Transkript der Veranstaltung:
#MehralseinKreuzerl:
Erklär- und Diskussionsformat zur NR-Wahl
Ali Mahlodji (Moderation): Einen schönen guten Morgen alle zusammen, auch an alle, die gerade via Livestream zugeschaltet sind! Ich möchte mich einmal bei euch allen bedanken, weil ihr heute alle da seid. Ich weiß noch, als ich damals ein Jugendlicher war, gab es keine Veranstaltungen wie diese hier, es gab damals auch wenige Lehrer und Lehrerinnen, die sich Gedanken darüber gemacht haben: Wie können wir die jungen Menschen heranführen an all die Möglichkeiten, die sie in einem Land wie Österreich haben? Deshalb bitte einmal einen Riesenapplaus für die Lehrer und Lehrerinnen, die das auch ermöglicht haben (Beifall), einmal einen fetten Applaus auch für die Leute aus der Parlamentsdirektion, auch für die Technik und für die Übersetzer, für die Personen, die jetzt gerade auch zugeschaltet sind – bitte auch einen Riesenapplaus für unsere Dolmetscher für die Gebärdensprache! Danke schön! (Beifall.)
Mein Name ist Ali Mahlodji. Wir haben heute hier entschieden, wir sind dann per Du: also einfach Ali – den Nachnamen kann eh keiner aussprechen, Ali reicht vollkommen. Und was ich die Hälfte meiner Zeit tue, ist: Ich verbringe die Zeit mit jungen Menschen, mit Schülern und Schülerinnen. Und wenn ich mit Jugendlichen zu tun habe, so wie mit euch, dann sehe ich keine Jugendlichen, sondern wenn ich euch ansehe, sehe ich die Erwachsenen der Zukunft.
Ihr seid die Menschen, die in der Zukunft festlegen werden, wie wir in der Gesellschaft leben, wie wir zusammenleben, welche Welt wir haben wollen, und dazu gehört es auch, zu wählen, dazu gehört es auch, eine Stimme zu haben. Wir können natürlich in Österreich alle paar Jahre wählen, aber wir können darüber hinaus auch über andere Möglichkeiten in dieser Welt mitbestimmen, wie wir zusammen leben wollen, eben auch demokratisch. Jede einzelne Stimme von euch hier zählt!
Wir haben heute zwei Experten und eine Expertin hier, mit denen ich genau über diese Themen sprechen werde. Ihr habt natürlich dann auch die Möglichkeit, eure Fragen zu stellen. Bevor ich dann den genaueren Ablauf erkläre, hole ich jetzt den Karl-Heinz zu mir. Das ist nämlich der Sprecher der Parlamentsdirektion, der jetzt offiziell die Eröffnungsworte an euch spricht. Bitte einen Riesenapplaus! (Beifall.)
Bitte schön, die Bühne gehört dir.
Karl-Heinz Grundböck (Parlamentssprecher): Danke, Ali.
Was kann man nach Ali Mahlodji jetzt noch weiter sagen? – Ich versuche es mit ein paar Worten: Vielen Dank für diese freundliche Begrüßung! Ich möchte mich auch dem Dank anschließen: Ich finde es großartig, dass ihr alle da seid! Danke fürs Kommen! Danke auch an die Lehrerinnen und Lehrer, die das ermöglichen und unterstützen.
Ich möchte nicht allzu sehr wiederholen, was schon gesagt worden ist, aber noch einmal betonen: Am kommenden Sonntag finden nach fünf Jahren wieder Wahlen zum Nationalrat statt. Das heißt, die Entscheidung über die 183 Abgeordneten, die dann ab Oktober hier in diesem Saal gemeinschaftlich oder mehrheitlich Beschlüsse fassen werden, wird am kommenden Sonntag getroffen, und ich glaube, viele von euch sind diesen Sonntag bei diesen Wahlen zum ersten Mal auch wahlberechtigt.
Das hier ist so etwas wie das Herz der Demokratie in Österreich. Was mir immer wichtig ist: Demokratie dürfen wir nicht verwechseln – und ich glaube, das ist oft so ein bisschen ein Missverständnis – mit dem Diktat der Mehrheit. Demokratie ist etwas anderes, nämlich: Demokratie ist die Gewissheit, dass jede Stimme zählt, die Gewissheit, dass auch alle zu Wort kommen. Und Demokratie reduziert sich ja nicht auf das, was hier herinnen passiert, wenn die Abgeordneten abstimmen, sondern Demokratie ist ja überall in unserem Alltag auch allgegenwärtig.
Frage: Es gibt sicherlich auch Schulsprecherinnen und Schulsprecher hier herinnen, Klassensprecherinnen und Klassensprecher. Hand hoch! – Ja, sind da. Seid ihr autoritär bestimmt worden oder seid ihr gewählt worden? – Alle gewählt. Das heißt, ihr habt auch schon alle Erfahrung in der Frage von Demokratie und Wahlen. Das heißt, ihr seid in Wirklichkeit gar nicht so sehr Erstwählerinnen und Erstwähler, denn ihr habt ja im kleineren Rahmen auch schon gewählt. Und genauso wie ihr im kleinen Rahmen in der Klasse eure Klassensprecherinnen und Klassensprecher, in der Schule dann die Schulsprecherinnen und Schulsprecher schon gewählt habt, genauso dürfen viele jetzt auch bei der Nationalratswahl – und nur da zum ersten Mal – wählen, welche 183 Abgeordneten dann für die nächsten fünf Jahre hier herinnen Beschlüsse fassen sollen und so darüber entscheiden, nach welchen Regeln wir in diesem Land zusammen leben wollen und sollen.
Da gibt es natürlich viele Detailfragen, die sich stellen: Wie funktioniert das alles mit dem Parlament, mit dem Nationalrat?, vielleicht auch die Frage: Was ist denn die Parlamentsdirektion?, und für all diese Fragen haben wir jetzt auch Zeit.
Ein ganz großes Danke an Ali Mahlodji, der euch durch diese Veranstaltung leiten wird! Ein ganz großes Danke auch an Christoph Clar und Julia Heiss, unsere zwei Vertreterinnen und Vertreter aus dem Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienst der Parlamentsdirektion, die, glaube ich, zumindest für mich, alle Fragen, die es zu diesem Thema nur gibt, beantworten können. Das ist die Aufforderung an euch: Vielleicht findet ihr Fragen, wo die beiden einmal auch nur raten müssen und die Antwort nicht sofort kennen. Das also wäre so etwas wie das Ziel für die Veranstaltung jetzt.
Danke noch einmal, und damit darf ich wieder zurückgeben an Ali.
Ali Mahlodji: Einen großen Applaus, bitte! (Beifall.) – Danke dir vielmals. – Danke.
Okay, jetzt habe ich ein drittes Mikro – das nehme ich mit nach Hause.
Ihr seht, diese Veranstaltung hier findet nicht für das Parlament statt, die findet für euch statt. Das heißt, es gibt ganz viele Menschen in dieser Welt, in Österreich, die sich Gedanken darüber machen, wie man euch die Informationen zukommen lassen kann, wie man euch die Möglichkeit geben kann, auch eure Fragen zu stellen.
Ich gebe jetzt einen ganz kleinen Überblick über die zwei Stunden, die wir jetzt haben. Wir haben jetzt gemeinsam zwei Stunden, drei Themenblöcke, in der Mitte gibt es eine Pause. Die dauert ungefähr 10 Minuten, da könnt ihr euch die Beine vertreten, rausgehen auf die Toiletten, aber wir starten danach relativ pünktlich wieder. Bei den drei Themenblöcken geht es darum: Welche Rolle spielen die Wahlen überhaupt in unserer Demokratie? Wir hören ständig: Wählen, wählen!, aber welche Rolle spielt es wirklich? Wie wird das Ganze überhaupt ablaufen, also wie ist der ganze Prozess? Auch für euch ist das sicher spannend für Sonntag. Und dann gibt es noch die allgemeinen Themen. Ich weiß, dass es hier Schulklassen gibt, die sich schon Fragen überlegt haben, und die werden wir dann auch diskutieren.
Ihr habt schon gehört, wir haben heute zwei Experten hier, Julia und Christoph, und die würde ich jetzt einmal beide zu mir auf die Bühne bitten. Bitte einen Riesenapplaus für die beiden! (Beifall.)
Während die beiden herkommen, stelle ich die beiden jeweils mit einem kurzen Satz vor. Zu Julia: Bei Julia ist es so, dass sie bei den anstehenden Wahlen nicht wählen kann, aber das hindert sie nicht daran, leidenschaftlich über Politik zu diskutieren. – Das werden wir auch gleich auflösen, warum du nicht wählen darfst.
Und zu Christoph: Er kann sich keinen cooleren Job vorstellen, als mit jungen Menschen über Politik zu sprechen. Und an der Demokratie, hat er mir vorhin erzählt, ist für ihn das Wichtigste, dass auch kleine Gruppen, das heißt Minderheiten, wirklich gehört werden. – Das haben wir gerade auch beim Eingangsstatement gehört.
Seid ihr ready? – Fangen wir an! Gut, das eine Mikro lasse ich hier.
Erstens einmal: Schön, dass ihr euch die Zeit nehmt! Wie ist denn das für euch, hier zu sein, all diese jungen Menschen zu sehen und daran zu denken, wie das einmal bei euch war, als ihr jünger wart?
Julia Heiss (Abteilung 3.2 – Parlamentswissenschaftliche Grundsatzarbeit): Wir freuen uns natürlich sehr, dass heute so viele junge Menschen da sind, dass wir euch ein bisschen etwas über die kommenden Wahlen erzählen können. Wir sind immer sehr daran interessiert, uns auch mit jungen Menschen auszutauschen, und es ist, glaube ich, für beide Seiten von uns eine große Freude, dass wir das heute machen können.
Ali Mahlodji: Eine kurze Frage: Ganz ehrlich, hat dich Politik interessiert, als du in diesem Alter warst?
Julia Heiss: Ich muss dazu sagen: Ja, ich war schon immer sehr politisch interessiert. Das hat wahrscheinlich mit meiner Familie zu tun. Bei uns ist in der Familie immer schon viel über Politik diskutiert worden, und das hat dann irgendwann auch dazu geführt, dass ich selbst Politikwissenschaft studiert habe – und deswegen bin ich mehr oder weniger auch heute hier.
Ali Mahlodji: Ich danke dir. Und jetzt noch ganz kurz: Warum darfst du nicht wählen? (Erheitert:) Hast du etwas angestellt – oder?
Julia Heiss (erheitert): Nein, ich darf deshalb nicht wählen, weil ich ursprünglich aus Südtirol komme. Das heißt, ich habe die italienische Staatsbürgerschaft und nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, und ich darf deshalb bei den Nationalratswahlen nicht wählen.
Ali Mahlodji: Vielen Dank für die Antwort.
Lieber Christoph, wie war das bei dir in der Jugend? Wenn du dir so die Gesichter ansiehst: Hast du dir in diesem Alter gedacht: Eines Tages arbeite ich im Parlament oder für das Parlament?
Christoph Clar (Abteilung 3.2 – Parlamentswissenschaftliche Grundsatzarbeit): Also erst einmal: Hallo! Dass ihr da seid, freut mich auch sehr.
Bei mir ist die Zeit, als ich jung war, ein bisschen länger her als bei Julia. Ich kann mich trotzdem noch erinnern. Bei mir war das damals die Zeit, in der Jörg Haider groß geworden ist und so weiter. Da hat sich hier in diesem Haus einfach viel getan, weil nicht mehr nur die zwei Parteien, die zwei großen Parteien irgendwie alles bestimmt haben: Die FPÖ ist größer geworden, die Grünen sind ins Parlament gekommen. Ich habe damals irrsinnig gern Umfragen gelesen und solche Dinge. Ich habe also gedacht, ich werde Politikwissenschafter, habe aber gedacht, das sind nur die, die eben diese Umfragen machen. Politikwissenschafter:innen machen sehr viel mehr. – Im Endeffekt ist es dann so etwas Ähnliches geworden.
Ali Mahlodji: Sehr cool. Also vielen Dank, dass ihr euch auch heute die Zeit nehmt, hier die Fragen – von mir und dann von den Jugendlichen – zu beantworten.
Ich würde sagen, wir starten gleich einmal los. Und zwar ist die erste Sache, die ich gern von euch wissen möchte: Seit wann darf man in Österreich eigentlich schon wählen?
Christoph Clar: Das ist immer die Frage: Was ist eine Wahl, und was ist eine demokratische Wahl? Die erste Wahl gab es ja noch zu Zeiten der Monarchie, das war vor über 175 Jahren. Dann hat sich der Kaiser gedacht: Das ist vielleicht doch nicht so cool, wenn andere mitbestimmen dürfen, das schaffen wir wieder ab! – Dann hat es wieder 13 Jahre gedauert, bis man wieder wählen durfte, das war aber noch immer keine direkte Wahl, so wie es jetzt ist. Ihr wählt ja dann tatsächlich diejenigen, die hier herinnen sitzen werden. Das war damals noch nicht der Fall. Langer Rede kurzer Sinn: Es hat immer wieder gedauert. Es gab diverse Versuche, Wahlen irgendwie stattfinden zu lassen, aber die waren immer eingeschränkt, oft nach Geschlecht eingeschränkt – nicht immer gleichermaßen – und danach, wie viel man verdient. Die Stimmen waren auch unterschiedlich viel wert. – Das ist heute Gott sei Dank nicht mehr so.
Die letzte Wahl vor dem Ersten Weltkrieg war dann die erste nach allgemeinem, gleichem, direktem Wahlrecht, wie man so schön sagt, für Männer. Also Frauen durften natürlich noch immer nicht wählen. Der Beschluss, dass Frauen auch wählen dürfen, wurde aber glücklicherweise gleich nach dem Ersten Weltkrieg gefasst. Und so war es dann die erste Wahl, bei der dann wirklich alle wählen durften, die zumindest diese Kriterien erfüllten – das werden wir später noch besprechen –, inklusive natürlich aller Frauen, und die Stimmen auch gleich viel wert waren.
