Transkript der Veranstaltung:
Freiwilliges Engagement als Fundament unserer Gesellschaft.
Corona – Zäsur oder Chance?
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(Es folgt ein Musikstück.)
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(Beifall.)
Rebekka Salzer (Journalistin, ORF): Einen schönen guten Abend, meine Damen und Herren! Sie haben gerade im Video die Ausstellung des Parlaments zum Schwerpunktthema Ehrenamt am Wiener Heldenplatz gesehen. Der Wiener Heldenplatz ist sicherlich der richtige Platz für diese Ausstellungen über die Heldinnen und Helden des Alltags. Die Ausstellung zeigt Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen, die sich in Österreich ehrenamtlich engagieren.
„Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, werden das Antlitz dieser Welt verändern“ – das ist ein afrikanisches Sprichwort und ich finde, es passt sehr gut zum heutigen Thema. Wir wollen heute über das freiwillige Engagement als Fundament unserer Gesellschaft sprechen. Wie ist der Status quo? Wie geht es den Freiwilligen in Österreich? Was hat Corona mit dem Freiwilligenengagement der Österreicherinnen und Österreicher gemacht? Welche Folgen hat die monatelange Zwangspause für den freiwilligen und ehrenamtlichen Einsatz für die Gesellschaft und für die Mitmenschen? Passen die politischen Rahmenbedingungen für das Ehrenamt?
Darum geht es heute, und ich darf dazu ganz herzlich begrüßen die Gastgeber des heutigen Abends, den Präsidenten des Nationalrates Wolfgang Sobotka gemeinsam mit den EhrenamtssprecherInnen der parlamentarischen Klubs, Herrn Abgeordneten Andreas Hanger, Frau Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, Frau Abgeordnete Rosa Ecker, Herrn Abgeordneten David Stögmüller und Herrn Abgeordneten Yannick Shetty.
Ich darf auch ganz herzlich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Diskussionsrunde begrüßen und auch gleich bitten, wenn ich den Namen sage, dass Sie aufstehen und sich vorne hinsetzen.
Ich beginne mit Mag.a Nicole Sonnleitner, Geschäftsführerin des Vereins Dieziwi – die Zivilgesellschaft wirkt und Sprecherin der IG Freiwilligenzentren Österreich. – Bitte sehr. (Beifall.)
Helga Steinacher, Leiterin Akademie der Kultur.Region.Niederösterreich. – Schön, dass Sie da sind. (Beifall.)
Stefan Grubhofer, Generalsekretär der Sportunion Österreich. (Beifall.)
Dr. Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verbandes Austria. (Beifall.)
Und ganz herzlich begrüßen möchte ich auch Dipl.-Ing. Franz Neunteufl, Geschäftsführer der Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen und Sprecher des Bündnisses für Gemeinnützigkeit. – Bitte sehr. (Beifall.)
Ganz herzlich willkommen heißen möchte ich außerdem alle anwesenden Mitglieder diverser ehrenamtlicher Organisationen und alle anwesenden aktiven Abgeordneten zum Nationalrat und Mitglieder des Bundesrates und natürlich auch die ZuseherInnen via Livestream.
Jetzt darf ich die Ehrenamtssprecher um ihre Statements bitten. Wir beginnen mit Abgeordnetem Andreas Hanger.
Andreas Hanger (Ehrenamtssprecher, ÖVP): Ich habe mir jetzt gerade die Frage gestellt, ob ich die Maske jetzt noch aufsetzen soll, aber natürlich sind wir ein bisschen auch in einer Vorbildfunktion als Parlamentarier, deswegen habe ich es auch gemacht. Aber wir freuen uns ja alle sehr, und das ist für mich so irgendwie das Allerschönste an dem heutigen Abend, eine erste Veranstaltung wieder mit Publikum, und das ist so ein Aspekt, der mich natürlich auch sehr, sehr freut.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen der anderen Parlamentsfraktionen zum Thema Ehrenamt! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mit Stolz sagen, wir sind Europameister! Da meine ich jetzt nicht den Fußball, da hoffe ich, dass das in ein paar Wochen der Fall sein wird, aber das wird man sehen, wir sind Europameister im Ehrenamt und im zivilgesellschaftlichen Engagement. Mehr als 3,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher engagieren sich in diesem Bereich, das sind 44 Prozent, wir sind mit diesem Wert wirklich an der Europaspitze. Das ist ein unglaublicher Wert, den man, glaube ich, nicht hoch genug schätzen kann. Aber es ist nicht nur die Quantität, es ist auch die Qualität und es ist vor allem auch diese Vielfalt.
Ehrenamt – man denkt dann zuerst vielleicht an die freiwilligen Feuerwehren, man denkt an die Rettungsdienste, man denkt an den Natur- und Katastrophenschutz, aber das ist ja viel, viel breiter. Es ist unglaublich viel kulturelles Engagement – heute Musik endlich wieder einmal da, ich freue mich sehr, das unmittelbar zu hören –, das ist der Sportbereich, das ist der soziale Bereich. Also diese Vielfältigkeit ist enorm und darauf können wir unheimlich stolz sein.
Ein Blick in die Zukunft – weil ich Franz Neunteufl gesehen habe –: Wir haben ja gemeinsam ein bisschen diesen Fonds, diesen Non-Profit-Fonds für die Organisationen verhandeln dürfen, und da hat er die Idee geboren, eigentlich brauchen wir eine starke Interessenvertretung noch für dieses ehrenamtliche Engagement. Das nehme ich so ein bisschen als politischen Auftrag mit, neben all dem, was eh im Regierungsprogramm Gott sei Dank drinnen steht. Wir hatten noch kein Regierungsprogramm, wo wir in dieser Dichte diese Programmatik hatten. Also ich freue mich da jetzt auch sehr, das anzugehen, in eine Umsetzung zu bringen.
Abschließend natürlich auch von meiner Seite – und ich denke, das werden dann auch die Nachredner machen – wirklich ein großes Danke an alle, die sich da tagtäglich einbringen. Wir haben die politische Aufgabe, für Rahmenbedingungen zu sorgen, dass zum einen nach der Covid-Krise wir dieses System entsprechend wieder hochfahren können – ich weiß auch, dass ich, glaube ich, 2 Minuten Redezeit habe, die werde ich schon ziemlich verbraucht haben.
In dem Sinne wirklich ein großes Danke für dieses Engagement von jedem Einzelnen in den vielfältigen Bereichen, und ich bin schon sehr gespannt auf die Diskussion, welche Inputs wir da auch in die politische Arbeit mitnehmen können, damit wir das Umfeld, damit wir die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt auch zukünftig so entwickeln können, wie wir es, glaube ich, alle gemeinsam wollen. – Vielen Dank. (Beifall.)
Elisabeth Feichtinger (Ehrenamtssprecherin, SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Das Ehrenamt ist für mich etwas ganz Besonderes. Ich bin Bürgermeisterin in Altmünster im Salzkammergut, Oberösterreich, und wir haben es jetzt gerade in der Coronazeit ganz stark erlebt, was es bedeutet, zusammenzuhalten. Es hat da einen schönen Spruch gegeben: Für mich ist Ehrenamt, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Das hat angefangen mit den Feuerwehren, über die Rettungsorganisationen, über die Jugendorganisationen, die zum Beispiel das Essen an Ältere vorbeigebracht haben.
Es hat mich auch unglaublich gefreut, wenn ich jetzt wieder die Musik höre. Ich bin langjährig Trompeterin gewesen, da geht mir das Herz auf. Das sind Dinge, das ist schön, dass es das wieder alles gibt, und vieles, vieles mehr im sozialen Bereich, im Sportbereich, und daher ist es auch wichtig, nicht nur Danke zu sagen, sondern Zeichen zu setzen. Ich habe einen Mitarbeiter bei mir auf der Gemeinde, der sich langjährig in der Rettung schon immer engagiert, und er sagt, es wäre so wichtig, wenn diese Ehrenamtsstunden auch für die Pension anteilig angerechnet würden. Ich glaube, das wäre etwas, was wir in der Politik ganz klar umsetzen können, und das heurige Jahr wäre doch ein guter Grund, damit zu starten. Oder auch: 50 Prozent der Ehrenamtlichen sind nicht versichert, also das ist einfach ein Thema, wo man schauen muss, dass diese Haftpflichtversicherung eingebracht und umgesetzt wird, damit einfach die Leute da mit einem guten Gewissen arbeiten können.
In diesem Sinne sage ich ein herzliches Dankeschön von meiner Seite. Ich kann nur sagen, schauen wir, dass wir dieses Jahr auch im Zeichen des Ehrenamts umsetzen und politisch auch Zeichen setzen. – Alles gute und herzlichen Dank noch einmal für das Engagement. (Beifall.)
Rosa Ecker (Ehrenamtssprecherin, FPÖ): Corona hat uns gezeigt: Eben lief noch alles ganz rund und plötzlich ist man auf sich alleine gestellt. Wen kann man bitten? An wen kann man sich wenden? Hilfe war oft näher, als man gedacht hat – die Nachbarschaftshilfe hat in dieser Zeit wieder ein großes, starkes Gesicht bekommen.
Ehrenamtliche tragen sehr viel zum kulturellen Leben in einer Gemeinde bei, zum gesellschaftlichen Leben, und sie stärken die Identität damit. Sportvereine, Kirchenchor, Kriegsgräberpflege, Blasmusik und noch vieles mehr würde ohne Freiwillige nicht in dieser Art und Weise passieren, wie es jetzt ist.
Ein Sozialjahr gerade im Bereich Sport und Kultur, wo es die meisten Ehrenamtlichen gibt, die sich beteiligen, wäre hier eine große Unterstützung. Aber denken wir auch an die Blaulichtorganisationen! Gerade diese Organisationen, die Leben retten, brauchen auch weiterhin große Unterstützung, abgesehen von der Freistellung für die Einsätze und für die Ausfallsentschädigung vom Katastrophenfonds, die ja schon in die Wege geleitet wurden.
Als Oberösterreicherin bin ich stolz, dass wir in Oberösterreich eine Ehrenamtsbörse, einen Ehrenamtsbonus haben, der bei Jobvergaben auch ausschlaggebend sein kann.
Corona war und ist für die Ehrenamtlichen in den Vereinen eine große Herausforderung, denn es gibt weniger Einnahmen und es gibt mehr Aufgabenbereiche. Feuerwehr und Rettung waren trotz der großen Infektionsgefahr immer zur Stelle, und die engagierten Menschen dort agieren höchst kompetent und professionell und sind eben bei Einsätzen in Gefahr – und wir haben es gerade gehört, der Versicherungsschutz wäre hier ganz wichtig.
Aber wir werden ja heute sicher noch am Podium hören, dass coronabedingt auch eine Lücke zu füllen ist. Man merkt den fehlenden Nachwuchs, die Jugendlichen müssen wieder für das Helfen gewonnen werden, Freiwilligenzentren würden das Engagement fördern und hervorheben.
Zusammengefasst ist eines ganz klar: Österreich zeigt ein beeindruckendes ehrenamtliches Engagement und dieses hat in der Zivilbevölkerung höchstes Vertrauen und ein hohes Ansehen. Und ihr Lohn ist ein Dankeswort – und da möchte ich mich auch anschließen und nutze diese Stunde, um allen Ehrenamtlichen für ihre großartigen Leistungen herzlich zu danken. (Beifall.)
David Stögmüller (Ehrenamtssprecher, Die Grünen): Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Ich freue mich, dass wir als Parlament in diesem Jahr einem in unserer Gesellschaft so weit verbreiteten Thema, nämlich dem Ehrenamt, eine Wertschätzung entgegenbringen und auch vorantreiben, das ist großartig und wichtig.
