Politik am Ring

„Was bringt das geplante Terror-Bekämpfungs-Gesetz?“

 

Moderation:                                 Gerald Groß

DiskussionsteilnehmerInnen:   Karl Mahrer, ÖVP

                                                      Ing. Reinhold Einwallner, SPÖ

                                                      Mag. Hannes Amesbauer, BA, FPÖ

                                                      Mag. Georg Bürstmayr, Grüne

                                                      Dr. Stephanie Krisper, NEOS

Eingeladene Fachleute:              Mag. Dr. Nicolas Stockhammer, Institut für Rechtsphilosophie an der Universität Wien

                                                      Mag. Sabine Matejka, Präsidentin der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter

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Moderator Gerald Groß: Guten Abend und herzlich willkommen, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei einer weiteren Ausgabe von „Politik am Ring“.

Der Terroranschlag in Wien vom 2. November des Vorjahres hat ganz Österreich geschockt. Mit ihm hat der islamistische Terror auch unser Land erreicht. Vier Menschen wurden damals getötet. Die Bundesregierung hat schnell reagiert: Mit einem neuen Terrorbekämpfungsgesetz sollen Anschläge wie jener im Vorjahr in Zukunft verhindert und vor allem religiös motivierter Extremismus stärker ins Visier genommen werden.

Kritiker sehen in den Regierungsplänen freilich politischen Aktionismus. Die bestehenden Gesetze würden ausreichen, heißt es. Bietet das Terrorbekämpfungsgesetz also besseren Schutz vor weiteren Anschlägen, oder ist es Anlassgesetzgebung? Und was bringt der Umbau des bisherigen BVT, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, dessen Grundzüge ja heute präsentiert worden sind?

Darüber wollen wir diskutieren, und zwar mit den Sicherheitssprechern der im Nationalrat vertretenen Parteien. Ich begrüße herzlich bei uns: von der ÖVP Karl Mahrer, herzlich willkommen; Stefanie Krisper von den NEOS, ebenfalls herzlich willkommen. Ich begrüße Georg Bürstmayr von den Grünen, schönen guten Abend; ich begrüße Reinhold Einwallner von der SPÖ, ebenfalls herzlich willkommen, und last, but not least Hannes Amesbauer von der FPÖ, herzlich willkommen. Schönen guten Abend, schön, dass Sie alle da sind!

Am Beginn kehren wir aber noch einmal zum Ausgangspunkt zurück, zur schrecklichen Tat vom Allerseelentag 2020 in der Wiener Innenstadt, bei der ein mazedonischstämmiger Österreicher vier Menschen tötet und danach von der Polizei erschossen wird. Der Mann war einschlägig vorbestraft. Zudem wurde im Nachhinein bekannt, dass der Staatsschutz sowohl wusste, dass er Islamisten aus Deutschland und aus der Schweiz in Wien getroffen hat, als auch, dass er in der Slowakei versucht hat –allerdings vergeblich –, Munition zu kaufen.

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Es folgt eine Videoeinspielung:

Sprecher: Der Schock sitzt tief. Bei dem Terroranschlag am 2. November 2020 in Wien sterben vier Menschen, zahlreiche werden verletzt. Ein Polizist der Wega tötet den Attentäter. Auch der 21-jährige Nedzip stirbt bei dem Anschlag. Seine Eltern klagen jetzt die Republik.

Mathias Burger (Anwalt der Eltern von Nedzip): Grundsätzlich geht es darum, dass wir der Meinung sind, dass da ein Behördenversagen vorliegt, und aufgrund dieses Behördenversagens muss natürlich der Staat für seine Organe einstehen. Die Hauptpunkte sind, dass kein ausreichender Informationsfluss stattgefunden hat.

Sprecher: Denn nach dem Anschlag wird bekannt, dass es mehrere Warnsignale gegeben hat. Der 20-jährige Attentäter, der bereits einen Teil einer Haftstrafe wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung abgesessen hat, wird im Dezember 2019 vorzeitig entlassen. Er muss bei der Bewährungshilfe vorsprechen und ein Deradikalisierungsprogramm absolvieren. Im Juli bekommt er Besuch von amtsbekannten Gefährdern aus Deutschland. Der österreichische Bundesverfassungsschutz wird von den deutschen Kollegen gewarnt. Außerdem wird das BVT von den slowakischen Behörden darüber informiert, dass der spätere Täter im Sommer 2019 versucht hat, in der Slowakei Waffen zu kaufen, doch diese Informationen werden nicht weitergegeben.

Mathias Burger: Ein ganz wichtiger Punkt und etwas, das für mich absolut nicht verständlich ist, ist, dass die Staatsanwaltschaft Wien zu keinem Zeitpunkt informiert wurde.

Sprecher: Auch die Bewährungshelfer des späteren Attentäters erfahren nichts von diesen Vorkommnissen.

Andreas Zembaty (Sprecher Verein Neustart): Ganz klar ist, dass zum Beispiel mit der Information, dass er ins Ausland fährt, um sich dort Munition zu beschaffen, unsere Betreuung natürlich sofort einen ganz anderen Kontakt gegeben hätte, wir hätten sofort das Gericht über diese Sache informiert, und die hätten dann die Maßnahmen gesetzt, bis hin zum Widerruf der bedingten Entlassung. Mit dieser Maßnahme wäre ganz sicherlich einiges zu verhindern gewesen, aber man kann nicht agieren, wenn man nichts weiß. Das ist sicherlich auch das, was wir uns für die Zukunft wünschen: die befassten Organisationen an einen Tisch zu bringen.

Sprecher: Ein Ansatz, der nun verwirklicht werden soll – denn nach den mutmaßlichen Versäumnissen, die schuld am Tod von vier Menschen gewesen sein könnten, präsentiert die Regierung nur sechs Wochen nach dem Anschlag ein neues Antiterrorgesetz.

Karl Nehammer (Innenminister, ÖVP): Das, was wir Ihnen jetzt als Antiterrorpaket vorstellen, ist ein starkes und klares Zeichen dieser Bundesregierung gegen jede Form von Terror – unabhängig davon, von welcher Seite er ausgeübt wird. Für uns ist klar: Wir müssen entschlossen dagegen ankämpfen, und es braucht einen systemischen Ansatz, einen gemeinsamen Ansatz, disziplinübergreifend, damit man tatsächlich effizient gegen terroristische Bedrohungen vorgehen kann.

Alma Zadić (Justizministerin, Grüne): Wir haben einen Straftatbestand ins Leben gerufen, der gegen religiös-extremistische Verbindungen vorgeht. Als Justizministerin war es mir besonders wichtig, dass dieser Straftatbestand dem Bestimmtheitsgebot des Strafrechts genügt, dem verfassungsrechtlichen Rahmen entspricht und auch dem entspricht, was der Verfassungsgerichtshof uns zuletzt als Rahmen vorgegeben hat.

Sprecher: Außerdem wird nun eine Reform des Verfassungsschutzes in Angriff genommen. Aus dem BVT wird die DSN, die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst, aber nicht nur der Name soll sich ändern.

Karl Nehammer: Also wir haben eine Trennung zwischen Nachrichtendienst und Staatsschutz, wir haben Ausbildung, Auswahl und Sicherheitsüberprüfung. Und dann kennen Sie die intensive Diskussion über die Ereignisse, die auch der Untersuchungsausschuss et cetera ans Tageslicht gebracht haben: Da war auch das Thema, dass sich der Verfassungsschutz – der alte, das BVT – immer mit dem Vorwurf konfrontiert lassen musste, dass er verpolitisiert ist, dass es zu viele Freiheiten für die Mitarbeiter gibt, auch wenn es um Nebentätigkeiten geht. All das haben wir gemeinsam sehr ernst genommen, und daher sind wir zur Übereinkunft gelangt – und das Thema ist auch in den Gesetzeswerdungsprozess miteingeflossen –, es braucht für die zukünftigen und bestehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst so viel Transparenz und so viel Klarheit, dass sie mit all diesen Vorwürfen erst gar nicht konfrontiert werden können, dass ihnen von vornherein erst gar keine Befangenheit überhaupt unterstellt werden kann.

Deswegen gibt es ein klares Verbot für Nebenbeschäftigungen – in dieser Form noch nie da gewesen –, genauso aber auch eine Entpolitisierung des Verfassungsschutzes, das heißt, dass eine politische Betätigung für Führungskräfte in Zukunft nicht erlaubt sein wird.

Sprecher: Mit der Reform des Verfassungsschutzes ist der erste Schritt getan. Die nächste Hürde wird dann der Beschluss des Terrorbekämpfungsgesetzes sein.

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Moderator Gerald Groß: Wir sind heute also gewissermaßen tagesaktuell mit unserer Diskussion, zu der ich jetzt auch Nicolas Stockhammer herzlich willkommen heißen darf. Herr Stockhammer ist Politikwissenschaftler mit Fokus auf Sicherheitspolitik, vor allem das Thema Terrorismusforschung ist sein Feld. Nach zahlreichen Auslandsaufenthalten von Standford über Israel bis Berlin ist er seit Jahren wieder in Wien tätig, und zwar am Institut für Rechtsphilosophie der Uni Wien.

Herr Stockhammer, wir werden gleich miteinander reden, und zwar nach einer ersten Runde mit den Parlamentariern hier in „Politik am Ring“.

Herr Mahrer, ich möchte gerne mit Ihnen beginnen. Hätte dieses Gesetz, das ja jetzt bereits vorliegt und das auch schon in Begutachtung war, Ihrer Einschätzung nach den Anschlag vom 2.1.2020 verhindern können, und wenn nein, warum brauchen wir dann überhaupt ein neues Gesetz?

Karl Mahrer (ÖVP): Also ich denke, Politik hat zwei ganz wesentliche Aufgaben: einerseits aus dem Geschehenen zu lernen, Lernprozesse abzuleiten und rasch dort zu agieren und zu reagieren, wo organisatorische Verbesserungspotenziale liegen. Das hat der Innenminister getan. Er hat 48 Stunden nach dem schrecklichen Anschlag vom Allerseelentag gemeinsam mit der Justizministerin eine unabhängige Untersuchungskommission eingesetzt und schon nach dem Zwischenbericht dieser Kommission und auch nach dem Endbericht massive organisatorische Maßnahmen gesetzt.

Es finden jetzt täglich Lagebesprechungen zwischen dem BVT und dem LVT statt. Mit der Justiz sind Besprechungen im Gang, um Fallbesprechungen, Fallkonferenzen umzusetzen, die also unverzüglich realisiert werden. Es werden zusätzliche Planstellen geschaffen. Vom psychologischen Dienst gibt es eine Betreuung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil ja auch bei denen etwas passiert ist.

Das heißt, Politik hat auf die Vergangenheit zu reagieren, und das ist meiner Meinung nach sehr eindrucksvoll geschehen, aber Politik hat nicht nur aus der Vergangenheit zu lernen, sondern Politik hat auch zu antizipieren, vorauszudenken und zu überlegen, wie es denn eigentlich mit Extremismus – und da meine ich alle Formen des Extremismus, auch des politischen Islam und des religiös motivierten Extremismus – ausschaut. Und dazu, finde ich, sind im Antiterrorpaket jetzt viele Maßnahmen drinnen, die in der parlamentarischen Behandlung liegen und mit denen wir vor allem den religiös motivierten Extremismus auch wirksam bekämpfen können.

Ich glaube also, es geht nicht um die Frage, was alles hätte verhindert werden können, wenn. Auch die Untersuchungskommission kommt zum Ergebnis, dass es keine Kausalität, keinen Zusammenhang zwischen einer der Fehlhandlungen, die von einzelnen Bediensteten zweifellos stattgefunden haben, und der geschehenen Tat gibt, aber wir müssen ungeachtet dieser mangelnden Kausalität weiterdenken und sagen: Was ist eigentlich in der Zukunft die Forderung an die Politik und an den Staat, um Terror – in diesem Fall vor allem islamistischen Terror – zu bekämpfen oder zu verhindern?

Moderator Gerald Groß: Sie sind zwar jetzt auf die ursprüngliche Frage zurückgekommen, haben sie aber trotzdem nicht beantwortet, nämlich ob mit diesem Gesetz die Tat vom 2. November 2020 hätte verhindert werden können. Viele glauben ja, dass es nicht hätte verhindert werden können (Abg. Mahrer: Klipp und klar: Nein!), dass aber dieses Gesetz in vielen Belangen jetzt trotzdem einfach über das Ziel hinausschießt.