Wenn wir das dann durchdenken: Danach waren ja dann in Österreich noch einige Phasen der Diktatur – also ab 1933 gab es die Diktatur, und dann später mit Nazideutschland, wovon Österreich ein Teil war, die nächste Diktatur –, da gab es natürlich auch keine Wahlen, sondern dann erst ab 1945 wieder. Wenn man das alles zusammenrechnet, hatten wir erst 83 Jahre – habe ich zusammengerechnet –, in denen alle wählen dürfen; alle, die halt wie gesagt die Staatsbürgerschaft haben und so weiter. Und das ist gar nicht so viel: Mein Vater ist gerade 80 geworden, ihr habt wahrscheinlich Großeltern, die in diesem Alter sind. Also das ist gerade einmal eine Lebenszeit oder weniger, dementsprechend ist das nach wie vor gar nicht so etwas Selbstverständliches.
Ali Mahlodji: Hat sich seit 1945 dann noch irgendetwas geändert, oder gab es in der jüngeren Vergangenheit irgendwelche Anpassungen oder auch Neuerungen?
Julia Heiss: Seit 1945 hat sich das österreichische Wahlsystem tatsächlich nicht mehr so stark verändert. Es galt nach dem Zweiten Weltkrieg natürlich einmal, so schnell wie möglich ein stabiles demokratisches System wiederaufzubauen, aber es gibt gewisse Grundprinzipien der Wahl, die sich seither nicht verändert haben. Das ist, dass wir nach wie vor das Listenwahlrecht und das Verhältniswahlrecht haben. Das heißt, wir wählen immer noch anhand von Listen, die die Parteien im Vorhinein erstellen, und je mehr Stimmen eine Partei bekommt, desto mehr Sitze bekommt sie dann auch im Nationalrat – oder im Gemeinderat.
Was allerdings schon geändert wurde, und das ist schrittweise angepasst worden, ist eben zum Beispiel das Wahlalter, das aktive. Das wurde von 21 Jahren dann schrittweise heruntergesetzt. 1992 war es zum Beispiel dann schon bei 18, und dann hatten wir natürlich 2007 diesen großen Meilenstein, dass das Wahlalter in Österreich auf 16 heruntergesetzt wurde. Damit ist Österreich auch eines der wenigen Länder weltweit, die es jungen Menschen schon mit 16 ermöglichen, wählen zu gehen. Der Grundgedanke dahinter war, dass man auch junge Menschen schon früh in politische Entscheidungen miteinbeziehen möchte und ihnen eben auch, was ich ganz wichtig finde, eine Stimme geben möchte.
Dann, was sich noch geändert hat: , Wir haben auch das Wahlrecht für Auslandsösterreicherinnen und -österreicher schrittweise erweitert, sodass heute auch Österreicherinnen und Österreicher, die im Ausland leben, wählen dürfen. Dann ist auch die Vorzugsstimme eingeführt worden. Also es hat schon Veränderungen gegeben, die sich im Laufe der Jahre seit 1945 auf das Wahlsystem ausgewirkt haben.
Ali Mahlodji: Jetzt zu den Kriterien selbst: Du hast schon einige Sachen erwähnt, also das Alter 16, Staatsbürgerschaftsthemen. Gibt es aber trotzdem noch irgendwelche Hauptkriterien, wo ihr sagt: Das sind die Kriterien dafür, wer überhaupt wählen darf!? Hast du jetzt irgendetwas vergessen, oder kann man da noch irgendetwas ergänzen?
Christoph Clar: Jetzt hast du alles vorweggenommen, glaube ich.
Ali Mahlodji: Entschuldigung, bitte.
Christoph Clar: Na wunderbar – sehr schön, wenn alle das wissen und nicht nur wir Expert:innen! Also man muss am Tag der Wahl 16 Jahre alt sein. Das einzige Land in der EU, das das noch hat, ist Malta. Da sind wir also wenigstens einmal irgendwo ein bisschen voraus. Gewählt werden darf man erst ab 18 – das kann man vielleicht noch dazusagen, das sogenannte passive Wahlrecht: Ihr dürft euch also noch nicht hier herein wählen lassen, aber es ist bald so weit. – Und man braucht die Staatsbürger:innenschaft. Man muss dann noch in die Wähler:innenevidenz eingetragen sein – das passiert eigentlich automatisch, aber zur Not könnt ihr einmal nachschauen, ob ihr da wirklich drinnen steht, damit es da auch keine Probleme gibt.
Ali Mahlodji: Ich habe eine Frage hier an die Runde – da seid ihr jetzt alle dazu eingeladen, und wir haben auch drei Personen mit Handmikros, die durchgehen –, eine kleine Schätzfrage an die Runde. Was glaubt ihr alle: Wie viele Menschen, die in Österreich leben, haben das Recht, zu wählen? Wie viele Prozent sind es? Das ist nur einmal eine Schätzfrage. Wer eine Idee hat, einmal kurz aufzeigen! – Hier vorne der Herr. Hat jemand ein Handmikro, um kurz zu ihm zu gehen? – Warte, ganz kurz, da kommt jemand. – Nein, nein, nein, dafür haben wir perfektes Personal. – Bitte schön.
Schüler: Schätzomativ 70 Prozent.
Ali Mahlodji: 70 Prozent, okay. Haben wir andere Zahlen? Mehr, weniger? 80 Prozent, habe ich gehört. Was noch? – Da hinten. Warte, es kommt ein Handmikro.
Schüler: 85.
Ali Mahlodji: 85! Woah, der will es genau wissen, okay. Gut, haben wir noch einen? – Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten.
Wie ist es wirklich?
Christoph Clar: Der erste Guess war schon ganz gut. Wir sind sogar noch darunter, wir sind bei 66 Prozent. Also wir haben aktuell ungefähr 9,2 Millionen Menschen, die in Österreich leben – natürlich nicht alle im wahlfähigen Alter, sondern alle, die dazu zählen –, und davon sind aktuell 6,3 Millionen wahlberechtigt, das sind also knapp zwei Drittel.
Wenn ich da aber noch etwas dazusagen dürfte?
Ali Mahlodji: Ja, klar! Bitte!
Christoph Clar: Bei der letzten Wahl sind dann von diesen Wahlberechtigten – das waren damals vielleicht noch ein bisschen weniger – 75 Prozent, 75,6 Prozent waren es genau, zur Wahl gegangen. Wir haben dann, glaube ich, auch eine Grafik der Wahlbeteiligung. – Genau! Der oberste Strich, die gelbe Zahl, sind die Nationalratswahlen, also da gehen eh noch mehr Leute hin als zum Beispiel bei den Bundespräsident:innenwahlen oder bei der EU-Wahl, aber sprich: 75 Prozent von diesen zwei Dritteln sind wählen gegangen. Und wenn wir uns das wieder durchrechnen, dann sind ganz knapp über 50 Prozent von den Menschen, die in Österreich leben, wirklich zur Wahl gegangen und haben die Leute bestimmt, die dann hier herinnen sitzen und über doch sehr viele wichtige Dinge, die dann wiederum alle betreffen, entscheiden.
Da müssen wir uns natürlich Gedanken darüber machen, inwiefern das den Ansprüchen einer Demokratie gerecht wird oder nicht. Dementsprechend ist es einfach auch so wichtig, dass alle, die wählen dürfen, auch tatsächlich hingehen und von diesem Wahlrecht auch Gebrauch machen.
Ali Mahlodji: Wenn letztlich so wenige Menschen wählen, gibt es dann auch noch andere Möglichkeiten für die Menschen, sich in einer Demokratie irgendwie einzubringen, sich zu beteiligen? Denn, so wie du es vorhin gesagt hast: Wahlen finden ja nur alle fünf Jahre statt. Aber gibt es noch andere Optionen, andere Möglichkeiten?
Julia Heiss: Absolut. Es gibt viele verschiedene Wege, wie man sich an der Demokratie beteiligen kann, die eben über diese bloße Stimmabgabe hinausgehen. Dazu gehört zum Beispiel die parlamentarische Bürgerinitiative: Wenn man der Meinung ist, dass das Parlament sich mit einem Thema beschäftigen sollte, kann man dafür Unterschriften sammeln, und wenn man 500 Unterschriften gesammelt hat, dann muss das Parlament sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Dafür gibt es einen eigenen Ausschuss im Parlament, und der beschäftigt sich dann damit.
Ein weiteres Instrument sind die Volksbegehren. Sie sind für Bürgerinnen und Bürger ein Weg, selbst ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten. Auch dazu braucht es wieder genug Unterstützung, das sind in diesem Fall 100 000 Stimmen von wahlberechtigten Österreichinnen und Österreichern. Wenn man diese 100 000 Unterschriften oder Unterstützungen erhält, dann muss sich ebenfalls der Nationalrat damit auseinandersetzen. Das war zum Beispiel 2019 der Fall, da wurden für das Don’t-smoke-Volksbegehren fast 900 000 Unterschriften gesammelt, und das hat in weiterer Folge dann tatsächlich dazu geführt, dass in Österreich das generelle Rauchverbot für die Gastronomie eingeführt wurde.
Dann gibt es auch noch die Volksabstimmung. Das heißt, der Nationalrat lässt über einen Gesetzesbeschluss, den er gefasst hat, im Nachhinein noch das Volk abstimmen, ob es für das Inkrafttreten oder dagegen ist. Das war zum Beispiel in den 1970er-Jahren der Fall, als über die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks in Zwentendorf abgestimmt wurde und sich die österreichische Bevölkerung eben dagegen ausgesprochen hat, sodass dieses AKW nie in Betrieb genommen wurde.
Neben diesen Instrumenten gibt es dann natürlich auch noch andere Möglichkeiten: Man kann zum Beispiel auf der Website des österreichischen Parlaments zu allen laufenden Gesetzesvorhaben eine Stellungnahme abgeben – das heißt, man kann seine Meinung dazu äußern – und man kann auch bereits eingegangene Stellungnahmen unterstützen.
Und dann, was man natürlich immer auch noch machen kann: Man kann zu Demonstrationen gehen, man kann seine Meinung dort äußern, man kann an solchen Diskussionsveranstaltungen teilnehmen, wie wir sie hier heute machen, einen Leserbrief schreiben oder sonst irgendwie in den sozialen Medien aktiv werden. Das sind alles Wege, wie man sich über die Stimmabgabe bei der Wahl hinaus an einer Demokratie beteiligen kann.
Ali Mahlodji: Ich danke dir dafür.
Bevor wir gleich zu den Fragen aus dem Publikum übergehen, erlaubt mir vielleicht einen kurzen Einwurf: Ihr könnt euch alle denken, mein Name Ali Mahlodji ist jetzt kein klassischer österreichischer Name – das ist jetzt kein Name wie Stefan Huber oder so. Ich bin im Iran geboren, und als ich drei Jahre alt war, sind meine Eltern vor dem Regime dort geflohen. Meine Eltern waren einmal auf der Straße, um gegen das Chomeini-Regime zu demonstrieren, und sie wären fast verhaftet worden – und die Menschen, die damals bei dieser Demo verhaftet worden sind, haben alle die Todesstrafe bekommen.
Ich war damals drei Jahre alt und meine Eltern haben damals gesagt, in so einem Land wollen sie nicht leben, haben mich geschnappt und wir sind damals auf illegalem Weg, weil es anders nicht ging, mit einer Schlepperbande geflohen – über die Türkei, und dann sind wir durch Amnesty International und andere Hilfsorganisationen nach Europa gebracht worden. Aufgewachsen bin ich in einem Flüchtlingsheim namens Traiskirchen.
Jetzt könnte man sagen: Harte Jugend, Flüchtlingsheim, ein Fremder in einem fremden Land. – Meine Eltern haben immer gesagt: Wir haben zwar vielleicht vieles im Iran zurückgelassen, vieles an Hab und Gut, auch unsere Freunde und Familien, aber wir haben eine Freiheit gewonnen.
Und das, was du gerade erwähnt hast, diese Tools, die für euch vielleicht normal sind, mit denen ihr aufgewachsen seid, die auch euer Leben hier definieren: In dem Land, aus dem ich komme, würden sich die Menschen das wünschen, jeden Tag! Deshalb sollte man auch manchmal verstehen, dass es ein Riesenprivileg ist, in Österreich zu leben, wo es einfach Generationen vor uns gab, die dafür gekämpft haben, dass wir all diese Tools haben. – Und danke noch einmal, dass du diese Tools erklärt hast.
So, weiter im Programm! Jetzt kommen wir zu den Fragen. Ich weiß, dass es hier Schulklassen gibt, die sich Fragen überlegt haben zu dem ersten Themenblock: Welche Rolle spielen Wahlen in unserer Demokratie? – Ich würde die Personen, die sich schon Fragen überlegt haben, bitten, einmal aufzuzeigen, und wir gehen dann die Fragen durch.
Da hinten, der Herr in dem weißen Hemd und dem weißen Rollkragenpullover und der coolen Brille: Bitte schön! Sagst du uns vielleicht kurz, von welcher Schule du bist, und wenn du Lust hast, auch noch deinen Vornamen. – Okay, es kommt noch eine Schule nach, aber das braucht euch jetzt nicht zu kümmern. – Bitte schön, schieß los!
Schüler: Also ich gehe in die Schule BSVB – für die Verwaltungsberufe ‑, und ich habe insgesamt drei Fragen.
Ali Mahlodji: Drei Fragen?
Schüler: Drei Fragen, wenn das in Ordnung ist.
Ali Mahlodji (erheitert): Habt ihr Zeit? – Wir haben Zeit bis 12 Uhr. (Clar: Wir haben nichts vor, ja!) – Okay, passt. – Bitte schön!
