Transkript der Veranstaltung:

Verleihung der Concordiapreise

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(Es folgt ein Musikstück.)

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Daniela Kraus (Generalsekretärin des Presseclub Concordia): Vielen Dank! Herzlich Willkommen zur Verleihung der Concordiapreise.

Als Allererstes einen ganz herzlichen Dank, dass wir auch dieses Jahr wieder im Parlament sein dürfen und ich begrüße ganz herzlich Parlamentsdirektor Dr. Harald Dossi. Vielen Dank. (Beifall.)

Mein Name ist Daniela Kraus. Ich bin die Generalsekretärin des Presseclub Concordia und ich werde die heutige Veranstaltung moderieren.

Ich möchte ganz herzlich willkommen heißen Andreas Koller, den Präsidenten der Concordia (Beifall), Dr. Heide Schmidt, die Vorsitzende der Jury und ehemalige Dritte Nationalratspräsidentin, ganz vielen lieben Dank auch für die Leitung dieser Jury. (Beifall.)

Jetzt rede ich schneller, weil sonst ist meine Moderationsdisziplin dahin, wenn wir jeden anapplaudieren, der hier ist. Ich möchte mich ganz besonders noch bedanken bei Dr. Hannes Strohmayer, der den Preis für Pressefreiheit stiftet.

Ich möchte besonders natürlich begrüßen die Preisträger Robert Treichler, Emran Feroz, Sayed Jalal Shajjan und Dieter Bornemann und die Laudatoren Georg Hoffmann-Ostenhof und Armin Wolf. Vielen Dank. (Beifall.)

Natürlich begrüße ich ganz herzlich alle anwesenden Medienvertreter und Medienvertreterinnen, Herrn Generaldirektor Wrabetz für den ORF, schön, dass Sie da sind (Beifall), und alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen hier im Saal und natürlich auch im Livestream.

Ich danke auch den Blum’s Brothers, die uns heute musikalisch begleiten werden. Danke schön für den Schwung, den sie hereinbringen. Wir brauchen zwar eher ein bisschen Abkühlung, aber ich glaube, wir werden auch uns zurückhalten müssen beim Mitwippen. (Beifall.)

Die Concordiapreise werden seit 1997 vergeben und würdigen außerordentliche publizistische Leistungen in den Bereichen Pressefreiheit und Menschenrechte.

Bei dieser Preisverleihung ist alles ein bisschen anders. Wir sitzen mit Masken da, wir sind weniger als sonst und wir haben auch diese Preisverleihung schon mehrmals verschoben. Umso größer ist die Freude, dass wir heute live da sind und dass es live stattfindet. Ich freue mich wirklich. Weil es war wirklich ein langes hin und her bis dann klar war, jetzt geht es aber wirklich. Umso größer ist der Dank noch einmal, dass wir heute hier sein dürfen.

Ich bedanke mich nochmal und gebe gleich das Wort an Sie, Herr Dr. Dossi. (Beifall.)

Harald Dossi (Parlamentsdirektor): Vielen Dank. Sehr geehrte Damen und Herren, dass die Concordia-Preisverleihung hier im österreichischen Parlament bereits zur Tradition geworden ist, das freut mich sehr. Es ist eine besondere Ehre, die Eröffnungsworte in Vertretung des Präsidenten des Nationalrates zu sprechen. Dieser ist heute verhindert. Er lässt Sie aber herzlich grüßen und wünscht der Veranstaltung einen guten Verlauf.

Ich begrüße Sie meinerseits sehr herzlich, coronabedingt viele von Ihnen leider nur virtuell.

Ich bin ersucht worden, Sie heute nicht nur zu begrüßen, sondern auch grundsätzliches zur Pressefreiheit zu sagen. Das mache ich in der gebotenen Kürze gerne, obwohl mir bewusst ist, dass Sie erwarten würden, dass hier im Parlament im sogenannten Herzen der Demokratie derart Grundsätzliches nicht von einem Beamten, sondern von politischer Seite gesagt wird. Aber gut, ich werde mein Bestes versuchen.

Es ist, sehr geehrte Damen und Herren nicht alles gut mit der Pressefreiheit. Weltweit sicherlich, aber auch in Österreich. Ich muss in diesem Zusammenhang an Felix Ermacora denken, den ich in den Achtzigerjahren gegen Ende meines Studiums als akademischen Lehrer kennenlernen durfte. Dass er im Übrigen auch ein großer Parlamentarier war, mag meine Erinnerung zusätzlich erklären. Felix Ermacora hat jedenfalls zum Thema Menschenrechte – und nicht zufällig beinhaltet der Concordiapreis auch die Kategorie Menschenrechte – gesagt, dass man sich, wenn es um Menschenrechte geht, nie damit beruhigen darf, dass es woanders noch schlechter steht. Oder mit anderen Worten: Auch in sogenannten entwickelten, rechtsstaatlichen, liberalen Demokratien stellt sich die Frage der Menschenrechte andauernd, vielleicht in einer ausdifferenzierteren, subtileren Form, aber sie erledigt sich nie. Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren gilt, glaube ich, auch für die Pressefreiheit.

Medien haben für eine demokratische Gesellschaft, für einen demokratischen Parlamentarismus zentrale Funktionen. Sie agieren als Multiplikatoren und schaffen eine Öffentlichkeit für den politischen Diskurs. Im selben Zug üben sie ihre Kontrollfunktion gegenüber den Mächtigen aus, und dies auch in Österreich unter schwierigen Rahmenbedingungen. Ich nenne hier stichwortartig nur einige: die wirtschaftlichen Voraussetzungen und deren Auswirkungen auf die Größe sowie auf die Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten der Redaktionen, unsichere Anstellungsmodalitäten, die Digitalisierung, die sozialen Medien. Diese Rahmenbedingungen sind politisch gestaltbar.

Diesbezügliche Antworten werden Sie von mir heute nicht bekommen, auch wenn ich weiß, wie drängend sie sind, vor allem, weil ich weiß, wie wichtig effektive und funktionierende Pressefreiheit für das Gelingen jeglichen demokratischen Projektes ist.

Ich kann Ihnen aber immerhin sagen, welche Anstrengungen die Parlamentsdirektion diesbezüglich unternimmt. Wir versuchen, vor allem im Rahmen unserer Demokratiewerkstatt einen kleinen Beitrag zur Medienkompetenz junger Menschen zu leisten. Ganz zentral ist, dass wir uns bemühen, im Parlament die bestmöglichen Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten zu schaffen und stetig zu optimieren. Neben dem Medienservice, das nicht nur an Plenartagen Ansprechpartner für die Medien ist, bemühen wir uns auch stetig, das tägliche parlamentarische Geschehen in der Parlamentskorrespondenz so umfassend und verständlich wie möglich abzubilden. Mit diesen Services versuchen wir die Arbeit von Ihnen bestmöglich zu unterstützen.