Karl Mahrer (ÖVP): Ich glaube, die Frage geht von einem – sage ich einmal – problematischen Ansatz aus, denn sowohl eine Organisation als auch ein Gesetz können einen Vorfall niemals hundertprozentig verhindern. Daher stehe ich auch dazu: Politik hat die Vergangenheit zu bearbeiten, Politik hat die Zukunft zu antizipieren, aber Politik darf nicht so selbstbewusst sein, zu sagen, mit diesem Gesetz können Vorfälle zu 100 Prozent ausgeschlossen werden.

Da sollten wir sehr vorsichtig und auch sehr demütig in der Beachtung, in der Betrachtung, in der Definition sein, aber die Verantwortung liegt darin, Mängel, wenn man diese erkennt, sofort abzustellen, und dass man in der Gesetzgebung auch für Fälle, die gerade wie in diesem Fall mit dem Extremismus, mit religiös motiviertem Extremismus, zusammenhängen, die richtigen Maßnahmen setzt. Wenn wir daran denken, dass wir gerade im Bereich des politischen Islam mit Auslandsfinanzierung zu tun haben, wenn wir ein Islamgesetz haben, das wir noch viel besser, noch viel stärker durchsetzen müssen, dann hat, glaube ich, das Paket, das jetzt auf dem Tisch liegt, mit vielen Punkten, über die wir noch reden können, sehr, sehr viele Möglichkeiten, auch das zu verbessern.

Moderator Gerald Groß: Dann reden wir noch darüber: Herr Bürstmayr, der ehemalige Polizeigeneral Mahrer ist demütig und will nicht zu selbstbewusst sein – selbstbewusst sozusagen jetzt als Gesetzgeber im Nationalrat. Wie geht es denn Anwalt Bürstmayr? Sind Sie auch so demütig?

Eine andere Frage in diesem Zusammenhang vielleicht betreffend das Tempo, mit dem das Ganze über die Bühne gegangen ist: Herr Mahrer hat selber gesagt, nur 48 Stunden danach wurde schon eine Untersuchungskommission eingesetzt. Sechs Wochen danach wurde dieses Paket schon in den Grundzügen präsentiert, wir haben vorhin auch die Ausschnitte gesehen. Sie selber haben davor gewarnt, dass man da gewissermaßen mit zu heißer Nadel strickt, trotzdem ist es passiert.

Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Jein – ich glaube auf der einen Seite, dass es gut war, sich sehr rasch für eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle der unmittelbaren Vergangenheit zu entscheiden. Die Ergebnisse dieser Kommission können sich auch wirklich sehen lassen beziehungsweise sind auch wirklich lesenswert – diese Berichte sind ja auch veröffentlicht worden. Ich halte das für einen wichtigen Aspekt in der Aufarbeitung und im Umgang mit Fehlern, die passiert sind, und zwar weniger, um danach zu fragen, wer schuld ist, oder gar um danach zu fragen, wer alleine schuld ist – denn die Kommissionsvorsitzende, Professorin Zerbes, hat ganz, ganz deutlich gemacht, dass eben nicht ein einzelner Fehler für sich allein für die Geschehnisse vom 2. November kausal war oder als kausal gesehen werden kann –, sondern um zu fragen, wo es strukturelle Mängel gibt und wie wir diese beheben. Dafür haben Professorin Zerbes und ihre Kommission auch einige Empfehlungen abgegeben, die in weiterer Folge mit Sicherheit Richtschnur für die Politik sein werden – hoffentlich nicht nur für die Regierungsparteien, sondern auch für den gesamten parlamentarischen Prozess.

Ein Stückweit davon ist in die jetzt konzipierte Reform von Staatsschutz und Nachrichtendienst – also des heute noch sogenannten BVT, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung – eingeflossen, und da geht es um wesentlich mehr als um einen anderen Namen. Darauf kommen wir vielleicht noch in der zweiten Runde.

Weil Sie vorhin nach der Demut gefragt haben: Ich glaube, das ist in der Anwaltschaft ziemlich gleich wie in der Politik. Als Anwalt muss ich meinen Klientinnen und Klienten immer sagen: Ich bin es nicht, der entscheidet, ich kann dich nur beraten, ich kann dir nur ungefähr die Konsequenzen deines Tuns vorhersagen. – Als Abgeordneter – selbst als Abgeordneter einer Regierungsfraktion – muss ich feststellen, dass Macht vielfach geteilt ist und dass alle politischen Ergebnisse am Ende das Ergebnis eines langen Aushandlungsprozesses von vielen, vielen Akteurinnen und Akteuren sind. Wenn Sie das als Demut bezeichnen wollen, dann haben AnwältInnen und PolitikerInnen das gemeinsam.

Moderator Gerald Groß: Okay, ich habe ja nur Mahrer zitiert.

Herr Einwallner, Sie wollten in Österreich überhaupt eine neue Sicherheitsarchitektur aufbauen. Sind wir dieser Sicherheitsarchitektur mit dem heutigen Tag auch ein Stückweit oder einen Schritt nähergekommen?

Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Nein, aus meiner Sicht leider noch nicht – also ich glaube, dass die Frage, wie man mit so einem terroristischen Anschlag, wie wir ihn am 2. November erleben mussten, umgeht, eine ganz andere sein sollte.

Wir haben erlebt, dass da – Sie haben es gesagt – innerhalb von 48 Stunden eine Untersuchungskommission zusammengestellt worden ist. Das ist schön und gut, aber innerhalb von 24 Stunden hat es in einer Erstreaktion von Innenminister und Bundeskanzler einmal sehr grobe Schuldzuweisungen gegen die Justizministerin gegeben, was ich in so einer sehr schwierigen Situation für sehr, sehr problematisch halte.

Genau so, wie diese spontanen Schuldzuweisungen in Richtung Justiz waren, gestaltet sich auch dieses Terrorabwehrpaket, das dann präsentiert wurde, weil es entgegen allen Empfehlungen der Kommission vor den Ergebnissen der Untersuchungskommission präsentiert wurde. Wenn die Zerbes-Kommission – wenn ich diese Untersuchungskommission so nennen darf – eines gezeigt hat, ist es, dass es auf der einen Seite im österreichischen System erhebliche Mängel gibt, wenn es um Terrorismusbekämpfung geht, und dass es auf der anderen Seite – das steht schwarz auf weiß im Untersuchungsbericht – weder Bedarf gibt, rechtlich etwas zu tun, noch, in den polizeilichen Befugnissen aktiv zu werden.

Die Zerbes-Kommission hat also ganz andere Fehler, die wir in unserer Sicherheitsstruktur haben, aufgezeigt, und auf die kommen wir in unserem Sicherheitskonzept ganz stark zu sprechen. Was in Österreich fehlt, ist so ein gesamtstaatliches Lagezentrum, eine gesamtstaatliche Struktur, ein politisch Verantwortlicher, der unsere Nachrichtendienste koordiniert, der mittelfristig und langfristig auch eine strategische Koordination dieser Nachrichtendienste macht. Wir haben ja nicht nur den Inlandsnachrichtendienst – das BVT oder den Verfassungsschutz –, sondern auf der anderen Seite auch das Heeresnachrichtenamt und das Abwehramt, also drei Dienste, die jetzt sehr isoliert voneinander agieren und ihre Daten nicht austauschen. Das ist einer der Hauptkritikpunkte, den wir aus diesem Untersuchungsbericht herauslesen: dass es zwar Informationen – sehr konkrete Informationen zum Attentäter – gegeben hat, es aber nicht gelungen ist, dass die Dienste untereinander die Informationen austauschen. Das ist eigentlich der Handlungsbedarf, den wir politisch hätten: dass wir ein System oder eine Plattform schaffen, die wirklich diesen Austausch, diese gemeinsame Datenbank, diese Synchronisation der Information gewährleistet. Das wäre wichtig.

Wir haben vorgeschlagen, dass es bei der Reform der Nachrichtendienste eine klare Trennung zwischen Nachrichtendienst und polizeilicher Ermittlung gibt. Das ist heute leider nur sehr halbherzig präsentiert worden. Es fehlt nach wie vor die klare Trennung dieser Dienste. Das ist das, was man international von uns erwartet. Unsere internationalen Partner erwarten eine endgültige Trennung, keine Vermischung zwischen Nachrichtendiensten und Polizei mehr, wie wir es derzeit haben, und das wird leider auch beim zukünftigen Modell, das heute präsentiert wurde, nicht der Fall sein. Da braucht es ein konsequentes Vorgehen, und da muss man jetzt auch die Gunst der Stunde nutzen. Ich glaube, das BVT ist einfach ein Totalschaden, und jetzt muss man die Gunst der Stunde nutzen, es neu aufzustellen, einen komplett neuen Nachrichtendienst zu schaffen und nicht innerhalb der Organisation ein bisschen zu versuchen, zu reformieren, denn wenn man das tut, dann bleibt es nur alter Wein in neuen Schläuchen. Das ist in so einer wichtigen Frage einfach zu wenig.

Moderator Gerald Groß: Okay, wir müssen jetzt nur, glaube ich, aufpassen, dass wir nicht alles miteinander vermischen: dass wir vielleicht einmal das Terrorbekämpfungsgesetz diskutieren und dann in einer weiteren Runde auf das BVT zu sprechen kommen, denn sonst kennt sich vielleicht niemand mehr aus.

Herr Amesbauer, Sie haben ja immer wieder auf den politischen Islam fokussiert, die FPÖ hat sogar ein Verbotsgesetz gefordert. Dieses Gesetz zielt ja jetzt sehr stark auf den religiös motivierten politischen Extremismus ab. Warum sind Sie dann trotzdem nicht zufrieden und fordern noch immer den Rücktritt des Innenministers?

Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Schauen Sie, ich glaube, dass diese Vorschläge, dieses sogenannte Antiterrorpaket - - Wir sind immer für schärfere Antiterrormaßnahmen und dafür, den Kampf gegen den politischen Islam zu forcieren. Darum fordern wir auch ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam, wie Sie gesagt haben, analog zum NS-Verbotsgesetz: dass wir uns als Gesellschaft darüber einig sind, dass wir gewisse Dinge hier nicht wollen, und diese sind auch strafrechtlich zu verfolgen.

Bei diesem Terrorpaket aber fehlen mir der Sinn und die Begründung. Also das ist ja nicht einmal eine Anlassgesetzgebung, weil es für dieses Maßnahmenpaket ja keinen konkreten Anlass gibt. Ich glaube, das ist schon viel Kosmetik, ein Ablenkungsmanöver. Man hat es vorhin gehört: Es hat unmittelbar nach dem Anschlag Schuldzuweisungen seitens des Innenministers, aber auch seitens des Bundeskanzlers gegeben, zuerst gegen die Justiz, die in diesem ganzen Fall überhaupt keine Fehlleistungen zu verzeichnen hat, dann auch gegenüber einem Vorgänger, nämlich Herbert Kickl, der schon längst nicht mehr im Amt war.

Sie haben die Verfehlungen, die es gegeben hat, ja im Einspieler gut gezeigt, und man muss sich sicher anschauen, um was für eine Person es sich bei diesem Attentäter, bei diesem Herrn K. F., gehandelt hat: Er hat zuerst versucht, über die Türkei nach Afghanistan zu gelangen, um sich dort den Taliban anzuschließen. Das ist gescheitert. Dann hat er versucht, nach Syrien zu gelangen, um sich dem IS anzuschließen, wurde dann in der Türkei festgesetzt, nach Österreich rückgeführt, der Justiz zugeführt und dann auch verurteilt. Dann ist er bedingt entlassen worden, und einen Tag nach der Haftentlassung war sein erster Weg in eine Moschee, in eine einschlägig bekannte radikale Moschee, die auch unter Beobachtung steht, und so ist das über mehrere Monate gegangen, alles vor den Augen des Verfassungsschutzes.

Dann gab es das berühmte Dschihadistentreffen in Wien, mit Dschihadisten, Islamisten aus Deutschland und aus der Schweiz, mit Informationen von den deutschen Behörden, auch mit Informationen und Hinweisen aus der Schweiz, und einen Tag nach diesem Treffen, das da inklusive Sightseeingtour durch die Wiener Moscheen- und Islamistenszene stattgefunden hat, ist dieser K. F. in die Slowakei gefahren und hat versucht, Munition zu kaufen – nicht irgendeine Munition, sondern Munition für einen Kalaschnikow-Nachbau. Dabei handelt es sich nicht um irgendeine Waffe, sondern um Kriegsgerät, um ein vollautomatisches Sturmgewehr, das in Österreich für Zivilpersonen grundsätzlich verboten ist. Dann gab es klare - -

Moderator Gerald Groß: Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche: Diese Fakten kennen wir ja, die haben wir ja auch in dem Film noch einmal zusammenzufassen versucht.

Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Ich komme gleich zum Punkt.

Moderator Gerald Groß: Wir wollen ja darüber reden, ob Sie der Meinung sind, dass es mit diesem Gesetz möglich wäre, genau das in Zukunft zu verhindern.

Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Nein, weil ich der Meinung bin – und das hat der Endbericht der Zerbes-Kommission auch ganz klar gezeigt –, dass auf Grundlage der jetzt gültigen Gesetze dieser Anschlag verhinderbar gewesen wäre. Meiner Meinung nach hätte er sogar verhindert werden müssen. Um auf den Punkt zu kommen und das abzuschließen: Nach diesem gescheiterten Munitionskauf gab es klare Informationen von der Slowakei. Dann hat es ein Hin und Her gegeben. Zuerst ist es einmal einen Monat beim BVT gelegen, ohne dass etwas gemacht wurde. Spätestens am 16. Oktober – da ist ja eh schon lange Zeit vergangen, denn das Ganze hat sich im Juni, Juli zugetragen – hat es die endgültige Bestätigung der Identität des Herrn K. F. durch die Slowaken gegeben, und was hat das BVT gemacht? – Nichts.

Wenn das BVT so gehandelt hätte, wie es auch hätte handeln müssen, nämlich die Staatsanwaltschaft zu informieren, dann bin ich mir ziemlich sicher - - Man weiß nicht, was eine Staatsanwaltschaft dann mit der Information macht, aber ich kann mir bei dieser Vorgeschichte nicht vorstellen, dass sie nichts gemacht hätte. Dieser Herr wäre also höchstwahrscheinlich, ziemlich sicher, auf Grundlage der gültigen Gesetze aus dem Verkehr gezogen worden. Darum finde ich das jetzige Antiterrorpaket eine reine Inszenierung. Einige Dinge dabei sind diskussionswürdig, aber das meiste ist überflüssig und einfach im jetzt gültigen Rechtsrahmen klar geregelt.

Moderator Gerald Groß: Ganz konkret – ein Punkt, der in Ihren Augen diskussionswürdig ist?

Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Na ja, zum Beispiel das Imameverzeichnis – wobei ja auch bekannt sein wird, welche Imame in Österreich aufhältig sind. Die Auslandsfinanzierung ist ja auch schon verboten. Was zum Beispiel eine Fußfessel wirklich bringen soll, weiß ich nicht, denn einen Anschlag kann man wahrscheinlich auch mit einer Fußfessel durchführen. Aber ja, es gibt einzelne Punkte, die diskussionswürdig sind, aber in Summe halte ich das für überflüssig. Wichtig ist, dass wir den Verfassungsschutz jetzt wirklich ordentlich für die Zukunft aufstellen.

Moderator Gerald Groß: Okay. Frau Krisper, auch die NEOS sind ja sehr skeptisch, was dieses Gesetz betrifft – aus den gleichen Gründen wie Herr Amesbauer? Würde die bestehende Gesetzeslage aus Ihrer Sicht ausreichen?

Dr. Stephanie Krisper (NEOS):Wir sind, wie meistens, aus rechtsstaatlichen Gründen skeptisch. Ich bin bei Kollegen Mahrer, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt, aber dann hört es sich fast schon wieder auf, weil es natürlich um Risikominimierung geht. Ich denke, dass alle in Österreich auch wissen wollen, dass in Zukunft alles passiert, damit die Wahrscheinlichkeit eines Anschlages und anderer gefährlichen Taten so weit wie möglich reduziert werden kann.

Seriös wäre unserer Meinung nach gewesen, nach dem Anschlag den Untersuchungskommissionsbericht, die Analyse, abzuwarten und aufgrund der Diagnose der Defizite dann Maßnahmen umzusetzen. Populistisch war das, was die Regierung getan hat: Sie haben selber gesagt, die Bundesregierung hat schnell reagiert – durch Worte, nicht durch Taten und Gesetze. Populistisch wurde ein großes Antiterrorpaket angekündigt, das gerade das vorsieht, von dem die Untersuchungskommission jetzt sagt, das braucht es nicht: zum Beispiel neue Terrorstrafrechtsparagrafen, wie eben von Kollegen Mahrer auch angesprochen – der neue Straftatbestand des religiös motivierten Extremismus, bei dem ich nicht bei Ministerin Zadić bin, dass das ein ausreichend determinierter Straftatbestand ist, der dementsprechend verfassungskonform ist.

Wir haben überhaupt die Sorge, dass man mit den vorgesehenen Maßnahmen sehr oft symptomatisch agiert: eben dass man im Strafrecht und nach der Tat und nicht so sehr bei der Prävention ansetzt und – das hat die Kommission auch herausgefunden – dass in Wahrheit sehr viel Organversagen aufseiten des BVT vorgelegen ist, ein Unterlassen der Behörden, ein Unterlassen im Informationsfluss zwischen den Behörden, dass das Problem also viel mehr im Vollzug als in der Gesetzgebung lag. Da gilt es, in der Realität mit den vorhandenen Ermittlungsmöglichkeiten in Zukunft professionell zu arbeiten und ein BVT aufzustellen, das nicht von der ÖVP als Postenschacherorgan wahrgenommen wird, sondern am besten für unsere Sicherheit arbeiten kann.

Moderator Gerald Groß: Vielen Dank. – Herr Stockhammer, was sagt denn die Wissenschaft: Wenn die bestehenden Gesetze ausgereicht hätten, um den Terroranschlag zu verhindern – vorausgesetzt, man hätte sie entsprechend eingehalten –, wozu braucht es dann ein entsprechendes neues großes Antiterrorpaket?

Mag. Dr. Nicolas Stockhammer (Institut für Rechtsphilosophie an der Universität Wien): Aus meiner Sicht ist die Frage falsch gestellt. Also ich würde es einmal prinzipiell verneinen, aber ich würde die Frage stellen, was wir tun müssen, um in Zukunft für solche Vorfälle besser gerüstet zu sein, und da ist meine Antwort ein wenig differenzierter. Ich denke, dass das Antiterrorgesetz, so wie wir es jetzt gesehen haben, in den Grundzügen einige Aspekte beinhaltet, die eben einen Verbesserungsbedarf der aktuell gültigen Gesetzeslage indizieren, und in die Zukunft gerichtet auch ein paar Entwicklungen, die wir beobachten, berücksichtigt.

Moderator Gerald Groß: Ganz konkret?

Mag. Dr. Nicolas Stockhammer: Beispielsweise ist davon auszugehen, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren einige Hundert Dschihadisten in ganz Europa freigelassen werden, die jetzt gerade Haftstrafen verbüßen. Deswegen muss man sich angesichts limitierter Kapazitäten bei Verfassungsschutzinstitutionen in ganz Europa – also überall gibt es sozusagen einen Mangel an Personal und technischen Ressourcen – überlegen, dass man auch Maßnahmen wie die elektronische Fußfessel treffen kann. Ich möchte auch ganz klar sagen: Das sind Unterstützungsmaßnahmen. Also eine elektronische Fußfessel – wir kennen Fälle, in denen ein verurteilter Dschihadist in einen Ferienflieger eingestiegen und in Griechenland ausgestiegen ist. Das passiert. Es kann nichts verhindern, aber es kann unterstützend sein, und so würde ich das interpretieren.

Moderator Gerald Groß: Über die Fußfessel werden wir ja dann auch noch im Detail sprechen. Die Einführung des Tatbestandes des religiös motivierten politischen Extremismus ist jetzt bereits mehrfach angesprochen worden – wenn ich das richtig im Kopf habe, dann ist das dieser berühmte § 247b –, ist also besonders umstritten. Sie halten ihn, wenn ich Ihre bisherigen Aussagen richtig interpretiert habe, aber für besonders wichtig. Warum?

Mag. Dr. Nicolas Stockhammer: Wenn wir das jetzt sozusagen auf den sogenannten politischen Islam – der Begriff ist heftig umstritten, auch in der Forschung – ummünzen, würde ich sehen, dass da eine Art Vorfeldebene des politisch motivierten Dschihadismus gesehen werden kann. Das heißt, dieser Extremismus nährt sich aus gewissen Gruppierungen und da muss eine rechtliche Handhabe gegeben sein, genauer hinzusehen. Ob das Gesetz jetzt, wie hier auch von Frau Krisper gesagt wurde, legistisch einwandfrei ist, wird vielleicht von anderer Stelle zu beurteilen sein, aber in der Sache erachte ich es als notwendig, dass es sozusagen eine juristische Handhabe gibt, da genauer hinzuschauen, weil der politische Islam eine Brutstätte des Dschihadismus sein kann.

Moderator Gerald Groß: Amnesty International, um nur eine NGO zu zitieren, hat schwere menschenrechtliche Bedenken in diesem Zusammenhang, weil es, wie Amnesty sagt, zu einer Vorverlagerung der Strafbarkeit kommen könnte. Was ist denn damit gemeint?

Mag. Dr. Nicolas Stockhammer: Ja, natürlich, man kann es auch so interpretieren, dass man sozusagen eine Art Vorverurteilung in den Raum stellt, dass man, wenn jemand beispielsweise bei den Muslimbrüdern Mitglied ist, jetzt automatisch annehmen könnte, diese Person hat etwas mit Terrorismus zu tun, aber es ist nachgewiesen, dass etwa die Muslimbruderschaft oder Millî Görüş als Organisationen tatkräftig den Terrorismus unterstützen, teilweise die Hamas und andere, und wir als Republik Österreich eigentlich gut beraten sind, eine gewisse Handhabe zu haben, um dort zumindest ein Licht hinzuwerfen.

Ich bin mir ohnehin noch nicht sicher, inwieweit dieser Tatbestand ausreichend sein wird, vor Gerichten dann sozusagen Verurteilungen aus diesem Bereich zu erwirken, weil genau diese Vereinigung natürlich in vielen Fällen nicht so leicht nachzuweisen sein wird.

Moderator Gerald Groß: Das heißt, künftig könnten Mitglieder einer religiös motivierten extremistischen Verbindung unter Strafe gestellt werden, auch wenn sie gar nicht selbst straffällig geworden sind, sondern andere Mitglieder der Organisation Straftaten begangen haben. Sehe ich das richtig?

Mag. Dr. Nicolas Stockhammer: Na ja, man muss das auch da wieder ein wenig differenzierter betrachten, denn gerade wenn wir das Beispiel Muslimbruderschaft nehmen: Das ist eine Struktur, die den Staat von innen aushöhlen möchte, der Marsch durch die Institutionen, wie es im eigenen Jargon genannt wird, und da sind sozusagen alle Mittel adäquat, um das umzusetzen. Daher muss dem Rechtsstaat eine Möglichkeit, eine Handhabe hinsichtlich Personen, die sich in diesen Dunstkreis begeben, gegeben werden. Es muss nicht jede einzelne Person strafrechtlich Relevantes getan haben, aber die Organisation gehört einfach verboten und die Mitgliedschaft bei einer solchen Organisation unter Strafe gestellt.

Moderator Gerald Groß: Es ist also ganz offensichtlich ein schmaler Grat (Stockhammer: Natürlich!), der da beschritten wird, zwischen auf der einen Seite der Bekämpfung des Terrorismus und dem Schutz der Bevölkerung vor solchen Taten und auf der anderen Seite aber auch der Bedrohung von Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und so weiter.

Mag. Dr. Nicolas Stockhammer: Natürlich. Das ist natürlich immer das Wechselspiel Sicherheit versus Freiheit, und der Rechtsstaat muss eben ganz genau darauf schauen, ob er sozusagen das eine nicht gegen das andere ausspielt. Aber Sicherheit ermöglicht Freiheit und Freiheit ermöglicht Sicherheit. Das ist eben die Wahrheit dahinter.

Moderator Gerald Groß: Was ist denn wichtiger aus Ihrer Sicht, Herr Mahrer?

Karl Mahrer (ÖVP): Also ich glaube schon, dass die Ausgewogenheit bei politischen Entscheidungen letztlich das Maß aller Dinge ist. Ich glaube aber nicht, dass die Menschen verstehen, dass es in Österreich Moscheen und Vereine gibt, wo Extremismus gefördert wird, wo von Imamen gepredigt wird und wo Menschen radikalisiert werden, und wir bis jetzt keine ausreichende Handhabe haben, um das auch tatsächlich zu erkennen, abzustellen und auch dementsprechend eine Problemlösung im Vorfeld anzugehen. Das war das, was ich eingangs gemeint habe.

Es geht nicht nur um den tragischen Fall am 2. November, es geht um wesentlich mehr. Es geht auch um die Hintergründe und es geht auch darum, dass man, wenn im Islamgesetz die Auslandsfinanzierung verboten wird, dann auch im Vollzug feststellt, es sind da noch Verbesserungsnotwendigkeiten da, um tatsächlich festzustellen, von wo das Geld kommt, das für derartige Organisationen aufgewandt wird, wenn man erkennt, dass diese Organisationen religiös motivierten Extremismus unterstützen. Und da glaube ich schon, dass das Antiterrorpaket in vielen Punkten die richtigen Maßnahmen setzt.