Schüler: Gut. Also meine erste Frage wäre: Wie hat sich die Demokratie in Österreich historisch entwickelt? Und welche Aspekte aus den Krisen der Ersten Republik und der autoritären Phase vor dem Zweiten Weltkrieg hat das Parlament bei der Weiterentwicklung des politischen Systems berücksichtigt? Und wie wird sich das Parlament in Zukunft verändern?
Ali Mahlodji: Ist spannend. Wer hat Lust zu antworten?
Christoph Clar: Ich versuche es. Danke.
Ali Mahlodji: Vielen Dank für die Frage!
Christoph Clar: Das möchte ich auch sagen: Danke für die Frage, die Fragen, die wirklich gut sind. Ich versuche das jetzt nicht bei jeder Frage dazuzusagen, aber: Weil sie so viel aufmacht, ist es natürlich schwer zu beantworten, weil es sozusagen eine sehr breit gestellte Frage ist.
Es gibt schon so ein paar konkrete Dinge, die sich geändert haben. Wenn wir auf die autoritäre Phase blicken, als 1933 damals die Demokratie zu Ende gegangen ist: Nach 1945 wurden ein paar Spielregeln – nennen wir es einmal so – geändert. Ein Problem war ja damals, dass alle, die hier oben normalerweise sitzen, die Präsident:innen, dann weg waren, und es hat sozusagen der Schiedsrichter, die Schiedsrichterin gefehlt, die das Spiel hier weiter leitet. Jetzt gibt es konkrete Regeln, damit so etwas nicht mehr passieren kann. Das hat aber bis 1975 oder so gedauert. Da ist die Demokratie manchmal also ein bisschen langsam, bis sie sich weiterentwickelt.
Oder: Was passiert, wenn zum Beispiel bei einem Gesetzesvorhaben fifty-fifty abgestimmt wird? – Dafür gibt es jetzt also konkrete, konkretere Regeln, damit das nicht mehr passieren kann.
Ich glaube aber, die wichtigeren Lehren, die man daraus zieht, sind trotzdem andere, und die müsst ihr genauso ziehen wie wir. Wir waren damals auch nicht dabei, insofern haben wir da trotz unseres Altersvorsprungs jetzt keinen Vorsprung. Wir müssen da die Geschichte lesen und darüber nachdenken und diese Räume auch schaffen und wahrnehmen, dass sich Demokratie auch weiterentwickelt.
Also wenn Leute eben nicht mehr ihr ganzes Leben lang am selben Ort wohnen – weil sie für die Arbeit wohin müssen, keine Ahnung, weil sie sich verlieben, woanders hinziehen –, dann muss die Demokratie das auch irgendwie auffangen können – also dass dann Leute hier leben, die vielleicht nicht 20, 30 Jahre hier leben und vielleicht trotzdem mitbestimmen wollen.
Wir müssen Menschen eine Möglichkeit geben, eben gehört zu werden. Das haben wir vorhin schon besprochen, das hat auch Karl-Heinz schon angesprochen, also ihr seht, das ist im Parlament einfach ganz zentral: Wie können wir Menschen hören, die vielleicht auch nicht zur Wahl gehen können? Da gibt es ja viele sogenannte partizipative Verfahren, mit denen man also versucht, alle möglichen Menschen trotzdem zu hören, auch wenn sie nicht wählen dürfen. Wählen ist halt dieses Kreuzerl, und es gibt halt noch viel darüber hinaus. Auch darüber müssen wir nachdenken.
Wir müssen auch noch einmal betonen, dass dieses Wählen einmal alle fünf Jahre – oder manchmal passiert es ein bisschen früher – einfach nicht alles ist. Es ist total wichtig – bitte es nicht zu unterschätzen –, aber es ist nicht alles. Fünf Jahre lang braucht es uns alle, dass wir diese Lehren, die du da jetzt angesprochen hast, ziehen und miteinbringen und die Demokratie dann auch weiterentwickeln.
Zu der Frage, wie das Parlament das tatsächlich widerspiegelt oder wie das vielleicht auch in Zukunft ausschauen wird: Ich bin jetzt weder Zukunftsforscher, noch bin ich jemand, der das mitbestimmt, weil wir eben keine Politiker:innen sind, sondern hier sozusagen nur die Verwaltung. Es gibt aber natürlich Weiterentwicklungen in Richtung zum Beispiel Technologie. Wir beschäftigen uns viel mit künstlicher Intelligenz. Vielleicht gibt es irgendwann einmal ein E-Voting oder so etwas. Oder: Es gibt ja immer mehr Wissen, und die Abgeordneten, die Politiker:innen sollen dieses ganze Wissen, sollen das alles irgendwie mit hierherbringen und daraus gute Politik machen – und wir müssen darüber nachdenken, wie man das auch unterstützen kann.
Also in dieser Richtung wird sich viel tun. Andererseits müssen wir einfach wie gesagt darüber diskutieren, wie sich Demokratie weiterentwickelt und diese anderen Prozesse, wie ein Bürger:innenrat. Ich weiß nicht, ob jemand von euch schon zum Beispiel vom Klimarat der Bürger:innen gehört hat, wo Bürger:innen eingeladen wurden, da mitzudiskutieren. Das muss man nicht super finden, man kann auch sagen, der Prozess ist schlecht gelaufen oder das ist ein totaler Blödsinn, aber wir müssen uns den Raum nehmen, darüber zu diskutieren – und nicht sagen: Demokratie ist super, so wie sie ist, dabei bleiben wir!
Ich höre jetzt dann auf mit meinem Monolog, nur etwas noch ganz kurz, weil es mir irgendwie wichtig ist: Ich muss dann um 12 Uhr relativ pünktlich weg, weil eine für mich wichtige Person vor Kurzem verstorben ist, eine Politikwissenschaftsprofessorin, bei der ich meine Dissertation und meine Diplomarbeit geschrieben habe. Das war Eva Kreisky, und sie hat betont, dass es in der Demokratie einfach darum geht, „Rechte wieder zu holen, die wir als erkämpft und längst erledigt empfinden“. – Das ist, glaube ich, sehr, sehr wichtig: Okay, unsere Vorfahr:innen haben das alles erkämpft, aber wir müssen einfach weiter dabeibleiben und weiter darauf schauen, ob das auch weiterhin so gelebt wird und wie wir das weiterentwickeln können.
Ali Mahlodji: Es ist so schön, zu sehen, wie ihr zwei so beherzt für das Thema eintretet!
Christoph Clar: Wofür sonst?
Ali Mahlodji: Das ist unglaublich. Danke schön dafür!
Welche Frage haben wir als Nächstes? – Bitte schön. Ist das die Reihe mit den Fragen, oder? Bitte schön. Von welcher Schule bist du?
Schülerin: Ich bin auch von der BSVB, von der Embelgasse, und meine Frage wäre: Über welche Kompetenzen muss ein Abgeordneter verfügen, um seine Aufgaben bestmöglich erfüllen zu können?
Christoph Clar: Das versuche ich wieder.
Also es ist nirgends festgeschrieben, was ein Abgeordneter, eine Abgeordnete können muss, und das ist auch gut so, denn hier herinnen sollen nicht nur, ich weiß nicht, Studierte oder nur Jurist:innen oder sonst irgendetwas sitzen, sondern es soll ja jeder hier herein gewählt werden dürfen. Insofern ist das auch gut. Deswegen können wir jetzt sozusagen keinen Kriterienkatalog vorlesen, der festlegt: Das muss eine Abgeordnete können!, aber ich würde einmal versuchen, das so zu definieren:
Ich habe es vorhin gerade kurz angesprochen, die müssen ja mit irrsinnig viel Wissen operieren, das sie selber alles gar nicht in sich drinnen haben müssen – denn da sitzen Abgeordnete, die müssten sich dann mit Klimapolitik, mit Sozialpolitik, mit Medizin, mit keine Ahnung was, mit allem auskennen, das geht sich natürlich nicht aus.
Dazu kommt noch so etwas wie ein Prozesswissen, oder wie man es nennen mag, also: Wie funktioniert Politik eigentlich? – Wenn ich hier herinnen sitze und einen Gesetzesvorschlag einbringe, muss ich ja auch wissen, wie es funktioniert. Da kann ich nicht einfach hergehen und sagen: Ich habe eine Idee, was machen wir damit?
Es sind also, glaube ich, diese zwei Formen von Wissen, die man hereinbringen muss: einerseits wie gesagt über bestimmte Politikbereiche, andererseits über bestimmte Prozesse – und das müssen sie irgendwie zusammenbringen können.
Und da sie das sicher nicht alles in sich drinnen mittragen und nicht alles irgendwo in der Schule oder woanders gelernt haben, müssen sie halt wissen, wen sie fragen können. Sie haben Mitarbeiter:innen, sie können teilweise uns von der Verwaltung fragen – obwohl wir jetzt nicht so viele sind, dass wir sie da wirklich ausreichend unterstützen können –, und dazu gehören sicher auch Social Skills. Also: Mit wem spreche ich? – Ich rede jetzt gar nicht nur über Wissenschafter:innen und Expert:innen, sondern auch: Wie rede ich mit Bürger:innen? Wie rede ich mit Interessenvertretungen, mit Organisationen und so weiter? – Dieses Wissen alles irgendwie zusammenzubringen und daraus dann irgendwelche Gesetze zu formen, das ist irrsinnig komplex – also ganz ehrlich, kein Job, den ich machen möchte. Aber ich glaube, das sind so die Kompetenzen.
Ich hoffe, dass das so einigermaßen die Frage beantwortet.
Ali Mahlodji: Danke vielmals.
Gibt es in diesem Block jetzt noch Fragen, die jemand vorbereitet hat? – Da ist noch eine Frage. Erste Reihe hier, der Herr in dem grauen Shirt. – Von welcher Schule bist du?
Schüler: Ich bin aus der Franklinstraße 26. Ich würde gerne fragen: Gibt es oder gab es Pläne für ein allgemeineres Wahlrecht, also nicht nur für österreichische Staatsbürger, sondern auch für Menschen ohne Staatsbürgerschaft?
Julia Heiss: Wir haben vorhin schon gehört, dass es in Österreich traditionell so ist, dass das Wahlrecht eben an die Staatsbürgerschaft gekoppelt ist. Das hat historische Gründe und das ist auch in vielen anderen Ländern so. Die Idee dahinter ist, dass die Menschen, die hier wählen, auch eine besondere Bindung an das Land haben, und das wird eben durch die Staatsbürgerschaft symbolisiert.
Diese Staatsbürgerschaft zu bekommen ist in Österreich gar nicht so einfach. Das heißt, es gibt gesetzlich sehr strenge Regelungen, wie man die Staatsbürgerschaft erhalten kann. Das Gesetz sieht da eben hohe Voraussetzungen vor. Das heißt, man muss ein gewisses Einkommen haben, man muss eine gewisse Zeit hier seinen Wohnort haben und so weiter. In der Summe sind es viele Voraussetzungen, die relativ streng sind, und deshalb ist es gar nicht so einfach, die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen – und damit bleiben eben alle, die die Staatsbürgerschaft nicht haben, vom Wahlrecht ausgeschlossen.
Das ist ein Thema, das zunehmend diskutiert wird, vor allem wenn wir uns vor Augen halten, wie die Zahlen sind. Wir haben schon gehört, es leben immer mehr Menschen hier in Österreich, die hier arbeiten, die Steuern zahlen, die aber trotzdem vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, weil sie eben die österreichische Staatsbürgerschaft nicht haben. Viele argumentieren zunehmend, dass auch diese Personen bei der Wahl eine Stimme bekommen sollen und dass auch sie sich beteiligen können sollen. Das ist aber wie gesagt eben eine Frage, wie man das regelt, denn grundsätzlich ist es nach wie vor so, dass das Wahlrecht an die Staatsbürgerschaft gekoppelt ist – und es ist nicht so einfach, das zu ändern.
Ali Mahlodji: Ich weiß noch, als ich zehn Jahre alt war, haben wir als Familie die Staatsbürgerschaft bekommen und wir waren so stolz darauf, und eines der ersten Dinge, die meine Mama gesagt hat, war: So, und jetzt gehen wir dann wählen!, so quasi in diese Richtung. Das ist auch ein ziemliches Privileg, muss man sagen. – Vielen Dank für die Frage.
Gibt es noch Fragen? – Haben wir jetzt keine? Der Herr aus der Technik hat eine Frage? – Das glaube ich nicht. Ich glaube, der wollte mir gerade nur etwas deuten.
Dann würde ich Folgendes sagen: Wir machen jetzt 10 Minuten Pause, und ich bitte euch alle, wirklich kurz vor 11 Uhr da zu sein, denn dann legen wir um 11 Uhr los mit dem zweiten Teil.
Vielen Dank an euch alle! Bis 11 Uhr! Danke schön.
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(Pause.)
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Ali Mahlodji: Wir sind wieder zurück! Es ist 11 Uhr. Auch an alle, die gerade via Livestream zugeschaltet sind: Hallo zusammen!
Wir machen jetzt weiter – und da rennt ein Flitzer durchs Bild, (erheitert:) aber Gott sei Dank nicht wie beim Fußball, sondern der hat etwas an. Ihr seht, das ist live, da ist nichts geschnitten.
Bevor wir jetzt in den Themenblock Nummer zwei einsteigen, und zwar: Wie wird denn eigentlich gewählt?, haben wir vorhin in der Pause noch kurz darüber gesprochen, dass es ja immer wieder Fragen oder Themen gibt, die aufpoppen, die vielleicht jetzt gerade in diesem Raum nicht gestellt werden, aber trotzdem relevant sind.
