und denkt sich, wie großartig es ist, dass wir im Zentrum der Demokratie sitzen und die Volksgruppenveranstaltung in dieser Breite und Vielfalt hier abhalten – genau hier, wo sie auch hingehört.

Das ist das, wie wir die Volksgruppen verstehen: als festen und integralen Bestandteil unserer österreichischen Identität, nicht irgendwo am Rande oder oben oder unten oder eh auch da, sondern inmitten des Hohen Hauses und natürlich auch im Zentrum der Vielfalt und unserer gesamten Geschichte.

Ich möchte mich gerade bei Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der wirklich, und das weiß ich aus vielen, vielen langen Gesprächen mit ihm, die Volksgruppen in Österreich und den Wert, den sie für unser Land einbringen und mitbringen und immer schon hatten, sehr schätzt und dementsprechend auch immer ein Initiator für das Zusammenkommen ist, ganz herzlich bedanken. – Vielen Dank, lieber Herr Präsident, dafür. (Beifall.)

Meine zweite Emotion: Sie müssen wissen, ich komme sozusagen von meinem letzten Termin gestern am Abend um 20 Uhr im Bundeskanzleramt, einem Empfang anlässlich 30 Jahre Anerkennung der Roma und Sinti als Volksgruppe. Das war auch so ein großartiger Abend, an dem wir mitten im Bundeskanzleramt eben auch diese Vielfalt hatten. Neben all den gesetzlichen Aspekten und Koalitionsabkommen und allem, was wir sicherlich gleich noch besprechen werden, geht es uns eben auch um eines, nämlich um Sichtbarkeit, um politische Anerkennung und auch um Wertschätzung in der Zusammenarbeit. Das darf man nicht nur sagen, sondern das muss man eben auch tun, und solche Veranstaltungen wie heute – oder, wie ich finde, auch gestern Abend – sind eben ein Ausdruck dieser Anerkennung und Wertschätzung, die für uns auch in der Bundesregierung sehr bedeutsam und wichtig ist.

Katja Gasser: Im Regierungsprogramm zeigen Sie sich ja auch in volksgruppenpolitischer Hinsicht recht ambitioniert. Was ist denn in der verbliebenen Zeit an Verwirklichungen aus diesem Programm noch zu erwarten?

Susanne Raab: Jetzt muss man einmal sagen: Wir haben wirklich die letzten Jahre sehr intensiv gearbeitet. Sie sehen da hinten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus meinem Ressort, aus der Volksgruppenabteilung des Bundeskanzleramts, die da Unglaubliches geleistet haben. Es wurde schon angesprochen: Wir haben die Volksgruppenförderung verdoppelt. Wir haben es geschafft, dass wir für jede Volksgruppe ein Leitmedium installieren. Warum? – Weil wir es nur so schaffen, dass wir all das Gute, was in den Volksgruppen passiert, die Vielfalt in den unterschiedlichsten Volksgruppenvereinen eben auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen und so auch wieder die Jungen erreichen. Wir haben es geschafft, dass wir im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarung für den Kindergarten die Volksgruppen dezidiert erwähnen, sodass im Kindergarten eben auch Mittel – bis zu 25 Prozent des Gesamtvolumens – für den Erhalt der Volksgruppensprachen eingesetzt werden können. Das müssen die Bundesländer natürlich dann umsetzen, aber die Möglichkeit gibt es. Ich sehe natürlich auch, wie großartig das beispielsweise in Kärnten funktioniert. Landeshauptmann Kaiser ist da ja auch sehr dahinter.

Wir haben es geschafft, auch Dinge, die nicht im Regierungsprogramm stehen, die uns im Laufe der Legislaturperiode sozusagen überraschend ereilen, wie beispielsweise die ORF-Novelle, die ja so nicht geplant war, sondern uns aufgrund eines Verfassungsgerichtshoferkenntnisses als Aufgabe mitgegeben wurde, zu nutzen, um eben auch die Sichtbarkeit der Volksgruppen zu erhöhen, indem wir etwa den ORF gesetzlich verpflichten, dass er einen höheren Anteil für Volksgruppenöffentlichkeit zur Verfügung stellt. Das liegt, wie ich finde, im Kern des öffentlich-rechtlichen Auftrages, deshalb halte ich das auch für vernünftig.

Ich erinnere mich noch an den ersten Termin, es war einer meiner ersten Ministertermine, bei dem ich die Volksgruppenbeiräte bei mir haben durfte. Ich muss ehrlich gestehen, das Thema war für mich in der Form neu. Ich habe versucht, mich sehr intensiv einzuarbeiten und vor allem viel, viel zuzuhören. Und ich weiß noch genau, was ihr zu mir gesagt habt, nämlich – drei Themen, die ihr auf der Prioritätenliste hattet, haben wir besprochen –: Es ist zentral, dass wir die Volksgruppenförderung erhöhen, es ist zentral, dass wir im Bildungsbereich etwas weiterbekommen – das ist sicherlich noch das große Thema –, und der Jugendbereich ist ganz zentral, dass wir versuchen, auch die junge Generation zu erreichen, Stichwort Digitalisierungsprojekte et cetera, Leitmedien – etwas, was wir auch geschaffen haben.

Im Bildungsbereich haben wir wie gesagt im Kindergarten sehr viel getan. Ich verstehe den Wunsch, das Anliegen der Volksgruppen, dass wir auch über den Kindergarten hinausgehen. Ich tue in meinem Bereich mein Menschenmöglichstes. Die Komenský-Schule ist unser größter Fördernehmer, und wir haben auch in den letzten Jahren versucht, verstärkt und noch mehr zu unterstützen. Da müssen wir sicherlich weiter im Dialog bleiben, um das auch gemeinsam mit dem Bildungsministerium zu bewerkstelligen.

Katja Gasser: Eine abschließende Frage noch, außer - - Bitte, Brigitta Busch.

Brigitta Busch: Ich würde gerne - -

Katja Gasser: Die Zeit, es ist die Zeit.

Brigitta Busch: Eine Sache – es ist vielleicht weniger eine Frage, es ist mehr ein Kommentar –: Ich denke, super, 15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik, aber das Wort zweisprachige Elementarpädagogik habe ich vermisst. Es kommen zwar die Volksgruppensprachen vor, aber es kommen dieses zweisprachige Kindergartenjahr oder eben zweisprachige Einrichtungen nicht explizit vor. Ich glaube, das ist ganz wichtig, dass die Volksgruppensprachen sozusagen nicht ein Add-on sind, sondern dass es wirklich explizit ein Bekenntnis dazu gibt. Nur ein kleiner Kommentar: Ich denke, es wäre super, wenn es möglich wäre, irgendwie eine Stelle einzurichten, die die Gesetze darauf abklopft, und zwar alles, was so an Gesetzen entsteht, dass sie wirklich die Minderheiten in allen Aspekten miterfassen.

Ich weiß, dass das eine sehr utopische Forderung ist, dass das sehr viel Arbeit ist, aber ich denke, es wäre eine tolle Sache, wenn man das machen könnte.

Katja Gasser: Liebe Frau Bundesministerin, es gäbe natürlich jetzt stundenlange Themen mit Ihnen zu besprechen, allein die Zeit erlaubt es nicht. Vielen Dank, dass Sie hier gewesen sind. Die Volksgruppenbeiräte, Volksgruppenmitglieder werden Ihnen gewiss auch weiterhin zu Recht mit ihren Forderungen in den Ohren liegen. Vielen Dank fürs Kommen.

Wir müssen zu Punkt zwei weiterschreiten. – Ein Applaus. (Beifall.)

Vielen Dank Susanne Raab.

Ich bitte jetzt Frau Mag. Margareta Scheuringer zu uns, und zwar in Vertretung des Herrn Martin Polaschek. Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Sie ist, ich erwähnte es bereits, Leiterin der Sektion Personalentwicklung im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Liebe Frau Scheuringer, das Thema Bildung, wie wir jetzt mehrfach aus unterschiedlichsten Blickwinkeln hörten, ist ein ganz dringliches in volksgruppenpolitischen Fragen. Würden Sie zunächst gerne einmal unmittelbar auf all das, was Sie gehört haben, reagieren?

Margareta Scheuringer (Leiterin der Sektion Personalentwicklung im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung): Sehr gerne. Es ist schon sehr viel gekommen, gerade im Rahmen der Keynote. Was in den letzten Jahren geschafft worden ist, ist, dass wir es in allen Lehrplänen Österreichs – und Lehrplan heißt, wir haben eine Verordnung für die jeweilige Schule, für den jeweiligen Schultyp – geschafft haben, das Volksgruppenthema zum Thema zu machen. Egal ob man jetzt in Oberösterreich – ich komme aus Oberösterreich – oder im Burgenland in der Volksschule, in der Mittelschule oder in den Sonderformen ist, man erfährt wirklich Details zur Sprachenvielfalt in Österreich.

Das zweite Thema: Wir haben die Lehrpläne der Minderheitenschulen, also der Volksgruppenschulen, komplett überarbeitet. Wir haben es geschafft, das Gymnasium in Oberwart, das slowenische Gymnasium in Kärnten aus dem Schulversuch herauszubringen und in einen Regellehrplan zu bringen. Das sind zwei wichtige Pfeiler, die wir in den letzten Jahren – gerade im Bildungsbereich – geschafft haben.

Vielleicht ein bisschen ein Nebenschauplatz, aber woran wir arbeiten: Wir haben ein Schuleingangsscreening – es ist schon im Rahmen der Keynote gesagt worden – beim Übergang vom Kindergarten in die Volksschule, und wir schaffen es mit kommendem Jahr, dieses Schuleingangsscreening in den Volksgruppensprachen anzubieten. Das ist sicher eine weitere wichtige Maßnahme. Wir schaffen es mit Mai nächsten Jahres, man glaubt es fast nicht, Zeugnisse zweisprachig auszudrucken, mehr oder weniger, im Bereich der Berufsreifeprüfungen, der Diplomzeugnisse.

Das sind so kleine Steps, die wir im Bildungsbereich auch durchführen, um für die zukünftige Generation, ich schaue jetzt (in Richtung Galerie) da hinauf, unsere Kernzielgruppe einfach die wichtigen Maßnahmen einzuleiten, damit die Volksgruppensprachen in Österreich erhalten bleiben und auch geschätzt werden.

Katja Gasser: Es geht ja eben nicht nur um den Erhalt dieser Sprachen, sondern im Idealfall entwickeln sich diese Sprachen weiter, und dazu ist vor allem ihre Repräsentation im öffentlichen Raum, in der Gerichtsbarkeit, in vielen unterschiedlichen Bereichen notwendig.

Brigitta Busch, was ist die aus Ihrer Sicht wichtigste Frage an die Vertretung von Martin Polaschek in bildungspolitischer Hinsicht?

Brigitta Busch: Eigentlich zwei Punkte, die immer wieder heute hier genannt wurden: Elementarpädagogik, Ausbildung der Elementarpädagog:innen, obligatorisches Kindergartenjahr als zweisprachiges Kindergartenjahr, weil es ja sozusagen Teil des Pflichtbildungsbereichs ist.

Zweites zentrales Thema: Mobilität, wie können wir der Mobilität gerecht werden? Was gibt es für Möglichkeiten, ein Angebot – sagen wir – in Wien oder außerhalb der traditionellen Siedlungsgebiete vorzusehen?

Margareta Scheuringer: Im Bereich Elementarpädagogik hat Bundesministerin Raab schon die 15a-Vereinbarung genannt. Ich glaube, das ist ein wichtiger Meilenstein. Im Elementarpädagogikbereich ist es auch geschafft worden, dass wir die Curricula für die Bafeps anpassen, dass eine zweite lebende Fremdsprache gewählt werden kann, sodass wir die Elementarpädagog:innen für ihren Job an den elementarpädagogischen Einrichtungen fit machen. Das ist die Kernkompetenz des Bundesministeriums. Bei allem, was zweisprachige elementarpädagogische Einrichtungen betrifft, muss man sich die Kompetenzverteilung in Österreich ansehen, und da sehe ich die Verantwortung auch ganz klar bei anderen Partnern.

Zum ganzen Thema eines zusätzlichen Angebots in Wien oder wo auch immer, also außerhalb der territorialen Gebiete, möchte ich eines sagen: Sie wissen, ich bin für den ganzen Bereich Personalentwicklung im Bildungsministerium zuständig. Wir haben einen immensen Fachkräftemangel im Bereich der Elementarpädagogik, im Bereich des Schulwesens.

Klasse Job – das sagt vielleicht vielen von Ihnen etwas – ist eine Initiative, die Martin Polaschek im letzten Jahr gestartet hat. Binnen eines Jahres ist es uns gelungen, im Primarstufenbereich ein Plus von 33 Prozent an Studierenden für das Lehramtsstudium zu gewinnen, über den gesamten Bereich Sekundarstufe, Primarstufe 17 Prozent.

Wenn wir zusätzliche Angebote schaffen wollen, dann braucht es eine Anpassung im Minderheiten-Schulgesetz. Das Minderheiten-Schulgesetz ist ganz klar geregelt: Territorialprinzip, personelle Abgrenzung. Was wir dazu aber auch brauchen, sind die Fachkräfte. Da meine Einladung an die Volksgruppen: dass wir gemeinsam daran arbeiten, dass wir nicht nur quantitativ das Personal an die Schulen bringen, sondern vor allem auch qualitativ. Wenn man sich die Zahlen nur ganz kurz ansieht: Wir haben die Primarstufenausbildung im Burgenland und in Kärnten – wir haben im Burgenland 13 Prozent der Absolvent:innen in der Primarstufe, die den Schwerpunkt Mehrsprachigkeit wählen, in Kärnten an die 23 Prozent. Da ist Luft nach oben. Wir wissen aus Kärnten, gerade im Volksschulbereich brauchen wir Personal, um diese Sprache auch vermitteln zu können. Dahin gehend möchte ich an dieser Stelle einfach noch einmal appellieren, und ich möchte wirklich zum Dialog einladen, wie wir hier auch für die Zukunft mehr schaffen können.