Wozu wir uns bekennen – das ist ja allgemein bekannt und ich glaube, das trifft ja für uns alle zu –: Wir bekennen uns zu diesem Rechtsstaat und dazu, dass alle Maßnahmen, die wir gesetzlich regeln, natürlich auch unserer Verfassung entsprechen müssen. Das wird ja auch entsprechend geprüft und bei der Endfassung des Gesetzes auch berücksichtigt.

Moderator Gerald Groß: Herr Bürstmayr, Arno Pilgram, ein bekannter Kriminologe und Rechtssoziologe, sagt, § 247b, über den wir da jetzt also reden, dient nur dazu, den politischen Islam als gefährliche Geisteshaltung zu markieren. Kann Ihnen dabei wohl sein als Grüner?

Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Also mir wäre nicht wohl damit, würde ich diese Einschätzung teilen, und zwar aus mehreren Gründe, unter anderem, weil im Strafrecht das strikte Gebot der weltanschaulichen und religiösen Neutralität gilt, auch immer wieder vom Verfassungsgerichtshof betont. Das heißt, einen Straftatbestand, den man mit der Überschrift politischer Islam versieht, kann es im österreichischen Strafrecht nicht geben, so leid es mir tut, auch wenn sich das manche wünschen – aber das geht nicht. Darum heißt der Straftatbestand, der jetzt in Begutachtung geschickt worden ist, ja eben auch nicht so.

Wir haben im Übrigen seit einem jüngst ergangen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zur Aufhebung des sogenannten Kopftuchverbots rechtspolitisch die spannende neue Situation, dass der Verfassungsgerichtshof mittlerweile auch die erläuternden Bemerkungen zu Gesetzen heranzieht, um zu beurteilen, ob solche zum Beispiel Straftatbestände tatsächlich religiös neutral sind. Das heißt, wir werden auch darauf achten müssen, dass in den erläuternden Bemerkungen nicht auf eine Religion abgestellt wird, sondern dass auch die religiös neutral bleiben, sonst läuft dieser neue Tatbestand Gefahr, aufgehoben zu werden.

Worum es in diesem Tatbestand auf jeden Fall nicht geht, ist Gesinnungsstrafrecht, sondern es geht um Gruppierungen, die aus verschiedenen Motiven beginnen, in radikaler Ablehnung der Republik Österreich und ihrer Grundordnung ihre eigene Anschauung und ihre eigene gedachte Ordnung über das Recht und die Ordnung des Staates zu stellen, um Staatsverweigerung. Daher ist der Tatbestand, von dem wir hier reden, sehr eng an einen schon existierenden Straftatbestand angelehnt, nämlich an den, mit dem österreichische Gerichte gegen Staatsverweigerer vorgehen. Da ist es in den letzten Monaten und Jahren zu mehreren Verfahren und auch Verurteilungen gekommen.

Ohne die Strafprozesse jetzt im Detail verfolgt zu haben, habe ich zumindest den leisen Verdacht, das ist möglicherweise ganz gut so, weil diese Gruppen in ihrem Extremismus irgendwann einmal brandgefährlich werden – und darum geht es auch in diesen Tatbeständen – und beginnen, aus dieser Überzeugung heraus Straftaten zu setzen. Die mögen noch nicht den Straftatbestand des Terrorismus erfüllen, sind aber trotzdem gefährlich.

Darum geht es in der Diskussion. Ich bin, wir Grüne sind dafür, dass diese Diskussion rechtspolitisch und juristisch sauber geführt wird. Wir haben ein ausführliches Begutachtungsverfahren gehabt. Es sind viele Einwände gekommen und wir nehmen diese Einwände ernst. Gerade zu diesem Tatbestand gibt es auch viel Kritik, und über diese Einwände wird im weiteren Gesetzwerdungsprozess intensiv zu sprechen sein.

Moderator Gerald Groß: Wir kommen darauf ja dann im Lauf dieses Abends auch noch zurück, auch zu anderen Formen des Extremismus, auf die ja dieses Gesetz wohl auch abzielen wird.

Reden wir jetzt auch noch ein bisschen über das Thema BVT, weil es heute tagesaktuell ist: Sie haben ja, Herr Stockhammer, heute auch schon eine Reihe von Interviews dazu gegeben. Was ist denn jetzt das Besondere, was sich bereits abzeichnet? Im Detail kann man ja nicht allzu viel sagen. Diese Trennung zwischen Staatsschutz und Nachrichtendienst, ist die jetzt aus Ihrer Sicht schon gelungen? Wir haben heute nämlich schon von Herrn Einwallner gehört, nein, das sei eigentlich noch zu wenig und entspreche noch nicht internationalem Standard.

Mag. Dr. Nicolas Stockhammer: Das ist eine komplexe Fragestellung. Internationale Standards werden vielleicht auch weiter gefasst. Man hätte theoretisch eine Lösung wie den bundesdeutschen BND, den Bundesnachrichtendienst, andenken können, als zivile Nachrichtendienstbehörde, um das sozusagen aus dem Polizeilichen komplett auszugliedern. Dafür ist Österreich aus meiner Sicht, und das habe ich auch in verschiedenen Kommentaren immer wieder geschrieben, wahrscheinlich zu klein. Das heißt, wir mussten als Republik Österreich Beispiele suchen, die irgendwie mit unseren Verhältnissen in Einklang zu bringen sind: Es wurde Dänemark genannt, Holland in gewisser Weise.

Die österreichische Lösung ist – ich denke, für Österreich typisch – eine Art Formelkompromiss, aber wenn man es richtig lebt und ordentlich umsetzt, ist das Potenzial durchaus gegeben, dass das funktionieren kann, vor allem mit dieser neu angedachten Dreierspitze, mit einem Direktor oder einer Direktorin und zwei Stellvertretern, die jeweils eine dieser Säulen innehaben.

Man kann es, wenn man es richtig anlegt, trennscharf halten und Überschneidungen vermeiden, aber ich bin da natürlich auch immer der Ansicht gewesen, wie vorhin von Ihnen geäußert wurde, dass man sozusagen auch überlegen könnte, auf gesamtstaatlicher Ebene die Koordination der Dienste, auch des militärischen mit dem polizeilichen, eben in Einklang zu bringen und zu koordinieren, aber vielleicht ist das in einem zweiten Schritt möglich.

Moderator Gerald Groß: Greifen wir vielleicht noch zwei Punkte heraus: das Verbot von Nebenbeschäftigungen, das zuletzt ja ein Riesenthema war – sollte das nicht eigentlich ohnedies selbstverständlich sein, hätte das nicht schon in der Vergangenheit selbstverständlich sein müssen?, könnte man fragen –, und den Punkt keine politische Betätigung und eine Cooling-off-Phase für ehemalige Politiker, die allenfalls in diese neue Direktion kommen wollen. Was sagen Sie dazu?

Mag. Dr. Nicolas Stockhammer: Dem BVT ist leider eben auch in der Vergangenheit ein wenig die Reputation angehaftet, dass es sozusagen der Hort für Versorgungsposten von ehemaligen, altgedienten politischen Akteuren gewesen sein soll; ich sage es ganz bewusst im Konjunktiv. Und man hat natürlich jetzt offenbar den Versuch unternommen, allfällige Verdächtigungen in diese Richtung abzustellen, indem man politische Aktivität im Rahmen eines Amtes als Ausschlusskriterium für eine Tätigkeit im BVT ansieht.

Das Zweite: Natürlich, da wird jeder sagen, das ist eh klar, dass das so sein sollte, dass man eben sagt, dass BVT-Mitarbeiter oder jetzt Direktionsmitarbeiter keine Nebenbeschäftigung ausüben sollen, weil das natürlich prinzipiell immer mit einem Interessenkonflikt verbunden ist. Ich denke, dass da einfach auch ein Lernprozess Einzug gehalten hat. Man hat es vielleicht nicht für möglich gehalten oder gedacht, das ist eh automatisch so, und irgendwann hat jemand gesagt: Gut, wir müssen das jetzt auch festschreiben. Es ist aber, das muss man auch sagen, im internationalen Gebrauch Praxis, dass es diese Unvereinbarkeitsklausel gibt.

Moderator Gerald Groß: Frau Krisper, für Sie müsste heute eigentlich ein Feiertag sein (Abg. Krisper: Warum?) anlässlich dieser Reformvorhaben, die da heute präsentiert wurden, weil Sie das ja im Grunde immer gefordert haben, die Reform und den Neubau des BVT

Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Ja, wenn ich daran glauben würde, dass jetzt in Zukunft alles ganz anders wird, eben anders, als ich es im BVT-Untersuchungsausschuss gesehen habe und eigentlich als Ergebnis klar festmachen konnte, nämlich dass Postenschacher in unserem Land nicht bei Schuldirektoren et cetera haltgemacht hat, sondern es sogar bis ins BMI geschafft hat, und da sogar bis ins BVT. Da waren teilweise Personen Abteilungsleiter, die der Direktor selbst nicht wollte, weil er an deren Kompetenz gezweifelt hat, die aber ein Naheverhältnis zu ÖVP-Politikern oder zu einer niederösterreichischen Landeshauptfrau hatten.

Dementsprechend ist für uns ganz klar, dass das BVT seit seiner Geburtsstunde von der ÖVP in viel zu vielen Fällen – es gibt auch viele sehr kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jetzt unter der Reputation leiden – als Versorgungspostenstelle angesehen wurde, was natürlich auch die Gefahr eines Informationsflusses nach außen mit sich bringt, der nicht im Sinne der Sicherheit ist, sondern im Sinne einer Partei, und das war auch Thema im Untersuchungsausschuss; auch Nebenbeschäftigungen bringen natürlich diese Gefahr mit sich.

Dementsprechend wollen wir natürlich, dass in Zukunft durchgehend die besten Menschen im BVT sitzen, in ausreichender Zahl, mit ausreichenden Ressourcen. Die Frage ist nur, inwiefern über den Ausbildungsweg nicht wieder jene Personen ausgewählt werden, die doch eine gewisse Nähe zu gewissen politischen Parteien haben.

Ich musste heute schmunzeln, als ich in dem Entwurf sah, dass mit Cooling-off-Phase auch gemeint ist, dass man in den letzten drei Jahren keine Funktion in der Bundesregierung innehatte et cetera. Was ist mit vier Jahren? Darf dann jemand, der vor vier Jahren Innenminister war, BVT-Direktor oder -Leiter werden? Also ich erwarte mir hier von der Praxis, dass die eine ganz große Kehrtwendung macht und auch wir als Parlament das kontrollieren können, indem wir eine effiziente parlamentarische Kontrolle bekommen – der jetzige Ausschuss verdient den Namen nicht –, im Rahmen derer wir auch ein Auge darauf haben können, wer in Zukunft für unsere Sicherheit im BVT arbeitet.

Moderator Gerald Groß: Her Amesbauer, können Sie diesen heute präsentierten Grundsätzen und Eckpfeilern, die wir da heute gesehen haben, auch etwas Positives abgewinnen oder bleibt da nur Kritik?

Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Nein, es ist nicht nur Kritik. Es ist ja das, was da heute vorgelegt wurde, im Wesentlichen nicht ganz so überraschend. Überraschend war der Zeitpunkt. Diese Trennung in diese zwei Säulen, die nachrichtendienstliche Komponente und die staatspolizeiliche Komponente, unter einem gemeinsamen Direktor mit zwei Direktorenstellvertretern ist ja nichts Neues, das wird ja schon lange kolportiert und ist uns auch über einen Zeitraum von einem Jahr immer wieder mit den immer gleichen Powerpoint-Folien bei diversen Treffen vorgelegt worden. Das ist also keine große Überraschung.

Es ist grundsätzlich sinnvoll, ich hoffe aber – und da teile ich die Befürchtungen von Kollegen Einwallner –, dass diese Trennung wirklich scharf genug ist. Ich finde es auch schade, dass man andere Vorschläge wie eben, dass man ein gesamtstaatliches Lagezentrum etabliert, nicht wirklich ernsthaft diskutiert. Ich will jetzt nicht sagen, dass das die beste aller Lösungen ist, aber es ist zumindest diskussionswürdig. Diese Diskussionen hat es in inhaltlicher Tiefe nicht gegeben. Es hat immer nur Präsentationen gegeben.

