Transkript
der Veranstaltung:
„Zukunft. Jugend. Europa. Der Bundesrat im Dialog mit der Jugend zur
Zukunft Europas.“
Vera Schmidt: Einen angenehmen Vormittag, meine Damen und Herren! Herzlich willkommen zu einer Sitzung des Bundesrates aus dem Hohen Haus. Es ist heute eine besondere Sitzung des Bundesrates, sie steht im Zeichen der Jugend. Bundesratspräsident Christian Buchmann aus der Steiermark hat zu einem Videowettbewerb geladen, der Titel „Zukunft. Jugend. Europa. Der Bundesrat im Dialog mit der Jugend zur Zukunft Europas.“ Dabei waren Jugendliche aus ganz Österreich eingeladen, Videos zur Zukunft Europas auf eine Plattform hochzuladen. Heute ist der große Tag, heute werden diese Videos im Parlament in Wien im Rahmen einer besonderen Bundesratssitzung präsentiert. Mit dabei sind die Jugendlichen, sind eine Vertreterin, nämlich Karoline Edtstadler, EU- und Verfassungsministerin, Mitglieder und Mitgliederinnen des Bundesrates, und sie alle werden die Zukunft des Bundesrates hier am Vormittag diskutieren. Ich wünsche Ihnen einen informativen Vormittag.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Ihr seid die Zukunft! Einen wunderschönen Vormittag, einen schönen guten Morgen hier in diesen ehrwürdigen Mauern, hier im Großen Redoutensaal zur Diskussionsveranstaltung „Zukunft. Jugend. Europa. Der Bundesrat im Dialog mit der Jugend zur Zukunft Europas.“ Ich darf Sie, ich darf euch ganz, ganz herzlich willkommen heißen. Mein Name ist Simone Koren-Wallis, und ich darf Sie durch diesen Vormittag führen. Ich darf den Gastgeber der heutigen Veranstaltung recht herzlich begrüßen, und zwar der Präsident des Bundesrates Mag. Christian Buchmann. (Beifall.)
Ganz herzlich willkommen heißen darf ich außerdem die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler (Beifall) und den Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Wien Dr. Martin Selmayr (Beifall). Namentlich begrüßen darf ich weiters den Fraktionsvorsitzenden und Präsident des Bundesrates a.D. Karl Bader (Beifall), Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann (Beifall), Bundesrat Dr. Johannes Hübner (Beifall), Bundesrat Andreas Lackner (Beifall) und Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (Beifall) – von ihnen hören wir später auch noch Statements.
Herzlich willkommen heißen möchte ich außerdem die Vizepräsidentin des Bundesrates Doris Hahn (Beifall) und die anwesenden Mitglieder des Bundesrates. Schön, dass Sie heute da sind, herzlich willkommen! (Beifall.)
Jetzt aber zu den Hauptakteuren des heutigen Vormittags, die nominierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Jugendvideobewerbs. Schön, dass Sie, schön, dass ihr der Einladung nach Wien gefolgt seid, eine gesonderte Vorstellung gibt es später noch. – Danke, dass ihr da seid. (Beifall.)
Ganz besonders darf ich noch die begrüßen, die wir zwar nicht sehen, die aber uns sehen und die Veranstaltung von zu Hause aus mitverfolgen. Schön, dass Sie dabei sind, denn diese Veranstaltung wird nämlich auf ORF III und auch bei Livestream in der Mediathek des Parlaments übertragen. Die Übertragung wird übrigens auch als Video on Demand in der Mediathek des Parlaments dauerhaft zur Verfügung stehen, also zum Nachschauen, ganz wichtig: in der Mediathek des ORF ist es sieben Tage lang verfügbar.
Wegen der Covid-19-Pandemie findet das Ganze im kleinen, relativ geschlossenen Personenkreis statt. Wir halten uns natürlich auch an alle Schutzmaßnahmen. Und damit würde ich sagen, gebe ich gleich ab zur offiziellen Begrüßung und bitte Christian Buchmann zu mir.
Christian Buchmann (Präsident des Bundesrates): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe junge EuropäerInnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen aus der Politik! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie uns via Parlamentsstream und via ORF III verfolgen! Der österreichische Bundesrat versteht sich als die Zukunfts- und Europakammer des österreichischen Parlaments: als Europakammer, weil wir in den vergangenen Jahren mit unserer Expertise, auch mit unseren Initiativen europaauffällig geworden sind und damit Beiträge für die gemeinsame Entwicklung Europas geleistet haben.
Ich habe mir als Präsident des Bundesrates ein Motto gesetzt, dieses Motto lautet, dass die Regionen die Fundamente Europas sind, und in diesen Fundamenten leben in 281 europäischen Regionen 450 Millionen Menschen in den neun österreichischen Bundesländern rund 8 Millionen Menschen und darunter auch viele junge. Und heute stehen diese jungen Europäerinnen und Europäer, diese jungen Österreicherinnen und Österreicher und alle, die in Österreich leben, im Mittelpunkt einer Konferenz, die wir hier im österreichischen Bundesrat durchführen, wo wir uns gemeinsam über die Zukunft Europas unterhalten wollen.
Es zeigt die Pandemie, dass es gerade auch die Jungen sind, die von dieser Pandemie ganz besonders betroffen sind. Europa hat Erfahrungen mit dieser Pandemie machen müssen, wo wohlerworbene Freiheitsgrade eingeschränkt werden mussten, denken Sie an die Reisefreiheiten, die eingeschränkt worden sind, aber nicht nur diese – der Warenverkehr, der Dienstleistungsverkehr, teilweise auch der Kapitalverkehr sind Einschränkungen unterworfen worden, wir sind mit europäischen Werten konfrontiert worden, die unbestritten waren, aber eingeschränkt sind, und all das hat eine Gemengelage ergeben, wo viele Junge - - Und manche Kommentatoren meinen, dass die Jugend dieser Generation eine Lost Generation sei. Ich glaube nicht, dass sie eine Lost Generation ist, sie soll eine Zukunftsgeneration sein, und wir als österreichischer Bundesrat verstehen uns als eine Plattform, die diesen jungen Menschen in diesem Überlegen über die Zukunft des gemeinsamen Europas auch eine Stimme geben wollen.
Europa ist eine Region mit viel Lebensqualität, mit viel Lebenssubstanz, aber über die vergangenen Monate haben auch die Jungen gespürt, dass das, was sie als vermeintlich gesicherte Rechte empfunden haben, am Prüfstand steht. Auf einmal war es nicht mehr so einfach zu studieren, selbst die Schule wurde auf Homeschooling verschoben, das Studium wurde zum Teil in ein Telelearning umfunktioniert, die Reisefreiheiten wurden eingeschränkt, Erasmus-Programme wurden eingeschränkt, und die Sehnsucht der Jungen nach Austausch und persönlichem Kontakt war ebenso eingeschränkt. Alles das wird sich hoffentlich über die nächsten Wochen und Monate ändern, alles das bietet für uns die Möglichkeit, über Stärken und Schwächen dieser gemeinsamen Europäischen Union nachzudenken und gemeinsam ein Profil zu entwickeln, wie wir in diesem Europa der Vielfalt auch gemeinsam leben wollen.
Ich freue mich daher sehr, dass Frau Bundesministerin Edtstadler als Europaministerin der österreichischen Bundesregierung heute bei uns ist, weil sie eine ist, die Österreich in Europa vertritt, die aber Europa auch in Österreich vertritt und die insbesondere in einem Raum Europas zugegen und präsent ist, der uns gemeinsam ein Anliegen ist, nicht nur aus der Historie, sondern auch für die Zukunft – ich meine damit den westlichen Balkan. Danke, dass du da bist, das ist ein ganz wichtiges Zeichen!
Und ich freue mich auch sehr, dass der Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich Prof. Martin Selmayr unter uns ist. Er ist einer, der Europa gut kennt, der weiß, wie die Verwaltung in Europa funktioniert, der aber auch weiß, dass man die Menschen mitnehmen muss, wenn es darum geht, gemeinsam ein Herz in und für dieses Europa zu entwickeln.
Wir werden heute Grußbotschaften erleben, der Vizepräsidentin der Kommission Dubravka Šuica und des Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments Othmar Karas. Mir war es wichtig, nicht nur eine Vertreterin des Europäischen Rates, sondern auch einer Vertreterin der Kommission und einem Vertreter des Europäischen Parlaments hier bei uns eine Stimme zu geben, denn Europa lebt von seinen Repräsentanten, Europa lebt von seinen Institutionen, aber nicht nur: Europa lebt insbesondere von den 450 Millionen Menschen und von den Jungen, die in diesem Europa leben, und daher ist es ganz entscheidend, dass diese Jungen auch eine Stimme haben. Danke vielmals an die österreichische Bundesjugendvertretung, mit der wir gemeinsam dieses Format entwickelt haben, danke vielmals an die Teilnehmer dieses Jugenddialogs, die heute auch vor Ort präsent sind, aus den österreichischen Bundesländern. Es ist dies ein Zeichen, dass euch das Einmischen in die inneren Angelegenheiten und damit in die persönlichen Anliegen ein großes Anliegen ist und mit eurer Anwesenheit heute habt ihr auch die Möglichkeit, Entscheidungsträgern des österreichischen Bundesrates, aber auch der österreichischen Bundesregierung und der Europäischen Kommission etwas ins Stammbuch zu schreiben. Und das ist eine Möglichkeit, die es in den nächsten Monaten auch auf europäischer Ebene mit der Konferenz zur Zukunft Europas geben wird, wo Europäerinnen und Europäer, Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, sich einzubringen, damit auch die Jugend, aber selbstverständlich auch die Politik ein Bild von der Zukunft dieses gemeinsamen Europas entwickeln kann.
Wir Europäer sind 450 Millionen Menschen, die in der Europäischen Union leben, wir machen in etwa 7 Prozent der Weltbevölkerung aus, wir erwirtschaften in etwa 25 Prozent der Weltwirtschaftsleistung, und wir haben in Europa in etwa 50 Prozent der Sozialleistungen, die es weltweit gibt. Das alleine ist schon ein Grund, sich in die eigenen Angelegenheiten einzumischen und am gemeinsamen Haus Europa zu bauen, so unterschiedlich die Ausprägung mancher Zimmer als Vielfalt auch sein mag.
Ich bedanke mich bei der Parlamentsdirektion, die gemeinsam mit der Bundesjugendvertretung und meinem Team diese Veranstaltung und diese Format möglich gemacht hat. Ich freue mich auf die Beiträge der Jungen und der Politikexpertinnen und –experten. Die Ergebnisse unserer heutigen Zusammenkunft wollen wir einspeisen in die Konferenz zur Zukunft Europas, und wir werden sie entsprechend publizieren, und wir werden sie als österreichischer Bundesrat auch weitertragen. – Danke vielmals fürs Hiersein, danke vielmals fürs Mitdenken über das gemeinsame Europa. Vertrauen wir auf eine positive Entwicklung Europas, und die Menschen, die in diesem Europa leben, verdienen es.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Danke schön, Herr Präsident! Ja, wie es der Titel schon sagt, „Zukunft, Jugend, Europa“, geht es heute eben um die Zukunft Europas. Und da freut es mich ganz besonders, es ist auch schon ganz kurz angekündigt worden, dass ich Ihnen und euch eine Videobotschaft ankündigen darf, und zwar von der Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, der Kommissarin für Demokratie und Demographie: Dubravka Šuica.
Dubravka Šuica (Vizepräsidentin der Europäischen Kommission): Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer! Ich freue mich, heute anlässlich der Diskussionsveranstaltung „Zukunft, Jugend, Europa“ zu Ihnen sprechen zu können. Auch wenn ich natürlich gehofft hatte, dass es ein Austausch vor Ort von Angesicht zu Angesicht sein würde, denn die demokratische Teilhabe junger Menschen liegt mir sehr am Herzen.
Zu Beginn meiner politischen Laufbahn als Bürgermeisterin von Dubrovnik habe ich dort den ersten Kinderrat gegründet. Das war der Startschuss für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Entscheidungsfindung der Stadt und ist mittlerweile eine Tradition. Es ist einer dieser Momente, auf die ich besonders stolz bin. Bevor wir in der Europäischen Kommission vor Kurzem die aktuelle Kinderrechtsstrategie verabschiedeten, habe ich zahlreiche mit jungen Menschen geführt, die auf diese Weise alle einen Beitrag zur Strategie geleistet haben. Besonders beeindruckt hat mich eine Frage: Wenn nicht wir, wer dann?
Junge Menschen sind für uns ein Ansporn, eine bessere, zukunftsgerechtere Politik zu gestalten. Junge Menschen haben besonders stark unter der Pandemie gelitten. Jetzt, wo wir die pandemiebedingten Einschränkungen allmählich hinter uns lassen, ist es Zeit für einen Neuanfang, und er beginnt mit Ihnen. Schildern Sie uns Ihre Träume und Ideen für die Zukunft. Wir möchten wissen, was Sie denken – deshalb haben wir die Konferenz zur Zukunft Europas ins Leben gerufen. Die Konferenz ist eine einmalige Gelegenheit, sich an einer Debatte mit jungen Menschen und Bürgerinnen und Bürgern aus allen Regionen Europas, ob aus Gebirgs- oder Küstenregion, aus der Stadt oder vom Land, von Finnland bis Österreich zu beteiligen. Dafür stehen Ihnen im Rahmen der Konferenz drei große Foren zur Verfügung: die Plattform, die Bürgerforen und die Plenarversammlungen.
Das erste Forum ist unsere mehrsprachige digitale Plattform. Über diese Konferenzplattform, die am 19. April gestartet wurde, können Sie per Computer oder Smartphone Ideen austauschen und Veranstaltungen organisieren. Die Plattform kann in allen 24 europäischen Sprachen benutzt werden, sie dient dem übergeordneten Ziel der Konferenz, Bürgerinnen und Bürger und die Zivilgesellschaft als Ganzes in die Lage zu versetzen, die EU-Politik mitzugestalten. Alle Veranstaltungen und Ideen werden auf der Plattform eingestellt. Darüber hinaus finden Sie dort neun Hauptthemen für Diskussion und Ideen, von Klimawandel bis hin zu sozialer Gerechtigkeit und Beschäftigung. Für Bürgerinnen und Bürger, die sich zu einem anderen für sie wichtigen Thema einbringen möchten, gibt es ein Freitextfeld. Ich bin sehr gespannt darauf, welche Ideen die Bürgerinnen und Bürger entwickeln und vorbringen werden.
Das zweite Forum sind die Bürgerforen, zu deren Bürgerinnen und Bürger nach dem Zufallsprinzip zu einer Diskussionsrunde eingeladen werden. Sie stehen für die Vielfalt der Europäischen Union in Bezug auf geographische Herkunft, Geschlecht, Alter, sozioökonomischer Hintergrund und Bildungsniveau.
An jedem der vier Bürgerforen werden 200 Bürgerinnen und Bürger teilnehmen, darunter mindestens eine Bürgerin und ein Bürger pro Mitgliedstaat. Ein Drittel des Teilnehmerkreises werden junge Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren sein. Davon versprochen wir uns einen echten generationsübergreifenden Austausch und eine Bereicherung unserer Debatte.
Und das dritte Forum sind die Plenarversammlungen im Rahmen der Konferenz mit Vertreterinnen und Vertretern der regionalen, nationalen und europäischen Ebene und der Zivilgesellschaft. Zum Plenum der Konferenz gehören 108 Vertreterinnen und Vertreter des Europäischen Parlaments, 45 Vertreterinnen und Vertreter des Rates der Europäischen Union und drei Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission. Hinzu kommen 108 Vertreterinnen und Vertreter aller nationalen Parlamente und natürlich auch Bürgerinnen und Bürger, 80 Mitglieder Bürgerforen werden auch am Plenum teilnehmen, davon muss mindestens ein Drittel jünger als 25 Jahre sein. Ferner werden die Präsidentin des Europäischen Jugendforums und 27 Vertreterinnen und Vertreter nationaler Veranstaltungen oder nationaler Bürgerforen teilnehmen, also insgesamt ebenfalls mindestens 108 Personen. Darüber hinaus werden auch regionale und kommunale Gebietskörperschaften sowie die Zivilgesellschaft und die Sozialpartner einbezogen. Wir werden bei der Zusammensetzung der Plenarversammlung der Konferenz auch auf ein ausgewogenes Geschlechtsverhältnis achten.
Meine Aufgabe in der Europäischen Kommission besteht darin, dafür zu sorgen, dass unsere Demokratie zukunftsfähig ist. Die Stimme junger Menschen muss gehört werden, wenn unsere Demokratie bürgernäher gestaltet werden soll. Die Konferenz ist ihre Chance, die künftige europäische Politik tatkräftig mitzugestalten. Wir möchten sicherstellen, dass jede Idee, vielleicht auch die Ihrige, zunächst auf lokaler und dann auf Europäischer Ebene erörtert und gegebenenfalls der Präsidentin der Europäischen Kommission und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Rates vorgelegt werden kann.
Ich werde mich als die für die Konferenz zur Zukunft Europas zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission nach Kräften dafür einsetzen, dass die europäischen Organe über die Ideen und Meinungen der Bürgerinnen und Bürger nachdenken und diese in ihrer politischen Arbeit berücksichtigen. Insbesondere junge Menschen müssen sehen können, welchen Niederschlag ihre Beiträge haben. Sie können auf mich zählen, so wie ich hoffe, dass ich auf Ihr Engagement zählen kann. Beteiligen Sie sich an der Plattform, beteiligen Sie sich an den Veranstaltungen und nehmen Sie ihre Familie und Freunde gleich mit. Die Zukunft liegt in Ihren Händen, verschaffen Sie sich Gehör! Vielen Dank!
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Ich darf nur ganz kurz im Namen der Vizepräsidentin einen kleinen Fehler korrigieren, es war ein kleiner Zahlendreher: Es sind 54 Vertreterinnen und Vertreter des Rates der Europäischen Union und nicht 45 – ich glaube, so ein kleiner Zahlendreher kann uns allen einmal passieren.
Von der Europäischen Kommission geht es weiter zum Europäischen Parlament und einer Videobotschaft von einem der Vizepräsidenten. Meine Damen und Herren: Othmar Karas.
Othmar Karas (Vizepräsident des Europäischen Parlaments): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Bürgerinnen und Bürger Europas! Als Vizepräsident des Europaparlaments grüße ich Sie und euch herzlich. Das Europaparlament ist der Motor der Debatte über die Zukunft Europas und entschlossener Befürworter des Dialogs mit den Bürgerinnen und Bürgern, also mit Ihnen und euch. Europa braucht nicht nur den Dialog, sondern vor allem die Rücksichtnahme aufeinander, den Respekt füreinander, die Ideen aller und die Zusammenarbeit. Daher freue ich mich besonders über die Kooperation der Länderkammer Österreichs mit der Bundesjugendvertretung und über die heutige Veranstaltung.