Katja Gasser: Vielen Dank, liebe Frau Sektionschefin. Wir müssen der Zeit wegen voranschreiten. Uns allen war klar, dass wir hier große Probleme nicht lösen werden können, aber zumindest werden sie angehört und besprochen. Wir haben das mit Ihnen in einem kleinen Segment jetzt auch versucht.

Die Zusammenfassung dessen, liebe Brigitta Busch, was wir jetzt hier gehört haben – mit der Bundesministerin und mit Ihnen –, müssen wir uns jetzt aus Zeitgründen sparen. Vielen herzlichen Dank für Ihr Kommen, mit den besten Grüßen an den Bundesminister. (Beifall.)

Vielen herzlichen Dank vor allem Brigitta Busch.

Ich darf jetzt in einer kleinen Abänderung des Ablaufs den Parlamentsdirektor aufs Podium bitten.

Einleitende Worte zu Panel 3

Harald Dossi (Parlamentsdirektor): Vielen Dank. Herr Präsident des Nationalrates! Frau Präsidentin des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Vertreter und Vertreterinnen des Diplomatischen Corps! Sehr geehrte Vertreter und Vertreterinnen der Volksgruppenbeiräte! Sehr geehrte Damen und Herren und liebe Schüler und Schülerinnen! Ich habe die Freude, ganz kurz überzuleiten und einzuleiten zum Panel 3 des heutigen Vormittags.

Wir werden im Rahmen dieses Panels drei Themenkreise ansprechen. Wir werden zum Thema Dialog mit den Volksgruppen einige Worte verlieren, nicht zuletzt, um auch ein bisschen zu zeigen, was wir hier im Parlament selbst dazu machen. Wir werden dann diverse Experten und Expertinnen zum Thema Jugend und Zukunft hören und abschließen wird dieses Panel ein Statement der Bereichssprecher:innen der parlamentarischen Klubs. Ich danke nochmals Ihnen allen, für die Bereitschaft an dieser heutigen Veranstaltung teilzunehmen und sich auch aktiv einzubringen.

Das Motto des heutigen Tages heißt ja Dialog verbindet. Ich möchte das zum Anlass nehmen, einerseits – und das ist ja heute eingangs schon erwähnt worden –, um noch einmal zu bekräftigen, dass wir gerade im Verhältnis zu den in Österreich beheimateten Volksgruppen diesen Auftrag des Dialoges sehr ernst nehmen. Wir haben hier in der letzten Zeit eine Dialogplattform gegründet und haben schon mehrere Termine – dankenswerterweise auch immer unter aktiver Beteiligung der parlamentarischen Klubs – gehabt. Wir haben vor, das weiterzuführen.

Es reicht thematisch eigentlich relativ weit zurück. Es hat einen ersten Termin zu diesem Thema, soweit ich das überblicken kann, bereits im Jahr 2010, damals noch unter Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, gegeben, aber sicherlich dazwischen eine allzu lange Pause – und wir haben nicht vor, diese Pause zu wiederholen. (Beifall.)

Wir haben die Bedeutung des Themas aber auch selbst aufgegriffen. Sie werden in der Folge noch einiges dazu hören, aber nur in einigen Worten: Sie sind ja über das neu geschaffene Besucher:innenzentrum ins Parlament gekommen. Ein wesentlicher Bestandteil des inhaltlichen Angebots im Besucher:innenzentrum sind auch verschiedene Themen, die Volksgruppen betreffen.

Wir haben auch in der Demokratiewerkstatt diverse neue Formate, Themenschwerpunkte entwickelt, die wir sowohl hier im Parlament als auch – mit unseren Containern und mit dem Programm „Parlament on Tour“ – unterwegs in den Bundesländern aufgreifen.

Und schließlich bemühen wir uns auch, mit wechselnden Themenschwerpunkten im Rahmen von Führungen, die wir anbieten – es wird Ihnen allen ja nicht entgangen sein, dass ein wirklich überwältigendes Publikumsinteresse von Besuchern und Besucherinnen besteht –, diese Neugier, die dankenswerterweise hier besteht, nicht nur zum Thema der Volksgruppen, sondern ganz generell, dafür zu nutzen, dass wir in allen unseren Führungen nicht nur das Gebäude zeigen – das natürlich für sich genommen eine hervorragend gelungene Sanierung darstellt –, sondern die Leute bei ihrer Neugier auch abzuholen und zu versuchen, im Rahmen von Führungen immer auch einen kleinen Anteil an Demokratievermittlung, an Information über demokratische Fragestellungen zu bieten, und da sind die Volksgruppen ein wesentlicher Bestandteil.

Ich glaube, der für den Bereich der Demokratiewerkstatt zuständige Abteilungsleiter, Kollege Lugmayr, wird dazu im Anschluss noch ein paar Worte sagen.

Ich bedanke mich aber für Ihr Kommen, Ihre aktive Teilnahme und wünsche Ihnen noch einen angenehmen Vormittag. – Danke schön. (Beifall.)

Katja Gasser: Vielen Dank Harald Dossi, dem Parlamentsdirektor.

Wir hören jetzt noch einmal die Basbaritenori aus dem Burgenland – iz Gradišća –, und dann geht das Programm so weiter, wie es im Programm auch steht.

*****

(Es folgt ein Musikstück.)

*****

(Beifall.)

Katja Gasser: Basbaritenori!

Panel 3 – DIALOG verbindet. Demokratievermittlung – Demokratiebildung – Partizipationsworkshop

Katja Gasser: Wie bereits vom Parlamentsdirektor angekündigt, sind wir hiermit im Panel 3 angekommen, sehr geehrte Damen und Herren.

Ich bitte nun zu mir: zwei Schüler:innen – ich weiß nicht, aus welcher Richtung sie kommen, deswegen bin ich kurz desorientiert – des Zweisprachigen Bundesgymnasiums Oberwart und Herrn Leopold Lugmayr, der, wie wir bereits gehört haben, im Parlament die Abteilung Demokratiebildung leitet. – Hallo, schön, dass ihr da seid! (Beifall.)

Das sind zwei Schüler:innen aus dem erwähnten Bundesgymnasium aus Oberwart, die im Rahmen der Demokratiewerkstatt an einem Workshop teilgenommen haben.

Vielleicht starten wir mit Ihnen, Herr Lugmayr, der Sie sozusagen der Kopf dieser ganzen Geschichte sind: Welche Rolle kommt denn der Volksgruppenthematik in diesem Demokratiebildungsbereich im Parlament zu? – (In Richtung der beiden Schüler:innen – auf die für sie bereitliegenden Mikrofone weisend ­:) Wenn ihr euch dann auch so etwas nehmt.

Leopold Lugmayr (Abteilungsleiter „Demokratiebildung“, Parlamentsdirektion): Die Rolle, die dem Volksgruppenbereich auf dem Gebiet der Demokratiebildung zukommt, ist eine stetig wachsende. Tatsächlich hat uns diese Idee vor ungefähr zwei Jahren erreicht – und sie kam direkt vom Parlamentspräsidenten Sobotka –, einmal darüber nachzudenken, ob unsere Workshops nicht auch eine ganz spezielle Ausformung in Richtung Volksgruppen haben könnten.

Wir haben diese Idee sehr gerne aufgenommen und sehr rasch ein Format entwickelt, bei dem wir Zeitzeugen aus den Volksgruppen einladen. Die erste war Frau Univ.-Prof. Katja Sturm-Schnabl aus der Volksgruppe der Kärntner Slowenen, Frau Volksanwältin Terezija Stoisits war auch schon bei uns, und – ich sage es nicht deswegen, weil Herr Gärtner-Horvath hier sitzt – ein ganz herausragender Workshop war jener mit Herrn Gärtner-Horvath, und ich habe es noch nie erlebt, dass in einem Workshop ein Gast kommt, den die Jugendlichen nicht kennen, und – ich übertreibe da nicht –innerhalb von Sekunden die Barriere zwischen der Klasse und dem Gast einfach pulverisiert wurde. Herr Gärtner-Horvath, ich wollte, alle Pädagoginnen und Pädagogen in Österreich hätten dieses Talent der Empathie, sofort auf Augenhöhe der Jugendlichen zu sein. (Beifall.)

Katja Gasser: Also die Volksgruppenbeiräte haben nicht nur Talent zum Aktionismus, sondern auch pädagogisches Potenzial.

Leopold Lugmayr: Bei der Entwicklung unseres Workshops, dieses Formats, hatten wir auch noch einen zweiten Glücksfall, und zwar: Herr Thomas Kassl ist für uns eine ganz, ganz belastbare Brücke hin zu den Volksgruppen.

Katja Gasser: Eine belastbare Brücke – das ist eine interessante Formulierung.

Leopold Lugmayr: Ja, er hat Kontakte zu allen sechs autochthonen Volksgruppen, und wir erreichen daher nicht nur die Schulen – wobei ich hier die Komenský-Schule und das Gymnasium Oberwart hervorheben darf, die ja schon länger zu uns in die Demokratiewerkstatt kommen, schon bevor wir die Workshops mit Zeitzeugen aus den Volksgruppen hatten. Wären alle Schulen in Österreich so aufgestellt – bei der Komenský-Schule können wir sagen, dass nicht nur die Spitze, die dort gebracht wird, sondern die talentbezogene Förderung auf allen Ebenen und für alle Talente so gegeben ist –: Wir wären sehr glücklich, hätten wir nur solche Schulen in unseren Workshops. (Beifall.)

Katja Gasser: Komenský-Schule, Applaus! (Beifall.)

Leopold Lugmayr: Wie geht es weiter? – Wir werden auch in Zukunft Zeitzeugen aus den Volksgruppen in unsere Workshops einladen und sind sehr froh, das vermitteln zu können, denn wir haben dabei die Erfahrung gemacht, dass für Jugendliche das Volksgruppenthema hundertprozentig eine Bereicherung ist. Sie tragen die Last der Geschichte nicht mit, sondern sie sehen die Möglichkeit, die diese Vielfalt gibt. Ich denke nur an den Workshop mit Frau Sturm-Schnabel, bei dem am Schluss ein 15-jähriges Mädchen gesagt hat: Schade, dass Sie nicht meine Großmutter sind, dann könnte ich jeden Tag mit Ihnen über solche Themen reden! – Da merkt man, wie schnell da die Brücken gebaut werden.

Ich glaube aber, es ist Zeit, dass wir die Jugendlichen selbst zu Wort kommen lassen.

Katja Gasser: So ist es, denn ihr seid lebende Beispiele: Ihr habt ja an einem solchen Workshop teilgenommen und könnt jetzt live vor allen entweder beglaubigen, dass all das, was Herr Lugmayr sagt, stimmt oder dass es vielleicht doch nicht so toll ist. Jedenfalls habt ihr einen solchen Workshop besucht. Wie habt ihr das gefunden? Hat sich durch den Besuch dieses Workshops das Bild von Demokratie verändert?

Sofia Poandl (Schülerin, ZBG Oberwart): Also vor dem Demokratieworkshop war für uns das Wort Demokratie sehr abstrakt. In erster Linie haben wir damit die Wahl verbunden, aber außerhalb der Schule ist Demokratie kein Thema für uns. Wir haben sie als selbstverständlich gesehen. Für uns sind Meinungsfreiheit, Mitspracherecht, Gleichstellung von Frauen einfach völlig normal, aber jetzt haben wir erkannt, dass ein langer Prozess dahintersteht und viele Rechte erst von den Bürgerinnen und Bürgern erkämpft worden sind.

Bewusst wurde uns auch, dass ein Gesetz nicht automatisch die Umsetzung bedeutet. Das haben wir an den Volksgruppengesetzen erkannt: dass es auch sehr lange gedauert hat, bis im Burgenland ein Gymnasium für die Volksgruppen entstanden ist.

Jetzt ist dieses Bild nicht mehr so abstrakt. Wir sehen das Parlament als Sitz der Demokratie. Wir haben auch gemerkt, dass es Arbeit ist, Demokratie zu erhalten, und dass auch sehr viel Arbeit dahintersteckt, sie zu schützen. Alleine beim Parlamentsgebäude ist uns klar geworden, dass die Demokratie etwas Besonderes und etwas Wertvolles ist. Insgesamt ist uns der Stellenwert von Demokratie bewusster geworden, und wir sehen sie nicht mehr als so selbstverständlich wie davor. (Beifall.)

Katja Gasser: Wie ist es bei dir? Hat sich dein Bild von dem, was Demokratie sein könnte, durch diesen Workshop verändert?

Bálint Petneházi (Schüler, ZBG Oberwart): Also ganz ehrlich - -

Katja Gasser: Ganz ehrlich.

Bálint Petneházi: Nachdem ich diesen Workshop besucht hatte, hat sich mir schon einiges vor den Augen geöffnet. Davor, wie sie schon erwähnt hat, haben wir es als selbstverständlich empfunden, dass wir jeden Tag in die Schule gehen können, dass die Busse fahren und eigentlich alles geregelt ist. Nach diesem Workshop ist uns doch schon durch die Gedanken gegangen, dass es da vor ein paar Jahrzehnten etwas gegeben hat, was verursacht hat, dass wir so in der Freiheit leben können, die wir jetzt haben.

Katja Gasser: Applaus. (Beifall.)

Würdet ihr euch noch kurz vorstellen – wie ihr heißt und in welche Klasse ihr geht?

Sofia Poandl: Ich heiße Sofia Poandl und ich gehe in die 5. M-Klasse – 5. Magyar für Ungarisch.

Bálint Petneházi: Ich bin Bálint Petneházi und ich gehe auch in die 5. M. (Beifall.)

Katja Gasser: Aus diesem Workshop ist ja etwas sehr Konkretes hervorgegangen. Wollt ihr uns das noch kurz vorstellen? Was war das Resultat dieses Workshops?