Ich möchte mich gleich auch, wie meine VorrednerInnen, dem Dank anschließen. Ich glaube, das ist notwendig, denn es sind so viele ÖsterreicherInnen und Menschen, die in Österreich leben, die sich hier so ehrenamtlich betätigen, und das ist großartig und wichtig für unsere Gesellschaft. Dafür danke.
Ich möchte aber auch ein paar Bereiche vom ehrenamtlichen Engagement herausheben oder darauf aufmerksam machen, die normalerweise nicht so im Mittelpunkt stehen, die nicht immer im Brennpunkt sind und nicht immer das sind, was wir darunter verstehen, dass man sich ehrenamtlich engagiert, weil es oft kleine Organisationen und Vereine sind, die aber dennoch enorm wichtig sind und ganz wichtig auch für die Zivilgesellschaft sind.
Beginnen möchte ich gleich einmal mit dem Umweltbereich, einem unserer Kernthemen. In diesem Bereich gibt es viele gemeinnützige Organisationen und Vereine mit unzähligen freiwilligen Menschen, die sich dafür engagieren, dass Umweltschutz und Klimaschutz verbessert werden, die gegen die Klimakrise kämpfen, die sich dafür engagieren, dass wir eine Zukunft haben auf diesem Planeten, und das ist wichtig und notwendig. Auch im Umweltschutzjahr, das für uns natürlich eine Relevanz hat und das wir auch mehr in den Vordergrund bringen wollen, ist es natürlich eine Notwendigkeit, dass das gestärkt wird.
Und auch das Engagement im Bereich der Gedenkpolitik und im Bereich der Menschenrechte ist uns ein wichtiges Anliegen. Mit einem Anstieg von rassistischen und antisemitischen Straftaten gerade in den letzten Jahren ist es wichtig, auch in diesem Bereich entschlossen entgegenzutreten und auch hier das zivile Engagement zu stärken. Hier möchte gerade der Gedenkdienst, dass junge Menschen die Möglichkeit haben, im Ausland ihren Gedenkdienst ableisten zu können, besonders hervorheben, aber auch das ehrenamtliche Engagement in den Bereichen Asylpolitik, Gewaltschutz, Opferschutz bis hin zu Zivilcourageinitiativen möchte ich hervorheben.
Vieles wäre in Österreich ohne Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, gar nicht möglich. Auch der Bereich der Katastrophenhilfe – die Kollegin hat es schon angesprochen – besteht zum großen Teil aus Menschen, die in ihrer Freizeit dieses Engagement voranbringen. Dieses Engagement zeigt aber auch eines auf: dass oft Menschen mit freiwilligen Leistungen dort einspringen, wo der Staat teilweise versagt hat oder zu spät handelt. Ohne diese Menschen könnte der Staat nicht so funktionieren, wie er teilweise auch funktioniert. Aus diesem Grund braucht es auch eine klare rechtliche Struktur und Ausgestaltung für das ehrenamtliche Engagement. Konkret braucht es eine Verbesserung der rechtlichen Situation von Organisationen und ihre Freiwilligen sowie die notwendige Infrastruktur, um ehrenamtliche Tätigkeit überhaupt ermöglichen zu können. Das ist notwendig.
Zeigen wir den vielen Freiwilligen in Österreich, dass uns ihr Engagement, ihre Arbeit, ihre Tätigkeit wichtig ist und wir nicht nur lobende Worte finden, sondern auch dementsprechend Taten folgen sollen! Ich hoffe, dass dieses Jahr auch dazu beiträgt, Herr Präsident, dass wir dieses wichtige Amt auch wirklich weiter vorantreiben und dieses Thema auch weiterverfolgen werden. – Vielen Dank. (Beifall.)
Yannick Shetty (Ehrenamtssprecher, NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Wenn man als Letzter drankommt, nach den Kolleginnen und Kollegen der anderen Parteien, zu einem Thema, wo auch parteiübergreifend viel passiert – im Gegensatz zum tagespolitischen Hickhack – fällt es mir jetzt schwer, nicht zu viel zu wiederholen. Ich versuche trotzdem, noch ein paar Aspekte hineinzubringen, auch als Übergang zur kommenden Diskussion, die vielleicht noch nicht so gesagt wurden.
Wir haben schon gehört, die unzähligen freiwilligen Feuerwehren, der Rettungsdienst oder – mir als Tiroler, als gebürtigem, auch wenn man es nicht mehr so heraushört – die Bergrettung, die jede Saison Unglaubliches leistet, ich glaube, die stehen im Vordergrund, wenn man über freiwilliges Engagement spricht. Das ist auch gut so, denn die leisten Unfassbares.
Aber ich möchte auch ein bisschen den Blick auf jene Organisationen, auf jene NGOs, auf Vereine lenken, die vielleicht nicht so im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, kleine Vereine, jüngere Vereine, die noch nicht so lange bestehen, die in ihren Bereichen jeweils auch Unglaubliches leisten – zum Beispiel in der Flüchtlingshilfe, gerade in den Jahren nach 2015, wo wir eigentlich wissen und wo jeder in der Politik hinter vorgehaltener Hand weiß, dass ohne dieses Netz wahrscheinlich sehr viel zusammengebrochen wäre, weil die sehr oft dort eingesprungen sind, wo der Staat ausgelassen hat. Oder junge Studenten, die Besuchsdienste in Pflegeheimen übernehmen, oder gerade jetzt die vielen Freiwilligen, die in den Impfstraßen, beim Testen mit anpacken und dabei unterstützen, dass wir diese so große Krise bewältigen.
Der 3. österreichische Freiwilligenbericht aus dem Jahr 2019 zeigt, dass an die 3,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher ab 15 in Vereinen, Organisationen und so weiter freiwillig engagiert sind, und als Jugendsprecher meiner Fraktion freut es mich sehr, dass das ehrenamtliche Engagement auch unter den unter 29-Jährigen, also den jungen Menschen, ganz besonders stark ausgeprägt ist.
Kollege Stögmüller hat es schon gesagt, ehrenamtliche Helferinnen und Helfer setzen dort ein, wo der Staat ja, man kann sagen, versagt oder wo er zumindest auslässt, also sind ein extrem wichtiges Sicherheitsnetz und auch aus liberaler Perspektive sind sie ein ganz wichtiger Bestandteil eines funktionierenden Staates, einer funktionierenden Demokratie. Dem Dank kann ich mich natürlich anschließen.
Und vielleicht abschließend als Übergang zu der jetzt anstehenden Diskussion, auf die ich sehr gespannt bin: Wir Politiker, Politikerinnen reden sehr oft von Wertschätzung, aber diese Wertschätzung muss auch in Taten Niederschlag finden. Deswegen bin ich sehr gespannt, wenn wir jetzt auch ein paar Vorschläge hören, wo wir als Politik mehr tun können, um einen besseren Rahmen zu schaffen, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese Wertschätzung auch tatsächlich gelebt wird.
Ja, ich glaube, ich darf an Sie übergeben. – Vielen Dank. (Beifall.)
Rebekka Salzer: Wir werden auf jeden Fall dieses Thema auch besprechen.
Vielen Dank Ihnen für die Statements und ich möchte gleich zur Diskussion kommen. Frau Sonnleitner, Sie sind eine Vermittlungsstelle für Leute, die sich freiwillig engagieren, aber auch für Vereine, die freiwillige Leute suchen. Wie hat sich denn jetzt Ihre Arbeit verändert in Zeiten von Corona?
Nicole Sonnleitner (Verein „dieziwi – Die Zivilgesellschaft wirkt“): Vielen Dank für die Einladung. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich sehr, hier sein zu können und einen sehr wichtigen Bereich zu vertreten, nämlich die Freiwilligenzentren in Österreich, die hier eine sehr wichtige Rolle übernommen haben.
Wir haben im Unabhängigen Landesfreiwilligenzentrum in Oberösterreich, das es seit 2008 gibt und in dieser Form wirklich einzigartig in Österreich ist, die dritte Krise erlebt. Wir haben eine Hochwasserkatastrophe erlebt, wir haben die Fluchtbewegung 2015/2016 als Freiwilligenzentrum erlebt und nun die Pandemie. Das heißt, wir haben aus diesen Krisen gelernt und haben sehr schnell unsere Rolle wahrgenommen. Das heißt, wir haben versucht, diese vielen Initiativen, die letztes Jahr im März binnen Tagen quasi sich zusammengetan haben, mit Einkaufsservice, mit Sich-um-andere-Kümmern zu unterstützen, denn, wie schon gesagt worden ist, es braucht einfach ganz, ganz wichtige Rahmenbedingungen, dass diese Freiwilligen gut tätig werden können.
Die Rolle der Freiwilligenzentren ist, diese Freiwilligen zu begleiten, ihnen die Strukturen zur Verfügung zu stellen, und, was ganz, ganz wichtig ist – weil uns geht es auch immer um diese kleinen Vereine, die kleinen NGOs, Initiativen auf lokaler Ebene –, dieses Wissen, diese Erfahrungen zu transferieren und voneinander zu lernen. Das heißt, unsere wichtigste Aufgabe war, Wissen weiterzugeben: Was kann man tun, wo gibt es eine Initiative und wie können wir voneinander lernen?
Und bei uns war es so, dass wir eigentlich dem Freiwilligenengagement - - Es hat keinen Abbruch gegeben, sondern wir haben wirklich - - Seit letztem März haben sich ungebrochen die Freiwilligen gemeldet, was sehr, sehr schön war, nur, die schwierige Herausforderung war, diese Personen zu vermitteln, weil tatsächlich einige Bereiche völlig geschlossen waren – das war der klassische Bereich der Besuchsdienste und andere Bereiche. Da hat es neue Wege geben müssen, das ist jetzt dieses Stichwort Digitalisierung und diese Entwicklung oder Weiterentwicklung im Bereich Online Volunteering, da können eben Freiwilligenzentren Strukturen hier wirklich sehr, sehr tatkräftig unterstützen, und das haben wir getan.
Rebekka Salzer: Das heißt, mit der Digitalisierung: Vielleicht haben Sie da ein konkretes Beispiel, wie kann man sich das vorstellen? Also Zoom-Vorlesen im Altersheim? Oder wie?
Nicole Sonnleitner: Viele verschiedene Dinge. Ein sehr schönes Beispiel ist, dass eben Leseprojekte, Lesepatenschaften wirklich dann online stattgefunden haben, braucht die Unterstützung von Schulen, Horten et cetera, braucht technisches Equipment, das ist ein sehr schönes Beispiel, diese Vorleseprojekte. Aber auch dieser Austausch untereinander dann, teilweise über Zoom oder wie alle diese verschiedenen Tools heißen, wo sich die Leute zusammengeschlossen haben und gemeinsam weitere Ideen entwickelt haben.
Sehr wunderbar waren auch in ganz Österreich verteilt Telefonprojekte, dass man wirklich per Telefon in Kontakt tritt mit den Menschen und immer mit diesem Ziel, wir müssen in Kontakt bleiben. Weil das war die größte Herausforderung und ist es auch jetzt noch, diese physische Distanz, dass die nicht wirklich zu einer sozialen Isolation führt. Und da wurden viele neue Wege beschritten und ich habe so das Gefühl, das war ein Anstoß, um diese Dinge weiterzuentwickeln, und auch diese neuen Entwicklungen, die uns zukünftig begleiten werden bei all diesen Herausforderungen, die nun auf uns zukommen, die brauchen ganz klar Rahmenbedingungen.
Rebekka Salzer: Da werden wir später noch darauf zurückkommen.