Dabei sind wir auch bemüht, den Zugang zu Informationen so umfassend und leicht wie nur irgend möglich zu gestalten. Seit einigen Monaten schon ist die sogenannte Fachinfoseite des Parlaments online, auf der wissenswerte Hintergründe und vertiefende Analysen zu Themen von parlamentarischem Interesse in Form von Fachdossiers zur Verfügung gestellt werden.

Im kommenden Jahr wird ein weiterer zentraler Meilenstein gesetzt. Im Zuge der Wiedereröffnung nach der Sanierung wird auch die neue Website des Parlaments online gehen, auf der wir neue Standards in Fragen von Open Data setzen werden.

Wir als Parlamentsdirektion werden darüber hinaus stetig an der Weiterentwicklung unserer unterstützenden Tools für die Berichterstattung aus dem und über das Hohe Haus arbeiten, um Sie, meine Damen und Herren immer bestmöglich unterstützen zu können.

Ich sehe die Verleihung des Concordiapreises in diesem Kontext nicht nur symbolisch für die gelungene und weiterhin gute Zusammenarbeit zwischen dem Parlament und den unabhängigen Medien im Sinne einer lebendigen und stabilen Demokratie.

Die heute prämierten Personen belegen auch, welch fantastische Arbeit die österreichischen JournalistInnen trotz schwieriger Rahmenbedingungen leisten. Herzlichen Dank. (Beifall.)

Andreas Koller (Präsident des Presseclub Concordia): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Guten Abend auch von meiner Seite, schön, Sie alle hier zu sehen, nicht nur im Video, sondern in echt, auch wenn die Maske noch ein wenig ungewohnt ist, weil eigentlich hat man sich schon sehr daran gewöhnt. Man muss sich dann wieder an die maskenlose Zeit gewöhnen, das wird hoffentlich nicht mehr allzu lange dauern. Jedenfalls schön, dass so viele von Ihnen hier sind.

Ich möchte mich bedanken bei Ihnen, Herr Dr. Dossi, erstens für Ihre grundsätzlichen Worte, von denen ich hoffe, dass Sie die Medienpolitik in diesem Land ein wenig befruchten und beflügeln werden, das werden wir sehen, sondern auch dafür, dass in diesem Haus, nämlich im Parlament, wirklich gute Arbeitsbedingungen für uns Journalisten herrschen. Ich bin jetzt schon so alt, dass ich mich noch an Nationalratspräsidenten Benya erinnern kann. Seit damals war es eigentlich immer so, dass die Parlamentsdirektion und das Präsidium und die Präsidiale versucht hat, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Für das möchte ich mich herzlich bedanken.

Es ist so, wir haben alle diese eher mühsame Pandemie erlebt, die ja bekanntlich noch nicht vorbei ist. Interessanterweise war die Pandemie für uns Journalisten und Journalistinnen und überhaupt für den Journalismus gar nicht so eine schlechte Zeit. Es war eigentlich eine gute Zeit, denn man hat erkannt, dass für recherchierenden, analysierenden, einordnenden, kommentierenden Journalismus nicht nur Platz in diesem Land ist, sondern dass sogar ein großes Bedürfnis danach besteht.

Das sage ich nicht nur so dahin, das ist durchaus auch durch Studien belegt. Also dass die Nutzung der klassischen Medien da zugelegt hat, das kann auch der ORF, glaube ich, bestätigen, der ja auch vielfach für seine Wissenschaftsberichterstattung ausgezeichnet wurde. Also wir Journalistinnen und wir Journalisten konnten unter Beweis stellen, dass wir doch wichtig sind, wenn es um Informationen geht, die eben nicht irgendwie dahingeplappert werden in Social Media, sondern die fundiert sind, die einfach gescheit sind.

Gleichzeitig ist es eine relativ mühsame Zeit für Journalisten und für Journalistinnen. Ich möchte Sie jetzt nicht mit einem Problemaufriss belästigen, vor allem deswegen, weil die Probleme Ihnen allen genauso gut bekannt sind wie mir. Also diese Probleme reichen von einem für mich zumindest relativ neuen Phänomen, dass man als Journalist, als Journalistin gewärtig sein muss, dass man am Rande von Demonstrationen belästigt oder sogar körperlich attackiert wird von irgendwelchen wild gewordenen Aluhutträgern, und das geht bis zu Einschüchterungsversuchen, Einschüchterungsklagen großer Wirtschaftskonzerne gegen kritische Medien. Also auch dieses Phänomen konnten wir oder mussten wir in letzter Zeit manchmal registrieren. Das ist sicher auch etwas, was uns in der nächsten Zeit beschäftigen wird.

Dazu kommt ja noch, dass die politische Großwetterlage jetzt auch nicht so wahnsinnig gut ist für den Journalismus. Ich erinnere daran, dass es immer noch kein Informationsfreiheitsgesetz gibt. Ich erinnere an die auch wirklich schon hundertfach dokumentierte Schieflage bei der Vergabe von Förderungen und öffentlicher Inserate, und ich erinnere daran, dass jetzt, gerade während wir hier stehen, die „Wiener Zeitung“, die älteste bestehende Tageszeitung der Welt, um ihr Überleben kämpft. Das ist eigentlich alles nicht sehr lustig.

Sie sehen also, es gibt genug zu tun für einen Club wie den Presseclub Concordia. Wir bleiben dran.

Der heutige Abend hat ja den Sinn, Journalisten auszuzeichnen, die dagegenhalten, die sich gegen diese Strömungen stellen, die mutigen Journalismus betreiben. Der Presseclub Concordia vergibt – wie die Generalsekretärin gesagt hat – seit vielen Jahren einen Preis für Pressefreiheit und einen Preis für Menschenrechte. Ich glaube, dass wir auch heute wieder sehr, sehr würdige Preisträger gefunden haben, die sozusagen die Liste der bisherigen Preisträger würdig fortsetzen. Das sind Kollegen, die ihrem oder unserem Berufsstand wirklich große Ehre machen. Herzliche Gratulation an die Preisträger! Danke an die Laudatoren, die sich bereitgefunden haben, diesem Fest einen würdigen Rahmen zu geben.

Jetzt muss ich noch einige Dankesworte sprechen. Frau Dr. Schmidt, Ihnen wurde schon gedankt. Auch von meiner Seite, ich kann es Ihnen nicht ersparen. Danke, dass Sie unserer Jury schon einige Jahre in bewährter Weise vorsitzen und das hoffentlich noch einige Jahre tun werden. Also ich habe Sie jetzt pragmatisiert, jetzt können Sie gar nicht mehr Nein sagen.

