Transkript der Veranstaltung:
Internationaler Frauentag –
„Frauen sind Mutmacherinnen“
Corinna Milborn (Moderation): Einen wunderschönen Nachmittag am Internationalen Frauentag! Ich darf Sie sehr herzlich hier im Parlament begrüßen – es ist schön, dass Sie da sind. Solche Veranstaltungen sind so kraftspendend und mutmachend.
Das ist auch das Motto dieses heutigen Nachmittags: Frauen sind Mutmacherinnen, Mutmacherinnen auf verschiedensten Ebenen, unter anderem auch in der Politik, in der Gemeindepolitik. Über 100 Jahre haben wir jetzt das Frauenwahlrecht. Ich habe mir jetzt zum Frauentag angesehen, wie das erkämpft worden ist: sehr beeindruckend, wie die Frauen am Ring demonstriert und wirklich erkämpft haben, dass gewählt werden darf.
Auf der anderen Seite, dort, wo die Macht zu Hause ist, sieht es noch dünner aus, besonders in den Gemeinden, in der Lokalpolitik – das ist ein hartes Pflaster. Wir haben heute viele Bürgermeisterinnen, Vizebürgermeisterinnen, Gemeinderätinnen hier, die diesen Weg gehen und vorangehen, die Mut machen, und sehr viele andere Frauen, die in ihrem Bereich ganz Besonderes leisten.
Ich freue mich sehr auf die Diskussionen und darf zunächst einmal die Gastgeberin, die diesen Nachmittag möglich gemacht und eingeladen hat, begrüßen: Präsidentin des Bundesrates Margit Göll – herzlichen Dank. (Beifall.)
Ich freue mich sehr, dass die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien Susanne Raab bei uns ist – schönen Nachmittag! (Beifall.)
Ich darf die auf Gemeindeebene und Landesebene tätigen Frauen, die wir heute in der zweiten Diskussion hier am Podium begrüßen dürfen, begrüßen: Ulrike Fischer von den Grünen, Abgeordnete zum Nationalrat und Vizebürgermeisterin in Sankt Andrä-Wördern – schönen Nachmittag! (Beifall) –, Kerstin Suchan-Mayr von der SPÖ, Abgeordnete zum Niederösterreichischen Landtag und Bürgermeisterin in Sankt Valentin – schönen Nachmittag! (Beifall) –, und Anette Töpfl von der ÖVP ist bei uns, Bürgermeisterin der Marktgemeinde Vitis – schönen Nachmittag! (Beifall.)
Diese drei werden uns einen Einblick in ihre politischen Karrieren geben: was es für Frauen schwierig macht, wie sie Mut machen können. Sie haben viel Motivierendes zu erzählen, das habe ich schon gesehen.
Davor haben wir noch eine Runde mit Frauen, die ganz Besonderes in ihrem Bereich geleistet haben. Wir haben bei uns die Referatsleiterin im Innenministerium, die für das Recruiting neuer Polizistinnen und Polizisten zuständig ist: Lana Ganselmayer – herzlich willkommen! (Beifall.)
Wir haben bei uns die Kommandantin der Freiwilligen Feuerwehr – das ist ja wirklich ein Durchbruch, eine Feuerwehrkommandantin – in Trieben Werk in der Steiermark: Monika Haberl – danke fürs Anreisen! (Beifall.)
Musikvereine, auch ganz, ganz lange eine Männerdomäne: Wir haben bei uns eine Obfrau, und zwar vom Musikverein in Vitis, Ines Kainz – herzlich willkommen! (Beifall.)
Sie sehen schon, hier in dieser Runde dominieren die Uniformen, auch beim vierten Gast. Karatemeisterin, sie hat Olympia-Bronze in Tokio gewonnen, daran erinnern wir uns alle; sie hat bei den European Games 2023 Gold gewonnen und ist Sportlerin beim Bundesheer: Bettina Plank – herzlich willkommen. (Beifall.)
Ich freue mich sehr auf diese Runde, ebenso wie auf die Keynote: Die kommt von Chefredakteurin von „Welt der Frauen“ und Female-Empowerment-Speakerin Sabine Kronberger. (Beifall.)
Ich darf im Block alle aktiven und ehemaligen Abgeordneten zum Nationalrat, Mitglieder des Bundesrates, Abgeordnete der Landtage, alle anwesenden Bürgermeisterinnen und Vizebürgermeisterinnen begrüßen. Sie alle sind heute Ehrengäste.
Die Musikerinnen – sind sie schon da? – darf ich auch noch begrüßen. Wir werden zwei Musikstücke von drei Musikerinnen hören: Anna Keller, Magdalena Plattner und Melinda Franzke sind bei uns und werden für uns spielen. (Beifall.)
Mein Name ist Corinna Milborn, ich bin Infochefin bei ProSiebenSat.1 PULS 4 und PULS 24 und darf jetzt zuerst die Gastgeberin auf die Bühne bitten: die Präsidentin des Bundesrates. – Frau Göll, bitte sehr.
Margit Göll (Präsidentin des Bundesrates): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Heute, am Internationalen Tag der Frauen, wird weltweit auf Frauenrechte und auf die Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam gemacht. Dieser Tag soll uns für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben, aber auch an politischen Entscheidungsprozessen sensibilisieren.
Ich möchte heute jenen Aspekt in den Mittelpunkt stellen, der mir als Präsidentin des Bundesrates, aber auch als Bürgermeisterin besonders am Herzen liegt: die Beteiligung von Frauen am politischen Entscheidungsprozess. Politische Entscheidungen haben ja direkte Auswirkungen auf die Zukunft unserer Gesellschaft. Frauen sollen daher aktiv an der Gestaltung der Zukunft teilhaben, um sicherzustellen, dass gerade auch ihre Bedürfnisse und Forderungen durchgesetzt werden.
Politischer Einfluss ist entscheidend für die Förderung von Chancengleichheit und die Beseitigung von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Ihre Erfahrungen sind unverzichtbar für eine ausgewogene und repräsentative Politik. Wir müssen daher sicherstellen, dass Frauen in politischen Gremien und Entscheidungsorganen angemessen vertreten sind und ihre Stimmen auch gehört und respektiert werden. Frauen bringen zudem andere Prioritäten und Perspektiven in politische Diskussionen ein, die für die Lösung gesellschaftlicher Probleme entscheidend sind. Themen wie Gleichstellung der Geschlechter, Bildung, aber auch Gesundheitsversorgung und Kinderbetreuung werden ja gerade von Frauen forciert.
Ich möchte daher alle Frauen ermutigen, sich auf Gemeindeebene politisch zu betätigen, um eben Veränderungen mitzugestalten. Die lokale Politik bietet eine einzigartige Möglichkeit, direkten Einfluss auf die Lebensqualität in unseren Gemeinden zu nehmen, um eine positive Veränderung zu bewirken. Die Stimmen und Perspektiven von Frauen sind da unerlässlich.
Neben der Teilhabe am politischen Prozess ist die Rolle von Frauen in Ehrenämtern von unschätzbarem Wert. Frauen leisten ja bekanntlich einen Großteil der unbezahlten Arbeit in unseren Gemeinden, sei es in der Pflege, sei es in der Bildung, aber auch in anderen Bereichen des sozialen Engagements. Ihre Beiträge verdienen höchste Anerkennung und Wertschätzung.
Als Präsidentin des Bundesrates ist es mir besonders wichtig: Wir müssen die Frauen dazu ermutigen, dass sie sich aktiv an der Gestaltung unserer Gesellschaft beteiligen. Frauen sind für mich Mutmacherinnen, sie sind diejenigen, die Stärke und Durchhaltevermögen zeigen, und sie sind diejenigen, die andere ermutigen, ihre Ziele zu verfolgen, Hindernisse zu überwinden und ihr Potenzial auszuschöpfen. In Familien, in Schulen und in den Gemeinden sind oft Frauen diejenigen, die anderen Hoffnung und Zuversicht geben, wenn sie mit einer größeren Herausforderung konfrontiert sind. Sie bieten Unterstützung, ermutigen zum Handeln und vermitteln den Glauben daran, dass Veränderung auch wirklich möglich ist.
Frauen sind Mutmacherinnen – auch in der Politik und im öffentlichen Leben. Sie treten für Gerechtigkeit, Gleichstellung und Menschenrechte ein und inspirieren andere dazu, sich ebenfalls für eine bessere Welt einzusetzen. Ihr Einsatz für soziale und politische Veränderungen motiviert andere dazu, sich ebenfalls zu engagieren und für ihre Überzeugungen einzutreten. In einer Welt, die oft von Unsicherheit und Angst geprägt ist, sind Mutmacherinnen unverzichtbar, und sie erinnern uns gleichzeitig auch daran, dass wir gemeinsam stark sind und uns durch den Zusammenhalt gegenseitig unterstützen und große Veränderungen bewirken können.
Wenn Frauen erfolgreich sind, dienen sie oft als inspirierendes Beispiel und sind Vorbild für uns alle. Ich denke da an die erste weibliche Ministerin Grete Rehor oder an Ministerin Hertha Firnberg, aber auch an Heide Schmidt, die eine eigene Partei gegründet hat. Wenn Frauen in Führungspositionen in der Politik, in Ehrenämtern, im Sport, in der Wissenschaft, in der Forschung, in der Kultur, in der Kunst oder in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens vertreten sind, senden sie eine klare Botschaft: Frauen können alles erreichen, wozu sie sich entschließen.
Darüber hinaus sind Frauen als Vorbilder oft zugänglicher und – ich traue mich das auch zu sagen – empathischer. Sie teilen ihre Erfahrungen, ihre Lektionen und ihre Erfolge und ermutigen andere Frauen dazu, ihre Träume zu verfolgen und sich nicht von anderen Hindernissen entmutigen zu lassen. Wenn Frauen einander unterstützen, ermutigen und mentorieren, stärken sie nicht nur individuelle Frauen, sondern tragen auch zur Schaffung einer Kultur der Solidarität und des Zusammenhalts bei. Als Vorbilder können Frauen anderen Frauen zeigen, dass politisches Engagement kein Privileg ist, das nur den Männern vorbehalten ist, sondern eine Verantwortung, die jede und jeder von uns trägt. Durch ihren Einsatz und durch ihre Entschlossenheit können sie den Weg für eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft, in der die Stimmen aller gehört und respektiert werden, ebnen.
Was mir persönlich wichtig ist, ist, dass Frauen als Vorbilder nicht perfekt sein müssen – Männer sind es nämlich auch nicht. Vielmehr geht es darum, authentisch zu sein und den Weg für andere Frauen zu ebnen. Insgesamt sind Frauen als Vorbilder für Frauen von entscheidender Bedeutung für die Förderung von Gleichstellung, Selbstvertrauen, aber auch Selbstbestimmung.
Ich habe heute besondere Mutmacherinnen dazu eingeladen, ihre ganz persönliche Geschichte als Vorbilder zu erzählen: Frauen, die Widerstände aus dem Weg geräumt und sich einfach durchgesetzt haben; Frauen, die etwas bewegen und uns allen Mut machen, es ihnen gleichzutun. Sie sind in politischen Ämtern erfolgreich, sei es als Bundesministerin, im Nationalrat, auf Landesebene oder auch in unseren Gemeinden. Sie sind in Ehrenämtern tätig, in der Exekutive oder haben sportliche Höchstleistungen erbracht.
Ich danke dir, Frau Ministerin Raab, dass du heute am Internationalen Frauentag als Mutmacherin zu uns gekommen bist, ebenso allen Teilnehmerinnen an den Podiumsdiskussionen und unserer Keynotespeakerin für den folgenden Impuls.
Meine Damen, lassen Sie uns gemeinsam die Barrieren überwinden, sodass sich noch mehr Frauen politisch engagieren! Lassen Sie uns Mut fassen, unsere Stimme zu erheben und für die Anliegen einzutreten, die uns Frauen am Herzen liegen!
Abschließend mein Zitat der Woche von Eliza Reid, First Lady aus Island, die ich – einige waren dabei – anlässlich des Internationalen Frauentages als Keynotespeakerin bei der Veranstaltung Mut.Macht.Veränderung kennenlernen durfte: Ich wage, ich kann, ich werde.
Vielen Dank für Ihr Engagement und Ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen! Ich wünsche zum Internationalen Frauentag heute allen Frauen alles, alles Gute. (Beifall.)
Corinna Milborn: Herzlichen Dank, Frau Präsidentin.
Ich darf gleich die Frauenministerin auf die Bühne bitten. – Frau Raab, bitte.
Susanne Raab (Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen, vielen Dank für die Einladung ins Hohe Haus heute – was für ein großartiges Signal, das heute am Weltfrauentag hier vom Haus der Demokratie ausgeht. Ich halte es für ganz zentral, dass wir heute an diesem Tag hier zusammenkommen, denn ich finde, die Repräsentanz von Frauen in der Politik ist ein Garant für die Demokratie.
Wohin kommen wir denn, wenn die Demokratie und die demokratischen Entscheidungen nicht die Gesellschaft als Ganzes abbilden, nicht mehr als die Hälfte der Gesellschaft abbilden und uns Frauen in diesen politischen Gremien kein Wort und auch kein Gestaltungsspielraum zukommt? Es braucht daher die Abbildung und die Gestaltungsmöglichkeit von Frauen auf allen politischen Ebenen, egal ob im Bund, in den Ländern oder in den Gemeinden.
Frauen für politische Führungsfunktionen zu motivieren, ihnen auch Perspektiven aufzuzeigen, ihnen auch aufzuzeigen, dass es ein großartiges Berufsfeld sein kann – ja, nicht immer ein leichtes, aber ein Berufsfeld, in dem man wirklich viel bewirken kann –: Ich glaube, bei diesem Ziel gehen wir alle Hand in Hand. Da haben wir auch eine Gemeinsamkeit, sozusagen unabhängig von der politischen Gesinnung, und das verbindet uns auch heute, da wir aus unterschiedlichen Gremien hier sind, von unterschiedlichen politischen Ebenen und auch aus unterschiedlichen Parteien.
Ich habe mir in der Vorbereitung für die heutige Rede auch ein bisschen angesehen, wie wir denn in Österreich so dastehen, was die politische Repräsentation von Frauen in den Gremien oder auf den unterschiedlichen Ebenen betrifft. Wir haben in der Bundesregierung einen Frauenanteil von 44 Prozent. Im Nationalrat – das wissen die Abgeordneten zum Nationalrat und auch jene, die im Bundesrat tätig sind – liegt der Frauenanteil bei 41 Prozent, im Bundesrat etwas höher bei 47 Prozent.
In den Landesregierungen haben wir über alle Landesregierungen hinweg einen Frauenanteil von 38 Prozent. Je regionaler sozusagen die Ebene wird, umso mehr – so sieht man – verkleinert sich die Repräsentanz von Frauen ein Stück weit. In den Landtagen sind es rund 36 Prozent, und – Sie, liebe Bürgermeisterinnen, mit denen ich das ganze Jahr über viel zu tun habe, wissen das – bei den Bürgermeister:innen beträgt der Frauenanteil mit Stand Februar 2024 10,5 Prozent. Wenn ich euch treffe, liebe Bürgermeisterinnen, dann machen wir immer folgenden Schmäh – das ist eigentlich gar kein Schmäh, denn wir haben ja die Zahlen dazu –: Es gibt mehr Bürgermeister, die Josef heißen, als Bürgermeisterinnen.
Die Fakten sind: Ja, es gab in den letzten Jahren wirklich Fortschritte. Diese Statistiken, die ich Ihnen jetzt präsentiert habe, haben vor zehn Jahren noch ganz anders ausgesehen. Wir sehen aber auch, wo es Handlungsbedarf gibt und wo wir mehr Frauen für die Repräsentanz in der Demokratie brauchen, gerade auf regionaler Ebene, wo so wesentliche Entscheidungen für den Alltag und für das tagtägliche Leben der Menschen und eben auch der Frauen in unserem Land getroffen werden.