Frau Steinacher, Sie, als Leiterin der Akademie der Kultur.Region.Niederösterreich, wie haben Sie das im Kulturbereich erlebt? Da hat ja alles de facto zugehabt. Haben die Leute im Hintergrund weitergearbeitet? Die Freiwilligen auch? Oder sind die dann zu Hause geblieben? Wie kann man sich das vorstellen?
Helga Steinacher (Akademie der Kultur.Region.Niederösterreich): Sie sind natürlich zu Hause geblieben, weil es ganz schlicht und einfach keine Möglichkeit gegeben hat, sich zu treffen. Ich muss dazusagen, großes Lob an die vielen Ehrenamtlichen und engagierten Menschen im Kulturehrenamt, weil das eine große Herausforderung ist seit eineinhalb Jahren jetzt letztendlich, wo viele Kultureinrichtungen schließen mussten, wo viel nicht lebbar war, öffentlich nicht lebbar war, dass sich diese Menschen trotzdem zusammengefunden haben und hier sich kulturell sehr wohl auch beschäftigt haben.
Es gibt aber schon eine Zäsur, das darf man nicht vergessen, denn neben all dem großartigen Engagement muss man dazusagen, dass natürlich Brüche, die es schon vorher gegeben hat, sichtbar geworden sind, also dass Menschen seit vielen, vielen Jahren schon immer wieder auch überlegt haben: Tue ich mir das noch an? Mache ich noch den einen oder anderen Veranstaltungsreigen mit oder lasse ich es jetzt? Und das bildet eine Lücke. Und das muss man sich schon bewusst machen, dass diese Lücken dann da sind, denn wenn wir sagen, okay, dieses gesellschaftliche Engagement ist der gesellschaftliche Kitt, den wir brauchen – und das merke ich, ich komme vom Land, ich bin am Land aufgewachsen, und das ist jetzt absolut relevant –, und wenn dieser Kitt nicht mehr funktioniert und wenn wir junge Menschen nicht mehr motivieren können, dass ehrenamtliches Engagement ein wesentlicher Wert unserer Gesellschaft ist, dann werden wir in Zukunft ein Problem haben. Und im Kulturehrenamt spüren wir das sehr wohl, also es gab sehr wohl, - - ich sehe da schon eine Zäsur.
Ich glaube, es ist unsere wichtige Aufgabe dahin gehend: Wie können wir Perspektivenwechsel schaffen für ein Ehrenamt, das möglichst viel wieder zugänglich macht, das auch eine Veränderung zulässt, das auch eine neue Denkweise zulässt mit temporärem Engagement und ähnlichen Dingen? Ich glaube, jetzt ist die Zeit reif dafür.
Rebekka Salzer: Und wie könnte man das machen im Kulturbereich, dass man die Leute wieder motiviert, dass sie zurückkommen oder dass sie überhaupt erst beginnen mit der Freiwilligenarbeit?
Helga Steinacher: Ich denke, es beginnt bei der Kommune, es beginnt im eigenen Ort, es beginnt in der eigenen Region, es beginnt in der eigenen Stadt. Wir müssen hier schauen, dass gerade im kommunalen politischen Denken das Ehrenamt nicht etwas ist, das man kurz vor Weihnachten einmal bedankt mit einer Runde, sondern dass dieses tägliche Engagement auch eine tägliche Wertschätzungskultur abverlangt, auch im Kommunalwesen.
Ich habe vorhin den Film - - Das hat mir sehr gut gefallen, Demokratie ist ein Erleben und Verstehen, und genauso geht es um das ehrenamtliche Engagement, das für eine demokratische Gesellschaft einen ganz, ganz wesentlichen Wert darstellt, und ich denke, da braucht es diese Wertschätzungskultur, dass das auch gelebt werden kann und dass man sich auch motiviert fühlt darin, gesehen zu werden. Ich sehe es jetzt im Bereich des Kulturehrenamtes, dass wir hier schon die Aufgabe haben, sichtbarer zu werden.
Rebekka Salzer: Also die Anerkennungskultur ist ganz, ganz wichtig.
Herr Grubhofer, Sie haben mit rund 4 000 Sportvereinen zu tun. Wie hat denn die Freiwilligenarbeit bei Ihnen ausgesehen? Ich habe jetzt irgendwo gelesen, dass Sie sogar Zuwachs in den Fußballvereinen hatten. War das wie im Kulturbereich oder war das eher in der anderen Richtung?
Stefan Grubhofer (Sportunion Österreich): Ich kann mich da der Kultur nur anschließen, natürlich gab es bei uns auch eine Zäsur, also die Vereine oder die Obfrauen und Obmänner, die schon ans Aufhören gedacht haben, da gab es wirklich einige, die zugesperrt haben und jetzt einfach nicht mehr aktiv sind. Aber, und das muss man dazusagen, wir haben mehr Vereinsgründungen als Schließungen gehabt im Sportbereich – schräg, ist aber so, weil sehr viel Kreatives auch entstanden ist.
Das, was uns massiv getroffen hat oder treffen wird in Zukunft, ist eher der Mitgliederschwund. Wir haben jetzt hochgerechnet oder geschätzt rund 20 bis 30 Prozent, je nachdem, wo ich bin, städtischer Bereich oder im Fitness- und Gesundheitsbereich, wirklich Mitgliederentgang, und das sind Leute, die auch in Zukunft im Ehrenamt fehlen, denn normalerweise – ich habe es so gelernt bei meiner Jugendreferentin –, du wächst auf im Verein, machst eine Ausbildung, machst eine Übungsleitergeschichte, kommst dann irgendwann in den Verein hinein und übernimmst dann dort eine Tätigkeit, vielleicht als Trainer, dann irgendwo als Zeugwart oder Sonstiges. Und wenn du das nicht lernst, wenn du da gar nicht reinkommst, dann verlieren wir genau diesen Weg.
Nämlich das ist unser Sportunion-Weg, zu sagen: Von Kind auf sollst du dich bewegen und dann bist du auch in einem Verein integriert. Da wird es massiv schwierig sein, die Leute wieder zu gewinnen. Wir haben gemeinsam Gott sei Dank mit der Regierung und dem Sportministerium jetzt eine Mitgliederrückholaktion, die hoffentlich bald starten wird, um hier dieses Ganze wieder aufholen zu können, aber Mitglieder sind schon zurückgegangen. Das ist ein massives Thema.
Rebekka Salzer: Herr Lutschinger, hat sich auch die Spendenbereitschaft in Coronazeiten verändert? Sie sind ja im Fundraising tätig.
Günther Lutschinger (Fundraising Verband Austria): Ja, absolut. Wir haben etwas gesehen, was wir so nicht erwartet haben, muss ich dazusagen, eine so hohe Solidarität in der Gesellschaft, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa, weltweit eigentlich, weil Menschen mitbekommen haben, jetzt sind sie gefordert auch. Es ist ja letztendlich auch eine Krise, die jeden von uns erreicht hat, das heißt, die Spendenbereitschaft bei den Organisationen, bei den Menschen ist gestiegen, die Spenden sind in Österreich deutlich noch einmal angestiegen, um 50 Millionen mehr, das ist ein gewaltiger Betrag. Insgesamt werden in Österreich etwa 750 Millionen Euro gespendet in den Hilfsorganisationen, im Kulturbereich, im Sportbereich ein bisschen auch schon und so. Also wir sehen, dass gerade solche Zäsuren in der Gesellschaft natürlich auch die Menschen zusammenrücken lässt, und das ist das, was wir, glaube ich, auch spüren letztendlich.
Es geht ja hier – um vielleicht einen anderen Aspekt noch einzubringen – nicht nur darum, sozusagen subsidiär zum Staat etwas zu tun, sondern die Menschen auch zu ermächtigen letztendlich, ihren Umweltbereich, ihren Bereich in der Gemeinde oder auch darüber hinaus mitzugestalten und ihnen eine Rolle zu geben, eine Aufgabe, im besten Sinn sinnstiftend in der Gesellschaft etwas zu tun.
Rebekka Salzer: Was ich mich frage als Laie, jetzt ist ja natürlich auch die Arbeitslosigkeit gestiegen und den Leuten geht es nicht so gut in Coronazeiten, jetzt ist aber die Spendenbereitschaft gestiegen. Wie kann man sich denn das erklären?
Günther Lutschinger: Ich glaube, es ist ganz grundsätzlich so, wenn Menschen sehen, dass Not da ist, also wenn sie persönlich auch betroffen sind, dann geben sie, dann tun sie auch – das ist beim Freiwilligenengagement genauso wie beim Spendenwesen. Dass es natürlich auch Menschen gibt, die sozusagen finanziell verloren haben in der Krise durch Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, ist klar, aber die Mehrheit der Menschen hat sich einfach mehr auch engagiert und mehr angesprochen gefühlt und mehr gesehen, dass etwas getan werden muss.
Rebekka Salzer: Herr Neunteufl, Sie vertreten die Interessen gemeinnütziger Organisationen. Wie haben sich denn die Interessen dieser Organisationen verändert in der Coronazeit? Was brauchen die jetzt?
Franz Neunteufl (Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen): Na ja, da kann ich unmittelbar anschließen an das, was Kollege Lutschinger gerade gesagt hat. Der erste Impuls war Schrecken und: Um Gottes willen, jetzt werden die Spenden ausfallen! – das ist zum Glück so nicht gekommen.
Tatsächlich waren natürlich in einzelnen Bereichen wie eben Kultur und Sport sozusagen die Auswirkungen sehr unterschiedlich und hat es tatsächlich massive Einbrüche auch bei den Umsätzen gegeben. Und – Herr Abgeordneter Hanger hat es schon erwähnt – da ist uns schon etwas gelungen, ich glaube sogar, europaweit ist es immer noch so, dass da Österreich wirklich herausragt, indem wir diesen NPO-Unterstützungsfonds geschaffen haben, der sehr schnell nämlich auch hier eingesprungen ist und über den Fixkostenersatz analog zu den Unternehmen auch den Non-Profit-Organisationen massiv unter die Arme gegriffen hat und immer noch greift. Und ich weiß auch seit heute, dass es inzwischen auch schon wieder analog zur Wirtschaft die Absicht gibt, auch noch über die zweite Jahreshälfte hinaus dort, wo das nötig ist, Härtefälle abzufedern.
Rebekka Salzer: Was braucht es denn ansonsten für politische Rahmenbedingungen für die Freiwilligenarbeit und für das Ehrenamt?
Franz Neunteufl: Na ja, es wurde hier und wird viel von den Ehrenamtlichen selbst gesprochen. Das ist schon auch wichtig und es ist auch wichtig, dass man sich bei ihnen bedankt. Ich kann nur auch aus meiner eigenen Erfahrung sagen – vielleicht ist das jetzt so eine persönliche Geschichte –: das Danke, das war nicht für mich immer so wichtig.
Ich habe bei Ärzte ohne Grenzen gearbeitet als Geschäftsführer, im Büro, und dort hat man mir, als ich begonnen habe, gleich einmal gesagt: Hier arbeitest du nicht für Geld. Ich glaube, das ist das Motto eigentlich. Was uns verbindet und Menschen, die ehrenamtlich arbeiten, ist eine Haltung, wo ich sage, das Geldverdienen steht nicht an oberster Stelle. Es ist schon auch wichtig, dass ich mein Auskommen habe, aber es ist nicht die Nummer eins. Wir sehen halt, - - weiß ich nicht, kann ich nicht beurteilen, ob sich diese Haltung, dass Geld immer das Wichtigste ist, mehr und mehr durchsetzt, aber es ist jedenfalls wichtig, dass es Menschen gibt, bei denen das nicht so ist – und die sehen wir dort in den unterschiedlichsten Bereichen, die heute schon genannt wurden, am Land und in der Stadt und in den kleinen und in den großen Organisationen, zum Glück.