Bálint Petneházi: Ja, wir haben zusammen – die ganze Klasse und auch mit der anderen 5. Klasse – eine Zeitung geschrieben, in der wir über die Probleme, also eigentlich nicht die Probleme, sondern unsere Wünsche bezüglich der Volksgruppen geschrieben und das auf Papier gedruckt haben.

Katja Gasser: Diese Zeitung liegt übrigens – ich ermuntere Sie, sich das anzuschauen – in der Säulenhalle auf. Schauen Sie sich an, was bei diesen tollen Workshops herauskommt!

Vielen Dank euch fürs Mitmachen und fürs Herkommen! Bleibt so frisch, wie ihr jetzt wirkt! – Vielen Dank für Ihre Initiative.

Das war Teil eins, Panel 3. – Vielen Dank, Herr Lugmayr. (Beifall.)

Panel 3 – DIALOG verbindet. Jugend & Zukunft – Perspektiven und Visionen

Katja Gasser: Wir sind noch immer bei Panel 3 und jetzt bei Teil zwei, und zwar bleiben wir beim Thema Perspektiven und Visionen und führen es weiter. Für den nächsten Teil sind 30 Minuten vorgesehen. Wir sind offenbar – was ich nicht ahnte – doch etwas in Verzug, wir werden uns also mit diesen 30 Minuten beeilen.

Ich bitte zu mir auf das Podium: Mario Czory, ORF-Redakteur, Teil der Volksgruppenredaktion – bitte der Reihe nach auf das Podium –, Konstantin Vlasich, Chefredakteur der Zeitschrift „Novi Glas“, Autor und Moderator, Thomas Kamenar, Film- und Contentproduzent, viele Jahre legendär bei Ö3 – er war mein Kollege –, Lina Verdel, ebenfalls beim ORF tätig, allerdings außerhalb der Volksgruppenstrukturen, Marko Londa – wenn man ihn googelt, findet man folgende Zuschreibung: „Founder and Chief Changemaker at Moonshot Pirates“; man könnte aber auch einfach Geschäftsführer von Moonshot Pirates sagen – und István Mihály Zsótér, Schüler des Zweisprachigen Bundesgymnasiums Oberwart. – Applaus. (Beifall.)

Auf den Stühlen liegen jeweils Mikros.

Habe ich jemanden vergessen? – Melanie Juriga, es tut mir furchtbar leid. Möglicherweise hat es geheißen, Sie haben abgesagt – Sie stehen jetzt hier nicht. Es tut mir furchtbar leid. Stellen Sie sich kurz selbst vor? (Beifall.)

Entschuldigung, bitte – offenbar habe ich mir falsch notiert, dass Sie abgesagt haben, deswegen stehen Sie jetzt nicht auf meiner Liste. Ich gebe zu, Fehler zwei des heutigen Tages, also wer meine Fehler mitschreibt – ich auch –: Es ist der zweite.

Stellen Sie sich kurz selbst vor?

Melanie Juriga (Medienbeauftragte im Schulverein Komenský, ehem. ORF-Volksgruppenredakteurin): Melanie Juriga, ich komme aus der Komenský-Schule, bin selbst Absolventin der Komenský-Schule. Ich habe damals die Volksschule und die Hauptschule besucht und bin ehemalige Mitarbeiterin der ORF-Volksgruppenredaktion für die Wiener Tschechen.

Katja Gasser: Bitte um Nachsicht – einen Einzelapplaus, bitte! (Beifall.)

Wie gesagt, unser Thema ist Perspektiven und Visionen. Wir sitzen hier in einer Runde von Volksgruppenangehörigen der jüngeren oder mittleren Generation, die in sehr unterschiedlichen Berufen tätig sind. Viele von uns, kann ich sagen, sind eben im Journalismus gelandet.

Meine Einstiegsfrage an das Panel wäre: Sie waren ja alle den ganzen Vormittag lang anwesend. Was, würden Sie sagen, hat Sie denn am Vormittag überrascht? Was hat Sie vielleicht geärgert, was haben Sie bitterlich vermisst?– Wer möchte? Oder sollen wir es wie bei den Volksgruppenbeiräten handhaben – ganz außen? – Fangen wir ganz außen an und arbeiten wir uns vor!

István Mihály Zsótér (Schüler, ZBG Oberwart): Ich habe eigentlich sehr interessant gefunden, was wir bis jetzt gehört haben. Gerade mich als Schüler interessiert auch, dass man die Bildung so sehr in den Mittelpunkt gestellt hat. Das wäre mir auch wichtig, vor allem dass man die zweisprachige Bildung verstärkt, was ich vielleicht ein bisschen vermisst habe. Es wurden die städtischen Regionen sehr in den Mittelpunkt gestellt. Es ist auch dort wichtig, dass man den zweisprachigen Unterricht als Möglichkeit hat, man darf aber nicht vergessen, dass es zum Beispiel bei mir im Burgenland in den traditionellen Gebieten noch immer Volksgruppenangehörige gibt und dass es dort in Schulen auch noch einen Mangel an Angeboten gibt, das heißt, dass es vor allem in vielen Mittelschulen oder eben deutschsprachigen Schulen einen Mangel an Möglichkeiten für den zweisprachigen Unterricht der Minderheiten gibt. So gibt es vor allem bei den Volksgruppen der Roma kaum Möglichkeiten, dass man Romanes, oder Burgenlandromani lernt, und das habe ich vermisst.

Katja Gasser: Was wurde noch vermisst am Vormittag? Wir können der Einfachheit halber der Reihe nach vorgehen.

Konstantin Vlasich (Autor und Chefredakteur der Zeitschrift „Novi Glas“): Ich würde es vielleicht weniger am heutigen Vormittag festmachen – lipa hvala da smijem bit ovdje –, sondern ich würde es daran festmachen, dass es hier im Parlament in den letzten Jahren ja schon zwei Dialogforen gegeben hat, und das ist eigentlich der erste Zeitpunkt, der junge Stimmen miteinbezieht.

Das ist eigentlich ein bisschen erschreckend, dass man es bislang bevorzugt hat, über junge Menschen und Jugendliche und Schüler:innen statt mit ihnen zu reden. Diese aktive Miteinbeziehung hat also bislang gefehlt, und ich hoffe, dass das in Zukunft so gehandhabt werden wird wie heute. – Das ist vielleicht so mein Einstieg in das Thema.

Katja Gasser: Lina Verdel: Vemisst? Gutgeheißen?

Lina Verdel (ORF-Redakteurin): Ich kann mich eigentlich nur anschließen, ich finde es sehr gut, dass der Schwerpunkt heute auf der Bildung liegt und dass wir eben auch junge Leute heute in den Dialog mit hineinnehmen.

Vielleicht als Zusatz noch: Was mir heute sehr gut gefallen hat, war auch der Punkt Kultur als Schwerpunkt, also dass es in den Muttersprachen dann auch Musik gibt, die ja auch ein sehr großer Teil der Volksgruppen ist.

Marko Londa (Founder und Chief Changemaker, Moonshot Pirates): Mir ist ein Thema oder ein Begriff an diesem Vormittag hängengeblieben, und zwar Vielfalt. Man spricht über Vielfalt oft so, als wäre es ein nettes Add-on, ein Nice-to-have. Ich glaube aber, dass Vielfalt unglaublich viel Potenzial beinhaltet, eine riesige Chance, nicht nur für die Minderheit, sondern für die gesamte Bevölkerung in Österreich. Insofern glaube ich, dass das Volksgruppenthema oder das Thema Vielfalt nicht nur ein Thema ist, um das sich die Minderheit bemüht, sondern wirklich die gesamte Bevölkerung. Es sollte in meinen Augen ein Mehrheitsthema sein.

Ich komme ja aus dem Start-up-Bereich, bin Unternehmer, und ein Nice-to-have kauft niemand; es muss ein Must-have sein. So sehe ich dieses Thema. Vielfalt bringt wirklich wie gesagt riesige Chancen mit sich, Innovation, unterschiedliche Perspektiven, Kreativität und und und; und ich glaube, wir als Bevölkerung in Österreich müssen daran interessiert sein, Vielfalt zu leben und Vielfalt wachsen zu lassen. (Beifall.)

Katja Gasser: Also ein Must-have, die Forderung nach einem Must-have.

Lieber Thomas Kamenar, was haben Sie vermisst, was hat Ihnen gefallen?

Thomas Kamenar (Film- und Contentproduzent): Also vermisst in dem Sinn – der Tag geht ja noch etwas weiter.

Katja Gasser: Bisher; die Frage war bisher.

Thomas Kamenar: Ich möchte eigentlich lieber herausstreichen, dass es mich beeindruckt und dass ich froh bin, in einem Land zu leben und leben zu dürfen, in dem so ein Tag überhaupt möglich ist.

Wie manche hier schon angesprochen haben: Im Zentrum der Macht treffen sich alle Vertreterinnen und Vertreter nicht nur der Volksgruppen, sondern auch viele Vertreterinnen und Vertreter der Politik, und dass wir das hier überhaupt diskutieren können und zum Thema machen können, zeigt ja auch, dass der Weg in die Zukunft auch geebnet wird.

Was die Zukunft ist, ist nämlich ein Gestaltungsraum, und es kommt auch auf dieses Momentum an, welches man mitträgt. Die Zukunft hat somit ihren Ursprung nicht nur in der Vergangenheit, sondern gerade jetzt in der Gegenwart. Und wenn wir es schaffen, dieses Momentum auch weiterzutragen und dranzubleiben, dann ist der Weg in die Zukunft auf alle Fälle gegeben. Insofern finde ich es toll, dass wir das hier angehen, dass dieser Tag stattfinden kann und dass ich auch ein ganz kleiner Teil davon sein darf, mit allen anderen, die hier anwesend sind.

Katja Gasser: Liebe Frau Juriga, bitte.

Melanie Juriga: Ja, ich fühle mich sehr wohl heute, danke! Das Programm ist sehr vielfältig und ansprechend.

Wie Marko schon gesagt hat, ist die Mehrsprachigkeit ein Basiselement eines jeden Menschen und wir beziehungsweise die Schüler werden dann in die Wirtschaft entlassen, egal ob jetzt technische, medizinische Berufe. Diese Sprache oder diese Mehrsprachigkeit ist aber eigentlich das Wichtigste – und dass wir dann nachher, in der Zukunft, nicht mehr darum kämpfen müssen, mit Grammatik und mit Literatur, sondern dass es eigentlich eine Grundvoraussetzung für die Wirtschaft ist, dass wir nachher nur noch Facharbeiter haben.

Katja Gasser: Würden Sie den vergangenen Vormittag gerne noch kommentieren, für sich zusammenfassen wollen? Was ist hängengeblieben?

Mario Czory (ORF-Redakteur): Nun, ich würde mich meinen Vorrednern und Vorrednerinnen gerne anschließen. Was hängengeblieben ist, ist auf jeden Fall, was Emmerich Gärtner-Horvath auch gesagt hat: Es ist wichtig, dass wir in die Zukunft, in die Jugend investieren, in unsere Kinder, und dass wir das auch vorantreiben, dass wir die Volksgruppensprachen stärken, eben nicht nur im Burgenland zum Beispiel, sondern auch in anderen Bundesländern.

Worauf ich gerne eingehen würde: Die Anerkennung vor 30 Jahren hat vieles offengelassen. Beispielsweise leben Roma und Sinti ja nicht ausschließlich im Burgenland, sondern auch in den anderen Bundesländern, und das schon seit vielen Generationen. Ich glaube, da ist noch Handlungsbedarf, um auch anderen Roma, Sinti, Lovara entgegenzukommen und sie auch zu fördern.

Katja Gasser: Ich habe jetzt in jedem Panel jemanden, der mir hilft, zur nächsten Frage überzuleiten. In dem Fall sind Sie es gewesen.

Ihr habt euch ja im Vorfeld dieser heutigen Veranstaltung ein paarmal, wenn ich richtig informiert bin, zumindest digital gesprochen und habt so etwas wie ein gemeinsames Papier verfasst. Wenn man dieses Papier in Kürze zusammenfassen wollte, wäre der Succus dieses Papiers, dass hinkünftig endlich verstanden werden sollte – und zwar mit einem großen Selbstverständnis –, dass Mehrsprachigkeit bedingungslos und unteilbar ein Vorteil ist.

Eine etwas konkretere Frage als die erste wäre jetzt: Was müsste politisch aus eurer Sicht, aus Ihrer Sicht prioritär geschehen, um diese Zukunft, die zwar in der Rhetorik angekommen ist, in der Lebenspraxis aber seltener, auch umgesetzt zu wissen?

Vielleicht fangen wir diesmal in der Mitte an, mit Marko Londa.

Marko Londa: Jetzt bin ich etwas überfragt.

Katja Gasser (erheitert): Aber Sie sind Chief Changemaker (Londa: Ja!), Sie müssen das wissen. (Allgemeine Heiterkeit.)

Marko Londa: Ich schließe an das an, was ich zu Beginn gesagt habe: Ich glaube ganz konkret, dass es ein Mehrheitsthema werden muss. Ich glaube, dass es sowohl im Parlament als auch außerhalb, in unserem Alltag, ein Thema werden muss, dass Volksgruppenthematiken, dass Vielfalt nicht etwas ist, das passieren muss, mit dem wir uns – okay – jetzt halt beschäftigen müssen, weil es die Rechte der Kärntner Slowenen – ich bin selbst einer – gibt, weil es die Rechte der jeweiligen Volksgruppen gibt, sondern dass es in der Mehrheitsbevölkerung etwas wird, das wir machen wollen.