Im Austausch mit den Bürgermeister:innen, den ich in den letzten Jahren sehr intensiv gepflegt habe – bei den Bürgermeister:innentagungen, bei unterschiedlichen Videocalls und Videokonferenzen, die wir auch unter den Bürgermeister:innen immer haben, parteiübergreifend, darf ich sagen –, versuchen wir auch immer, die Gründe zu eruieren: Warum ist das so?
Wir wissen, es liegt einerseits an Themen der sozialen Absicherung: Karenz ist ein Thema, Pension ist ein Thema, Amtsverlust, wenn man Mama wird, ist ein Thema – das sind zentrale Punkte. Es liegt aber auch sozusagen an der Frage: Ist das ein familienfreundliches Umfeld, ist das ein familienfreundlicher Beruf – Stichwort Abendtermine am laufenden Band?
Es liegt auch an der Frage oder an der Sorge –das merke ich gerade bei jungen Frauen immer mehr –, dass man, wenn man den Schritt in die Öffentlichkeit macht, und der ist sehr häufig mit der Politik verbunden, dann auch – das sage ich so – ein Objekt der Hetze und des Hasses wird und dass das Klima, in dem man sich bewegt – Stichwort auch soziale Medien –, nicht immer ein leichtes ist. Ganz, ganz viele junge Frauen sagen mir, dass das auch ein Hemmfaktor, ein Hemmschuh ist, um diesen Schritt zu gehen.
Ich finde, das ist natürlich keine gute Entwicklung, die wir da machen. Jede von Ihnen, von euch, die in der Politik ist, weiß, dass man als Frau oft anders beurteilt wird, wenn man in der Öffentlichkeit steht, dass nicht immer nur der Inhalt im Vordergrund steht, sondern auch, wie man die Haare trägt, ob man denselben Hosenanzug zum zweiten Mal anhat, ob man jetzt eine Brille trägt oder nicht. Das ist etwas, wogegen ich arbeiten möchte. Ich glaube, da braucht es das, was ich mir für uns alle und für jede Frau wünsche, nämlich dass wir schlichtweg anhand unserer Leistung beurteilt werden – es ist nicht mehr und es ist nicht weniger. Wir wollen einfach anhand unserer Leistung beurteilt werden – in der Politik anhand dessen, wie wir arbeiten. (Beifall.)
Natürlich braucht es Maßnahmen und flächendeckende Programme, wo wir die Mädchen auch erreichen und ihnen aus unserem unmittelbaren Alltag erzählen, vielleicht auch Ängste und Sorgen nehmen und auch das Feuer für die Politik entfachen, die so wichtig ist für die Zukunft, wie wir alle wissen, da wir in dem Feld arbeiten.
Wir haben 2020 in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Gemeindebund das Projekt Girls in Politics einberufen, wo einen Tag lang Bürgermeisterinnen von Mädchen begleitet werden, um ihnen einen Einblick in ihr Leben zu geben. Das ist wirklich ein klassisches Projekt der Nachwuchsförderung. Jene, die Interesse haben, können hier reinschnuppern.
Da war das Interesse schon gut – ich sehe auch einige Bürgermeisterinnen, die da mitmachen, seit zwei Jahren –, dann haben wir uns aber im Jahr darauf gedacht: Warum eigentlich nur die Bürgermeisterinnen? Ich meine, das ist ja genau das Thema: Gleichstellung kann ja nicht nur Frauenaufgabe sein, sondern es braucht ja auch die Männer auf diesem Weg. Es ist ja kein Kampf Frauen gegen Männer, es ist ja etwas, was die ganze Gesellschaft betrifft. Dementsprechend haben wir dann gesagt, wir müssen natürlich auch die Bürgermeister inkludieren, denn auch die Bürgermeister sollen junge Frauen motivieren, sie einen Tag mitnehmen und ihnen einen Einblick geben. Auch die Bürgermeister haben eine Verantwortung darin, den Nachwuchs zu finden und auch zu fördern. Besonders als Frau ist es nicht nur wichtig, wohin ich komme, sondern auch: Wer folgt mir nach? Auch das ist eine wichtige Aufgabe der Politik und auch der Frauenförderung, die uns alle angeht.
Das Projekt ist recht erfolgreich, wir sehen – und so hoffe ich es auch für dieses Jahr –, dass wir Dutzende und Hunderte junge Mädchen erreichen und wir viel Interesse auch daran haben, dass die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sich auch aktiv an diesem Projekt beteiligen.
Und, liebe Frau Präsidentin, du hast es angesprochen: Ja, es braucht die Vorbilder. – Die sind hier in diesem Raum. Ich kann es vielleicht nur durch eine andere Brille sagen: Ich war einige Jahre, viele Jahre im Innenministerium beschäftigt und ich weiß, oder wir wissen, das Innenministerium besteht vielfach auch aus Polizisten und Polizeijuristen, ist sehr stark männlich dominiert, und auch ich habe mir dort Frauen gesucht, zu denen ich aufschauen kann, als ich eine junge Juristin war, die dort begonnen hat. Das war für mich auch eine Chance, zu sehen, dass das, wovon ich träume, auch eine reale Möglichkeit ist. Deshalb braucht es Sie als Vorbilder, aber auch als jene, die dann die Polizistinnen und Polizisten auswählen und ein Auge darauf haben, dass das in der Ausgewogenheit von Frauen und Männern auch passt.
Vielleicht zum Schluss noch eine persönliche Geschichte, die meisten von Ihnen kennen mich ja, ich kenne auch die meisten von Ihnen: Sie wissen, ich bin als Ministerin schwanger geworden, ich habe als Ministerin mein Kind bekommen, mein Sohn wird im Juli drei Jahre alt, und ich habe mich zu Beginn der Schwangerschaft sehr oft gefragt: Wie soll das gehen, wird das funktionieren, werden wir das schaffen? Ich kann nur sagen: Es ist möglich, es ist schaffbar, es ist nicht jeden Tag leicht, das ist die Wahrheit, aber es geht. Ich bin auch stolz darauf, dass wir es in unserer Familie möglich machen. Jede Frau sollte diese Möglichkeit haben.
Und was ich auch vielfach erfahren habe, auch aus Ihren Reihen, unabhängig der politischen Partei oder Gesinnung, war, Mut zuzusprechen, mir auch Mut zuzusprechen, persönlich, denn Sie wissen, es vergeht keine Woche, wo nicht die einen sagen: Und, geht das eh mit dem Kind? Wie geht es dir dabei? Schaffst du das eh alles? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das funktioniert. – Und auf der anderen Seite vergeht aber auch keine Woche, wo ich nicht eine coole Frau treffe, die sagt: Super, wie du das machst; das taugt mir, schön, dass das funktioniert. Diese Momente sind immer tausendmal wertvoller und gehen bei mir noch tausendmal besser ins Herz als die negativen. Deshalb kann ich uns nur alle ermutigen: Lasst uns auch zusammenstehen, parteiübergreifend, wenn es um Frauensolidarität geht! Da müssen wir uns auch da und dort auf gut oberösterreichisch auf ein Packerl hauen. Das tun wir, das hast auch du heute wieder angeregt, liebe Frau Präsidentin, und dafür danke ich dir. – Danke sehr. (Beifall.)
Corinna Milborn: Herzlichen Dank, Frau Ministerin.
Damit kommen wir zu unserer Keynote. Unsere Keynotespeakerin kommt aus Oberösterreich. Sie ist Autorin, sie ist Journalistin, sie ist aber auch Bäuerin und Imkerin; sie war lange bei der „Kronen Zeitung“ in Oberösterreich tätig und ist jetzt Chefredakteurin von „Welt der Frauen“ und wird uns eine empowernde – denn das ist sie nämlich auch, Empowerment-Speakerin – Rede halten: Sabine Kronberger. – Herzlich willkommen.
Keynote: „Strahle, damit andere Frauen leuchten können: Die Bedeutung deiner Sichtbarkeit als Vorbild“
Sabine Kronberger (Chefredakteurin Welt der Frauen, Female Empowerment Speakerin): Geschätzte Damen und Herren! Ich freue mich außerordentlich, Sie alle hier in diesem Saal sehen und treffen zu dürfen, auch Sie alle zu Hause vor den Geräten heute ansprechen zu dürfen! Als Chefredakteurin des ältesten Frauenmagazins Österreichs ist es mir eine besondere Ehre, diesen Weltfrauentag heute ausgerechnet hier im Haus der Demokratie, ausgerechnet mit Ihnen allen, die Sie in Ihren Regionen, auf Ihren Plätzen, wo Sie sind, wirken und schaffen, verbringen zu dürfen.
Ich nehme Ihnen heute ganz viel Persönliches mit und ich verrate Ihnen etwas: Ich war so ungefähr zwischen 18 und 19 Jahre alt, zu diesem Zeitpunkt wurde meine Taufpatin – in Oberösterreich sagen wir Godi, kennt ihr das? – Vizebürgermeisterin meines Heimatortes. Ich war also 19 und habe zum ersten Mal in meinem doch noch sehr jungen Leben erlebt, dass eine Frau Vizebürgermeisterin ist. Das, was wir heute vor allem in den Ballungsräumen als Selbstverständlichkeit empfinden, war bei uns eine exotische Funktion.
Das Erste, was sie zu hören bekam, war: Na ja, es ist eigentlich klar, ihr Mann ist Fernfahrer, sie ist viel zu Hause, da hat sie leicht Zeit. Das andere war: Natürlich ist niemand zu Hause, sie hat nicht so viel Hausarbeit zu tun, da geht sich das leicht aus. Das andere war: Na ja, aber abends, nach den Gemeinderatssitzungen, da sitzt sie schon ordentlich lang noch mit den Männern zu Hause. Ob ihm das recht ist? – Und noch einmal anders war es, wenn sie sich entgegen der parteilichen Linie frauenparteilich gezeigt hat – egal, was die Männer zu diesem Zeitpunkt gerade als richtig eingeteilt oder beurteilt haben –, eine Meinung dazu hatte, was für Frauen jetzt klug und richtig wäre. Was bekommt man dann meistens als Frau? Wie heißt der Stempel? – Sie ist schwierig.
Wissen Sie, was das Besondere an den schwierigen Frauen ist? Und wenn ich mich hier umschaue, sehe ich das auch: Es gibt so viele von uns. Diese schwierigen Frauen trauen sich auch in Momenten des Widerstandes, mutig diesen Schritt zu gehen, selbst wenn sie wissen, dass spätestens am Tag danach ein Urteil über sie fallen wird: was sie getragen hat, wie sie sich gegeben hat, wie sie kommuniziert hat, welche Sprache sie verwendet hat, wie sie aussieht, wie sie die Haare zusammengebunden hat oder nicht, ob sie blond ist – und ich kann Ihnen verraten, davon kann ich ein Lied singen –, ob sie hohe Hacken trägt oder die Fingernägel lackiert hat. Als Frau, die einen Landwirt geheiratet hat, Sie werden es nicht glauben, war das anfangs eines der wichtigsten Kriterien, nach dem ich beurteilt wurde. Rote Fingernägel – die kann zu Hause nicht viel arbeiten. Sie ist beruflich viel unterwegs, die Kinder werden sie nicht viel sehen. – Oder, Frau Ministerin? Das kennen wir alle.
Ich komme aber gleich mit einem zweiten Namen. Der erste Name – der ist ganz wichtig – lautet Melitta, das ist meine Taufpatin, und sie hat diese Funktion übernommen, obwohl es total exotisch war und egal, wie und ob jemand eine Meinung dazu hatte.
Ich habe heute aber noch einen zweiten Namen für Sie mitgebracht. Er lautet Ines. Ines ist ein topaktueller Name. Ines ist Bürgermeisterin einer Stadt im schönen Salzkammergut, die momentan mit 23 teilnehmenden Orten die Kulturhauptstadt 2024 ist; die, die sich dafür mit eingesetzt hat, dass eine ganze Region Blickpunkt und Fokus der Kultur werden darf und kann; die gleiche, die sich einen Tag nach dem – wir haben es alle verfolgt – Pudertanz, der durch die Medien geisterte, mit Hasstiraden, Hasspostings, angriffigen und untergriffigen Nachrichten, Botschaften, die sie in ihrer Arbeit demoralisiert haben, und vor allem auch mit Angriffen auf ihre Kinder in der Schule konfrontiert sah.
Ich habe sie letzte Woche getroffen. Da hat sie mir auf ihrem Handy gezeigt, was und womit sie momentan zu kämpfen hat: Es war ein Flyer – wir sagen Postwurf –, darauf stand in großen Lettern zu lesen, mit einem Bild der Bürgermeisterin, an 4 000 Haushalte versendet, in 23 Gemeinden verteilt, oben drauf ihr Bild und daneben: Ines, du Dreckshure!
Ich frage mich und warte ganz ehrlich darauf, wann an dieser Stelle Frauen aller politischen Richtungen, aller Funktionen, aller Vereinsfunktionen und vor allem auch Männer – das ist mein wichtigster Appell – zu diesem Zeitpunkt aufstehen und mit ihr, egal welcher Partei sie angehört, den Schulterschluss bilden. (Beifall.)
Wir sprechen nämlich von Vorbildern, von weiblichen Vorbildern, die wir alle brauchen, die meine Tochter braucht. Die ist eben zehn; sie hat zu mir gesagt: Bundesratspräsidentin, ist das eine ganz normale Frau, wo du heute hinfährst? – Ich habe gesagt: Das ist eine ganz normale Frau, die aber ganz besondere Talente hat und ein bisschen eine dickere Haut haben musste als viele andere, damit sie dort angekommen ist, wo sie heute ist. – Wenn wir für diese jungen Mädchen und Frauen Vorbilder schaffen wollen, dann müssen wir auch die Bilder verändern, die Frauen in der Öffentlichkeit angeheftet werden. Und wenn eine Bürgermeisterin verfolgt wird, weil sie sich kulturell engagiert und letztendlich, das möchte ich sagen, diesen Pudertanz nicht zu verantworten hat, dennoch aber ihn kultur- und weltoffen zugelassen hat, um uns Perspektiven zu geben und vielleicht einen anderen Blick auf die Welt zu erlauben, dann ist es nicht richtig, wenn wir zuschauen, wenn sie verfolgt wird.
Dann ist es auch nicht richtig, wenn wir nicht die Position definieren, dass jede Bürgermeisterin in ganz Österreich, jede Funktionärin, egal ob Bundesrätin, Landtagsabgeordnete, Politikerin, egal welcher Farbe oder Herkunft, egal welcher politischen Orientierung, egal welche Wurzeln sie wo auch immer hat, verfolgt wird oder mit Hass konfrontiert wird. Da müssen wir Frauen Schulter an Schulter stehen, damit die jungen Mädchen, wie meine Tochter, sehen: Ja, da gibt es Frauen, die haben es manchmal schwer; aber legst du dich mit einer an, legst du dich mit uns allen an! (Beifall.)
Dann komme ich in meiner Funktion viel in ganz Österreich herum, zu ganz vielen Frauen, die mir spätestens nach so einer Keynote wie heute ihre Geschichten erzählen, und dafür bin ich unfassbar dankbar, da genau das mir als Journalistin den Blick auf die echten Frauenthemen gibt.
Da habe ich Maria getroffen, sie ist in einem Gemeinderat in Vorarlberg. Sie hat mir gesagt, sie ist dort ganz frisch, sie weiß eigentlich noch gar nicht, wie das genau funktioniert. Es gab aber einmal eine Frau, die hat zu ihr gesagt: Wenn du gefragt wirst, dann sage Ja – und sie hat Ja gesagt. Dann war sie im Gemeinderat, und nach ein paar Sitzungen hat sie zum ersten Mal gewagt, eine Wortmeldung zu spenden. Es hat ewig gedauert, bis sie drangekommen ist, und als sie drangekommen ist, hat ein männlicher Kollege gesagt: Muss das jetzt noch sein? Wir wollten eigentlich schon ins Wirtshaus gehen! Und: Musst du nicht eigentlich nach Hause?