Was da besonders wichtig ist, was vielleicht manchmal zu kurz kommt, ist, meine ich, die Rolle der Organisationen selbst, das sind sozusagen die Labors, das sind die Institutionen, die den Rahmen hergeben – Kollegin Sonnleitner hat es ja auch schon angesprochen, das ist ein ganz wunderbares Beispiel aus Oberösterreich –, aber auf unterschiedlichsten Formen findet das ja überall in diesen kleinen Organisationen statt.
Ich stamme aus einer kleinen Gemeinde an der tschechischen Grenze und habe mir gedacht, das ist ein guter Grund, einmal den Bürgermeister wieder anzurufen, um sozusagen authentisch berichten zu können, falls ich gefragt werde, und möchte diese Gelegenheit auch nutzen. Und er hat mir erzählt eben, wie das jetzt mit Corona war, wie wichtig das war – da gibt es bei 700 Einwohnern 28 Vereine, aktive Vereine –, wie wichtig das ist – ich habe das selber schon ein bisschen vergessen, ich war damals auch noch bei der Feuerwehr, das ist schon lange her –, diese Schulen für soziale Kompetenz, die diese Vereine darstellen, und wie wichtig das ist, gerade in so einer ansonsten eher wirtschaftlich benachteiligten Region, was sozusagen dort für Leistungen erbracht werden – ich habe das selber schon ein bisschen vergessen, ich bin schon zu lange in der Stadt – und welchen Wert das darstellt.
Er hat das natürlich auch benutzt ein bisschen, um mir zu sagen, wie wichtig es wäre, wenn das auch von der Politik mehr geschätzt würde, und hat ganz konkret den Finanzausgleich angesprochen – da erzähle ich Ihnen sicher nichts Neues, Herr Präsident –, dass dieser abgestufte Bevölkerungsschlüssel seiner Meinung nach etwas ist, was verändert gehörte, um hier auch diesen Gemeinden besser unter die Arme zu greifen. Weil er sagt schon, sie sind immer zwischen Sein und Nichtsein, wenn es darum geht - -
Er hat dort einen Kinderhort gebaut, was in so einer kleinen Gemeinde gar nicht so einfach war und was viel Geld gekostet hat, aber weil er sagt, so kriegt er wieder junge Leute her und da gibt es Nachwuchs und die gehen wieder in die Vereine, ganz selbstverständlich. Und das ist ein Wert, den man, glaube ich, leicht unterschätzt, wie wichtig der ist, wenn man, schöne Worte sind oft dann nur schöne Worte, aber wenn man dann so ganz konkret hinschaut in eine Gemeinde, in die einzelnen Organisationen, dort, wo Menschen helfen aus diesem Bedürfnis heraus, zu helfen, und nicht so sehr, weil sie sich dafür irgendwas erwarten, außer eben dieses gute Gefühl, selbst wirksam zu sein.
Und das, meine ich, da müssten wir noch ein bisschen kreativer sein, wie wir diesen Wert auch erhalten können und fördern können, und da sind natürlich die Strukturen ganz, ganz wichtig, weil das ist nichts, was irgendwie von Wien aus oder sozusagen von der Regierung aus verordnet werden kann, sondern da braucht es, ja, es wurde schon gesagt, Sie haben es gesagt, viele kleine Menschen an vielen kleinen Orten, aber es braucht auch viele Strukturen, die diesen Menschen einen Rahmen geben, damit sie das tun können.
Rebekka Salzer: Da sind wir beim Thema: viele Strukturen.
Frau Sonnleitner, Sie leiten das Zentrum in Oberösterreich, das Freiwilligenzentrum, das gibt es aber nur in Oberösterreich. Bräuchte es nicht so etwas in jedem Bundesland, nämlich ein Zentrum, das eben Freiwillige vermittelt an Vereine, und ja, umgekehrt?
Nicole Sonnleitner: Ja. Also ich muss dazusagen, wir sind nicht das einzige Freiwilligenzentrum in Österreich, wir sind das Unabhängige Landesfreiwilligenzentrum, und dieses „Unabhängige“ sagt es schon, hinter uns steht eben keine große Trägerorganisation, keine Freiwilligenorganisation, das heißt, wir müssen für uns selbst keine Freiwilligen rekrutieren und das ist ein sehr wesentlicher Unterschied. Die Freiwilligen wollen/brauchen eine neutrale Anlaufstelle, wo sie sich informieren können, wo sie auch zwischen den Engagementbereichen wechseln können. Das ist schon genannt worden, die Leute suchen auch temporäre Sachen, die wollen flexibel bleiben und die brauchen Anlaufstellen, um das zu bekommen. Das ist etwas ganz Wichtiges.
Und was mir sehr wichtig ist – das hat Herr Neunteufl erwähnt –: diese Selbstwirksamkeit. Wir haben unseren neuen Verein, der jetzt heißt: Die Zivilgesellschaft wirkt, nicht einfach so benannt, sondern haben uns überlegt, die Freiwilligen wollen wirken und sie wollen wirksam werden – und darum geht es. Es geht darum, dass ihnen Kompetenzen vermittelt werden, es geht darum, dass sie ihre Motive in diesem Freiwilligenengagement leben können. Und ich sehe es genauso, es geht hier um keine monetäre Honorierung, es geht darum, dass sich diese Menschen in dem Engagement entfalten können und das Gefühl haben, dass sie unsere Gesellschaft mitgestalten.
Das ist etwas ganz Essenzielles, und dabei brauchen sie Unterstützung und dafür brauchen sie Rahmenbedingungen und es ist wichtig, dass sich diese Menschen, die mitgestalten wollen, nicht um ihren eigenen Versicherungsschutz kümmern müssen. Sie müssen Informationen an einer Stelle bekommen, die für sie relevant sind, vor allem rechtliche Informationen, dass sie einfach sich auf dieses Wirksamwerden konzentrieren können. Und da braucht es solche Strukturen, nicht nur, aber Freiwilligenzentren sind da einfach ein total gelingendes Mittel, dass man Menschen längerfristig, langfristig im Engagement halten kann und das wird zukünftig sehr, sehr wichtig sein. Deswegen ja, ein ULF, wie wir es nennen, ein Unabhängiges Landefreiwilligenzentrum, würde es in jedem Bundesland brauchen.
Rebekka Salzer: Und wie wahrscheinlich ist es, dass so etwas kommt, dass es so etwas geben wird in ein paar Jahren in jedem Bundesland?
Nicole Sonnleitner: Also ich mache jetzt meine Arbeit fast 13 Jahre, also 2008 ist das ULF Dank des Sozialministeriums und Sozialressorts Oberösterreich ins Leben gerufen worden, wir sind das einzige Freiwilligenzentrum, das so mit Ressourcen ausgestattet ist, dass wir tatsächlich Projekte initiieren können, aktuelle Trends aufgreifen können, mit den Menschen gemeinsam, und das waren jetzt 13 Jahre. Es gibt die Freiwilligenpartnerschaft Tirol, die vergleichbar ist mit uns, und es gibt einige kleine Freiwilligenzentren, die mit kaum Ressourcen ausgestattet sind. Ich würde es mir wünschen, dass es vielleicht nicht 13 Jahre dauert, dass es auch in anderen Bundesländern solche Freiwilligenzentren gibt.
Rebekka Salzer: Herr Grubhofer, im Bereich Sport, passen da für Sie die politischen Rahmenbedingungen? Es gibt ja auch im Regierungsprogramm Punkte, die das Freiwilligenthema behandeln, aber reicht Ihnen das, was es jetzt gibt, ist das genügend?
Stefan Grubhofer: Genug ist es nie, aber ich muss jetzt sagen, auf das ULF Bezug nehmend, wir sind schon so etwas, also wir Dachverbände haben genau diese Aufgabe. Wir haben Gott sei Dank die Autonomie des Sports bekommen und wir haben die Möglichkeit, aufgrund des Interesses des Sporttreibens, hier die Vereine mit den Obleuten – bei uns sind das 580 000 – gemeinsam wirklich zu entwickeln und zu betreuen. Das ist schon wirklich - - Wenn ich das höre, muss man extrem dankbar sein, dass wir hier auch mit Bundesfördermitteln ausgestattet werden und als Bund mit den Ländern gemeinsam diese Entwicklungsarbeit auch vollziehen können, weil die ist wirklich unsagbar wichtig.
Denn gerade in der Krise haben wir gemerkt, Information, Austausch, alle zwei Wochen eine neue Verordnung und die Freiwilligen wollen informiert werden in den Vereinen. Und je besser die Information, je schneller, je genauer, desto besser funktioniert es dann auch. Das war phänomenal, weil dann auch die Vereine wirklich weitergearbeitet haben. Es hat eine Krise gegeben und wir haben digitale Angebote gehabt innerhalb von zwei Wochen, weil der Verein gesagt hat, mit einem zweiten Verein: Machen wir das doch einfach!, und innerhalb von drei Wochen flächendeckend ein Programm mit 150 Angeboten von Montag in der Früh bis Sonntag am Abend.
Was will ich sagen damit: Wir brauchen einen Spielrahmen, Projekte ausprobieren zu können, wir brauchen einen Rahmen, der flexibles Arbeiten mit Freiwilligen ermöglicht, weil es ist ganz wichtig, Kontrolle zu haben. Nur: Wir werden extrem kontrolliert, nicht von unserer Bundes-Sport-GmbH, sondern von den Freiwilligen selbst. Wir sind eine Freiwilligenorganisation, das heißt, in erster Linie kontrollieren sich die Freiwilligen selbst, das heißt, du hast einen Rechnungsprüfer, der prüft den Verein, der Verein ist wiederum stimmberechtigt beim Landesverband und der prüft wiederum die Landesvorstandsmitglieder, und dieses Vertrauen, dass da was Gutes passiert, dass man Kontrolle hat, aber es trotzdem diesen Spielraum gibt, um hier Entwicklung zu ermöglichen, das ist etwas ganz Essenzielles.
Also diese Rahmenbedingungen, dass sie in einem Verband, in einem ULF oder einem Sportverband, Kultur, Dinge entwickeln können, diesen Spielraum brauchen wir, der muss gewährleistet sein, weil dann passiert sehr, sehr viel Gutes, dafür garantieren ganz, ganz viele Ehrenamtliche.
Rebekka Salzer: Frau Steinacher, wie ist das bei Ihnen – passen bei Ihnen die Rahmenbedingungen? Und wie soll das jetzt auch wirklich gelingen, dass Sie die Leute, die jetzt quasi abgesprungen sind in Coronazeiten, dass man die wieder nachhaltig zurückholt?
Helga Steinacher: Ich denke, wir müssen etwas näher an die Menschen herankommen. Wir sind natürlich sehr in den Institutionen, wir machen Beratungsgespräche, wir informieren. Wir haben in Niederösterreich mit dem Service Freiwillige ja eine sehr gute Institution, die hier beratend tätig ist, aber wir brauchen mehr Nähe zu den Menschen selber und das, was sie auch an Haltung mitbringen und das, was sie investieren. Also ich merke immer, dass wir auch in unseren Beratungsleistungen eher in einer verwaltenden Form sind und weniger dort, wo die Leute uns eigentlich brauchen, nämlich in der Motivation sie wirklich dahin gehend zu begleiten: Wie schaut mein ehrenamtliches Engagement aus? Wie kann ich es umsetzen? Wie komme ich zu dem Verein? Wie komme ich zu meiner Tätigkeit?