Zehn Jahre durfte ich selbst als Bundesobmann der Jungen ÖVP stellvertretender Vorsitzender des Österreichischen Bundesjugendrings sein. Ich weiß daher, welche Kraft der Emotionen und Visionen von euch ausgehen können. Ein Sprichwort sagt: Wer keinen Mut zum Träumen hat, hat auch keine Kraft zum Denken! Wir haben damals von einem Europa ohne Grenzen geträumt und unterschiedliche Ideen entwickelt, Initiativen gesetzt. Dieser Traum ist noch lange nicht ausgeträumt. Wir spüren, dass wir an unsere Grenzen stoßen, manche den Rückwärtsgang eingelegt haben und wir vor neuen Herausforderungen stehen. Vielerorts herrscht noch immer das gern geschürte Missverständnis, die EU sei ein seelenloses Monster irgendwo in Brüssel oder Straßburg. Wir sollten daher am Anfang jedes Gesprächs über Europa bewusst machen: was wo und wie in Europa passiert, haben wir in der Hand. Wir haben schon viel erreicht, aber sind noch lange nicht fertig. Heute sind offene Grenzen und Reisefreiheit, eine gemeinsame Währung und keine Roaming Gebühren Alltag, damit kann es aber mit einem Schlag wieder vorbei sein, wie uns der Brexit zeigt.
Wir müssen aus den Krisen, Schwächen und Erfolgen die richtigen Lehren ziehen. Dafür dient auch die Debatte um die Zukunft Europas. Die Themen liegen am Tisch, von Forschung und Digitalisierung über die Frage der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Europa in der Welt, bis hin zur neu aufkommenden Debatte über eine echte Sozialunion. Die Debatte zur Zukunft Europas ist eine Chance, aber auch sie darf nicht einfach zu einem Marketinggag verkommen. Es braucht mutige Visionen und neue Ideen, und so glaube ich, am Ende eine Reform, einen neuen Vertrag für Europa.
Es gibt viele Möglichkeiten mitzumachen: über die Plattformen der EU, die vielen NGOs, vom Pulse of Europe bis zum überparteilichen BürgerInnen Forum Europa und auch durch diese Veranstaltung. Eines sollten wir nicht müde werden zu sagen: Wir und niemand anderer sind die EU, und daher machen wir mit, es geht um die Zukunft Österreichs und Europas – unsere Zukunft! Danke. (Beifall.)
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Das war es mit Video, wir machen live weiter, und jetzt kommt auch Bewegung hier in den Großen Redoutensaal, denn ich darf die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt ans Rednerpult bitten für die Keynote „Österreichs Jugend in Europa“, meine sehr geehrten Damen und Herren: Karoline Edtstadler.
Karoline Edtstadler (Ministerin für EU und Verfassung, ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrter Herr Selmayr als Vertreter der Europäischen Kommission, vor allem aber liebe Jugendliche und Jugendliche – weiblich und männlich – sowie liebe Zuseher auch an den Fernsehbildschirmen! Herr Präsident, als erstes möchte ich dir ganz herzlich gratulieren zur Organisation dieser Veranstaltung und gleichzeitig meinem Dank und meiner Freude Ausdruck verleihen, heute hier zumindest mit einigen wenigen persönlich anwesend zu sein.
Ich habe in der letzten Zeit tatsächlich so etwas wie eine Zoom-Fatigue entwickelt, also eine gewisse Müdigkeit, alles nur in virtueller Form zu machen, deshalb ist es jetzt genau der richtige Zeitpunkt, es hybrid zu machen: zu einem Zeitpunkt, als wir Mitte letzter Woche Österreich sozusagen wieder aufgesperrt haben, Dinge wieder möglich sind, entsprechend vorsichtig, mit Abstand, mit Tests, aber jetzt ist es an der Zeit, positiv in die Zukunft zu blicken, in Österreich und auch in Europa, und genau solche Veranstaltungen sollten dazu auch Mut machen.
Das vergangene Jahr hat ganz deutlich die Stärken, aber auch die Schwächen der Europäischen Union zum Ausdruck und zum Vorschein gebracht. Wer hätte gedacht, dass von heute auf morgen Grenzbalken wieder heruntergehen, dass von heute auf morgen Pendlerinnen und Pendler nicht mehr selbstverständlich nach Österreich kommen können, um als Facharbeiter zu den Betrieben in Österreich zu gelangen, wer hätte gedacht, dass von heute auf morgen Familien plötzlich ohne 24-Stunden-Pflegerinnen und Pfleger für ihre Eltern und Großeltern aufkommen müssen. Und erlauben Sie mir ein Beispiel aus meiner Heimat: Wer hätte gedacht, dass der Weg vom Salzburger Pinzgau in die Stadt Salzburg plötzlich nicht 45 Minuten, sondern zwei Stunden beträgt, weil man das Salzachtal ausfahren muss.
Gerade auch Jugendliche haben enorme Einschnitte hinnehmen müssen. Zoom-Fatigue ist etwas, was wir jetzt alle spüren, aber ihr habt es wirklich am eigenen Leib gespürt, ihr habt Homeschooling und Homestudying machen müssen, ihr habt Erasmus nicht leben können, und der Kontakt zu Freundinnen und Freunden war mehr als nur eingeschränkt: keine Partys, kein Feiern, kein Urlaub, kein Austausch, der aber gerade für Jugendliche, für Studenten, für Schüler so unglaublich wichtig ist. Ja, das letzte Jahr hat uns gezeigt, was es heißt, wenn man große Abhängigkeiten hat, wie es sich anfühlt, wenn jeder zunächst einmal nur auf sich schaut. Und vieles, da bin ich ganz offen, ist nicht perfekt gelaufen. Wir haben schon gehört, wir müssen jetzt aber die Lehren daraus ziehen, aus den Fehlern lernen und uns weiterentwickeln. Und auch einiges, das möchte ich auch sagen, ist gut gelaufen, das sollte nicht unter den Teppich gekehrt werden. Wer hätte denn gedacht, dass wir innerhalb von einem Jahr mehrere Impfstoffe auf dem Markt haben? Wer hätte gedacht, dass dann, wenn es darum geht zusammenzuhalten bei der Produktion und auch bei einer fairen Verteilung, das sehr wohl funktioniert? – Und die Impfstoffe sind aus meiner Sicht ein ganz großer Erfolg, den man hier nicht kleinreden soll. Denn, ja, einige Staaten waren schneller: schauen wir nach Israel, schauen wir in die USA. Aber im Vergleich zu den meisten Staaten der Welt waren wir schnell, und jetzt zeichnet sich auch ab, dass dieses Ziel, von dem noch vor wenigen Wochen keiner wirklich für möglich gehalten hat, dass wir es schaffen, nämlich 70 Prozent der Bevölkerung durchzuimpfen, zum Greifen nahe ist. Das, meine sehr geehrte Damen und Herren, ist ein großer Erfolg.
Ich würde schon auch als Europaministerin hier an dieser Stelle sagen wollen, dass die Performance der Europäischen Union nicht so schlecht war. Was wäre denn die Alternative? Die Alternative wäre, dass 27 Mitgliedstaaten alleine an Impfstoffen forschen, alleine produzieren, alleine beschaffen – und das möchte ich mir nicht vorstellen.
Wir haben auch gesehen, wie schnell es zu einem Impfneid kommen kann, wie schnell man auch in der Ecke steht, angefeindet wird, wenn man Dinge anspricht, die vielleicht nicht so perfekt funktioniert haben, und das ist etwas, was es braucht. Zu Beginn der Krise, als klar wurde, dass wir gemeinsam an Impfstoffen forschen, habe ich einige Stimmen gehört, die mir prognostiziert haben, dass es zu einem wahren Konflikt – um nicht schlimmere Worte in den Mund zu nehmen – in Europa kommen wird. Aber: Die Europäische Union ist ihrem Ruf als Friedensprojekt hier wirklich gerecht geworden. Die gemeinsame Beschaffung war sicher der Schlüssel dafür, dass wir jetzt da stehen, wo wir stehen, und in wenigen Wochen steht auch der Grüne Pass zur Verfügung, sodass wir wieder sicher Mobilität ermöglichen können, denn der Schlüssel, um unsere Wirtschaft nach oben zu bringen, ist ganz einfach die Mobilität. Und als mittelgroßes Land der Europäischen Union sind wir natürlich auf die Zusammenarbeit mit anderen innerhalb der Europäischen Union, aber auch darüber hinaus, angewiesen. Und ich möchte an dieser Stelle Wolfgang Schüssel zitieren, der vor kurzem gesagt hat: Wenn wir die EU nicht hätten, dann wäre jetzt der Zeitpunkt, sie zu erfinden.
Es hat einiges gut funktioniert, eines muss man auch kritisieren, im Großen und Ganzen funktioniert die Europäische Union, die schlechte Nachricht ist allerdings: Funktionieren alle ist zu wenig!, denn genau darin liegt die Gefahr: Wenn wir uns darauf verlassen, dass Dinge schon funktionieren, dann passiert einiges, dann passiert zum Beispiel das, was wir alle nicht für möglich gehalten hätten, dass große gesellschaftliche Errungenschaften plötzlich hinterfragt werden. Oder wer von Ihnen hätte sich vor Kurzem noch vorstellen können, dass ein wütender Mob das Kapitol in Washington stürmt? Wer von Ihnen hätte sich vorstellen können, dass im Jahr 2020/2021 Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gehen und antisemitische Parolen grölen? Wer hätte sich gedacht, dass sich viele Menschen plötzlich von Gesellschaft, Politik und auch Medien abwenden, weil sie abstrusen Verschwörungstheorien Glauben schenken?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat – das sind keine Selbstverständlichkeiten, das sind Werte, für die wir jeden Tag aufs Neue eintreten müssen, die wir verteidigen müssen, die die Generationen vor uns sich blutig erkämpft haben, und dafür lohnt es sich, genau hinzuschauen, denn genau das gilt auch für die Europäische Union: die Schwächen ansprechen, Kritik äußern, aber nicht um der Kritik willen, sondern damit wir uns weiterentwickeln können. Noch immer verfallen wir in althergebrachte Denkmuster, die da lauten: Wer kritisiert ist antieuropäisch, wer kritisiert hilft nur den EU-Gegnern, wer kritisiert, ist ein Populist. Ich bin davon überzeugt, dass jemand, der so denkt, eigentlich Europa gefährdet. Wer so denkt, schafft nämlich erst den Raum für antieuropäische Tendenzen, wer so denkt, hat das Ohr nicht bei den Bürgerinnen und Bürgern. In Österreich würde wohl keiner davon sprechen, dass man antiösterreichisch ist, wenn man in der Innenpolitik auch Kritik an den Tag legt, wenn man Dinge anspricht, die aus der eigenen Wahrnehmung nicht so funktionieren, wie sie funktionieren sollten. Und daher ziehe ich den Schluss, dass Europapolitik Innenpolitik werden muss.
Faktum ist, dass die Europäische Union auch Schwächen hat, zum Beispiel in der Außenpolitik. Viel zu selten sprechen wir mit einer Sprache, viel zu häufig spielen wir hier eine Nebenrolle und neue, andere Mächte machen sich auch in unserer Nachbarschaft breit. Der Herr Präsident hat es angesprochen, ich spreche vor allem von den Ländern des Weltbalkans. Aber auch im digitalen Raum werden wir immer mehr beherrscht von Unternehmen, die aus Asien oder den USA stammen. Die wirtschaftliche Schwäche zeigt sich immer mehr, indem unsere Stärke hier nachlässt und wir uns abhängen lassen von Unternehmen aus Asien und China. Und, ich sage das auch ganz offen, auch in meiner Funktion als Verfassungsministerin: Wir haben immer noch keine befriedigende Antwort auf die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union, etwas, was mir ganz besonders wichtig ist, denn das ist einer der Co-values unsere Grundwerte, auf der unsere Zusammenarbeit auch fußt.
Leider gibt es aber darüber hinaus auch Bereiche, wo wir noch keine Antworten gefunden haben: Migration, Erweiterung, um auf den Westbalkan zurückzukommen, oder auch die Handelspolitik, und – nicht zu vergessen – die Mammutaufgabe: der Kampf gegen den Klimawandel. Hier müssen wir tatsächlich zusammenarbeiten, auch um der Jugend gerecht zu werden, die zu Recht hier einfordert, Zukunftsperspektiven zu geben. Wir müssen das aber gemeinsam der Wirtschaft und der Industrie machen, denn wir wollen schließlich eines: nicht nur Frieden, sondern auch Wohlstand in Europa. Wir brauchen also Perspektiven für morgen. Wir alle brauchen diese Perspektiven, vor allem aber brauchen sie die jungen Menschen. Und deshalb ist es mir so eine große Freude, dass am 9. Mai dieses Jahres endlich die Zukunftskonferenz starten konnte.
Ich bin einmal beschrieben von einem Diplomaten in Österreich als impatient und demanding – ja, ich bin ungeduldig, und ich war auch ungeduldig bei diesem Zukunftskonferenzstart, deshalb habe ich schon im Juni letzten Jahres mit den Österreich-Dialogen begonnen. Und ich habe so viel Positives erfahren, auch Kritik, aber Dinge, die man als Politik weitertransportieren kann, und jetzt spiele ich es zurück. Ich werde diese Österreich-Dialoge fortsetzen, wir werden gemeinsam mit der österreichischen Bundesregierung weitere Veranstaltungen machen. Der Erfolg hängt aber davon ab, wie Sie sich als Bürgerinnen und Bürger, wie Sie als Jugendliche sich an dieser Konferenz beteiligen.
Die Vizepräsidentin Dubravka Šuica hat ausgeführt, welche Möglichkeiten es auf europäischer Ebene gibt, ich bitte Sie wirklich, ich fordere Sie auf: Machen Sie mit! Sagen Sie uns Ihre Meinung, gehen Sie aber auch zu Veranstaltungen, die hier in Österreich, vor Ihrer Haustüre, stattfinden. Schauen Sie auf die Homepage des Bundeskanzleramts unter eu-zukunftskonferenz.at finden Sie Informationen, auch Unterstützung, wenn Sie selbst Veranstaltungen machen wollen, in den Vereinen, im Ort, in der Gemeinde, mit dem Bürgermeister, mit den GemeindevertreterInnen. Es stehen hier wirklich der Phantasie alle Grenzen offen, lassen Sie alles fallen, was Sie irgendwie beschränkt und gehen Sie und diskutieren Sie über die Zukunft, denn die drei Institutionen haben sich dazu verpflichtet, Ihre Anregungen, Ihre Ideen tatsächlich aufzunehmen und umzusetzen, und das ist etwas, was uns allen auch Hoffnung gibt, dass wir die Europäische Union zu einer besseren bauen können, zu einer, die Ihnen mehr entspricht. Wer die Zukunft gestalten will, der muss heute damit anfangen! Wer die Zukunft gestalten will, der muss den ersten mutigen Schritt setzen!
Und liebe Jugendliche, ich freue mich schon sehr auf eure Beiträge, ich möchte mich an dieser Stelle auch ganz herzlich bedanken für euer Engagement. Bitte, behaltet das bei, erzählt es weiter, macht Veranstaltungen, bringt uns eure Ideen. Und ich kann nur schließen mit einem Gedanken, den ich immer im Kopf habe, wenn ich an die EU denke: Ich war damals 14, als Österreich der Europäischen beigetreten ist, und ich habe diese Aufbruchsstimmung noch so im Körper, wir haben uns gefreut, endlich die Sprachen probieren zu können, an Erasmus teilzunehmen, ins Ausland zu gehen, einfach auch zu sehen, wie andere denken. All das, wird, so hoffe ich, bald wieder möglich sein, all das wird hoffentlich dazu führen, dass auch ihr diese Aufbruchsstimmung in Österreich mitbefeuert und wir gemeinsam unser Europa zu einer besseren Zukunft führen, damit auch die Enkelkinder und Urenkelkinder in 25 und 50 Jahren sagen: Ja, diese Europäische Union bauchen wir, wir sind stolz auf diese EU, die wir seinerzeit begonnen haben neu zu gestalten! Alles Gute, vielen herzlichen Dank! (Beifall.)
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Vielen, vielen Dank Frau Minister! Frau Minister, Herr Präsident, Sie sind es gewohnt nach vorne zu kommen, vor den Vorhang gestellt zu werden. Jetzt werden wir das mit einigen machen, die jetzt noch in zweiter Reihe sitzen, ihr seid das vielleicht ganz, ich darf auch beim Du-Wort bleiben, wir haben uns das vorher ausgemacht. Ihr kommt bald nach vor in diese erste Reihe. Davor darf ich euch noch ganz, ganz offiziell ein Riesenkompliment machen. Eure Videos, die ihr eingeschickt habt – ich weiß nicht, ob es alle gesehen haben – sind so professionell, so inspirierend, ihr seid einfach ein Wahnsinn! Eure Ideen, eure Wünsche, eure Sorgen zur Zukunft Europas, die können sich wirklich hören und auch sehen lassen. Also das einmal von mir, und vielleicht auch einen Riesenapplaus von hier in der Mitte schon einmal vorab. (Beifall.) Mich persönlich würde es nicht wundern, wenn vielleicht hier ein paar zukünftige Politikerinnen und Politiker, egal, ob in Österreich, ob vielleicht sogar in der EU, sitzen – sprachgewandt, einfallsreich und noch dazu mit richtig, richtig guten Inputs, die wir gleich hören werden. Aber für alle, die diese Videos, von denen ich soeben gesprochen habe, nicht kennen, wir haben für sie einige Impressionen zusammengefasst.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Miriam Egger: Ich wünsche mir ein Europa, in dem ich voller Stolz, Freude und Überzeugung sagen kann: Ich bin Europäerin!
Martin Brandstätter: Wer die Europäische Union liebt, der kritisiert sie auch, denn wir dürfen die Kritik an der Europäischen Union nicht jenen überlassen, die die Europäische Union zerstören wollen. Und deshalb sagen wir ganz klar: Ja, wir stehen vor strukturellen Problemen und diese zu beseitigen wird notwendig sein, um die Europäische Union zukunftsfit und krisenfest zu machen.
Lisa-Michaela Peer: Die Sicherung, Diversifizierung und Resilienz internationaler Wertschöpfungsketten wird als Learning durch die Covid-Krise eine Zukunftsaufgabe der EU. Wir müssen Abhängigkeiten der EU, vor allem von Drittstaaten, aber nicht nur, im Gesundheitssektor reduzieren.
Nicole Aigner: Da unter mir, wo gerade das Gras kommt, haben wir vergangenes Jahr unser neues Glasfaser... verlegt. Und von Europa wünsche ich mir für die Jugend, dass wir auch beim Thema Breitband an einem Strang beziehungsweise in dem Fall an einer Glasfaser ziehen und die Ziele, die wir uns für 2030 gesetzt haben, auch erreichen.
Jonas Maureder: Mir ist es wichtig, dass wir europaweit ein duales Ausbildungssystem machen können, weil wir somit die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen, wir können schauen, dass die Jugendlichen Jobs haben, hochqualifizierte Jobs haben und dass die Arbeitslosigkeit gering wird.
Sascha Böhm: Ich wünsche mir von der Europäischen Union, dass es in Zukunft nicht mehr so wichtig ist, dass man dort lebt, wo man arbeitet, dass junge Menschen, die studiert haben, auch wieder am Land wohnen können, dass die Infrastruktur dementsprechend ist - -
Christian Wipfler: Daten sind der neue Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Der Zugang zu Daten sowie das erforderliche Know-how und die notwendigen Technologien und Infrastrukturen, um Daten für Entstehung von Innovation nutzen zu können, wird immer wichtiger. Wir fordern daher von der EU bestmögliche Rahmenbedingungen, um aus Daten Innovationen und neue Geschäftsideen generieren zu können.