Das passiert 2023, das passiert 2024, und wenn wir in unseren Ballungsräumen, wo wir zu Hause sind, das nicht als Realität wahrnehmen, dass das vielleicht in ländlichen Regionen oder auch noch in vielen anderen Regionen Österreichs passiert, dann kann ich damit überhaupt nicht d’accord gehen, dass es Menschen gibt, die uns zum Weltfrauentag beglückwünschen und nicht sagen: Wir haben noch viel zu tun – wann packen wir gemeinsam an?
Es gibt darüber hinaus eine Elisabeth. Elisabeth hat mir erzählt, dass es in ihrer Gemeinde ganz klar Usus ist: Die Frauen lassen wir nicht in den Gemeinderat; wenn wir die da auch noch hineinlassen, dann haben wir sie überall. Elisabeth ist total motiviert, Gemeinderätin zu werden. Ich sage Ihnen etwas: Es ist total wichtig, dass Elisabeth Gemeinderätin wird, egal ob für Rot, Blau, Grün und welche politischen Farben auch immer existieren! Elisabeth muss gesehen werden, damit die Tochter von Elisabeth, die Nichte von Elisabeth, eine Schülerin, wer auch immer, sieht, dass Elisabeth im Gemeinderat ist, so wie ich damals verstanden habe, dass Melitta Vizebürgermeisterin ist.
Ich war kürzlich im Tiroler Wipptal und durfte dort vor 400 wunderbaren starken Frauen aus der Landwirtschaft sprechen. Kurz vor mir ist ein Bürgermeister – übrigens gibt es dort nur Bürgermeister und nur Vizebürgermeister, keine Frauen, wir haben auch dort noch viel zu tun – auf die Bühne gegangen und hat gesagt, er halte es für ganz wichtig, dass wir nach wie vor auch für all jene Frauen die Fahnen hochhalten, die zu Hause sind, sich um Haushalt und die Kinder kümmern, hinter ihren Männern stehen und ihnen den Rücken freihalten.
Ich habe mich bedankt, denn selten habe ich eine Vorlage unmittelbar vor meiner Keynote so deutlich bekommen, und habe ihn daran erinnert, dass da, wo ich herkomme, Mann und Frau nebeneinander und auf Augenhöhe miteinander sprechen, und dass es dort, so erzählt man sich, sogar schon vorkommt, dass Männer ihren Frauen den Rücken freihalten. Er hat den Rest des Abends nicht mehr allzu viel mit mir gesprochen.
Ich habe mich natürlich auch immer wieder damit auseinandergesetzt, wie viele Männer, wie viele Frauen es in Bürgermeisterpositionen gibt. Und ja, auch ich weiß, dass es mehr Josefs gab als es Frauen gab; dass der häufigste weibliche Bürgermeisterinnenname - - Wissen Sie, welcher das ist? – Josef ist männlich, da brauchen wir noch ein bisschen hin, bis Josef ein Frauenname wird. – Der häufigste weibliche Bürgermeisterinnenname soll anscheinend Elisabeth sein, das heißt, sollten Sie einmal Ihre Tochter in diese Richtung bewegen wollen, kann ich Ihnen das als Taufname sehr empfehlen.
Tatsache ist: Seit 2023, es soll im Mai gewesen sein, gibt es in Österreich – auf Platz zwei nach Josef, wie könnte es anders sein, kommt Franz – anscheinend mehr Frauen als Bürgermeisterinnen als – was ist die Mehrzahl von Franz, Franzens? – Franzens als Bürgermeister. Das ist ein kleiner Schritt. Das ist vielleicht kein großer, aber es ist ein wesentlicher, damit sich auch auf dieser Ebene etwas tut.
Heute früh habe ich wie immer Social Media aufgemacht – ich bin sehr aktiv, als Journalistin gehört das einfach zu unserem Geschäft –, und ein Landeshauptmannstellvertreter aus einem Bundesland – Sie dürfen es dann selbst recherchieren – hat ein Posting zu seiner Bürgermeisterin gemacht: unsere Bürgermeisterin!, und er möchte sie heute hervorheben. Darauf war ein Foto von einer Bürgermeisterin auf ihrem Regentinnentisch in ihrem Gemeindeamt zu sehen, am Schoß ein kleines Kind, und in der Beschreibung stand neben „unsere Bürgermeisterin“: Jungmama; sie ist wunderbar, wie sie Kinder, Beruf, Amt und Familie unter einen Hut bringt.
Mein Lieblingswort war auch dabei: Powerfrau. Kennen Sie das? Im Journalismus sprechen wir ja von einem weißen Schimmel, sprich, wenn wir junge Journalistinnen und Journalisten in der Arbeit heranführen, dann erklären wir ihnen immer, dass es einen weißen Schimmel nicht gibt – der Schimmel ist ohnehin weiß. Und damit wiederhole ich das Wort noch einmal: Powerfrau. (Beifall.)
All diese Begrifflichkeiten kamen da drinnen vor, und ich habe mich gefragt, frei nach Mari Lang, die den wunderbaren Podcast „Frauenfragen“ betreibt: Wann haben wir – und Sie dürfen jetzt gerne die Hände mit mir heben - - Wer von Ihnen hat schon einmal ein Posting gesehen, wo eine Frau über einen Mann gepostet hat: dieser Powermann, unser Bürgermeister, großartig, wie er Amt, Karriere und Kind unter einen Hut bringt, gespickt mit einem Foto des Bürgermeisters und am Schoß das kleine Kind. Die Hände jetzt hoch! – Vielen Dank für Ihre Mitarbeit. (Beifall.)
Das heißt: Wenn wir Bilder nach draußen geben, egal ob wir Männer sind oder Frauen, egal ob wir Politiker:innen, Journalist:innen, was auch immer sind, dann sollten wir uns bei jedem Bild, das wir deklarieren, klar überlegen, mit welchen Worten wir es nach draußen geben. Wenn wir noch immer mit berührender Faszination sagen: Wir haben sogar eine weibliche Bundesratspräsidentin, dann wird es immer exotisch bleiben.
Wir haben eine Bundesratspräsidentin. Und warum? – Weil wir können. Wir haben Frauen als Bürgermeisterinnen. Und warum? – Weil wir können. Wir bilden 50 Prozent der Gesellschaft in Österreich ab. Wie komisch wäre es, wenn wir in all diesen wichtigen Ämtern und Gremien nicht vertreten wären? Wir müssten mit derselben Entrüstung, mit der wir manchmal Frauen in wichtigen Rollen begrüßen oder erwähnen, sagen: Und wir haben hier noch immer – herzlich willkommen! – leider einen Herrn Bürgermeister. – Ich verrate Ihnen oder ich glaube mit Ihnen gemeinsam, dass das Raunen, das durch diesen Saal ginge, laut und wenig wertschätzend wäre. Mit derselben Selbstverständlichkeit tun wir es aber bei allen Frauen.
Dass eine Österreicherin in der ESA ist und erste Astronautin sein wird, das ist ein riesengroßer Hype. Das ist noch längst keine Selbstverständlichkeit. – Das ist eigentlich der wichtigste Faktor, den wir betrachten müssen.
Was für mich einfach spannend ist, ist, dass meine Tochter, sie ist zehn, und mein Sohn, der ist 16, und das halte ich für noch weitaus wichtiger, solche Frauen wahrnehmen in einer Selbstverständlichkeit, die so natürlich ist, dass sie, wenn es anders sein würde oder wenn es irgendwann wieder anders wird, eher entrüstet darüber wären, dass sich dieses Bild wandelt und Frauen nicht im gleichen Maße vorhanden, vertreten und sichtbar sind.
Und ja, ich weiß, wenn wir diese Beispiele hören von Melitta, die ja leicht arbeiten hatte als Vizebürgermeisterin, weil sie zu Hause keine Arbeit hatte, oder Ines, die diese Anfeindungen gerade erleben muss, dann ist es manchmal ganz schön schwer, sich selbst zu überzeugen und zu sagen: Ja, ich mache das! Ja, ich gebe mich her für diese Rolle! Ja, ich tue es, obwohl ich weiß, dass ich Gegenwind bekomme! – Genau in diesem Moment aber ist es wichtig, diesen Frauen, die in diesen Rollen stehen, tagtäglich Mut zuzusprechen.
Wie oft ertappen ausgerechnet wir Frauen uns dabei, dass wir andere Frauen bewerten: Jetzt hat die Frau Ministerin ein Kind. Ob sie dann schon noch Zeit hat, ihrer Arbeit nachzugehen? – Jetzt hat diese Chefredakteurin zwei kleine Kinder, die werden ständig krank sein. Wird sie schon da sein? – Diese junge Frau, die diese Position gerne möchte, wird bald Kinder bekommen. Wollen wir sie einstellen? Die wird dann wahrscheinlich bald in Karenz gehen.
Diese Überlegungen existieren in Österreich. Diese Gedanken existieren in Österreich. Ja, diese Sätze werden noch immer ausgesprochen. In diesem Gremium und in diesem Rahmen als Frau, besonders weil heute auch viele Männer da sind und uns zuhören, dann aufzustehen und zu sagen: Was wir hier gerade formulieren, ist falsch, ist inhaltlich nicht richtig, das müssen wir überdenken, und unsere Formeln und Phrasen stimmen nicht mehr!, diesen Mut gilt es aufzubringen, wenn wir heute von Mutmacherinnen sprechen, den brauchen wir an jedem Tag, in den kleinsten Situationen und in den kleinsten Einheiten unseres Alltags, denn nur dann bekommen Mädchen wie meine Tochter im privaten Rahmen, im größeren Rahmen auf öffentlichen Bühnen mit, dass man so über Frauen nicht spricht, dass es selbstverständlich ist, dass Frauen in diesen Rollen sind, und dass es ganz einerlei ist, ob eine Frau ein Kind, zwei Kinder, fünf Kinder, sieben Kinder oder – und das betone ich mit Rufzeichen – kein Kind hat, denn es macht nicht weiblicher oder weniger weiblich, wenn man ein Kind hat oder keines. (Beifall.)
Und wenn ich Ihnen heute neben einem ganz wichtigen Satz, der mich in meiner Arbeit begleitet, der ein Leitsatz für mich ist – er stammt von Simone de Beauvoir und er lautet in meinen eigenen Worten: Ich fühle mich mit allen Frauen verbunden, die dafür gehen und kämpfen, dass ihr Leben gut wird!; wenn ich Ihnen den an die Hand geben darf, dann habe ich eines heute schon erreicht und kann für mich das innerliche Hakerl machen –, noch einen zweiten mitgeben darf, dann ist es der: Bestärken Sie alle Frauen rund um sich, egal was sie machen, dass sie es richtig machen, dass sie es gut machen werden und dass sie genau die Richtige für diese Rolle und für diese Position sein werden. Das ist es nämlich manchmal, was wir Frauen brauchen – dann können wir ja eh –, wir brauchen manchmal diesen einen kleinen Schubs, diese eine kleine Energie. Und wir brauchen auch diese Männer, denen wir zusprechen und sagen: Du hast eine Frau in dieses Gremium geholt, ich gratuliere dir, du bist ein Vorbild für Männer!, denn wenn einer ein Vorbild sein kann, dann kann es auch ein zweiter sein.
Sie haben den Titel meines Vortrags wahrscheinlich gelesen, der etwas mit Licht zu tun hat. Wenn dieser Raum jetzt hier völlig abgedunkelt werden würde und die erste Frau, vielleicht beginnend bei unserer heutigen Gastgeberin, würde ihr Licht entzünden – nehmen wir an, es ist eine Kerze, oder sagen wir es ganz modern: es ist das Handylicht –, und dann entzündet eine zweite ihr Licht und eine dritte ihr Licht, dann würde dieser Raum ganz ohne diese wunderbaren Luster plötzlich hell werden.
So ähnlich ist es auch, wenn wir in Gesellschaft sind, in Organisationen, in Gemeinden, in Gremien, bei der Feuerwehr, beim Bundesheer, im Musikverein oder sonst irgendwo: Wenn wir Frauen, eine um die andere, unser Licht entzünden, dann geben wir miteinander österreichweit einen ganz schön großen Scheinwerfer ab.
Dass wir dieses Licht in uns selber finden, in anderen entzünden können und gemeinsam leuchten, das wünsche ich Ihnen, das wünsche ich uns, und ich gebe Ihnen mein persönliches Feuer heute mit. Entscheiden Sie, wem Sie es nach dem heutigen Tag weitergeben! – Vielen Dank. (Beifall.)
Corinna Milborn: Vielen, vielen Dank, Sabine Kronberger. Herzlichen Dank für diese motivierende Ansprache!
Wir hören jetzt Musik. Ich darf Sie auf die Bühne bitten. Anna Keller am Saxophon, Magdalena Plattner am Piano und Melinda Franzke am Kontrabass spielen „Hymn to Freedom“, also eine Hymne an die Freiheit, von Oscar Peterson.
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(Es folgt ein Musikstück.)
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(Beifall.)
Corinna Milborn: Vielen, vielen Dank. Ich freue mich schon sehr auf das zweite Stück – ein zweites werden wir später noch hören.
Podiumsdiskussion - Mutig. Engagiert. Nachhaltig: Gemeinsam Zukunft gestalten
Corinna Milborn: Wir starten jetzt mit der ersten Podiumsdiskussion. Ich bitte auf die Bühne: Lana Ganselmayer vom Innenministerium, Referatsleiterin für Recruiting – herzlich willkommen!; ich glaube, hier ist Ihr Platz (Beifall) –, Monika Haberl, Kommandantin der Freiwilligen Feuerwehr Trieben Werk, Kommandantin auch des Katastrophenhilfsdienstes – herzlich willkommen! (Beifall) –, Ines Kainz, Obfrau des Musikereins in Vitis – Sie sind bei mir, Frau Kainz (Beifall) – und die Karateka Bettina Plank. (Beifall.)
Frau Haberl, ich möchte mit Ihnen beginnen und mit einer Anekdote aus einem Kindergarten: Ein Mädchen hat auf die Frage: Was wollt ihr werden?, gesagt: Ich will Feuerwehrmann werden!, mit großer Überzeugung, woraufhin sie vier, fünf Buben lautstark ausgelacht haben und gesagt haben: Das kannst du nicht, du bist ein Mädchen, das heißt doch Feuerwehrmann! – Diesem Mädchen werde ich heute ein Foto von Ihnen mitbringen. Wie haben Sie das geschafft, in solch einer Männerdomäne zur Kommandantin zu werden und so ein Vorbild für sicher ganz, ganz viele Mädchen da draußen zu werden?
Monika Haberl (Kommandantin der Freiwilligen Feuerwehr Trieben Werk, Stmk, Kommandantin des Katastrophenhilfsdienstes des Bereichsfeuerwehrverbandes Liezen): Also vorweg kann ich gleich sagen: Auch jedes Mädchen und jede Frau kann Feuerwehrmann werden. – Ich sage das jetzt nur ganz vorsichtig. Ich persönlich bin kein Fan des Genderns, denn Gendern verändert nichts, und der Begriff Feuerwehrmann ist für mich nicht geschlechtsspezifisch. (Beifall.)
Tatsache ist jedoch, dass wir auch jetzt, im Jahr 2024, noch immer daran arbeiten müssen, dass wir Vorurteile gegenüber Frauen und Mädchen einfach nicht mehr haben und es Ausgrenzungen von ihnen nicht mehr gibt. Wenn ich zum Beispiel jetzt in meiner Funktion als Kommandantin, wenn man mich sieht, dazu beitragen kann, dass der Weg für andere Mädchen und Frauen, die etwas nicht Frauentypisches machen wollen, erleichtert werden kann, dann übernehme ich auch gerne die Rolle im Sinn der Vorbildwirkung.