Christoph Clar: Ja, wir haben in der Pause auch noch einmal über die Frage gesprochen, die ihr gestellt habt, betreffend die Staatsbürger:innenschaft, ob es in diese Richtung Initiativen gibt, und wir haben sozusagen nur noch einmal betonen wollen, dass das natürlich eine politische Entscheidung ist. Also: Dass das Wahlrecht in Österreich an die Staatsbürgerschaft gekoppelt ist, um das zu ändern, braucht man eine Zweidrittelmehrheit; aber wie man die Staatsbürger.innenschaft bekommt, ob das vielleicht doch einfacher werden kann, um das zu entscheiden, braucht es eine einfache Mehrheit hier im Nationalrat, und natürlich muss auch noch der Bundesrat zustimmen. Das ist also eine politische Entscheidung. Wenn das ein Thema ist, das euch am Herzen liegt, dann schaut euch die Wahlprogramme der Parteien an. Da steht das – zumindest in den Parteiprogrammen, die ich kenne – auch drinnen, wie sie dazu stehen. Also wie gesagt, wenn euch das wichtig ist, dann informiert euch da einfach, ob das zu eurer eigenen Meinung dazupasst.
Ali Mahlodji: Super! Danke vielmals – denn das ist auch eine Sache, die mich interessiert hat.
Starten wir mit dem zweiten Block! Am Sonntag sind Wahlen. Die Frage ist: Welche Möglichkeiten habe ich überhaupt, meine Stimme da abzugeben? – Das ist sicher auch interessant für die Leute, die jetzt zum ersten Mal wählen.
Julia Heiss: Da ist grundsätzlich zu sagen, dass es mehrere Wege gibt, wie ich meine Stimme abgeben kann. Der klassische Weg ist: Am Sonntag finden, wie du gesagt hast, die Wahlen statt. Das heißt, da kann ich dann in meinem Wahllokal meine Stimme vor Ort abgeben.
Diese Wahllokale sind meistens in Schulen oder in Gemeindeämtern eingerichtet, und ich bekomme schon einige Wochen vor der Wahl – das sollte ungefähr schon im August gewesen sein – die sogenannte amtliche Wahlinformation, und in der steht drinnen, in welchem Wahllokal ich wählen darf, denn das Wahllokal ist in der Regel an meinen Wohnort gebunden, das heißt, ich kann nur dort wählen, wo ich auch gemeldet bin. In dieser amtlichen Wahlinformation steht zum Beispiel auch drinnen, wie lange das Wahllokal offen hat. Das heißt, ich kann mich im Vorhinein schon informieren und weiß, wann ich meine Stimme abgeben muss.
Es kann aber natürlich auch sein, dass man am Sonntag nicht selbst ins Wahllokal gehen kann, weil ich vielleicht im Ausland bin oder weil ihr in einem anderen Bundesland seid, und da gibt es auch die Möglichkeit, per Wahlkarte zu wählen. Diese Wahlkarte muss man im Vorhinein entweder schriftlich oder online bei der Wohnsitzgemeinde anfordern, und dann hat man mehrere Möglichkeiten, wie man damit abstimmen, also wählen kann.
Ich kann diese Wahlkarte entweder, wenn ich sie abhole, direkt vor Ort ausfüllen und dann in der Gemeinde zusammen mit meinem Stimmzettel abgeben. Ich kann aber auch den Stimmzettel ausfüllen und zusammen mit der Wahlkarte in einen Briefkasten einwerfen oder zu einer Poststelle bringen. Dafür zahle ich auch nichts, das heißt, das Porto ist schon bezahlt. Oder ich kann auch die Wahlkarte zusammen mit dem Stimmzettel am Sonntag in irgendeinem Wahllokal in ganz Österreich einwerfen. Das heißt, wenn ich zum Beispiel normalerweise in Niederösterreich wähle, aber am Sonntag in Vorarlberg bin –auf Besuch bei meiner Familie, was auch immer –, dann kann ich auch dort die Wahlkarte und den Stimmzettel einwerfen.
Dann gibt es seit einiger Zeit auch noch die sogenannte fliegende Wahlkommission. Und zwar ist diese für jene Menschen eingerichtet worden, die vielleicht krank sind, die aus körperlichen Gründen selbst nicht die Stimme abgeben können. Da kommt jemand zu diesen Personen nach Hause und nimmt eben Stimmzettel und Wahlkarte entgegen. Damit wird gewährleistet, dass auch diese Personen wählen können.
Was vielleicht auch noch ganz wichtig zu sagen ist: Egal, wie ich meine Stimme abgebe – ob ich das am Sonntag im Wahllokal mache, ob ich das per Briefwahl mache –, es ist immer wichtig, dass auch die Wahlgrundsätze, die wir ja schon gehört haben, gewahrt werden. Das heißt, niemand darf für mich abstimmen – das ist meine Wahl, ich persönlich mache das –, ich mache das geheim, das heißt, entweder ich wähle in der Wahlzelle und gebe dann den Stimmzettel ins Kuvert und verschließe es, damit niemand nachvollziehen kann, wie ich gewählt habe, oder eben auch per Briefwahl – ich verschließe den Wahlzettel, niemand darf mir sagen, wie ich zu wählen habe. Das ist noch ganz wichtig.
Ali Mahlodji: Jetzt eine vielleicht sehr konkrete Frage, und zwar: Was wähle ich jetzt eigentlich konkret? Wenn ich also jetzt hingehe und dort wähle, wie muss ich mir so einen Stimmzettel vorstellen? Ich glaube, es ist auch – vielen Dank an die Technik – da hinter uns ein Stimmzettel eingeblendet, den könnt ihr sehen. Was wähle ich da jetzt eigentlich konkret?
Julia Heiss: Genau, wir können uns diesen Stimmzettel, dieses Muster anschauen, und dazu ist einmal grundsätzlich zu sagen: In erster Linie wählen wir die Partei. Das ist also das, was ich als Erstes ankreuze. Wenn ich diese Partei unterstützen möchte und möchte, dass sie möglichst viele Sitze im Nationalrat bekommt, dann kreuze ich die Partei an.
Man kann aber darüber hinaus auch noch einzelne Kandidatinnen und Kandidaten dieser Partei besonders unterstützen, indem man bis zu drei Vorzugsstimmen vergeben kann – drei deshalb, weil es drei verschiedene Listen gibt, auf denen diese Kandidatinnen und Kandidaten stehen. Das sind – ganz oben – die Bundesliste, die Landesliste und die Regionalliste, und auf allen diesen drei Ebenen kann ich eine Person besonders unterstützen. Die muss natürlich dieser Partei angehören, die ich am Anfang angekreuzt habe. Es geht zum Beispiel nicht, dass ich eine Partei ankreuze und die Vorzugsstimme an Kandidat:innen vergebe, die gar nicht dieser Partei angehören. In diesem Fall würde nur die Parteistimme zählen.
Für diese Vorzugsstimmen gibt es, wie wir hier sehen, einerseits zwei leere Felder, in die ich die Namen eintragen muss, auf der Bundesliste und auf der Landesliste. Das heißt, ich muss im Vorhinein schon wissen, wie der Kandidat, die Kandidatin, die ich gerne unterstützen möchte, heißt, oder ich kann auch die Nummer angeben, mit der sie auf der Liste stehen. Und bei der Regionalliste ist es so, dass die Namen dann schon vorausgefüllt dastehen, die muss ich dann nur ankreuzen.
Ali Mahlodji: Weil du gesagt hast, ich muss vorher schon wissen, wer die Kandidatinnen und Kandidaten sind. Woher weiß ich das?
Julia Heiss: Das weiß man deshalb, weil die Parteien schon im Vorhinein, viele Wochen vor der Wahl, ihre Listen erstellen und auch die Kandidat:innen schon so reihen, wie sie das für richtig empfinden.
Und dann werden nach der Wahl, je nachdem, wie viele Sitze die Partei bekommen hat, nach der Reihung der Listen auch die Mandate vergeben. Das heißt, der oder die Erstgereihte in der Liste bekommt den ersten Platz und dann den zweiten und so weiter. Und da spielt jetzt wieder diese Vorzugsstimme eine Rolle, denn wenn ein Kandidat oder eine Kandidatin von dieser Partei genügend Vorzugsstimmen bekommen hat, dann gibt es die Möglichkeit, dass diese Reihung, die von den Parteien vordefiniert ist, auch verändert werden kann, dass also ein Kandidat oder eine Kandidatin nach oben rückt und damit die bessere Chance hat, in den Nationalrat einzuziehen. Das bedeutet, eine Vorzugsstimme kann durchaus auch einen Unterschied machen.
Ali Mahlodji: Falls ihr euch fragt – weil wir ja ständig darüber sprechen –: Die Leute, die dann hier einziehen, wer sind die denn? Wer sind die alles? – Auf den Sitzplätzen, auf denen ihr gerade sitzt, ist vor euch immer so ein kleiner Aufkleber mit einem Namen drauf. Das ist die Person, die normalerweise dort sitzt und hier herumdiskutiert oder wie auch immer, hier ihre Aufgabe erfüllt, einmal lauter, einmal leiser vielleicht.
Wir haben vorhin über das Thema der Wahlbeteiligung gesprochen und darüber, dass es Menschen gibt, die nicht wählen gehen. Gibt es eigentlich Gründe dafür, nicht zu wählen oder nicht wählen zu gehen?
Christoph Clar: Ja, wahrscheinlich schon, denn sonst würden alle wählen.
Ali Mahlodji: Allem Anschein nach also schon, aber kannst du als Experte da ein paar Einblicke geben?
Christoph Clar: Grundsätzlich ist es so: Es gibt ja keine Wahlpflicht. Die gibt es in anderen Staaten noch, ich glaube in Italien zum Beispiel. Die Wahlpflicht gab es ja auch in Österreich ziemlich lange. Kärnten zum Beispiel hat sie für die Nationalratswahl erst 1992 abgeschafft. Für die Bundespräsident.innenwahl gab es sogar noch bis in die 2000er-Jahre eine Wahlpflicht. Das wurde nicht wirklich exekutiert, also die Leute wurden weder zur Wahlkabine hingezerrt, noch haben sie Strafen bekommen, aber es gab diese Wahlpflicht noch relativ lang.
Abgesehen davon aber – das haben wir jetzt nicht mehr – ist es einfach so: Es steht jedem frei, wählen zu gehen. Gründe gibt es vermutlich viele: Desinteresse – Leute, die sich nicht interessieren, werden nicht hingehen –, manchmal hat man vielleicht wirklich keine Zeit, obwohl das eigentlich eine schlechte Ausrede ist – Stichwort Wahlkarte, über die wir gerade gehört haben.
Darüber hinaus wissen wir aber schon – vielleicht stärker aus anderen Staaten, aus anderen Ländern –, dass es für manche Gruppen einfach schwieriger ist, zur Wahl zu gehen, als für andere. Also manchen Gruppen wird es einfach schwerer gemacht. Menschen mit Behinderungen haben wir angesprochen – es geht etwas weiter, es werden immer mehr Wahllokale barrierefrei gemacht, es gibt diverse Leitsysteme und auch die Informationen –, es gibt aber natürlich auch Leute, die die Sprache nicht so gut sprechen, Leute, die vielleicht auch einfach nicht gut lesen können. Also für all die ist es schwerer, zur Wahl zu gehen. Und vor allem: Es ist ja nicht nur wichtig, zur Wahl gehen zu können, sondern es wäre ja auch wichtig, dass wir uns alle gleichermaßen informieren können, dass wir alle die gleichen Informationen bekommen und die auch erhalten können. Stichwort aber auch zum Beispiel ältere Leute, die irgendwo am Land, in Stixneusiedl, allein wohnen und nicht mehr mobil sind – auch für die ist es natürlich schwieriger. Jetzt gibt es zwar die fliegende Wahlkommission, aber das müssen sie auch erst einmal anfordern können. Es ist also alles nicht so einfach.
In Österreich sind wir insgesamt ganz gut aufgestellt, wegen eben genau diesen Instrumenten, dass das so funktioniert. In vielen anderen Staaten aber ist es schon so, dass manche Gruppen dann in so einem Saal wie diesem hier einfach schlechter repräsentiert sind als andere.
Ich würde deswegen sagen: Nützt es einfach! Geht einfach wählen – die Chance haben wir! Es gibt diverse Möglichkeiten. Auch wenn ihr im Ausland seid, ist das eigentlich keine wirklich gute Ausrede. Selbst wenn euch die Parteien kein Angebot machen, das euch irgendwie taugt, mit dem ihr übereinstimmt, gibt es noch immer die Möglichkeit, auch ungültig zu wählen, weiß zu wählen, aber selbst da würde ich sagen: Geht und wählt und nutzt diese Möglichkeit!
Ali Mahlodji: Bevor ich zur nächsten Frage komme, eine kurze Frage in die Runde: Wer von euch geht am Sonntag zur Wahl? Bitte einmal ein Handzeichen. – Schaut nicht schlecht aus, die Wahlbeteiligung, oder? In diesem Raum ist sie gar nicht so schlecht, oder?
Eine Frage, die mich interessiert, zu dem, was du gerade gesagt hast: Es gibt ja Menschen, die sagen, ich gehe nicht wählen. Und dann gibt es manche, die gehen bewusst hin, aber sie wählen ungültig. Macht es da einen Unterschied, ob ich zu Hause bleibe und mir denke: Ist mir egal!, oder ob ich hingehe, aber ungültig wähle. Macht es einen Unterschied?
Christoph Clar: Ja, ich finde: Absolut! Es macht absolut einen Unterschied. Ich kenne das Dilemma auch selbst: Wenn man dann dort steht und eigentlich niemanden wirklich wählen will, das macht keinen Spaß. Es wäre natürlich schöner, wenn da eine Partei steht und ich denke mir: Super, die vertreten genau das, was ich will! – Man könnte natürlich auch sagen: Es bringt nichts, weil die Stimmen, die gültig abgegeben werden, jene sind, aus denen errechnet wird, wer wirklich hier herinnen sitzt.