Ich möchte auch noch erwähnen, wer sonst noch in der Jury saß. Das war die Kollegin Elisabeth Horvath, Brigitte Handlos, Barbara Trionfi, Johann P. Fritz, Andrea Helige, Martin Halama, Nina Strasser, Arnd Henze, Christoph Zotter und Nina Horaczek. Danke den Kolleginnen und Kollegen!

Und last, but not least: Dank an unsere Sponsoren, die Dr. Strohmayer Privatstiftung und die Bank Austria. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

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(Es folgt ein Musikstück.)

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Daniela Kraus: Liebe Heide Schmidt, darf ich dich aufs Podium bitten für die Jurybegründung, und vielen Dank für die wie immer umsichtige Leitung der Diskussionen in der Jury.

Heide Schmidt (Vorsitzende der Jury): Es ist immer eine Freude! Einen schönen guten Tag! Anlässe wie diese erinnern mich dann immer daran, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO genauso alt ist wie ich. Das ist noch nicht so lange, obwohl ich mich durchaus manchmal alt fühle, aber für eine solche Erklärung ist das noch nicht so lange, und daher darf einen manches vielleicht nicht wundern.

Die Geschichte der Menschenrechte geht natürlich viel weiter zurück, aber im Dezember 1948 hat sich die Staatengemeinschaft zusammengesetzt und hat in 30 Artikeln jene Ziele versucht zu definieren, die zu erreichen für eine friedliche und lebenswerte Gesellschaft wesentlich wären.

Artikel 1: Alle Menschen sind gleich frei, gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen ausgestattet und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit – ich würde sagen, gemeint ist Geschwisterlichkeit – begegnen.

Das ist so ein Satz, der sagt sich so hin, und trotzdem, wenn man jetzt die 30 Artikel noch einmal liest, ist man erschreckt, wie weit entfernt wir von der Erreichung dieser Ziele sind.

Auch die Pressefreiheit hat eine Wurzel in dieser Erklärung der Menschenrechte, auch wenn sie dann durch die Europäische Menschenrechtskonvention und das Staatsgrundgesetz in unsere Verfassung übernommen wurde. Aber das alles zusammen ist noch lange nicht erreicht, und ich hätte mir vor ein paar Jahren nie gedacht, dass es möglich ist, dass eine Demokratie im 21. Jahrhundert als Abschreckung Menschen der Gefahr und dem Tod aussetzt, und zwar nicht nur de facto, sondern quasi als ein strategisch eingesetztes Prinzip. Auch die anderen Artikel, wenn Sie sie lesen, denken Sie sich: Was ist da inzwischen passiert und wieso haben wir es noch immer nicht erreicht?

Es ist zunehmend bedroht, am Leben, am System, und eine Gelegenheit wie eine Preisverleihung, und eben auch die heutige, ist für mich dazu da, ein Schlaglicht darauf zu richten. Sie sind dazu da, um Anerkennung und Aufmerksamkeit für die Themen und für die Menschen, die sie behandeln, zu erreichen.

Wir haben in der Jury, sie wurde schon genannt, sehr lange diskutiert. Wir haben einhellige Entscheidungen getroffen. Wir haben zwei Journalisten ausgezeichnet, auch deshalb, weil Journalisten im Augenblick, in den Jahren einer Zeitenwende, in der der wir uns gerade befinden, herausragende Aufgaben für die Demokratie haben. Der Herr Parlamentsdirektor hat schon davon gesprochen: Sie informieren, sie kontrollieren, sie leisten einen Beitrag zur Meinungsbildung, sie schaffen Öffentlichkeit für Themen, sie leisten einen Beitrag für ein gesellschaftliches Bewusstsein und für ein Klima im Land, und das alles sind Voraussetzungen für ein Wahlverhalten. Von diesem wiederum ist eine Demokratie abhängig – was möglich ist und was eben nicht.

Dieser letzte Punkt ist für mich die direkte Brücke zum ersten Preisträger in der Kategorie Menschenrechte, zu Robert Treichler. Robert Treichler hat gemeinsam mit, hoffentlich spreche ich das jetzt richtig aus, Emran Feroz – ich habe vergessen, Sie zu fragen – und Sayed Jalal, mit ihnen beiden versucht, dem bisherigen Leben eines Flüchtlings, eines geflüchteten jungen Mannes nahezukommen, der sich Yusuf nennt.

Wer die Geschichte „Der Mann aus dem Nirgendwo“ gelesen hat, weiß, dass nichts sicher ist, dass die Geschichte viele Wendungen hat, dass es Fehler aufseiten des Geflüchteten gab, Lügen, dass es Fehler aufseiten der Behörde gab, dass das alles bis heute – und ich bin sehr neugierig, was Sie erzählen werden –, bis heute jedenfalls für mich als damalige Leserin völlig offen ist. Aber wir haben deshalb diese Geschichte ausgewählt, weil sie eine völlig vorurteilslose Ausgewogenheit zeigt, weil sie beweist, dass journalistische Distanz keine Distanz von Empathie bedeuten muss, und – und das war ehrlich gestanden für mich das Berührendste – weil sie einen, wenn man sie gelesen hat, mit einer bohrenden Frage zurücklässt, nämlich: Und was heißt das jetzt alles für den Menschen? Was heißt das alles für das System? Was heißt das überhaupt für den Begriff Menschenrechte und für die Lebbarkeit und Durchsetzbarkeit dieser?

Ungeachtet davon, ob Sie eine Antwort darauf finden oder nicht, die Auseinandersetzung damit ist so wesentlich, an die Leserinnen und Leser herangetragen zu werden, weil es ihren Sinn und ihre Aufmerksamkeit und ihr Bewusstsein in der Lage ist, zu schärfen.

Der zweite Preisträger, Dieter Bornemann, ist seit 2012 Vorsitzender des Redakteursrates und damit Sprecher aller journalistischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ORF. Wir haben ihn für seinen couragierten Einsatz gegen Angriffe von außen und von innen ausgezeichnet, weil er das auch sichtbar unabhängig von persönlichen Karriereüberlegungen gemacht hat und macht.

Wir haben ihn ausgezeichnet wegen seines konstruktiven medienpolitischen Engagements, unter Vernetzung mit anderen, alles, um die Unabhängigkeit eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in dem Fall des ORF, abzusichern und weiter zu entwickeln, und, ich gebe es durchaus zu, wir wollten auch damit ein klares Zeichen für die Wichtigkeit und die Notwendigkeit und den Stellenwert eines unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk setzen. Das hat sich gut getroffen, das mit der Person Bornemann verbinden zu können.