Mein Weg zur Feuerwehr war auch ein ganz spezieller. Ich meine, ich bin mit der Feuerwehr groß geworden – nicht selbst bei der Feuerwehr, sondern einfach durch meinen Vater, der selbst 30 Jahre lang Kommandant einer Feuerwehr war, und daher war es für mich immer ein eindeutiges Nichtziel, diese Führungsposition zu übernehmen. Es war nie mein Ziel, Kommandantin zu werden – aber aus dem Grund, weil ich einfach die Herausforderungen und die Aufgaben, denen er immer gegenübergestanden ist, kennengelernt habe und miterlebt habe. Als es dann in unserer Feuerwehr zum Kommandantenwechsel gekommen ist, war ich sehr überrascht, dass die Mannschaft, die in meiner Feuerwehr rein aus Männern besteht, mich vorgeschlagen hat, mich als Nachfolge vorgeschlagen hat.
Corinna Milborn: Wissen Sie, warum das so war?
Monika Haberl: Weil sie mich nicht als Frau gesehen haben, sondern sie haben einfach mein Können und mein Engagement wahrgenommen und sie haben gewusst, ich bin für diese Funktion geeignet, ich weiß, wie es funktioniert – und sie stärken mir den Rücken. Das tun sie jetzt inzwischen schon seit fast zehn Jahren für mich als Kommandantin, und ich bin inzwischen wiedergewählt worden. Es hat sich also ihre Entscheidung wieder bestätigt, und demnach denke ich, es funktioniert einfach, es läuft.
Corinna Milborn: Offensichtlich, ja, besonders nach der Wiederwahl. Das ist wirklich toll.
Ich habe mir in Vorbereitung auf heute viele Fotos von Ihnen angeschaut, und Sie sind auf jedem Foto mit nur Männern drauf. Ich habe auf keinem Foto eine zweite Frau gesehen. Fällt Ihnen das auf, oder blenden Sie das aus?
Monika Haberl: Also das stimmt schon: In den Kreisen, wo man nachher noch unterwegs ist, vor allem wenn man in Uniform, also in Führungsveranstaltungen oder so unterwegs ist, da gibt es nur wenige Frauen. Daher sind natürlich viele Männer um uns herum. Für mich persönlich ist das jetzt nicht unbedingt etwas Außergewöhnliches. Ich habe ein technisches Studium gemacht, wo der Frauenanteil damals auch schon bei etwas unter 10 Prozent lag, und ich sehe das auch heutzutage bei Veranstaltungen eher so: Ich sehe mich nicht als eine einzige Frau oder eine von wenigen Frauen, sondern ich sehe mich als eine Person mit anderen Personen, die dieselben Interessen vertreten und dieselbe Überzeugung teilen: einfach Menschen in Not helfen zu wollen.
Corinna Milborn: Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? Haben Sie schon Mädchen inspiriert, junge Frauen inspiriert?
Monika Haberl: Ich befürchte, dass mir persönlich das jetzt schon gelungen ist. Ich meine, meine Tochter wird eine starke Frau werden, davon gehe ich aus. Feuerwehr interessiert sie zwar nicht, aber sie wird ihren eigenen Weg einschlagen. Sie ist jetzt erst fünf, also sie hat noch Zeit. Allerdings geht der Trend im Feuerwehrwesen schon dazu, dass mehr Mädchen nachrücken. Im Aktivstand sind wir um die 10 Prozent aktive Frauen, aber gerade bei der Feuerwehrjugend sind wir jetzt schon bei 30 Prozent, was ja ein Trend ist, der immer stärker wird, und es kommen auch viele Frauen als Quereinsteigerinnen dazu. Ich kann nur sagen: Sowohl Männer als auch Frauen haben ihre Stärken, haben ihre Schwächen. Es gilt, aus jedem das Bestmögliche herauszuholen, und da ist das Geschlecht komplett irrelevant.
Corinna Milborn: Herzlichen Dank. (Beifall.) – Applaus für Sie, genau!
Frau Ganselmayer, Sie sind im Innenministerium zuständig für das Recruiting. Das heißt, Sie sprechen Personen an, die Polizist oder Polizistin werden wollen. Sie holen die rein, Sie suchen die aus. Wie viele Frauen und Männer bewerben sich denn am Anfang bei Ihnen, und wie viele kommen dann durch?
Lana Ganselmayer (Referatsleiterin im BMI für Neuaufnahmen und Recruiting): Also zunächst möchte ich heute allen Frauen einen wundervollen Frauentag wünschen, und ich hoffe, dass jede diesen Tag besonders genießt und nicht nur diesen heutigen Tag, sondern jeden Tag als besonders ansieht. – Danke, dafür. (Beifall.)
Also bei uns, bei der Polizei ist es mir schon wichtig, zu sagen: Sowohl Frauen als auch Männer sind von Relevanz. Das heißt, wir machen keine Unterscheidung im Bereich des Geschlechts. Es ist ein Beruf – eine Berufung, würde ich gerne sagen –, eine Berufung, die man gerne ausübt, unabhängig vom Geschlecht.
Wir merken sehr wohl, dass sich im Bereich der Statistik zeigt, dass unser Frauenanteil immer höher und höher wird. Gerade bei den Bewerbungseingängen haben wir derzeit eine Frauenquote von 35 Prozent. Im Bereich der Grundausbildung, also Polizeischüler und -schülerinnen, befinden wir uns derzeit bei 38 Prozent.
Wir hatten heute auch im Bundesministerium für Inneres einen sehr spannenden Vormittag, den der Herr Bundesminister für Inneres eröffnet hat, zum Weltfrauentag. Da hat er auch erwähnt, dass wir zuletzt in Niederösterreich eine Ausmusterung hatten, bei der wir das erste Mal mehr Frauen ausgemustert haben als Männer. Und das zu hören ist natürlich schön, dass die Frauen auch den Weg zu uns finden, dass man nicht in diesem Irrglauben ist, es ist eine Männerdomäne. Nein, wir Frauen sind hier auch vertreten, und uns geht es sehr gut!
Corinna Milborn: Sehr schön! – Jetzt ist es ja noch nicht so lange her, dass Frauen Polizistinnen geworden sind – die Älteren unter uns erinnern sich noch daran, dass es das nicht gegeben hat, dass das eingeführt wurde. Wie ist denn das jetzt? Spürt man das als Frau intern noch? Und spürt man es extern, wenn man auf der Straße unterwegs ist – was Sie jetzt nicht sind, aber Sie kennen ja die Erfahrungen der Kolleginnen?
Lana Ganselmayer: Ich war auch draußen auf der Straße. Das heißt, ich kann sehr wohl aus meinem Erfahrungsschatz sprechen. Ich habe nie eine negative Begegnung erlebt in der Hinsicht, dass nur deshalb ein Unterschied gemacht wurde, weil ich eine Frau bin. Gerade bei der Polizei steht für uns der Teamgedanke an oberster Stelle, und da zählt der Mensch und nicht das Geschlecht. Und das ist schon, was uns in dieser Hinsicht so besonders macht und ausmacht: dass wir gemeinsam für eine Sache, für die Rechtsstaatlichkeit, kämpfen, und das ist unser Ziel – das heißt: unabhängig vom Geschlecht. Ich kann auch von meiner persönlichen Einschätzung her wirklich davon sprechen, dass ich nie das Gefühl hatte, du bist jetzt eine Frau und du bist in einem Männerberuf, du kannst es nicht machen. Nein, das kann ich überhaupt nicht bestätigen.
Corinna Milborn: Das ist wirklich schön zu hören – und nicht so verbreitet, ehrlich gesagt. Das ist also wirklich gut zu hören.
Sie selbst sind ja 1982 in Sarajevo geboren und sind dann mit zehn, glaube ich, vor dem Krieg nach Österreich geflohen. Hat Sie diese Erfahrung geprägt – in Bezug auf Ihren Beruf jetzt? Was haben Sie aus dieser Biografie, auch aus der Mehrsprachigkeit, die das mit sich bringt, mitgenommen?
Lana Ganselmayer: Natürlich geprägt: Mit zehn Jahren ist man noch nicht erwachsen, aber man bekommt doch sehr viel mit. Und gerade in so einer schwierigen Situation, das kann ich schon sagen, wurde ich auch mit zehn Jahren sehr schnell erwachsen.
Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist die Dankbarkeit: in erster Linie die Dankbarkeit meiner Mutter gegenüber, die es alleine geschafft hat, zwei Kindern, die auf der Straße standen, die Möglichkeit zu geben, sich in einem fremden Land zu integrieren und, wie man sieht, doch Karriere zu machen, und natürlich auch Dankbarkeit dem Staat Österreich gegenüber dafür, uns auch diese Möglichkeit geboten zu haben, uns zu integrieren, und uns auch als Ausländern die Möglichkeit geboten zu haben: Jeder kann seinen Weg gehen, egal welches Geschlecht, egal welcher Herkunft. Wenn man möchte und wenn man seine Ziele verfolgt, wird man auch seinen Weg gehen. (Beifall.)
Corinna Milborn: Ein sehr verdienter Zwischenapplaus!
Glauben Sie, dass Sie mehr kämpfen mussten als andere, als zum Beispiel – weil wir zuerst bei den Josefs bei den Bürgermeistern waren – ein Josef aus Österreich?
Lana Ganselmayer: Kämpfen, ja, ist sicher ein Punkt von mir. Ich weiß aber nicht, ob das jetzt auch bei diesem Thema mit dem Geschlecht zusammenhängt. Es ist für mich eine persönliche Einstellung, und wenn man ehrgeizig ist, kämpft man für sein Ziel, und da tut man, was einem wichtig ist. Aufgrund von meiner Vergangenheit glaube ich schon: Natürlich muss man sich vermehrt beweisen.
Ein Beispiel vielleicht aus meiner Vergangenheit: In der vierten Klasse Volksschule war die erste Frage, die ich gestellt bekommen habe: Weißt du, was eine Schokolade ist? Weißt du, was ein Fernseher ist? – Natürlich ist das in dem Moment gerade als zehnjähriges Kind auch sehr erschütternd, und das prägt einen in einer gewissen Art und Weise, aber ich versuche, auch bei diesen negativen Punkten immer das Positive zu sehen, und versuche, mir zu denken: Danke, dass ihr mir das gezeigt habt, denn so möchte ich nicht werden! Mir ist wichtig, diese Gemeinschaft, diese Liebe auch nach außen zu tragen und jedem Menschen, wenn er etwas möchte, wenn er für etwas kämpft, diese Möglichkeiten auch zu geben und Optionen zu bieten.
Genau das ist das, was mir auch in meiner Tätigkeit sehr wichtig ist, was ich auch in meiner Arbeitsumwelt lebe: Ich fördere auch Frauen. Also ich sehe das Positive in den Frauen. Ich sehe sie nicht als Konkurrenz, im Gegenteil, ich bin froh, wenn jemand besser, klüger ist als ich, denn nur gemeinsam sind wir stark und können gemeinsam unsere Ziele erreichen.
Corinna Milborn: Ein sehr, sehr wichtiger Punkt an so einem Tag! – Herzlichen Dank. (Beifall.)
Frau Kainz, Sie sind Obfrau eines Musikvereins, und zwar eines sehr aktiven und sehr großen – ich glaube, Sie haben fast 80 Musiker und Musikerinnen. Können Sie kurz beschreiben, was Sie als Obfrau machen und was Ihr Verein macht?
Ines Kainz (Obfrau Musikverein Vitis): Genau. Also ich bin Obfrau des Musikvereins Vitis im Waldviertel. Unser Musikverein hat gerade 78 aktive Mitglieder, und wir starten in das neue Jahr immer mit einer sehr intensiven Probephase, da wir Anfang April immer unsere beiden Frühjahrskonzerte haben, Ende April dann die Konzertmusikbewertung, wo wir vor einer fachkundigen Jury ein Pflichtstück und ein Selbstwahlstück spielen. Dann geht es auch schon wieder weiter mit Proben für Feuerwehrfeste, Dämmerschoppen, Frühschoppen, alles, was so in unserer Terminliste Platz findet.
Im Sommer beginnen wir dann im Freien zu marschieren. Wir üben da Kürfiguren ein für die Marschmusikbewertung, die im September stattfindet. Heuer treten wir sogar zweimal an, einmal in der BAG Gmünd im Mai und einmal in unserer BAG Horn-Waidhofen im September. Zu Ende des Jahres spielen wir dann in kleinen Gruppen beim Kammermusikwettbewerb – Duette, Trios, Quartette –, auch vor einer fachkundigen Jury.
Zwischendurch spielen wir natürlich aber auch zu allen kirchlichen Anlässen in der Gemeinde, auch bei Begräbnissen natürlich – die immer wieder spontan anfallen zwischen unserem vollen Terminplan, aber dafür muss natürlich auch noch Zeit sein –, und zwischendurch gibt es dann auch noch unsere eigenen Veranstaltungen, angefangen von Heurigen, heuer sogar mit dem Weisenblasen der BAG bei uns in Vitis, bis hin zu Vollmondwanderungen. Letztes Jahr haben wir unser 75-jähriges Bestandsjubiläum gefeiert, da haben wir ein dreitägiges Bezirksblasmusikfest bei uns in Vitis veranstaltet – und ja, so geht es dann durch.
Corinna Milborn: Unglaublich aktiv, Wahnsinn!
Ines Kainz: Ja, circa 120 Einsätze im Jahr, also mindestens zwei pro Woche – manchmal ist es nur einer, manchmal sind es aber dann auch drei oder vier.
Corinna Milborn: Großartig, gratuliere! (Beifall.)
Jetzt ist ehrenamtliche Arbeit in den Gemeinden sehr oft Frauensache. Sehr viele Frauen engagieren sich ehrenamtlich. Wenn es aber um die Posten, um die Obmannsposten geht, dann sind es doch oft die Männer. Gerade bei den Musikvereinen, bei den Kapellmeistern sind es am Land sehr, sehr oft noch die Männer. Sie haben dieses Schema durchbrochen. Wie haben Sie das gemacht? Warum sind Sie es geworden?
Ines Kainz: Also ich habe in Vitis die Obfrauschaft zum ersten Mal eben als Frau übernommen. Ich muss dazusagen, dass meine Vorgänger aber jahrelang sehr gute Arbeit geleistet haben und wir deshalb auch sehr wenige Wechsel hatten, und bei uns hat sich das einfach so ergeben. Ich habe 2020 den Obmannstellvertreter übernommen und habe so mit meinem Vorgänger sehr viel Teamarbeit geleistet, viel mitgeholfen. Es ist zwar die Coronapandemie dazwischengekommen – vielleicht für den Kapellmeister mehr zum Relaxen, doch für die Obfrau und für den Obmann nicht, denn wir hatten da sehr viel organisatorischen Aufwand mit all dem, was wir kontrollieren und checken mussten, und es war für uns nicht weniger Arbeit.
Wir haben voneinander profitiert, ich von seiner Erfahrung, er vielleicht von meinen jüngeren Arbeitsweisen, von meinen jugendlichen Ideen, und so hat sich dann herauskristallisiert, dass ich dann eben 2023 die Obfrau übernehmen werde. Ich bin es seit 2023, und dass ich eine Frau bin, stand bei uns im Musikverein eigentlich nie zur Debatte. Ich muss dazusagen, in unserem Musikverein haben wir einen Frauenanteil von 65 Prozent. (Beifall.)
Es sind auch sehr viele andere Frauen bei uns im Vorstand tätig. Bei uns ist eben auch das Wichtigste, dass die Qualität der Aufgaben passt, dass die Ergebnisse passen, dass wir Erfolg haben und dass alles nur in Gemeinschaft geschieht – denn ein ganzes Orchester klingt oft einfach viel besser als nur ein einziger Musiker. (Beifall.)
Corinna Milborn: Sehr schön!