Larissa Lojic: Was mir einfach besonders wichtig ist, ist, dass wir über unsere Zukunft reden: Dass wir jungen Menschen, die wir unsere Zukunft vererbt bekommen, auch einen Platz am Verhandlungstisch haben, und nicht nur einen Platz haben, sondern dass uns auch zugehört wird, dass wir nicht nur eingeladen sind, damit man sagen kann: Hey, die jungen Leute sind eh da!, sondern dass man uns wirklich ernst nimmt.
Roman Friedrich: Was mich als Jurist ein bisschen mit Sorge erfüllt ist der Umstand, dass die Rechtsstaatlichkeit in vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union eher im Abnehmen begriffen ist als im Aufsteigen.
Severin Gruber: Reisefreiheit, selbstbewusste Handelspolitik, starke Sicherheitspolitik – das braucht Europa!
Polina Vekova: Die Werte Frieden, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeiten lassen sich nicht exportieren, daher fordern wir eine Integration des gesamten Westbalkans sowie eine seriöse Beitrittsperspektive für die Ukraine.
Philipp Drexler: Wir fordern offene Grenzen, Reisefreiheit, dass wir wieder zu unseren Freunden und Nachbarn nach Slowenien fahren kann, weil hier in Bad Radkersburg Freundschaft mit unseren Nachbarn leben wollen.
Hans Joe-Ferdinand Härtel-Farkas: Meine Vision für die Zukunft Europas ist, dass mehr Lehrlinge Erasmus plus wahrnehmen können, davon hören und daran teilnehmen können, denn leider ist es momentan so, dass ich kaum eine Person kenne, die von diesem Programm gehört hat, geschweige denn, dass eine Person daran teilgenommen hat.
Elodie Arpa: Siehst du dich und deine Interessen als junger Mensch in Europa gut repräsentiert und hast du das Gefühl, dass deine Stimme zählt? Ich bin froh, dass es solche Videoformate wie dieses hier gibt und dass sich in Europa langsam etwas verändert. Trotzdem bin ich der Meinung, dass viele Entscheidungen, die in Europa getroffen werden, an den wahren Interessen und Bedürfnissen von uns jungen Menschen eigentlich vorbeigehen.
Alexandra Hilkenmeier: Der Grund, warum ich an diesem Projekt teilnehmen möchte, liegt darin, dass es insbesondere zwei Themen gibt, die ich gerne ansprechen möchte. – Das betrifft vorerst die ländliche Jugend, welche der EU häufig skeptisch gegenüber steht. Oft wird von zu wenig Vertrauen gegenüber der EU gesprochen, jedoch ist dies meiner Ansicht nach nicht das Problem, es geht doch vielmehr um fehlendes Wissen darüber, inwieweit die EU unsern Alltag beeinflusst.
Valentina Gutkas: Ich wünsche mir von Europa, an einem Strang zu ziehen. Ich wünsche mir, dass Europa nachhaltig gestaltet wird. Ich befinde mich hier in einem Mischwald. Der Wald bietet uns Menschen Erholung, er bietet Tieren und Pflanzen einen Lebensraum, er speichert CO2 und schützt vor Naturkatastrophen.
Fabian Rille: Ich war sehr fasziniert, als ich am Erasmus-plus-Projekt in der Oberstufe im Gymnasium teilnehmen durfte. Und ich glaube, wir alle genießen in der EU große Freiheiten wie zum Beispiel die Demokratie oder auch die Rechtsstaatlichkeit. Jedoch muss sich die Europäische Union auch zahlreichen Herausforderungen stellen, um krisensicher zu sein beziehungsweise zu werden.
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Moderatorin Simone Koren-Wallis: Das ist auf alle Fälle noch einen Applaus wert! (Beifall.)
So, ihr Lieben, ich bitte euch jetzt nach vorne, bitte der Maske, nehmt eure Plätze ein. An dieser Stelle darf ich noch ganz, ganz liebe Grüße nach Oberösterreich schicken, und zwar zu Jonas Maureder, der leider krankheitsbedingt heute nicht da sein kann.
Ich würde sagen, einer muss der Erste sein, es ist ja immer so, wir starten mit dem Burgenland. Sein Thema: Geschlossen und entschlossen – der Europäische Umgang mit großen Fragen. Meine Damen und Herren, bitte um Applaus für Fabian Rille! (Beifall.) Du bist 18 Jahre jung, du bist eigentlich der Youngster in dieser Reihe, du kommst aus Purbach am Neusiedler See, du bist noch Schüler, und danke, dass du heute da bist, morgen ist ein ganz großer Tag, die Englisch-Matura steht an. Bitte, alle die morgen Zeit haben: Daumen drücken! Wir machen das jetzt nicht auf Englisch zur Einstimmung, wir bleiben auf Deutsch.
Du hast erst heuer beim Jugendredewettbewerb in der Kategorie Spontanrede gewonnen mit dem Thema: „Wo hat man als Jugendlicher die Möglichkeit, sich politisch einzubringen?“ Ich möchte das noch ein bisschen erweitern: Möchtest du dich in die EU einbringen?
Fabian Rille (Teilnehmer aus dem Burgenland):Vorerst einmal vielen Dank, dass ich heute hier sein darf. Ich bin sehr, sehr begeistert von den Räumlichkeiten der Hofburg, des Parlaments. Ich freue mich, dass die anderen Jungen dieses tollen Wettbewerbs gekommen sind und bin auch wirklich begeistert, dass ich jetzt die Personen, die man normalerweise aus dem Fernsehen sieht, schräg gegenüber von mir sitzen habe. Ich sitze auch gerade am Platz der Karoline Edtstadler, also, das ist für mich wirklich sehr, sehr faszinierend und toll.
Zu deiner Frage, Simone: Politische Entscheidungen zu fällen und Verantwortung zu übernehmen, egal, ob jetzt auf nationaler Ebene, auf EU-Ebene oder auch international, ist, glaube ich, ist etwas sehr Schönes und etwas sehr Attraktives, auch für mich.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Vielleicht in Zukunft dann, schauen wir einmal.
Eine Europäische Union muss sich entscheiden, die großen Herausforderungen gemeinsam und geschlossen zu lösen. Jetzt ist das schon innerhalb Österreichs nicht gerade einfach. Was muss passieren, dass das auch funktionieren würde, deiner Meinung nach.
Fabian Rille: Also, es ist auf jeden Fall eine große Herausforderung, aber was wir sowohl in der EU als auch in Österreich grundsätzlich brauchen, da gehe ich jetzt ein bisschen tiefer, ist, glaube ich, der Anspruch auf Richtigkeit, der hier sehr, sehr wichtig ist. Ich selber weiß nicht, ob die angesprochenen Themen jetzt richtig sind, ob das stimmt, aber ich glaube, wir sollten darüber reden. Und ich glaube, wir sollten das ausprobieren. Und deswegen finde ich das so super, dass wir das heute machen, und dieses Reden, das ist dieser Dialog, den es braucht, das ist dieses beharrliche Sprechen über Themen, dieses zähe Verhandeln, diese Diplomatie, die mir wirklich am Herzen liegt. Ich glaube, das ist die Grundlage für alles, also auf nationaler Ebene, aber auch auf EU-Ebene, und an diesem Grundstein muss man arbeiten, dass wir sagen: Wir wissen es nicht, aber wir reden darüber und dann treffen wir eine Entscheidung.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Dein Wunsch an die EU ist, den europäischen Bürgern und Bürgerinnen wieder das Vertrauen zu geben, welches eben in Krisen – wie auch jetzt – verloren gegangen ist. Warum ist das überhaupt verloren gegangen? Was ist deine Meinung dazu?
Fabian Rille: Grundsätzlich ist einmal zu sagen, dass Vertrauen die Basis ist. Es braucht ein Vertrauen in Entscheidungsträger, es braucht ein Vertrauen in die Politik, und man hat das gesehen, als Corona dann Europa erreicht hat, dass die Europäische Union ziemlich zerstreut gewirkt hat, ziemlich unsicher, nicht genau gewusst hat, was getan werden soll, aber das konnte sie auch nicht, und ich glaube, das Problem war, dass sie das nicht kommuniziert hat. Ich glaube, man muss sagen: Okay, wir wissen, was das jetzt ist, wir wissen nicht, wie man das bewältigen kann, aber wir haben uns entschieden für eine Richtung, für einen Weg als Europäische Union, und wir werden das durchziehen, und wir werden schauen, dass es den Menschen, denen es aufgrund der Krise schlecht ging, wieder besser geht, dass sie sagen können: Da ist etwas, was uns taugt, was uns fasziniert. Und das hat die Europäische Union am Anfang nicht geschafft, diesen Schritt. Es kamen viele Schreie aus allen Richtungen, und es hat gewirkt, als ob die Europäische Union in sich so beschäftigt ist, dass sie diese große Pandemie nicht lösen kann, und ich glaube, wir stehen jetzt international schlecht da, und ich glaube auch, das Vertrauen innerhalb Österreichs in die EU ist momentan auch nicht am Höchststand.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Hoffentlich ändert sich das. Meine Damen und Herren: Fabian Rille! (Beifall.) Danke schön, Fabian.
Ich darf eine Stufe weitergehen. Meine Damen und Herren, bitte um Applaus für Valentina Gutkas. (Beifall.) Sie ist 21 Jahre jung, kommt aus Speisendorf bei Raabs an der Thaya im Waldviertel. Dein Thema war „Mehr Nachhaltigkeit mithilfe der Land- und Forstwirtschaft“, und es kommt ja auch nicht irgendwo her, denn du studierst Agrarwissenschaften, bist Bezirksleiterin der Landjugend, bist die Vertrauensobfrau der Akademikergruppe BOKU, also da schon richtig drinnen in diesem Thema. Zukunft, Jugend und Europa liegen dir am Herzen liegen dir am Herzen, wie du selbst sagst. Jugend von heute muss mit den Taten von gestern in der Zukunft leben, dafür, sagst du, muss man heute die Weichen stellen. Welche Weichen sind das jetzt für dich, also, wie könnte ein europaweites Konzept um nachhaltige Forstwirtschaft aussehen?, wenn wir jetzt bei diesem deinem Thema bleiben.
Valentina Gutkas (Teilnehmerin aus Niederösterreich): Danke. Nachhaltige Forstwirtschaft bedeutet, die Wälder so zu bewirtschaften, dass sie ihre Funktionalität und ihre Vitalität erhalten. Das heißt jetzt aber nicht, dass man den Wald komplett der Natur überlassen soll, sondern, es benötigt eine Bewirtschaftung. Seit jeher benutzen wir Menschen den Wald und seinen natürlichen und wertvollen Rohstoff Holz. Es braucht ein klares Bekenntnis zur Bewirtschaftung unserer Wälder, um weiterhin den Rohstoff Holz zu gewinnen und um Arbeitsplätze zu sichern und zu erhalten.
Des Weiteren braucht es dafür ein europaweites Konzept, welches eben beinhalten soll, dass man nach einer Nutzung eine dementsprechende Aufforstung macht mit standortangepassten Baumsorten und weg von Monokulturen, wo diese nicht geeignet sind. Das Weiteren soll in dem Konzept eine multifunktionale Bewirtschaftung der Wälder beinhaltet sein, weg von der intensiven Bewirtschaftung, und Urwälder und Schutzzonen belassen, dass eben Biodiversität und Artenvielfalt erhalten bleibt.
Weiters wäre eine Förderung von umweltnaher und naturnaher Bildung in den Schulen wichtig, dass eben schon von klein auf bewusst gemacht wird, wie wichtig unser Wald ist und wie viele Funktionen er eigentlich mit sich bringt, und eine Unterstützung der Forschung und Züchtung von stress- und hitzetoleranten Sorten und von krankheits- und schädlingsresistenten Sorten. Holzimporte auf ein notwendiges Maß reduzieren. Wir haben Sägewerke in Österreich, die wären mit ausschließlich Holz aus Österreich nicht ausgelastet, es benötigt Holzimporte, aber mit einem gewissen Maß, sprich Holzimporte so viel wie notwendig, aber wo wenig wie möglich. Wir wissen alle, dass der Wald der Klimaschützer schlechthin ist, weil er sehr viel CO2 speichert, und wenn wir an unsere Klimaziele denken, dann können wir diese sehr wohl unterstützen, wenn wir auf unseren Wald schauen, und das nicht nur hier bei uns in Österreich, sondern in ganz Europa, und dafür braucht eben ein europaweites Konzept zur nachhaltigen Forstwirtschaft, was klar und verständlich beim Land beziehungsweise beim Forstwirt daheim ankommt, aufgenommen und auch umgesetzt werden kann.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Du hast ja dein Video auch im Wald gedreht. Wie kann man jetzt als Forstwirtin und als Einzelperson selbst zu nachhaltiger Forstwirtschaft beitragen deiner Meinung nach?
Valentina Gutkas: Ja, der moderne Forstwirt beziehungsweise die moderne Forstwirtin trägt eine große Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber dem Wald. Es braucht Fort- und Weiterbildungen, um mit bestem Gewissen und Wissen arbeiten zu können, um mit den aktuellen waldbaulichen Methoden vertraut zu sein, die eine nachhaltige und langfristige beziehungsweise zukunftssichere Bewirtschaftung garantieren. Als Einzelperson kann man, wie auch bei Lebensmitteln, auf Regionalität schauen, also, bei Holz auf Regionalität schauen und beim Einkauf von Holz und Holzprodukten auf eine Zertifizierung achten, ebenso bei Architektur oder bei Bauten, bei der Bauindustrie vermehrt den Rohstoff Holz einsetzen, weil er eben nachhaltig ist und nachwächst. Und im privaten Bereich gibt es auch sehr viele Möglichkeiten, um Holz und Holzprodukte einzusetzen und somit eine klimaneutrale Option zu wählen.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Ich finde das so super, wie unterschiedlich bei den ersten zwei auch die Herangehensweise an diesen heutigen Tag ist. Vielen, vielen Dank, meine Damen und Herren: Valentina Gutkas! (Beifall.)
Liebe Elodie Arpa, bitte um einen Riesenapplaus für Elodie (Beifall), 21 Jahre jung, aus Mödling in Niederösterreich. Dein Thema war „Jugendinteressen zur Priorität machen“. Du setzt dich ja seit Jahren für Europa ein, warst zum Beispiel – wenn ich das sagen darf, weil ich es herausgefunden habe – Gewinnerin des bundesweiten Redewettbewerbs SAG’S MULTI!, während des Wirtschaftsstudiums hast du bereits im Außenministerium gearbeitet, in europäischen Institutionen, und du warst zum Beispiel auch die Abschlussrednerin beim Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus, ich glaube, das ist jetzt drei her. Du hast eigentlich schon Großes geschafft in deinen jungen Jahren.
Du sagst in deinem Video: Uns wird es einmal schlechter gehen als unseren Eltern. Deine Idee für Europa: Jede Entscheidung muss auf ihre Nachhaltigkeit geprüft werden. Jugendinteressen sollen zur Priorität gemacht werden, aber wie genau soll das jetzt umgesetzt werden?
Elodie Arpa (Teilnehmerin aus Niederösterreich): Ich glaube, das Wichtigste, was eigentlich jetzt gleich umzusetzen wäre, ist die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips im Rat der EU. Also, das Einstimmigkeitsprinzip hat vielleicht noch Sinn gemacht 1952, als damals die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl gegründet wurde, das war ja die Vorgängerorganisation der EU, aber damals gab es eben sechs Mitgliedstaaten und heute sind es 27. Und jeder, der einmal in einer Schulklasse mit 27 Schülerinnen und Schülern, der weiß, glaube ich, dass sich 27 Leute nie auf eine Sache einigen können, und bei 27 Mitgliedstaaten ist es eben ähnlich. Das heißt, das Einstimmigkeitsprinzip blockiert, es lähmt, und es verhindert die Reformen, die jetzt eigentlich sehr dringend notwendig wären.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Darf ich da vielleicht nachhaken: Welche Reformen sind das?
Elodie Arpa: Also erstens die Klimakrise. – Die Klimakrise muss endlich als echte Krise wahrgenommen werden und dementsprechend muss auch gehandelt werden. Und derzeit setzen wir uns große Ziele für 2040, für 2050, das ist auch gut und wichtig, aber was fehlt ist irgendwie das Ins-tun-kommen, also, es passiert noch relativ wenig, wir prognostizieren noch, wir schieben unser Handeln auf die lange Bank, und dafür haben wir aber keine Zeit mehr, es braucht also konkrete Zwischenziele: Was müsse wir in zwei Jahren geschafft haben, was in einem Jahr? Was müssen wir in den nächsten sechs Monaten angehen? Und diese Zwischenziele müssen auch verbindlich sein.
Der zweite Punkt wäre die Digitalisierung. Ich denke, die Digitalisierung beginnt eigentlich in den Bildungseinrichtungen, in den Schulen, und da haben wir uns bisher sehr stark auf die Hardware konzentriert, also, es gibt Forderung, wie jede Schülerin, jeder Schüler braucht ein Tablet, jede Klasse einen Laptop. Das ist auch wichtig und notwendig, aber was fehlt ist das Know-how dahinter. Also, ich glaube, für den Arbeitsmarkt der Zukunft, für die Gesellschaft der Zukunft benötigt es IT-Experten und Programmiererinnen und auch Menschen, die kreativ sind, die viele Ideen haben, Menschen, die gut und kritisch mit Medien umgehen können. Und all das lernen wir derzeit in der Schule eigentlich nicht, sondern die meisten Leute sind wie ich zwölf Jahre zur Schule gegangen und haben da zwei oder vier oder sechs Jahre lang Latein gelernt, obwohl wir jetzt schon weniger Lateinlehrer brauchen als beispielsweise EDV-Experten.
Und der dritte Punkt, der ist mir auch persönlich sehr wichtig, das ist die Demokratie. Ich glaube, wenn wir an einen Umschwung von Demokratie zur Diktatur denken, denken wir meistens an einen gewalttätigen Umschwung, etwas Plötzliches, etwas, was über Nacht passiert. Aber in Wahrheit ist es ja ein sehr schleichender Prozess, der Stück für Stück geht und ganz viele Zwischenschritte hat. Insofern müssen wir da wirklich aufpassen, und gerade wenn Medienvertreterinnen attackiert werden oder die unabhängige Justiz oder auch das Parlament diffamiert werden oder wenn Gerichtsentscheidungen ignoriert werden, spätestens dann müssen wir alle aufhorchen, und es müssten bei uns allen die Alarmglocken läuten. Und auf einer europäischen Ebene würde ich sagen, dass kein weiterer Cent an Steuergeld an die Regierungen fließen soll, die gerade wirklich dabei sind, ihre Rechtsstaatlichkeit an die Wand zu fahren. Und das Geld, das wir uns da sparen würden, sollten wir eigentlich verwenden, um unabhängige und seriöse Medien zu fördern. Denn derzeit fließt immer mehr Geld im PR und auch in Parteimedien, und andererseits gibt es sehr viel kostenlose Information und Falschinformation im Internet. Und ich glaube, gerade jetzt ist es besonders wichtig, dass wir einen starken Journalismus zur langfristigen Erhaltung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in ganz Europa haben.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Also, egal ob wir dich in Zukunft in irgendeinem Medium wiedersehen werden oder vielleicht auch irgendwo sonst, ich freue mich darauf. Vielen Dank, Elodie Arpa! (Beifall.)
Bitte um einen Applaus für den nächsten jungen Mann: Hans Härtel-Farkas (Beifall), 22 Jahre jung, aus dem schönen Salzburg, sein Job: elektrische Instandhaltung für die Holzindustrie. Dein Thema war im Video Erasmus-plus-Auslandspraktika für Lehrlinge. Du bist außerdem auch Teil – du kennst ja diesen Saal schon – der Landes- und Bundesschülervertretung, nur, dass ich das noch dazugesagt habe.