Das heißt, ich glaube, dass wir ganz stark daran arbeiten müssen – und ich bin kein Politiker, ich kann jetzt schwer für einen Politiker oder für die Politik sprechen –, dass Volksgruppen und Volksgruppenthematiken ganz einfach ein Brandingproblem haben. Ich glaube, dass wir wirklich daran arbeiten müssen: Was ist das Tolle daran, dass wir Volksgruppen haben?, dass diejenigen, die Teil der Volksgruppe sind, wirklich stolz darauf sind, Volksgruppenmitglieder zu sein. Was bringt uns das Ganze? Wie können wir als gesamte Gesellschaft das wirklich nutzen, um Österreich, um unsere Bevölkerung, um unsere Wirtschaft, um jeden Lebensbereich weiterzubringen?

Wie gesagt, ich bin eher aus dem Unternehmensumfeld, aber ich glaube, das wäre notwendig, um einen Schritt nach vorne zu setzen.

Katja Gasser: Ist also das Reframing des Brandings von Volksgruppen ein prioritäres politisches Ziel? Teilen das die anderen?

Konstantin Vlasich: Teilen auf jeden Fall. Die Frage ist: Wie kann man das angehen?

Ich nehme vielleicht ein Beispiel her: Das Burgenland, aus dem ich komme, rühmt sich, ein mehrsprachiges Land zu sein. Ich habe in diesem Jahr einen Literaturpreis bekommen, und die Jurybegründung ist zweisprachig auf der Homepage des Landes gelandet, nur war der kroatische Teil voller Fehler. Das hat im Endeffekt dazu geführt, dass ich als Preisträger selber Hand anlegen und diesen Text korrigieren musste, weil das Land Burgenland nicht imstande war, eine korrekte Übersetzung der Jurybegründung zu veröffentlichen. Das ist ein Zugang, bei dem ich mir denke, diese Mehrsprachigkeit könnte man sich ja eigentlich wünschen – vielleicht von der ganzen Homepage des Landes, ich weiß nicht, wie weit die Mehrsprachigkeit der Parlamentshomepage schon gegeben ist, und das ließe sich fortsetzen bis zum ORF. Diese Selbstverständlichkeit, mit dem mehrsprachigen Erbe in Österreich umzugehen, wäre schon einmal ein Anfang.

Ich kann natürlich weitergehen: Okay, es gibt diese ganzen Minderheitensendungen wie „Wir“ oder „Dober dan, Koroška“, aber da berichten die Volksgruppen über sich selbst, und diese Beiträge landen selten in den Hauptsendungen der Medien, oder es ist auch nicht so, dass sich zum Beispiel Ö1, FM4 oder wer auch immer darum bemühen würde, vielleicht eine Sendung zu kreieren, in der es um Volksgruppen geht, sodass es nicht nur ein unbeliebter Sendeplatz irgendwann am Sonntag zu Mittag ist, wenn eh alle ihr Schnitzel essen. (Beifall.)

Katja Gasser: Andere konkrete politische Notwendigkeiten: Wo müsste man ansetzen, um Ihre, eure Vision der Selbstverständlichkeit umzusetzen?

Mario Czory: Ich kann mich der Sache mit den Sendezeiten auf jeden Fall anschließen. Ich glaube, die Volksgruppenthemen müssen wirklich in den Mainstream gelangen.

Was vielleicht von politischer Seite auch wichtig wäre und woran wir für die Roma und Sinti ja eigentlich auch schon arbeiten, ist, dass wir wirklich ein Mahnmal bekommen – dass wir nach 80 Jahren ein Mahnmal im Herzen von Wien bekommen, damit die Geschichte, auch die Verfolgungsgeschichte, sichtbar wird; und das finde ich sehr wichtig.

Ein Imageproblem: Ja, das kann man sagen, für die Roma und Sinti wird das auf jeden Fall zutreffen. Da sind dann natürlich auch die Schulen gefragt, nicht nur die Schulen für die Minderheiten, sondern der Geschichtsunterricht, das wirklich auch einzubauen. Das muss wirklich ein selbstverständlicher Teil der österreichischen Geschichte und der österreichischen Bevölkerung werden. (Beifall.)

Thomas Kamenar: Ich glaube, zusammenfassend kann man auch sagen, es braucht Werbung, Werbung, Werbung. Es braucht Sichtbarkeit, aber da müssen sich natürlich auch die einzelnen Volksgruppen ein wenig an der Nase nehmen und offen sein.

Wir reden über Themen, die die letzten 100, 200, 300 Jahre diskutiert werden, und wir leben momentan in einer Welt, in der sich so viel so wahnsinnig schnell verändert, auch was die Kommunikation angeht. Da ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass auch die Volksgruppen an sich weiterdenken und sich neue Formate überlegen, wie sie in dieser Welt, in der jetzt so viel Kommunikation möglich ist, agieren wollen.

Mit dem Slowakischen Kulturverein und dem Schulverein realisieren wir zum Beispiel einige Projekte. Wir produzieren Filme über die Wichtigkeit der Mehrsprachigkeit, wir haben eine Kurzdokumentation über Menschen, die aus der Slowakei nach Österreich gekommen sind oder der Volksgruppe angehören und da versuchen, etwas weiterzubringen, produziert. Da tasten wir uns auch erst heran, aber ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass man die Tools erkennt und dann auch wirklich nutzt. Das werden morgen schon ganz andere sein als die, die es heute gibt, und ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass da auch die Volksgruppen an sich immer am Ball bleiben und diesen Zug nach vorne haben. (Beifall.)

Katja Gasser: Ausbau der Kommunikation ist natürlich das eine, gesetzliche Grundlagen, also Fortschritte auf dem Boden des Gesetzlichen ist das andere, und im Idealfall fügt es sich zusammen.

Lina, würdest du dem allen noch etwas hinzufügen wollen? Was ist aus deiner Perspektive konkret dringlich zu tun, um das zu erreichen, was ihr in eurem Papier fordert?

Lina Verdel: Ich wollte nur noch etwas hinzufügen, und zwar, dass es abseits der klassischen Medienformate auch noch digitale Social-Media-Formate braucht, um eben junge Menschen zu erreichen, und dass es darum geht, dort die Mehrsprachigkeit einfach als Selbstverständnis zu sehen und da auch viel weiterzubringen. Das wollte ich noch hinzufügen. (Beifall.)

Melanie Juriga: Auch in diesem Bereich hat sich die Komenský-Schule selbstständig gemacht. Die Schüler produzieren selber Radio- und Fernsehbeiträge. Wir machen Dokumentationen und auch der Instagram-Kanal ist voller Beiträge.

Katja Gasser: Weiter so. Wenn es die Komenský-Schule heute nicht erreicht, in Zukunft ökonomisch abgesichert zu sein, dann weiß ich auch nicht. (Beifall.)

Wir haben noch eine ausbleibende Stimme zu dieser Runde. Würden Sie noch was hinzufügen wollen?

István Mihály Zsótér: Ja, ich möchte mich dem auch anschließen, dass man in den Medien noch sehr viel tun kann, damit man vor allem auch Jugendliche erreicht. Auch das ZBG Oberwart hat jetzt damit angefangen, bei Radio Mora Radiosendungen mit Schülern zu machen, und das finde ich auch sehr wichtig.

Es ist auch wichtig, dass man es vielleicht fördert, dass die Vereine auf den Plattformen moderner werden. Wenn man sich einige der jetzigen Internetseiten von Volksgruppenvereinen ansieht, wundert man sich, wo man da gelandet ist. (Heiterkeit.) Und da wünsche ich mir, dass man einfach mehr tut, mehr fördert. (Beifall.)

Katja Gasser: Sehr geehrte Damen und Herren, ich lese Ihnen die Forderungen beziehungsweise die Vorstellungen für die Zukunft aus dem Papier der hier Sitzenden nur stichwortartig vor und schließe dann an das Vorlesen dieser Forderungen und Ideen noch eine abschließende Frage an.

Es heißt in diesem Papier: „1. Mehrsprachigkeit und Medienpräsenz“ muss gefördert werden; „Bildungswesen und Vielfalt“ im Bildungswesen gehören gestärkt; „Politische Unterstützung und Demokratie“ gehören in den Fokus gerückt; „Forschung und Anerkennung der Geschichte“ – was ich auch für einen sehr wichtigen Punkt halte –, „Identitätsstärkung und transkultureller Austausch“ – überhaupt ist dieses Momentum des transkulturellen Austausch in eurem Papier ein sehr zentrales – und eben „Erweiterung des Bildungsangebots“ – was heute aus unterschiedlichen Perspektiven schon mehrfach als große Dringlichkeit aus volksgruppenpolitischer Sicht hervorgehoben wurde.

Meine abschließende Frage wäre: Sie arbeiten in sehr unterschiedlichen Feldern, einige doch im Journalismus oder an den Rändern des Journalismus. Unabhängig davon: Hat man als Volksgruppenangehöriger, als Volkgruppenangehörige eine spezielle Verantwortung der eigenen Sprache, der eigenen Kultur gegenüber?

Thomas Kamenar: Selbstverständlich. Ich glaube, das fängt schon bei der Erziehung der eigenen Kinder an. Die Beibehaltung der Sprache ist, das haben wir heute schon einige Male gehört, elementar. Ohne die Sprache verschwinden diese Ränder, und insofern ist es ganz, ganz wichtig, dass bei den Volksgruppen die Bildung auch jetzt so in der Diskussion steht.

Ich habe das letztens zum Beispiel gemerkt, als ich im Slowakischen Schulverein war und gesehen habe, wie begeistert die Kinder diese Sprache lernen, die sie vielleicht nicht neu erlernen, aber dann doch schärfen müssen – ein Elternteil ist slowakisch, der andere Elternteil aus einem ganz einem anderen Teil der Welt, es muss gar nicht Österreich sein, aber sie leben alle in Österreich. Und diese Freude kommt ja nicht von irgendwoher. Das kommt nur daher, dass es wirklich Menschen im Hintergrund gibt, die sich dafür engagieren und wollen, dass dieser Weg auch weitergegangen wird. Und das finde ich enorm wichtig.

Natürlich fängt es bei einem selber an, und ich finde, so soll es auch sein, denn die Eigenverantwortung ist bei dieser Frage ganz, ganz elementar. (Beifall.)

Marko Londa: Ich habe einen Sohn, der jetzt zwei Jahre alt ist, und von Beginn an war natürlich die Frage: Wie erziehen wir unseren Sohn?

Meine Frau kommt aus Tschechien – das heißt, da sind schon einmal zwei Sprachen gegeben: Slowenisch und Tschechisch –, wir leben in Österreich – Deutsch, in den meisten Fällen –, in der Familie sprechen wir Englisch. Es ist für mich keine Frage der Verantwortung: Wie erziehe ich mein Kind?, sondern was mir bei dieser Frage gekommen ist, ist: Es sitzt tief in mir drin, wie ich meinen Sohn, oder vielleicht in Zukunft mehr Kinder, erziehen möchte. Egal wo ich bin, egal wo in der Welt ich lebe – das ist bei uns öfter ein Thema, wohin wir als Nächstes ziehen, aber egal wo in der Welt ich lebe –: Ich werde mit meinem Sohn Slowenisch sprechen. Ich werde meine Identität, meine Kultur weitergeben – nicht weil ich muss, sondern weil ich will.

So lebe ich mein Leben. Ich hoffe, dass das eine Ansicht ist, die viele von uns teilen. Ich wollte das nur teilen, weil ich glaube, dass das wichtig ist, dass wir uns dessen bewusst sind, wer wir sind. (Beifall.)

Katja Gasser: Nicht weil ich muss, sondern weil ich will – das ist schön.

Eine spezielle Verantwortung als mit einer speziellen Herkunft ausgestatteter Mensch?

Lina Verdel: Bei mir ist es so: Meine Muttersprache ist Slowenisch. Meine Großeltern haben teilweise deswegen im Zweiten Weltkrieg ihre Familien verloren. Meine Eltern sind auf die Straße gegangen, um sich für die Gleichberechtigung des Slowenischen in Kärnten einzusetzen. Das ist alles irgendwie Teil meiner Identität.

Gleichzeitig haben mir meine Eltern in der Erziehung aber mitgegeben, dass Mehrsprachigkeit etwas sehr Wertvolles ist und etwas, das man mit Stolz tragen kann – und das ich heute auch zu einem meiner größten Assets zähle –, und haben mir trotz dieser schweren Geschichte irgendwie ein befreites Aufwachsen ermöglicht, und ich sehe es heute als Vorteil, diese Sprache sprechen zu können. Genau dieses Mindset möchte ich dann auch weitergeben und sehe es auch als selbstverständlich, dass das einfach eine Sprachgruppe in Österreich ist, die dazugehört wie jede andere auch. (Beifall.)

Konstantin Vlasich: Vielleicht haben es ein paar Leute schon gesehen: Ich habe heute ein Beč-(Wien-)Leiberl an. Das ist eine Forderung, dass die territorialen Rechte der burgenländischen Kroat:innen, so wie anderer Minderheiten auch, in urbane Zentren vorrücken und dass es vielleicht auch hier einmal einen Sprachunterricht geben kann, vielleicht auch für meine Familienangehörigen in Zukunft oder für wen auch immer. – Das ist einmal die eine Sache.

Etwas anderes ist: Ich wünsche mir von den politischen Vertretern dieses Landes einen gewissen Mut, Volksgruppenpolitik auch ab und zu zu reformieren. Ich weiß, es gab auch eine gewisse Erleichterung für Volksgruppenvereine, als es die Verdoppelung der Volksgruppengelder gab, das war 2020/21. Was ist passiert? – Die Inflation ist da, die Verdoppelung ist schon einmal zu 20 Prozent weggebrochen. Also da fehlt irgendwie eine Perspektive, wie man das fortführen könnte.

Genauso ist im Regierungsprogramm eine Reformierung der Volksgruppenbeiräte festgeschrieben. Die sind teilweise immer noch politisch besetzt oder müssen politisch besetzt sein. Ich finde das ein bisschen überholt, weil dadurch dann Gelder an parteinahe Vereine fließen, das hat man nicht gerne. Ich glaube, das ist ein Ding, das den 1990er-Jahren des letzten Jahrhunderts angehört.