Nun zu Bettina Plank: Frau Plank, Sie haben eine unglaublich erfolgreiche, auch schon sehr lange, seit vielen Jahren sehr erfolgreiche Sportkarriere. Sie haben eine Bronzemedaille in Tokio gewonnen. In Paris geht das jetzt nicht mehr, da ist Karate nicht mehr olympisch. In Tokio – ich erinnere mich daran, ich habe mir das angesehen – hatten Sie wirklich auch eine schwierige Ausgangssituation. Es ist wegen der Pandemie verschoben worden, Sie hatten schwerere Gegnerinnen, Sie haben den ersten Kampf verloren. Können Sie uns, bevor wir auf den Frauentag zu sprechen kommen, vielleicht ein bisschen etwas mitgeben von der mentalen Stärke, die man braucht, um sich da durchzukämpfen? Wie haben Sie das damals geschafft und die Medaille dann trotz dieser Umstände bekommen?
Bettina Plank (Olympia-Bronze Karate 2021, Gold bei den European Games 2023): Ich glaube, genau der Weg dorthin, also die Qualifikation zu den Olympischen Spielen, war natürlich geprägt von Höhen, aber mindestens genauso vielen Tiefen, und das hat etwas bewirkt mit meiner Haltung, mit meiner Einstellung und mit meinem Mindset.
Als Erstes habe ich einmal gemerkt, was es in mir ausgelöst hat, einfach nur die Qualifikation zu schaffen, dass ein unglaublicher Druck von mir abgefallen ist. Und dann hat, dass ich dort dabei sein durfte, eine andere Einstellung hervorgerufen, und zwar: Ich war stolz, dass ich dort auftreten durfte, beim größten Sportevent vor der ganzen Welt, und mein Ziel war nicht wirklich auf das Resultat gerichtet. Das klingt jetzt vielleicht verwunderlich, denn im Leistungssport geht es immer um Medaillen und Ergebnisse. Natürlich ist es ein Traum - -
Corinna Milborn: Aber sehr olympisch: Der olympische Gedanke „Dabei sein ist alles“ war sozusagen Ihrer.
Bettina Plank: Jein. Mein Ziel war, die beste Version von mir selber zu sein, unabhängig vom Resultat; dass ich, wenn ich am Ende des Tages von dieser Matte runtergehe, nicht sage: Hätte ich doch!, denn ich glaube, das ist das mieseste Gefühl, das man nachher haben kann, sondern dass man stolz ist, egal was am Ende rauskommt. – Und ja, das kann ich sagen. (Beifall.)
Corinna Milborn: Jetzt denken viele bei Kampf, bei Schlägen, bei Aggression eher an die Buben und an die Männer. Sie haben ja mit neun mit Karate begonnen. War das bei Ihnen jemals ein Thema?
Bettina Plank: Dass Kampfsport eher für Männer ist?
Corinna Milborn: Dass man gesagt hat, Sie sollen eher so die Prinzessinnenkleider tragen als treten?
Bettina Plank: Jein. Ich habe nicht unbedingt wahrgenommen, dass der Kampfsport jetzt unbedingt für Männer ist, das nicht. Was ich wahrgenommen habe, ist, dass vielleicht manche Menschen eher irritiert oder überrascht waren, wenn ich erzählt habe, dass ich Kampfsport und Karate mache, aber aufgrund der körperlichen Statur.
Corinna Milborn: Aha. Sie sind Gewichtsklasse unter 50 Kilo, oder?
Bettina Plank: Genau. Man hat ein Bild im Kopf, wie ein Kampfsportler oder eine Kampfsportlerin auszuschauen hat, und dem habe ich vielleicht widersprochen. Das habe ich aber eigentlich recht nett gefunden, dass ich dem widersprochen habe.
Corinna Milborn: Das heißt, dass Sie nicht die typisch weiblichen Eigenschaften, die man so von außen zugeschrieben bekommt, mitnehmen.
Im Bundesheer sind Sie als Leistungssportlerin angestellt. Insgesamt ist im Bundesheer das Frauenthema auch ein großes. Also das Bundesheer versucht, mehr Frauen reinzubringen – es sind nach wie vor noch sehr wenige. Wie erleben Sie denn das? Wahrscheinlich nicht in Ihrem Bereich bei den Sportler:innen, aber bei den anderen Verbänden: Wie erleben Sie denn diese Bemühungen?
Bettina Plank: Also ich bin beim Bundesheer als Heeresleistungssportlerin angestellt, und deshalb kann ich von diesem Bereich sprechen. Ich glaube, als Leistungssportlerinnen sind gute 30 Prozent angestellt. Es gibt eigentlich keine Unterscheidung, traue ich mich zu sagen.
Also die Aufnahme ins Bundesheer ist wirklich individuell von den jeweiligen Leistungen abhängig; je nach Leistungen kommt es dann auch zu einer Aufnahme oder nicht.
Corinna Milborn: Das ist ein tolles System für Sportlerinnen, dass man diese Anstellung hat, denn sonst ist es im Sport ein großes Thema, dass Frauen durch die Bank schlechter bezahlt sind als Männer, jetzt in allen großen Sportarten, wo man viel Geld verdient. Die Fußballerinnen haben niedrigere Einkommen als die Fußballer, die Tennisspielerinnen niedrigere als die Tennisspieler und so weiter. Das zieht sich durch. Jetzt gibt es ja immer mehr Frauenverbände, die sich dagegen wehren und das thematisieren. Was kann man denn Ihrer Meinung nach dagegen unternehmen?
Bettina Plank: Bevor ich die Frage beantworte: Was ich sagen kann: Beim Bundesheer gibt es da keine Unterscheidungen vom Gehalt. Klar, man kennt das Beispiel von den Fußballerinnen im Vergleich zu den Fußballern, aber da glaube ich, dass es ein Unterschied ist, was die Sportart im jeweiligen Land für einen Stellenwert hat.
Was man machen kann, wenn man auf das Thema gleiche Bezahlung im Sport eingeht: Meine persönliche Meinung ist, es geht einmal in erster Linie, wie so oft, um die Bewusstseinsbildung, in Sportorganisationen, aber genauso in der Öffentlichkeit, dass das Thema klar und offen angesprochen wird. Und ja, dass es den Menschen einfach bewusst ist, dass da Unterschiede existieren.
Und als Zweites, glaube ich - - Ich meine, es gibt wahrscheinlich viele Punkte, wo man etwas ändern kann und immer etwas arbeiten kann, aber einen Punkt, den ich noch erwähnen möchte, sind die Medien: wenn dort einfach Frauen mit ihren Geschichten präsentiert werden, wenn sie sichtbar sind. Ich kann mich nur an mich selber erinnern: Wenn ich als Kind, als Jugendliche eine Frau in welchem Bereich, wo immer gesehen habe, hat mich das anders berührt. Ich habe mich ihnen näher gefühlt. Klar, ich habe genauso männliche Vorbilder, aber mit einer Frau habe ich mich näher identifizieren können und es hat in mir etwas ausgelöst. Daran habe ich mich orientiert und das ist unglaublich wichtig.
Corinna Milborn: Das heißt, Repräsentanz hat tatsächlich Auswirkungen. (Beifall.)
Eine Frage an Sie alle. Sie haben jetzt alle sehr gelobt, wie es in Ihrem Bereich ausschaut, aber trotzdem kennen Sie auch, so wie wahrscheinlich alle Frauen, die hier im Raum sitzen, die Sprüche, die Bemerkungen, die kleinen unangenehmen Situationen, die man manchmal als Frauen erlebt, wenn man viele männliche Kollegen in männerdominierten Branchen hat. Haben Sie Taktiken, können Sie etwas mitgeben, wie Sie mit solchen Situationen umgehen?
Frau Ganselmayer, darf ich Sie einmal fragen?
Lana Ganselmayer: Also aus meinem Bereich: Es ist immer so: Wie man in den Wald hineinruft, so kommt es auch zurück. Das ist die Devise. Das heißt, wenn mir jemand auf so eine Art und Weise begegnet, entweder versuche ich, es zu ignorieren beziehungsweise aktiv anzusprechen, wenn es mir nicht gefällt. Ansonsten sehe ich es so: Immer ein wenig Schmäh auch in der Arbeit zu haben und gemeinsam mit den Kollegen auf eine lustige Art und Weise den Umgang zu pflegen erheitert den Job und es macht dann umso mehr Freude, in die Arbeit zu gehen.
Es kommt dann für mich immer auf die Art und Weise der Aussage an. Dementsprechend gilt es, selbst aktiv zu werden, wenn es nicht passt, und das einfach zu unterbinden. Dann muss man als Frau seine Frau stehen und das auch so sagen.
Corinna Milborn: Frau Haberl, haben Sie Tipps dafür?
Monika Haberl: Ja, wie es in der Keynote schon angesprochen worden ist: Man braucht definitiv eine dickere Haut. Bei mir war es speziell so: Ich war Quereinsteiger und Frau bei der Feuerwehr. Da habe ich sehr wohl oft zu hören bekommen: Frauen haben in der Feuerwehr nichts zu suchen, ich soll den Bereich den Männern lassen, denn das ist das Letzte, wo sie noch ohne die Frauen hingehen können. So Sachen waren schon, aber es ist mir eigentlich ganz gut gelungen, einfach durch mein Engagement und mein Können Akzeptanz zu erarbeiten. Ich kann nur sagen, bei mir hat das wirklich super funktioniert.
Die Kritiker sind dann immer weniger geworden. Die, die es noch gegeben hat, das war dann belanglos, sage ich schon. Inzwischen bin ich Kommandantin, bin ich Mitglied im Landesführungsstab der Steiermark, habe die Katastrophenhilfsdienstbereitschaft des Bereichsfeuerwehrverbandes Liezen mit 450 Mann und Frau über. Also es gibt Wege, man muss eigentlich nur seiner Überzeugung folgen. (Beifall.)
Corinna Milborn: Dicke Haut braucht man auf jeden Fall. Herzlichen Dank! Wollen Sie zu dem Thema noch etwas sagen? Zu den Sprüchen, die man so erlebt? Das ist ja auch im Sportlerbereich so. Ich kann mich erinnern, ich hatte vor Kurzem eine Kletterin bei mir, die das thematisiert und gesagt hat: Sie will nicht beim Klettern von unten gefilmt werden auf die Art, wie es in dem Fall im ORF bei der Übertragung gefilmt worden ist. Sie hat das einfach thematisiert, das habe ich sehr mutig gefunden. Haben Sie auch solche Erlebnisse? Wie gehen Sie damit um, wenn?
Bettina Plank: Ich muss zugeben, relativ wenig. Im Sport ist man schon in seiner eigenen Welt und da ist es quasi normal, dass genauso Frauen Kampfsport oder Karate betreiben wie Männer. Ich habe jetzt in Bezug auf das glücklicherweise keine negative Erfahrungen oder habe mir Sprüche anhören müssen.
Aber ein Tipp, glaube ich, wie ich damit umgehen würde: dass es einmal sehr stark auf die Person, auf das Setting ankommt, ob ich das als Schmäh, als Witz wahrnehme oder humorvoll annehmen würde, oder ob es wirklich notwendig ist, dass man dem widerspricht und sagt, die Aussage ist da fehl am Platz.
Corinna Milborn: Aber das machen Sie ja auch, wenn es passiert. Ist ja nicht immer so einfach.
Bettina Plank: Sowieso nicht. Ich glaube, Nein sagen oder wirklich standhaft dastehen gehört dazu, ist wichtig, dass man das tut. Aber ich traue mich, auch zu sagen, im Sport lernt man, selbstbewusst zu werden.
Corinna Milborn: Jetzt sind Sie alle in Positionen, die sehr lange männerdominiert waren und für sehr lange Zeit, wenn es so eine Übergangsgeneration gibt, gibt es dann Platz für eine Frau, nicht für mehr als eine Frau. Das führt natürlich zu viel Konkurrenz mit den Männern, die den Platz nicht hergeben wollen, aber auch unter den Frauen, diesen einen Platz zu bekommen. Das löst man, indem man mehr Frauen dorthin holt, so einfach ist es aber meistens nicht.
Was tun denn Sie zum Beispiel in Ihrer Position jeweils, um mehr Frauen auf Ihre Ebene, auf diese Führungsebenen zu holen? Was kann man da tun? Sie haben ja gesagt, bei Ihnen im Vorstand ist es eigentlich genau so.
Ines Kainz: Genau, wir haben schon viele Frauen bei uns im Vorstand tätig. Ja, ich glaube, das Wichtigste ist einfach die Kommunikation. Die Freude muss da sein, die Liebe zur Musik und dann einfach das Gemeinschaftsgefühl, dass man nie alleine ist und dass man das gemeinsam macht und gemeinsam schafft.
Corinna Milborn: Sie sind ja geradezu dafür zuständig im Recruitmentbereich. Was sind denn Ihre Taktiken, um mehr Frauen auch in Führungspositionen zu bekommen?
Lana Ganselmayer: Wir betreiben aktiv Veranstaltungen wie zum Beispiel einen Girls‘ Day, der übrigens am 25. April in Wien stattfinden wird. Wir haben sämtliche Frauenförderungsprogramme, wir haben Mentoringprogramme, also zusammen Exekutive und Verwaltung. Jetzt gibt es gerade auch in der Verwaltung ab April ein neues Referat, das genau diese Zuständigkeit übernimmt, für Frauen zuständig zu sein, Frauen zu fördern und deren Karrieren zu fördern.
Im Bereich der Exekutive ist es uns wichtig, zu sagen: Egal ob Frau oder Mann, du als Mensch zählst! Du musst die Anforderungen mitbringen, die wir für die Exekutive benötigen, egal welches Geschlecht du hast! Es ist so, dass wir sehr wohl auch – ich habe zum Beispiel dieses Prospekt in der Hand – Frauen explizit als Rolemodels heranziehen, um auch ihre Geschichten vorwärtszubringen, auch um den jungen Mädchen zu zeigen: Du brauchst keine Angst zu haben. Ja, der Beruf bringt Gefahren mit sich, natürlich, aber es ist trotzdem ein spannender, vielfältiger, abwechslungsreicher Beruf. Deshalb sprechen wir auch gern auf diese Art und Weise die jungen Mädchen an.
Corinna Milborn: Das sieht man auch sehr stark an den Fotos, die Sie verwenden. Es sind immer tolle junge Frauen mit am Foto. Ich habe jetzt schon lange keines mehr gesehen, auf dem nur ein Mann drauf ist. Das macht natürlich einen Unterschied, wenn man es sieht.
Wie ist das bei der Feuerwehr? Was können Sie tun, um Frauen auf diese Ebene zu holen?
Monika Haberl: Der Weg im Feuerwehrwesen ist schon geöffnet worden, kann ich definitiv sagen. Aber da der Frauenanteil eben noch nicht so hoch ist, wird sich das jetzt wahrscheinlich mit den nachkommenden Frauen, die noch kommen oder die jetzt begonnen haben, einfach entwickeln und dann wird es ganz normal sein. Ich kann auch sagen, wenn ich in den Runden, in den Arbeitskreisen oder wo auch immer bin, wo ich oft die einzige Frau bin, es macht keinen Unterschied. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es nachher noch Unterschiede gibt, ob jetzt eine weitere Frau nachrückt oder nicht. Leistung ist das, was es ausmacht.
Corinna Milborn: Dann würde ich Sie am Ende bitten, vielleicht den anwesenden Frauen, die ja in verschiedenen - - Sie sind ja alle in verschiedensten Ebenen tätig, Frauen, die etwas weiterbringen, die auch inspirieren. Was geben Sie den Leuten, den Frauen im Raum als Motivation mit? Ich meine, Sie sind jemand, Sie können sich wahnsinnig gut selbst motivieren, das merkt man an Ihrer Karriere. Was geben Sie uns denn mit?
Bettina Plank: Ich sage das auch immer wieder, wenn ich mit Kindern oder mit Jugendlichen spreche oder einen Vortrag halte: In erster Linie dürfen sie sich niemals einreden lassen, das geht nicht oder dieser Weg ist nichts für dich. Also: Do ine und do wieder usse. – Das Wichtigste ist, dass sie an sich glauben, dass das Herz bei der Sache ist, dass sie alles tun und mit Leidenschaft für das kämpfen, ihren Weg zu gehen, und nicht ein Nein annehmen.