Für dich wäre der Ausbau von Erasmus-plus-Auslandspraktika für Lehrlinge in der EU extrem wichtig. Du sagst es im Video auch selbst, du hast es selber nicht wahrnehmen können. Warum ist es dann so wichtig für dich, wenn du es gar nicht hast wahrnehmen können?
Hans Joe-Ferdinand Härtel-Farkas (Teilnehmer aus Salzburg): Das Problem war, dass ich erst relativ spät draufgekommen bin, und das ist, glaube auch ein Problem, das viele haben. Ich habe gestern eine ehemalige Kollegin, Lehrlingskollegin getroffen, sie hat mich gefragt, wieso ich in Wien bin, und ich habe ihr das mit Erasmus plus erzählt, und sie hat es gestern zum Beispiel zum ersten Mal gehört. Das finde ich extrem schade, denn es steckt so viel drinnen, man kann so viel lernen in den anderen Ländern, man lernt neue Kulturen kennen, man lernt, wie die mit Problemen umgehen, wo ich nie auf die Idee gekommen wäre. Und das ist halt so etwas Cooles, man lernt noch dazu eine Fremdsprache, man verbessert Englisch, und man lernt vielleicht auch die Sprache des Landes, in dem man sich befindet. Das finde ich super, das zeichnet auch Europa aus, die Vielfalt, dass man die als Lehrling kennenlernen kann, das finde ich top. Das Potential muss halt mehr ausgeschöpft werden, es muss im Unterricht auch wirklich behandelt werden. In den Berufsschulen gibt es sogar ein eigenes Fach Politische Bildung, es wäre am besten, das gleich im ersten Lehrgang in den Lehrplan aufzunehmen, es zu behandeln und zu sagen: Es gibt die und die Institutionen, es gibt die und die Möglichkeiten und macht das. Da kann man sich ein bissel vorbereiten, man kann das einplanen, das Problem bei war, ich bin zu spät draufgekommen, ich habe die Lehre mit Matura gemacht, ich war im Maturakurs, habe dadurch eine verkürzte Lehre gehabt, ich war auch relativ oft in den Berufsschulen, es ist sich einfach nicht ausgegangen, Corona ist auch noch gekommen, also es war ein bissel schwierig. Aber das ist mein größter Wunsch, dass das behandelt wird.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Ich glaube, man hat es bei Elodie auch rausgehört, nicht nur in der Schule zu lernen, sondern auch fürs Leben lernen. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig, dass das in der Schule mit inkludiert wird.
Wenn du jetzt sagst, du hast einen Wunsch frei an die EU, was wäre es?
Hans Joe-Ferdinand Härtel-Farkas: Auf jeden Fall mehr Veranstaltungen mit der EU für Lehrlinge. Es ist leider so, dass die Lehrlinge die EU nicht so gut kennen, dass man einfach dazu mehr Veranstaltungen macht. Es gibt immer wieder spezielle Stunden wie beispielsweise zur Gewaltprävention, dass man einfach auch sagt, okay, es gibt jetzt eine Stunde EU, und wir laden irgendjemanden ein, der von der EU kommt, vielleicht einen Abgeordneten oder irgendjemand, der damit zu tun hat und davon erzählen kann, und nicht nur trockener Unterricht: wir schauen eine Dokumentation an oder wir lesen irgendetwas. Das ist relativ langweilig, fad, und wenn jemand da ist, der das kennt, der da drinnen ist, dem man Fragen stellen kann, das ist, glaube ich, top, und das ist ein bissel EU zum Angreifen.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Ich finde das immer gut, wenn sich da einige Herrschaften etwas dazu aufschreiben, dann kann es sein, dass vielleicht auch einiges umgesetzt wird. Vielen, vielen Dank, und bitte um einen Applaus für den Hans Härtel-Farkas. (Beifall.)
Wir gelangen in meine Heimat, in die Steiermark, zu Martin Brandstätter. Meine Damen und Herren, bitte um den Applaus (Beifall), 21 Jahre jung aus Graz, du studierst Rechtswissenschaften. Dein Thema war: „Wer die Europäische Union liebt, kritisiert sie auch.“ Ich darf noch ein bissel etwas zu dir sagen: Du bist Obmann der JVP Graz, du hast bereits als Praktikant ein bissel politische Luft geschnuppert, egal, ob Landesrats-, Stadtratbüros, du warst auch schon in Brüssel. Ja, du kritisierst eben die EU, die Struktur, die Steuerpolitik und forderst gemeinsame EU-Außengrenzen. Das war zusammengefasst auch dein Video.
Wenn du jetzt hier und heute etwas ändern könntest, was wäre das Allererste?
Martin Brandstätter (Teilnehmer aus Steiermark): Vielen lieben Dank, Simone, für die Frage. Ich glaube zunächst müssen wir eines festhalten, nämlich, was heute schon mehrfach angesprochen worden ist, dass die Kritik an der Europäischen Union nicht etwas Negatives ist, sondern sogar etwas Notwendiges, ich habe es in meinem Video gesagt. Ich glaube sogar, wer die Europäische Union liebt, der kritisiert sie erst recht, der kritisiert sie mehr als alle anderen, und genau in dem Punkten, wo es wehtut, damit wir die Europäische Union und die Kritik an der Europäischen Union nicht jenen überlassen, die sie zerstören wollen.
Und wenn du mich heute fragst, was wäre das Erste, was ich machen würde, wenn ich heute eine Sache ändern könnte in der Europäischen Union, dann ist für mich klar, wir müssen das Einstimmigkeitsprinzip im Rat der Europäischen Union in außenpolitischen, sicherheitspolitischen und steuerpolitischen Fragen abschaffen, um zu gewährleisten, dass wir in Zukunft nicht in die Situation kommen, dass wir – Elodie hat das schon sehr, sehr gut ausgeführt – in 27 Mitgliedstaaten uns immer nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen können. Ich glaube, wenn wir als Europäische Union stark nach außen, aber auch fair und solidarisch nach innen wirken wollen, dann ist die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips absolut notwendig.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Also, das wäre dein Punkt: jetzt bitte gleich. Aber, welche weiteren Schritte sind aus deiner Sicht eben notwendig, um die EU für zukünftige Herausforderungen vorzubereiten?
Martin Brandstätter: Ich glaube, wir brauchen ein rechtsstaatliches, ein nachhaltiges, ein solidarisches, vor allem aber auch ein humanistisches Europa, in dem die Achtung der Menschenwürde und die Freiheit ganz im Vordergrund stehen. Und das beginnt beim Thema Rechtsstaatlichkeit, wo wir bessere Sanktionsmechanismen gegenüber jenen Staaten brauchen, die sich nicht an die Regeln halten, die wir uns selbst gegeben haben, die wir uns ausgemacht haben, und da darf ich mich dir, Elodie, anschließen, dass wir genau in diesem Punkt härtere Instrumente brauchen, um die Rechtsstaatlichkeit auch wirklich einfordern zu können von diesen Staaten. Das geht weiter beim Subsidaritätsprinzip, wo ich ganz klar sage: Na gut, wenn das auf einer Ebene gelöst werden kann, die kleiner ist, wenn das auf nationalstaatlicher Ebene gelöst werden kann, dann sollen sich die Staaten darum kümmern, und die Europäische Union soll stark in den großen Themen sein, in den großen Fragen, wo wir alle das bessere Ergebnis dadurch erwirken können, dass wir zusammenarbeiten.
Es braucht außerdem ein Europa, das schützt, wir haben große Errungenschaften in der Europäischen Union, wir dürfen ganz, ganz stolz sein auf das, was wir erreicht haben, aber um diese Werte und diese Errungenschaften nicht zu verlieren, müssen wir, glaube ich, gemeinsame EU-Außengrenzen haben, diese schützen und vor allem die Hilfe vor Ort in den Vordergrund stellen.
Wir brauchen mehr Demokratie in Europa, indem wir zum Beispiel eine Direktwahl des Kommissionspräsidenten einführen könnten, indem wir Volksabstimmungen, Volksbefragungen auf europäischer Ebene umsetzen könnten, und zu guter Letzt würde ich sagen, wir dürfen nicht vergessen, dass wir als Europäische Union die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt sind, und dieses Selbstbewusstsein sollten wir auch haben, wenn wir in Verhandlungen gehen, wenn wir uns etwas zu sagen trauen außerhalb der Europäischen Ebene, auf der Welt. Und das wäre mein Appell! Vielen Dank.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Vielen Dank! Meine Damen und Herren: Martin Brandstätter! (Beifall.)
Jetzt einen Applaus für die nächste Dame, für Alexandra Hilkenmeier, bitte schön (Beifall). Sie ist 21 Jahre jung, kommt aus dem schönen Tirol. Dein Thema war „Die EU als Friedensprojekt“. Du studierst Primarstufenlehramt und Afrikawissenschaften, eine ganz spannende Kombi. Du bist für mehrere Organisationen tätig, egal, ob jetzt Jungschar, Pfadfinder, Weltwegweiser et cetera, also auch relativ viel. Du hast in deinem Video gesagt, du hast zwei kontroverse Anliegen an die EU: Auf der einen Seite willst du den Jugendlichen im sehr ländlichen Bereich die EU schmackhaft machen, und auf der anderen Seite willst du dich für die jungen Erwachsenen einsetzen, die nach Europa kommen, die meistens auch weniger Chancen auf Ausbildung und Arbeit haben. Jetzt ist die Frage: Wie soll die EU das ändern?
Alexandra Hilkenmeier (Teilnehmerin aus Tirol): Zuerst einmal danke schön, dass ich da sein kann. Es ist eine sehr große Ehre, dass wir uns da einbringen dürfen. Wie du schon gesagt hast, es sind wirklich sehr kontroverse Themen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, würde man glauben. Es sind auch sehr vielseitige Themen, ich kann keine Antwort geben, die beide Themen lösen könnte, aber eine Möglichkeit wäre, dass man außerschulische Kinder- und Jugendorganisationen mehr fördert, weil diese ja beide Themen eigentlich verbinden. Also, in außerschulischen Kinder- und Jugendorganisationen sind Leute von verschiedenen Gruppen, egal, ob jetzt Schülerinnen, Schüler, egal woher. Es kommen wirklich alle Leute zusammen und diese Organisationen und Vereine sind ja auch dafür da, dass sie uns gewisse Werte vermitteln, sie wollen, dass wir uns engagieren, dass wir uns interessieren, dass wir uns politisch mit den Themen auseinandersetzen, und es wäre notwendig, diese Vereine und Organisationen wirklich direkt zu unterstützen, weil sie eben alle Gruppen ansprechen.
Es gibt zwar sehr viele Programme, die nonformale Bildung schon unterstützen wie zum Beispiel Erasmus plus, aber die basieren sehr auf Austausch, also, internationalem Austausch, Leute können ins Ausland gehen et cetera. Also, meiner Ansicht nach gibt es nichts, was explizit die Organisationen selber unterstützt, und wenn, dann spricht das genau mein zweites Thema an: dann weiß ich es nicht. Gerade Kinder und Jugendliche, die vielleicht nicht mehr in der Schule sind, die schon arbeiten, die nicht so politisch interessiert sind, werden durch solche Vereine und Organisationen natürlich angesprochen.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Warum denkst du, dass das, was die EU bereits an Konzepten in Bezug auf deine Themen zur Verfügung stellt, nicht genug ist?
Alexandra Hilkenmeier: Eigentlich aus eigener Erfahrung. Ich komme aus Tirol, ich kenne sehr viele Leute, die eben nicht in der Schule sind, und die einfach keine Ahnung haben. Sie haben keine Ahnung, was die EU ist, sie haben keine Ahnung, welche Rechte sie haben und was eigentlich auch ihr Pass aussagt. Nicht, dass es sie nicht interessiert, aber sie kommen damit nicht wirklich in Berührung oder meinen, sie kommen nicht damit in Berührung. So viel zum ersten Thema.
Zum zweiten Thema komme ich auch aus persönlicher Erfahrung: Ich habe selber Erasmus gemacht im Zuge meines Studiums und habe eben Leute getroffen, die in meinem Fall in Spanien waren, sehr jung alleine in die EU gekommen sind, auch die Möglichkeit haben, hier offiziell zu studieren, die auch die Möglichkeit haben, hier zu arbeiten, also, sie haben eigentlich die gleichen Rechte wie wir alle, nur schaut die Wirklichkeit ganz anders aus. Sie bekommen von verschiedenen, auch rassistischen Themen keinen Job, sie haben auch nicht die Möglichkeit, wieder in die Schule zu gehen, denn das kostet Geld, also, wenn sie alleine hier sind, es fördert sie niemand, gerade die Leute, die ich persönlich getroffen habe, und ins Ausland können sie auch nicht. Wenn sie von Spanien zu uns kommen wollen, ist das nicht so einfach möglich, wenn sie keine Staatsbürgerschaft haben, aber eine Staatsbürgerschaft in Spanien kostet auch wieder Geld. Es ist ein Teufelskreis, aus dem man einfach ausbrechen muss, was aber nicht so leicht möglich ist. Wenn es Konzepte gibt, dann habe ich davon nichts mitbekommen, und ich bin politisch interessiert, ich bin in Vereinen, ich bin Studentin – wie sollen das dann Leute mitbekommen, die vielleicht weniger interessiert sind und im ländlichen Raum leben, also nicht in Ballungszentren?
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Vielen Dank, Alexandra. Man hört, glaube ich, ganz oft heraus, es hakt oft dran, dass die Informationen nicht da sind und die nicht weitergegeben werden können.
Jetzt geht es noch um ein Bundesland weiter, bitte um Applaus für Miriam Egger aus Vorarlberg! (Beifall.) Du bist 22 Jahre jung, du kommst aus Rankweil, studierst aber in Innsbruck Wirtschaftswissenschaften, Management und Economics. Du bist auch Jugendbotschafterin der Caritas Auslandshilfe Vorarlberg, und ich weiß nicht, ob es alle gesehen haben, ich darf dir noch einmal zu deinem sensationellen Video gratulieren, es war anderes als alle anderen – Hut ab von meiner persönlichen Seite noch einmal.
Dein Thema war „Europa: abstrakte Werte und leere Worthülsen“. Du sagst in deinem Video auch, du willst voller Stolz sagen können: Ich bin Europäerin!
Was muss sich dafür unbedingt ändern?
Miriam Egger (Teilnehmerin aus Vorarlberg): Erst einmal danke, dass ich heute da sein darf. Um diese Frage beantworten zu können, muss man sich fragen: Gibt es vielleicht schon etwas, wo man das voller Stolz sagen kann? Und das gibt es bei mir. Ich kann wirklich voller Stolz, Freude und Überzeugung sagen: Ich bin Vorarlbergerin! Und ich komme von da, ich habe die Bräuche, ich habe die Traditionen, ich habe das Essen, ich habe meinen eigenen Dialekt. Und das sind einfach Werte und Normen, die ich im Alltag lebe und verkörpere. Und genau das brauchen wir für Europa, egal, ob das jetzt Feste sind, ob es, wie schon gesagt wurde, um die Schulbildung geht, ob es das Essen ist. Wenn wir das schaffen, dass das für viele junge Leute abstrakte, unverständliche Konstrukt Europa auf Werte und Normen heruntergebrochen wird, die erfahrbar sind, die erlebbar sind, die verständlich sind: Man kann nur verkörpern, was man auch versteht! Und das Ganze sollte aber so passieren, dass man die Vielfalt wahrt, also, dass ich voller Stolz sagen kann: Ich bin Österreicherin, Belgierin, Französin, Deutsche, Italienerin, aber ich bin auch voller Stolz Europäerin. Und dann kommt das Weil, und diese Lücke, die wir nach dem Weil haben, die gilt es jetzt zu füllen mit Dingen, die auch junge Leute gut verstehen können, egal, woher sie kommen.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Du hast vorher zu mir gesagt, man hofft, man versteht dich, also ich muss sagen, ich habe überhaupt kein Problem damit, und ich glaube, alle anderen auch nicht.
Darf ich dich fragen: Was ist dir bezüglich jungen Menschen in Zusammenhang mit der EU besonders wichtig?
Miriam Egger: Ganz einfach und schnell ausgedrückt: Partizipation und Beteiligung, weil ich finde, es gibt so extrem kreative Ideen, die in den Köpfen junger Leute heranwachsen, zum Teil sind sie aber ein bissel realitätsfern, was einfach daher kommt, dass wir noch ein wenig Naivität haben, noch nicht so viel Lebenserfahrung haben, vielleicht noch nicht so viele schlechte Erfahrungen gemacht haben. Aber genau das braucht man, genau solche Ideen, um sich positiv in die Zukunft zu entwickeln. Und da würde ich mir wünschen, im Zusammenhang junge Menschen–EU, aber auch mit der Zukunftskonferenz, dass dort Türen geöffnet werden für die Ideen, und nicht nur Türen geöffnet, sondern neue gebaut werden. Das halt kreative Ideen die Pforten Europas durchschreiten können und dort nicht nur gehört, sondern auch respektiert werden. Und das heißt für mich einfach, man kommt mit einer Idee, die vielleicht noch ein bisschen realitätsfern ist, aber vor Einfallsreichtum nur so strotzend, und dann kommen die Leute, die einfach schon die Lebenserfahrung habe, und bringen das auf ein realitätsnahes Niveau. Also, es geht um die Zusammenarbeit, egal, ob ich zehn, 20, 40, 60 oder 80 bin, egal, welches Alter, wenn man zusammenarbeitet, um dort hinzukommen, was wir uns wünschen, und das wäre auch mein Wunsch.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Vielen Dank! Meine Damen und Herren: Miriam Egger! (Beifall.)
Last, but not least diejenige, die den kürzesten Anreiseweg gehabt hat, meine Damen und Herren: Larissa Lojic, bitte schön – Applaus! (Beifall) –, 21 Jahre jung, eben aus Wien. Du studierst Politikwissenschaften und Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, und dein Thema war „junge Menschen an den Verhandlungstisch bringen“. Dir geht es vor allen Dingen auch um Mitspracherecht in der EU, also dass eben junge Menschen nicht nur mit am Verhandlungstisch sitzen, weil das ist ja schnell einmal erledigt, sondern auch in Entscheidungen eingebunden werden. Das haben wir auch schon ein bissel gehört. Jetzt ist die Frage: Wird euch zu wenig Gehör geschenkt, werdet ihr vielleicht auch zu wenig ernst genommen?
Larissa Lojic (Teilnehmerin aus Wien): Zuerst bedanke ich mich auch dafür, dass ich da sein kann. Miriam hat das schon gut angesprochen, Partizipation, das ist mein wichtigstes Thema, das ist es auch, weshalb ich da bin, und es wäre falsch zu sagen, dass uns kein Gehör geschenkt wird. Wir sitzen ja gerade hier, viele junge Leute, die die Möglichkeit haben, ihre Meinung zu sagen und zu Themen, die ihnen wichtig sind, zu sprechen, aber leider hört es da auch schnell auf.