Und Herr Neunteufl hat es ja schon angesprochen, dass eben auch der monetäre Aspekt ein bisschen in den Hintergrund zu treten hat, denn es kann nicht sein, dass das einzige Gespräch, das ich mit meinem Bürgermeister oder meiner Bürgermeisterin führe, das ist: Wie kannst du mich fördern oder wie kannst du mich dahin gehend bei einer Veranstaltung oder ähnlichen Dingen unterstützen? Da geht es letztendlich immer um Geld und das ist eigentlich gar nicht so im Wesen des ehrenamtlichen Engagements drinnen.
Also ich glaube, es braucht hier auch ein bisschen einen Paradigmenwechsel im persönlichen Gespräch mit den ehrenamtlich engagierten Menschen, um sie auch wirklich zu verstehen, in ihren Haltungen oder das, was sie treibt, so wie Herr Neunteufl, Sie haben das von ihrer Gemeinde erzählt. Also es gibt in den Gemeinden extrem viele Vereine und das, was wir fördern sollten, sind auch die Kooperationen innerhalb oder Interaktionen zwischen diesen Vereinen. Also ich merke – ich komme aus dem Mostviertel, wir haben eine hohe Vereinskultur, eine hohe engagierte Kultur, aber es ist auch jeder so ein bisschen für sich. Und ich denke mir, da wäre es schön, wenn der Musikverein mit dem Sportverein, der Museumsverein mit wem anderen kooperiert, und da muss nicht immer Geld fließen, sondern da geht es einfach um Gedankenaustausch, da geht es um Leistungen, die man einbringen kann, die der andere braucht und wo es eine Wechselwirkung gibt.
Rebekka Salzer: Aber was sagen Sie denn, zum Beispiel, die SPÖ möchte ja, dass die Zeiten, die man arbeitet als Freiwilliger, an die Pension zum Beispiel angerechnet wird. Fänden Sie das sinnvoll dann?
Helga Steinacher: Ja, ich denke, grundsätzlich kann man über alle möglichen Modelle nachdenken. Was ich für wesentlicher hielte, wäre, dass man, wenn man junges Engagement haben möchte, dass dieses Engagement angerechnet wird bei den Fort- und Weiterbildungen, die jungen Menschen stehen in diesem Fortbildungsmodus. Wenn ich heute auf die Uni gehe und Medizin studieren möchte, dann muss ich eine ziemlich harte Aufnahmeprüfung machen, und wenn ich schon vorher zehn oder fünf Jahre beim Roten Kreuz tätig war, dann finde ich es schade, dass das überhaupt keine Auswirkungen hat darauf, dass ich mein Studium in der Medizin beginnen möchte.
Also hier wäre es vielleicht gut, Möglichkeiten zu schaffen, dass junge Leute einen Mehrwert dahin gehend sehen, warum ich mich überhaupt engagieren soll. Also diesen Mehrwert würde ich schon vorschlagen, das wäre ganz wichtig für das jugendliche Engagement.
Rebekka Salzer: Also bei einer Jobbewerbung dann zum Beispiel, dass ich sagen kann: Okay, ich war jetzt ehrenamtlich tätig.
Helga Steinacher: Zum Beispiel, genau, so ist es.
Rebekka Salzer: Herr Lutschinger, also im Ländervergleich, wenn man das jetzt zum Beispiel mit Deutschland vergleicht, wie sind da die politischen Rahmenbedingungen in Österreich im Vergleich zu Deutschland? Deutschland kann man, glaube ich, gut vergleichen mit dem Engagement der Freiwilligen.
Günther Lutschinger: Danke, dass Sie die Frage stellen sozusagen dieses Vergleichs, denn Deutschland hat ja auch ein ähnlich sehr hohes Beteiligungsniveau von den Organisationen her, von den Menschen, die sich im Freiwilligenwesen engagieren, hat allerdings – das, was Nicole schon angesprochen hat – wesentlich früher schon auch in die Infrastruktur investiert. Wir sehen dort in vielen Bundesländern, aber auch in Berlin große Freiwilligenzentren, eine Ehrenamts- oder Freiwilligenstiftung vor wenigen Wochen ins Leben gerufen von der deutschen Bundesregierung, also sehr klar sozusagen eine strukturelle Verankerung des Freiwilligenwesens auch in der Politik.
Erlauben Sie mir vielleicht an der Stelle sozusagen auch etwas zu sagen zum Nationalrat: Wenn man sich die Diskussionen hier im Nationalrat anschaut zum Thema Freiwilligenwesen, die Ergebnisse waren in der Regel eine sehr große Übereinstimmung aller im Nationalrat vertretenen Parteien, ich glaube sogar, meistens waren es einstimmige Beschlüsse zum Freiwilligengesetz oder zu Aufstockungen. Und die Diskussion hat sich sehr stark im Konsens auch bewegt und ich glaube, das ist eine wichtige Botschaft, die auch der Nationalrat letztendlich in die Gesellschaft schickt, dass über die unterschiedlichen politischen Ansichten hinweg das Thema Freiwilligenwesen und Ehrenamt hier eine große Rolle spielen.
Wenn ich noch kurz auf Deutschland replizieren darf und den Herrn Nationalratspräsidenten sozusagen unmittelbar anschauen darf: Ein Thema im Freiwilligenwesen ist natürlich Wertschätzung – Sie haben das auch in der Ausstellung sehr wunderbar rübergebracht, in den Ansprachen heute schon –, und diese Wertschätzung manifestiert sich ja letztendlich auch in den politischen Handlungsfeldern, und dieser Schwerpunkt, den das österreichische Parlament ausgerufen hat, ist ja so eine Wertschätzung in der Gesellschaft.
Der Deutsche Bundestag hat vor ungefähr zehn Jahren einen Unterausschuss gegründet zum Thema bürgerschaftliches Engagement – die nennen das ein bisschen anders, das wirkt vielleicht für uns ein bisschen befremdlich –, aber dieses bürgerschaftliche Engagement in Deutschland in diesem Unterausschuss hat die Aufgabe, so wie in Österreich letztlich ja auch, die verschiedensten Politikfelder, wo Freiwilligenwesen, ob das in der Kultur ist, im Sport ist, im Sozialbereich, in der Katastrophenhilfe, auch zusammenzuführen und hier zu einer parlamentarischen Diskussion zu führen. Dadurch wird freiwilliges Engagement natürlich auch sichtbar auf parlamentarischer Ebene.
Vielleicht ist das eine Möglichkeit, auch in Österreich diesen Schwung des heurigen Jahres vielleicht auch weiterzuführen in einer parlamentarischen Arbeit mit so einem Konstrukt eines vielleicht - -, in Deutschland ist es ein Unterausschuss, ich kenne mich zu wenig aus mit den parlamentarischen Usancen, aber da wird der Herr Präsident sicher wissen, welche Möglichkeiten es gibt, hier sozusagen das Freiwilligenwesen auch langfristig über das heurige Jahr hinaus sichtbar zu machen und zu verankern.
Rebekka Salzer: Herr Neunteufl, wie sehen Sie das? Es gibt 14 Punkte im Regierungsprogramm zum Thema Stärkung des Freiwilligenwesens, zum Beispiel Schaffung eines Ehrenamtsgütesiegels, nationale Strategie für das Freiwilligenengagement, die Evaluierung des Freiwilligengesetzes. Sind das jetzt Ankündigungen, die dann nicht wahrgenommen werden? Oder wie ist da der Status quo aus Ihrer Sicht jetzt? Also was fehlt da noch oder was muss da unbedingt noch gemacht werden?
Franz Neunteufl: Wenn ich gleich bei dem Punkt Evaluierung des Freiwilligengesetzes anfangen kann: Ich war heute mit Kollegen Lutschinger bei einer Fokusgruppe, wo wir genau darüber diskutiert haben, mit dem NPO-Kompetenzzentrum, das beauftragt wurde mit dieser Evaluierung. Da passieren also schon Dinge, auch wenn sie jetzt nicht in der Zeitung stehen.
Natürlich ist es schon so, dass uns diese Pandemie alle auf dem falschen Fuß erwischt hat, uns auch insofern, als wir uns natürlich gefreut haben über diese Dinge, die da im Regierungsprogramm stehen im Jänner 2020, und mit Mitte März war die Party sozusagen vorbei und sie ist immer noch vorbei und wir hoffen, dass wir also jetzt wieder sozusagen zur Tagesordnung und zum Regierungsprogramm zurückkehren können. Herr Abgeordneter Hanger hat mir da jetzt ein bisschen Hoffnung gemacht in seinem Statement, ich glaube es noch immer nicht ganz, weil wir diese Hoffnung jetzt schon mehrfach hatten mit sozusagen diesen verschiedenen Wellen, die uns hier - -, die wir da durchmachen mussten.
Aber ja, ich hoffe, dass der Tag jetzt dann bald kommt, wo unsere Gesprächspartner in der Regierung und im Parlament in der Lage sind, wieder sozusagen über diese Dinge mit uns zu reden, die da im Regierungsprogramm stehen – und das sind ganz wichtige Punkte. Ich muss es ja jetzt nicht wiederholen, aber eine gesamthafte Strategie, die meiner Meinung nach natürlich eine Aufgabe des Bundes ist, wo dann zum Beispiel auch ein Ergebnis so etwas sein könnte wie ein parlamentarischer Unterausschuss und viele andere Dinge, die dann in den Ländern nach ihrer jeweiligen Eigenart auch umgesetzt werden können.
Auch das habe ich gelernt und ich bin selbst auch ein Beispiel sozusagen für diese Vielfalt von Organisationen und Bedürfnissen und dass man da nicht alle sozusagen über einen Leisten brechen kann. Da braucht es schon viel Flexibilität, wir wissen, dass die Vorarlberger da ganz speziell sind, da gibt es auch ein Büro zur Förderung des Freiwilligenengagements, glaube ich, das eine ganz gute Arbeit macht. Von dort habe ich heute auch gehört, die machen das genau, die Vereine untereinander in Werkstätten zusammenbringen. Also da gibt es ja unglaublich viele Beispiele und gute Ideen, und das zu mobilisieren und in Gang zu setzen, das wäre einmal eine sehr schöne und sinnvolle Sache, an der wir gerne mitarbeiten würden.
Rebekka Salzer: Jetzt stellen wir uns einmal kurz vor, Herr Grubhofer, es gäbe keine Freiwilligen in Österreich – was würde denn das bedeuten? Wir haben 4,3 Millionen Erwerbstätige in Österreich und 200 000 Vollzeitäquivalente, die freiwillig arbeiten – wäre sehr schwierig ohne Freiwillige, oder? Es gibt ja auch einen sehr hohen volkswirtschaftlichen Nutzen. Also wird da vielleicht in der Politik auch zu wenig gemacht? Weil das ist ja eine ganz wichtige Gruppe, diese Freiwilligen.
Stefan Grubhofer: Eine spannende Frage und eine ganz einfache Antwort: Es würden sich die Mitgliedsbeiträge der Eltern oder der Kinder für Sportvereine – für die kann ich sprechen – versechsfachen oder die Förderungen und Subventionen müssten sich versiebenfachen, wir haben das gerade aktuell heute auch in einer Pressekonferenz herausgebracht. Und da passiert dann etwas sehr, sehr Spannendes – was eigentlich traurig ist –, denn Bewegungssport wird für den Großteil nicht mehr möglich sein, weil er nicht mehr leistbar ist.