Corinna Milborn (erheitert): Do ine, do aussi!, das ist ein sehr schöner Spruch zum Mitnehmen. – Herzlichen Dank. (Beifall.)
Frau Kainz.
Ines Kainz: Ja, also ich habe schon lang so ein Lebensmotto: Erfolg kommt dann, wenn man tut, was man liebt. Das beweist sich auch hier wieder, denn was man gerne macht, macht man auch gut, egal welches Geschlecht. (Beifall.)
Corinna Milborn: Frau Haberl.
Monika Haberl: Also meine Meinung ist immer: Wenn man etwas verbessern will oder verändern will, hängt das nicht mit dem Geschlecht zusammen. Es fängt für jeden Einzelnen von uns mit dem ersten Schritt an und das ist das Ausschlaggebende. (Beifall.)
Corinna Milborn: Vielen Dank.
Frau Ganselmayer.
Lana Ganselmayer: Ich denke, es ist ganz wichtig, das Selbstbewusstsein zu haben, die Stärke zu haben, die man in sich trägt, und die auch mutig nach außen zu tragen, auch wie der Titel der heutigen Veranstaltung lautet, Chancen zu ergreifen, Risiken einzugehen und einfach seine Frau zu stehen. Das sollte dann hoffentlich der richtige Weg sein.
Corinna Milborn: Sehr schön: seine Frau zu stehen! Dann danke ich Ihnen sehr, sehr herzlich! Applaus für dieses Podium. – Danke sehr. (Beifall.)
Dann darf ich Sie auf die Plätze bitten. Bevor wir zur zweiten Podiumsdiskussion mit den Bürgermeisterinnen und Politikerinnen kommen, hören wir noch einmal ein Musikstück: Das ist von Carla Bley „Lawns“. – Bitte sehr.
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(Es folgt ein Musikstück.)
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(Beifall.)
Corinna Milborn: Vielen, vielen Dank! Anna Keller am Saxophon, Magdalena Plattner am Piano und Melinda Franzke am Kontrabass. Herzlichen Dank für die Musik!
Podiumsdiskussion - Gleichstellung stärkt Demokratie und Gesellschaft
Corinna Milborn: Wir kommen damit zur zweiten Podiumsdiskussion und ich darf auf die Bühne bitten:
Annette Töpfl, die Bürgermeisterin von Vitis, ist von der ÖVP; Kerstin Suchan-Mayr, Bürgermeisterin von Sankt Valentin und Landtagsabgeordnete der SPÖ; und Ulrike Fischer, Vizebürgermeisterin von Sankt Andrä-Wördern und Nationalratsabgeordnete für die Grünen. Applaus für die drei! (Beifall.)
So ein motivierender Tag, oder? In so einem Raum mit so vielen Frauen zu sein, die so viel weiterbringen!
Ich würde Sie gerne zu Beginn fragen: Warum ist es überhaupt wichtig? Wir haben jetzt mehrmals gehört, es soll die Leistung zählen, es soll das zählen, was man tut und nicht welches Geschlecht man hat. So wünscht man es sich in einer idealen Welt. Warum, denken Sie, ist es aber trotzdem wichtig, darauf zu schauen, dass Frauen in der Politik, in der Lokalpolitik gleich repräsentiert sind wie Männer? Warum ist es nicht gut, dass es nur 10 Prozent Bürgermeisterinnen in Österreich gibt? Vielleicht wollen Sie anfangen!
Kerstin Suchan-Mayr (Abgeordnete zum Landtag von Niederösterreich, Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Sankt Valentin, SPÖ): Ganz einfach, weil wir über 50 Prozent in der Gesellschaft sind. Dann können nicht nur 10 Prozent in irgendwelchen Ämtern sein. Ich glaube, es müssen einfach alle, nicht nur Geschlechter, Interessen und so weiter abgebildet sein. Wir leben in einer Demokratie, deswegen braucht es einfach einen vielfältigen Zugang und dafür braucht es eben Personen aus allen Richtungen und vor allem Frauen, die sich hier auch engagieren.
Corinna Milborn: Frau Töpfl.
Anette Töpfl (Bürgermeisterin der Marktgemeinde Vitis, ÖVP): Wir sind die Hälfte der Menschheit und deswegen gehört auch uns die Hälfte der Entscheidungen, die wir zu tragen haben sollen, die Hälfte der Macht, würde ich einmal sagen, und auch die Hälfte des Geldes. Deswegen ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass wir repräsentativ sind sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene und natürlich in unseren Gemeinden, in unseren Kommunen.
Corinna Milborn: Also nicht die Hälfte des Kuchens, sondern die Hälfte des Backunternehmens quasi und der Gewinne davon.
Frau Fischer, was sagen Sie?
Ulrike Fischer (Abgeordnete zum Nationalrat, Vizebürgermeisterin der Marktgemeinde Sankt Andrä-Wördern, GRÜNE): Na ja, wenn wir in einer Gemeinde sind, dann ist es einmal wichtig, dass es den Kindern gut geht. Dann ist es wichtig, dass es den alten Menschen gut geht. Dann ist es wichtig, dass es ein gesundes Essen gibt. Dann ist es wichtig, dass es eine gute Vormittags-, Nachmittagsbetreuung gibt. Dann ist es einfach wichtig, dass der Zusammenhalt, die Gemeinschaft in einer Gemeinde funktioniert. Wie kann das gut funktionieren? – Wenn Männer und Frauen gleichermaßen abgebildet sind, im Budget und natürlich auch in der Gemeindevertretung abgebildet sind.
Wenn wir uns unsere Gemeinden anschauen, dann sehen wir einfach: Ja, es braucht mehr weibliche Bürgermeisterinnen, damit dieses Land, damit diese Gemeinden noch besser funktionieren und die wichtigen Themen in unserer Gesellschaft noch besser abgebildet sind. (Beifall.)
Corinna Milborn: Wie war denn Ihr Weg jeweils an diese Stelle? Wie war denn Ihr Weg zur Bürgermeisterin? Sie sind ja eine von wenigen, nur 10 Prozent. Es gibt mehr Josefs als Frauen unter den Bürgermeister:innen, haben wir gehört. Sie haben ja ein Jahr, nachdem Sie Bürgermeisterin geworden sind, ein Kind bekommen. Darüber haben wir heute auch schon von der Frau Ministerin gehört. Wie war denn Ihr Weg dorthin?
Kerstin Suchan-Mayr: Ich war schon sehr bald in den Jugendorganisationen tätig und habe mich sehr bald für Politik interessiert, aber natürlich: In Gremien zu kommen ist dann noch das Nächste – wobei wir bei uns in Sankt Valentin, sage ich, eigentlich auch Männer hatten, die mich durchaus gefördert haben und gesehen haben, welches Potenzial da auch dabei ist.
Ich bin seit 1998 im Gemeinderat und seit 2000 im Stadtrat. Dieses Ressort – damals Kinder, Jugend und Frauen – wurde eigentlich mehr oder weniger für mich kreiert und ich hatte auch nie das Problem, dass ich mit meiner Expertise – ich war eben Kindergartenpädagogin und Soziologin –, mit dem, was ich umsetzen wollte, auch Gehör gefunden habe.
Ich habe mich schon sehr bald engagiert, dass wir unsere Kinderbetreuungseinrichtungen, die Kindergärten, den Schülerhort – den hat es auch schon sehr lange in Sankt Valentin gegeben – entsprechend ausbauen.
Ich konnte dann selbst auch erst als Bürgermeisterin und Mutter, die ich dann wurde, 2012 sehen, wie gut unsere Einrichtungen funktionieren, wie flexibel das ist und wie wichtig das ist, dass man hier auch als Frau selbstständig leben kann und sich die Zeit auch entsprechend mit dieser Kinderbetreuung einteilen kann, die bei uns auch in den Ferien zum Beispiel ganztägig und kostenlos für alle Frauen zur Verfügung steht, und das eine Unterstützung ist.
Corinna Milborn: Ich würde dann gern noch einmal darauf zurückkommen, denn Politikerinnen und Mutterschaft ist ja so ein eigenes Kapitel. Da gibt es nicht wirklich Regelungen, wie man immer wieder sieht.
Aber zuerst: Frau Töpfl, wie war denn Ihr Weg? Das Waldviertel gilt ja jetzt so gemeinhin nicht als die Speerspitze im Kampf gegen das Patriarchat. Wie sind Sie überhaupt Bürgermeisterin geworden?
Anette Töpfl: Ja, ich habe auch in ganz jungen Jahren in der Jugendorganisation begonnen. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, in der Gemeinde aktiv zu gestalten. Ich bin dann auch schon 1997 in den Gemeinderat gekommen. Meine Vorgängerin war 18 Jahre Bürgermeisterin. Sie war für mich natürlich ein großes Vorbild, sie hat mich auch sehr gefördert und mich unterstützt. Als der damalige Vizebürgermeister sein Amt zurückgelegt hatte, bin ich gefragt worden, ob ich Vizebürgermeisterin werden möchte. Wir waren dann knappe zwei Jahre zwei Frauen an der Spitze unserer Marktgemeinde Vitis, was auch etwas Besonderes war. Das war auch ein schönes Erlebnis.
Als sie ihr Amt zurückgelegt hat, wurde ich gefragt, ob ich das Amt übernehmen würde, da hat es eigentlich überhaupt keine Zweifel gegeben. Ich bin voll unterstützt worden, auch von allen männlichen Gemeinderäten, und wie gesagt, meine Vorgängerin hat mich sehr unterstützt und war wirklich die ganze Zeit ein großes Vorbild für mich.
Corinna Milborn: Also doch die Speerspitze im Kampf gegen das Patriarchat, zumindest in Vitis, mit einer Vorgängerin.
Frau Fischer, Sie sind seit 27 oder 28 Jahren in der Politik. Das heißt, Sie müssen auch praktisch als Kind begonnen haben.
Ulrike Fischer: Also wenn ich anfangen darf – Sie stoppen mich dann, wenn es zu lang wird –: Ich war fünf oder sechs Jahre alt, als ein Arbeitskollege meines Vaters ein Buch, ein Kinderbuch, geschrieben hat, das geheißen hat: „Ulli und die Umwelt“. Ich habe damals gar nicht genau verstanden, was Umwelt heißt, aber er hat mich da drin als Maxl und meinen Vater als Umweltsünder gezeichnet.
Das hat mir gut gefallen. Ich habe mir gedacht, das ist etwas Gutes, das Buch ist etwas Gutes, das gefällt mir. Also er hat das geschrieben, er hat mich da drinnen gesehen und ich musste dann mit fünf Jahren einfach begreifen, was Umwelt heißt, denn es ist ja blöd, wenn es ein Buch mit einem selber gibt und dann steht da ein Wort, das man nicht versteht.
Aber ich habe es dann sehr schmerzlich am eigenen Leib gespürt: Wir sind in der Greifensteiner Au aufgewachsen. Ich war zehn oder elf Jahre alt, da sind die Bagger gekommen und haben unsere ganzen Lager, wo wir halt Räuber und Gendarm gespielt haben, und die ganze Au einfach zerstört. Was mich damals betroffen gemacht hat: Die Bevölkerung war traurig, aber es war kein Widerstand da, gar keiner. Es war einfach so ein: Okay, da werden jetzt die Bäume abgeschlachtet, aber es tut niemand etwas. Die Bevölkerung wird auch nicht aufbegehren, also dieses: Man ist so ohnmächtig.
Was ich mir damals gedacht habe: Manchmal kann man Dinge nicht ändern, aber man muss sich dafür einsetzen, wenn man es wichtig findet. Mit elf Jahren habe ich da keine Möglichkeit gesehen. Mit meiner Oma war ich immer wieder im Parlament, am Nationalfeiertag war ich hier das erste Mal mit acht Jahren. Wir sind hier jedes Jahr hergekommen und „Hohes Haus“ hat mich auch schon immer interessiert.
Anfang 20 hat es dann geheißen, im Wiener Speckgürtel sollen die Ortschaften verbaut werden. Dann bin ich draufgekommen: Okay, wenn ich nicht selber im Gemeinderat bin, nur mit Bürgerinitiative wird nicht viel gehen. Ich habe mich dann halt bei den Grünen in Sankt Pölten gemeldet, habe niemanden gekannt, und die haben dann gesagt: Na gut, dann bist du jetzt die Grünen Sankt Andrä-Wördern!, und habe dann ein paar Leute, Mitstreiter:innen, gefunden. Wir haben eine Gruppe gegründet, ab 2000 waren wir im Gemeinderat. Sie haben mir dann gleich – was haben sie mir gegeben? – den Prüfungsausschuss gegeben. Der Bürgermeister hat mir damals den Prüfungsausschuss gegeben – ich war Mitte 20 und musste den Prüfungsausschuss leiten, also die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Gebarung der Gemeinde kontrollieren –, um mich wahrscheinlich gleich wieder abzuschrecken.
Sie sind mich nicht losgeworden, dann bin ich in den Vorstand gekommen, sitze dort als einzige Frau, sonst noch sieben Männer. Ich möchte ein gendergerechtes Budget, habe mir letzte Woche anhören können, so quasi ob ich einen Vogel habe und was das heißen soll, wir fangen jetzt sicher nicht zum Gendern an! Da sage ich, es geht nicht ums Gendern, es geht darum, dass das Budget so ausgestattet sein soll, dass es für Frauen und für Männer gleichermaßen vorhanden ist. Das geschieht im Jahr 2024 in Sankt Andrä-Wördern. Da darf man einfach nicht lockerlassen – einfach nicht lockerlassen, seine Themen durchsetzen.
Und ja, sie haben auch Pickerl von mir gemacht: Das ist Ulli, die hat das und das gemacht!, haben mich in der ersten Zeitung in einer Karikatur von einer anderen Partei schiach dargestellt – aber einfach an den Dingen und Themen dranbleiben!
Corinna Milborn: Jetzt ist ja Lokalpolitik ein besonders hartes Pflaster, das hört man immer wieder. Das ist besonders unmittelbar, wir haben gerade das von der Bürgermeisterin von Bad Ischl gehört. Auch männliche Bürgermeister hören immer wieder auf – man hat es in der Coronazeit gesehen –, weil die Aggression sehr, sehr hoch ist. Wie gehen Sie denn damit um? Oder geht das an Ihnen vorbei? Schaffen Sie das?
Kerstin Suchan-Mayr: Zum größten Teil, ja. Ich denke mir immer, wenn mich jemand nicht direkt anspricht, warum soll ich mir das jetzt unmittelbar zu Herzen nehmen? Also ich habe, sage ich, das Glück, von meiner Persönlichkeit so zu sein, dass ich mir das alles nicht so zu Herzen nehme. Ich glaube, man darf vieles nicht so schwer nehmen, denn sonst wird es schwer.
Natürlich lassen einen manche Dinge nicht kalt. Ich kann mich an ein Posting erinnern, in dem es einmal darum gegangen ist, dass die Silvesterknallerei oder eben das Feuerwerk ja so nicht sein darf, eigentlich in allen Gemeinden nicht. Dann hat jemand gepostet: Na ja, dann werden wir ihr halt einmal so einen in den A schieben! – so auf die Art. Also solche Dinge kommen dann schon vor.
Wie reagiert man darauf? Steigt man darauf ein, dass es noch mehr Thema wird? – Das ist dann auch immer die Frage dahinter. Aber grundsätzlich versuche ich oder bin ich eine relativ ruhige Person, dass ich das eher von mir weg halte.
Corinna Milborn: Die Frau Ministerin hat es ja vorhin gesagt: Das ist durchaus ein Grund, warum junge Frauen sich sehr gut überlegen, ob sie in die Politik oder in die Öffentlichkeit gehen. Mein Weg ist ja blocken, blocken, blocken auf Social Media, aber in einer Gemeinde geht das natürlich nicht. Ist Vitis klein genug, dass die soziale Kontrolle da ist, dass so etwas nicht passiert oder passiert Ihnen so etwas auch?