Ich bin selber EU-Jugenddelegierte für die Bundesjugendvertretung und habe da auch schon ein bisschen Erfahrung sammeln können. Ich war auch bei meinem ersten Jugenddialogevent dabei, wir waren online in Gaia, und ich habe mich so gefreut, endlich dabei zu sein und mit jungen Leuten aus ganz Europa reden zu können. Wir wurden in kleine Gruppen aufgeteilt, in Breakout Rooms, und haben über verschiedenste Themen diskutiert, und man hat wirklich bemerkt, mit wieviel Herzblut wir dahinter sind. Das sind alles junge Menschen, die ehrenamtlich ihr Wochenende hergeben, um über Politik zu reden und wie man Sache wirklich verändern kann. Und ich habe mich auch so gefreut, weil das Forum Jugenddialog auch mit EntscheidungsträgerInnen reden kann. Passt, ich freue mich, ein Vizepräsident des EU-Parlaments, mit dem darf ich jetzt endlich mal reden. Aber wir haben in einer Gruppe von 20 Leuten zehn Minuten mit ihm gehabt, und in zehn Minuten gehen sich zwei Fragen aus. Und wir haben wirklich tagelang Ideen ausgearbeitet und wollten ebene diese Ideen mit jemandem teilen, eben mit PolitikerInnen, die einfach Know-how haben, das wir nicht haben. Wir sind ExpertInnen, was Jugendthemen angeht, das traue ich mich zu sagen, weil wir diese Themen auch erleben, aber wir haben nicht das politische Know-how oder eben, wie auch Miriam schon gesagt hat, die Erfahrung, um es einschätzen zu können, was geht und was nicht.
Und es geht eben darum, dass wir, wenn wir am Verhandlungstisch sitzen, nicht nur vielleicht unseren Senf dazu abgeben dürfen, sondern dass wir dann im Endeffekt zusammen dasitzen und dass das auch ein Moment des Austauschs ist, dass wir sagen: Hey, wir stellen uns das und das vor, und dann auf PolitikerInnen treffen, die Erfahrung haben und sagen, das ist möglich, das ist nicht möglich und das können wir auch durchziehen. Also mir wäre es zum Beispiel sehr wichtig, dass der Jugenddialog einfach sehr viel ernster genommen wird, da kommen oft Supersachen raus. Zum Beispiel im sechsten Zyklus des Jugenddialogs – zurzeit sind wir im achten – sind die Youthgoals entstanden. Die Youthgoals, das sind elf Jugendziele, und fast jedes Ziel wurde schon von meinen VorrednerInnen angesprochen, das sind alles Sachen – egal, ob es um die Bevölkerung im ländlichen Raum geht, egal, ob es um gute Bildung für alle geht, gute Arbeit für alle oder einfach nur EU und Jugend zusammenbringen –, da haben sich jahrelang Jugendliche getroffen und daran gearbeitet, das ist alles da, da gibt es Papers dazu, nur, jetzt brauchen wir auch Ihre Hilfe, damit wir das auch endlich umsetzen können.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Aber wie genau willst du das? Gibt es da irgendein spezielles Programm oder irgendetwas Spezielles, wie kann man das - - Wie soll es funktionieren?
Larissa Lojic: Das Leichteste überhaupt – ich rede jetzt natürlich von Leuten, die die Kapazitäten und Ressourcen haben, sich ehrenamtlich politisch zu engagieren, das sind wir alle - - Erstens geht es darum, dass wir mehr Zeit bekommen mit EntscheidungsträgerInnen und nicht nur 20 Minuten und diese EntscheidungsträgerInnen uns auch als ExpertInnen wahrnehmen. Ich studiere zwar Politikwissenschaften, aber ich bin noch am Anfang, das heißt, ich bin noch keine Expertin, was das angeht, oder ich bin auf jeden Fall keine Expertin, was Rechtswissenschaften angeht, aber ich weiß, was in meiner Altersgruppe passiert. Ich weiß, wie viel Angst ich und meine Bekannten haben, wenn es um die Klimakrise geht, wenn es um die Bildungskrise geht. Wir haben eine Bildungskrise vor uns, das müssen wir einsehen. Wir reden zum Beispiel jetzt im Jugenddialog über das Youth Goal 9, Beteiligung und Räume für alle, das hat sich komplett geändert, einfach wegen der Corona-Pandemie, und das sind alles Probleme, die wir zusammen anpacken müssen. Und da muss uns auch wirklich nicht nur zugehört werden, sondern auch gesagt werden: Okay, gut, wir wollen auch junge Leute am Tisch sitzen haben.
Und noch eine Sache, die zum Beispiel ganz leicht möglich ist, da sind wir in Österreich eh ein gutes Vorbild: Wahlberechtigung ab 16. Man muss einfach ab 16 wählen können. Das ist das Leichteste, wie junge Leute, die eben nicht so politisch interessiert sind, es muss ja nicht jeder sein, auch ihre Meinung abgeben können. Und auch, wie es Alexandra schon gesagt hat und angesprochen hat, dass DrittstaatsbürgerInnen auch wählen können sollen. Da geht es um strukturellen Rassismus, den man natürlich auch dahinter hat, weshalb ihnen leider viel Mitspracherecht weggenommen wird, aber durchs Wählen ist das einfach sehr leicht möglich.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Ich glaube, die fünf Minuten waren für euch vielleicht eher auch schon wenig, weil wir vorher über Zeit gesprochen haben. Ich sage danke schön und bitte um einen großen Applaus für Larissa Lojic. (Beifall.)
Aber ihr dürft noch einmal zu Wort kommen zu den Statements der Bundesrätinnen und -räte, und zwar vorne am Rednerpult. Sie können auch noch ihre Infos los werden und dann eben auch Fragen an unsere jungen Erwachsenen richten. Wir starten mit dem Fraktionsvorsitzenden und dem Präsidenten des Bundesrates a.D. Karl Bader. – Bitte schön.
Karl Bader (ÖVP/Niederösterreich): Liebe junge Damen und Herren! Sie sind heute außer Protokoll als Erste angesprochen. Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Prof. Selmayr! Liebe Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich ganz herzlich danke sagen unserem Bundesratspräsidenten Christian Buchmann für die Initiative, die Jugend hier hereinzuholen, die Jugend zu hören und ihr eine Plattform zu bieten. Ich halte das für sehr, sehr wesentlich, und ich freue mich, dass ich auch einer bin, der vor vielen Jahren als Junger gestartet hat, politisch aktiv zu sein und damals bei meinem Bürgermeister sehr viel Gehör und Unterstützung bekommen habe, und ich habe gemerkt, wie gut mir das tut.
Es ist dir, lieber Herr Präsident, eine persönliches Anliegen, das zu tun, es ist aber für mich auch der Tatsache geschuldet, dass unser Präsident eine sehr, sehr engagierter und kompetenter EU-Ausschussvorsitzender im Bundesrat ist und er hat ja schon am Beginn auch angesprochen, dass wir uns als Bundesrat, als die Europakammer und Zukunftskammer schlechthin auch definieren, und daher freue ich mich, dass diese Veranstaltung heute in dieser Form auch so möglich ist.
Zum Zweiten möchte ich danken und Ihnen, meine jungen Damen und Herren, zu den Beiträgen gratulieren, die Sie geliefert haben, für die Überlegungen zur Gestaltung der Europäischen Union in der Gegenwart und in der Zukunft. Ich danke vor allem für die Begeisterung, die jetzt zu hören war, erlebbar war, mit der Sie sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben, mit dem Tiefgang und auch mit der Kompetenz, wo natürlich auch Finger auf Wunden in der Europäischen Union gelegt wurden. Und mir hat das Zitat ganz gut gefallen, ich glaube, Martin Brandstätter war es, der gesagt hat, „wer die Europäische Union liebt, der kritisiert sie“, aber nicht Kritik wegen, sondern auch im Interesse, diese Europäische Union weiterzuentwickeln.
Man hat gesehen, dass die Europäischen Werte für Sie alle sehr wichtig sind, dass es ein Herzensanliegen ist, und es sind die wesentlichen Themen, die Ihnen als Jugendliche besonders am Herzen liegen, ob Klimawandel, Digitalisierung, Chancengleichheit, Ausbildungssysteme, Auslandspraktika, Sie wollen – und das haben Sie heute ganz eindrucksvoll bewiesen – die Europäische Union und unser gemeinsames Europa mitgestalten und auch hier mitentscheiden.
Die Aufgabe für uns als Politik, als die, die jetzt Verantwortung tragen in der Politik, ist es, diese Jugendlichen zu unterstützen, eure Ideen, die Visionen aufzugreifen, euch dabei zu begleiten, sie auch noch einem breiteren Kreis zugänglich zu verschaffen und Gehör zu verschaffen und jene Punkte, und das ist eben auch das Wesen eines demokratischen Europas, die mehrheitsfähig sind, auch in Umsetzung zu bringen.
Für mich ist auch immer wichtig, die Menschen für den Themenbereich Europäische Union zu begeistern, und das vor allem, was die Jugend betrifft, und den Menschen mit Förderprogrammen näherzubringen, wie wichtig diese Europäische Union ist. Angesprochen wurde heute auch Erasmus plus und der Jugendaustausch. Ich selbst bin Vater von zwei Söhnen, die diese Erasmusprogramme in Schottland und in den Niederlanden miterlebt haben, und ich habe gemerkt, wie gut ihnen das getan hat, diese internationale Erfahrung zu machen, wie wichtig das war für ihren weiteren beruflichen Lebensweg. Das zu tun, wird ganz, ganz wesentlich sein.
Die Gründung der Europäischen Union ist sicherlich das größte Projekt, die größte Errungenschaft des 20. Jahrhunderts gewesen. Der Grund lag natürlich auch in zwei ganz, ganz schrecklichen Weltkriegen, und es war höchst an der Zeit, dass sich die Menschen zusammentun und sagen: Ja, die Bekenntnisse hat es ja immer gegeben, nie wieder Krieg, und wir wollen auf demokratischen Weg unsere Ideen austragen, unsere Meinungen austauschen, und daher ist die Europäische Union heute auch mehr als ein Staatenbund. Die Ziele Freiheit, Frieden, Wohlstand, die haben nichts an Gültigkeit verloren seit der Gründung, und es ist auch wichtig, dass wir heute durch Zusammenarbeit weiter am Fundament der Europäischen Union bauen. Dieses Fundament ist auch getragen von Werten wie Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Das gilt es zu schützen, darauf können wir sehr, sehr stolz sein, das unterscheidet uns von vielen Regionen auf dieser Welt, dass wir in diesen Bereichen schon sehr, sehr weit sind. Es gilt nicht, die Europäische Union neu zu bauen, sondern auch weiterzuentwickeln, Reformen, wo sie notwendig sind, anzugehen und anzustreben.
Dabei wesentlich ist, dass das alles gelingen kann, dass das entsprechende Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Europäische Union da ist, dass es weiter gestärkt werden kann, und gerade die letzte Krise, die wir ja noch immer bewältigen, die Pandemie hat ja auch gezeigt, dass dort und da schon kleine Schwächen da sind, die es gilt auszumerzen – wenn ich nur denke an die Lieferung von Masken oder anderen medizinischen Produkte, die gestockt haben, wo ich mir selbst auch gedacht habe, ja, das darf doch nicht wahr sein, dass so etwas in einer Europäischen Union basieren kann.
Sehr wesentlich – und das möchte ich auch als Repräsentant des Bundesrates hier ansprechen – ist auch die Frage: Wer macht was wann? Und es wurde hier das Thema Subsidiarität sehr prominent angesprochen, ja, dafür wir gerade als Länderkammer in ganz besonderer Weise: Wir sind die, die wissen, wo was zu tun ist, und das, was wir selbst nicht schaffen können, das gehört auf die nächsthöhere Ebene gehoben. Und der Bundesrat ist ja die Kammer - - das kann ich heute mit Stolz hier sagen, eine der fleißigsten innerhalb der Europäischen Union, was das Thema der Subsidiaritätsprüfungen betrifft. Hier haben wir uns eine Expertise über viele Jahre aufgebaut und wollen sie natürlich auch in die Zukunft hineintragen. Aber die wesentlichen Themen, die wir als Regionen, als Nationalstaaten in Zukunft nicht lösen werden können, ob das die Sicherheitspolitik ist, die Außenpolitik, die Verteidigungspolitik, das ist das, wo Europa sicherlich gefordert ist, gemeinsame Lösungen zu finden und auch umzusetzen.
Digitalisierung, Forschung und Entwicklung das sind auch Themen, die für uns ganz wesentlich sind, weil wir ja ein Staat mit wenigen Rohstoffen sind und unser Hirnschmalz unser wichtigstes Kapital ist, und das einzubringen, das halte ich für sehr, sehr wesentlich und auch dort auch die entsprechenden Chancen zu nützen.
Ich freue mich, dass wir diesen Dialog heute führen können, es ist ja auch gebeten worden, dass von unserer Seite her Fragen an Sie alle gestellt werden, und es sind zwei Themen, die mir in der Vorbereitung ein bisschen unter den Nägel gebrannt haben, weil wir schon sehr lange darüber diskutieren, das eine ist, das Einstimmigkeitsprinzip in der Europäischen Union abzuschaffen, weil es dort und da ein Thema ist, wo man sagt, das behindert uns im Fortkommen, das erschwert Entscheidungen, das verzögert Entscheidungen sehr intensiv. Das ist ein Thema, das da ist, das diskutiert gehört und das natürlich viele Vorteile bringt. Aber wenn wir heute wissen, dass die Europäische Union 450 Millionen Einwohner hat, Österreich 8 Millionen, dann ist das Einstimmigkeitsprinzip auf der einen Seite natürlich auch ein gewisser Schutz für die kleineren Staaten. Die Frage, die ich an Sie richten möchte, ist die Frage, ob und wie vor allem auch die kleineren Staaten sich hier in Zukunft auch Gehör verschaffen können. Das wird bei dieser Thematik ein sehr wesentliches Thema sein.
Das Zweite: Ich habe mir die Statistik der Jugendarbeitslosigkeit, die aktuellste vom April, auch noch einmal angeschaut, und wer sich die ein bisschen auf der Zunge zergehen lässt, der merkt, dass es hier gewaltige Unterschiede gibt. Wir haben Spanien als Spitzenreiter mit 38 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, also, ein Signal an die jungen Menschen: Wir können auch am Arbeitsmarkt nicht brauchen!, das wirklich fatal ist, gerade in einer Phase, wo man Ausbildung mit Begeisterung macht, wo man Ausbildung absolviert und sagt: Okay, jetzt möchte ich hineinstarten. Das ist ein Thema, das uns alle beschäftigt. Deutschland liegt mit 6 Prozent am unteren Ende, Österreich liegt bei dieser Statistikwertung an dritter Stelle mit rund 9 Prozent, 9,5 Prozent Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union. Für uns natürlich auch klar, es ist auch zu viel, 11 von 100 jungen Menschen sagen zu müssen: Wir haben für dich keinen Platz! Diese Frage würde ich in Zusammenhang sehen mit dem dualen Ausbildungssystem, ob ihr als Jugendliche glaubt, dass dieses duale Ausbildungssystem, das Österreich ja beispielhaft und sehr erfolgreich gemacht hat, ob das auch ein Beispiel ist, dass anderen Ländern dabei helfen könnte, die Jugendarbeitslosigkeit zu senken.
In diesem Sinn nochmals vielen herzlichen Dank für Ihren Input, ich wünsche Ihnen allen weiterhin viel Freude, vor allem wünsche ich mir, dass Sie alle politisch, egal, in welcher politischen Partei, Ihr Engagement einbringen. Das ist etwas, das wir brauchen, um unsere Demokratie auch in Österreich weiterzuentwickeln. Vielen herzlichen Dank! (Beifall.)
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Möchte jemand von euch antworten? Vielleicht fangen wir bei dir an, Elodie, und dann der Martin.
Elodie Arpa: Ich würde sehr gerne auf die erste Frage antworten, also, wenn man das Einstimmigkeitsprinzip abschafft, ob dann noch kleinere Staaten Gehör finden können und wie man das sicherstellen kann. Dazu würde ich einerseits sagen, ich glaube, dass wir derzeit denken, dass wir als kleiner Staat, als Österreich so großes Gehör haben, indem wir gewisse Sachen im schlimmsten Fall blockieren können. Ich glaube, das ist zum Teil vielleicht ein Missverständnis, wenn man nämlich auf die große, internationale Bühne sieht und wir als Europäische Union es eben nicht schaffen, gemeinsam zu stehen und gemeinsam mit einer Stimme zu sprechen, dann schaffen wir es gar nicht, Gehör zu finden. Und die großen Entscheidungen finden aber jetzt global und auf europäischer Ebene statt, aber vor allem eben global: Klimakrise, Coronakrise, es kommen sicherlich noch andere Krisen auf uns zu, da ist es extrem wichtig, dass wir eben mit einer Stimme sprechen, das haben meine Kolleginnen und Kollegen ja schon angesprochen. Und wenn wir es nicht schaffen, uns auf eine Sache zu einigen, weil gewisse Länder gewisse Sachen blockieren, dann schaffen wir es schon gar nicht, auf internationaler Ebene eine Rolle zu spielen. Und ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig.
Der zweite Punkt, weil Sie auch von Vertrauen gesprochen haben, dass man das Vertrauen stärken muss, damit man Reformen angeht. – Ich würde sagen, das geht Hand in Hand. Man muss Reformen angehen, um überhaupt das Vertrauen stärken zu können. Was ich gerade bei jungen Leuten sehe, ist, dass viele junge Leute nicht wirklich verstehen, was Europa macht. Es ist alles so zögerlich, es ist alles so lähmend, es geht nichts wirklich voran. Und da schwindet das Vertrauen, ich glaube, auch in der Allgemeinbevölkerung schwindet das Vertrauen genau deshalb, weil man das Gefühl hat, Europa reagiert nur oder reagiert sogar zu spät und agiert eigentlich wenig, ist wenig proaktiv. Und auch da ist das Einstimmigkeitsprinzip etwas, was uns sehr lähmt und sehr daran hindert, dass wir diese Vertrauen wirklich weiter ausbauen und stärken. Danke.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Danke schön, liebe Elodie. Martin, möchtest du noch kurz?
Martin Brandstätter: Sehr gern. Ich würde vielleicht ganz kurz ergänzend zu der ersten Frage sagen, dass ich glaube, dass es natürlich ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass kleine Staaten ihre Stimme nicht verlieren und dass das Vetorecht das in gewissen Bereichen sichert. Und trotzdem glaube ich, dass es das absolute Wesen jeder Demokratie ist, dass man Kompromisse eingehen muss. Es ist auch jetzt so, dass in ganz vielen Bereichen, wo das Einstimmigkeitsprinzip nicht gilt, qualifizierte Mehrheiten so gestaltet sind, dass auch kleinere Staaten eine stärkere Beteiligung haben. Und auch das ist, glaube ich, ganz wesentlich, es geht auch um die Bereiche. Und ich glaube, dass vor allem der außenpolitische, der sicherheitspolitische und der steuerpolitische Bereich ganz, ganz wichtig sind, wenn es ums Einstimmigkeitsprinzip geht, weil wir sonst in die Situation kommen, dass einzelne Staaten sich dazu entschließen, nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht zu sein, obwohl es wahrscheinlich sogar so wäre, dass eine Pareto-Effizienz erreicht werden könnte, das heißt, dass alle besser gestellt sind als vorher, wenn man von diesem Vetorecht abrücken würde.