Aber: Woher sollen dann die Parteien wissen, dass ihr eigentlich gern wählen würdet – dass ihr frustriert seid mit dem, was sie alle anbieten, aber dass ihr eigentlich gern mitbestimmen würdet –, wenn ihr nicht hingeht? – Also geht hin, macht dieses Kreuzerl! Macht es halt, ich weiß nicht, quer darüber, oder schreibt Batman hin oder whatever. In Österreich ist das nicht sehr üblich, dass Leute das machen, deswegen gibt es hier auch keine sehr große Zahl an Leuten, die ungültig wählen, aber ich glaube, dass, wenn diese Zahl steigen würde, die Parteien, die Politiker:innen sich natürlich schon Gedanken darüber machen müssten, erstens: Was machen wir falsch?, zweitens: Wie können wir diese Leute abholen?, denn die wollen ja offensichtlich wählen.
Es ist also absolut eine Möglichkeit. Ich finde das immer so schön als Gedankenexperiment: Man könnte ja dann für alle, die zwar gewählt haben, aber ungültig gewählt haben, irgendwelche leeren Sessel hinstellen – also nicht statt den Abgeordneten, aber noch zusätzlich, damit wir einfach sehen: Wir wollen ja mitbestimmen, aber es ist halt nichts da, was uns zusagt. Also wenn euch jemand sagt: Na wenn es euch nicht interessiert, geht nicht hin!, dann halte ich das, ganz ehrlich gesagt, für einen Blödsinn. Macht es trotzdem!
Ali Mahlodji: Super, ich danke dir.
Jetzt eine andere Sache: Jetzt gehe ich wählen, mache mein Kreuzerl. Was passiert eigentlich nach der Wahl? Wie ist dann das Prozedere?
Julia Heiss: Nach der Wahl geht es natürlich zunächst einmal darum, die Stimmen auszuzählen. Das passiert in der Regel sofort nachdem das Wahllokal geschlossen hat, da beginnt man schon damit, und am Sonntag am Abend haben wir in der Regel dann auch immer schon die ersten Hochrechnungen. Das endgültige Ergebnis der Wahl wird aber dann erst ein paar Tage später verkündet, denn es braucht ja auch noch eine gewisse Zeit, bis die Wahlkarten zum Beispiel alle ausgezählt sind, und am 14. Oktober gibt dann die Bundeswahlbehörde – das ist die höchste Wahlbehörde hier in Österreich – das offizielle Endergebnis bekannt.
Sobald dieses offizielle Endergebnis bekannt ist, läuft dann eine vierwöchige Frist, und in dieser vierwöchigen Frist besteht die Möglichkeit, Beschwerde gegen die Wahl einzulegen. Das heißt, alle Parteien, die an der Wahl teilgenommen haben, können zum Verfassungsgerichtshof gehen und sagen: Wir glauben, dass da irgendwie etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Wir glauben, dass da ein Mangel passiert ist, der so stark war, dass die Wahl beeinflusst wurde. – Und wenn sie das bemängeln, dann ist es eben am Verfassungsgerichtshof, zu prüfen, ob solche Unregelmäßigkeiten, ob solche Rechtswidrigkeiten passiert sind, und im schlimmsten Fall kann das dann dazu führen, dass eine Wahl wiederholt werden muss. Das könnte jetzt im gesamten Bundesgebiet sein, es könnte auch nur in einer Gemeinde sein, wo eine Partei vermutet hat, dass da irgendetwas passiert ist. Das kommt allerdings relativ selten vor. Bisher ist es bei Nationalratswahlen zweimal dazu gekommen, dass eine Wahl wiederholt werden musste, aber nicht auf gesamter Bundesebene, sondern das war wirklich in kleinen Teilbereichen.
Wenn aber alles mit rechten Dingen zugegangen ist, wir also keine Beschwerden haben, dann tritt der Nationalrat am 24. Oktober zu seiner ersten Sitzung zusammen. Das ist die sogenannte konstituierende Sitzung, in der die neugewählten Abgeordneten oder die wiedergewählten Abgeordneten offiziell angelobt werden. In dieser Sitzung werden dann auch noch der Präsident oder die Präsidentin des Nationalrates sowie Zweite:r und Dritte:r Präsident oder Präsidentin gewählt. Mit dieser konstituierenden Sitzung startet offiziell die neue Gesetzgebungsperiode oder Legislaturperiode – bis dahin ist sozusagen noch der alte Nationalrat im Amt.
Ali Mahlodji: Ich danke dir vielmals.
Wir haben jetzt 15 Minuten Zeit für eure Fragen. Ich würde sagen, wir nehmen ungefähr fünf Fragen. Dann gehen wir in Themenblock Nummer drei, und dort könnt ihr dann natürlich auch eure weiteren Fragen stellen.
Welche Schüler:innen haben Fragen vorbereitet, die sie jetzt stellen wollen? Unser Superteam mit den Mikros ist wieder unterwegs. – Bitte, da haben wir links die erste Frage. Vielleicht sagst du uns kurz, von welcher Schule du bist, das wäre super.
Schülerin: Genau. Ich bin vom IBC Hetzendorf und meine Frage ist, ob es in Zukunft auch die Möglichkeit geben wird, online zu wählen.
Julia Heiss: Das ist eine sehr gute Frage. Die Onlinewahl ist etwas, das in Österreich auch durchaus diskutiert wird. In der heutigen digitalen Welt wäre es natürlich sehr angenehm, wenn man von zu Hause aus über Computer oder Handy wählen könnte oder vielleicht auch im Wahllokal ein Terminal steht, an dem man seine Stimme digital abgeben kann. Es ist aber so, dass es in der österreichischen Bundesverfassung dazu noch keine Rechtsgrundlage gibt. Das heißt, das sogenannte E-Voting ist momentan eben noch nicht möglich. Es gibt aber einige andere Länder, wo das möglich ist. Zum Beispiel Estland erlaubt die elektronische Stimmabgabe schon seit 2015. In Österreich sind aber momentan einfach die Sicherheitsbedenken noch zu hoch, als dass man die Onlinewahl einführen würde. Man hat zum Beispiel Angst davor, dass durch einen Hackerangriff die Wahl manipuliert werden könnte oder dass jemand noch leichter unter Druck gesetzt werden kann, irgendwie abzustimmen, das heißt, dass der Wahlgrundsatz der freien Wahl nicht mehr so gut eingehalten werden kann. Es ist aber durchaus so, dass es in Österreich nach wie vor schon diskutiert wird: Zum Beispiel das Innenministerium schaut sich das schon länger an, schaut sich auch Länder wie Estland an, schaut, wie es dort funktioniert. Momentan gibt es aber einfach noch zu viel, was an Vorarbeit zu leisten ist, damit die Onlinewahl auch bei uns vielleicht früher oder später einmal möglich sein wird.
Ali Mahlodji: Vielen Dank für die Frage, und ich danke dir für die Antworten.
Welche Fragen haben wir noch aus dem Publikum? Du warst vorhin, da kommen wir noch hin, aber da in der ersten Reihe haben wir jemanden mit einer Frage. Kann da jemand mit dem Mikrofon kurz herkommen?
Servus! Aus welcher Schule?
Schüler: BSVB Embelgasse. Ich heiße Enes.
Ali Mahlodji: Bitte schön – und grüß dich!
Schüler: Wir haben die Frage: Was für Auswirkungen würde es auf kleinere Parteien geben, wenn wir die 4-Prozent-Hürde abschaffen würden?
Julia Heiss: Das ist auch eine sehr gute Frage. Und zwar: Diese 4-Prozent-Hürde oder diese 4-Prozent-Sperrklausel wurde eingeführt, um zu verhindern, dass zu viele kleine Parteien ins Parlament kommen. Jetzt könnte man durchaus sagen: Es ist ja durchaus gut, wenn auch kleine Parteien oder viele Parteien ins Parlament kommen und damit eben möglichst viele Interessen vertreten werden! – In der Praxis macht es das aber meistens auch schwierig, wenn zu viele kleine Parteien im Parlament sitzen, dann stabile Koalitionen zu bilden und dann auch Gesetze zu beschließen. Das heißt, diese 4-Prozent-Hürde hilft da schon einmal oder wirkt dem entgegen, indem man sagt, es braucht eben eine gewisse Anzahl an Stimmen, damit die Partei in den Nationalrat einziehen kann.
In Österreich ist es dann außerdem auch noch so, dass die Abgeordneten sich nach der Wahl zu sogenannten Parlamentsklubs zusammenschließen, damit sie ihre parlamentarische Tätigkeit ausüben können. Das heißt, nur wenn man einem Klub angehört, kann man zum Beispiel als Abgeordneter in einem Ausschuss mitarbeiten oder hat andere parlamentarische Rechte – die man nicht hätte, wenn man keinem Klub angehört. Um einen solchen Klub zu bilden, braucht es mindestens fünf Abgeordnete. Das heißt, wenn jetzt eine sehr kleine Partei in den Nationalrat kommen würde und diese Partei hätte nicht fünf Abgeordnete, dann könnten diese Abgeordneten gar keinen Klub gründen und dann wären sie auch von der politischen Tätigkeit oder parlamentarischen Tätigkeit eben ausgeschlossen. Es ist auch so, dass kleine Parteien, die zwar fünf oder sechs Abgeordnete haben, sich auch schon manchmal schwertun, die Arbeitslast zu bewältigen, denn wir haben immerhin über 20 Ausschüsse, und da haben kleine Parteien oft schon Schwierigkeiten, sich die Arbeit, weil sie eben weniger Ressourcen haben, gut aufzuteilen.
Das sehen wir auch, wenn wir uns zum Beispiel andere Länder in Europa anschauen. Ein Beispiel sind etwa die Niederlande. Da braucht es, um als Partei ins Parlament zu gelangen, weniger als 1 Prozent der Stimmen, und das hat bei der letzten Wahl dann dazu geführt, dass sehr viele Parteien ins Parlament eingezogen sind, insgesamt 15, und das ist dann schon sehr schwierig. Das heißt, diese 4-Prozent-Hürde ist einfach dazu da, dass man die Parteienlandschaft nicht zu sehr zersplittert und dass man eben gewährleistet, dass die Arbeit im Parlament auch noch durchführbar ist.
Ali Mahlodji: Vielen Dank für die Frage.
Ihr seht: Eine relativ kurze Frage – und dahinter gibt es ganz viele komplexe Themen. Das heißt, das Ganze ist schon komplex. Es macht also Sinn, sich Fragen zu überlegen und auch die Experten und Expertinnen zu fragen.
Welche Fragen haben wir hier noch im Raum?
Ich glaube, du hattest auch noch eine Frage. Okay, dann einmal hier in der ersten Reihe und dann zu dem Herrn da hinten. Die Kollegin kommt gleich. – Bitte schön.
Schüler: Meine zweite Frage wäre: Gibt es Ängste vor einer Wahlfälschung oder vor irgendwelchen Problemen bei der Wahl durch bestimmte Parteien?
Christoph Clar: Ob es Ängste gibt?
Schüler: Ja, oder ob es Risiken für eine Wahlfälschung gibt.
Christoph Clar: Also ich muss zugeben, dass wir in Österreich, glaube ich, wenig darüber hören, dass da wirklich darauf Einfluss genommen wird. Vielleicht ist Österreich zu klein, zu unwichtig. Es gibt also keine großen Debatten darüber, würde ich einmal sagen. Auch wenn natürlich die Absicherung dieser Wahlprozesse total wichtig und relevant ist und vor allem das Innenministerium und alle, die dafür zuständig sind, sicher stetig genau darauf schauen, war es aber bis jetzt zumindest kein großes Thema in den Wahlkämpfen.
Ali Mahlodji: Ich danke dir.
Da ist ein Herr mit einer Frage. Haben wir jemanden mit einem Mikrofon, der - -
Schüler: Ja, hab ich schon.
Ali Mahlodji: Ah, hast du das Mikrofon? – Entschuldigung, Entschuldigung. Schieß los! – Und dann kommen wir zu dir, okay? – Bitte schön.
Schüler: Also es wäre meine vierte Frage und – versprochen! – auch die letzte Frage.
Ali Mahlodji: Alles gut!
Schüler: Und zwar: Wie wird sich die Rolle des Nationalrates verändern, wenn politische Entscheidungsprozesse zunehmend durch internationale Organisationen und supranationale Gremien beeinflusst werden?
Christoph Clar: Ist das der Fall?, ist die Frage. – Es gibt natürlich viele Politikbereiche, wo es auch einfach notwendig ist, übernational zu arbeiten. Wenn man sich die Umwelt- und die Klimapolitik anschaut: Der Klimawandel macht an der nationalstaatlichen Grenze nicht Halt. Da ist es einfach notwendig, zusammenzuarbeiten.
Man könnte es auch in die andere Richtung sehen. Ich bin jetzt keiner, der immer nur sieht, was uns weggenommen wird, sondern man kann auch darüber nachdenken, was uns gegeben wird oder was einem Land gegeben wird, wenn man auf übergeordneter Ebene – wenn man es so sehen will – mitreden kann. Die Tatsache, dass der Nationalrat und der Bundesrat zum Beispiel auf EU-Ebene mitreden können, ist ja durchaus auch wichtig und wertet ja ein kleines Land wie Österreich durchaus auch auf. Gerade der Bundesrat zum Beispiel wurde durch die Integration in der EU tatsächlich auch aufgewertet, weil er dort sehr viel mehr mitreden kann, als – wie viele behaupten würden – er auf nationalstaatlicher Ebene mitreden kann.
Es ist natürlich schwierig, das abzuschätzen. Ich verstehe also, wenn da ein bisschen eine „Angst“ – unter Anführungszeichen – mitschwingt, aber vielleicht soll man durchaus auch die Möglichkeiten sehen, die darin liegen, wie wir uns dann auf anderen Ebenen einbringen können, und nicht nur sozusagen die Gefahren dahinter.
Ali Mahlodji: Vielen Dank.