Und diese Frage ist erst in der Beantwortung gekommen: Was machen wir für die sozial Schwächeren in dem System drinnen? Und das wäre natürlich ein Riesenthema. Das heißt, Ehrenamtlichkeit garantiert im Sport Mitgliedschaftspreise im Schnitt bei Kindern und Jugendlichen von rund 80, 90 Euro, im Erwachsenenbereich je nach Sparte, aber im Durchschnitt österreichweit 160 Euro. Das heißt, es ist für jeden leistbar, sich bewegen zu können in der Gruppe gemeinsam, und gemeinsam in der Gruppe ist Bewegung sogar noch gesünder. Und das ist auch wissenschaftlich erwiesen. Das heißt: Ohne Ehrenamt im Sport gibt es keinen Sport.
Rebekka Salzer: Das heißt, das wäre dann wirklich nur was für die Wohlhabenderen, der Sport, wenn man sagt, gäbe es jetzt keine Freiwilligen, dann müsste man wirklich, wie Sie gesagt haben, einfach die Mitgliedsbeiträge verachtfachen, damit das irgendwie noch leistbar ist.
Stefan Grubhofer: Wie man sieht, der Sport hat eine lange Geschichte, Gott sei Dank, aber wir waren heute beim ältesten Körpersportverein, den gibt es seit 1863, das ist der erste Ruderklub LIA, und LIA, oder Rudern, muss man sagen - - Wenn man ein bisschen in die Geschichte zurückgeht, Sport ist extrem auch in der Gesellschaft unterschiedlich verankert. Früher hat es Arbeitersport gegeben und es gab bürgerliche Sportarten. Das heißt, alles, was man sich leisten musste, wo ein bisschen mehr Einkommen da war, ein bisschen mehr Zeit, waren eher bürgerliche Sportarten, und dann gab es die sogenannten Arbeitersportarten, das waren ganz andere.
Das hat sich im Laufe der Jahre – das ist 1800 her – angeglichen, mittlerweile sind wir sehr stark im Fitness- und Gesundheitssportbereich gemeinsam unterwegs, aber auch im Leistungssportbereich, und jetzt ist die Aufgabe in erster Linie, gemeinsam die Leute fitter zu machen, wieder bewegen zu können. Weil, man muss dazusagen, das letzte Jahr, Corona, hat uns auch was Gutes gebracht, vier Kilo mehr auf den Hüften, und die müssen wir wieder einmal runterbringen, denn nachhaltig für die Gesellschaft bedeutet das, wenn wir die Kinder und die Erwachsenen nicht bewegen, fehlen sie uns auch am Arbeitsplatz. Und das ist eine andere Dimension dann.
Rebekka Salzer: Da können sicher viele mitreden bei den vier Kilos mehr auf den Hüften, das glaube ich auch. – Frau Sonnleitner, sehen Sie das auch so?
Nicole Sonnleitner: Also ich will mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn es die vielen freiwilligen Katastrophenhilfs- und Rettungsdienste oder im Sportbereich nicht gäbe. Aber ich komme wieder zu den vielen anderen Bereichen im Flüchtlingsbereich, politischen Interessenvertretungen, Gemeinwesenarbeit, Sozialbereich, Gesundheitswesen et cetera, et cetera. Ich will es mir nicht vorstellen, dass es diese Freiwilligen nicht gibt.
Rebekka Salzer: Aber legt dann die Politik zu wenig Fokus darauf? Weil wenn es so wichtig ist und so zentral und essenziell - -
Nicole Sonnleitner: Eben, deswegen betone ich es so oft, weil dort wirklich - -, und dort ist das Potenzial und vor allem im Hinblick auf unsere Zukunft, wo es geht um Themen wie Einsamkeit, Isolation, Alterseinsamkeit, Diskriminierung, armutsgefährdete Familien, die sind in allen diesen Bereichen und da werden wir zukünftig noch viel mehr Freiwillige brauchen, die das mitunterstützen, diese Herausforderungen zu meistern. Deswegen sind mir diese Bereiche einfach so unglaublich wichtig. Und wir in Oberösterreich vernetzen auch diese Vereine, und da ist so viel Potenzial an Ideen, Tatkraft, Energie, Motivation da und die müssen unterstützt werden. Das ist wirklich für uns ein Zukunftsthema, weil wir damit diesen Herausforderungen begegnen können und wir in Summe in unserer Entwicklung als Gesellschaft mit den Freiwilligen unglaublich bereichert werden, und deswegen will ich mir das ohne die Freiwilligen nicht vorstellen.
Rebekka Salzer: Wie war denn das eigentlich – noch eine kurze Frage zu Corona –, gab es da auch Situationen, weil das war ja doch alles sehr auf Distanz, dass da Freiwillige auch weggeschickt worden sind von Vereinen, oder Organisationen gesagt haben: Wir brauchen dich jetzt leider gerade nicht, komme bitte später wieder! Und was hat das mit den Menschen gemacht, sollte das so passiert sein?
Nicole Sonnleitner: Ja, das ist passiert, und deswegen wieder, dafür braucht es Freiwilligenzentren, weil es wurden ja nicht alle Bereiche geschlossen, und da ist es immer ganz wichtig, dass es eben eine übergeordnete Anlaufstelle gibt, wo man hingehen kann und dieses Engagement zur Verfügung stellt. Denn es ist nichts schlimmer, als wenn man einen motivierten Menschen, der sich engagieren will, einfach wegschickt, das ist eine Kränkung, der fühlt sich zurückgewiesen und geht uns als Gesellschaft mit dem Engagement oft leider verloren.
Und es hat Bereiche gegeben, wo man sich engagieren kann, und das ist eben wichtig, dass es diese Stellen gibt, wo aus den verschiedensten Bereichen dann die Menschen auch hinkommen können, und wir finden sicher für alle den passenden Engagementbereich. Es gibt so unglaublich viel zu tun, unsere Gesellschaft ist so vielfältig, und so vielfältig sind auch die Möglichkeiten bei uns.
Rebekka Salzer: Frau Steinacher, wie kann man jetzt - - Ich habe die Frage vorhin schon einmal gestellt, aber gerade im Kulturbereich stelle ich mir das eben schwierig vor, weil da eine wirklich große Durststrecke auch war: Wie motiviert man jetzt vor allem auch welche, die vielleicht noch gar nicht ehrenamtlich tätig waren, dass sie da jetzt in den Kulturbereich einsteigen und sich da engagieren?
Helga Steinacher: Man muss vor allem da auch die Haltung unterstützen und dahin gehend motivieren, dass es notwendig ist und dass es eine wertvolle und Mehrwert bietende Kraft ist in der Gesellschaft, aber auch im eigenen Ort. Weil wo passiert das Ehrenamt? Das passiert ja nicht 100 Kilometer weit entfernt von wo ich wohne, sondern es funktioniert genau dort, wo ich bin, und da ist es ausnehmend relevant – das weiß man im Sport.
Also ich kann mir gar nicht eine Gesellschaft vorstellen – das ist dystopisch –, ohne Ehrenamtliche, also ohne die Fußballklubs, ohne den Musikverein, ohne das Museum. Also wenn man so ein bisschen nachdenkt, merkt man eigentlich, wo überhaupt ehrenamtliche Tätigkeit drinnen steckt, und ich denke, das wäre wichtig, das auch sichtbar zu machen und spürbarer zu machen.
Also was ich gemerkt habe auch im Zuge von Corona, ist, dass wir ganz viel als selbstverständlich wahrgenommen haben – mein Kind geht in den Sportverein, es ist ganz selbstverständlich, dass dort der Trainer oder die Trainerin wartet, es abholt und es eine Stunde oder 1,5 Stunden betreut; es geht in den Musikverein, es geht ins Museum mit Kinderprogramm und Wochenende und, und, und. Es sind Tausende kleine und große Schritte, und für mich sind es nicht kleine Leute, sondern eigentlich in ihrer Haltung sehr große Leute, die diese Zeit zur Verfügung stellen. Ich glaube, diese Sichtbarmachung, dieses Unterstützen, den Rücken zu stärken von diesem Engagement ist das, was wir in nächster Zeit einfach zu tun haben, das ist auch ein Arbeitsauftrag.
Rebekka Salzer: Herr Lutschinger, wird da zu wenig sichtbar gemacht? Werden die Ehrenamtlichen zu wenig in den Fokus gestellt, ins Scheinwerferlicht?
Günther Lutschinger: Da kann man immer mehr machen. Ich glaube, das ist eine Möglichkeit, sozusagen vielleicht auch mehr in Richtung eines Preises zu machen – zum Beispiel in Deutschland braucht es immer sehr große Kampagnen, um die Ehrenamtlichen auszuloben.
Aber erlauben Sie mir, vielleicht einen anderen Aspekt noch kurz einzubringen, weil wir ja schon ein bisschen was darüber diskutiert haben, über die Jugend wieder reinbringen ins Freiwilligenwesen – auf der einen Seite –, aber ich möchte einen anderen Aspekt noch einbringen: Engagement im Alter ist ein ganz zentrales Thema, das nicht nur Leistung erbringt, sondern letztendlich auch sinnstiftend die Menschen in der Gesellschaft hält, vor Einsamkeit schützt, für sozialen Anschluss.
Ich bin sehr froh, dass im Gesundheitsministerium derzeit darüber diskutiert wird, im Rahmen der Gesundheitsziele – und ich bin sicher, dass der Bericht dann auch ins Parlament kommt –, zu sagen, freiwilliges Engagement oder dieses Engagement ist auch ein Gesundheitsthema. Menschen, die aktiv bleiben im Alter, in welcher Form auch immer, bezahlt oder unbezahlt, sind auch gesünder, sind resilienter letztendlich auch sozusagen in der Krise, und wir müssen schauen, dass wir für diese Zielgruppe auch entsprechende Angebote schaffen. Die können natürlich jetzt vielleicht nicht in jedem Sportverein mehr gleich gute Leistungen erbringen, aber sie können als Funktionäre vielleicht mitwirken, als Trainer, oder in anderen Bereichen. Im Museumsbereich weiß ich, dass sehr viele Leute sich auch dort engagieren.
Ich glaube, auch diesen Fokus hinzulegen, zu sagen, es gibt diese Zielgruppe, die immer größer wird in Österreich, die sozusagen den Unruhezustand der Pension erleben, und wir müssen mehr Angebote auch für die machen, einfach auch, um sie gesund und vernetzt und nicht vereinsamt in der Gesellschaft zu halten.
Rebekka Salzer: Das heißt, man muss die auch proaktiver ansprechen, weil ich habe jetzt auch irgendwo gelesen, dass sich manche Leute nicht engagieren, weil sie sagen, ich bin ja auch gar nicht gefragt worden.
Günther Lutschinger: Die häufigste Antwort bei Umfragen, warum sich Leute nicht engagieren oder auch nicht spenden, ist: Ich wurde einfach nicht gefragt. Jetzt kann man sich das wahrscheinlich nicht so vorstellen, aber es geht ja immer um die persönliche Ansprache, also jemanden wirklich abzuholen heißt jetzt nicht nur, zu sagen, jeder kann sich in Österreich engagieren, sondern ihn auch mit den richtigen Angeboten in der Gemeinde oder auch überregional von den Vereinen her an die Bevölkerung heranzutragen.
Rebekka Salzer: Aber wie kann das konkret passieren? Was kann man da zum Beispiel machen? Eine Initiative auf Gemeindeebene? Ich weiß es nicht, wie kann man die Leute wirklich ansprechen, dass man sie nämlich auch erreicht?