Vielleicht ganz kurz zum zweiten Thema, zum Thema Jugendarbeitslosigkeit. Ich glaube, wir müssen ein Erfolgsmodell Österreichs, wie Sie es bereits angesprochen haben, in die Welt, in die Europäische Union, aber auch darüber hinaus tragen, die duale Ausbildung bekannter machen, sie als Erfolgsprojekt bezeichnen und auch kennzeichnen. Ich glaube, die beste soziale Maßnahme, die es gibt, ist, Arbeitsplätze zu schaffen, nur wir dürfen nicht dem Irrtum unterliegen, dass Arbeitsplätze durch den Staat geschaffen werden, sondern sie werden geschaffen durch ein gut funktionierendes Wirtschaftssystem, durch Handel, durch das Treiben von Wirtschaft mit verschiedenen Staaten, durch ein gemeinschaftliches Handeln in Wirtschaftsfragen. Vielen Dank.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Danke schön, Martin. An alle: Wenn noch Fragen auftauchen - - Sie können auch gerne heraußen bleiben und wenn Sie direkte Fragen haben an die jungen Erwachsenen, diese gleich direkt anzusprechen.
Wir machen gleich weiter der Fraktionsvorsitzenden Korinna Schumann. Bitte schön ans Rednerpult.
Korinna Schumann (SPÖ/Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der heutigen Veranstaltung! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause!
Wir haben jetzt eine Reihe von unglaublich spannenden Ideen von jungen Menschen gehört, die alle auf ihre einzigartige Weise ganz konkrete Vorstellungen von Europa haben. Und die heutige Veranstaltung darf ich dazu nutzen, über diese Chance, die Europa bieten kann und bieten muss, zu sprechen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind ganz überzeugt von der Europäischen Idee, und das besonders deshalb, weil nur durch die Entwicklung der Union, aber auch durch ein breites Europaverständnis in der Bevölkerung es möglich war, dass etwas gelungen ist. Wir haben eine so lange Zeit des Friedens auf dem Kontinent, bis heute, und das ist besonders, und das muss man anerkennend erwähnen und entsprechend würdigen.
Zugleich sehen wir aber auch, dass die EU zunehmend unter Druck gerät, von außen durch große Wirtschaftsblöcke und geopolitische Pläne, von denen wir abhängig sind, und von innen durch die zerstörerische Kraft des Nationalismus, der insbesondere von rechtspopulistischen Regierungen geschürt wird. Und Nationalismus hat gar nichts zu tun mit der von Miriam eigentlich so schön erwähnten Liebe zur Heimat. Ich bin stolz darauf, hast du gesagt, Vorarlbergerin zu sein, und ich bin stolz darauf, Österreicherin zu sein, und ich bin stolz darauf, Europäerin zu sein. Und das kann man nur absolut bekräftigen und mitnehmen.
Und wenn die Frau Ministerin heute Morgen bereits über die Union gesprochen hat, dann gilt es schon zu sagen, die Regierung hat ihr in den vergangenen Monaten nicht immer einen Dienst erwiesen. Einerseits wurde alles Unangenehme, jeder Misserfolg und jede unpopuläre politische Maßnahme an die EU abgewälzt, man hat sich dadurch mit den Gegnerinnen und Gegnern Europas gemein gemacht. Andererseits wurde zugleich jeder europäische Erfolg als der eigene verkauft. Damit tut man aus unserer Sicht einem gemeinsamen Europa keinen Gefallen. Ich betone das gerade deshalb, weil dieses Handeln im Kontrast zu dem steht, was wir heute gehört haben: Junge Menschen mit positiven Ideen und Vorstellungen, deren Wunsch zu gestalten und sich einzubringen, ein Bekenntnis zu einem geeinten Europa ist. Besonders darf ich in diesem Zusammenhang – und da kommt halt die Gewerkschafterin bei mir durch – auf die Frage der Lehrlinge hinweisen. Es tut mir sehr leid, dass Jonas Maureder heute aufgrund einer Erkrankung nicht dabei sein kann. Er ist jemand, der sich ganz stark engagiert, wir haben ihn auch im Beitrag gesehen. Er ist Vorsitzender des Jugendvertrauensrates bei der VOEST Alpine Stahl und betreut mit seinem Team 400 Lehrlinge, und sein Bekenntnis zum guten österreichischen Ausbildungssystem ist, glaube ich, ein ganz wichtiges, und Ferdinand, du hast es ja auch noch einmal gesagt: Das ist wirklich etwas, was uns ausmacht.
Wir haben wirklich in Österreich ein europaweit beachtetes System der Ausbildung, und wir wissen, unsere Lehrlinge sind topqualifiziere Facharbeiterinnen und Facharbeiter, die am Arbeitsmarkt auch in ganz Europa gesucht sind.
Mit Erasmus plus wurde bereits ein erster Schritt gesetzt, Berufspraktika in der EU und in assoziierten Staaten zu erleichtern, indem Reise-, Versicherungs- und Aufenthaltskosten gefördert werden, aber da braucht es weitere Schritte. Du hast es sehr richtig angesprochen, es braucht mehr Bekanntheit, es braucht mehr Unter-die-jungen-Leut’-bringen, daran müssen wir arbeiten. Und wir müssen uns damit befassen, welche Chancen die EU für junge Menschen bieten muss. Und hier ist ganz klar festzuhalten, wir brauchen eine Union des sozialen Zusammenhalts. Und diese werden wir nur dann schaffen, wenn wir uns vornehmen, dass wir an den ökonomischen und sozialen Standards arbeiten. Wir müssen versuchen, die ungleiche Vermögensverteilung anzugehen, solidarisch in der Bewältigung von Krisen zu agieren und unsere Erfolge durch Gemeinsinn zu sichern, statt durch Egoismen zu zerstören. Wir können also nicht hinnehmen, dass junge Menschen keine ausreichenden Perspektiven finden. Jugendarbeitslosigkeit ist mit allen Mitteln zu bekämpfen. Und wir müssen verstehen, dass die Problemstellung des Facharbeiterinnen-, Facharbeitermangels auch einfacher gemeinsam zu lösen sein wird als allein auf nationalstaatlicher Ebene. Wege dazu sind neben einer erfolgreichen gewerkschaftlichen Vertretung auch Maßnahmen wie eine europäische Mindestlohnrichtlinie oder ein wirkungsvolle Strategie gegen das unerträgliche Lohn- und Sozialdumping und die darf nicht zahnlos sein. Diese Fragen anzugehen, sichert nicht nur die Zukunft Europas, sondern auch den sozialen Frieden, und allein deshalb muss uns hier die soziale Säule der Europäischen Union auch so wichtig sein.
Und es geht darum, die drängende Frage unserer Zeit in Europa gemeinsam anzugehen: die Umwelt- und Klimakrise. Hier sind gut ausgebildete, gebildete junge Menschen in doppelter Hinsicht ganz zentrale Akteurinnen und Akteure. Einerseits, weil ihr als junge Menschen mit eurer Bildung und eurem Engagement die Chance und der Schlüssel seid, um gegen diese Klimakrise anzugehen und die Fragen der Zukunft zu beantworten – mit Mut und mit neuen Ideen und mit dem notwendigen Brennen, das es braucht, um Veränderungen anzustoßen. Hier setze ich, und ich glaube wir alle, große Hoffnung in euch und die kommenden Generationen, die neue Wege ebnen werden und denen wir unsere Ohren leihen und unsere Herzen öffnen.
Und meine Botschaft an Larissa ist: Du hast völlig recht, dazu braucht es Zeit, dazu braucht es Diskussion und dazu braucht es Auseinandersetzung, und man muss sich sehr wohl, und wir alle, die wir in der Politik arbeiten, auch oft an der eigenen Nase nehmen, sich da mehr zu engagieren – auch das nehmen wir aus dieser Veranstaltung heute mit. Und daher kann man sagen: Unsere Unterstützung ist euch sicher! Dass wir heute eure Ideen zum Thema Zukunft, Jugend, Europa gehört haben, freut mich sehr, und ich darf euch ganz herzlich zu euren Beiträgen gratulieren. Sie stehen exemplarisch für eure Generation und ihr habt in der Vielschichtigkeit eurer Präsentationen dargestellt, wie groß die Herausforderungen sind, denen wir zu stellen haben. Dafür möchte ich mich bei euch bedanken und euch motivieren: Bleibt aktiv, mischt euch ein und macht euch stark für eine Welt, in der ihr leben wollt! Wir brauchen auch in Zukunft ein geeintes Europa, stark ist man nur gemeinsam. Deshalb bin ich überzeugt, ein Europa der Zukunft kann nur ein Europa sein, das sozial ist. Auf diesem Weg lassen wir niemanden zurück. Arbeiten wir daran gemeinsam, wir setzen dabei auf euch! Vielen Dank.
Ich darf noch eine Frage anschließen, weil die Frage eines sozialen Europas gerade in der Krise und nach der Krise eine der großen Fragen sein wird. Meine Frage an euch wäre: Wie schaffen wir es, ein soziales Europa zu schaffen, in dem wir niemanden zurücklassen? Vielen Dank und alles Gute für euch!
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Vielen Dank, liebe Korinna Schumann.
Möchte jemand von euch auf diese Frage gleich eingehen? – Ja, bitte.
Alexandra Hilkenmeier: Ich möchte wieder an mein Thema anschließen, das irgendwie zu der Frage dazu passt: Für mich persönlich geht es auch eben ganz viel darum, dass man gerade Leute, die nicht in Europa oder in der EU geboren sind, die aber schon da sind, die hier leben, die Potential mitbringen und legal da sind, unterstützt und die wirklich einbindet. Dass sie nicht bei uns sind und das Gefühl haben, okay, ich bin seit zehn Jahren da, ich bin mit acht hierhergekommen, alleine, bin jetzt hier, hätte viel Potential, viele Interessen, aber ich habe null Möglichkeit, es auszuleben. Es wäre für uns alle ein Vorteil, wenn diese Leute sich einbringen können in die Gesellschaft, arbeiten können, sich selber etwas aufbauen können und nicht die ganze Zeit auf andere Menschen angewiesen sind.
Und auf die Frage, was für uns ein soziales Europa ist: Für mich persönlich hat das ganz, ganz viel damit zu tun. Wenn ich den Leuten ins Gesicht schauen kann und sagen kann, ich bin Europäerin, ich unterstütze die EU, und ich kann dir genau die gleichen Chancen anbieten, die ich selber auch habe. Ich will jetzt nicht zu tief in die Asylpolitik eintauchen und auch nicht über Menschen reden, die vielleicht noch nicht legal bei uns sind, wo der ganze Prozess einfach lange dauert, sondern wirklich explizit auf Leute eingehen, die legal bei uns sind, aber keine Chancen haben. Natürlich ist das auch staatenspezifisch sehr unterschiedlich. Ich würde sagen, gerade in Österreich vielleicht wesentlich besser als beispielsweise in Spanien, aber ich finde trotzdem wichtig, als EU zusammenzuhalten und Konzepte zu entwickeln, gerade in Bezug auf das Rassismusproblem vonseiten des Staates, Polizei, Beamte et cetera. Das würde auch sehr das Vertrauen gegenüber der EU, nicht nur innerhalb Europas, sondern auch außerhalb sehr stärken, meiner Ansicht nach.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Vielen Dank, liebe Alexandra.
Larissa Lojic: Alexandra hat schon ganz viel angesprochen, eben strukturellen Rassismus. – Das ist, glaube ich, ein Problem, das wir bei uns haben, und es gilt auch zu verstehen: wer sitzt hier?, wer von den jungen Menschen hat die Kapazitäten, sich ehrenamtlich zu engagieren, ich habe die Kapazitäten, ich mache es gerne, weil ich studieren kann und keinen Stress habe, ob ich mir jetzt Miete et cetera leisten kann. Mein Papa als Gastarbeiterkind hätte das nicht gekonnt. Das sind eben die Dinge, und ich finde es wichtig, dass man uns zuhört, keine Frage – aber Sie haben die Möglichkeiten, Sie haben die Ressourcen vielleicht Wege zu finden, wie man an Menschen kommt, die in Schulen sitzen, die nicht die Möglichkeit haben, einen Videobeitrag einzuschicken und dann hier eloquent über die EU zu reden.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Danke, Larissa.
Wir machen weiter. – Bitte, Bundesrat Johannes Hübner. (Beifall.)
Johannes Hübner (FPÖ/Wien): Danke fürs Wort, danke allen, die mitmachen und mitdiskutieren und danke für die vielen Wortmeldungen aus der Jugend. Ich komme ja von der FPÖ, also ich komme von dort, wo die Kollegin von der SPÖ sagen würde, die rechtspopulistischen, nationalistischen Kreise, also für viele hier die Bösen. Ich werde aber versuchen, die Bösen ein bisschen zu relativieren, um einmal zu sehen, ob auch die Bösen, die Rechtspopulisten Ideen haben, über die man diskutieren sollte. Das meine ich, ist der Fall.
Wir haben heute viel gehört von Europa, haben aber dabei nur über die Europäische Union und ihre Strategien gesprochen. Ich glaube das Erste, was ganz wichtig ist, dass wir wissen: Europa ist nicht die Europäische Union! Wenn wir auf das, was Frau Egger, glaube ich war es, gesagt hat, zurückkommen, nämlich zur emotionalen Heimat – sie hat uns als Beispiel Vorarlberg gezeigt, wo sie sich emotional zu Hause fühlt –: Wir fühlen uns in unserer Region, in unserem Land, in unserem Nationalstaat Österreich und auch in Europa zu Hause, letztendlich auch in der Welt. Aber wir fühlen uns in einer Struktur, in einer Verwaltung, in einer Bürokratie nicht zu Hause. Und deswegen darf sich niemand wundern, dass wir emotional bei den Leuten ein Problem finden, sich als EU-Bürger zu identifizieren oder mit dem Herzen, mit dem Volkstum EUler zu sein.
Wir müssen auch beachten, dass Europa ja mittlerweile weit über die Europäische Union hinausgeht. Es ist ja auch Großbritannien, nachdem es die EU verlassen hat, Europa geblieben, es ist die Schweiz Europa geblieben, es ist Island, es ist Norwegen Europa, es ist auch der Osten Europa, es ist auch die Ukraine Europa, obwohl hier keine Perspektive eines Beitritts besteht, wie es vielleicht bei Serbien und Montenegro der Fall sein wird, es ist aber letztlich auch Russland mit 150 Millionen Einwohnern ein Teil Europas, seit wir von Europa reden, also zumindest seit 1 500 Jahren. Und all das, glaube ich, darf man nicht übersehen, wenn man von der Europäischen Union, ihren Strukturen, ihren Aufgaben und so weiter spricht, wenn an die Europäische Union denkt und sie fühlt.
Das Zweite, was ganz wichtig ist, dass wir die Widersprüche ansprechen, die bestehen, wenn wir von geträumten, von gewünschten und idealen Gesellschaftsmodellen sprechen auf der einen Seite, auf der anderen Seite die europäischen Realitäten ansehen. Zum Beispiel das Wort Regionalität: Zwei der Vorsprecher haben die Regionalität, das Leben im ländlichen Raum und so weiter angesprochen. Für diese Regionalität ist ein großer Raum in Wirklichkeit Gift. Wenn eine Region mit einer kleinteiligen Familienlandwirtschaft, mit Betriebsgrößen von 20, 30, 35 Hektar – das ist in Österreich gar nicht wenig – konkurrieren müssen mit anderen Gebieten Europas oder der Welt, wo eine agrarindustrielle Produktion vorherrscht, wo man tatsächlich in der Lage ist, um 10 oder 11 Cent pro Kilo Weizen zu produzieren, was man bei uns nicht kann, was man bei uns nur kann, wenn es gewaltige Zuschüsse gibt. Der Kollege von der ÖVP hat das mit mir hier schon diskutiert – wir wissen, dass heute 50 Prozent des ländlichen Einkommens, des agrarischen Einkommens aus Subventionen und Transferzahlungen bestehen. Das ist ein im Kern ungutes, in eine Sackgasse führendes und nicht nachhaltiges System. Es ist, wenn wir von Regionalität reden, die offene Grenze schlecht. Wenn es heute möglich ist, ohne finanzielle oder administrative Hürden Wasser, auch wenn Mineralwasser draufsteht, aus Südfrankreich oder Italien nach Österreich zu karren und hier zu den gleichen Bedingungen wie österreichisches Wasser zu verkaufen, nur weil etwa der Nestlé-Konzern die großen europäischen Quellen von Vittel über San Pellegrino aufkauft und europaweit vermarktet, dann ist das kein Beitrag zur Regionalität. Wer Regionalität sagt, muss die Regionalität auch schützen und muss zur Kenntnis nehmen, dass nicht in allen Regionen zu gleichen Bedingungen produziert werden kann. Das ist sogar in unserer großen Monarchie der Fall gewesen. Also, wer sich dunkel erinnert an Peter Rosegger, der stammt aus einer Zeit, wo die Obersteiermark – Kollege Brandstätter – entvölkert worden ist. Der Grund war nicht die EU, aber die Monarchie mit immerhin 60 Millionen Einwohnern und die Einführung der Eisenbahn, die auf einmal die landwirtschaftliche Produktion in der Obersteiermark im Bergbauerngebiet unwirtschaftlich gemacht hat. Und dort, wo Rosegger gelebt hat, sind heute Fichtenplantagen. Die Bauernhöfe wurden verkauft, wurden aufgeforstet und zu Jagdgebieten gemacht. Dieses Problem sehen und haben wir auch in Europa, und da muss man wissen, gibt es einen sehr, sehr schwer auflösbaren Widerspruch zwischen der Größe und der Regionalität.
Das Nächste: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. – Wenn wir von europäischen Werten sprechen, dann meine ich zumindest, und ich hoffe, das findet Konsens hier, dass die Demokratie, also die Herrschaft des Volkes und die Bestimmung des Volkes darüber, wie der Staat ausschauen soll, wer den Staat regieren soll und welche Rechtsordnung in dem Staat herrscht, der zentrale Wert ist, den wir in Europa verteidigen sollen. Und wenn jetzt ein Staat oder eine Gemeinschaft oder eine Volksgemeinschaft oder eine Nation, wie immer man das nennen will, bei Wahlen Entscheidungen trifft, die anderen Staaten nicht passen, wie zum Beispiel in Ungarn oder Polen - - das sind die Länder, die genannt werden, wenn von Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit seitens der EU-Institutionen gesprochen wird und vieler politischer Mitbewerber, es wird nicht Bulgarien oder Rumänien oder die Region Sizilien angeführt, wo die Rechtsstaatlichkeit wahrlich beschränkt durchsetzbar ist, sondern es werden diese Staaten genannt, weil sie in demokratischen Wahlen politische Entscheidungen getroffen haben, die nicht dem Konsens entsprechen, die politisch nicht korrekt sind. Und da stehen wir wieder vor der Frage: Was ist der höchste Wert? Ist der höchste Wert der, dass ein Gremium, sei es die EU, seien es Weise im Hintergrund, seien es Künstler, Philosophen, dass die entscheiden, was die Leute wählen dürfen und welche Ordnung sie sich geben dürfen? Oder ist der zentrale Wert, dass die Leute selbst entscheiden? Und selbst, wenn sie sich eine Ordnung geben, die uns nicht passt, dann müssen wir sie akzeptieren.