Ich wünsche mir von politischen Vertretern, egal welcher Couleur, einen gewissen Mut, sich mit der Volksgruppenpolitik so zu befassen wie mit anderen dringlichen Fragen – nicht wie mit dem Klimaschutz, denn den nehmen wir auch nicht ganz ernst, aber sagen wir, wie mit der Wirtschaft. Und wenn am Schluss in 100 Jahren Österreich einsprachig ist, dann ist das eure Schuld. – Schlusswort. (Beifall.)

Katja Gasser: Das ist ein markanter Satz.

Es sind noch drei offene Schlussbemerkungen. Ich wiederhole noch einmal meine Frage – aber Sie können gerne dort fortsetzen, wo der Kollege jetzt gelandet ist. Meine Frage war: Spezielle Verantwortung aufgrund eines besonderen Hintergrunds?

István Mihály Zsótér: Ich docke jetzt trotzdem da an. Ja, ich finde, das mit den Volksgruppenbeiräten könnte man auch erneuern, vor allem dass man viel mehr Jugendliche und junge Menschen in Führungspositionen oder nahe Führungspositionen mitwirken lässt, denn sie strotzen nur so von neuen Gedanken, die sie auch in die Welt setzen wollen – und da finde ich eben, dass es nicht fair ist, dass in den Führungspositionen der Volksgruppen schon seit den 1990er-Jahren die gleichen Gesichter sitzen und keine neuen Ideen hervorgerufen werden –, und vielleicht auch, dass man in den Medien viel mehr Jugendliche miteinbezieht, dass man eben die neuen Ideen der Jugendlichen in die Welt setzen kann. (Beifall.)

Katja Gasser: Sie sehen, werte Volksgruppenbeiräte, der Dank wird eventuell ausbleiben. – Bitte.

Melanie Juriga: Ich bin selber in der Volksgruppe aufgewachsen, habe diverse Vereine – Volleyball-, Turnverein – und die Schule besucht. Ja, es gibt verschiedene Vereine, aber auch das Engagement der Einzelnen , um die Sprache zu verfestigen, Freundschaften zu knüpfen; das, was die Großeltern schon gemacht haben, weiterzuführen. An der Komenský-Schule ist es zum Beispiel auch schon fast zur Tradition geworden, dass die Absolventen selbst wieder an die Schule zurückkehren und dort unterrichten. Es ist also ein Kreislauf, der sich ein bisschen schließt, in dem die Leute immer wieder zurückkehren. Es ist immer so ein familiärer Betrieb. Es war schon zu meiner Zeit, als ich in die Schule gegangen bin, recht familiär, und dieses freundschaftliche, familiäre Gefühl habe ich immer noch.

Katja Gasser: Ich greife abschließend einmal noch meine Frage auf: Hat man als Volksgruppenangehöriger, Volksgruppenangehörige eine spezielle Verantwortung der eigenen Sprache, der eigenen Kultur gegenüber?

Mario Czory: Als Angehöriger der Roma kann ich sagen, dass wir unsere Verantwortung wirklich wahrnehmen und auch die Sprache weitergeben, die Kultur leben. Das Problem in Österreich, das ich sehe, ist die Diskriminierung, sind Hatespeech und auch institutioneller Rassismus. Wir haben hier viele großartige Institutionen – aber wo sind die Roma in den Institutionen?

Toll – ich möchte mich bedanken –, die Roma-Dialogplattform beispielsweise ist eine wunderbare Sache, aber ich würde mir wünschen, dass auch Volksgruppenangehörige in den Institutionen vertreten sind, die eine Brücke zu den Volksgruppen bauen können. (Beifall.)

Katja Gasser: Sehr geehrte Damen und Herren, das war das Panel „Perspektiven und Visionen“. – Vielen Dank fürs Kommen, vielen Dank dafür, dass Sie Ihre Gedanken, Ihre Vorstellungen mit uns geteilt haben.

Es sollte jetzt nach Plan 11.54 Uhr sein. Ich entschuldige mich im Namen aller und vor allem für mich selbst: Wir haben überzogen. Vor allem aber muss ich mich bei den Bereichssprecherinnen und Bereichssprechern der Parteien entschuldigen, die eben um 11.54 Uhr ihren Auftritt gehabt hätten – dieser wird jetzt stattfinden.

Wenn Sie erlauben, mache ich die Ankündigung en bloc – einfach nur um Zeit zu sparen, nicht aus Respektlosigkeit –, und zwar: Nikolaus Berlakovich von der ÖVP, Harald Troch von der SPÖ, Isabella Theuermann von der FPÖ – auch Kärntnerin –, Olga Voglauer von den Grünen – auch Kärntnerin –, Michael Bernhard von den NEOS. – Danke schön. (Berlakovich: Zum Rednerpult?) –Ja, bitte zum Rednerpult.

Nikolaus Berlakovich (Bereichssprecher für Volksgruppen, ÖVP): Dobar dan! Dober dan! Dobrý den! Dobrý deň! Jó napot! Latscho di! Ein paar Vorrednerinnen und Vorredner haben in den Volksgruppensprachen gesprochen – eine Kleinigkeit, aber ich halte das trotzdem für wichtig, weil es einfach notwendig ist, dass die Volksgruppensprachen, auch wenn es nur im Rahmen einer Begrüßung ist, im öffentlichen Raum verwendet werden. Das Symbol ist wichtig. Daher ist es großartig, lieber Wolfgang Sobotka, dass auf den Bildschirmen im Parlament hier, wie du gesagt hast, in den Volksgruppensprachen immer Begriffe – „herzlich willkommen“ und so weiter – transportiert werden.

Und das, was die Gruppe davor gesagt hat: Es muss im öffentlichen Raum selbstverständlich sein, dass die Volksgruppensprachen verwendet werden – nicht nur in der Volksgruppe selbst, sondern auch in der Mehrheitsbevölkerung. Daher bin ich auch dankbar, dass wir unsere Gruppen Volksgruppen nennen. Ich weiß schon, dass der internationale Begriff Minderheit, minority, ist. Wir haben vor Jahren begonnen, diesen Begriff in Richtung Volksgruppen zu drehen, weil es natürlich eine statistische, eine numerische Frage ist, weniger zu sein als die Mehrheitsbevölkerung. Von symbolischer Bedeutung für die Volksgruppe ist es aber nicht nur eine Minderheit zu sein, sondern eben eine Volksgruppe mit ihrer besonderen Sprache und ihrer besonderen Kultur zu sein, und daher sind wir stolz darauf, dass wir diesen Begriff verwenden. (Beifall.)

Ich stoße mich nicht an Kleinigkeiten.

Ich komme noch einmal zur Verwendung der Sprache: Das zentrale Element einer Volksgruppe ist die Sprache, die Kultur und ein paar andere Dinge. Wenn die Sprache nicht mehr gesprochen wird, hört die Volksgruppe mehr oder weniger auf zu existieren – als burgenländischer Kroate kann ich das sagen. Daher war es so wichtig, dass wir gemeinsam – die ÖVP mit den Grünen, das steht im Regierungsprogramm – die Verdoppelung der Volksgruppenförderung erreicht haben.

Was heißt das in der Praxis? Da muss ich etwas vorausschicken: Wie wir in den Eingangsstatements gehört haben, haben die österreichischen Volksgruppen eine unterschiedliche Geschichte. Die, die in Wien beheimatet sind, die Tschechen und Slowaken, haben eine andere als die, die am Land autochthon sind, wie die Kärntner Slowenen oder die burgenländischen Kroaten, daher ist das auch individuell zu betrachten. Der Begriff des Territorialprinzips, des Autochthonen bedeutet ja auch in gewisser Weise einen Schutz für diese Volksgruppe. Es kann eben nicht jede Gruppe sagen: Wir wollen Volksgruppe sein!, sondern dahinter steht ja ein Auswahlverfahren, ein Verfahren, das sicherstellen soll, dass das etwas Besonderes ist.

Ich komme noch einmal zur Verwendung der Sprache: Man muss die Sprache leben, sie verwenden. Ich als Politiker, der damals das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland verhandelt hat, bin mir dessen bewusst – das haben auch die Vorrednerinnen und Vorredner gesagt –, dass das Gesetz Gott sei Dank niemanden verpflichten kann, die Volksgruppensprache sprechen zu müssen. Das, was wir brauchen, ist eine positive Motivation. Die gesetzlichen Grundlagen sind conditio sine qua non, sie müssen sein. Wir haben im Burgenland im Übrigen ein Kindergartengesetz, das die zweisprachige Erziehung der Kinder von klein auf vorsieht. Die Sache ist nur, wenn die Sprache zu Hause im Dorf, im Burgenland oder in Kärnten, niemand mehr spricht, dann hört die Sprache zu existieren auf.

Die Herausforderung ist, positiv zu motivieren. Ich sehe es als wichtig an, dass man – Wien ist anders – am Land auch die politischen Vertreter an Bord hat: die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die das zweisprachige Leben täglich propagieren, bis hin zu den Aufschriften am Feuerwehrhaus, auf der Schule und so weiter, damit es eben etwas selbstverständliches ist, eine Zwei- oder Mehrsprachigkeit zu haben. Ich halte es für wichtig, dass man diese Ebene auch miteinbezieht.

Vorhin ist auch die Digitalisierung angesprochen worden: Ich danke der Vorrunde, weil da sehr viele neue kreative Ideen eingebracht wurden. Wir haben ja auch die Digitalförderung im Regierungsprogramm stehen, es gibt finanzielle Mittel dafür, digitale Medien stärker zu propagieren, um eben auch Junge zu erreichen.

Ich verspreche mir auch sehr viel davon – das haben wir hier im Hohen Haus beschlossen –, dass wir mit den Landesstellen das zweisprachige Schulwesen im Burgenland und in Kärnten evaluieren. Es kann doch nicht sein, dass Kinder in den Unterricht gehen, rauskommen und nichts können. Ich bin auch ohne Englischkenntnisse ins Gymnasium gegangen und behaupte jetzt einigermaßen Englisch zu können. Ich will es nicht den Lehrern umhängen, aber wir sollten bewerten, wie wir die Dinge besser machen können, weil doch einiges Geld in diesen Sektor reinfließt. Dass es aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen wichtig ist, dass burgenländische Kroaten oder Kärntner Slowenen auch in Wien oder woanders Bildung bekommen, das ist klar, dazu stehe ich.

Unter der Wahrung des Territorialprinzips müssen wir das wirklich eingehend diskutieren, das hätte schon lange passieren müssen, es hätten früher Entscheidungen getroffen gehört. Notwendig ist es also jeden Fall.

Grundsätzlich glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind. Noch einmal – die Runde der Vorrednerinnen und Vorredner hat es auch gesagt –: Ich glaube, dass wir einen positiven Geist brauchen – die Volksgruppensprachen nicht nur zu sprechen, weil es halt Tradition war und weil wir das selber zu Hause gelernt haben –, um andere zu motivieren, dass die Mehrheitsbevölkerung sagt: Ja, das ist etwas selbstverständliches!

Mi prahamo jedan novi duh. – Es braucht einen neuen Geist in dieser Bewegung, um positiv zu motivieren. In Wahrheit sind die Jugendlichen, die Kinder heute mit so vielen neuen Dingen überfrachtet, dass sie Englisch können müssen. Es ist nicht so, dass sie dagegen sind, wir haben ja Gott sei Dank den politischen Assimilationsdruck nicht, aber sie tun es einfach nicht, weil andere Dinge prioritär sind. Darüber, glaube ich, sollten wir nachdenken.

Abschließend möchte ich noch eines sagen: Es ist schon ein Wert in der heutigen unruhigen Welt, dass wir in Österreich friedlich zusammenleben und unsere Volksgruppen ihre Kultur und Sprachen leben können, ohne dass es gröbere Konflikte gibt. – Die habe ich auch erlebt.

Darauf können wir stolz sein, das ist eine solide Basis, mit der wir weiterarbeiten können. – Srdačno hvala, vielen Dank. (Beifall.)

Katja Gasser: Vielen Dank, Herr Berlakovich.

Ich wurde ermahnt und ich gebe die Ermahnung weiter: Bitte die 3 Minuten Redezeit einzuhalten!

Harald Troch (Bereichssprecher für Volksgruppen, SPÖ): Dobrý den! Guten Tag! Ich darf auch in der Sprache begrüßen, in der meine Familie bis 1940 in Wien gesprochen hat, nämlich Tschechisch. Troch kommt vom tschechischen Trch und ist ein klassischer slawischer, tschechischer Name.

Sie können es sich wahrscheinlich vorstellen, was 1940 in Wien los war. Die Germanisierungspolitik der Nazis hat auch vor Familien nicht Halt gemacht. Das Tschechische wurde de facto verboten, nicht nur an den Schulen. Es wurde eingedämmt, es gab einen unglaublichen Druck. Es waren diese Nazijahre, in denen meine Familie auf Drängen meines Großvaters, aus Angst, aufgehört hat, in Wien weiterhin Tschechisch zu sprechen.

Das ist ein Teil meiner Familiengeschichte. Wir sehen, Geschichte ist etwas sehr, sehr konkretes. Ein ehemaliger österreichischer Bundeskanzler hat einmal zu einem Journalisten gemeint: Lernen Sie Geschichte! Geschichte ist so wichtig für unsere Identität, für unseren politischen und sozialen und kulturellen Kompass. Ich darf hier, wenn ich von Geschichte rede, den Namen Univ.-Prof Dr. Katja Sturm-Schnabel – er ist heute schon gefallen – erwähnen. Ich habe sie im Raum nicht gesehen. Es ist jene Frau, die mich auch in Bezug auf die Kärntner Slowenen unglaublich sensibilisiert, motiviert und gebildet hat. Ich glaube, Volksgruppenpolitik ohne Katja ist fast ein bisschen undenkbar. Sie ist ein Teil des Inventars dieser Politik.