Wo ich sehr skeptisch bin, ist bei der Ausgestaltung der parlamentarischen Kontrolle. Das ist eigentlich ein Kernpunkt von uns und das ist auch wichtig, das ist auch international ganz stark im Fokus, dass eine ordentliche parlamentarische Kontrolle stattfindet; diese funktioniert jetzt nicht wirklich. Da bin ich skeptisch, was dieses Kontrollgremium betrifft, insofern, als wir dann wieder eine Mehrgleisigkeit haben. Wir haben den Rechtsschutz auf der einen Seite, der ausgebaut wird, was ich sehr begrüße, wir haben den Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses, diesen sogenannten Geheimausschuss, und ich hätte mir schon gewünscht, dass man ein bisschen mehr auf unseren gemeinsamen Oppositionsantrag eingeht und da eine richtige parlamentarische Kontrolle macht.

Ich weiß jetzt nicht, was diese Kommission machen soll. Sie wird zwar vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit bestimmt, ausgewählt, sie hat dann weitreichende Kompetenzen, die Mitglieder dürfen ins BVT, haben Akteneinsicht – da frage ich mich: Wieso kann das nicht direkt beim Parlament angesiedelt werden, sondern muss wieder im BMI sitzen? Die Kontrollbehörde sitzt im Ministerium, das zu kontrollieren ist – also das gefällt mir nicht ganz.

Moderator Gerald Groß: Darauf eine kurze und wirklich knappe Erklärung und Antwort.

Karl Mahrer (ÖVP): Ja, und zwar auf Kollegen Amesbauer zurückkommend: Ja, es ist ein unabhängiges, weisungsfreies Kontrollgremium, das da eingerichtet werden soll. Ja, es sollen die Mitglieder durch den Hauptausschuss vorgeschlagen und vom österreichischen Nationalrat gewählt werden. Dieses Kontrollgremium soll in seiner Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit ein Gremium sein, das begleitende strukturelle Kontrolle durchführt. Es führt eine Kontrolle für den Vollzugsbereich durch. Das heißt, damit ist klar, dass dieses Gremium auch Empfehlungen an den zuständigen Bundesminister zu richten hat, aber es ist ebenso klar, dass dieses Gremium auch für das Parlament, von dem es ja auch bestellt und gewählt wird, zuständig und verantwortlich ist.

Das heißt, nicht nur, dass dieses Gremium in Transparenz auch berichtet, dem Nationalrat laufend berichtet, ist es dem Nationalrat auch möglich, mit diesem Gremium auch entsprechende Initiativen für begleitende strukturelle Kontrollen zu setzen – das ist eine Vorgangsweise, wie wir sie in der Zweiten Republik noch nicht gehabt haben –, ohne dass es für den Verfassungsschutz und den Nachrichtendienst eine wesentliche Befugnisveränderung gibt. Also da ist wirklich parlamentarische Kontrolle großgeschrieben und ich sage auch dazu – letzter Satz, ich weiß, wir sind unter zeitlichem Druck –: Wir haben jetzt fast ein Jahr unter Einbindung der Expertinnen und Experten der einzelnen Fraktionen und der Sicherheitssprecherinnen und -sprecher der Fraktionen vonseiten des Innenministeriums jede Menge an Informationen bekommen, haben darüber diskutiert, und jetzt diskutieren wir es auch parlamentarisch. Das heißt, wir sind jetzt mitten im Prozess.

Moderator Gerald Groß: Ich möchte wieder zurück zum Thema Extremismus. Herr Bürstmayr, bitte einfach merken oder in einem Satz.

Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Wichtig war uns Grünen die Unabhängigkeit dieses Gremiums. Wenn die durch bestimmte Rahmenbedingungen – nämlich die Weisungsfreiheit, die einmalige Bestellung auf eine Dauer von zehn Jahren und die ausreichende Budgetierung – erreicht wird und man dann auch noch unabhängig denkende Köpfe dafür findet, mit denen man eine solche Kommission besetzt, dann ist es, obwohl ich die Kritik verstehe und nachvollziehen kann, aber tatsächlich sekundär, wo ein solches Gremium rechtlich angesiedelt ist. – Das war ein Satz.

Moderator Gerald Groß: Vielen Dank.

Nicht erst seit dem Anschlag von Wien scheint es so, als würde die Terrorgefahr hauptsächlich von islamistischen Attentätern ausgehen. Immerhin sind mehr als 20 Jahre vergangen, seit mit den Briefbomben eines Franz Fuchs ein Rechtsextremist gemordet hat.

Doch Experten warnen, dass im Schatten der Islamisten auch andere gewaltbereite Radikale lauern. Die Bandbreite reicht dabei von autonomen Linksradikalen bis zu Neonazis und Rechtsextremen, die sich vor allem auch unter die Coronaproteste mischen.

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Es folgt eine Videoeinspielung:

Sprecher: Dezember 2020. Das Landeskriminalamt Wien hebt ein gewaltiges Waffenlager aus: Sturmgewehre, Pistolen, Handgranaten, Sprengstoff und rund 100 000 Schuss Munition – das Waffenarsenal zum Aufbau einer deutschen Terrormiliz, finanziert durch Drogenhandel.

Karl Nehammer: Es gibt hier eine gefährliche Gemengelage zwischen organisierter Kriminalität und Rechtsextremismus. Wenn Sie allein daran denken, dass die Ermittlungen, die dazu geführt haben, dass wir diese große Anzahl an Waffen, Sprengmitteln aus dem Verkehr ziehen konnten, über den Drogenhandel dorthingeführt haben: Das heißt, die Szene bedient sich der gleichen Mittel wie die Dschihadisten. Sie verkaufen und handeln Drogen und mit den Erlösen kaufen sie Waffen und Sprengstoff, um die freie gesellschaftliche Grundordnung zu zerstören und nachhaltig zu erschüttern. Das heißt, es zeigt auch, dass wir in Österreich in diesem Bereich gefordert sind – es gibt immer so Entwicklungsverzögerungen –, ein auch in dem Fall erschreckender Trend, wie er sich in der Bundesrepublik entwickelt hat, dass die rechtsextreme Szene sich massiv bewaffnet hat, tatsächlich auch terroristisch wieder aktiv geworden ist; das kann dann mit Zeitverzögerung natürlich auch in Österreich passieren.

Sprecher: Wie gefährlich militante Rechtsextreme sind, hat im Jänner die Erstürmung des Kapitols in Washington dramatisch gezeigt. Nicht nur für diese radikalen Trump-Fans sind soziale Medien die wesentliche Plattform der Vernetzung. Auch heimische Staatsfeinde nutzen die Digitalisierung.

Patrick Maierhofer (Sprecher Innenministerium): Als eine sehr große Vernetzung ist aktuell in mehreren Gruppierungen erkennbar, auch bei den Rechtsextremen ist eine sehr starke Vernetzung, speziell in Richtung Deutschland, aber auch Richtung andere Nachbarländer Österreichs und ganz Europa erkennbar. Aktuell läuft das Ganze primär über Telegram-Gruppen beziehungsweise über diverse soziale Medien, und da herrscht ein sehr starker, reger Austausch.

Sprecher: Reges Interesse hat die rechtsextreme Szene auch an den Coronaprotesten. Bei Coronademos sind deshalb altbekannte Gesichter der Neonaziszene wie zum Beispiel Gottfried Küssel ebenso anzutreffen wie junge Rechtsextreme. Hier hoffen sie, neue Aktivisten zu rekrutieren.

Patrick Maierhofer: Also grundsätzlich muss man sagen, dass Coronademonstrantinnen und -demonstranten auch ein sehr breites Feld sind. Das heißt, es geht weg von Personen, die ihr normales Demonstrationsrecht ausüben wollen, bis hin zu Regierungskritikerinnen, -kritikern bis hin natürlich auch zu extremistischen Szenen, speziell – mehrfach aufgetreten in letzter Zeit – aus dem rechten Bereich, Querdenkern, teilweise Verschwörungstheoretikern. Und diese Kombination macht das Ganze auch relativ gefährlich und natürlich auch etwas unüberschaubar.

Sprecher: Wesentlich überschaubarer als diese heterogene Coronaprotestbewegung dürfte für Verfassungsschützer die linksextreme Szene in Österreich sein.

Patrick Maierhofer: Im Bereich des Linksextremismus ist es so, dass es da mehrere Gruppierungen gibt. Da ist auch die Kommunikation untereinander nicht immer auf der besten Ebene, also das Verständnis untereinander ist nicht so gegeben. Nichtsdestotrotz kann man davon sprechen, dass es im Zusammenhang speziell mit Demonstrationen, Kundgebungen auch immer wieder zu Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und zu einer gewissen Gefahr für die öffentliche Sicherheit gekommen ist.

Seitens des Verfassungsschutzes schätzen wir allerdings diese linksextreme Szene nicht unbedingt als staatsgefährdend per se ein, sondern es ist ganz wichtig, dass man diese Szene auch genau beobachtet und dann entsprechende Maßnahmen setzt, wenn es notwendig ist.

Sprecher: Das könnte laut Terrorismusforschern bald nötig sein, denn auch Linksextreme würden die aufgeladene Stimmung im Land ausnützen und versuchen, auf Coronademos Unruhe zu stiften.

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Moderator Gerald Groß: Und hier sind wir wieder im Politik-am-Ring-Studio. Hier ist noch immer Herr Stockhammer, Terrorismusexperte von der Uni Wien. Herr Stockhammer, wie gefährlich sind denn diese extremen Szenen, wie es Herr Maierhofer von der Wiener Polizei genannt hat? Und wie sehr ist dieses Terrorbekämpfungsgesetz, über das wir heute hier diskutieren, ein probates Mittel, um diese Szenen in den Griff zu bekommen beziehungsweise die Menschen vor ihnen zu schützen?

Mag. Dr. Nicolas Stockhammer: Ich würde sagen, dass Potenzial ist natürlich relativ unterschiedlich. Das wurde auch in dem Einspieler angesprochen. Für Österreich, nach einer aktuellen Einschätzung, ist es nach wie vor der Dschihadismus, also der islamistische Terrorismus, der das größte Gefährdungspotenzial ausmacht. Wir sehen ein starkes Anwachsen eben auch aufgrund dieses Zuflusses der Weltverschwörerszene im rechtsextremistischen Lager und – auch im Beitrag angesprochen – natürlich auch auf der Seite des Linksextremismus. Also das ganze Spektrum mit zum gegenwärtigen Zeitpunkt unterschiedlicher Brisanz ist im Blick zu halten und hat ein gewisses Gefährdungspotenzial.

Einige meiner Kollegen etwa in Deutschland gehen davon aus, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren so eine Art Grüne-Armee-Fraktion aus dieser Umweltbewegung heraus entstehen könnte. Also wir wissen nicht mit absoluter Sicherheit, wo sich die ganze Lage hinbewegen wird. Deswegen ist der Verfassungsschutz, das neue Direktorat, gut beraten, ohne ideologische Scheuklappen auf das gesamte Spektrum zu schauen, sowohl im politischen Extremismus als auch im religiös motivierten Extremismusbereich.

Moderator Gerald Groß: Vielen herzlichen Dank, Herr Stockhammer, für Ihren Input. Wie geht es denn jetzt eigentlich weiter mit diesem Terrorismusbekämpfungsgesetz? Wenige Tage vor Weihnachten ist der Gesetzesvorschlag als Ministerialentwurf im Nationalrat eingelangt. Die Begutachtungsfrist ist bis 2.2. gelaufen, das Terrorbekämpfungsgesetz steht daher erst am Beginn der parlamentarischen Behandlung.

Im Rahmen der Begutachtung gab es eine große Zahl an Stellungnahmen – auch das wurde heute bereits angesprochen –, viele kritische hat es gegeben, die einzelne Maßnahmen betreffen, so auch vom Verein Neustart, der etwa den Einsatz von Fußfesseln sehr kritisch sieht.

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Es folgt eine Videoeinspielung:

Andreas Zembaty: In der Öffentlichkeit ja schon mehrfach von Expertinnen und Experten thematisiert, ist dieser Terrorparagraf eine neue Strafbarkeit, ein neuer strafbarer Tatbestand. Aus unserer Sicht, aus juristischer Sicht ist er eigentlich schon jetzt im Gesetz und man muss nur danach handeln.

Das Zweite ist das Thema elektronisch überwachter Hausarrest, die Fußfessel. Das ist etwas, was wir seit vielen Jahren betreiben, aber in einer anderen Form. Die Form, die wirklich international erfolgreich ist: Wenn die bloße Kontrolle über GPS, Fußfessel et cetera durch eine Betreuungssituation ergänzt wird. Dort, wo es nur eine technische Überwachung darstellt, ist das Modell bei Weitem nicht so erfolgreich, als wenn neben der rein technischen Überwachung auch eine sozialarbeiterische Kontrolle, aber auch ein Hilfsangebot Platz greifen. Dort gibt es viele Erfolge, und das heißt, kaum Rückfälle.