Da komme ich auch zurück auf dieses Vetorecht. – Alle Teilnehmer waren sich eigentlich einig, dass das Vetorecht ein Problem ist und abgeschafft werden soll. Aber ich bitte schon zu bedenken – wieder ausgehend vom demokratischen Prinzip –, wenn ein Staat, eine Gemeinschaft in eine übergeordnete Gemeinschaft wie die EU hineingeht, dann will er nicht in einer Gemeinschaft aufwachen, in der nicht hineingehen wollte. Und wenn ich dieses Vetorecht nicht habe, dann muss ich selbst fundamentale Änderungen der Rechtsordnung, des Zusammenhaltes und des Wesens des Überstaatlichen, in das ich hineingegangen bin, hinnehmen, ohne dass ich mich dagegen wehren kann. Das demokratische Prinzip würde durch die Aufgabe dieses Vetorechts in allen Fällen – es ist ja ohnehin schon sehr stark ausgehöhlt – enorm geschwächt. Das muss man sehen, das muss man so nicht werten. Man kann sagen: Na ja, die Demokratie in Österreich ist wichtig, aber wichtiger ist die europäische Idee – aber man muss die Widersprüche sehen in der Diskussion.
Man muss auch die Frage der Größe, sagen wir einmal das schöne Wort kritisch hinterfragen. Ist die Größe an sich der Weg zu Wohlstand, zu Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Macht? – Oder hat es damit gar nichts zu tun? Wenn wir heute in die Welt hineinschauen, dann müsste ein Staat wie Indien mit 1,4 Milliarden Menschen – einen der größte für Märkte für Konsumenten – heute ganz anders dastehen, als es dasteht. Und Länder wie Singapur oder Taiwan oder die Schweiz, wenn Sie wollen, und viele andere, die weniger Einwohner als Österreich haben, die teilweise Stadtstaaten sind, die in keinen großen Gemeinschaften verankert sind, die müssten darben. Das ist aber nicht der Fall. Es ist daher durchaus möglich, dass unsere Annahme, dass nur eine große Größe alles lösen kann, nicht stimmt. Dass dieser Glaubenssatz, dieser Axiom, mit dem wir an die EU-Diskussionen herangehen, vielleicht verfehlt ist. Das sehen wir auch bei der Beschaffung. Es war sehr interessant, was die Frau Europaministerin Edtstadler gesagt hat. – Sie hat auf der einen Seite gesagt, dass ist so ein Erfolg, und wir können nur impfen, weil wir die gemeinsame EU-Beschaffung haben, und wo würden wir stehen, wenn wir das nicht hätten? Auf der anderen Seite, wenn Sie hineinhören, welcher ist der Staat, wo am schnellsten und am meisten geimpft und am einfachsten beschafft hat? – Das ist Israel. Aber es gibt auch einen anderen Staat, der hat eine noch höhere Impfquote als Israel, das sind zum Beispiel die Seychellen mit 84 000 Einwohnern. Das heißt, es hängt nicht davon ab, ob man für 450 Millionen beschafft oder ob man für 80 000 oder im Fall Israel für 8 Millionen beschafft, es hängt von der Effizienz ab. Ein kleiner, ein mittlerer, ein großer Staat kann beschaffen oder nicht beschaffen, je nachdem wie effizient, vorausschauend und gut organisiert vorgegangen wird.
Und vielleicht noch zur Außenpolitik. – Auch die Außenpolitik wird immer als das Gebiet genannt, in dem wir eine einheitliche Stimme brauchen, in dem wir eine EU brauchen, die für uns entscheidet und der wir uns fügen. Und zumindest der Wunsch, in der Außenpolitik das Vetorecht abzuschaffen, ist sehr stark, den hört man sehr oft. Beobachten wir einmal, was in der Außenpolitik geschehen ist in den letzten Jahren oder Jahrzehnten. – Das, was über EU-Ebene entschieden wurde, etwa die Russland-Politik, ist als verlängertes Sprachrohr der amerikanischen Interessen geschehen. Wir haben uns in allen Fällen, die außenpolitisch relevant gewesen sind, in den letzten zehn oder 20 Jahren an den amerikanischen Vorgaben orientiert und innereuropäische Widerstände entsprechend den amerikanischen Vorgaben eingeebnet und durch die Entscheidungen auf europäischer Ebene sind alle Staaten gezwungen, hier mitzumachen. Deshalb sitzen wir auch im Sanktionsboot mit Russland und sitzen in dieser Sackgasse drinnen, die zu einem progressiven Abbau aller Beziehungen, aller Dialogzentren, sogar des wirtschaftlichen Austausches, geführt haben.
Damit habe ich einmal viele Fragen aufgeworfen. Mehr wollte ich auch nicht, weil ich glaube, für eine Diskussion mit der Jugend sind Fragen so wichtig. Danke vielmals! (Beifall.)
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Vielen Dank, Herr Bundesrat! Für eine Diskussion dazu fehlt uns leider die Zeit, wir sind durch ORF III auch zeitlich gebunden. Es sind jetzt viele Fragen aufgeworfen worden – möchte jemand kurz - -mit kurz meine ich etwa eine Minute, es war auch vieles dein Thema, ich habe schon gedacht, da wird die Hand kommen – bitte schön.
Valentina Gutkas: Ich möchte kurz eingehen auf das Thema Land- und Forstwirtschaft und Regionalität. Wir haben selber einen Betrieb daheim, und ich möchte nicht mit den Preisen anderer Länder konkurrieren bezüglich Getreide, Fleisch, Milch, was auch immer. Aber es fallen oft die Wörter Klimawandel, Klimaschutz und die Landwirtschaft wir ein bissel als Sünder dargestellt, in Bezug auf Tierhaltung auch. Und ich finde, wir sollten da ein bissel wegschauen und mehr auf die Quellen schauen, die zum Klimawandel beitragen, sprich, eben mehr auf den Wald schauen, der eben CO2-Speicherung fördert und weniger auf die Sachen, die die Landwirte sehr einschränken, indem gesagt wird, Nutztierhaltung fördert mehr Emissionen und ist mehr oder weniger etwas Schlechtes. Ich finde, wir sollten mehr auf die Aspekte schauen, die positiv dazu beitragen und somit generell eine positive Auswirkung haben.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Also, mehr ins Positive gehen und nicht nur das Negative sehen. Danke, Valentina.
Vielen Dank für diese Wortspende. Wir machen weiter, ich habe schon gesagt, zeitlich gebunden. Ihr Statement und Ihre Frage bitte: Bundesrat Andreas Lackner. (Beifall.)
Andreas Lackner (Die Grünen/Steiermark): Herzlichen Dank! Sehr geschätzte VertreterInnen der Jugend! Liebe Herr Präsident, danke für das Organisieren dieser sehr interessanten Veranstaltung. Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Lieber Herr Prof. Selmayr! Ich gebe zu, ich habe mich im Vorfeld dieser Veranstaltung ein bissel umgeschaut, ein bissel recherchiert, mit welchem jungen Menschen wir heute diskutieren und uns austauschen, und ich habe natürlich angenommen, dass das besonders engagierte Menschen sein werden. Aber, wie ich bei meiner kleinen Recherche feststellen konnte, was ihr alles macht, das hat mich doch in Staunen versetzt und ringt mir großen Respekt ab.
Eure Beiträge und heutigen Wortmeldungen waren für mich sehr wertvoll. Ich habe etliche Jahre beim AMS als Jugendberater gearbeitet und habe sehr viele Gespräche mit Jugendlichen geführt. – Und so unterschiedlich die Themen und Problemlagen auch waren, ein zentraler Punkt war immer: Wer sein Gegenüber verstehen will und wer Fortschritte in Richtung Verbesserung will, der muss sein Gegenüber ernst nehmen, muss ihm auf Augenhöhe begegnen und muss ihm mit Respekt begegnen. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ich erwähne es aber gerade deshalb, weil ich es doch oft so erlebe, dass sogenannte Erwachsene Jugendliche nicht immer für ganz voll nehmen.
Eines unser großen europäischen Themen ist die Arbeitslosigkeit. Das war schon vor Corona der Fall und beschäftigt uns jetzt natürlich umso mehr. Dazu muss man vorausschicken, die Ursprünge der Europäischen Union, also die Ursprünge dieser Organisations- und Wertegemeinschaft Europa liegen im Schmerz und liegen im Leid. Das Europa, das wir heute kennen, ist der gelebte Versuch, unsere gemeinsame Geschichte von Not und Elend, von Ursache und Wirkung menschlichen Versagens nicht wieder erleben zu müssen. Und einer dieser fundamentalen Ursachen heißt und hieß: Arbeitslosigkeit. Ein Baustein zur Bekämpfung dieses Übels – und das betrifft vor allem euch – ist der europaweite Zugang zur Bildung, zum Austausch und zum gegenseitigen Lernen. Und Erasmus war heute schon Thema, das ist sicher ein guter Wegbereiter, aber greift bislang eben nur in der Spitze. Deswegen braucht es mehr europäische Programme für Lern- und Wissensaustausch. Das muss beispielhaft vom Acker über die Malerlehre bis zur Matheklasse reichen. Entscheidend ist das grenzenlose Miteinander jeder Ausprägung: von Tiktok bis Ferien- und Ausbildungsaufenthalt. Denn das Leben des Kindes, des Jugendlichen und irgendwann Erwachsenen ist eine Reise – aber diese Reise müssen sich Mann und Frau auch leisten können. Praktikumsplätze sind eine gute Sache, um Einblick in neue Welten zu erhalten, um Tätigkeiten kennenzulernen, um sich selbst und andere kennen zu lernen. Das gilt aber nur, wenn man dabei nicht ausgebeutet wird. Ein Umstand, der gerade für eure Generation, Stichwort Generation Praktika, zur gelebten Praxis geworden ist. Das ist für uns Grüne inakzeptabel. So darf die Zukunft eurer Generation und damit die Zukunft Europas nicht aussehen. Alles, was auf prekären Beschäftigungsverhältnissen, auf Lohndumping, auf Ausbeutung der Schwächsten und Oberklassenbildung aufbaut, führt ins Grauen der Vergangenheit zurück. Die Zukunft aber basiert auf Gleichstellung, Fairness und einheitlichen Rahmenbedingungen für alle.
Jetzt passiert das natürlich nicht von heute auf morgen, dennoch ist das keine Entschuldigung für die EntscheidungsträgerInnen, nicht alles zu unternehmen, und zwar sofort, um euch eine Gegenwart zu schaffen, die faire Chancen bietet. Das geht von EU-Jobbörsen über Beschäftigungsgarantien für BerufseinsteigerInnen bis hin zu Start-ups und Mobilitätsförderung wie beispielsweise gratis Interrail-Tickets. Aber eigentlich wisst ihr selbst am besten, was ihr braucht, um Europa zukunftsfit zu machen. Das beweist Fridays for Future. Das wahrscheinlich größte Manko meiner Generation liegt darin, dass wir zumindest in Teilen verlernt haben zuzuhören und in unser Sturheit gerne vergessen, dass wir selbst schon lange nicht mehr die Zukunft sind, das seid nämlich ihr!
Jugendbewegungen wie Fridays for Future haben aufgezeigt, dass Klimawandel, dass Nachhaltigkeit heute und mit aller Kraft angegangen werden müssen. Ihr habt demonstriert, eure Stimme erhoben gegen die Übermacht der Alten. Ihr habt nachhaltige Energie, Kreislaufwirtschaft und Klimaneutralität als verbindliches Entscheidungskriterium für Hersteller und Konsumenten eingefordert. Und mit welchem Erfolg? Es passiert nicht so oft, dass ein derartiger Paradigmenwechsel stattfindet, ein globales Umdenken in diesem Ausmaß, wir müssen das jetzt nur noch auf den Boden bringen.
Ihr seid es, die die Auswirkungen unseres Nichtstuns und Tuns besser beurteilen könnt als wir selbst, die wir heute zu euch sprechen. Es ist euer lautes und furchtloses Engagement, das mich an eine europäische Zukunft, an eine gemeinsame Verfassung, die allen EuropäerInnen fundamentale Rechte und Rechtsschutz gewährt, glauben lässt. Danke dafür!
Man kann sehr schnell zur Minderheit werden, siehe zum Beispiel Mobbingopfer, ob Ethnie, Brille, optische Merkmale oder weil man sich das neue I-Phone nicht leisten kann. Ausgrenzung hat viele Gesichter, findet jeden Tag statt und kann jeden treffen. Deshalb muss Europa künftig – und zwar mehr denn je – zur Heimat derjenigen werden, die woanders keine mehr haben oder finden. Das ist nicht nur menschlich, es ist auch logisch, denn Vielfalt und Toleranz machen uns gemeinsam stärker, weil Austausch, weil Zuhören, weil miteinander reden eben zu Verständnis führt.
Und dort, wo gegenseitig Verständnis herrscht, entstehen Lösungen. Und Lösungen werden wir viele brauchen: Wie kann nachhaltige Landwirtschaft für knapp 750 Millionen EuropäerInnen und weitere sieben Milliarden Menschen weltweit funktionieren? Wie verhindern wir das endgültige Sterben der Meere? Wir können wir Frieden bewahren, wenn Krieg noch immer profitabel ist?
Ich persönlich kann euch nicht sagen, wie genau das gelingen wird, aber ich weiß, dass es ohne euch keinesfalls gelingen wird. Ihr werdet weiterhin lautstark nachhaltiges und europäisches Miteinander einfordern müssen und dafür eintreten müssen. Das bedeutet Gegenwind, es bedeutet aber vor allem eines: Zukunft! In dem Sinne möchte ich mich für euer Zuhören und euer Engagement und euren unermüdlichen Einsatz bedanken. Eine Frage habe ich mir noch aufgehoben, weil einiges ist schon gefallen. – Wie kann aus eurer Sicht die Transition, also der Übergang vom fossilen ins digitale und ins Solarzeitalter gelingen? – Danke.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Möchte jemand von euch darauf antworten?
Elodie Arpa: Ich glaube, da gibt es schon ganz viele Ideen auch von Expertinnen und Expertinnen, von Menschen, die sich viel besser auskennen, als ich jetzt persönlich. Ich glaube, das Know-how ist ganz, ganz wichtig, sowohl, was Digitales angeht, das habe ich schon kurz angesprochen, als auch, was Klima angeht. Wir brauchen einfach Leute, und zwar in jeglichen Bereichen, die sich mit Klimaaspekten auskennen, weil ja Klima in jedem Bereich eine Rolle spielt. Und ich denke, das ist auf jeden Fall sehr wichtig und dass man beide Themen, also sowohl Digitalisierung als auch Klima, auf jeden Fall als Priorität setzt und auch so wahrnimmt und auch ins Handeln kommt. Ich glaube, wir müssen gar nicht mehr so lange so viele Ideen suchen, es gibt schon viele gute Ideen, wir müssen endlich einmal die Ideen umsetzen und den ersten Schritt wagen.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Das Umsetzen ist es, Herr Bundesrat.
Ich glaube, der Nächste steht schon in den Startlöchern, und zwar last, but not least: Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky, meine Damen und Herren!
Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/Wien): Vielen Dank! Herr Präsident! Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gratuliere euch zuerst zu eurem vielfältigen Engagement. Als ich in eurem Alter war, hat sich das bei mir in der Hochschülerschaft manifestiert, bei euch ist das sehr viel weiter gefasst, ihr habt viel mehr Kanäle, ich finde das auf jeden Fall sehr gut.
Österreich hat nur in einem starken Europa eine erfolgreiche Zukunft. Wir NEOS wünschen uns ein handlungsfähiges Europa, das zum Beispiel in einer Pandemie schnell entscheiden kann, wir wünschen uns ein zukunftsfähiges Europa, das seine Kräfte bei der Bekämpfung der Klimakrise bündelt, und wir wünschen uns ein mutiges Europa, das die Digitalisierung aktiv mitgestaltet, anstatt Innovation mit nationalstaatlichen Alleingängen zu behindern.
Der Europatag am 9. Mai war auch der Startschuss für die Konferenz zur Zukunft Europas, bei der die Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der EU-Institutionen und Mitgliedstaaten über die Zukunft und Reformen der Europäischen Union beraten, und wir NEOS freuen uns, dass für uns unsere Europaabgeordnete Claudia Gamon daran teilnimmt.
Ich möchte euch jetzt mit drei konkreten Forderungen an die Zukunft Europas challengen, das sind gleichzeitig die Fragen, wie ihr konkret dazu steht. Die erste Forderung ist eine Verbindlichkeit der Zukunftskonferenz durch europäische Volksabstimmung. – Das Thema Volksabstimmung hast du, Martin, schon aufgebracht. Wir finden, dass die Ergebnisse der Zukunftskonferenz in einer Volksabstimmung münden sollen, bei der, so wie das zum Beispiel auch in der Schweiz bei Volksinitiativen der Fall ist, eine doppelte Mehrheit erforderlich sein soll – sowohl eine Mehrheit der europäischen Bevölkerung als auch eine Mehrheit der Staaten muss den Vorschlag unterstützen. Das ist deshalb notwendig, weil die Zukunftskonferenz unseres Erachtens Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit braucht, die nur dann möglich ist, wenn die Ergebnisse der Konferenz nicht wieder im Rat, also bei den Regierungen der Mitgliedstaaten verenden. Das europäische Volk hat ein Recht darauf, über seine gemeinsame Zukunft zu entscheiden, und diese Volksabstimmung würde einen Weg weisen für die notwendigen Vertragsänderungen, für einen Neustart Europas.
Die zweite Forderung: Unsere zweite Forderung ist, dass die Zukunftskonferenz zu einer Klimakonferenz werden muss. Wir müssen Europa für die Europäerinnen und Europäer erlebbar machen. Die Europäische Union sind ja nicht nur die Politikerinnen und Politiker in Brüssel oder Straßburg, sondern wir alle. Und damit dies auch spürbar wird, müssen die Menschen miteinbezogen werden, ihre Wünsche, Meinungen und Anliegen müssen gehört werden. Daher sollen im Rahmen der Zukunftskonferenz verbindliche Maßnahmen zum Erreichen der beschlossenen Klimaziele gemeinsam mit den Europäerinnen und Europäern erarbeitet werden, um so auch für die Mitgliedstaaten mehr Verbindlichkeit bei der Umsetzung zu erlangen, sodass ein Herausreden nicht mehr möglich ist.
Unsere dritte Forderung ist, den Rat abzuschaffen. Wir haben etwas in der Art schon gehört – Einstimmigkeitsprinzip – von Elodie und auch von Martin. Der Rat, also die Vertretungen der Regierungen der Mitgliedstaaten, tritt in fast allen Bereichen als Blockierer, Verhinderer und Verzögerer auf. Große Ambitionen, die im EU-Parlament geboren werden, werden oft im Rat erstickt. Das Europäische Parlament soll sich unseres Erachtens daher zum echten Gesetzgeber entwickeln und zu einem Zweikammern-Parlament werden. In der neuen zweiten Kammer werden dann die Interessen der Mitgliedstaaten vertreten, diese Kammer würde also die Aufgaben des Rates übernehmen, und die Abgeordneten der zweiten Kammer würden von den nationalen Parlamenten entsandt und so spiegeln sie die politische Zusammensetzung der nationalen Parlamente wider.
Das Resümee ist, die europäischen Institutionen müssen sich zu einer leistungsfähigen Führung der Europäischen Gemeinschaft entwickeln, die über eine Politik des nationalen Minimalkonsenses hinausgeht. Wir brauchen einen Neustart für Europa, ein Europa, das besser ist, als es jemals war. – Danke! (Beifall.)
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Vielen Dank, Herr Arlamovsky. Das waren jetzt Ihre drei Forderungen. Möchte irgendjemand noch darauf eingehen? Martin, du hast ein bissel mitgeschrieben, oder - -
Fangen wir mit dir an, Larissa.