Dieter Bornemann hat in einem der letzten öffentlichen Gespräche einmal gesagt, es sei ein Problem, wenn normale journalistische Arbeit schon zur Mutprobe wird. Diese Auszeichnung soll nicht nur Ihnen, sondern vor allem allen Journalistinnen und Journalisten Mut machen, weil offenbar das eine ganz wesentliche Voraussetzung für gelebte Unabhängigkeit ist. In diesem Sinne, danke für Ihre Arbeit. Danke. (Beifall.)

Daniela Kraus: Ich war zu langsam. Ich danke für die Juryarbeit. Danke schön. (Beifall.)

Ich darf nun ans Podium bitten den Laudator für die Preisträger in der Kategorie Menschenrechte, Georg Hoffmann-Ostenhof.

Ich brauche dich nicht lange vorzustellen. Er ist „Profil“-Kolumnist und war von 1991 an der Ressortleiter Außenpolitik im „Profil“. Es ist besonders schön, dass der Preisträger heute auch Ressortleiter Außenpolitik im „Profil“ ist. Das Podium ist deines.

Georg Hoffmann-Ostenhof (Journalist): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Preisträger! Wir kennen die Geschichte vom halbwüchsigen Ausländer, der nach einer abenteuerlichen und gefährlichen Reise in Österreich ankommt und da um Asyl ansucht. Der Junge wartet auf den Asylbescheid, währenddessen geht er zur Schule, beginnt eine Lehre, er hat Deutsch gelernt, alle haben ihn lieb gewonnen, die Lehrerschaft, die Lehrherren, die Schüler und Schülerinnen, die Freunde im Fußballclub, alle sind voll des Lobes.

Dann kommt der negative Bescheid. Der Junge soll in seine Heimat abgeschoben werden. Darauf erhebt sich ein Sturm der Entrüstung: Wie kann man nur einen prachtvollen Kerl, der sich so fleißig, hilfsbereit und integrationswillig zeigt, böswillig die österreichische Zukunft vermasseln?

Da folgen dann zwei Schlussversionen der Geschichte. Die tragische Version: Von der Mobilisierung lässt sich die Staatsmacht nicht beeindrucken. Sie reißt den Teenager aus seinem Lebenszusammenhang. Im Morgengrauen holt sie ihn ab und verfrachtet ihn in Richtung seines ihm fremden oder fremd gewordenen Herkunftslandes, wo eine unsichere und prekäre Zukunft, wenn nicht sogar tödliche Gefahr auf ihn wartet. Oder aber es gibt, selten genug, ein Happy End: Unter dem Druck der Öffentlichkeit wird die Deportation abgeblasen, der strebsame junge Mann bekommt das humanitäre Bleiberecht.

Diese Story wird immer wieder erzählt, mit wechselnden Protagonisten. Das kann ein Kind von Flüchtlingen sein das bereits hier geboren ist. Das können junge Asylwerber oder Asylwerberinnen sein, die sich mit oder ohne Eltern zu uns durchgeschlagen haben. Man soll diese Geschichte in all ihren Variationen erzählen. Sie sind ja wahr. Obendrein ist aber der Plot auch sehr simpel und emotional überaus lohnend. Es ist klar, wer die Guten und wer die Bösen sind. Siegt das Gute, ist man gerührt, gewinnt das Böse, kann man sich empören. Das fühlt sich gut an. Aber es ist nur die halbe Wahrheit.

Der ganzen und nicht so einfach und emotional nicht so befriedigenden Wahrheit ist Robert Treichler in seinem Porträt „Der Mann aus Nirgendwo“ auf der Spur. Für diese Reportage, die er ohne Emran Feroz und Sayed Jalal Shajjan nicht hätte schreiben können, nimmt er nun diesen Preis entgegen. Seinen Mitautoren wird er übrigens gesondert in seiner Dankensrede danken.

„Der Mann aus Nirgendwo“ ist der Versuch, die Odyssee eines jungen Mannes zu rekonstruieren, der zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels wieder einmal in österreichischer Schubhaft sitzt. Nichts ist klar. Stammt der Teenager aus Afghanistan und heißt er Mohammed, wie er angibt, als ihn die österreichische Polizei aufgreift, oder aber ist er der Tschetschene Yusuf, der über Moskau, Minsk und Warschau nach Österreich kam, wie er später behauptet? Zweimal wurde er bereits nach Kabul abgeschoben und kam immer wieder zurück. Soll er nun nach Grosny ausgeflogen werden? Man weiß es nicht.

Auch sind Gut und Böse nicht klar verteilt. So haben es die österreichischen Behörden nicht nur mit den permanenten Lügen des jungen Mannes zu tun, er ist auch schon einmal wegen Gewalttätigkeit im Gefängnis gesessen und als Suizidgefährdeter wurde er auch eingestuft. Er spricht zwar Tari, die afghanische Sprache, Tschetschenisch, Russisch, Deutsch und Englisch. Was seine Muttersprache ist, bleibt aber ungewiss.

Auch wenn die Journalisten nicht herausfinden, welche Herkunft und welche Fluchtroute nun echt und welche erfunden war, so erfährt man unterwegs, so schreibt Treichler, sehr viel über die Verlorenheit und das Ausgeliefertsein, über Wege, die in den Abgrund führen oder sich im Dickicht der Lüge verlieren, und darüber, wie Behörden reagieren, wenn sie in die Irre geführt werden.

Es ist ein sorgfältig recherchierter und schnörkelloser, nüchtern geschriebener Text. Da ist kein Moralisieren darin, keine Schwarz-Weiß-Malerei. Gerade das macht ihn aber so stark, so berührend und eindringlich. Wer ihn liest, dem wird aber auch klar, dass Menschenrechte nicht am Wohlverhalten und nicht an Leistung oder Integrationswillen gebunden sein dürfen, gerade auch für Leute wie den Mann aus Nirgendwo müssen sie gelten. Das wird dieser Tage oft vergessen.

Mit einer Reportage begann auch Treichlers Karriere im „Profil“. Der junge Grazer mit absolviertem Philosophiestudium heuerte 1996 als Praktikant im Außenpolitikressort an, das ich damals leitete.

Es dauerte nicht lange, da drängte er darauf, in den nordirischen Bürgerkrieg geschickt zu werden. Die Chefredaktion – wie immer auf Sparkurs – wollte nicht so recht, aber als der Konflikt zwischen Republikanern und Unionisten, Protestanten und Katholiken kurz darauf wieder einmal eskalierte, gab sie dann doch grünes Licht.