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Moderator Gerald Groß: Ich begrüße jetzt in unserer Runde Frau Sabine Matejka. Sie ist seit 2008 Richterin, derzeit am Bezirksgericht in Wien Floridsdorf. Seit 2012 ist sie im Vorstand der Richtervereinigung, im November 2013 wurde sie deren Vizepräsidentin und seit November 2017 ist sie Präsidentin der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter. Wir haben es bereits angesprochen, Sie haben auch eine Stellungnahme – eine sehr umfangreiche – zu diesem Paket zum Thema Fußfessel abgegeben. Um gleich da anzuknüpfen: Warum sind Sie eigentlich auch dagegen? In Deutschland gibt es dieses Instrument bei bedingter Entlassung aus einer Sicherungsmaßnahme ja auch.

Mag. Sabine Matejka (Präsidentin der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter): Auch in Deutschland wird das kritisch gesehen – zum einen. Zum anderen haben wir mehrere Befürchtungen. Erstens ist es natürlich ein schwerer Grundrechtseingriff. Das wird ja auch in den Erläuterungen klar dargelegt, also dessen ist man sich ja auch bewusst. Das heißt, der Einsatz dieser Fußfessel oder elektronischen Überwachung, wie auch immer die dann ausschauen wird, ist ja von Haus aus schon in diesem Entwurf sehr, sehr eingegrenzt. Es braucht etwa die Zustimmung des bedingt Entlassenen.

Es gibt auch nur punktuell die Möglichkeit, dann tatsächlich eine Kontrolle auszuüben. Also man sitzt da jetzt nicht 24 Stunden vor dem Bildschirm und sieht die ganze Zeit, wo sich der bewegt – das ist eine falsche Illusion, die da vielleicht erzeugt wird –, sondern man schaut wirklich nur sehr punktuell hinein, das muss auch regelmäßig gelöscht werden, also es gibt datenschutzrechtliche Probleme, die damit verbunden sind, und vieles mehr.

Das heißt, der Schutz, den diese Maßnahme zu bieten versucht oder der Eindruck, der hier erweckt wird, ist vielleicht ein bisschen täuschend. Das heißt, er vermittelt vielleicht sozusagen eine falsche Sicherheit, die in Wahrheit nicht gewährleistet ist. Also unsere Befürchtung ist auch, dass hier jetzt ein sehr schwerwiegender Eingriff in Grundrechte vorgenommen wird, es in der Realität aber keine sehr großen Auswirkung haben wird, weil das wie gesagt niemand 24 Stunden kontrolliert.

Man kann sich natürlich auch über das Internet verabreden oder austauschen, ohne dass man irgendwo hingeht.

Es wurde schon angesprochen: Wenn ich eine Tat verüben möchte und den Willen habe, dann marschiere ich darauflos, egal ob ich eine Fußfessel habe oder nicht. – Gewisse Dinge werden wir damit nicht verhindern können. Es wird hier sozusagen möglicherweise ein bisschen eine falsche Sicherheit vorgespielt.

Moderator Gerald Groß: Kommen wir vielleicht zurück zu diesem religiös motivierten Extremismus: Sie lehnen das ja, wenn ich das richtig verstanden habe und interpretiert habe, auch ab, aber warum eigentlich? Unterscheidet sich dieser vorgeschlagene Tatbestand nicht doch ganz wesentlich von bestehenden, die schon jetzt sozusagen vorgesehen sind? Es geht ja in der Motivation doch um ganz etwas anderes.

Mag. Sabine Matejka: Es ist nur die Motivation, die da herausgestrichen wird, aber im Inhalt ist es im Wesentlichen deckungsgleich mit den bereits bestehenden Tatbeständen der staatsfeindlichen Verbindung und der staatsfeindlichen Bewegung. Der Straftatbestand, was man erkennt, wenn man das nebeneinander liest, ist also praktisch in vielen Passagen wortgleich, das heißt, geschützt wird dasselbe Rechtsgut und es sind im Wesentlichen dieselben Tathandlungen, die da vorausgesetzt werden. Die meisten Juristen gehen davon aus, dass das, was in diesem neuen Straftatbestand beschrieben ist, auch bereits unter den bestehenden Straftatbeständen abhandelbar wäre. Das heißt, ein Mehrwert ist nicht erkennbar, und daher stellt sich die Frage: Wofür braucht man dann einen weiteren Tatbestand? Strafrecht ist immer Ultima Ratio, das heißt, nur wenn man wirklich eine Lücke hat, wenn man etwas braucht, dann sollte tatsächlich ein neuer Straftatbestand geschaffen werden.

Moderator Gerald Groß: Herr Bürstmayr hat mich vorhin, während der Beitrag gelaufen ist, darauf aufmerksam gemacht, dass man nicht immer nur von einem Terrorbekämpfungsgesetz sprechen darf und soll, sondern eben von einem ganzen Paket sprechen muss. Jetzt ist es ja so, dass dieses ganze Paket ja in viele andere Gesetze hineinreicht, zum Beispiel wäre damit auch eine Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes verbunden; geplant sind da eigene Gerichtszuständigkeiten.

Sie sind dagegen. Jetzt könnte man sagen: Klar, denn Sie wollen sich nichts wegnehmen lassen. Auf der anderen Seite muss man sagen, zum Beispiel bei Wirtschaftsstrafverfahren oder Verfahren nach dem Finanzstrafgesetz gibt es das ja auch – warum dann nicht auch in so einem Fall?

Mag. Sabine Matejka: Da geht es nicht ums Wegnehmen, sondern da geht es darum, dass vorgeschlagen wird, dass an einem Gericht nur ganz bestimmte Richter ausgewählt werden, die über diese Strafsachen, nämlich terroristische Straftaten, entscheiden. Das gibt es bereits, es gibt das mit organisierter Kriminalität, mit Wirtschaftsstrafsachen, mit Sexualdelikten. Da gibt es also bereits solche Spezialzuständigkeiten bei den Gerichten. Wir sehen nur da keine Notwendigkeit; zum einen, weil sozusagen das rechtlich nicht so komplex ist, dass man sich als Richter da jetzt wahnsinnig spezialisieren müsste – von der rechtlichen Seite her –, und zum anderen, weil da ein gewisses Gefährdungspotenzial besteht.

Das heißt, wenn man da die beiden Richter an dem Gericht auswählt und sagt, das sind die beiden Richter, die bei Verfahren über terroristische Straftaten entscheiden, dann setzt man die natürlich auch einem gewissen Gefährdungspotenzial aus, weil man dann von außen genau weiß, das sind diese beiden Personen, die darüber entscheiden werden.

Moderator Gerald Groß: Was gibt es jetzt explizit Positives, was Sie über dieses Paket zu sagen haben? Reden wir zum Beispiel über diese geplanten Fallkonferenzen! Das ist ja, glaube ich, etwas, was Sie durchaus positiv sehen.

Mag. Sabine Matejka: Das sehen wir sehr positiv, also das ist sicherlich eine positive Entwicklung.

Moderator Gerald Groß: Können Sie ein bisschen erklären, was sich dahinter verbirgt?

Mag. Sabine Matejka: Es sind zwei Dinge, die da vorgeschlagen werden. Das eine ist diese Entlassungskonferenz; das heißt, zum Zeitpunkt der oder vor der bedingten Entlassung soll es eine Entlassungskonferenz geben, in der sehr viel mehr Informationen generiert werden sollen, als wir jetzt haben. Wir bekommen jetzt zum Zeitpunkt der Entscheidung über die bedingte Entlassung zwar einen Bericht aus dem Strafvollzug – da fließt natürlich eine gewisse Information von der Bewährungshilfe, allenfalls von Deradikalisierungsmaßnahmen, die vielleicht schon in Haft waren, ein –, aber es ist doch ein sehr beschränktes Bild, das wir haben.

Diese Entlassungskonferenz soll das jetzt ausweiten, also man soll Sicherheitsbehörden, auch den Verfassungsschutz und so weiter, einbinden. Das heißt, gerade diese Informationen, die wir über diese Täter, über die wir heute sprechen, brauchen, um zu sagen, welche Weisungen man denn überhaupt erteilen soll, was es denn überhaupt braucht, was denn Sinn macht, um den in den nächsten Jahren während der Probezeit zu begleiten, haben wir jetzt nicht. Diese Entlassungskonferenz mit Einbindung der Sicherheitsbehörden würde uns da zusätzliche Informationen geben, sodass wir auch wesentlich punktgenauer Weisungen aussprechen könnten. Es gibt die gerichtliche Aufsicht, die da auch erweitert wird, also noch eine weitere gerichtliche Kontrolle während dieser Zeit. Das ist definitiv positiv.

Auch diese Fallkonferenzen im Zuge der Aufsicht in Richtung einer laufenden Kontrolle: Das betrifft eben genau das, was auch die Untersuchungskommission bemängelt hat, dass nämlich die Informationen nicht zusammengeführt werden. Man hätte also in diesen Fallkonferenzen die Möglichkeit, das Gericht, die Bewährungshilfe, Deradikalisierungsvereine, Sicherheitsbehörden zu informieren. Da kommen Informationen zusammen, da sieht man auch, ist etwas zu ändern, denn solche Weisungen können auch angepasst werden. Zum Zeitpunkt der Entlassung hat man vielleicht einen anderen Bedarf als ein Jahr später, wenn man sieht, wie er sich denn draußen, sozusagen auf freiem Fuß, entwickelt hat. Das ist ganz, ganz positiv. Wenn das so umgesetzt werden kann, ist das definitiv eine Verbesserung.

Moderator Gerald Groß: Dann sage ich fürs Erste einmal Danke und würde jetzt gern wieder eine Runde mit Ihnen, meine Dame und meine Herren, machen. Herr Mahrer, betreffend das, was wir auch jetzt gehört haben, beziehungsweise betreffend das, was auch schriftlich in der Begutachtungsphase hereingekommen ist: Können Sie sich vorstellen, was Sie mitnehmen oder aufnehmen, oder was würden Sie sich vorstellen können, wo man Dinge ändern, abändern könnte, und wo fährt sozusagen die Eisenbahn drüber?

Karl Mahrer (ÖVP): Die Ausführungen der Frau Präsidentin waren für mich sehr eindrucksvoll, denn sie sagt zu dem grundsätzlich Ja, was gerade auch die Untersuchungskommission festgestellt hat: Vernetzung ist das Zauberwort, Fallkonferenzen sind ganz entscheidend und ganz wichtig – und dazu sagen Sie uneingeschränkt Ja.

Auch bei den anderen Themen, die angesprochen worden sind, haben Sie immer gesagt, dass Sie der Meinung sind, bestimmte gesetzliche Maßnahmen werden möglicherweise nicht oder nicht ganz das Ziel erreichen. Ich wiederum sage Ihnen, es gibt halt auch Expertinnen und Experten, die sagen, die werden das Ziel erreichen –möglicherweise liegt die Wahrheit in der Mitte. Ich denke – so wie wir es vorher gesagt haben –, ein Gesetz kann nicht zu 100 Prozent ausschließen, dass ein Vorfall passiert. Es wird dann auch viele Gesetze geben, für die man feststellen muss, sind sie auf Basis der Verhältnismäßigkeit so erstellt, dass sie das Ziel möglichst erreichen können.

Für mich ist der Beitrag des Verantwortlichen von Neustart ein sehr gutes Beispiel. Er hat gesagt, die elektronische Aufenthaltsüberwachung ist für ihn nur dann sinnvoll, wenn es auch eine begleitende Beratung gibt. Die gibt es durch die Deradikalisierungsarbeit, und man kann sehr wohl die Deradikalisierungsarbeit mit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung verbinden. Ich bin ganz Ihrer Meinung, auch die elektronische Aufenthaltsüberwachung gibt keinen hundertprozentigen Schutz, keine hundertprozentige Sicherheit, aber sie ist eine Unterstützung für die Exekutive, die Maßnahmen entsprechend zu überwachen und sicherzustellen, dass es möglichst eine Ausschließung von Gefährdungslagen, also keine hundertprozentige, aber weitgehende Sicherheit, gibt. Dafür hat der Gesetzgeber, glaube ich, auch zu sorgen.

Moderator Gerald Groß: Herr Einwallner, wie müsste denn das Paket ausschauen, damit die Sozialdemokraten zustimmen könnten?

Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Das ist jetzt eine schwierige Frage. Ich beginne ein bisschen anders: Wir sehen die Fallkonferenzen auch positiv, um eingangs einmal etwas Positives zum Terrorismusabwehrpaket zu sagen, ansonsten teile ich leider in sehr vielen Punkten auch die Kritik, die die Frau Präsidentin jetzt angebracht hat, weil es in sehr vielen Fällen eine sehr unklare und teilweise schwammige Formulierung im Gesetz gibt. Das zeigt auch diese Fülle von Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren, die das ja durch die Bank eigentlich sehr, sehr kritisch sehen.