Eine Dame hat hier eine Frage – genau, hier in der zweiten Reihe bitte. – Danke schön. Jetzt bin ich neugierig, denn sie grinst schon die ganze Zeit.
Schülerin: Ich bin von der BSVB Embelgasse, und meine Frage ist: Welche Möglichkeiten gibt es, wenn keine klare Mehrheit zustande kommt?
Christoph Clar: Da darf, glaube ich, wieder ich. Dann gebe ich kurz Ruhe.
Also es steht ja eigentlich nirgends festgeschrieben, dass es klare Mehrheiten braucht. Man braucht für Gesetzesvorhaben, für einfache, eine Mehrheit hier im Nationalrat und auch im Bundesrat, 50 Prozent plus eins sozusagen. Es hilft natürlich oder hat Regierungen in der Vergangenheit geholfen, wenn sie eine Zweidrittelmehrheit hatten, weil man dann sogenannte Verfassungsgesetze auch ändern kann oder beschließen kann. Davon sind wir aber, auch wenn wir jetzt die aktuellen Wahlumfragen anschauen, weit entfernt. Darüber müssen wir also gar nicht reden.
Abgesehen davon gibt es wie gesagt keine formalen Gründe, dass es eine klare Mehrheit braucht. Es gibt natürlich Argumente – Julia hat zuvor schon kurz darauf hingewiesen –: so etwas wie Stabilität, Planbarkeit. Vielleicht arbeitet man besser in einer Koalition zusammen, weil man weiß, man hat die Sicherheit, und wenn jetzt Abgeordnete X krank ist, macht das auch nichts, wir werden trotzdem die Mehrheit bekommen.
Es gibt aber schon andere Optionen, wie eine Minderheitsregierung. Das ist in Österreich nicht üblich und wird auch irgendwie ungern gesehen, aber es gibt genug Länder, wo das eigentlich funktioniert und wo man das durchaus auch andenken kann, wo also die Regierung dann halt die Minister:innenposten selbst besetzt und sich für jedes Vorhaben, für jede Initiative einfach neue Mehrheiten suchen muss. Das ist natürlich eine andere Arbeit, vielleicht manchmal ein bisschen mehr Arbeit, aber an dem soll es auch nicht scheitern. Also es ist sicher auch eine Möglichkeit, würde vielleicht auch – so sagt zumindest die Politikwissenschaft – dem Parlament etwas mehr Gewicht geben, weil im Parlament und in allem rundherum einfach mehr verhandelt, miteinander gesprochen werden muss. Es müssen Kompromisse gefunden werden. – Also ich möchte jetzt nicht dafür votieren, aber es gibt andere Optionen und die Republik bricht nicht zusammen, wenn keine klare Mehrheit zustande kommt.
Ali Mahlodji: Vielen Dank noch für die Frage.
Wir haben heute dann noch die Möglichkeit, weitere Fragen zu stellen, aber ich würde jetzt einmal mit dem Themenblock Nummer drei starten, und zwar dem Allgemeinen zum Nationalrat.
Ich würde gerne einmal starten mit diesem wunderbaren Saal, in dem wir sitzen. Dieser wurde auch komplett überarbeitet, es gab damals einen Tag der offenen Tür. Es können auch jetzt die Bürger und Bürgerinnen jederzeit reinkommen und sich das Ganze einmal anschauen. Das ist aber nicht der einzige Saal, den es hier gibt, soweit ich weiß. Es gibt auch noch andere große Säle im Parlament, das heißt auch noch andere Orte, an denen Politik gemacht wird. Könnt ihr uns da einmal ein paar Einblicke geben? Ich glaube, wir haben dann auch noch Fotos vorbereitet, aber da führst du uns dann durch.
Julia Heiss: Ja, genau. Wir sind hier im Nationalratssitzungssaal, aber es gibt darüber hinaus auch noch einen sehr schönen anderen Saal, das ist zum Beispiel der Bundesversammlungssaal, dazu haben wir ein Foto vorbereitet. Das ist ein historisch sehr wichtiger Saal. Heute wird er nicht mehr so viel genutzt. Vor allem sieht man es vielleicht im Fernsehen manchmal, wenn der neue Bundespräsident angelobt wird. Da kommen eben die Abgeordneten des Nationalrates und die Mitglieder des Bundesrates dort zusammen und bilden die sogenannte Bundesversammlung. Die hat eben bestimmte Aufgaben, wie eben zum Beispiel die Angelobung des Bundespräsidenten.
Ein anderer wichtiger Saal, den wir auch noch haben, ist der Bundesratssaal. Auch dazu haben wir, glaube ich, ein Foto vorbereitet – genau. Der Bundesrat ist ja die sogenannte zweite Kammer des österreichischen Parlaments und vertritt die Interessen der neun Bundesländer. Anders als der Nationalrat, der ja direkt gewählt wird, sind die Mitglieder des Bundesrates von den Bundesländern entsandt, und das zeigt noch einmal mehr, dass der Bundesrat eben dafür da ist, die Interessen der Bundesländer zu wahren.
Gemeinsam mit dem Nationalrat übt der Bundesrat die Gesetzgebung aus. Das heißt in der Praxis dann, dass alle Beschlüsse, die der Nationalrat macht, in weiterer Folge auch dem Bundesrat übermittelt werden müssen, und dort wird dann entschieden, ob der Bundesrat ein Mitwirkungsrecht hat. Dieses Mitwirkungsrecht des Bundesrates äußert sich auf zwei Arten: Entweder der Bundesrat kann Einspruch gegen einen Beschluss des Nationalrates erheben und sagen: Wir möchten gerne, dass der Nationalrat sich das noch einmal anschaut, denn wir sind damit nicht einverstanden!, und dann muss der Nationalrat sich diesen Beschluss tatsächlich noch einmal anschauen und entscheiden, ob er sich über den Einspruch des Bundesrates hinwegsetzt und das Gesetz trotzdem beschließt. Das heißt, bei diesem Einspruchsrecht des Bundesrates kommt es nur zu einem Aufschieben, da kann der Bundesrat nicht verhindern, dass das Gesetz zustande kommt.
Anders ist das aber beim Zustimmungsrecht des Bundesrates, denn da hat der Bundesrat wirklich die Macht, die Gesetze des Nationalrates, also die Beschlüsse des Nationalrates zu verhindern. Das betrifft meistens Sachen, die die Kompetenzen der Länder einschränken würden. Hier kann der Bundesrat sagen: Wir sind damit nicht einverstanden, wir geben unsere Zustimmung nicht!, und kann dadurch das Zustandekommen des Gesetzes verhindern.
Deswegen sehen wir, dass der Bundesrat durchaus auch wichtig ist und auch Kompetenzen hat. Wir hören ja manchmal: Ach, der Bundesrat, das ist nur die zweite Kammer, und die ist nicht so wichtig!, aber der Bundesrat hat eben durchaus auch wichtige Kompetenzen. Und in einem föderalen Staat, wie Österreich es ist, wo die Bundesländer auch viele Kompetenzen haben, ist es wichtig, dass der Bundesrat dafür da ist, diese Interessen auch auf nationaler Ebene zu vertreten.
Ali Mahlodji: Danke für diese Erklärung des Zweikammersystems, wie man das nennt.
Jetzt kommen wir aber zurück in diesen Saal, zum Nationalrat: In diesem ganzen System, das du gerade beschrieben hast, welche Rolle haben jetzt aber wirklich die Leute hier in diesem Raum, der Nationalrat?
Christoph Clar: Der große Unterschied ist ja eben auch, dass die Personen – oder in Wahrheit die Listen, aber die Personen, die dann hier hereinkommen, die ihr wählt, die ihr direkt wählt – dann eben hier im Nationalrat sitzen, und – wie ihr wisst, wenn ihr euch das im Fernsehen anschaut oder darüber lest – in erster Linie geht es natürlich darum, Gesetze zu diskutieren – einerseits neue Gesetze, andererseits auch alte Gesetze, die geändert werden sollen – und darüber abzustimmen. Das wissen alle und das ist auch irgendwie offensichtlich und logisch, dass das hier herinnen passiert.
Der Nationalrat hat darüber hinaus aber auch noch andere wichtige Aufgaben. Es ist jetzt nicht so, dass nur Gesetze und Gesetzesänderungen hier hereinkommen und dann darüber diskutiert wird, sondern es können auch Abgeordnete hier herinnen selbst Vorschläge einbringen; über die muss dann auch diskutiert und abgestimmt werden. Sie erarbeiten auch teilweise hier herinnen, vor allem in den Ausschüssen, diese Gesetzesvorschläge selbst. – Also das ist sozusagen die Schiene, wo Gesetze gemacht werden und geändert werden.
Darüber hinaus gibt es auch Kontrollrechte. Der Nationalrat ist also auch deswegen ganz wichtig, weil er andere kontrolliert: Er kontrolliert die Regierung und die Verwaltung – mit verschiedenen Mitteln. Es gibt schriftliche Fragen, mündliche Fragen – da müssen dann die Minister:innen hierherkommen und Rede und Antwort stehen, dazu sind sie auch verpflichtet. Der Nationalrat wählt ja die Regierung nicht, aber er kann sie quasi abwählen, also er kann entweder der gesamten Regierung oder einzelnen Mitgliedern der Regierung, also Minister:innen, das Misstrauen aussprechen, das Vertrauen entziehen, was auch wirklich dazu führt, dass diese ihres Amtes enthoben werden. Das hatten wir ja in jüngster Vergangenheit einmal.
Es gibt also – über das Diskutieren und Beschließen von Gesetzen hinaus – auch noch andere Dinge, die hier herinnen passieren.
Ali Mahlodji: Welche Parteien sind eigentlich wählbar? Und vor allem: Warum sind genau die wählbar?
Christoph Clar: Ja, warum sind sie wählbar? – Also eine Partei zu gründen ist ja jetzt einmal relativ einfach.
Ali Mahlodji: Denn – eine Sache noch als kleiner Hintergrund –: Auf dem Wahlzettel selbst stehen ja die Parteien, aber nicht die Namen einzelner Politikerinnen. Die Frage ist aber: Wer darf quasi auf diesem Zettel stehen? – Da haben wir das wieder eingeblendet.
Christoph Clar: Genau, das ist ein wichtiger Hinweis. Danke auch, dass wir den Stimmzettel noch einmal sehen. Julia hat es ja vorhin schon erklärt, als es um die Vorzugsstimmen ging: Es stehen ja in erster Linie einmal Parteien darauf. Ihr habt ja eure Wahlzettel vielleicht schon gesehen – diejenigen von euch, die die Wahlkarte beantragt haben. Wir wählen da jetzt also keine Personen – im Gegensatz zur Bundespräsident:innenwahl zum Beispiel –, sondern eben diese Parteilisten. Und wie gesagt, eine Partei zu gründen ist grundsätzlich nicht so schwer. Es darf gegen ganz wenige bestimmte Gesetze nicht verstoßen werden, vor allem gegen das Verbotsgesetz, es darf also keine Betätigung im Sinne des Nationalsozialismus erfolgen. Das ist wirklich ein ganz wichtiger Pfeiler der österreichischen Demokratie, und gegen den darf natürlich nicht verstoßen werden. Abgesehen davon gibt es ein paar Formalkriterien. Ihr könnt aber zum Bundesministerium für Inneres, also zum Innenministerium, gehen und eine Partei gründen – das ist jetzt einmal noch nicht das Problem.
Diese Parteien stehen aber jetzt natürlich nicht alle auf diesem Wahlzettel drauf – das wären wahrscheinlich ein bisschen zu viele –, sondern: Man muss sich einfach eine gewisse Quantität an Unterstützung holen. Das ist entweder eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten, die das unterstützen müssen, oder es muss eine bestimmte Anzahl von Wahlberechtigten unterschreiben für eine Partei, damit diese dann auch tatsächlich auf dem Stimmzettel landet.
Ali Mahlodji: Jetzt wieder eine Frage hier in die Runde zum Schätzen – das heißt, wir haben wieder die Handmikros, ihr könnt wieder gerne aufzeigen –, und zwar: Im Jahr 1945 – das war nach dem Zweiten Weltkrieg –, wie viele Parteien, denkt ihr, sind damals zur Wahl angetreten? Einfach einmal aufzeigen, wer da eine Meinung hat! Da ein Herr – holen wir kurz das Mikrofon und hören wir es uns kurz an. Wir brauchen das Mikrofon nämlich immer auch für die Leute, die via Livestream zusehen – ansonsten könntet ihr es auch rausschreien.
Schüler: Zwei oder drei.
Ali Mahlodji: Zwei oder drei, sagst du – die erste Schätzung. Wer bietet mehr oder weniger? – Da drüben!
Schüler: Minimum vier, es könnten auch mehr gewesen sein. Es waren sicher ÖVP, SPÖ, der Vorgänger von der FPÖ – deutschnational, glaube ich, oder ähnlich.
Ali Mahlodji: Okay, also du sagst, mindestens vier?
Schüler: Und KPÖ.
Ali Mahlodji: Passt. Also: zwei bis drei. Jetzt haben wir: mindestens vier. Da haben wir auch: drei.
Wer glaubt, es sind mehr als drei? Wer glaubt, es sind mehr als fünf? – Okay, keine Hände gehen nach oben – für alle, die gerade via Livestream zusehen.
Könnt ihr uns da erzählen, wie es wirklich war?
Julia Heiss: Es waren schon sehr gute Vorschläge dabei. Und zwar waren es auf Bundesebene tatsächlich drei Parteien: die SPÖ, die ÖVP und die KPÖ. Und dann hat es, glaube ich, in Kärnten noch eine Partei gegeben, die aber nur in Kärnten angetreten ist. Also bundesweit waren es drei Parteien.
Ali Mahlodji: Und wie viele sind es dieses Jahr, die antreten?
Julia Heiss: Soll ich das gleich auflösen?
Ali Mahlodji: Ja, ja. Das ist eine Frage an dich.