Robert hatte zuvor einige Jahre in Frankreich als Deutschlehrer gelebt und regelmäßig in der Pariser Metro mit einer irischen Band aufgespielt. Daher hatte er Kontakte zum IRA-Umfeld, die er nun nutzen konnte. Er kam mit einer brillanten Geschichte aus Belfast zurück. Seit damals wussten wir, von wo immer auf der Welt Robert Treichler berichtet, und sei es auch aus Österreich, er liefert verlässlich gut geschriebene Reportagen, die ohne Klischees auskommen, nicht vordergründig Partei ergreifen, sondern das Thema sensibel und von allen Seiten beleuchten.

Nein, Partei ergreifen will Treichler in seinen Artikeln nicht. Er lässt die Argumente alle zu Wort kommen. Die Schlussfolgerungen möge der Leser und die Leserin ziehen, das ist sein professionelles Selbstverständnis als Journalist. Selbst verpönte Ströme und Personen sollen aus dem öffentlichen Diskurs nicht ausgeschlossen werden. Die gerade en vogue gekommene sogenannte Cancel Culture ist Treichler jedenfalls ein Gräuel. So drängt er auch immer darauf, Interviews mit Outlaws, mit Rechtspopulisten und Rechtsradikalen ins Blatt zu rücken, Befragungen, die aber dann schärfer nicht hätten ausfallen können, legendär etwa Treichlers Interviews mit Marie Le Pen und Geert Wilders.

Jüngstes Beispiel: seine Debatte mit dem ungarischen Außenminister Péter Szijjártó, der das Weltbild der Orbán-Regierung und deren Anti-Homosexuellen Gesetze verteidigen will. In dem Gespräch mit dem wohl vorbereiteten und schlagfertigen „Profil“-Journalisten gerät der Ungar immer mehr in die Defensive. Er wirkt immer hilfloser, fast kann er einem schon leidtun. Ein Freund, der das Interview gelesen hat, war schwer beeindruckt. Treichler ist ja der Armin Wolf des Printjournalismus!, sagte er.

Unter anderem beklagt sich der Ungar über die Ungerechtigkeit des Mainstreams gegen die christlichen Patrioten: „Sehen Sie, was mit den Twitter- und Facebook-Accounts von [...] Donald Trump passiert ist! Sie wurden gesperrt! Hatten die Mainstream-Medien dagegen einen Einwand im Sinne der Meinungsfreiheit? Nein“, sagte der Orbán-Mann. Darauf Treichler cool: „Doch, ich zum Beispiel habe in einem Kommentar in profil kritisiert, dass es völlig unverhältnismäßig ist, dass die Taliban einen Twitter-Account haben können, nicht aber Donald Trump.“ – Entwaffnend.

Gerade über solche Vergleiche haben wir, so erinnere ich mich im außenpolitischen Ressort, öfter diskutiert. Das waren meist erfrischende und anregende Diskussionen. Robert tendiert dazu, seinem Gerechtigkeitsgefühl folgend, bei der Kritik einer Seite sofort den Vergleich mit der anderen Seite herzustellen. Wird etwa über rechte Gewalt gesprochen, dann müsse man gleich fragen, sagt er, ob man ebenso von linker Gewalt urteilen würde. Ironisch vom Kollegen Martin Staudinger, der seit Kurzem zum „Falter“ gewechselt ist, als intellektuelle Version des Whataboutismus genannt, habe ich diese Denkfigur als Treichlers obsessiven Komparativismus getauft. Einen gewissen Erkenntniswert kann man diesem freilich nicht absprechen.

In einem hat sich aber die Weltgeschichte auf Treichlers Seite geschlagen. Während ich in den vielen Jahren unserer Zusammenarbeit im „Profil“ immer wieder die positiven Tendenzen in den internationalen Entwicklungen aufzuspüren bemüht war, blickte er viel sorgenvoller und bekümmerter auf die Zeitläufe. Er scheint recht zu bekommen. Wir leben derzeit beileibe nicht Jahre, in der fröhlicher Fortschrittsoptimismus angesagt ist.

Dass Treichler ein hervorragender Reportagenschreiber ist, wird gerade mit diesem Preis gewürdigt. Dass er das Metier des Interviewers beherrscht wie kaum ein anderer, ist offensichtlich. Zu einem Genre des Journalismus hat es ihn aber in der Zeit unserer Zusammenarbeit nie wirklich hingezogen: zum Kolumnen- und Kommentarschreiben, etwas, was ich im „Profil“ über 20 Jahre fast jede Woche tat. Ich spürte bei ihm immer eine gewisse Skepsis gegenüber dem sogenannten Meinungsjournalismus: Der sei zu nahe am Politikmachen. Aufgabe des Journalismus sei es, zu sagen, was ist, und nicht, was sein soll.

Nun ergab es sich aber, dass Robert mein Nachfolger als Ressortleiter der „Profil“-Außenpolitik wurde. So musste er selbst regelmäßig Kolumnen schreiben, seit dem Abgang von Martin Staudinger sogar beinahe wöchentlich. Siehe da, auch da bringt er es zur Meisterschaft. Es ist nur zu hoffen, dass er weiß, wie wichtig ist, was er da tut, gerade jetzt, in Zeiten globaler Umbrüche und autoritärer Versuchungen, der Shitstorms und Fakenews.

Noch eines, eines seiner vielen Talente, hat Robert Treichler in den vergangenen Jahren vernachlässigt: sein satirisches. Es mag sein, dass er, der sich so hingebungsvoll um seine zwei Söhne kümmert, einfach keine Zeit findet, neben allen anderen auch noch witzige Texte zu verfassen; aber schade ist es doch. Es geht uns einiges verloren.

Mit Robert Treichler wird jedenfalls jener integre, aufklärerische Qualitätsjournalismus gewürdigt, den wir in dieser Zeit dringender denn je brauchen. Ich wünsche ihm noch viele Preise. Er hat sie verdient. (Beifall.)

Daniela Kraus: Danke schön. Dann bitte ich die Preisträger auf die Bühne zur Übergabe. (Beifall.)

Robert Treichler (Preisträger der Kategorie Menschenrechte): Das war meine erste Laudatio. Das ist ein sehr ungewohntes Gefühl, aber ich freue mich sehr. Ich glaube, wir freuen uns – ich darf im Rahmen von uns dreien sprechen. Wir freuen uns außerordentlich, hier zu stehen, zumal wir bereits dachten, dass wir den Preis posthum verliehen bekommen werden, aber jetzt haben ein paar Varianten ein Fenster gelassen und jetzt freuen wir uns, hier zu sein.