Es geht da natürlich auch um Überwindung: Ich habe kurz von meiner Familiengeschichte berichtet, es geht um Überwindung des Hasses. In Österreich war es der Keim des Deutschnationalismus, der unglaubliches Leid über alle Menschen gebracht hat.

Nun zur aktuellen Lage in Europa: Es gibt die Europäische Menschenrechtskonvention und vor allem auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Im Rathaus in Wien hat am Sonntag und gestern eine Menschenrechtskonferenz stattgefunden, heute gibt es noch Schülerworkshops dazu. Wir sollten uns bewusst sein, dass es ein Menschenrecht ist, zu seiner Kultur, seiner Identität, seiner Sprache zu stehen. Das betrifft eben auch die Volksgruppen. Da sollte es ein Selbstbewusstsein geben: Wir feiern 75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und 30 Jahre Wiener Menschenrechtskonferenz. Darauf können wir natürlich stolz sein.

Die Angst, die hier geäußert wurde, dass Österreich in 100 Jahren einsprachig ist, habe ich nicht. Wir werden sprachlich bunter. Es gibt nicht nur unsere autochthonen Volksgruppen, auf die wir sehr stolz sind, es gibt auch Zuwanderung nach Österreich, auf die wir auch Wert legen. Ich bin Menschenrechtssprecher und Volksgruppensprecher der SPÖ und ich darf sagen, meine Partei ist besonders gefordert, weil es in den drei Bundesländern, in denen es die lebendigsten Volksgruppen gibt, SPÖ-Landeshauptleute gibt. Das ist natürlich Kärnten, das ist das Burgenland und das ist Wien.

Für die SPÖ ist Volksgruppenpolitik eine Normalität und ich darf auch geschichtlich erinnern: Wir befinden uns in einem Haus, das gebaut wurde, als es in Österreich-Ungarn elf Nationalitäten gab. Zumindest neun Nationalitäten der österreichischen Reichshälfte– der Reichsratssaal ist ja ums Eck – waren hier in diesem Haus zugange. Ganz berüchtigt, würde ich fast sagen, war der Polenklub, der das Polnische hier ausgiebig gelebt hat, und natürlich waren auch die Tschechen mit ihrer Sprache und Kultur hier sehr, sehr präsent. Dieser Identität sollten wir uns auch bewusst sein.

Vielen, vielen Dank. Glückauf! Gemeinsam für ein buntes, vielfältiges und volksgruppenfreundliches Österreich! – Danke. (Beifall.)

Isabella Theuermann (Bereichssprecherin für Volksgruppen, FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Vorredner von der SPÖ hat es richtig gesagt: Minderheitenrecht ist ein Menschenrecht. Die Erhaltung dieses Rechts, die Bewahrung des kulturellen Erbes und die Anerkennung der Bedeutung der Volksgruppen ist eine Leistung, auf welche die Republik Österreich nicht erst seit dem Staatsvertrag stolz sein kann.

Denn dabei sind ausdrücklich nicht nur die autochthonen Volksgruppen gemeint, sondern auch die Integration der rund 400 000 Heimatvertriebenen, die nicht umsonst in Bayern als fünfter Stamm bezeichnet werden. – Unser Land hat diesen Menschen unglaublich viel zu verdanken.

Gleichzeitig muss man feststellen, dass diese Einstellung in Europa nicht selbstverständlich ist. Umso mehr hat unser Land die Pflicht, als aktives Mitglied der Europäischen Union und Signatar der Menschenrechtskonvention sich für diese Menschenrechte einzusetzen. Auf österreichische Initiative richteten die Vereinten Nationen 2005 das Amt eines Unabhängigen Experten zu Minderheitenfragen ein.

Im Rahmen der OSZE setzt sich neben dem Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte in Warschau vor allem der Hohe Kommissar für Nationale Minderheiten für den Schutz von Minderheitenrechten ein. – So weit, so gut.

Umso erstaunlicher ist es, wenn man das Engagement der Republik betrachtet, wie es um den Schutz der eigenen Landsleute bestellt ist, selbst wenn diese in relativ unmittelbarer Nachbarschaft leben. Das sind nicht nur die bekannten Südtiroler, sondern vor allem auch die Altösterreicher in Slowenien, denen bis heute die Anerkennung der Volksgruppe verweigert wird, die keinen muttersprachlichen Unterricht erhalten oder denen – wie in Polen – der muttersprachliche Unterricht abgedreht wird. Oft ist es nur der Initiative einzelner Repräsentanten oder privater Organisationen zu verdanken, die schnelle Abhilfe leisten, aber das kann ja nicht alles sein.

Viele Jahre hat sich die Republik aus der Verantwortung gestohlen und das muss sich jetzt ändern. Dabei geht es nicht um alte Abrechnungen oder das Aufzeigen neuer Feindbilder, es geht um den Erhalt eines einzigartigen Kulturerbes, das nicht aus einem Entweder-oder, sondern aus einem Sowohl-als-auch besteht. Je vielseitiger und mehrsprachiger Menschen sind, umso mehr Interaktionspunkte bieten sich, umso mehr Brücken können geschlagen werden. Davon profitieren Industrie, Wirtschaft, Tourismus und die Regionen im Allgemeinen und somit wir alle.

Darum: Wer sich für kulturelle Identität und ein gemeinsames Miteinander einsetzt, der muss dies für alle tun, um glaubhaft zu sein. Wer sich das Bekenntnis zum anderen wünscht, der darf das Eigene nicht vergessen. – Danke. (Beifall.)

Olga Voglauer (Bereichssprecherin für Volksgruppen, Grüne): Spoštovane dame in gospodje, lepo pozdravljeni v avstrijskem parlamentu! V izredno čast mi je, da ste z nami, da danes spregovorim tukaj tudi publiki, ki me razume, in ki se veseli z mano, da spregovororijo danes v tej hiši avstrijske narodne skupnosti – izredno v čast mi je. Hvala lepa, gospod predsednik, hvala lepa, gospa predsednica, da ste omogočili ta dan in da bo ta dan upam da v prihodnje tudi del našega vsakoletnega terminskega koledarja.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident! Vielen Dank, dass es heute möglich ist, hier in meiner Muttersprache zu sprechen und auch ein Publikum zu haben, das mich ohne Weiteres versteht. Sie haben diesen Tag ermöglicht, und ich hoffe, dass dieser Tag ab heute zu einem fixen Bestandteil des jährlichen Terminkalenders des österreichischen Parlaments gehören wird.

Wir haben heute sehr viel gehört. Wir haben gehört, was gut ist und was es noch braucht. Was mir an diesem Tag gefällt, ist, dass es nicht der Ort der politischen Verhandlung ist, sondern der Ort, um Themen aufzugreifen, um Themen ein Gewicht zu geben, um Bedürfnissen auch eine Zukunft zu geben, um hier später in die politische Debatte einzutreten. Und das wünsche ich mir aus diesem heutigen Tag heraus, denn dort, wo wir über Vielfalt reden, über Buntheit reden, über Menschenrechte reden, darüber, dass wir in Österreich die Möglichkeit haben, unsere Meinung zu äußern – so frei, wie wir sie äußern wollen – und es unsere Entscheidung ist, ist ja alles ganz einfach, auch für die Politik, nämlich das zu bejahen, das zu feiern und mit einem Lächeln solch einen Tag zu bestreiten.

Interessant wird es dann, wenn wir als politische Kolleginnen und Kollegen in die politische Verhandlung eintreten. Und hier wünsche ich uns, dass wir ohne Furcht in die nächsten Debatten hineingehen, dass wir keine Furcht davor haben, Volksgruppenrechte zu stärken, sie auszubauen, ihnen ein weiteres Segment zu ermöglichen, nämlich auch in den großen Städten zu wirken, und dass das für uns kein Problem darstellt, dass wir uns in der politischen Verhandlung dann auch so verhalten wie heute hier bei allen politischen Reden, nämlich in einer Offenheit, in einer Bejahung, ohne Angst und mit Zuversicht, dass alles in Zukunft gelingen möge.

Denn wenn wir es als selbstverständlich ansehen, dass dort, wo Widerspruch ist – ja, und bei Volksgruppenrechten habe ich viel Widerspruch erlebt –, viel Innovation gelingen kann, wenn wir mit diesem Anspruch in die politische Verhandlung und Debatte treten, glaube ich, dass wir auch einiges von dem, was wir heute gehört haben, letztendlich in diesen Monaten, die uns in dieser gemeinsamen Legislaturperiode noch bleiben, noch einiges schaffen können.

Uživajte ta dan, dobrodošli pri nas, ne samo danes, tudi v vseh nadaljnih dneh in upam, da nam bo uspelo, tudi v naslednjih mesecih še udejaniti kar nekaj dobrih skupnih projektov. Hvala vam. (Beifall.)

Michael Bernhard (Bereichssprecher für Volksgruppen, NEOS): Auch von meiner Seite ein herzliches Willkommen in unserem Haus! Ich möchte da anschließen, wo meine Kollegin gerade aufgehört hat, nämlich bei der Zuversicht.

Wenn wir über Volksgruppenpolitik im Parlament diskutieren, dann ist das sehr oft ein Blick in die Vergangenheit, ein Anerkennen von Ungerechtigkeit, ein Gedenken, ein Erinnern, aber vielleicht auch ein Zu-lange-Verweilen in der Vergangenheit, die noch nicht abgeschlossen ist, wo es Gedenkorte noch nicht gibt, wo es Mahnmale nicht gibt. Ein Verweilen in der Vergangenheit führt manchmal jedoch dazu, dass die Energie nicht in der Gegenwart liegt, dort, wo wir Lösungen brauchen.

Wir haben vorhin gerade auch über die Komenský-Schule schon einiges an Lob gehört. Die Wahrheit ist, dass wir in der Gegenwart in allen Fraktionen – in allen Fraktionen! – entweder auf Unverständnis oder auch auf Widerstand stoßen, wenn wir Volksgruppenpolitik für die Zukunft machen wollen.

Ich bin dem Herrn Nationalratspräsidenten sehr dankbar dafür, dass er das im Parlament, im Nationalrat stärker auch zum Thema gemacht hat, aber in diesem Erinnern fehlt dann manchmal die Kraft, um in der Gegenwart Lösungen zu finden, die uns in die Zukunft bringen.

Damit bin ich jetzt bei dem Punkt, den ich ansprechen wollte – vorhin wurde es in der Debatte schon gesagt –: das Angstszenario: In 100 Jahren sind wir einsprachig. Die Frage ist: Warum entwickeln wir kein Mutszenario, in dem wir vielsprachiger werden?

Es gibt ein sehr schönes Beispiel, das leider nicht in Österreich zu finden ist, aber in Europa, das Baskenland. Im Baskenland gibt es 60 000 Menschen, die sich der Volksgruppe zugehörig fühlen. Es gibt aber 750 000 Menschen im Baskenland, die Baskisch sprechen; also ein Vielfaches der Zahl jener, die sich der Volksgruppe selbst zugehörig fühlen. Wie entsteht das? – Weil in allen Bildungseinrichtungen die Sprache angeboten wird und weil es zum guten Ton gehört, dass mittlerweile Familien auch das Baskische lernen; im Kindergarten, in der Volksschule oder in den weiterführenden Schulen. Je jünger die Generation, desto höher ist der Anteil derjenigen, die Baskisch verstehen, mitunter auch sprechen können.

Das ist aber die Grundvoraussetzung, dass wir ein Ziel auch wirklich etablieren können: dass wir Volksgruppen in ihre früheren Stärken zurückführen können, indem sie in ihren Regionen und gerne auch in allen Ballungszentren auf eine Verwaltung treffen, die ihre Sprache kann, dass im Burgenland das Kroatische nicht so übersetzt wird, dass man es nachher selbst übersetzen muss. Das setzt einen starken Willen nicht der Volksgruppe voraus, sondern der Mehrheitsbevölkerung, denn nur dann, wenn diese Kultur auch in der Mehrheitsbevölkerung ankommt, wenn die Sprache auch in der Mehrheitsbevölkerung ankommt, dann kann man auch wieder etwas aufbauen. Und das war ja das, was wir vorhin gehört haben, dieses Revitalisieren – das wäre an sich ein Versprechen, das ein Nationalrat auch abgeben kann, auf einer Ebene, wo man es noch nicht konkretisiert.

Daher wäre unser Ansatz, tatsächlich auch über demokratische Elemente zu reden, wie man diese Volksgruppenpolitik zu einer Mehrheitsgruppenpolitik machen kann. Und da gibt es Elemente wie beispielsweise, dass die Beiräte reformiert werden. Da gibt es die Möglichkeit, dass man dieses Dialogforum tatsächlich weiter ausbaut, zu einer Möglichkeit, über Zukunftsvisionen zu reden. Und da gibt es auch die Notwendigkeit, dass man nicht nur den Volksgruppen selbst Geld gibt, um quasi über die Volksgruppe zu reden, sondern auch aus den quasi allgemeinen Budgets anders dafür Werbung macht.

Aus unserer Sicht ist es so, dass wir wirklich diesen Mut voranstellen sollen, um eine Vision für die Zukunft zu entwickeln, da ist die Bildung ganz vorne mit dabei, da sind Fragen betreffend Komenský-Schule ganz vorne mit dabei – und von allen Volksgruppen. Es geht darum, natürlich zu erinnern, Lösungen für die Gegenwart zu finden, aber für die Zukunft zu gestalten. Und das ist etwas, was wir auch im Nationalrat noch öfter machen müssen. – Vielen Dank. (Beifall.)

Katja Gasser: Noch einmal danke, Michael Bernhard, Olga Voglauer, Isabella Theuermann, Harald Troch und Nikolaus Berlakovich.

Sehr geehrte Damen und Herren, haben Sie Müdigkeitserscheinungen? – Sie haben zu Recht Müdigkeitserscheinungen. Wir haben überzogen, aber wir nähern uns dem Ende des ersten Teils des heutigen Tages der Volksgruppen.