Larissa Lojic: Ich gehe kurz nur auf die ersten zwei Fragen ein, ich sage ehrlich, aus dem Stehgreif könnte ich das nicht entscheiden, dafür kenne ich mich zu wenig aus, da gibt es sicher hier Leute, die sich besser auskennen. Dass die Ergebnisse der Konferenz zur Zukunft Europas über eine Volksabstimmung zustande kommen sollen, finde ich gut. Was ich für wichtig halte, man müsste zuerst einmal versuchen, die Konferenz ein bisschen bekannter zu machen. Es sind noch immer sehr wenige Leute, die das kennen, alleine in meinem Bereich, bei den PolitikwissenschaftsstudentInnen sagen viele, sie kennen das nicht. Ich weiß das, weil ich WU begeistert bin, aber die Idee finde ich gut, damit mehr Aufmerksamkeit darauf gelenkt wird, da müsste noch sehr viel Arbeit reingesteckt werden.
Zur Frage, ob die Zukunftskonferenz eine Klimakonferenz werden sollte. – Ich finde, dass wir die Klimakrise derart umdenken müssen, egal, um welches es geht, ob um Digitalisierung, ob um Bildung, das Klima muss einfach immer im Hintergrund dabei sein. Genauso wenn wir über Jobs reden, das Klima ist ganz, ganz wichtig. Wenn wir über den ländlichen Raum reden, über Land- und Forstwirtschaft. – Wir können nicht immer sagen: Wah, die böse Land- und Forstwirtschaft. So ist das ja nicht, wir müssen einfach umdenken, wie wir die Klimakrise denken. Es wird nicht genug sein, dass wir in Wien vegan essen, es muss einfach wirklich umgedacht werden. Das finde ich ganz wichtig, also finde ich diese Idee sehr gut. Danke. Ich übergebe das Wort an jemand anderen.
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Danke, Larissa. Elodie, bitte.
Elodie Arpa: Ich finde es gut, dass die Ergebnisse der Zukunftskonferenz eigentlich verbindlich sein sollen. Ich glaube nur, dass in vielen Bereichen wir als Zivilgesellschaft, nicht nur als junge Menschen, sondern die gesamte Gesellschaft eigentlich in einigen Bereichen weiter ist als vielleicht diejenigen, die dann letzten Endes entscheiden. Und wenn das miteingebracht wird, ist das sicher eine gute Idee, ich bin sehr dafür. Und grundsätzlich, meine Kollegin hat das schon angesprochen: Klima muss man immer im Hinterkopf behalten bei jedem Thema und Nachhaltigkeit ganz grundsätzlich, also sowohl ökologische Nachhaltigkeit, aber eben auch soziale, gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Man sollte bei jeder Entscheidung, auch bei jeder neuen Verordnung, bei jeder Richtlinie, bei jedem nationalstaatlichen Gesetz sich immer überlegen: macht das langfristig Sinn? Und was bedeutet das für junge Leute wie uns? Was bedeutet das für unsere Zukunft?
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Ihr seid die Zukunft, das darf man nicht vergessen!
Vielen Dank an die Bundesräte, vielen Dank an euch. Es wäre vielleicht ein bisschen mehr Diskussionspotential dagewesen, vielleicht geht das noch irgendwann einmal, dass man darüber auch noch mehr diskutieren kann.
Dieser Vormittag neigt sich langsam aber doch dem Ende zu, das merkt man auch an der Zeit, es wird langsam Mittag. Jetzt ist aber Zeit für ein Resümee, Zeit auch für einen Ausblick, und zwar bitte ich dafür zwei Herrschaften zu den Mikrophonen, den Bundesratspräsidenten Christian Buchmann und den Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich Martin Selmayr. – Bitte schön, die Herrschaften. (Beifall.)
Martin Selmayr (Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich): Lieber Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! – So wünsche ich mir eine Regierungsbank! Die ist in Österreich sowieso schon sehr jung, aber heute ist sie ganz besonders jung, das ist sehr ermutigend.
Ich bin dankbar für diesen Vormittag. Ihnen, Herr Buchmann, für die Einladung, aber vor allem für die vielen positiven Ideen. Frau Edtstadler sagte vorhin, sie wäre manchmal verschrien als ungeduldig und fordernd. Es scheint, mit abnehmendem Alter noch ungeduldiger und noch fordernder zu werden, und ich finde das sehr gut. Ich finde das besonders schön, da wir heute hier in einem nationalen Parlament zusammentreten. Die nationalen Parlamente. – Wir haben häufig davon gehört, wie wichtig sie sind in der Europapolitik, sie sind in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, aber es gibt eine Sache, die dabei schade ist: Die nationalen Parlamente haben nur ein negatives Mitspracherecht auf europäischer Ebene. Es gibt nur drei Fälle, wo sich die nationalen Parlamente einmal zusammengetan haben und auf europäischer Ebene eine gemeinsame Position eingenommen haben, jeweils mehrheitlich, das war um die europäische Entsenderichtlinie, Mindestarbeitsbedingungen für Arbeitnehmer aus dem Ausland zu stoppen – das ist gescheitert –, um die europäische Staatsanwaltschaft zu stoppen, auch das ist gescheitert, weil es Gott sei Dank einige gab, die anders gemacht haben. Aber ich glaube, es wäre schön, wenn diese positive Dynamik, die heute hier auf der Regierungsbank war, auch eine Rolle in den nationalen Parlamente spielen könnte.
Ich habe eine Beobachtung und drei Forderungen mitgenommen – ich habe das alles notiert, denn wir geben alles, was wir hören, ein in den Prozess über die Zukunft Europas und das war heute nur ein Anfang. Eine Beobachtung war etwas, was mir häufig auffällt: dass wir über die EU sprechen. Und die EU, das sind ganz, ganz viele. Wir sind alle die EU hat einer meiner Vorredner gesagt. Die EU, das sind auch die Mitgliedstaaten im Ministerrat. Also bei vielem, was hier angesprochen worden ist, Bildung, Nachhaltigkeit in der Ausbildung, Lehrlingsausbildung, Informationen darüber ... Also beim jetzigen Stand darf die EU in Brüssel dazu gar nichts sagen. Das ist Frau Edtstadlers Aufgabe, die Aufgabe der nationalen Regierung. Und ich glaube, wenn wir über die EU sprechen, die wir kritisieren müssen, müssen wir dieses Zusammenspiel immer deutlich machen, sonst werden wir uns an die falschen adressieren und nicht das richtige Ergebnis bekommen. Aber, das ist absolut richtig.
Ich stelle fest, obwohl es das Erasmus-Programm für Lehrlinge schon seit vielen, vielen Jahren gibt, viel zu wenige davon wissen. Man müsste viel mehr darüber reden – schön, dass du das heute getan hast.
In diesem Zusammenhang eine weitere Beobachtung, das höre ich auch, viel und leicht darf ich das sagen, weil ich der größten Migrantengruppe in Österreich angehöre: Mir fällt auf, je häufiger dieses Thema - - die EU und Europa, das müssen wir unterscheiden. So etwas sagen wirklich nur wir Europäer! Ich habe noch nie gehört, dass jemand in den USA gesagt hätte: Wir sind nicht Amerika!, obwohl, da gibt es ja noch Kanada und Mexiko, aber in den USA ist man Amerika. Lassen wir uns bitte nicht ins Bockshorn jagen, wir feiern am 9. Mai nicht den EU-Tag, sondern den Europatag. Die Europäische Union ist das Angebot an den ganzen Kontinent: Wer mitmachen will, ist dabei! – Wir sind Europa! Das können wir, glaube ich, mit etwas mehr Selbstbewusst sagen, oder hören wir auf mit diesem Quatsch.
Eine Sache, die ich mitnehme als Forderung - - Es gibt drei Forderungen: Erstens, das war in den Videos von mehreren angesprochen: offene Grenzen! Das ist Europa, das ist wofür wir stehen! Offene Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten. Es darf eben nicht am kleinen deutschen Eck oder am großen deutschen Eck oder in Vorarlberg an der Grenze so gehen. Ich war gestern an der Grenze zwischen dem Burgenland und Ungarn. Man konnte mit dem Fahrrad nicht rüberfahren, ich bin doch rübergekommen, wahrscheinlich war es illegal, aber: Das ist nicht unser Europa! Das ist die richtige Forderung, die alle hier ausgesprochen haben. Aber, wer schließt die Grenzen? – Die Grenzen schließt nicht Europa, die Grenzen schließen nationale Regierungen. – Die Bayern gegenüber Tirol, die Österreicher gegenüber Slowenien – das muss aufhören! Wenn wir das erreichen wollen, dann muss die Europäische Union den Mitgliedstaaten verbieten können, Grenzen zu schließen. Das kann sie heute nicht! Das ist eine erste wichtige Forderung, die ich hier notiert habe, denn sonst kriegen wir das nicht hin. Wir dürfen nicht einseitig Grenzen schließen, das muss die Europäische Union durchsetzen können: Einstimmigkeit und qualifizierte Mehrheit! Sehr richtig! Die Europäische Union ist immer vorwärts gekommen, wenn wir uns auf das demokratische Prinzip besonnen haben – mit Minderheitenschutz, das gibt es ja schon mit der Sperrminorität –, dass wir mehrheitlich entscheiden. Und ich fand es sehr erfrischend, dazu gab es hier eine gute Diskussion, ja, das heißt auch, dass man dann auch überstimmt werden kann. Denn nur so kommen wir weiter. Wir sind dann immer noch, Elodie, du hast es gesagt, wir dann immer noch stärker, aber Achtung: Das kann auch einmal schwierig werden. Es gibt nämlich Bereiche, wo wir schon mit Mehrheit entscheiden. 90 Prozent aller Entscheidungen fallen mit Mehrheit. Klimapolitik ist Mehrheitsentscheidung, Migrationspolitik ist Mehrheitsentscheidung, Handelspolitik ist Mehrheitsentscheidung. Also Achtung, wer das fordert, wer A sagt muss auch B sagen, kann auch überstimmt werden. Aber ich habe euch da sehr erwachsen verstanden: Das muss man mitnehmen, dann sonst sind wir nicht handlungsfähig. Das ist ebenfalls notiert.
Und schließlich Rechtsstaatlichkeit. – Da war ich besonders froh, dass ihr das alle gesagt habt. Über die Rechtsstaatlichkeit durfte man früher auf europäischer Ebene überhaupt nicht reden, als ich in eurem Alter war, war das noch verboten, das war innerstaatliche Angelegenheit. Und wir verdanken es einem Mitgliedstaat, dass wir zivilisierterweise angefangen haben, auf europäischer Ebene zu reden, und das ist Österreich. Das war kein ruhmreiches Kapitel, aber man hat erstmals angefangen, sich über die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaates zu befassen, als damals in Österreich eine – wie hieß es? – rechtspopulistische Partei in die Regierung kam. Deshalb gibt es heute ein Artikel 7-Verfahren, deshalb gibt es heute Ansätze rechtsstaatlicher Kontrolle. Und ihr habt das alle zum Ausdruck gebracht: Was in unserem Nachbarstaat passiert an Institutionen und Stabilität, an Unabhängigkeit von Gerichten, das geht uns alle an. Wir sind eine Gemeinschaft. Wir sind eine Rechtsgemeinschaft. Uns hält nicht zusammen außer das Recht, und deshalb brauchen wir unabhängige Institutionen. Und ihr habt das selbst deutlich zum Ausdruck gebracht, aber das heißt auch: Achtung, die anderen schauen uns auch über die Schulter, die kritisieren auch, wenn bei uns einmal etwas nicht perfekt ist. Das muss man dann wieder akzeptieren, aber ihr wart da alle erstaunlich fortschrittlich.
Ich muss sagen, das ist das Wichtigste, zum Abschluss, Herr Präsident, was ich mitnehme, aus Vorarlberg kam es: Wir müssen stolz sein, Europäer zu sein! Heute bin ich noch stolzer, als ich es vorher schon war. Vielen Dank für diese Mut machende Aussage. Wir müssen jetzt offenbar etwas mutiger sein. Ich habe keinen von euch gehört, der gesagt hätte: Langsamer!, alle sollen schneller vorangehen.
Wir wissen, dass gerade im Bereich der Klimapolitik wir Politik für die nächsten Generationen machen – nachhaltig, wie das hier mehrfach angesprochen wurde: ob beim Wald, ob bei der Klimapolitik, ob bei Wirtschaft und Finanzen. Ich glaube, wir müssen viel mehr daran denken, was Europa für die nächsten Generationen bedeutet. Und deshalb müssen wir, lieber Herr Präsident, und das sollten wir von heute mitnehmen, viel mutiger sein, es nicht bei einer Konferenz bewenden lassen, sondern gemeinsam auf die Jugend hören, auf die nächste Generation, denn die wird in diesem Europa leben.
Ich danke euch ganz herzlich für diesen Mut machenden Vormittag, alles Gute für die Zukunft – und das war nicht unsere letzte Begegnung: Über die Zukunft Europas diskutiert man nicht nur an einem Dienstagvormittag. Da diskutieren wir ab jetzt und mindestens ein Jahr, bis wir endlich Ergebnisse haben. In eurem Sinne – vielen Dank! (Beifall.)
Christian Buchmann: Geschätzter Herr Prof. Selmayr! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem liebe Regierungsbank! Das war, glaube ich, ein spannender Vormittag, und ich verstehe diesen Vormittag nicht als Resümee, sondern ich verstehe ihn als Auftakt in einem Prozess, wo wir als österreichischer Bundesrat gerne mit der Jugend weiter im Dialog bleiben wollen und Fragen der Zukunft, des Landes und damit der Zukunft Europas diskutieren wollen.
Ich habe mir während einzeln Wortmeldungen gedacht - - Ich war etwa in eurem Alter, als ich zum ersten Mal in Brüssel war in den 1980er-Jahren und damals im Rahmen meiner Gesinnungsgemeinschaft, unserer Jugendorganisation auf Brüsseler Boden an Abstimmungen teilgenommen habe - - Damals hat es die EC-Countries gegeben und die Non-EC-Countries – und die einen hatten weiße Stimmzettel und die anderen hatten grüne. Und diejenigen, die aus Ländern gekommen sind, die schon Mitglieder der Europäischen Union waren, hatten weiße Stimmzettel, die anderen grüne. Und eine Mehrheit ist dann zustande gekommen, wenn die weißen jedenfalls die Mehrheit gebildet haben. Ich habe mir damals gedacht, das wäre doch schön, wenn wir Österreicher auch teilhaben könnten an solchen Meinungsbildungsprozessen und habe mich daher in meinen jungen Jahren sehr engagiert, auch im Rahmen der Volksabstimmung zum Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, was letzten Endes 1995 gelungen ist. Und heute gibt es viele meiner Generation, die sich damals engagiert haben und heute Wegbegleiter dieser Europäischen Union sind, manchmal mehr zustimmend, manchmal weniger zustimmend, aber im Herzen immer überzeugte Europäer, egal, welchen Größenbegriff Sie aktuelle ins Auge fassen wollen.
Ich erzähle diese Geschichte deshalb, weil ich glaube, dass nichts mächtiger ist als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Und ihr habt Ideen angesprochen – auf der einen Seite Ideen, die mit der Funktionsweise der Europäischen Union zusammenhängen, das kann einmal das Einstimmigkeitsprinzip sein, das kann auch die Direktwahl der Spitzenkandidaten, des Kommissionspräsidenten oder der Kommissionspräsidenten betreffen, das sind formale Fragen, die werden nie die Herzen der Bürgerinnen und Bürger erreichen, hier muss man sich eine Spielregel geben und mit dieser Spielregel umgehen. Aber das Wichtigere aus meiner Sicht sind die Inhalte, die Sachebene, wo es darum geht, gemeinsame Ziel zu verfolgen. Und da habe ich es schon als sehr, sehr ermutigend empfunden, dass ihr alle das Thema der Nachhaltigkeit angesprochen habt, des Klimawandels angesprochen habt, des ländlichen Raums und der Entwicklung und der Lebenschancen des ländlichen Raums, gerade auch der Arbeitschancen, der Zukunft für die Jungen in der Digitalisierung, in der dualen Ausbildung. Das sind jene Themen, glaube ich, die Europa gemeinsam treiben. Wenn wir weiterhin in der Welt eine Rolle spielen wollen, wird das ein ganz, ganz wichtiges Thema sein.
Herr Selmayr hat gesagt, ihr seid heute auf der Regierungsbank heute vertreten – Mutmacher! Ich verstehe den österreichischen Bundesrat so, dass wir gerne Möglichmacher sein wollen. Wir wollen mit euch gemeinsam einen Weg möglich machen, der uns in eine gute europäische Zukunft führt, dafür soll diese heutige Jugendkonferenz, dieser Jugenddialog ein Anfang sein und nicht das Ende! Ich freue mich, wenn wir weiterhin im Gespräch bleiben können und bitte euch, dass Ihr als Botschafterinnen und Botschafter euch in eure Heimatbundesländer zurückgeht und viele eurer Alterskolleginnen und -kollegen dafür gewinnt, sich auch auf der Plattform der Zukunftskonferenz einzumelden und eine Stimme zu erheben. Nur wenn viele in eine selbe Richtung argumentieren, nur wenn viele Europa im Herzen tragen, kann sich dieses Europa auch positiv entwickeln. Danke vielmals fürs Mitdiskutieren, danke vielmals fürs Kommen! Europa ist eine Chance – nützen wir sie! (Beifall.)
Moderatorin Simone Koren-Wallis: Vielen, vielen Dank, Christian Buchmann, vielen Dank, Martin Selmayr.
Ich darf noch Grüße ausrichten: Ihr habt es vielleicht gesehen, die Frau Ministerin musste leider schon weiter, ich darf von ihr aber nochmals ganz, ganz liebe Grüße ausrichten und eine Einladung aussprechen, und zwar möchte die Frau Bundesministerin euch gerne ins Bundeskanzleramt einladen. Wann werdet ihr noch erfahren, ihr werdet noch Informationen dazu bekommen, aber die Einladung ist hiemit ausgesprochen.
Außerdem darf ich noch einmal daran erinnern – bitte nicht vergessen! –, das Video des heutigen Vormittags gibt es auf der einen Seite in der Mediathek des Parlaments und auf der anderen Seite in der Mediathek des ORF, hier ist es sieben Tage lang anzuschauen, damit man den Vormittag vielleicht selbst noch einmal Revue passieren lassen kann.
Ich nehme es einmal so, wie es der Präsident soeben gesagt hat: Es war ein spannender Vormittag, es waren spannende Stunden, und ich glaube, diese Stunden lehren uns, die wir junggeblieben sind, aber vielleicht manche nicht mehr ganz so jung sind, wie diese jungen Erwachsenen, die hier gesessen sind: Ohne die Jugend von heute gibt es kein Morgen! Und Aristoteles hat angeblich einmal gesagt: Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen! – Ich glaube, da hat sich in den letzten 2340 Jahren einiges geändert und darauf können wir wirklich sehr, sehr stolz sein. Chapeau Fabian, Valentina, Elodie, Hans, Martin, Alexandra, Miriam und Larissa! Euch noch einmal einen riesigen Applaus für diesen heutigen Vormittag. (Anhaltender Beifall.) Macht so weiter und hört nicht auf! Hören wir mehr auf die Jugend, denn sie hat großartige Ideen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, und kommen Sie gut nach Hause, kommt ihr gut nach Hause. – Vielen Dank!