Anette Töpfl: Ja, also ich glaube, das passiert jedem in diesem Amt in einer gewissen Weise. Ich meine, bevor ich mich da sehr aufrege, schlafe ich einmal drüber. Am nächsten Tag schaut wieder alles ein bisschen anders aus. Ich glaube, man darf bei gewissen Themen auch nicht überreagieren, weil man sonst das Ganze vielleicht noch mehr pusht. Es kommt immer darauf an, um welches Thema es geht; ich nehme jetzt eher ein Sachthema her. Wenn es natürlich um eine persönliche Anfeindung geht, dann ist das wieder etwas anderes, wobei ich dazusagen muss, persönliche Anfeindungen in dem Sinn habe ich noch nicht gehabt, zum Glück. Es sind eher so Meldungen, die halt mit einem Schmäh gemacht werden, wo man vielleicht eine Anspielung bekommt. Aber jetzt eine direkte persönliche Anfeindung oder im Netz ein Hassposting hatte ich noch nicht.
Corinna Milborn: Sie offenbar schon, wenn Sie sagen, es gab schon einen Flyer, auf dem das draufsteht. Wie gehen Sie damit um?
Ulrike Fischer: Also es gab ein Pickerl, das überall gepickt ist, es gab schon Aussendungen, die ganze Bandbreite. Aber ich habe ja schon so viel Redezeit verbraucht, also fasse ich mich kurz: Man braucht immer so etwas, was man als Kind schon braucht, man braucht eine Bande. Man braucht zumindest eine beste Freundin oder eine Schwester, oder meine Mama ist heute da, also starke Frauen, die einen unterstützen, die da sind und dann sagen: Na komm, das machen wir schon! Durchatmen und schlafen ist gut, Gelassenheit ist auch gut – aber sich alles gefallen lassen ist auch nichts.
Ich habe in meiner Jugend Judo gemacht. Ich bin der beste Mensch, der beste Freund, die beste Freundin, die beste Nachbarin, aber im Notfall: Prack sie auf die Matte! (Beifall.)
Corinna Milborn: Lauter gute Tipps heute!
Am Dienstag war in der Hofburg eine große Veranstaltung zum Frauentag. Da war Maria Vassilakou am Podium, und sie hat als abschließenden Tipp für Frauen, die in die Politik oder in Gremien gehen, die Macht anstreben, gesagt: Das Problem von vielen Frauen ist, dass sie sich zu viel aufhalsen. Sie sagen Ja zu jeder Arbeit, sie beweisen sich, sie nehmen dieses eine Gremium, das andere – alles, was die Männer nicht machen wollen – und noch ein fünftes, und dann haben sie viel zu viel Arbeit, brennen aus und lassen es wieder.
Wie vermeidet man so etwas? Das ist ja etwas, was für Frauen wirklich sehr typisch ist: viel arbeiten, sich beweisen, noch einmal Ja sagen, noch einmal Ja sagen. Wie sagt man Nein?
Kerstin Suchan-Mayr: Ich würde vielleicht noch einmal gerne auf die Frage zurückkommen, bei der man sagt, die Frauen sagen zu wenig Ja, nämlich zu wenig Ja zu den Ämtern, oder wenn sie gefragt werden: Willst du Bürgermeisterin werden?
Das habe ich jetzt vorhin nicht gesagt: Ich habe ja dieses Amt auch nicht angestrebt. Wir wissen von Umfragen des Gemeindebundes unter Bürgermeisterinnen, dass ein Großteil gar nicht Bürgermeisterin werden wollte, aber durch irgendwelche Umstände dann in dieses Amt gekommen ist. Anders als bei Anette: Mein Vorgänger ist ja verstorben, und wir sind zwei Monate vor der Wahl gestanden. Somit war es für mich als Vizebürgermeisterin keine Frage, dass ich dieses Amt annehme. Das war wie gesagt keine Diskussion.
Da müssen wir den Frauen Mut machen, auch einmal Ja zu sagen und, wenn sie gefragt werden, nicht zu sagen: Na ja, schaffe ich das mit den Kindern, und kann ich das überhaupt?, und so weiter. – Ja, wir können das! Ein Mann würde sich das gar nicht so überlegen. Da weiß man wie gesagt aus Umfragen, dass die eher Ja sagen und da gleich einmal dabei sind.
Ja, natürlich gibt es viel zu tun, aber wir haben schon gesehen, dass man sich eben nur mit Leistung durchsetzt oder indem man eben zeigt, dass wir als Frauen auch unsere Frau stehen. Da muss man natürlich vielleicht gerade am Anfang etwas mehr geben, damit man auch entsprechend akzeptiert wird.
Corinna Milborn: Es gibt dieses schöne Internetmeme, da steht drauf: Boys do it, it can’t be that hard. – Also: Männer machen das, so schwierig kann es nicht sein.
Wie ist es bei Ihnen mit dem Jasagen und dem Neinsagen, Frau Fischer? Ja gesagt haben Sie ja offensichtlich schon sehr früh. Schaffen Sie es auch, sich nicht zu viel aufzuhalsen?
Ulrike Fischer: Ich habe heute eine langjährige Wegbegleiterin mit, meine Kollegin Aida Maas-Al Sania, und sie sagt dann, wenn ich sage, Protokoll schreiben, immer: Ja, ich kann das auch machen. – Dann sagt sie: Geh, Ulli, mach das jetzt nicht! – Es ist auch gut, diese Freundin und die Bande bei wichtigen Entscheidungen dabeizuhaben, die sagen: Okay, mach du das jetzt, aber das machst du jetzt nicht, das können andere auch! – Wir sind eine größere Gruppe – also eine Gruppe, eine Gemeinschaft, das, wofür Frauen gerne vor den Vorhang geholt werden, dieses gemeinschaftliche Denken und Arbeiten, dann aber beim Teilen der Aufgaben mitzudenken. Ja und Nein zu sagen - -
Corinna Milborn: Mein Rat an junge Frauen: Sag nie Ja zum Protokollschreiben und zum Kaffeeholen! Den jungen Männern schadet es nicht, aber den jungen Frauen schadet es schon, die werden dann für die Sekretärin oder für die Assistentin gehalten.
Ulrike Fischer: Also das war ein Schlüsselerlebnis: dass uns der Vorsitzende der Bürgerliste in der letzten Vorstandssitzung – und wir arbeiten schon neun Jahre gemeinsam; ich meine, ich mache oft den Kaffee und mich stört das auch nicht, ich kann das gut – einen Kaffee gebracht hat. Nach neun Jahren hat er uns einen Kaffee gebracht.
Corinna Milborn: Ja, Männer kriegen Zusatzpunkte, deswegen wollen sie es auch machen.
Ulrike Fischer: Männer kriegen Zusatzpunkte.
Das Ja- und Neinsagen ist jetzt nicht meine Kernkompetenz. Ich habe Ihnen auch schon vorhin gesagt: Mir diese Frage besser nicht stellen! Beim Abgrenzen und bei: Mach du das und ich mache nur das!, ist noch viel Luft nach oben.
Corinna Milborn: Schaffen Sie das oder haben Sie zu viel zu tun? Sie haben ja schon am Anfang gesagt: Geld und Macht, dann schafft man auch die Abgrenzung.
Anette Töpfl: Genau, ja. Also ich meine, ich bin schon eine, die nicht gerne Nein sagt – sagen wir so –, aber ich kann auch sehr gut abschätzen, ob ich das noch schaffe. Wenn ich merke, ich schaffe etwas nicht, dann sage ich Nein. Ich nehme mich nicht um eine Funktion, um ein Amt oder um eine Tätigkeit an, bei denen ich im Hintergrund genau weiß: Hm, das könnte jetzt schon eng werden! – Wenn ich etwas mache, dann möchte ich das zu 100 Prozent machen. Ich glaube, das unterscheidet uns von den Männern, denn Männer sagen sehr oft irgendwo Ja, und dann müssen oft wir die Arbeit für sie machen.
Corinna Milborn: Ja zu allem, was übrig bleibt, sagen die Frauen dann eher Ja. Aber Sie schaffen es, Nein zu sagen?
Anette Töpfl: Ja.
Corinna Milborn: Sie überlegen sich das vorher und sagen - -
Anette Töpfl: Ja, ich überlege mir das.
Ulrike Fischer: Aber ich habe etwas gelernt, oder ich habe etwas immer schon gekonnt: Ich kann zwar nicht Nein sagen, aber ich kann schon um Hilfe fragen. Also wenn ich mir jetzt drei Aufgaben suche, die ich dann alleine nicht schaffe, dann könnte ich jetzt zum Beispiel Sie oder Sie fragen. Ich bin eine gute Netzwerkerin, und ich mache Dinge gemeinschaftlich. Ich frage dann einfach: Kannst du mir helfen? Also man soll sich nicht genieren und um Hilfe bitten – einfach sagen: Okay, ich kann das nicht allein, bitte komm mit dazu ins Team! – Das ist, glaube ich, auch ganz wichtig. (Ein Handy im Publikum läutet.)
Corinna Milborn: Warten wir, bis das Handy aus ist, oder wahrscheinlich ist ein Video losgegangen.
Ich möchte noch einmal auf die Macht zu sprechen kommen, denn Sie haben am Anfang so ganz klar gesagt: Wir wollen die Hälfte der Macht, wir wollen die Hälfte vom Geld. – Das ist etwas, das viele Frauen so nicht aussprechen, weil es Frauen nicht zugeschrieben wird. Oft ist es so, dass es, wenn Männer sagen, ich will Macht, anerkannt wird. Bei Frauen ist es oft so: Hm, schwierig, man weiß nicht, wie man damit umgehen soll. Die Reaktionen gegenüber Frauen, die Macht wollen, sind oft nicht so gut wie bei Männern. Haben Sie das auch erlebt?
Anette Töpfl: Ich würde sagen, wenn man authentisch ist, glaube ich, und wenn man sich in der Sache sicher ist – ich kann jetzt natürlich nur von der Gemeinde sprechen –, bei Themen, bei denen man Gemeinsamkeiten hat, bei denen man Mitstreiter hat und auch die Bevölkerung mitgeht, ist das, glaube ich, gar kein Thema. Dann akzeptieren die Leute, dass man etwas durchsetzen will, dass man Macht haben will, dass man das auch lebt. Wie gesagt, wenn es authentisch ist, ist das, glaube ich, überhaupt kein Problem.
Corinna Milborn: Wie ist das bei Ihnen? Man erlebt immer wieder, dass Frauen sich gern so hinter dem Anliegen oder hinter dem Team quasi vor den Reaktionen schützen und sagen: Es geht nicht um mich, ich will gar keine Macht haben, sondern es geht mir ums Anliegen, oder: das sind wir alle gemeinsam! – Kennen Sie das?
Kerstin Suchan-Mayr: Also ehrlich gesagt hat mir erst letztens jemand gesagt: Stell das Licht nicht so unter den Scheffel, das bist du, das machst du! – Also ich glaube, dieses Sich-selbst-zurückstellen, das ist auch so ein bisschen eine weibliche Eigenschaft, die wir haben. Da müssen wir uns auch oft im Spiegel anschauen und sagen: Ja, das habe ich gemacht, das bin ich!, dieses Selbstbewusstsein, auch dieses Selbstvertrauen. Ich glaube, das muss man schon auch Mädchen von Anfang an irgendwie mitgeben: dass sie diese Stärke zeigen, damit wir uns dann wie gesagt auch den Teil der Macht nehmen.
Corinna Milborn: Haben Sie Tipps, wie man sich Autorität verschafft? Denn das eine ist ja, dass man es will, das andere ist, dass es auch akzeptiert wird. Das würde ich gerne von Ihnen allen dreien wissen: Wie verschafft man sich Autorität in schwierigen Situationen? – Vielleicht Frau Fischer.
Ulrike Fischer: Nach seinen eigenen Regeln spielen: Also wenn der Bürgermeister sagt: So, jetzt rede erst einmal ich, dann der Amtsleiter, dann noch drei von meinen Kollegen, und dann sind wir schon fertig, denn dann wollen wir ja ein Bier oder einen Kaffee trinken gehen!, dann muss man nach den eigenen Regeln spielen und im Notfall nicht aufzeigen, sondern sich, wenn man aufzeigt und nicht drankommt, das Wort nehmen.
Wenn die anderen schon viel gesagt haben, dann sagt man auch viel, und wenn die anderen meinen, sie nehmen keine Unterlagen mit, und das haben wir immer so gemacht, das braucht man nicht, dann nimmt man halt eine Unterlage mit und hat die Papierhoheit. Also besser vorbereitet zu sein ist im Zweifelsfall ein Vorteil. Das, was die Kollegin gesagt hat, unterstreiche ich hundertprozentig. – Ja, danke.
Corinna Milborn: Wie verschaffen Sie sich Autorität, oder haben Sie einfach so viel natürliche Autorität?
Anette Töpfl: Natürlich ist, wie die Kollegin gesagt hat, Selbstbewusstsein, glaube ich, das Wichtigste; dass man sich traut, etwas zu sagen, auch wenn man bei dem einen oder anderen Thema, das da daherkommt, viel Gegenwind spürt; vielleicht auch eine laute Stimme, damit man selbstbewusst auftritt und sich nicht alles gefallen lässt; dass man dann vielleicht nach der Sitzung oder nach dem Gespräch noch einmal kommuniziert, dass das eine wichtige Stimme und eine wichtige Meinung ist, die man hat.
Corinna Milborn: Also doppelt hält besser: einmal offiziell und einmal noch hintennach.
Anette Töpfl: Genau.
Corinna Milborn: Haben Sie einen Tipp?
Kerstin Suchan-Mayr: Es wurde ja schon viel von diesem Trauen, diesem Selbstvertrauen gesagt, aber ich glaube, auch das Vertrauen ist wichtig: wenn man als Bürgermeisterin den Mitarbeitern, Mitarbeiterinnen, auch den Kollegen, Kolleginnen sagt: Okay, die, die vorne steht, weiß auch, wo es langgeht – die Ziele vorzugeben, und dass man ein bisschen diese Richtung vorgibt und wie gesagt eben authentisch auftritt. Dann wird man auch als Autorität wahrgenommen.
Corinna Milborn: Dann möchte ich noch auf ein Thema kommen, das Frauen einfach biologisch betrifft. Schwangerschaft und Kinderkriegen ist in den meisten Branchen geregelt: Es gibt einen Mutterschutz – acht Wochen vor der Geburt, acht Wochen nach der Geburt darf man nicht arbeiten. Es kann auch unangenehm sein, wie ich aus Erfahrung berichten kann, wenn man arbeiten will und nicht darf, aber bei Politikerinnen gibt es irgendwie gar nichts. Man merkt das jetzt immer bei Ministerinnen und im Nationalrat: Es gibt keine Regelungen für den Mutterschutz, es ist nicht so richtig klar.
Sie sind kurz, nachdem Sie Bürgermeisterin geworden sind, auch Mutter geworden. – Sie sind auch dreifache Mutter. – Sie haben alle die Erfahrung. Wie haben Sie das geregelt?
Kerstin Suchan-Mayr: Damals gab es noch keine Regelung. Seit dem Vorjahr gibt es in Niederösterreich eine Karenzregelung. Ich glaube, man kann bis zu einem Jahr in Karenz gehen mit 50 Prozent der Bezüge, und es gibt auch acht Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt Mutterschutz – vorher, glaube ich, sogar mit 100 Prozent, danach mit 80 Prozent Entschädigung.
Vor zwölf Jahren – mein Sohn wird jetzt Ende März zwölf – gab es diese Regelung nicht. Das war für mich dann natürlich auch interessant: Man erkundigt sich im Vorfeld. Ich war damals auch in einer Arbeitsgruppe des Gemeindebundes zur Attraktivierung des Bürgermeister:innenamtes, in der wir diese Probleme alle aufgezeigt haben. Es hat über zwölf Jahre gedauert, bis das jetzt in Niederösterreich in Umsetzung gekommen ist Seit ich aktiv als Bürgermeisterin dabei bin – also im Grunde Jahrzehnte –, hat es gedauert, bis da eine Regelung gekommen ist.