Wir beenden den ersten Teil des heutigen Tages musikalisch, so wie wir ihn begonnen haben, und zwar mit dem Diknu-Schneeberger-Trio.

Erlauben Sie mir davor nur noch ein paar organisatorische Informationen: Jetzt im Anschluss können Sie die Informationsstände der Volksgruppen im Empfangssalon aufsuchen und sich dort informieren. Ich lade Sie dazu ein, dies zu tun, seit 12.15 Uhr ist es möglich. Zwischen 12.15 Uhr und 13.55 Uhr findet ein Mittagsbuffet in der Säulenhalle statt.

Das Programm geht um 14 Uhr weiter, und zwar im Lokal Theophil Hansen, Lokal 3. Alle Volksgruppen haben jeweils ein rund 15-minütiges Programm vorbereitet. Den krönenden Abschluss des heutigen Tages wird die heute bereits mehrfach erwähnte Ausstellungseröffnung geben, und zwar der Ausstellung unter dem Titel „Das österreichische ROMANES. 30 Jahre Anerkennung – 600 Jahre in Österreich“. Die Eröffnung beginnt um 16.15 Uhr im Auditorium.

Ich glaube, wir haben am Vormittag bewiesen, dass Robert Menasse recht hat: „Es kann keine Demokratie von Idioten geben.“ – Es war ein fruchtbarer Austausch, wir haben interessante Aspekte gehört. Und jetzt bitte ich das Diknu-Schneeberger-Trio, den ersten Teil abzuschließen. – Vielen Dank. (Beifall.)

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(Es folgt ein Musikstück.)

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(Beifall.)

Katja Gasser: Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind beim letzten Programmpunkt und beim Höhepunkt des heutigen Tages der Volksgruppen angelangt: bei der Eröffnung der Ausstellung, die tagsüber schon mehrmals erwähnt wurde.

Wir starten die Ausstellungseröffnung mit Musik, und zwar hören wir Ivana Ferencová und Chor.

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(Es folgt ein Musikstück.)

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(Beifall.)

Katja Gasser: Bravo! Die Musik begleitet uns die Eröffnung lang. Das Wort ergeht jetzt an Bundesratspräsidentin Claudia Arpa.

Davor noch die Information, dass die Ausstellung im Auftrag des Parlaments entstanden ist und in Kooperation mit dem Romani-Projekt der Akademie Graz, dem Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, dem Romano Centro und dem Roma-Service entwickelt wurde. – Bitte.

Eröffnung der Ausstellung

Claudia Arpa: Ich begrüße Sie alle recht herzlich hier bei dieser Ausstellung. Ich bedanke mich für diese Einbegleitung. Ich habe euch leider nicht folgen können, weil ich ja eure Sprache nicht verstehe, aber da ich Kärntnerin bin, habe ich mir gedacht, es ist manchmal fast so traurig wie unsere Geschichte, und das wird auch so gewesen sein. Ich bedanke mich recht herzlich dafür, dass ihr uns diese Stimmung mitgegeben habt, weil es ja immer wieder so ist – wir haben das heute auch schon gehört –: Vielfalt ist etwas, das unsere Volksgruppen ausmacht, und die Vielfalt ist auch in der Musik und in der Kultur zu finden.

In diesem Sinne sage ich noch einmal herzlichen Dank. Der Applaus ist noch einmal eurer. – Vielen Dank. (Beifall.)

Wir haben ja gerade im Mai die 30-jährige Anerkennung der Roma als autochthone Volksgruppe gefeiert und haben am 2. August den Tag des Holocaustgedenkens für Sinti und Roma begangen. Das zeigt uns aber auch, dass es einen langen Weg bis zur Anerkennung gegeben hat. Es braucht einfach eine gebotene Achtung zur Würdigung dieser Volksgruppe in Österreich.

Wir dürfen diese furchtbaren Geschehnisse, die Ausgrenzung, den erschreckenden Umgang in der Nazizeit auch nie in Vergessenheit geraten lassen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir eine Gedenkkultur haben und dass wir auch die Möglichkeit haben, hier Bilder anzuschauen und auch die Vielfalt des österreichischen Romanes in Form einer Ausstellung zu sehen.

Wir haben ja heute schon gehört: Was ist wichtig für uns, dass wir diese autochthonen Volksgruppen am Leben erhalten? – Zum einen ist es die Bildung, zum anderen aber auch die Wertschätzung diesen Volksgruppen gegenüber und auch dieser Sprache, dieser Kultur. In diesem Sinne freue ich mich sehr und bedanke ich mich auch dafür, dass diese Ausstellung ermöglicht worden ist.

Ich bedanke mich auch beim Herrn Nationalratspräsidenten dafür, dass wir diesen Tag der Volksgruppen wieder nach zehn Jahren hier abhalten können, weil wir wissen – und das sage ich jetzt auch als Kärntnerin –, dass es notwendig ist, auch diesen Teil der Kultur immer wieder aufs Neue zu erfahren, aufs Neue wieder aufleben zu lassen und ihn nie in Vergessenheit geraten zu lassen, denn Sprache bildet Vielfalt, Sprache ist etwas, was uns verbindet. Ohne Sprache könnten wir uns auch nicht unserer Kultur erinnern und besinnen.

Ich bedanke mich bei allen Kuratorinnen und Kuratoren für die Ausstellung. Ich bedanke mich dafür, dass wir die Möglichkeit haben, das Romanes hier hochzuhalten, uns miteinander zu unterhalten, denn das Parlament ist immer ein Ort der Begegnung, ein Ort der Vielfalt und ein Ort der Demokratie.

In diesem Sinne wünsche ich mir weiterhin viel Dialogbereitschaft und dass wir nie vergessen, was geschehen ist. Alles Gute und noch einmal! Danke schön für diese schön kuratierte Ausstellung. – Danke schön. (Beifall.)

Katja Gasser: Vielen Dank, Claudia Arpa.

Ich bitte jetzt Emmerich Gärtner-Horvath, den Vorsitzenden des Volksgruppenbeirates für die Volksgruppe der Roma, und Rabie Perić, Muttersprachenlehrerin für Romanes in Wien und Präsidentin von Romano Centro, zu mir. (Beifall.)

Für unser Gespräch sind 5 Minuten vorgesehen; wir werden uns daran halten.

Meine erste Frage an Sie beide ist: Wie bewerten Sie denn den Umstand, dass diese spezifische Ausstellung hier an diesem speziellen Ort stattfindet, politisch?

Emmerich Gärtner-Horvath (Vorsitzender des Volksgruppenbeirates für die Volksgruppe der Roma): Amenge igen barikano hi, kaj adi ando parlamento amaro artschijipe i Romani tschib prado ol, kaj adaj jek than uschtidija.

Es freut mich sehr, dass die Ausstellung hier im Parlament diesen Platz bekommen hat und dass auch die Sprache Romanes, die in Österreich und darüber hinaus gesprochen wird, jetzt hier präsent ist, dass man sie hört und auch sieht.

Rabie Perić (Muttersprachenlehrerin und Präsidentin des Romano Centro, Wien): Me da sem but baxtali so se avgive pala 30 berš kidijamen kate naistumege so sam savre kate, me sem but baxtali so avgies keras amen pi romani čhib, i sikavas amen tumege deka djanas romane e dejaki čhib si but lači i barvali.

Ich freue mich sehr, jetzt, nach 30 Jahren, auf Anerkennung. Wir sind auch viele, auch wir in unserer Schule haben Romanes. Wir reden Romanes, und ich habe wirklich eine solche Freude, denn wir haben immer über unsere Sprache, über Romanes, geredet: Es ist so gut, dass das einmal offiziell ist. Wir sprechen sie mit unseren Kindern, die Anerkennung ist so gut. Danke schön für die Organisation! Danke für alles, damit wir das, unsere Muttersprache, wirklich nicht vergessen.

Te na bistres amari čhib, te na xasavol amari romani čhib amen sam gola baxtale so kamas te vorbis.

Ich möchte mich jetzt nicht in unserer Sprache verlieren, weil ich eine Muttersprachenlehrerin bin. Ich rede gleich weiter, ich bin so aufgeregt. Entschuldigung!

Katja Gasser: Alles gut.

Rabie Perić: Ich bin so ein Typ, Lehrer sind so. Ich übe diese Tätigkeit seit 33 Jahren aus. Und ja wirklich, ich freue mich für die Kinder.

Langsam verlieren wir unsere Sprache, unsere Muttersprache, aber wir lernen unsere Sprache schon im Bauch. Ich will wirklich nicht, dass wir sie verlieren, ich kämpfe. Kämpfen wir für unsere Sprache und machen wir noch weiter!

Es gibt aber noch ein Problem für unsere Mediator:innen. Wir sind ganz wenige: drei Muttersprachenlehrer:innen, zwei Mediator:innen. Sie haben keine Sicherheit was ihren Job und die Finanzierung betrifft. (Beifall.)

Katja Gasser: Lieber Herr Gärtner-Horvath, liebe Frau Perić, welchen Effekt hatte denn die Anerkennung Ihrer Volksgruppe vor 30 Jahren – es war im Dezember, ich glaube, am 16. Dezember – für das Selbstverständnis im Land?

Emmerich Gärtner-Horvath: Das war ein großer, großer Tag, dieser 16. Dezember, und ich glaube, das ist am 24. Dezember in Kraft getreten; das war also das Christkindl für die Volksgruppe der Roma.

Wir haben zugleich auch mit der Kodifizierung, Didaktisierung des Romanes begonnen – also 1993, das ist auch schon 30 Jahre her – und haben sozusagen in den Medien Fuß gefasst, wo die Sprache jetzt auch vorkommt.

Es kommen zweisprachige Zeitungen heraus, und auch im ORF gibt es eine TV-Sendung, Romano Dikipe sechsmal im Jahr, die entweder auf Romanes oder eben zweisprachig moderiert wird.

Also da hat sich schon sehr viel getan, und 1996 wurde Romani auch in das Minderheiten-Schulgesetz aufgenommen. Das sind alles Schritte, Entwicklungen – die Anerkennung, die Kodifizierung, was wir alles durchsetzen konnten.

Natürlich ist es auch unser Ziel, dass die Sprache weiterlebt. Die Sprache, das ist unsere Identität, das darf nicht verloren gehen, dagegen müssen wir alles tun, wir müssen dagegen ankämpfen, und wir müssen unsere Roma-Jugend in ihrer Identität stärken. Wenn sie Diskriminierung spüren, müssen sie es uns sagen. Wir werden sie darauf aufmerksam machen, wie sie sich wehren können. Sie müssen auch lernen, damit umzugehen.

Vielleicht gibt es auch einmal Gesetze oder Entwicklungen dahin gehend, dass die Diskriminierung ganz weg ist, dass es selbstverständlich ist, dass sie zu ihrer Roma-Identität stehen können. (Beifall.)

Katja Gasser: Eine abschließende Frage an Sie, Frau Perić, weil Sie ja Lehrerin sind: Was unterscheidet denn die deutsche Sprache von Romanes? Was ist der markanteste Unterschied zwischen dem Deutschen und Romanes?

Rabie Perić: Es ist wirklich ein bisschen unterschiedlich, aber unsere Roma-Kinder – ich habe das vorher auf Romanes gesagt – lernen gleich, wie man die Sprache gebraucht. Ich habe fünfjährige oder sechsjährige Kinder, Volksschulkinder, sie sprechen drei Sprachen, weil wir gleich Romanes und Deutsch und auch Serbisch – oder egal, die Sprachen anderer EU-Länder – lernen. Die Kinder lernen so schnell, und ich bin froh über die Unterstützung für unsere Roma-Sprache und Deutsch. Zum Beispiel hat meine Schülerin – ich will nicht so viel erzählen – vor zwei Tagen einen Zweier in Romanes bekommen. Es gibt so viele Beispiele.

Wir arbeiten gemeinsam. Früher haben wir viel Unterstützung gehabt. Wir haben auch von anderen Vereinen Unterstützung für die Kinder gehabt, Nachhilfe, viele Mediator:innen. Leider ist es aber jetzt nicht so: drei Muttersprachler:innen, zwei Mediator:innen für 23 Bezirke in Wien. Was können wir tun? Unsere Kinder brauchen das. (Beifall.)

Katja Gasser: Das ist eine eindeutige Forderung, um die man sich, bitte schön, kümmern sollte. Die Frage, die ich gestellt habe, bleibt offen, das macht aber nichts.

Vielen herzlichen Dank, Frau Perić! Vielen Dank, Herr Gärtner-Horvath! Man lernt in dieser Ausstellung ja sehr viel über die Sprache an und für sich. Vielen Dank!

Emmerich Gärtner-Horvath: Bedanken möchte ich mich beim Nationalratspräsidenten für diesen heutigen Tag, es ist wirklich gelungen, und bei seinem Team, ganz besonders bei Thomas Kassl für die Organisation. Recht herzlichen Dank! (Beifall.)

Rabie Perić: (Die Rednerin beginnt ihre Ausführungen auf Romanes.) Danke schön. (Beifall.)

Katja Gasser: Vielen Dank.

Wir hören Musik von Ivana Ferencová samt Chor.

Sophia Mayr (ein Chormitglied): Für alle, die kein Romanes sprechen: Das ist überhaupt nicht schlimm, aber ein Wort kann man sich sehr, sehr gut merken, und das ist Madarantumen. Madarantumen bedeutet: Hab keine Angst!

Und noch eine zweite Info: Wenn Sie bei diesem Lied glauben, es sei vorbei, bitte noch nicht klatschen, es kommt nämlich noch ein zweiter Teil. – Vielen Dank.

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(Es folgt ein Musikstück.)

*****

(Beifall.)

Katja Gasser: Wer bis heute Ivana Ferencova nicht kannte: Ab heute wird man sie sich merken.

Ich bitte nun die Kuratorin der Ausstellung, Astrid Kury, und die Grafikdesignerin, Linda Schneider, zu mir auf die Bühne. Mit den beiden ist das, was hier zu sehen ist, in die Welt gekommen.