Julia Heiss: Okay. Es sind dieses Jahr bundesweit neun Parteien. Darüber hinaus gibt es noch drei Parteien, die aber nicht in allen Bundesländern antreten, sondern nur in einzelnen Bundesländern, weil sie eben nicht genug Unterschriften bekommen haben, um für die gesamte Bundesebene anzutreten – zum Beispiel die gelbe Partei, die gibt es zum Beispiel nur im Burgenland.
Ali Mahlodji: Die gelbe Partei?
Julia Heiss: Die gelbe Partei.
Ali Mahlodji: Lustig.
Christoph Clar: Darf ich noch etwas hinzufügen?
Ali Mahlodji: Ja, klar.
Christoph Clar: Weil du von vier Parteien gesprochen hast: Die Vorgängerpartei der FPÖ, ich glaube, die ist erst bei der zweiten Wahl nach 1945 angetreten.
Ali Mahlodji: Vielen Dank auch für die Aufklärung.
Jetzt kommen wir zu euren Fragen. Welche Schüler und Schülerinnen haben Fragen? –Bitte aufzeigen, und wir gehen wieder mit den Mikros durch.
Da in der ersten Reihe der Herr, der vorhin der Flitzer war. – Bitte schön.
Schüler: Wo unterscheiden und ähneln sich die Parlamente der Welt, und was ist eine Stärke der Regierung in Österreich?
Christoph Clar: Also worin sich die Parlamente der Welt unterscheiden? Das ist jetzt natürlich- - Also da könnte man jetzt ganze Semester darüber diskutieren und - -
Ali Mahlodji: Wir haben nur 15 Minuten.
Christoph Clar: Nur 15 Minuten? Das ist schade.
Ali Mahlodji: Und da sollten noch mehr Fragen rein.
Christoph Clar: Dann versuchen wir, es knapp zu machen.
Na ja, also es gibt natürlich nicht nur Zweikammerparlamente, es gibt auch welche, wo es nur eine Kammer gibt. Das ist wahrscheinlich ein großer Unterschied. Es ist auch nicht überall so, dass die eine Kammer das gesamte Land repräsentiert und die andere Kammer die Länder, so wie es bei uns ist, sondern es kann auch da unterschiedlich sein.
Und natürlich ist die zentrale Frage einfach: Welches Gewicht hat ein Parlament, also wie wichtig ist ein Parlament? Es gibt ja zum Beispiel präsidentielle Systeme – Frankreich nennt man da, glaube ich, gerne –, wo der Präsident, die Präsidentin einfach sehr viel mehr Macht gegenüber dem Parlament hat.
Ich glaube, das sind so die grundsätzlichsten Unterschiede.
Die zweite Frage war noch? Eine stärkere- - Was stark und gut ist in Österreich? Eine Stärke des politischen Systems vielleicht?
Ali Mahlodji: Mhm. Ja.
Christoph Clar: Versuchen wir das vielleicht.
Ali Mahlodji: Also es war die Frage – für alle, die gerade zu Hause zuhören –: Wo hat Österreich im politischen System wirklich die Stärken, die es ausspielt?
Christoph Clar: Ich glaube, dass die Gewaltentrennung einfach ganz wichtig ist. Wir haben ja verschiedene Säulen, also drei Gewalten, die sich gegenseitig kontrollieren – wir haben es vorhin schon kurz angesprochen: der Nationalrat, der auch die Regierung, die ja Teil der Exekutive ist, kontrolliert und da auch wirklich darauf hindeuten kann, wenn etwas falsch läuft –, und die müssen sich gegenseitig einfach gut kontrollieren können.
Das mit der Gewaltentrennung, in manchen Fällen verschwimmt es dann vielleicht ein bisschen, aber ich glaube, das ist ein wesentlicher Pfeiler, der einfach so zentral dafür ist, dass wir in Österreich schon eine sehr gut festsitzende Demokratie haben.
Dazu kommen dann sicher noch Rahmenbedingungen. Wenn ihr einmal zum Beispiel von einer vierten Gewalt hört – und sagt, da vorne ist aber so ein Experte gesessen, der hat von drei Gewalten geredet –, dann geht es da um die Medien. Das ist schon auch ganz wichtig. Wir sehen viele autoritäre Tendenzen – oder neoautoritär sagt man – in Ländern, die gar nicht so weit weg von Österreich sind, wo es dann einfach nicht möglich ist, dass Medien frei berichten, wo vor allem ganz viele Menschen im Land einfach – vielleicht gibt es die Medien noch – keinen Zugriff haben. In Ungarn am Land zum Beispiel wird man gar nicht dazu kommen, sich andere Medien anzuhören. – Das sind noch Dinge, die absolut dazugehören, damit wir einfach ein stabiles demokratisches System haben und nicht dieses System schon schnell zu wackeln beginnt, wenn einmal autoritäre Tendenzen auftauchen.
Ali Mahlodji: Mhm. Vielen Dank für die Frage, denn ich glaube, jetzt haben wir alle gesehen, dass Österreich sehr, sehr viele Stärken hat, die wirklich auch funktionieren – Gott sei Dank.
Julia Heiss: Vielleicht könnte man da – Entschuldigung – noch kurz erwähnen, weil wir es heute ja schon hatten: Es gibt in Österreich auch viele direktdemokratische Elemente. Das heißt, es gibt ein sehr großes Angebot, wie man sich, wie wir gehört haben, abseits der Wahl auch noch beteiligen kann, und ich glaube, das ist auch eine sehr große Stärke. Es gibt Volksbegehren. Es gibt die Möglichkeit, Initiativen zu starten. Es gibt eine große Beteiligungsmöglichkeit im Parlament, wie wir gehört haben. Auf der Website des Parlaments kann man sich da sehr gut informieren, kann man auch Stellungnahmen abgeben. Das ist, glaube ich, auch ein großer Pluspunkt, der zeigt, dass Österreich den Bürgerinnen und Bürgern einfach viele Möglichkeiten anbietet, wie man sich beteiligen kann.
Ali Mahlodji: Mhm. Ich danke dir vielmals auch noch einmal für den Hinweis darauf.
Welche Fragen haben wir noch? – Da ist ein Herr, der eine Frage hat, der in dem blauen Pullover, und dieser Herr da rechts. Passt. – Bitte schön.
Schüler: Meine Frage bezieht sich auf das Abstimmungsverhalten. Es gibt ja inoffiziell den Klubzwang, der nicht gerne besprochen wird, aber er ist, glaube ich, vorhanden. Inwiefern würde sich das Abstimmungsverhalten eurer Meinung nach ändern, wenn die Abstimmungen anonym wären und man nicht aufzeigen würde, sondern zum Beispiel – ich glaube, in der Schweiz ist es so – auf einen Knopf drückt und dann ist angegeben: Ja, Nein und so weiter.
Julia Heiss: Das ist eine sehr gute Frage. Wie wir wissen, gibt es in Österreich ja noch nicht die Möglichkeit, dass die Abgeordneten vor Ort irgendwie an einem Bildschirm abstimmen, sondern das erfolgt in der Regel dadurch, dass die Abgeordneten aufstehen, wenn sie für einen Gesetzesbeschluss stimmen möchten.
Dieser Klubzwang, den du ansprichst, ist immer wieder einmal ein Thema, das auch besprochen wird. Auf der einen Seite würde ich das gar nicht so negativ sehen, sondern es ist ja so, wie wir gehört haben: Nicht jeder Abgeordnete, nicht jede Abgeordnete kann sich bei einem Thema immer hundertprozentig auskennen, und da kann es durchaus helfen, wenn andere Mitglieder der Partei sagen: In diesem Fall würde ich so und so abstimmen, weil wir uns das gut überlegt haben, weil wir das im Ausschuss so besprochen haben!, und deshalb stimmen dann die anderen Parteimitglieder eben so mit.
Grundsätzlich aber muss man schon sagen, dass es in Österreich das Prinzip des freien Mandats gibt. Das heißt, die Abgeordneten können schon selbst entscheiden, sie dürfen nicht gezwungen werden; und sie können auch nicht verurteilt werden für Dinge, die sie im Nationalrat sagen. Ich würde also den Klubzwang jetzt nicht als Klubzwang sozusagen sehen, sondern es ist eben auch eine Möglichkeit, wie die Arbeitsteilung in einem Klub funktioniert.
Ali Mahlodji: Danke schön.
Wir hatten hier rechts eine Frage.
Schüler: Was passiert, wenn ein Abgeordneter während der Legislaturperiode aus dem Nationalrat ausscheidet?
Julia Heiss: Das ist auch eine gute Frage – danke dafür. Es kann natürlich mehrere Gründe geben, warum ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete aus dem Nationalrat ausscheidet. Es kann entweder sein, dass er oder sie in die Landespolitik wechselt. Es kann auch sein, dass der Abgeordnete, die Abgeordnete stirbt. Da ist es in der Regel dann so, dass einfach eine Person, die auf der Liste der Partei steht, von der der Abgeordnete kommt, nachrückt. Es rückt also die Person, die in der Liste folgt, für den Abgeordneten, die Abgeordnete nach.
Ein bisschen anders ist es, wenn jetzt zum Beispiel ein Regierungsmitglied verstirbt oder zurücktritt oder irgendwie sein Amt zurücklegt. Da ist es dann so, dass der Regierungschef, also der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin, zusammen mit der Partei und mit dem Koalitionspartner in der Regel verhandelt, wer jetzt der mögliche Nachfolger sein könnte, und diese Person muss dann auch vom Bundespräsidenten offiziell ernannt werden. Das heißt, hier kann es manchmal ein bisschen länger dauern. Bei den Abgeordneten geht es in der Regel relativ schnell, dass jemand nachrückt.
Ali Mahlodji: Danke schön. Welche Fragen interessieren euch noch? – Da, der Herr in Reihe Nummer drei in dem türkisen T-Shirt.
Schüler: Ich möchte fragen: Wie sieht ein normaler Alltag im Nationalrat aus? Also wie ist das Prozedere?
Ali Mahlodji: Danke schön, das interessiert mich auch.
Julia Heiss: Wie wir schon gehört haben, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Abgeordneten eben, Gesetze zu beschließen. Was aber Abgeordnete auch machen – wie Christoph schon angesprochen hat –, ist: Sie sind auch für die Kontrolle der Regierung zuständig. Das heißt, sie können Fragen zum Beispiel an den Bundeskanzler stellen oder sie können Berichte verlangen.
Die Arbeit eines Abgeordneten geht aber natürlich über das Gesetzemachen, sage ich jetzt einmal, hinaus: Abgeordnete müssen sich gut informieren, das heißt, sie müssen auch Wissen einholen. Das passiert, indem sie sich zum Beispiel mit Expertinnen und Experten treffen, mit wissenschaftlichen Einrichtungen. Dann ist natürlich auch der Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern sehr wichtig, dass man sich anhört: Wo sind Probleme? Wie können wir diese Probleme angehen?
Viele Abgeordnete haben auch noch international Aufgaben. Das heißt, sie treffen sich mit Abgeordneten von anderen Ländern oder sie arbeiten in internationalen Organisationen mit. Viele Abgeordnete arbeiten auch sehr eng mit Interessenvertretungen zusammen. Und wir dürfen nicht vergessen: Viele Abgeordnete haben natürlich nebenher – neben ihrer parlamentarischen Tätigkeit – auch noch einen Beruf, sind Lehrerinnen und Lehrer, haben ein Unternehmen oder sind Landwirte. Das heißt, der Alltag eines Abgeordneten ist sehr viel mehr, als nur Gesetze zu machen.
Ali Mahlodji: Man kann es sich dann schon auch manchmal so vorstellen: Die kommen hierher, da wird laut diskutiert, manchmal lauter, manchmal leiser, und so weiter – und dann ist das vorbei und dann treffen sie sich auf einen Kaffee um die Ecke. Also ist das manchmal vielleicht auch wie in einem ganz normalen Büro, dass die dann sagen: Ich hole mir jetzt einen Kaffee!, und dann treffen sie sich bei der Kaffeemaschine. Das kann hier schon auch passieren, ganz normal.
Christoph Clar: Ja, das kann sicher auch passieren, und das ist auch gut so, denn natürlich ist das irgendwie gewissermaßen eine Bühne. Also alles, was hier passiert, wird aufgenommen und live übertragen, es kann jeder zuschauen – und es ist auch wichtig, dass die Personen diese Bühne nutzen, um ihre Argumente breitzutreten. Natürlich muss es jetzt nicht immer unter der Gürtellinie hergehen, und vielleicht könnte man sich manchmal ein bisschen zurückhalten, aber ich finde, es ist total wichtig, dass die eben, genau wie du sagst, da rausgehen können und dort bei einem Kaffee oder etwas anderem dann doch wieder miteinander reden können – denn irgendwann einmal braucht es vielleicht doch wieder bei anderen Initiativen die Zusammenarbeit, vielleicht auch in ein paar Jahren, und vielleicht ist es einfach gut, dass man auch miteinander reden kann, wenn es nicht darum geht, über Gesetze abzustimmen. Aber das findet definitiv statt. Sobald die Kamera ausgedreht ist, schaut es da manchmal auch ganz anders aus.
Ali Mahlodji: Danke schön.
Welche Fragen haben wir hier noch im Raum?, würde mich interessieren. – Zuerst die Dame da hinten, dann kommen wir zu dir. Da hinten ist eine Dame mit einer Brille – vorletzte Reihe, glaube ich, oder vorvorletzte Reihe. – Genau.
Schülerin: Meine Frage wäre: Wie viele Frauen sitzen eigentlich im Parlament?, und ob das eh ausgeglichen ist mit den Männern.