Da ist auf der einen Seite dieser neue Straftatbestand, der geschaffen wird, wozu viele Stellungnahmen – nicht vereinzelte, sondern viele Stellungnahmen – sagen, das braucht es eigentlich nicht, denn das haben wir in dieser Form schon, es ist halt ein bisschen anders formuliert, aber die Möglichkeiten wären gegeben.

Auf andere Punkte wird aus meiner Sicht zu wenig Rücksicht genommen. Das sehen wir auch im Bericht der Untersuchungskommission: Es ist ein ganz, ganz wesentlicher Kritikpunkt, dass es für die Deradikalisierungsmaßnahme, für die Programme der Deradikalisierung, für die Programme der Resozialisierung viel zu wenig Mittel und Struktur gibt. Das ist also ein Bereich, der seit vielen, vielen Jahren unterfinanziert ist, und das ist eines der Probleme, die wir angehen müssen.

Der Austausch der Daten ist ein ganz zentrales Thema. Einige Mitglieder der Untersuchungskommission von Frau Zerbes – gerade auch das Mitglied, das aus Deutschland dazugekommen ist, der ehemalige Polizeipräsident von München – waren offenbar ganz überrascht darüber, dass es keinen Datenabgleich zwischen dem BVT, den LVTs und den einzelnen Institutionen gibt, dass es keine gemeinsame Datenbank gibt, dass es keine gemeinsame Analyse der Datenbank und keinen Informationsaustausch gibt. Da gibt es also viel, viel mehr, was getan werden muss, aber sehr vieles von dem, was in diesem Terrorismusabwehrpaket drinnen steht, sind Placebos, die angeboten werden, ob das beim Tatbestand ist, ob das bei der Fußfessel ist.

Wir haben gesehen oder gerade von der Expertin gehört, wo die Kritikpunkte auch bei der Fußfessel liegen. Es sind also viele Placebos, die angeboten werden, und die tatsächlichen Probleme werden nicht angegangen. Eine Zustimmung der SPÖ wird es nur dann geben, wenn man wirklich an den Kern der Problematik geht, und dann müssen wir uns die Frage stellen: Was brauchen wir und was funktioniert, damit wir Terrorismus bekämpfen können, sinnvoll bekämpfen können?

Ein Modell, das sich international und auch in Deutschland sehr bewährt hat, ist zum Beispiel ein Terrorismusabwehrzentrum – ein Terrorismusabwehrzentrum, das eigentlich – de facto – auch die Kommission als eine der Empfehlungen vorschlägt; Frau Zerbes nennt es Plattform. Es braucht eine Plattform oder ein Terrorismusabwehrzentrum, wo alle Informationen zusammenfließen, wo alle Akteure, die sich mit dem Thema Terrorismusabwehr beschäftigen, regelmäßig zusammensitzen und strategisch dann auch gemeinsam vorgehen können.

So etwas braucht es viel mehr als eine sehr schwammige Formulierung eines neuen Tatbestandes oder eine noch nicht klar nachvollziehbare neue Regelung der Fußfessel, denn das ist ja ein kompletter Paradigmenwechsel von der Fußfessel, wie wir sie derzeit haben.

Moderator Gerald Groß: Frau Krisper, jetzt nehme ich an, Sie werden sich nicht wesentlich von der Haltung der SPÖ in dieser Frage unterscheiden – oder doch? Und wenn ja, in welchen Punkten – damit wir uns nicht wiederholen?

Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Nun, ich denke, es ist auch eine grundsätzliche Frage: Will ich primär auch Deradikalisierung, Radikalisierung verhindern und Straftaten verhindern, oder fokussiere ich mich auf neue Straftatbestände, weil man natürlich auch gut verkaufen kann, wenn es zu Verurteilungen kommt. Es ist für die Politik leichter, zu verkaufen, als wenn ich Straftaten durch eine vernünftige und fundierte Präventionsarbeit verhindere. Das wäre überhaupt unser Fokus: die Straftaten und die Gefahr für Straftaten zu reduzieren, indem wir in der Prävention viel mehr tun – und dafür braucht man auch keine Gesetzesänderungen.

Die ÖVP hat auch schon in der anderen, in der vorherigen Regierung versprochen, einen Aktionsplan umzusetzen, um Deradikalisierung auch in den Schulen, in der Bildung voranzubringen. Da sehen wir bis jetzt keine Umsetzung. Was auch keine Gesetzesänderung vonnöten hat: eine Anlaufstelle für besorgte Familienangehörige und Freunde, die merken, dass sich ihr Umfeld radikalisiert, um da früh abfangen zu können. Es braucht entsprechend mehr NGOs, die in dem Bereich professionell arbeiten, mehr Ressourcen auch für Derad, das es jetzt schon gibt, aber wo auch der Zerbes-Bericht sagt, dass die Ressourcen leider enden wollend sind, und auch für Cyberdschihadismus, also für hassstiftende und gewaltverherrlichende Onlineinhalte, damit man da eine Meldestelle hat. Dafür braucht man auch nicht unbedingt große Gesetzesänderungen.

Auf diese Prävention, die politisch schwerer zu verkaufen ist, aber die für die Sicherheit im Lande viel wichtiger wäre, würden wir den Schwerpunkt setzen.

Moderator Gerald Groß: Herr Amesbauer, wie schaut es denn bei der FPÖ aus? Ist es vorstellbar, dass Sie dem Paket zustimmen? Oder nicht, weil es Ihnen nicht weit genug geht?

Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Ich kann gar nicht sagen, dass es mir nicht weit genug geht. Es gibt gewisse Maßnahmen, die wir wollen, das ist ja bekannt, zum Beispiel ein eigenes Verbotsgesetz wider den politischen Islam. Ich pflichte da Kollegen Bürstmayr nicht bei, dass das rechtlich nicht möglich ist. Das ist eine politische Entscheidung, das kann man analog zum NS-Verbotsgesetz machen und klar definieren, was dann verboten ist und was nicht. Ich kann mir auch vorstellen – und das ist ebenfalls eine politische Entscheidung –, dass wir Staatsbürgerschaften von IS-Rückkehrern aberkennen, Abkommen schließen mit Syrien zum Beispiel – wieso auch nicht? –, um solche Menschen rückzuführen. Dänemark schiebt jetzt auch nach Syrien ab.

Ich kann mir einiges vorstellen, aber was wir nicht brauchen, ist reine Kosmetik. Die Geschichte mit der Fußfessel: Das klingt ja mal gut, aber in der Praxis wird das Ganze nichts bringen. Ich bin nicht dagegen, weil ich Mitleid mit dem Herrn Islamisten habe, ganz im Gegenteil. Ich sehe einfach die Gefahr, dass trotzdem viel passieren kann. Man kann mit einer Fußfessel eine Waffe bedienen, man kann mit einer Fußfessel eine Bombe zünden, man kann sich mit der Fußfessel auch in ein Fahrzeug setzen und damit innerhalb kürzester Zeit Schaden anrichten. Wir dürfen ja nicht den Fehler machen, anzunehmen, dass nur mit Schusswaffen vorgegangen wird. Wir haben gesehen, dass auch mit Fahrzeugen viele Menschen zu Schaden kommen oder getötet werden. Das haben wir international gesehen – in Nizza, in Berlin am Weihnachtsmarkt, in Stockholm. Also diese Beispiele gibt es.

Wie gesagt, es gibt einige wenige Dinge, die ich für sinnvoll erachte, aber ich glaube nicht, dass wir Gesetze jetzt großartig neu schaffen müssen, großartig ändern müssen. Wir müssen den Rechtsrahmen ausschöpfen. Wir müssen insbesondere auch die Zuwanderung wieder mehr einbremsen, das ist ja das Hauptproblem bei dem Ganzen. Das haben wir 2015 bei den Flüchtlingsströmen gesehen, dass da viele mit radikalem Gedankengut gekommen sind, gezielt in den Asylwerberunterkünften rekrutiert und ihre Ideologie verbreitet haben. Da wundert es mich schon, dass im Jahr 2020 zu Beginn des Jahres der Herr Innenminister gesagt hat, na ja, es kommt niemand ohne Gesundheitszeugnis aufgrund von Corona nach Österreich, dass er gesagt hat, wir haben eine De-facto-Nullzuwanderung, und dann haben wir im Jahr 2020 ein Plus von über 10 Prozent bei den Asylanträgen.

Also da gehört angesetzt und nicht bei irgendwelchen kosmetischen Dingen. Ich möchte nochmals bekräftigen, was ich vorhin gesagt habe: Ich bin der Meinung, dass das Ganze zuerst ein Ablenkungsmanöver war, eine Inszenierung und dann letztlich auch ein Hüftschuss, der nicht ordentlich durchdacht ist.

Moderator Gerald Groß: Okay, also Zustimmung nein?

Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Das weiß ich noch nicht, aber zum gesamten Paket eher nein.

Moderator Gerald Groß: Herr Bürstmayr, wie schaut es denn jetzt bei Ihnen aus, nach all dem, was Sie gehört haben und bisher auch in den Stellungnahmen gelesen haben? Wo sind Sie am ehesten der Meinung, dass man sich vielleicht von dem einen oder anderen wird verabschieden müssen, auch in der Diskussion mit der ÖVP? Werden Sie darauf drängen?

Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Zunächst einmal befürchte ich, dass Kollege Amesbauer und die FPÖ einem Paket überhaupt nur dann zustimmen, wenn drüber steht: Antiausländer. (Abg. Amesbauer: Na geh bitte!) Ich finde es immer wieder faszinierend, wie rasch Sie den Bogen in diese Richtung schlagen können, aber ich glaube, das ist Ihr politisches Geschäft.

Ich möchte ehrlich gestanden den Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner jetzt nicht vorgreifen. Es ist in den letzten Wochen ein bisschen eingerissen, dass man auch in der Koalition einander öffentlich etwas ausrichtet. Ich halte das nicht für gut.

Es gibt Klärungsbedarf, es gibt fundierte Kritik an dem hier in Rede stehenden Straftatbestand, in die Richtung, dass er, wie viele KritikerInnen sagen, eigentlich nicht nötig ist. Es ist uns zumindest nicht vorgeworfen worden, dass er überschießend ist oder schweren Schaden anrichtet, aber das alleine sollte nicht genügen, um neues Strafrecht zu schaffen.

Moderator Gerald Groß: Darf ich Sie zwingen, vielleicht ein bisschen zu konkretisieren, wo zum Beispiel dieser Klärungsbedarf besteht, den Sie ansprechen?

Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Ob man den Tatbestand tatsächlich braucht und wie man ihn formuliert. Aus den Gründen, die ich schon genannt habe, auch: wie man ihn erläutert – nämlich unter strikter Beachtung der weltanschaulichen und religiösen Neutralität, weil uns sonst, flapsig ausgedrückt, das Ding möglicherweise vor dem Verfassungsgerichtshof um die Ohren fliegt, und das wollen wir nicht. Das ist der Klärungsbedarf, den es gibt. Das ist aber nur ein Aspekt unter einer ganzen Menge dieses sogenannten Pakets.

Was ich schon auch sagen möchte: Ich gehe und wir Grüne gehen davon aus, dass es in der Bekämpfung des Terrorismus, in der wirksamen Bekämpfung des Terrorismus, wenn es hochkommt um 10 Prozent Repression und um 90 Prozent Prävention geht. Prävention heißt auf vielen verschiedenen Ebenen, dass Nachrichtendienste miteinander reden, dass aber auch innerhalb des jetzt noch sogenannten BVT die beiden Säulen, wenn sie auseinanderdividiert werden, rasch Informationen austauschen können, dass dieser Informationsfluss gesichert ist; dass bei bedingten Entlassungen die Informationen vorliegen und auch nach der Entlassung eines Straftäters die entsprechenden Stellen diese Informationen kriegen; dass Derad, eine Organisation, die ganz wichtige Deradikalisierungsarbeit leistet, so wie das die Zerbes-Kommission vorgeschlagen hat, auf finanziell gute Füße und auch auf solide rechtliche Beine gestellt wird.

Das alles sind Aspekte der Prävention, bis dahin, dass wir bestimmten Straftätern – ob es uns gefällt oder nicht, wir können sie nicht in Luft auflösen – immer wieder versuchen müssen, Angebote zu machen, umzukehren, sich sozusagen wieder in dieser Gesellschaft zurückeinzufinden. Es hilft uns ja nichts, wenn wir diese Menschen mehrere Jahre wegsperren, dort überhaupt nicht mit ihnen arbeiten, geradezu zusehen, wie sie sich dort weiter radikalisieren, und sie dann früher oder später, weil die Strafe abgelaufen ist, auf freien Fuß setzen müssen und nicht einmal irgendwohin abschieben können, weil sie nämlich nur die österreichische Staatsbürgerschaft haben.