Unserem Gespräch sind 7 Minuten zugemessen worden. Ich sage das immer dazu, damit sich das Publikum auskennt, ich es nicht vergesse und auch die Gesprächspartnerinnen es nicht aus dem Fokus verlieren.

Diese Ausstellung ist in drei Teile gegliedert. Wenn Sie kurz erklären würden: Was hat es mit dieser Dreiteilung der Ausstellung auf sich?

Astrid Kury (Kuratorin und Leiterin Akademie Graz): Sehr geehrte Frau Präsidentin des Bundesrates! Sehr geehrter Herr Präsident des Nationalrates! Sehr geehrter Vertreter:innen der Politik! Geschätztes Publikum! Liebe Mitwirkende! Wir sind sehr glücklich, dass wir zu diesen 30 Jahren, die dieses Jubiläum zweimal kennzeichnen – auch das Romaniprojekt besteht 30 Jahre –, diese Ausstellung machen konnten. Aus den Forschungen des Romaniprojekts stellt sich diese Ausstellung zusammen und entwickelt sich. Auf der Basis dieses digitalen Forschungsarchivs haben wir hier zwei Textelemente und einen Film zusammengestellt. Die Idee ist, tiefer und einmal sehr persönlich und emotional in die Sprache Romanes einzusteigen.

Katja Gasser: Würden Sie dazu noch etwas hinzufügen wollen?

Linda Schneider (Gestalterin der Ausstellung): Ja, ich möchte, wenn ich darf, kurz erklären, was Sie hier überhaupt sehen, was Sie umgibt.

Ich als Grafikdesignerin bin zu diesem Projekt geholt worden, weil ich Burgenlandkroatin bin, und deshalb ist mir natürlich die Anerkennung von Minderheiten und der Erhalt von deren Sprachen besonders wichtig und liegt mir sehr am Herzen. Mit Romanes habe ich mich in den letzten Jahren intensiver beschäftigt, als ich über gefährdete Sprachen in Österreich recherchiert habe.

Ich möchte kurz erklären: Dieses bunte Miteinander, das Sie auf den Ausstellungswänden um sich sehen, ist nicht das Einzige, was diese Vielfalt und den Facettenreichtum von Romanes widerspiegelt. Es geht nämlich ein bisschen tiefer: Sie sehen eine Infografik, in der diese sechs verschiedenen Farbräume, die Sie sehen, die sechs Varietäten des Romanes widerspiegeln. Wenn Sie genauer hinsehen, können Sie vielleicht auch erkennen, dass ein gewisses Raster in beiden Hintergründen zu sehen ist. Dieses Raster funktioniert so, dass diese Farbkreise einmal auf einer Achse nach den verschiedenen Varietäten und auf der anderen Achse nach den Herkunftssprachen, aus denen sich Romanes zusammensetzt, angeordnet sind.

Die Größe der Kreise auf den verschiedenen Schnittpunkten stellt dann dar, wie viele Lehnwörter sich eine Varietät aus den verschiedenen Herkunftssprachen zusammengestellt hat. Sie sehen hier also auch in den Hintergründen Information, und wer mehr dazu wissen will, kann sich natürlich auch auf unserer neuen Website, die Sie schon erwähnt haben, romani-project.org, informieren. Diese ist mit Hilfe von allen hier, besonders von Dieter Halwachs und unserem Programmierer Valentin Edelsbrunner, entstanden, und es war uns total wichtig, die Informationen, die in den letzten 30 Jahren zu Romani in Österreich gesammelt worden sind, irgendwo ganz einfach zugänglich uns sehr übersichtlich widerzuspiegeln.

Deshalb, falls Sie noch mehr über Romani in Österreich weiterlernen wollen, können Sie auch gern unsere Website besuchen. (Beifall.)

Katja Gasser: Astrid Kury, nicht zuletzt Sie haben in Ihrem Leben schon sehr vieles gemacht, leiten seit vielen Jahren die Akademie in Graz, sind Kulturmanagerin, Kunsthistorikerin und haben eine unglaubliche Vita.

Ein solches Projekt zu übernehmen, bedeutet aber auch, eine spezifische moralische, ethische Aufgabe zu übernehmen. Wie sind Sie denn beide mit dieser Verantwortung umgegangen?

Astrid Kury: Für mich jetzt aus einer persönlichen Außenperspektive auf die Thematik des Aktivismus der Roma und Romnia: Wir haben bis 2014 eine Plattform für künstlerischen Aktivismus gehabt, die Romale, und haben uns dann anderen Projekten gewidmet. Ich bin jetzt 2023 wieder zum Thema dazugestoßen. Ich habe gedacht, in den zehn Jahren hat sich wahnsinnig viel entwickelt. Es hat sich auch sehr viel entwickelt. Es ist eine sehr engagierte junge Generation auf die Bühne getreten, insbesondere mit der Hochschüler*innenschaft Österreichischer Roma und Romnja, die besonders aktiv sind, auch in den sozialen Medien.

Das Theater Romano Svato hat gerade eben bei Dschungel Wien ein großartiges Stück präsentiert. Samuel Margo ist ein herausragender Autor auf Romanes, aber insgesamt scheint der Druck auf den Personen, die hier aktiv sind, sehr hoch zu sein. Es scheint die Ausgrenzung immer noch massiv zu sein. Wir haben auch gehört, die Weitergabe der Kultur, der Sprache, der Tradition ist sehr schwierig. Der Assimilationsdruck ist sehr hoch, und es muss wirklich mit aller Kraft dagegengehalten werden. Es ist eine Situation, die sich gerade bei den Romnia seit Jahrhunderten schon manifestiert, und es braucht wirklich alle Bemühungen, um dieser Sprache, um dieser alten und ehrwürdigen Kultur und Sprache Raum zu geben, auch in der österreichischen Kultur. (Beifall.)

Katja Gasser: Eine abschließende Frage vielleicht noch an beide, anfangend mit Ihnen, Frau Schneider: Was war denn das Überraschendste im Zuge der Arbeit an dieser Ausstellung? Gab es einen Moment, zu dem Sie sagen würden, das hätten Sie so jetzt nicht erwartet?

Linda Schneider: Wie vielschichtig einfach dieses Projekt ist, dass so viel dahinter ist, dass man so viel mitgeben will. Ich hoffe, wir konnten so viel mitgeben, wir haben überall versucht, in den Texten, in den Hintergründen, in der Gestaltung, auf der Website, das mitzutragen, was gesagt werden muss, und das war das Überraschendste: wie tief dieses Projekt dann doch ging.

Katja Gasser: Astrid Kury, Linda Schneider, ein Applaus. Vielen Dank. (Beifall.)

Astrid Kury: Ich möchte noch ganz kurz herzlichen Dank sagen. Ich bin so liebevoll und herzlich aufgenommen worden und für mich ist es eine Romanipe, ein Romatum, diese Art des Miteinanderumgehens war großartig. Das Filmmachen war ein sehr bewegendes, sehr eindrucksvolles Erlebnis für mich, die Produktion sozusagen. Wenn wir das mitgefilmt hätten, dann wäre auch ein sehr interessantes Dokument entstanden, von Berührung, von der Schönheit der Sprache, von der Bedrohung des Aussterbens. Ich möchte mich einfach bei allen Mitwirkenden sehr herzlich für diese sehr, sehr freundliche und liebevolle Aufnahme bedanken. (Beifall.)

Katja Gasser: Vielen Dank – mit großem Dank an die Ausstellungsmacher:innen und alle, die daran teilgenommen haben und das möglich gemacht haben. Jetzt ist Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der heute schon so vielfach gerühmt wurde, am Wort. Er wird die Ausstellung eröffnen.

Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst einmal herzlichen Dank dafür, dass Sie zur Eröffnung dieser Ausstellung alle da sind. Ich darf mich zuerst ganz herzlich bei den Ausstellungsmacherinnen und -machern bedanken: Frau Kury, Frau Schneider, und Dieter Halwachs für die wissenschaftliche Betreuung.

Eine solche Ausstellung in dieser besonderen Art zu kuratieren und auch übersichtlich darzustellen, ist eine ungeheure Herausforderung, und ich darf Ihnen sagen, es ist wirklich hervorragend gelungen. Sie werden das dann noch erklären.

Die Übersicht, die Vielfalt: Die Roma und Romnia sind seit 600 Jahren in unserem Land angesiedelt. Es ist eine uralte Kultur, die lange Zeit in der Sprache nicht nur nicht kodifiziert war, sondern wir hatten auch keine dementsprechenden Dokumente. Erst 1903 kam das erste Dokument.

Ich freue mich, dass die Zusammenarbeit auch der Institutionen – des Romaniprojekts, der Akademie Graz, des Phonogrammarchivs, der Akademie der Wissenschaften – dazu beigetragen hat, dieses Projekt jetzt in Szene zu setzen, anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Anerkennung als Volksgruppe.Wir begehen heute schon den ganzen Tag den Tag der Volksgruppen. Wir haben gesehen, wie reichhaltig deren Kultur ist. Wir haben am Vormittag gesehen, wie notwendig es ist, sich – betreffend die Zeit – nicht nur heute auszudrücken, sondern welche Notwendigkeiten in der Zukunft gegeben sind. Das ist auch jetzt wieder zum Ausdruck gekommen.

Diese Ausstellung soll den Spracherhalt unterstützen. Romanes ist die einzige indoarische Sprache, die es in Europa als solches gibt. Wir sind angehalten, sie zu erhalten, sie weiterzutradieren. Was mich auch so fasziniert hat: dass sie sehr lebendig ist, dass sie nicht aus einem Guss ist, sondern aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen beeinflusst wurde – so wie auch unsere Sprache, wenn wir uns dessen bewusst sind.

Ich wünsche mir Anerkennung und Akzeptanz für Romnija und Romna, wie auch für deren Musik. Was das betrifft, ist es, glaube ich, ganz klar: Sie werden nicht nur akzeptiert, sie werden geliebt, sie werden letzten Endes gefeiert, weil diese Musik etwas hat, das den Menschen eigentlich ganz tief emotional rührt. Wir können uns noch so intellektuell damit auseinandersetzen, es braucht auch die ganz persönliche Beziehung dazu.

Viele Komponisten haben ihre Motive aufgegriffen, schon viel früher. In vielen Musiken ist diese Musik – sie ist ursprünglich als ungarische Musik bezeichnet worden – aufgegriffen worden, wie beispielsweise bei Johannes Brahms. Das ist keine ungarische Musik gewesen, das ist die Musik der Romna und der Romnija.

Es ist für uns auch heute notwendig, dem nachzuforschen, der Wissenschaft einen Impetus zu geben, etwas zu tun. Wir forschen sehr intensiv im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands zur Opfergeschichte und zu den Opfern. Wir werden mit dem Nationalfonds ein Denkmal für die Romnija und Romna und auch für die Sintizze und die Sinti etablieren. Der Beschluss ist gefasst, wir suchen derzeit gemeinsam mit der Stadt Wien den Ort. Es ist notwendig, dass es zu dieser Geschichte eine ganze Geschichte gibt.

Ich kann euch zu der musikalischen Darbietung und zu eurem Einsatz nur gratulieren. Ohne eure Arbeit, und wir haben es auch heute gehört, ohne diese Eigeninitiative, Eigenverantwortung würde es nicht gehen.

Wir müssen den Rahmen zur Verfügung stellen, da bemühen wir uns, und wir werden nicht müde werden, auch weiterzublicken, gerade was die Frage der Schulen anlangt, was die Frage der Mobilität anlangt. Das ist bei den Romnija und Romna natürlich auch immer wieder Thema. Für uns geht es vor allem auch darum, dass wir das auch überall thematisieren.

Es liegt an uns, die keine Romnija sind und keine Roma sind, das zu tun, dass wir sie als Teil der österreichischen Kultur und als eine Bereicherung verstehen, auch aus der Mehrheitsgesellschaft heraus. In diesem Sinne darf ich diese Ausstellung für eröffnet erklären. Ich freue mich schon auf den Film, der kommt. Ich kann Ihnen nur sagen – ich habe nur ein bisschen von den Informationen auf der Litfaßsäule gelesen –, dass das das erste Eintauchen für viele ist, um zu erfahren, wie tief diese Kultur bei uns verankert ist.

In diesem Sinne: Gratulation! Ich danke, machen Sie so weiter! Wir freuen uns schon auf das nächste Jubiläum. (Beifall.)

Katja Gasser: Wenn ich richtig informiert bin, schauen wir uns jetzt gemeinsam den Film an. Bitte, dann gehen wir so vor: zuerst die Musik, dann der Film, dann das Reichen von Getränken, dann das Anstoßen auf die Vielfalt.

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(Es folgt ein Musikstück.)

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(Beifall.)

Katja Gasser: Bravo! Und jetzt Film ab! Ich hoffe, jetzt bin ich richtig.

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(Es folgt eine Videoeinspielung.)

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(Beifall.)

Katja Gasser: Sehr geehrte Damen und Herren! Damit geht der Tag der Volksgruppen heute zu Ende. Vielen herzlichen Dank allen, die an diesem Tag teilgenommen haben, auf welcher Seite auch immer. Schade, dass der musikalische Auftritt schon hinter uns und nicht erst vor uns liegt.

Es werden jetzt schon Getränke gereicht. Halten wir noch einmal die Idee hoch, die uns heute den ganzen Tag lang begleitet hat, nämlich dass es die Vielfalt ist, die uns auch starkmacht. In der Einfalt ist schon so mancher verkommen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Danke fürs Kommen. Fühlen Sie sich ermuntert und aufgefordert, sich diese Ausstellung anzuschauen! (Beifall.)

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(Es folgt ein Musikstück.)

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Katja Gasser: Vielen Dank für die Zugabe. Und jetzt ein Glas auf Sie und auf alle! Einen schönen Abend noch!