Ich möchte mich bedanken bei der Bank Austria, der Preisstifterin, bei der Jury unter dem Vorsitz von Frau Dr. Heide Schmidt, beim Presseclub Concordia, dem Präsidenten Dr. Andreas Koller, der Generalsekretärin Dr. Daniela Kraus.

Ich danke jetzt mal so richtig meinen Koautoren Emran und Jalal. Ohne die beiden wäre diese Geschichte nicht möglich gewesen. Die Basisinformation, dass es diese Person namens Yusuf oder auch nicht Yusuf gibt, dass es ein Tschetschene ist, der nach Afghanistan abgeschoben wurde, oder möglicherweise doch ein Afghane oder keines von beiden, das habe ich durch die beiden erfahren. Aber nicht nur das: Sie haben dann auch über Monate immer wieder präzise Informationen geliefert, was mit Yusuf – nennen wir ihn jetzt einmal Yusuf – geschehen ist, wie die Geschichte weitergeht, ob er noch in Afghanistan ist, dass er wieder zurückgekehrt ist nach Österreich. All das war unendlich wichtig, sonst wäre die Geschichte nicht entstanden. (Beifall.)

Im möchte dem „Profil“ danken, bei dem ich nun seit 1996 bin und das im besten Sinne ein unabhängiges Magazin ist. Ich muss keine Rücksicht darauf nehmen, was die Eigentümer denken. Ich muss keine Rücksicht darauf nehmen, was Social Media denkt. Ich bin als Redakteur absolut unabhängig und dafür danke ich dem „Profil“ und seinem Herausgeber Dr. Christian Rainer, der heute leider nicht hier sein kann. Ich danke allen Redakteurinnen und Redakteuren, die hier sind, ihr seid Familie. (Beifall.)

Ich möchte auch die Gelegenheit wahrnehmen, meinen Eltern zu danken, die auch hier sind. Papa, Mama, danke für eine Million Dinge. (Beifall.)

Ich danke auch Nana Siebert, die Wunderbarste von allen, der ich nicht zuletzt verdanke, dass ich bei dem Preis überhaupt eingereicht habe. (Beifall.)

Dann danke ich noch meinen damaligen Kollegen im Auslandsressort des „Profil“ Martin Staudinger und Christoph Zotter, die beide inzwischen das „Profil“ verlassen haben. Ich habe sie heute eingeladen, sie sind hier. Ich wollte sie spüren lassen, dass ich ihnen nie verziehen habe. (Heiterkeit und Beifall.)

Es ist ein bisschen angeklungen, dieser Text hat etwas, was man heute ein wenig abwertend He-said-she-said-Journalismus nennt. Es ist die Suche nach der Wahrheit, und wir haben die Wahrheit – müssen wir zugeben – am Ende nicht gefunden. Wir können nur darstellen, was man herausfinden konnte. Ich danke auch den Informanten, die sehr wichtig waren auch innerhalb der Behörden, die mit uns kooperiert haben, aber am Ende wissen wir vieles nicht, und uns war wichtig, darzustellen, was man wissen kann und was man nicht wissen kann.

Wir wollten uns auf keine Seite schlagen. Es gibt einen Flüchtling, es gibt den Rechtsstaat, vertreten durch die Behörden der Republik, und wer im Recht ist, da kann man zu verschiedenen Schlüssen kommen und das überlassen wir dem Leser, der Leserin. Wir wollten versuchen, Aktivismus zu vermeiden, obwohl natürlich klar ist, dass einem Yusuf leidtut, wenn man ihn in Afghanistan getroffen hat oder hier in Österreich in Schubhaft.

Der letzte Kontakt, den ich mit ihm hatte, war, er hat mich während des Coronalockdowns angerufen und hat mich gebeten, ihn noch einmal besuchen zu kommen. Das war leider nicht möglich. Er war immer noch in Schubhaft. Die Schubhaft ist am Ende limitiert, das weiß er. Er weiß, dass er nach einer gewissen Zeit im Wesentlichen frei oder zumindest entlassen werden muss, und das will er wohl absitzen.

Danke nochmals an die Jury, dass sie das anerkannt hat, auch diese Form von Journalismus, die wir da betrieben haben, und ihr beide würdet gerne auch noch ein paar Danksagungen machen. Bitte. (Beifall.)

Sayed Jalal Shajjan (Preisträger der Kategorie Menschenrechte): Oh, it feels so good to be without mask. I would like to speak in English, so I hope that will be fine.

Well, first of all I would like to express my gratitude for the Concordia-Presseclub for honoring the Yusuf-Story, also the Austrian Parliament for organising tonight’s event.

Stories such as Yusuf’s kind of remain underreported from conflict zones and also from Afghanistan. So I would like to thank here my college Emran Feroz for believing this story from the start and also Robert Treichler for giving it a platform to reach audiences in Austria and beyond. I don’t want to worry you with a long speech here, so I just want to quickly point to issues here.

The first one is: When the European Union and joining countries - -, they kind of attach conditionalities to aid toward countries with poor human records such as the Yusuf story. He was deported once to Afghanistan, he didn’t have any documents. So based on that conditionality the Afghan government had to do something to accept refugees like Yusuf. So when he returned back to Austria, he was issued a travel document, and based on that document he stayed in Kabul for almost 90 days in a kind of unknown land for him. So he was in a kind of very strange situation, strange land.

The second issue I would like to mention is the framing of certain places within the conflict zone as safe. It is very important for us to think about that. So based on the agreement that the Afghan government had with the European Union – they issued an agreement, a Joint Way Forward –, so based on that the European Union, they rendered certain locations as safe, which became acceptable to everyone to deport Afghans there. As the US and Nato allies announced their departure, so it also became very important for us to think, that there are certain countries that still deport Afghans there, in a conflict zone, which might be very, very ugly in the near future.

So, as the evening progresses I just leave everyone with these two points to render upon. Once again, thank you everyone. Thanks. (Beifall.)

Emran Feroz (Preisträger der Kategorie Menschenrechte): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich fasse mich kurz. Es ist brutal heiß, ich weiß. Ich mache das echt sehr kurz.

Danke noch einmal an alle Anwesenden, natürlich an die Organisatoren, an den Presseclub. Vielen, vielen Dank, lieber Robert, vielen, vielen Dank, lieber Jalal für euer Engagement, für eure Zusammenarbeit. Es ist jetzt schon eine ganze Weile her, dass wir diese Geschichte geschrieben haben, und ja, Robert hat es schon angesprochen, Yusuf war in Abschiebehaft.