Julia Heiss: Ich muss gerade überlegen, was die aktuelle Zahl ist, denn das kann sich ja im Laufe einer Gesetzgebungsperiode immer wieder einmal ändern, weil, wie wir gehört haben, Abgeordnete auch manchmal ihr Mandat zurücklegen. Es sind momentan, glaube ich, um die 40 Prozent. Das ist natürlich, wenn wir uns das bezogen auf die Repräsentation der Gesamtbevölkerung anschauen, weniger, weil in der Gesamtbevölkerung Österreichs Frauen ja 50 oder 51 Prozent sind. Das heißt, im Parlament sitzen weniger Frauen, aber man muss auch dazusagen, die Repräsentation von Frauen ist in den letzten Jahrzehnten immer wieder gestiegen, was eine schöne Tendenz ist und was auch zeigt, dass Frauen jetzt viel stärker im Parlament vertreten sind. Genauso ist es auch mit jungen Personen: Es hat sich auch der Altersdurchschnitt verändert, und es sind auch jüngere Personen vermehrt ins Parlament eingezogen.
Damit wird eben versucht, schrittweise die Repräsentation der Gesamtbevölkerung einzufangen, aber wir sind sicherlich noch nicht dort, wo wir vielleicht sein könnten.
Christoph Clar: Ich glaube, in den Neunzigern waren es noch 20 Prozent oder so. Also es tut sich wenigstens etwas. Es wäre schön, wenn es so weitergeht – vielleicht ein bisschen schneller.
Ali Mahlodji: Also die Tendenz zeigt auf jeden Fall - -
Christoph Clar: - - in die richtige Richtung, wenn auch ein bisschen langsam.
Ali Mahlodji: Vielen Dank auch für die Frage – sie ist sehr, sehr wichtig in unserer Gesellschaft. Danke schön.
Haben wir noch Fragen? – Okay. Wir kommen zu dir – erste Reihe bitte –, und dann haben wir da hinten noch zwei Fragen. – Bitte schön.
Schüler: Ich würde noch gerne fragen: Wie funktioniert so ein frühzeitiger Regierungswechsel? Es gab ja vor einigen Jahren diesen Regierungswechsel von Schwarz-Blau auf eben Grün-Schwarz. Wie funktioniert das, da ja die Regierung meistens eine Mehrheit im Nationalrat hat? Wie läuft so ein Regierungswechsel, der frühzeitig passiert und nicht durch eine Wahl, im Nationalrat ab?
Ali Mahlodji: Wenn es geht, die kurze Variante. – Danke für die Frage.
Christoph Clar: Na ja, wir haben es vorhin kurz angedeutet: Die Regierung wird ja sozusagen nicht vom Nationalrat bestimmt, das passiert ja außertourlich. In dem Fall war es, glaube ich, so, dass der Rücktritt beim Bundespräsidenten eingereicht wurde, und dann geht es in Richtung Nationalrat, der eben beschließen muss, dass er aufgelöst wird und eine neue Wahl ausgerufen wird. Die Bildung einer Regierung an sich aber passiert außerhalb des Parlaments und hat mit dem konkret sozusagen nichts zu tun, vor allem wenn die Regierung sich ja ohnehin selbst auflöst.
Ali Mahlodji: Vielen Dank.
Wir hatten da hinten Fragen. Ich glaube, zuerst der Herr in der Reihe dahinter – genau –, und dann kommen wir zu dir. – Bitte schön.
Schüler: Was ist das Durchschnittsalter im Parlament?
Ali Mahlodji: Danke schön.
Julia Heiss: Da muss ich ehrlich sagen, das weiß ich jetzt nicht auswendig.
Christoph Clar: Das wäre ein super Hinweis auf unsere Website. Da gibt es ganz viele Zahlen – also jetzt kein Schmäh –, da kann man das alles nachlesen – wir wissen das leider jetzt nicht auswendig –, und es wird auch regelmäßig aktualisiert. Wie gesagt, die Tendenz geht ein bisschen nach unten, was das Alter betrifft. Es sitzen also nicht mehr nur 80-jährige weiße alte Männer hier herinnen.
Ali Mahlodji: Vielen Dank für die Frage.
Da war gleich in der Nähe auch noch jemand anderer mit einer Frage.
Schüler: Ich komme vom Francisco Josephinum Wieselburg und habe eine Frage zu den Vorzugsstimmen: Bringen Vorzugsstimmen tatsächlich so viel, dass man dadurch deutlich höhere Chancen hat, einen Platz im Parlament zu bekommen?
Julia Heiss: Das ist eine sehr gute Frage, denn es wird ja oft gesagt, dass diese Vorzugsstimmen zwar den Wählerinnen und Wählern die Möglichkeit geben, jemanden besonders zu unterstützen, aber es gibt natürlich auch je Liste oder für jede Ebene einen gewissen Prozentsatz, den ein Kandidat oder eine Kandidatin erreichen muss, damit er oder sie in der Liste vorgereiht wird. Es gibt tatsächlich immer wieder einmal die Kritik, dass man sagt, diese Prozenthürden sind zu hoch und es ist sehr schwierig, in der Liste eine Vorreihung zu schaffen. Es ist auch tatsächlich noch nicht so oft passiert. Das heißt, es ist wirklich nicht so einfach, anhand der Vorzugsstimmen einen Listenplatz zu überschreiten – was aber nicht heißt, dass es nicht möglich ist. Es hat Beispiele gegeben, wo Personen von sehr aussichtslosen, weiter hinten gereihten Plätzen es geschafft haben, trotzdem in den Nationalrat einzuziehen. Es ist also durchaus möglich, aber wie gesagt, aufgrund der relativ hohen Hürden ist es nicht so einfach.
Christoph Clar: Das eine ist natürlich der Automatismus, der dadurch eintritt, das andere kann aber natürlich schon sein, dass es einfach der Partei zu denken gibt, dass diese Person vielleicht einfach mehr Unterstützung in der Bevölkerung hat, und sie dann dadurch irgendwie auch nach vorne kommt.
Ali Mahlodji: Danke schön.
Haben wir noch eine Frage? – Ah, der ist heute motiviert. – Bitte schön.
Schüler: Meine Frage ist: Gibt es im Nationalrat eine Anwesenheitspflicht? Wird die irgendwie kontrolliert, also wird da gesagt: Ist der Herr und ist die Dame da? – Und wenn nicht: Wäre eine solche sinnvoll?
Julia Heiss: Also es gibt keine Anwesenheitspflicht. Das heißt, niemand kontrolliert jetzt effektiv, ob die Abgeordneten da sind. Es ist natürlich im Interesse der Partei, dass vor allem bei Abstimmungen die Abgeordneten im Haus sind oder im Saal sind, damit sie abstimmen können. Wenn ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete tatsächlich länger nicht im Nationalrat erscheint oder auch zu den Ausschusssitzungen zum Beispiel nicht geht, dann gibt es schon Konsequenzen, aber es ist jetzt an einem Sitzungstag niemand da, der kontrolliert, ob der oder die Abgeordnete wirklich da ist.
Ali Mahlodji: Danke schön.
So, gibt es noch eine Frage, die jemanden brennend interessiert? – Okay, in der ersten Reihe. Sehr gut. – Bitte schön.
Schüler: Was passiert, wenn eine Partei gewinnt, aber keine andere Partei eine Koalition mit ihr eingehen will?
Julia Heiss: Nach der Wahl ist es ja grundsätzlich Praxis, dass der Bundespräsident – oder die Bundespräsidentin vielleicht irgendwann – den Parteichef oder die Parteichefin der stimmenstärksten Partei dazu ermächtigt oder ihm oder ihr die Möglichkeit gibt, eine Regierung zu bilden. Das muss aber nicht immer so sein. Es kann ja auch sein, dass die stimmenstärkste Partei es nicht schafft, in diesen sogenannten Sondierungsgesprächen einen möglichen Koalitionspartner zu finden. Das heißt, es ist, wie Christoph auch schon gesagt hat, schon möglich, auch abseits davon eine Regierung zu bilden, wenn sich andere Mehrheiten ausgehen. Manchmal gibt es sogar die Möglichkeit einer Minderheitsregierung. Es muss also nicht zwingend die stimmenstärkste Partei sein, die dann im Endeffekt den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin stellt.
Ali Mahlodji: Danke schön.
Eine letzte Frage nehmen wir jetzt noch. Vielleicht jemand, der noch nicht dran war? Ah? Ja? Nein? Ja, nein? – Die Dame in Reihe Nummer vier, auch mit der Brille. – Bitte schön.
Schülerin: Sind viele Informatiker in diesem Berufsfeld angefragt? Und wenn ja, welche Bereiche?
Christoph Clar: Also mit Berufsfeld meinst du jetzt Politiker:innen oder das, was zum Beispiel wir hier machen, die Verwaltung? Oder beides?
Schülerin: Allgemein, ich weiß nicht.
Christoph Clar: Also wir wissen, dass es Tendenzen gibt. Wenn wir jetzt über das Parlament nachdenken, wo natürlich viel passiert und wo wir auch händeringend gute Leute suchen: Das Parlament, also die Parlamentsdirektion – das ist ja die Verwaltung des Parlaments – zahlt jetzt nicht ganz so gut, wie viele Firmen Informatiker:innen zahlen, aber wir suchen auch immer wieder gute Leute. Die Ansprüche an solche Entwicklungen werden einfach immer höher. Jede Abgeordnete, jeder Abgeordneter muss auch mit diesen ganzen Entwicklungen immer besser zurechtkommen und diese auch nutzen können. Also ja, gute Leute werden definitiv gesucht und gebraucht in diesem Bereich.
Ali Mahlodji: Sehr gut. Im besten Fall haben wir hier gerade Leute vermittelt, oder?
Christoph Clar: Einfach nicht an mich wenden, bitte.
Ali Mahlodji: Bevor wir jetzt gleich zum Ende kommen, Folgendes:
Das war heute eine Veranstaltung, die für euch geschaffen wurde, um euch ein bisschen zu motivieren, euch zu helfen, Einblicke zu bekommen. Die Wahrheit ist: Ihr seid die Experten und Expertinnen für die Jugend, weil ihr gerade selber in diesem Lebensabschnitt seid, und das österreichische Parlament möchte natürlich auch von euch wissen, was das Parlament selbst tun kann, um noch mehr junge Menschen zu erreichen. Das heißt, ihr habt sicher unfassbar viele Ideen, wie man euch motivieren kann, wie man euch noch besser abholen kann, und deshalb noch einmal hier der Aufruf – oder eine andere Frage: Wer hier ist auf Tiktok oder auf Instagram? Bitte einmal kurz aufzeigen! Also wer von euch hat einen Account auf Instagram oder auf Tiktok? – Sehr gut!
Wenn ihr Anliegen habt, was man besser machen kann, wie man euch in Zukunft noch besser erreichen kann, egal wie auch immer, geht bitte auf die Accounts entweder von Tiktok oder Instagram – das steht bei euch vorne, das ist @oeparl, also die Abkürzung für österreichisches Parlament – und gebt dort bitte euer Feedback ab. Das ist unfassbar wichtig! Okay?
Ich möchte mich wirklich von Herzen bei euch beiden bedanken, weil ihr euch die Zeit genommen habt, all die Fragen zu beantworten. Ich möchte an die Schüler, Schülerinnen, an die Lehrer, Lehrerinnen, an alle, die hier mitgewirkt haben, wirklich den Appell richten: Das, was heute hier passiert ist, das muss in Zukunft noch öfter passieren. Das muss auch von den Jugendlichen eingefordert werden.
Ich danke euch für eure Fragen.
Und jetzt ist Folgendes: Ich habe zwei kleine Töchter, eine ist ein Jahr alt und eine ist fünf. Meine fünfjährige Tochter fragt mich in der Früh immer, wo ich hingehe, und dann bittet sie mich, ein Foto mitzunehmen, ein Selfie. Deshalb steht alle bitte einmal kurz auf, wir machen jetzt ein Selfie. Ihr kommt auch her. Ich glaube, das ist im Parlament noch nie passiert, oder? Alle einmal aufstehen! Ihr wisst gar nicht, was ein Selfie ist im Parlament, oder?
Okay, das machen wir jetzt so – fett, okay! –: Ich zähle bis drei- - Ah, ich mache ein Video! So machen wir das, ja, wir machen ein Video! Ich zähle bis drei, und dann schreien einfach einmal alle: Demokratie! – Und tut bitte so, als hättet ihr Spaß, sonst wird es urpeinlich, okay? Ready? – So, ich tue so, als wäre hier nichts los im Parlament, okay?
*****
(Es wird eine Videoaufnahme gemacht:)
Ali Mahlodji: So, ich stehe da im Parlament, und da ist irgendwie nichts los, oder?
Eins, zwei, drei – (alle:) Demokratie!
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Ali Mahlodji: Ich danke euch. Das findet ihr dann alle auf Social Media.
Ach, und noch eines: Einmal noch alle aufstehen! Da machen wir jetzt auch ein gemeinsames Foto. Bitte, ihr beide kommt hierher zu mir – leg das hierher! –, und du zählst bis drei und dann tun wir so, also hätte es cool Spaß gemacht, ja? – Eins, zwei, drei! – Du bist ja geil. – Einmal noch, wartet kurz, wartet kurz! – Ihr seht, die Medienarbeit hier ist perfekt. Und es ist eh Weitwinkel, oder? – Ja, perfekt. (Eine Stimme im Hintergrund: Eins, zwei, drei!)
*****
(Es wird ein Foto gemacht.)
*****
Ali Mahlodji: Danke schön!
Ich wünsche euch allen einen wunderbaren Tag, genießt ihn! Und am Sonntag – egal, ob ihr wählen wollt oder nicht – geht hin und zeigt, was ihr wollt! (Beifall.) – Ich danke euch.
Und die Unterlagen, die hier liegen, mit den ganzen Sprüchen hier, die Informationen, nehmt die mit – wenn es nicht für euch selbst ist, dann nehmt sie bitte mit für andere in der Schule, für andere Leute zu Hause, die vielleicht diese Informationen noch nicht haben. – Ich danke euch vielmals. Ciao ciao!