Günther Lutschinger: Ich glaube gerade, dass wir heute - - Wir haben ein Thema in Österreich, das muss ich vielleicht noch ansprechen, wir haben kurz über die Digitalisierung gesprochen, ich glaube, dass die neuen Medien hier uns viele Möglichkeiten eröffnen, sozusagen in jedes Dorf oder in jeden Haushalt zu kommen. Wir haben in Österreich sicher noch ein großes Thema in der Digitalisierung und für die Vereine, auch im Freiwilligenwesen, hier entsprechende Apps zu entwickeln, hier entsprechende Strukturen auch aufzubauen.
Auch da ist uns Deutschland ein bisschen weiter voraus, aber ich glaube, das werden wir auch gemeinsam schaffen, in diesem Bereich neue Angebote zu schaffen, die auch sozusagen auf der virtuellen Ebene letztendlich die Leute abholt, aber sie dann auch in einen sozialen Kontakt letztendlich zu bringen mit den Mitmenschen und sie sozusagen aus - -, ihnen auch ein Angebot zu machen. Machen muss es eh jeder für sich selber dann.
Rebekka Salzer: Herr Neunteufl, weil da gerade das Thema Digitalisierung gefallen ist: Glauben Sie, dass es vielleicht sogar eine Chance war durch Corona, dass Digitalisierung weiter vorangetrieben worden ist?
Franz Neunteufl: Das kann ich für mich selbst auf jeden Fall bestätigen, weil wir haben früher bei unseren Veranstaltungen eigentlich nur Menschen aus dem Raum Wien und bestenfalls Umgebung erreicht, und heute schaffen wir mit den Webinaren das locker, bis nach Tirol in jedes Tal zu kommen. Und da werden wir nicht die Einzigen sein, denen es so geht, und das gibt einen gewaltigen Schub.
Es fehlen uns dann, wenn wir - -, das heißt, nicht am wirtschaftlichen Leben teilnehmen, das heißt als Vereine keine Unternehmereigenschaft haben, nicht die Möglichkeit des Zugangs zu den Investitionsförderungen, wie das für die Unternehmen zum Beispiel der Fall ist. Das ist auch so eine Geschichte, wo wir noch daran arbeiten müssen, dass das auch gesehen wird, dass es hier nicht nur um Unternehmen geht, sondern dass es hier auch Non-Profit-Unternehmen gibt, die, sage ich, mindestens genauso wichtig sind wie die Wirtschaft.
Aber was mit Digitalisierung - - Mir ist jetzt in den Sinn gekommen, ich habe gerade gelesen von Richard David Precht „Von der Pflicht“, ein Buch, das ich jedem sehr ans Herz legen kann. Er hat das aus Anlass der Pandemie geschrieben, rund um das Thema Pflicht, weil er festgestellt hat, dass es nicht nur in Deutschland, sondern auch bei uns immer mehr Menschen gibt, die sozusagen ihr eigenes Verständnis oder Nichtverständnis von Pflicht entwickeln und wo der Eigensinn im wahrsten Sinn des Wortes hier überhandnimmt zulasten des Gemeinsinns und dass das natürlich eine sehr gefährliche Entwicklung ist, indem diese Menschen sich sozusagen ihre eigene Realität bauen.
Und auch da meine ich, ist es extrem wichtig, dass man hier vorsichtig ist und hier auch die gemeinnützigen Strukturen und alle, die vorhanden sind, die hier sozusagen über das Ehrenamt es ermöglichen, diesen Gemeinsinn und nicht Unsinn zu entwickeln, dass das auch eine gewisse Beachtung verdient.
Rebekka Salzer: Wir sind leider schon fast am Ende, ich würde noch gerne eine kurze Abschlussrunde machen, und zwar: Herr Grubhofer, was wünschen Sie sich oder was ist Ihr absolutes Kernanliegen? Was soll in den nächsten fünf Jahren passieren im Bereich Freiwilligenarbeit?
Stefan Grubhofer: In den nächsten fünf Jahren: eine Kompetenzenanerkennung für freiwilliges Engagement, das für Freiwillige auch umsetzbar ist, also für echte Freiwilligenorganisationen, und wo ich keine Heerschar von Hauptamtlichen brauche, die dann diese Standards oder diese Formulare oder was es auch immer bei uns schon gibt, teilweise, mit vielen guten Ideen auch umzusetzen sind. Und dass man dann wirklich einen Vorteil hat, wenn ich – ob es jetzt fünf Jahre oder fünf Stunden in der Feuerwehr waren, ich glaube, es ist nicht die Stundenanzahl, es geht darum, diese Kompetenzen, die man im Verein lernt, einfach sichtbar zu machen und diese dann auch genutzt zu bekommen, wenn ich, weiß ich nicht - -
Ich bin Übungsleiter in einem Sportverein, mache eine Ausbildung, mache die Sportlehrerausbildung, und dann würde ich gerne optimalerweise auch in einer Schule in der Nähe unterkommen, dann sollten wir genau diese Leute bevorzugen, weil die sind dann auch in dem Verein drinnen und die sollten natürlich in ihrer Heimatgemeinde auch unterkommen. Das ist eine Win-win-Situation für alle, und genau solche Erleichterungen muss es geben, die sinnstiftend sind im gesamtgesellschaftlichen Kontext.
Rebekka Salzer: Frau Sonnleitner, was wünschen Sie sich?
Nicole Sonnleitner: Jetzt muss ich mir ganz genau überlegen, was ich mir wünsche, weil es viele wichtige Personen hören. Ich wünsche mir in jedem Bundesland ein ULF, ich würde mir wünschen, dass es auch eine österreichweite Anlaufstelle, Koordinierungsstelle für Freiwillige und freiwillige Organisationen gibt, ich würde mir wünschen, dass die vielen tollen Projekte aus Oberösterreich – also wir haben ja auch für Junge was, für ältere Menschen –, diese vielen Ideen, dass wir die breit zur Verfügung stellen können über solche Strukturen und dass damit wirklich eine rasante Entwicklung im Freiwilligenbereich passieren kann. Und ich wünsche mir, dass eben dafür die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Rebekka Salzer: Danke schön. – Herr Neunteufl?
Franz Neunteufl: Ich habe mir gerade gedacht, ich bin ein schlechter Interessenvertreter, weil ich so geduldig bin. Ich war jetzt sehr geduldig mit dieser Regierung, weil natürlich immer es geheißen hat: Nein, jetzt nicht, jetzt ist Corona und jetzt ist Krise, und jetzt können wir nicht über Regierungsprogramm reden.
Satellitenkonto haben wir vor mehr als einem Jahr besprochen, das kommt jetzt dann demnächst – Satellitenkonto bedeutet nichts anderes, als dass die Statistik Austria beauftragt wird, regelmäßig auch Kennzahlen zu erheben über diesen sogenannten dritten gemeinnützigen Sektor, sodass wir das nicht selbst tun und zahlen müssen und dann ein Durcheinander von verschiedenen Zahlen aus verschiedenen Jahren haben. Dann werden wir gefragt von den Medien: Wie viele Organisationen gibt es denn? Und was ist denn die Wertschöpfung? Und wie viele Leute arbeiten denn dort? Und wie viele Ehrenamtliche? – Gut, das macht der Freiwilligenbericht alle paar Jahre, aber das könnte doch die Statistik Austria endlich machen, und die wissen auch, wie das geht, und da braucht es gar nicht viel, damit das geschieht. Also das wünsche ich mir und dass das nicht fünf Jahre dauert, sondern dass das heuer noch losgeht.
Und dann wünsche ich mir, dass wir jedenfalls bis zum Ende der Legislaturperiode eine Freiwilligenstrategie haben, das steht im Regierungsprogramm, sozusagen, dass die Initiative vom Parlament kommt und hier in Form eines auch ständigen Unterausschusses letzten Endes in Zukunft eine Verankerung gibt, die sicherstellt, dass das nicht jetzt hier sozusagen eine Eintagsfliege ist, sondern wirklich langfristig Menschen darüber nachdenken und zusammenarbeiten, um hier diese wichtigen Werte, über die wir jetzt ausreichend gesprochen haben, auch zu verankern, dann wäre ich froh, ja. – Danke.
Rebekka Salzer: Frau Steinacher, Ihre Wünsche?
Helga Steinacher: Ich würde mir sehr wünschen, dass es mehr sichtbare Anerkennung gibt. Ich habe schon mehrfach gesagt, sichtbare Anerkennung liegt darin, was ehrenamtliche Tätigkeit gesellschaftlich bewirkt. Wir haben von der Wirksamkeit gesprochen, das wissen wir, wenn man ehrenamtlich tätig ist, man spürt es auch selber, aber man braucht natürlich auch die Resonanz von außen. Und das ist sehr wichtig für die eigene Motivation, dass man hier im Ehrenamt auch verbleibt und dem nicht den Rücken kehrt, das wäre ganz schlecht und sehr schlimm. Also ich glaube, es wäre sehr wichtig, diese Wertschätzungskultur stärker zu pflegen, das nicht nur in den Reden zu belassen, sondern auch Taten folgen zu lassen.
Es freut mich ja, dass die Parlamentarier von verschiedensten Fraktionen hier so eine große Einigkeit zeigen im Wert dieser ehrenamtlichen Tätigkeit, das heißt, das ist ja schon einmal eine großartige Chance, hier auch Rahmenbedingungen zu schaffen, dass wir auch in den nächsten fünf Jahren diese ehrenamtliche Tätigkeit nach wie vor in den Gemeinden, in den Regionen und den Städten wiederfinden können.
Rebekka Salzer: Herr Lutschinger, was muss für Sie passieren in den nächsten fünf Jahren, in den kommenden fünf Jahren?
Günther Lutschinger: Ich glaube, es ist schon viel gesagt. Nur zur Wiederholung sage ich an der Stelle sozusagen, ich würde mir wünschen, um das jetzt einmal für das nächste Jahr zu sagen, dass die Initiative des österreichischen Parlaments sich sozusagen auch noch auf das Jahr 2022 erstreckt, dass sozusagen diese Auftaktveranstaltung, die wir heute erleben dürfen, sich sozusagen auf der parlamentarischen - -, und ich wiederhole das noch einmal sozusagen, ich finde das so toll, dass hier alle Parteien an einem Strang auch ziehen, auch mit der Präsidiale hier, dass wir diese Wertschätzung, die vom österreichischen Parlament ausgeht, wirklich hinaus auch in die Regionen gemeinsam tragen.
Rebekka Salzer: Vielen Dank. – Danke Ihnen allen für die Diskussion. (Beifall.)
Und ich darf jetzt den Gastgeber, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, um seine Abschlussworte bitten.
Wolfgang Sobotka (Nationalratspräsident): Sehr geehrte Vertreter der Freiwilligenorganisationen, die Sie alle heute da sind! Liebe Kollegen im Nationalrat! Ich bin ein bisschen ermutigt heute – ich habe mir das etwas anders vorgestellt –, weil ich das gelegentlich selbst wahrnehme, dass einige Vereine wirklich ganz große Schwierigkeiten haben, die verlieren ein Drittel ihrer Mitglieder, die sind kaum in der Lage, ihren normalen Betrieb aufrechtzuerhalten. Und dann hat mich Ihre Diskussion doch sehr ermutigt heute.
Auf der anderen Seite sehen wir die Herausforderungen. Ich glaube, Corona hat vieles sichtbar gemacht, was vorher wahrscheinlich auch schon bestanden hat, da gibt es noch kaum wirklich eine Forschung dazu, denn vieles braucht ja eine gewisse Zeit. Wenn wir in die Geschichte zurückschauen, gab es ja unzählige Vereine, die es heute alle nicht mehr gibt, und so ein Werden eines Vereins geht sehr schnell, aber ein Sterben ist meistens in Etappen. Ich denke, dass es für uns, die Aufgabe des österreichischen Nationalrates – ich nehme da gerne den Bundesrat auch mit –, ist, darüber nachzudenken auf der einen Seite, aber dann den Freiwilligen auch ein Podium zu geben.