Das heißt, es braucht Prävention, Prävention, Prävention, und das ist mit Sicherheit ein Punkt, über den wir mit unserem Koalitionspartner noch intensiv sprechen werden, unter anderem auch, weil diese Prävention eine Menge Geld braucht, und über dieses Geld wird noch zu reden sein.

Moderator Gerald Groß: Frau Matejka dazu und dann habe ich noch eine Frage an Sie.

Mag. Sabine Matejka: Nur einen Satz möchte ich noch zu dieser Bestimmung über die Fußfessel ergänzen: Der Anwendungsbereich ist wahnsinnig schmal, denn ich darf es nur dann anordnen, wenn sonst ich davon ausgehen muss, dass die Weisungen nicht befolgt werden. Das heißt, einem, bei dem ich davon ausgehe, die Weisung und die Betreuung werden reichen, darf ich sie gar nicht geben.

Es ist unbedingt notwendig, um das weisungsgemäße Verhalten sicherzustellen: Das heißt, das muss schon eine sehr gefährliche, sehr radikalisierte Person sein, von der ich ausgehe, sie wird sich nicht an die Weisungen halten. Dann stelle ich mir als Richterin die Frage – wir haben diese auch intern schon diskutiert –: Kann ich den dann überhaupt bedingt entlassen?

Das heißt, dieser Anwendungsbereich, in dem ich da überhaupt in die Situation komme, dass ich als Richterin sage: Ich brauche es, aber ich kann ihn gerade noch bedingt entlassen, denn so gefährlich ist er dann doch wieder nicht!, ist schon so schmal, dass sich wirklich die Frage stellt, ob sich das dann legitimiert.

Zum anderen, der letzte Punkt – ich höre das auch immer wieder von Staatsanwälten –: Wir haben ja ein sehr großes Paket an Möglichkeiten von Überwachung und sicherheitspolizeilichen Maßnahmen. Woran es in der Praxis offensichtlich immer wieder scheitert – aber das wissen Sie wahrscheinlich besser als ich –, sind personelle Ressourcen und Ressourcen bei den Sicherheitsbehörden. Das heißt, das kann das sicher nicht kompensieren. Die Frage ist, wo man investiert und ob man da nicht besser woanders investiert und die bestehenden Mittel, die man schon hat, ausschöpft. Das passiert offenbar derzeit nicht.

Moderator Gerald Groß: Ich habe noch eine Frage an Sie, nämlich ob Sie überhaupt glauben, dass man mit Gesetzen allein dem Terrorismus Herr werden kann, oder ob es nicht einfach so ist, dass Gesetzgebung im Endeffekt einfach immer hinterherhinkt und sozusagen die Gefahren vielleicht schon wieder ganz woanders lauern und man letztlich immer nur reagieren kann.

Mag. Sabine Matejka: Das ist sicher ein Problem. Ich glaube, wir haben zwei Problemkreise. Das eine, was Herr Stockhammer schon angesprochen hat, ist das Problem jener, die jetzt in Haft sind und entlassen werden – da haben wir sozusagen schon ein bestehendes Problem, für das wir alle händeringend eine Lösung suchen –, und das andere sind jene Täter, die noch nicht als Täter in Erscheinung getreten sind, sozusagen die Prävention.

Da bin ich eigentlich bei dem, was hier vorhin schon gesagt wurde: Wir als Justiz stehen ja sozusagen ganz am Ende der Nahrungskette. Da ist schon etwas passiert oder zumindest hat es einen Versuch gegeben, und das Ziel wäre ja eigentlich, das zu verhindern. Das heißt, diese Prävention – in welcher Form von Radikalisierung auch immer, wir reden ja jetzt hier nicht nur von islamistischem Terror –, diese Präventionsarbeit wäre sicherlich ganz, ganz wichtig, denn das Beste ist, wenn wir das Strafrecht gar nicht erst brauchen.

Moderator Gerald Groß: Dann sage ich vielen Dank, Frau Matejka, dass Sie bei uns waren.

Ich komme zur Schlussrunde. Wir haben nur mehr 7 Minuten, ich bitte Sie zum Schluss um kurze Stellungnahmen.

Frau Krisper, ich beginne mit Ihnen: Was ist denn das Wichtigste aus Ihrer Sicht, was Sie dazu beitragen können, auch als Abgeordnete, um Anschläge wie den vom November des Vorjahres beziehungsweise auch allfällige andere Anschläge, terroristische Anschläge in Zukunft überhaupt zu verhindern?

Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Ich glaube, wir müssen als Opposition ein Auge darauf haben, was sich in der Realität ändert, also wirklich am Boden, dementsprechend über Anfragen dranbleiben und nachfragen, wie sich der Informationsaustausch da verbessert, wie es den Ressourcen im BVT geht, durch eine effiziente parlamentarische Kontrolle dranbleiben, sehen, dass da die Kompetentesten in Zukunft für unsere Sicherheit arbeiten, dranbleiben, wenn es um Budgetmittel für die Präventionsarbeit geht, und auch darauf achten, dass man querschnittsmäßig ressortübergreifend denkt, also auch unsere Bildungssprecherin sich der Sache im Schulbereich annimmt et cetera, denn diese Frage und diese Sorge ist ja eine themenübergreifende und dementsprechend muss man da eigentlich in vielen Bereichen mitdenken.

Moderator Gerald Groß: Vielen herzlichen Dank. – Herr Einwallner.

Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Ich habe eingangs schon versucht, es ein bisschen zu skizzieren: Wir haben einen sehr, sehr konkreten Vorschlag vorgelegt, wie wir eine neue, aus unserer Sicht bessere und moderne Sicherheitsarchitektur für Österreich entwerfen könnten. Da braucht es nicht einzelne Gesetzesänderungen, sondern da sollte man ein bisschen größer denken. Wie gesagt, es braucht eine richtige und große Reform der Nachrichtendienste, also mit einer klaren Trennung.

Ich bin der Meinung, dass es neben dem Trennungsgebot, also Polizei und Nachrichtendienst zu trennen, auch ein gesamtstaatliches Lagezentrum braucht, einen gesamtstaatlichen, politischen Verantwortlichen für die Nachrichtendienste und in weiterer Folge eben dann auch ein Terrorismusabwehrzentrum, wie ich es in der Diskussion schon ausgeführt habe, um wirklich auch organisatorisch rauszuholen, welche Möglichkeiten wir schon haben.

Also wie gesagt: Es ist nicht ein Mangel an Gesetzen und polizeilichen Befugnissen vorhanden, sondern es scheitert eher an den personellen Ressourcen und an den finanziellen Ressourcen, und das zieht sich durch – von der Prävention über die Deradikalisierung bis hin dann wirklich auch zur täglichen Arbeit in der Polizei.

Moderator Gerald Groß: Danke schön. – Herr Amesbauer.

Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Wir werden uns das anschauen. Es ist ja heute vom Innenminister, aber auch von den Kollegen Mahrer und Bürstmayr angeboten worden, mit uns noch in Verhandlungen einzutreten. Da sind wir inhaltlich natürlich bereit, denn wir sagen ja nicht, wir sind dagegen. Wir haben eine staatspolitische Verantwortung, und alle, die wir hier sitzen, wollen, dass der Staatsschutz, dass der Verfassungsschutz in Österreich so funktioniert, wie er zum Schutz der Bürger und der öffentlichen Sicherheit funktionieren muss. Das ist das eine.

Knackpunkt aus meiner Sicht ist, dass die Informationsweitergabe und der Informationsaustausch verbessert werden. Wir haben ja gesehen, und das sehen wir schon länger, dass im BVT die Informationsgewinnung und die -analyse jetzt recht gut funktionieren, aber die Informationsverwertung nicht – der Informationsaustausch zwischen dem BVT, den Landesämtern, aber auch zwischen den Nachrichtendiensten beim Heer, und auch die Berichtskultur und die Staatsanwaltschaft, dass man potenzielle Gefährder wirklich auch der Justiz zuführt. Dass das verbessert wird, ist für uns ein Knackpunkt, ebenso wie der Ausbau einer echten und effizienten parlamentarischen Kontrolle.

Moderator Gerald Groß: Danke schön. – Herr Bürstmayr.

Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sie haben gefragt: Was ist das beste Mittel gegen Terrorismus? – Mir fallen ein paar oder ein paar Begriffspaare ein. Das eine ist Rechtsstaatlichkeit und Präzision, das heißt, dass alle unsere Maßnahmen, egal wo wir sie setzen, im Rahmen unserer Verfassung und unseres Rechtsstaats bleiben müssen, und dass es dabei gilt, sehr präzise zu sein, auch wenn der erste Reflex sein mag: draufhauen.

Das Zweite ist: Beharrlichkeit und Ausdauer, weil wir dieses Problem nicht innerhalb von zwei Tagen oder einer Woche gelöst kriegen, sondern weil uns das noch Wochen und Monate und Jahre beschäftigen wird und wir immer wieder neue Versuche setzen müssen.

Und das Dritte ist letztendlich das Begreifen, dass das eine gemeinsame Aufgabe ist, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht von einer Partei oder nicht von der Politik und schon gar nicht von der Polizei alleine gelöst werden kann. Wenn wir unsere Freiheit in Sicherheit leben können wollen, dann müssen wir alle gemeinsam immer wieder neue Maßnahmen dafür setzen.

Moderator Gerald Groß: Vielen herzlichen Dank. – Herr Mahrer, bevor Sie zu Ihrem Schlusswort ansetzen, erlauben Sie mir, dass ich vielleicht noch zu dem rückfrage, was Herr Bürstmayr in der vorigen Runde gesagt hat, nämlich zu diesem Klärungsbedarf betreffend den Straftatbestand § 247b, religiös motivierter Extremismus: Ist da bei der ÖVP noch etwas drinnen? Können Sie sich vorstellen, dass Sie sich da bewegen?

Karl Mahrer (ÖVP): Sie haben erkannt, dass ich in meinem Abschlussstatement auf die Rückmeldung von Kollegen Bürstmayr gleich zu Beginn eingehen wollte, und ich darf es jetzt auf den Punkt bringen: Die Kunst in der Verhandlung ist sehr oft die Formulierung. Die Formulierung in erläuternden Bemerkungen, die Formulierung des Gesetzes: Darin wird vielleicht auch die Kunst liegen, im Antiterrorpaket vielleicht die eine oder andere Lösung zu finden, nicht nur zwischen uns, sondern auch unter Einladung der Opposition. Also ich glaube, da kann noch einiges möglich sein.

Was mir aber auch wichtig ist, ist, was in der letzten Runde angesprochen worden ist: Nicht nur die Gesetze regeln unser Leben, nicht nur die Gesetze verhindern Terrorismus, wenn sie ihn in hundertprozentiger Form überhaupt verhindern können, sondern es geht auch um Prävention. Und ja, da werden wir keinen Klärungsbedarf brauchen. Ich glaube, da sind wir uns weitestgehend einig.

Ein ganz kurzes Wort noch zur Reform Nachrichtendienst und Staatsschutz: Ich glaube, wir haben wenig neue Befugnisse, wir haben aus unserer Sicht in unserem Konzept keine neue zusätzliche Behörde, aber wir haben eine parlamentarische Kontrolle und einen Rechtsschutzausbau, wie wir das in der Zweiten Republik noch nicht erlebt haben. Ich glaube, das ist ein Angebot, das auch – zumindest teilweise – anzunehmen.

Allerletzter Satz: Wir haben einmal davon gesprochen, dass die Grünen und die Volkspartei zwei unterschiedliche Welten sind, die aufeinander zugegangen sind. Ich kann nur sagen: In meiner Wahrnehmung haben sich diese Welten bei diesem Vorschlag sehr gut ergänzt. Ich glaube, dass wir eine gute Basis für die Opposition in der gesamten Breite in dieser Diskussion haben, um auch mit uns zu einem guten, gemeinsamen Ergebnis zu kommen.

Moderator Gerald Groß: Ein sehr schönes Schlusswort.

Vielen herzlichen Dank, Frau Präsidentin Matejka, danke, Frau Abgeordnete Krisper, meine Herren Abgeordneten, auch Ihnen herzlichen Dank, und Ihnen, meine Damen und Herren, fürs Dabeisein. Das war heute eine Diskussion zum Thema Antiterrorpaket, angereichert durch die tagespolitischen Ereignisse rund um die bevorstehende Reform des BVT.

Ich sage an dieser Stelle wie immer: Alles Gute und bleiben Sie gesund, ich freue mich schon auf die Sendung im April, auf Wiedersehen!