Vielleicht noch ein paar kurze zusätzliche Informationen dazu, weil es ja heute auch um Menschenrechte geht, nicht nur irgendwie um ein feines Event. Während wir alle mit Corona beschäftigt waren, war Yusuf, der auf jeden Fall also Mist gebaut hat, wie es auch schon von Vorrednern genannt worden ist - - Eben es war auf jeden Fall kein Fall, wo man hat sagen können, das ist ein Superflüchtling oder das ist ein böser Flüchtling. Es ist halt eben oft komplexer, und das war auch in diesem Fall so.

Yusuf wurde dann nach mehreren Wochen in Afghanistan, wo er meistens von meinem Kollegen Shajjan eigentlich betreut worden ist, unterwegs war mit ihm die ganze Zeit, sich auch massiver Lebensgefahr ausgesetzt hat, weil – zweites Thema heute wäre ja Pressefreiheit –: Afghanistan ist eines der tödlichsten Länder für Journalisten. Allein im letzten Jahr sind mindestens acht Journalisten in Afghanistan getötet worden, und das ist alles andere als ein Zuckerschlecken, da mit irgend so einem Typen, der gerade abgeschoben worden ist und dort niemanden kennt, Wochen zu verbringen und sich selber auch einer Gefahr auszusetzen. Es hat dann einiges gebraucht, bis Yusuf eben zurückgekehrt ist, und während wir alle mit Corona beschäftigt waren, war er 18 Monate in Abschiebehaft.

Der aktuelle Stand der Dinge ist so, dass Yusuf verschwunden ist. Er wurde nach der Abschiebehaft eben entlassen, aber man wollte ihn anscheinend noch einmal nach Afghanistan abschieben, und seitdem ist er eigentlich untergetaucht. Wir haben keine Ahnung, wo er ist, deshalb ist für uns auch diese Geschichte in dem Sinne nicht abgeschlossen. Aber Abschiebungen finden auf jeden Fall weiterhin statt nach Afghanistan, und natürlich muss man aufpassen, als Journalist muss man in erster Linie aufpassen, dass man nicht zum Aktivisten mutiert. Allerdings sind das auf jeden Fall Vorgänge, die meiner Meinung nach von Journalisten kritisch beobachtet werden sollten.

Denn als jemand, der jahrelang aus Afghanistan berichtet, kann ich nur sagen, dass es sich hier um ein Land handelt, in dem es keinen sicheren Fleck gibt, in dem niemand von uns sein möchte, und es ist ein absolutes Privileg, das mir dort immer wieder auffällt - - Zum Beispiel vor ein paar Monaten habe ich eine Reportage für „Profil“ geschrieben aus einem Hotel, in dem Abgeschobene landen, in dem eben auch Yusuf lange gelebt hat. In diesem Hotel traf ich viele Afghanen, die tatsächlich auch Paradeflüchtlinge waren, die ein super Leben gehabt haben in Innsbruck, in Wien oder woanders und die dann auch im afghanischen Nirgendwo in der Dystopie gelandet sind.

Für mich, als jemand mit afghanischen Wurzeln, war das immer so eine Sache, zu sehen, dass ich jetzt wieder abreisen kann, weil ich meinen österreichischen Pass habe und in Innsbruck geboren bin, während diese Person oder jene Person hier bleiben muss und eine ungewisse Zukunft hat. Vielen Dank. (Beifall.)

Robert Treichler: Last, but not least bedanke ich mich noch bei Dieter Bornemann – gratuliere! –, und ich bedanke mich nämlich für viele, viele Aussendungen des Redakteursrates, bei denen man denkt: Na bitte, geht ja! (Beifall.)

Daniela Kraus: Danke schön und herzliche Gratulation.

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(Es folgt ein Musikstück.)

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Daniela Kraus: Auch unseren Laudator in der Kategorie Pressefreiheit muss ich nicht lange vorstellen – herzlich Willkommen, Armin Wolf. Seit 1985 ORF-Journalist, seit 2002 Moderator der „ZIB 2“ und seit 2010 stellvertretender Chefredakteur der TV-Information. Er hält heute die Laudation für Dieter Bornemann, für dessen Arbeit als Vorsitzender des ORF-Redakteursrates. Er ist in dieser Rolle oberster Journalistenvertreter im ORF. Ich bitte Armin Wolf zum Podium. Danke.

Armin Wolf: Danke, Daniela. Herzlichen Glückwunsch vorab noch an Robert Treichler und seine Kollegen für diese großartige Geschichte und herzlichen Glückwunsch nochmal zum Preis, sehr, sehr verdient, herzlichen Glückwunsch noch einmal. (Beifall.)

Aber ich bin ja da, um Dieter Bornemann heute zu preisen, und man muss sagen, es ist 2021 für Dieter Bornemann kein ganz schlechtes Jahr. Er ist Wirtschaftsjournalist des Jahres geworden. Sein Magazin „Eco“ hat die höchsten Quoten, seit das hochauflösende Farbfernsehen erfunden wurde. Wir mussten im letzten, sehr langen Lockdown nicht noch einmal in ORF-Isolationshaft – danke, Alexander Wrabetz. Jetzt auch noch der Concordiapreis und es ist erst Juni.

Wobei der Concordiapreis ist ja eigentlich aus dem Vorjahr, konnte aber bisher pandemiebedingt nicht verliehen werden. Das ist aber insofern egal, als der Concordiapreis für Pressefreiheit ohnehin in jedem der letzten neun Jahre an Dieter Bornemann hätte verliehen werden können oder sollen, so lange ist er nämlich schon Vorsitzender des ORF-Redakteursrates, und zwar ein ganz exzellenter.

Dass Dieter Bornemann ein hervorragender Journalist ist, das kann man in jedem seiner Beiträge in der „Zeit im Bild“, in seinen Studioanalysen und jede Woche in „Eco“ besichtigen. Wirtschaftsjournalist des Jahres ist er also völlig zu Recht. Aber heute wird er ja für sein Engagement als Redakteursvertreter ausgezeichnet, und ich finde, da ist er sogar noch talentierter denn als Reporter.

Der ORF hat ein grundsätzlich hervorragendes, wenn auch schon ein bisschen überstandiges Redakteursstatut, und Dieter Bornemann ist der, der gemeinsam mit seinen KollegInnen im Redakteursrat, aber eben als deren Speerspitze, dafür sorgt, dass dieses Statut auch in der Praxis gelebt wird, nach innen und nach außen, und da hat er wahrlich genug zu tun. Nicht nur, wenn Parteitage politischer Jugendorganisationen im ORF gestreamt werden, ohne dass irgendwer wüsste, weshalb. Oder wenn Leitungsfunktionen in Redaktionen offenbar mehr nach politischer Logik besetzt werden als nach journalistischer Qualifikation, oder wenn der Vorsitzende des Stiftungsrats, ein ehemaliger Parteichef, damit droht, KorrespondentInnen zu entlassen, weil sie angeblich unbotmäßig berichten würden, oder wenn wie vor einigen Jahren der ORF-Chef den 25-jährigen Fraktionsführer eines Freundeskreises im Stiftungsrat zu seinem Büroleiter machen will und der Redakteurssprecher ein Protestvideo der „ZIB“-JournalistInnen organisiert, das fast 700 000 Menschen sehen und das letztlich die absurde Personalentscheidung verhindert.