Ich war damals bis zum letzten Tag, also eigentlich bis zum Tag der Geburt, unterwegs. Am Vormittag war noch eine Veranstaltung. Ich kann mich sehr gut erinnern: Da war auch einer vom Roten Kreuz dabei, und der hat noch zu mir gesagt: Wann hast du den Termin? – Ich habe gesagt: Genau in einer Woche. – Er hat gesagt: Um Gottes Willen, da bist du noch da? Wenn irgendetwas ist, dann nur die Rettung anrufen, nur die Rettung anrufen! – Das war noch sein letzter Tipp. Ich war bis zum letzten Tag unterwegs, und im Grunde dann zwei oder drei - -
Corinna Milborn: Und so war es dann auch, oder wie? Haben Sie dann die Rettung angerufen?
Kerstin Suchan-Mayr: Am Sonntagabend, ja: Ich war im Bett und habe gelesen und hatte einen Blasensprung. Mein Mann stand in der Tür und hat gesagt: Was tun wir jetzt? – Und ich: Ja, die Rettung rufen! – Zwei oder drei Wochen nach der Geburt – da waren dann Osterferien, das hat sich gut angeboten, da waren nicht so viele Termine – war ich dann beim Spatenstich für unseren Hochwasserschutzdamm auch wieder dabei. Martin war im Kinderwagen dabei. Ich habe ihn grundsätzlich das erste Jahr fast immer mitgehabt. Ich muss sagen, es ist wieder unser Privileg, dass wir einen Job haben, in dem man sich das auch ein bisschen einteilen kann oder auch das Kind dabei sein kann. Das hat manchmal Vorteile, manchmal Nachteile.
Diese Unkenrufe: Sie wird eh aufhören, weil sie jetzt schwanger ist und ein Kind kriegt!, und so weiter, die habe ich wie gesagt weggeschoben und nicht gehört, denn direkt hat es mir ja eh keiner gesagt.
Corinna Milborn: Frau Fischer, Sie haben Ihre politische Karriere auch immer mit Kindern gemacht.
Ulrike Fischer: Also die politische Karriere: In Wirklichkeit ist das mein Hobby, meine Berufung, denn man kann das nicht als Beruf machen. Als Beruf denkt man sich, das geht sich mit der Zeit ja nie aus. Es geht sich einfach nicht aus, dann müsste man ja das Handy am Wochenende abdrehen, oder man müsste sagen, so, jetzt ist man gerade hochschwanger, jetzt geht man nicht zur Schulabschlussfeier.
Meine erste Tochter ist am 1. Juli auf die Welt gekommen. Auch da war ich bis zum Schluss im Einsatz und habe sie im Maxi-Cosi in die Gemeinderatssitzung mitgenommen. Ich muss ehrlich sagen, da hat es gar keine Unkenrufe gegeben. Das war das erste Baby im Gemeinderat, und das war eigentlich gut. Ich habe sie in den niederösterreichischen Landesausschuss der Grünen mitgenommen und sie dort gestillt, und das war eigentlich auch gut.
Also die erste Zeit, solange die Babys noch Babys sind, geht es ja noch eher, dann schlafen sie noch – zumindest manchmal, hoffentlich. Das ging ja noch, aber wenn die Kinder dann schon mehr sind, wenn die Kinder dann in die Überzahl kommen, dann ist das natürlich familiär schon eine Herausforderung. Da muss ich sagen, ohne Thomas, meinen Mann, wäre das nicht gegangen.
Unsere jüngste Tochter hat, als sie im Kindergarten war, zu mir gesagt: Mama, es ist schon komisch, manche Kinder werden nie von ihrem Papa vom Kindergarten abgeholt. Eigentlich ist es ja üblich, dass der Papa die Kinder in den Kindergarten bringt und holt, oder? – Also für sie war das genau umgekehrt, und das habe ich schon spannend gefunden.
Ich muss sagen, bei der Kleinsten ist mir das geglückt, bei den größeren zweien habe ich mich schon noch mehr zuständig gefühlt: Ich muss kochen, ich muss den Haushalt machen. Vielleicht wären vier oder fünf Kinder noch besser gewesen. Beim dritten Kind ist es dann schon in die andere Richtung gekippt: Thomas macht mehr als ich – er macht mehr und das ist gut so.
Corinna Milborn: Ja, in der Hälfte der Fälle wird es so sein.
Frau Töpfl, wir haben es heute schon einmal gehört: Es sind Jobs mit vielen Abendterminen; es sind Jobs, auch die ehrenamtlichen, die eigentlich darauf ausgerichtet sind, dass man jemanden zu Hause hat, der alles andere regelt – das klassische Hausfrauenmodell –, der einkauft, kocht, sich um die Kinder, den Haushalt kümmert, das soziale Leben organisiert, die Einladungen macht und so weiter.
So ist es halt nicht mehr, weder für Frauen noch für Männer meistens. Was muss man denn an diesem Berufsbild Bürgermeister:in ändern, damit das besser funktioniert – weniger Abendtermine, so etwas wie ein politikfreies Wochenende, wie Sie es jetzt von Salzburg gesagt haben, dass Sie es machen und nicht einhalten? Was wären denn die Tipps, damit das familienfreundlicher wird – für beide Geschlechter natürlich?
Anette Töpfl: Ich hatte das Glück, im Haus meiner Eltern zu wohnen. Meine Kinder waren auch sehr klein, als ich Vizebürgermeisterin und Bürgermeisterin wurde. Zu den Abendterminen: Ich glaube, wenn man das Bürgermeisteramt innehat, kann man natürlich gewisse Gewohnheiten, die es vielleicht vorher gab – wenn die Sitzung um 8 Uhr war –, und die Termine ein bisschen verändern. Wie du gesagt hast: Ein bisschen kann man sich die Zeit ja einteilen. Dass man die Abendtermine komplett wegbringt, funktioniert, glaube ich, nicht, weil ja natürlich viele berufstätig sind und nur am Abend Zeit haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das ändert.
Ich habe es insofern geändert, als ich die Zeit etwas vorverlegt habe: Bei uns haben die Sitzungen immer um 8 Uhr angefangen, und dann habe ich die Sitzungen sukzessive ein bisschen nach vorne gezogen, dass sie nicht so ganz spät sind. Da haben eigentlich alle mitgezogen und gesagt, eigentlich ist es auch für alle anderen ein Vorteil, dass das jetzt nicht so spät ist. Dann ist die Sitzung eben nicht um 12 Uhr aus, sondern um 10 Uhr, und am nächsten Tag ist man wieder fit. Aber dass man diese Abendtermine verändert, ist ganz schwierig, das kann ich mir jetzt nicht vorstellen.
Was man verändern kann: einfach die Termine – ich glaube, man kann sich die Termine schon individuell ein bisschen besser einteilen, und das muss man nutzen. Ich glaube, da kann man durchaus einmal sagen: Nein, ich muss meine Kinder abholen, ich kann da nicht! – Das habe ich oft gesagt, und da haben eigentlich alle Rücksicht genommen, das muss ich schon sagen. Aber gewisse Termine sind halt vorgegeben, die kann ich nicht verändern. Ich glaube, das ist schwierig.
Corinna Milborn: Dann würde ich Sie zum Abschluss bitten: Bei Bürgermeister:innen, Vizebürgermeister:innen, Gemeinderät:innen ist es ja besonders notwendig, dass man Frauen motiviert. Sie haben am Anfang alle drei auch sehr gut erklärt, warum. Was geben Sie den Frauen denn Motivierendes mit, damit sie in diese Positionen kommen? – Wollen Sie beginnen?
Kerstin Suchan-Mayr: Wie ich vorhin gesagt habe: Ich glaube, jede Frau kann es, sie muss es nur wollen. Ich glaube, wir sind es auch, die Frauen ansprechen müssen. Wir haben mittlerweile bei uns in der Fraktion im Gemeinderat 61 Prozent Frauenanteil, im Gemeinderat 45 Prozent Frauenanteil. Wir schauen halt, dass wir die Frauen ansprechen und mit hereinnehmen. Wie gesagt, es ist vielleicht auch die Vorbildwirkung, aber es gibt natürlich mit manchen Frauen auch das Gespräch, in dem sie sagen: Nein, das kann ich nicht!, und so weiter. Da sage ich: Wenn ich das schaffe, dann kannst du das locker. – Ich glaube, das kann man ihnen auch mitgeben.
Corinna Milborn: Frau Töpfl.
Anette Töpfl: Ja, Vorbild zu sein ist, glaube ich, ganz wichtig: dass man den Frauen eben Vorbilder zeigt oder sie zu Vorbildern hinführt, mitnimmt. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man interessierte Frauen viel mitnimmt, damit sie andere Eindrücke gewinnen können und sagen: Aha, ja, das geht auch!, oder: Das erweitert den Blickwinkel! – Ich glaube, das ist ganz wichtig.
Veranstaltungen oder Maßnahmen – es ist heute schon gefallen, du hast es gesagt – wie Girls in Politics: Ich habe das in meiner Gemeinde auch gemacht, und das ist wirklich super angekommen, ganz besonders bei den Jüngsten. Die waren voll motiviert und sehr interessiert.
Ich glaube, es ist auch ganz wichtig, dass man junge Frauen, die vielleicht überhaupt nichts mit Politik zu tun haben oder sich noch nicht damit beschäftigt haben, einmal einlädt und ihnen erklärt, wie die Gemeinde funktioniert oder was eine Bürgermeisterin, Vizebürgermeisterin, Gemeinderätin macht. Ich habe damals eine ganz junge Gemeinderätin dazu genommen, die hat ihnen erklärt, wofür sie zuständig ist, was sie gern macht, hat ihnen Projekte gezeigt, die sie mit 22 Jahren schon umgesetzt hat. Das hat ihnen auch sehr imponiert.
Corinna Milborn: Sehr schön. – Frau Fischer.
Ulrike Fischer: Nach den großartigen Worten – es ist ja eh schon fast alles gesagt – vielleicht eines noch: Politik sollte nicht für die Jugend und nicht für die Frauen gemacht werden, sondern durch die Jugend und durch die Frauen. Deswegen: Wenn wir sagen, es fehlt noch etwas in der Politik, es fehlt noch etwas in unserem Land, es fehlt noch etwas in der Gemeinde, dann kommt, ihr jungen Frauen, ihr älteren Frauen, ihr alten Frauen! Wir alle – machen wir gemeinsam diese Welt jeden Tag zu einer noch besseren Welt! Das können nur wir gemeinsam für uns und durch uns machen. – Danke.
Corinna Milborn: Herzlichen Dank – ein schönes Schlusswort. (Beifall.)
Ich bedanke mich sehr, sehr herzlich bei Ihnen dreien für die Einblicke. Herzlichen Dank für die guten Tipps – danke!
Machen wir noch ein Foto! – Applaus für Sie drei. (Beifall.)
*****
(Es wird ein Foto gemacht.)
*****
So, ich rede jetzt trotz Foto, wenn ich darf. Vielen Dank an Sie: Vielen Dank an die Keynotespeakerin, vielen Dank an die vier tollen Frauen, die auf dem ersten Podium waren! Das war eine ganz, ganz tolle Runde. Danke an die Musikerinnen: Vielen, vielen Dank, dass Sie für uns gespielt haben! Es gibt jetzt einen Empfang. – Applaus noch einmal an Sie! (Beifall.)
Bevor ich an die Gastgeberin übergebe, möchte ich Sie noch einmal darauf hinweisen – Sie haben es auf Ihrer Einladung gesehen –: Es gibt auch eine Führung durch das Parlament – sie ist sehr lohnenswert, vielleicht haben noch nicht alle das neue gesehen –, und zwar um 16.45 Uhr. Das geht in der Säulenhalle vor dem Lokal 3, glaube ich, los. Dort ist ein Schild, das heißt, um 16.45 Uhr sammeln Sie sich dort für die Führung.
Jetzt übergebe ich noch einmal mit einem Dank an alle, die da waren, und für Ihre Aufmerksamkeit an die Gastgeberin Margit Göll. – Frau Präsidentin, bitte sehr. (Beifall.)
Margit Göll: Sehr geehrte Frauen! Liebe Mutmacherinnen! Vielen, vielen Dank für die anregende Diskussion, die wir heute erleben durften, und natürlich auch für die verschiedenen Darstellungen, die wir heute gehört haben: warum es Frauen manchmal so schwierig gemacht wird und was wir daran ändern müssen.
Bei deinem Vortrag, liebe Sabine, hat mich das sehr betroffen gemacht, und ich glaube, viele Bürgermeisterinnen haben natürlich auch schon so einiges erlebt, bei dem unsere Haut dicker werden musste, bei dem unser Rücken breiter werden musste, dass wir uns nicht alles so persönlich zu Herzen nehmen durften oder mussten.
Mein persönliches Motto ist: Wir sollten alle hinausgehen und wirklich Frauen Mut zusprechen, sich zu engagieren, denn in meiner Lebensgeschichte war es ganz genauso: Ich stand in einer Diskussionsrunde auf, weil Männer gemeint haben, unser Kindergarten und unsere Schule sind super. Ich habe gesagt: Aber da ist schon 30 Jahre lang nichts erneuert und anders gemacht worden! – Sie haben mir zur Antwort gegeben: Das passt schon so, denn in 30 Jahren wird es wieder so sein. – Ich habe gesagt: Nein, das kann nicht sein.
Ich habe überlegt: Lasse ich das jetzt so, beschwere mich und matschkere in mich hinein, oder stehe ich auf und tue etwas? Das war für mich der Weg, auf dem ich gesagt habe, ich kandidiere für den Gemeinderat und werde es umsetzen. – Ich bin dann für die Kinder und Jugendlichen zuständig geworden und habe da wirklich mit Engagement arbeiten und natürlich auch etwas verändern können.
2010 stand die Kandidatur zur Bürgermeisterin im Raum. Wir hatten einen SPÖ-Bürgermeister und es war schon ein großer Rucksack, zu überlegen: Schaffe ich das oder scheitere ich an diesem Vorhaben? – Ich habe es geschafft, und ich muss ehrlich sagen: Fast 15 Jahre bin ich Bürgermeisterin, und es erfüllt mich jeden Tag mit Freude, ans Werk zu gehen, für die Menschen da zu sein, die Wünsche umzusetzen. Wir haben wirklich auch ein gutes Netzwerk.
Liebe Anna, der Gemeindebund sorgt für uns Bürgermeisterinnen in ganz Österreich dafür, dass wir uns ganz herrlich vernetzen dürfen. Wir treffen uns regelmäßig. Es gibt einmal im Jahr diese Bürgermeisterexkursion, und da ist es egal, ob Grün, ob Rot, ob Schwarz, sondern es geht um die Themen der Frauen, wie wir uns stärker machen können, wie wir hinausgehen und andere Frauen für das gemeinschaftliche Leben gewinnen können und natürlich wie wir alle Anliegen und Wünsche, die die Bürger:innen haben, umsetzen können.
In diesem Sinne: Vielen, vielen herzlichen Dank, dass Sie alle heute hier waren! Ja, wir haben noch viel Arbeit und es gibt noch viel zu tun. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall.)
Corinna Milborn: Dann komme ich doch noch einmal und darf zum Empfang einladen. Das obliegt natürlich der Gastgeberin, also im Namen der Präsidentin dürfen wir jetzt zu einem Empfang in der Säulenhalle einladen. Bitte nützen Sie die Gelegenheit, sich zu vernetzen! Reden Sie miteinander, machen Sie einander Mut und feiern Sie den Internationalen Frauentag, wie er gefeiert werden soll! – Einen schönen Nachmittag noch. (Beifall.)