Das ist eine Auftaktveranstaltung, ich nehme das bewusst wahr, wir können das gerne in das nächste Jahr hinüberziehen und gerne dann auch vielleicht darüber nachdenken, wie wir in Permanenz uns dieser Thematik annehmen, die natürlich grundsätzlich strukturell sehr stark in den Ländern verankert ist. Sie wissen das, da gibt es nämlich auch zwischen den Ebenen der Körperschaften immer wieder eine gewisse Redundanz oder dann vielleicht sogar eine Rivalität. Wir wollen auf keinen Fall jemandem etwas wegnehmen, ganz im Gegenteil, wir wollen ein Podium bieten. Weil: Was hat der Nationalrat als Körperschaft schon für eine Aufgabe? – Dann ist es eigentlich, modern sagt man: Mindset, oder einfach, das Bewusstsein der Menschen zu heben. Das ist in all unseren großen sechs Thementeilen, die wir immer wieder betreiben, das ist das Wesentlichste, was wir eigentlich tun wollen.
Wenn man zurückgeht und das zerlegt in frei, willig, Ehre, Amt, dann steckt dort eigentlich in diesen vier Begriffen alles drinnen, was Sie heute so quasi erwähnt haben und was, glaube ich, ganz wesentlich ist, dass man das erhält.
Entstanden sind die Vereine, indem die großen bürgerlichen Freiheiten gefordert sind, das ist Meinungsfreiheit, das ist die Versammlungsfreiheit – aus der Versammlungsfreiheit sind sie entstanden die Vereine, 1848. Ich habe das selber einmal als Historiker mir angesehen, die Vereine davor, da gibt es auch welche, die standen ungeheuer unter Kuratel. Also das ist ein tiefes Engagement, wo sich Bürger auch wenig dreinreden lassen wollen. Und ich glaube, das ist auch für uns, und ich trenne das bewusst nicht – was mir heute aufgefallen ist – so zwischen Politik und Vereine, wir sind alle Politik oder wir sind - - Wenn wer bei einem Verein ist, und es sind immerhin an die 50 Prozent der Österreicher in einem Verein tätig - - Ich bin seit meinem fünften Lebensjahr bei einem Verein, ein Vereinsmeier so quasi, ich habe keine operative Funktion, aber eine unterstützende oder eine arbeitende Funktion bei den Vereinen.
Ich glaube, das ist ein zentraler Punkt, dass der Verein auch sich persönlich muss entfalten können. Das heißt, das Regularium sollte wahrscheinlich sehr, sehr reduziert sein, die gesetzliche Basis. Wir diskutieren das Vereinsrecht ja seit vielen, vielen Zeiten, und ich denke, dass das etwas ist, was man mit sehr großer Sorgsamkeit auf der einen Seite diskutieren muss. Einen Verein können drei Leute heute gründen und das ist gut so und da braucht auch niemand dahinterschauen. Wenn wir aber gleichzeitig haben wollen, dass es eine Absicherung gibt im Sozialrechtlichen, da sehe ich sehr vieles an Möglichkeiten, Möglichkeiten auch zu geben jungen Menschen, sich engagiert zu zeigen, damit eben, wo sie Qualifikationen erwerben, diese auch im beruflichen Leben anerkannt werden – das weiß ich nicht, wie es noch gehen könnte.
Wir haben im Studienbereich europäisch mit den ECTS, glaube ich, einen wesentlichen Punkt gesetzt, wir schaffen es nicht, im Sekundarbereich der Bildungseinrichtungen diese Vergleichbarkeit herzustellen. Denken Sie nur, Sie wechseln einen Schulstandort, Sie haben dort keine Bepunktungen, damit wird Wechsel sehr schlecht möglich oftmals, und wir sehen das bei den Vereinen, wie man das bemisst, um wirklich auch einen Maßstab zu finden, der überall Anwendung finden kann. Ich halte es aber für notwendig, darüber nachzudenken, wie das denn vielleicht sich doch realisieren lässt, um hier wirklich einen Anstoß zu finden.
Ich halte für ganz wichtig den Begriff der Ehre. Ich glaube, das ist das Zentrale, warum man es eigentlich macht. Wenn man sich selbst einmal als Funktionär hinterfragt oder als Mitglied eines Vereins: Warum bin ich eigentlich dabei, was bewegt mich dort?, dann ist es doch das Engagement, die Gesellschaft zu gestalten, haben Sie gesagt, sich einzubringen, sich zu verwirklichen. Wir sehen jetzt in einer kleinen Untersuchung, dass in Zeiten von Corona es bei sehr vielen Jugendlichen - -
Ich war erst gestern in einer Impfstraße der Johanniter in Währing draußen, und mir sagen dort die Leute, es ist eine ganz große Interessenlage, gerade während Corona, wo sie sonst nirgends hingehen konnten, sich dort zu melden, weil sie dort Anschluss hatten. Das heißt also, das soziale Engagement, dort Leute zu treffen, die etwa gleichgesinnt sind, dieselben Interessenlagen haben, sich auszutauschen mit denen, ist auch immer wieder in anderen Bereichen, wenn es nicht wirklich inhaltlich so klar auf dem Tablett serviert wird, ein ganz wesentlicher Motivationsfaktor.
Und es ist letzten Endes das Amt – dass man eine Aufgabe hat. Und es ist heute sehr oft gesprochen worden über die Sinnstiftung. Wir wissen aus der Untersuchung, Menschen, die länger arbeiten, leben länger. Und Arbeit heißt nicht nur immer Lohnarbeit. Wenn wir uns heute das ansehen: Letzten Endes zwei Drittel des Einkommens auch der arbeitenden Bevölkerung kommt aus dem Erwerbstätigsein, ein Drittel aus vielen anderen Bereichen und im Pensionsbereich aus vielen anderen Faktoren, und das Intrinsische der Arbeit, dass man hier dem Leben eine Struktur gibt, eine Möglichkeit gibt – wir brauchen da einen viel umfassenderen, einen viel größeren Begriff der Arbeit. Arbeit wird immer reduziert und wird meistens konnotiert mit Leid und Last. Sie kennen alle die Situation, wenn jemand sagt, ich muss mich aufs Wochenende freuen, und am Wochenende ist er aber dann im Verein heftigst aktiv und macht sehr viel. Das heißt, es braucht dort auch ein Bewusstsein, was das Thema Arbeit schlussendlich ausmacht.
Ich denke, dass wir vieles mitnehmen können. Ich glaube, unsere Vereinssprecher und - - Es wäre schön, wenn wir jede Parlamentssitzung so einmütig beginnen könnten und dann letzten Endes auch diesen gemeinsamen Fokus finden.
Ich darf mich recht herzlich bei unseren Freiwilligensprechern bedanken. Ich glaube, es wird an euch liegen, dass wir mit den nötigen, wirklich gemeinsamen Initiativen den einen oder anderen auch rechtlichen Punkt in die Umsetzung bringen, dass wir den Vereinen auf der einen Seite die Möglichkeit geben, sich entwickeln zu können – klar: ohne Geld ka Musi, heißt es so schön. Sie brauchen finanzielle Unterstützung, sie brauchen Förderung, das ist gar keine Frage, und die kann immer mehr sein, auch das wissen wir. Aber sie brauchen vor allem das, und das sollen wir zum Ausdruck bringen: Wertschätzung.
Ich kann nur sagen, ich ziehe wirklich meinen Hut vor Leuten, die sich freiwillig engagieren, die ungeheuer viel beitragen dazu, dass diese Gesellschaft so quasi in wirklich allen Bereichen – und vergleichen Sie das mit anderen Ländern – wirklich so einen guten Zusammenhalt hat. Manchmal beschreiben wir in der sogenannten Politik ein bisschen ein Zerrbild, wenn man den Berichten der Medien folgen möchte oder die aus den einzelnen Parteien abgesonderten Botschaften nur auf sich wirken lässt. Dort, wo es darum geht, wirklich sich um die Anliegen der Menschen ganz intensiv zu kümmern, dort gibt es Gott sei Dank eine große Gemeinsamkeit, und Freiwilligenarbeit dient ganz wesentlich der Integration oder Inklusion, ich glaube, wie wir das auch immer wieder nennen, und das muss die Gesellschaft immer als Ziel haben. Es muss immer das Ziel sein, nie jemand hinauszustellen, sondern hereinzubitten.
Und das möchte auch das Parlament tun, als Haus offen zu sein, ich kann auch ermutigen, Veranstaltungen zu diesem Thema zu machen. Wir werden dann mit einem Symposium im Herbst fortsetzen, wir werden mit einem Crowdsourcingprojekt auch Ideen einbringen, die auch heute schon genannt worden sind, sie auch weitergeben an die jeweiligen Körperschaften, die notwendig sind, auch das voranbringen, und wir werden am Tag des Ehrenamtes so quasi noch einmal auch mit einer Veranstaltung versuchen, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Ich glaube, es ist gemeinsam eine - -
Und es ist gefragt worden: Was müssten wir tun, wenn es keine Freiwilligen gäbe? Also es gibt nicht nur die Frage der Subvention, es gibt auch die Frage der öffentlichen Berichterstattung. Denken Sie an die Medien, wie viele Seiten sie füllen mit dem freiwilligen Engagement! Denken Sie einmal, wie viele interessante Botschaften Sie bringen, die sie rausbringen! Also eine Zeitung, die nur über die Politik berichtet – so wichtig sie ist –, ist, glaube ich, auf Dauer nicht lesbar. Und ich denke mir, das, was Menschen interessiert, ist ganz wesentlich auch diese Arbeit der Freiwilligen. Und vor allem, wir sehen das in der Granulierung: Dort, wo es wirklich im Lokalen, im Regionalen geht, wird das noch zentraler wesentlich. Und das ist unsere Aufgabe, diese Bewegungen auch zu unterstützen.
In dem Sinne noch einmal ein herzliches Dankeschön. Ich freue mich schon wieder, wenn man dann nach einer Veranstaltung noch zusammenstehen kann und vielleicht ein Glaserl Wasser von mir aus für die Sportler, für die anderen auch einmal vielleicht einen G’spritzten in Wien oder was anderes trinken kann, um sich auszutauschen, weil auch das gehört ganz wesentlich zur Vereinsarbeit dazu. Daher auch ein herzliches Dankeschön an Sie alle, die Sie heute gekommen sind. Sie zeigen nicht nur das Interesse, Sie zeigen nicht nur das Anliegen, sondern Sie sind für uns auch Multiplikatoren. Tun Sie das, bringen Sie das hinaus und werden Sie nicht müde dabei! (Beifall.)
Rebekka Salzer: Vielen Dank, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Sie haben es schon angesprochen: Es gibt eine parlamentseigene digitale Crowdsourcingplattform, die ab morgen in Betrieb ist, da können Sie Anregungen oder Inputs hineinschreiben, und zwar unter www.crowdsourcing-oesterreich.gv.at, man muss sich kurz registrieren und dann kann man auch schon loslegen.
Ich darf mich von Ihnen verabschieden, danke fürs Kommen, danke für Ihr Interesse. Ich hoffe, es war auch für Sie eine spannende Veranstaltung.
Ich darf Ihnen jetzt noch einen feinen Abend wünschen und wir schließen mit dem „Mürztaler Marsch“ vom Musikverein Langenwang. – Danke schön. (Beifall.)
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(Es folgt ein Musikstück.)
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