Dieter Bornemann kämpft unermüdlich und unerschrocken für die Unabhängigkeit des ORF und seiner KollegInnen, und er nimmt dafür, Heide Schmidt hat es schon gesagt, auch persönliche Nachteile in Kauf. Vor drei Jahren etwa wäre er der logische Kandidat als neuer Leiter der „Zeit im Bild“-Wirtschaftsredaktion gewesen, aber er hat sich damals nicht beworben, weil für ihn diese Leitungsfunktion nicht mit dem Amt des Redakteursvertreters vereinbar gewesen wäre, und die Vertretung der ORF-JournalistInnen war ihm letztlich wichtiger als der persönliche Karriereschritt.

Das zeigt sich auch in Kleinigkeiten. Er ist, glaube ich, der einzige ORF-Redakteur mit mehr als ein paar Wochen Dienstzeit, der den Generaldirektor siezt – ein Detail, aber es zeigt, wie wichtig es Dieter Bornemann ist, nicht korrumpierbar zu sein, auch nicht durch Nähe. Er ist tatsächlich konsequent unabhängig.

Sein Engagement, seine Beharrlichkeit und Zivilcourage als Redakteursvertreter sind auch deswegen ganz besonders, weil Dieter im Leben an sich gar kein Freund von Konflikten ist, sondern außerordentlich harmoniebedürftig, mehr noch als die allermeisten Menschen. Einer seiner Lieblingssätze, nein, sein Lieblingssatz lautet: Passt schon!, was vielleicht auch erklärt, warum er seit 33 Jahren mit mir befreundet ist.

Er ist sehr geduldig und tolerant, außerhalb des ORF jedenfalls, und er ist wahnsinnig witzig, obwohl er keinen Tropfen Alkohol trinkt, was ihn zu einem der Mitbegründer und Kovorsitzenden der kleinen, aber feinen ORF-Apfelsaftfraktion macht, hinter der Herbert Kickl was ganz Sinisteres vermutet, weil er sich offenbar nicht vorstellen kann, dass Journalisten die Welt nüchtern betrachten. Doch wenn es um die Unabhängigkeit des ORF und seine JournalistInnen geht, ist Dieter völlig humorbefreit und von Geduld keine Spur. Trotzdem bleibt er stets verbindlich, höflich und ruhig.

Fortiter in re, suaviter in modo, wie die alten Lateiner sagen, die ihm in der Oberstufe so gut gefallen haben, dass er wegen Latein gleich zweimal in die Verlängerung gegangen ist – Italiener halt. Vielleicht auch, weil er ein wenig abgelenkt war durch seine Schülerzeitung, durch sein Engagement als Schulsprecher und in einer Schülerorganisation und als freier Mitarbeiter der „Kleinen Zeitung“, für die er schon als Gymnasiast in Eisenerz geschrieben und fotografiert hat. Dann ging es ins große Wien, kurz zum „Börsenkurier“. Daneben noch kürzer aufs Publizistikinstitut. Dann für drei Jahre als jüngster Wirtschaftsredakteur zur „Presse“ – ein kurzes Gastspiel, er ist gerade einmal 24-jähriger Ressortleiter bei „New Business“, bevor er 1992 als Wirtschaftsredakteur zum ORF-Radio kam. Das ist jetzt auch schon eine ganze Weile her.

Ein paar Jahre später folgte ein Jahr im ORF-Büro Brüssel, was aus zwei Gründen bemerkenswert war. Dieter ging nämlich als EU-Korrespondent nach Belgien, ohne einen geraden Satz Französisch zu können. Und er kam von dort zurück, ohne einen geraden Satz Französisch zu können. Dazwischen hat er ganz exzellente Radio- und Fernsehbeiträge aus Brüssel geliefert, in tadellosem Deutsch, was für einen Steirer jetzt auch nicht so ganz einfach ist. Obwohl er begabt, engagiert, witzig und ausnehmend umgänglich ist, hat der damalige, nicht so umgängliche Brüssel-Bürochef den jungen Kollegen aus Wien nicht gemocht, nämlich gar nicht gemocht, so sehr nicht, dass er eine Bornemann-Skala erfunden hat. Als er ein paar Jahre später über eine Kollegin lästern wollte, tat er das mit dem bösen Satz: Die ist eine Acht auf der zehnteiligen Bornemann-Skala – was total übertrieben war, denn die Kollegin war nicht annähernd so begabt, engagiert oder witzig, also maximal eine Drei.

Zurück in Wien wechselt Dieter in die Radioinnenpolitik, berichtet als erster Journalist über den Rücktritt von Franz Vranitzky, übersiedelt auf den Küniglberg als „ZIB 2“-Reporter und „ZIB 3“-Moderator und schließlich in die Fernsehwirtschaftsredaktion. Weil man den Schulsprecher aus dem Schulsprecher oft nicht herausbekommt, engagiert er sich auch bald als Redakteurssprecher. Als Danielle Spera den ORF verlässt, wird er 2009 ihr Nachfolger als oberster Sprecher der „ZIB“-Redaktion. Nach dem Rückzug von Fritz Wendl als Vorsitzender des gesamten ORF-Redakteursrats, nach ähnlich langer Amtszeit wie Queen Elisabeth, wird Dieter 2012 zum obersten Vertreter aller JournalistInnen im ORF.

Ich glaube, niemand bestreitet, dass die ORF-Redaktionen in den letzten Jahren viel an Selbstbewusstsein gewonnen haben und hier trotz oft widriger Umstände unabhängig, unbeeinflusst und unparteiisch berichten. Das liegt wahrlich nicht am fehlenden Druck von außen, politisch, oder auch von innen durch fehlende Ressourcen, sondern es liegt vor allem auch daran, dass wir eine selbstbewusste, kompetente und couragierte Vertretung haben, die nie wichtiger ist als in ORF-Wahljahren und unmittelbar danach, wenn alle möglichen Wahlversprechen umgesetzt werden sollen.

Mich beruhigt da sehr, dass ich weiß, wer die ORF-Journalistinnen und ihre Unabhängigkeit vertritt, dass da vorne mein Freund Dieter steht, auf dessen Engagement, Mut und Integrität wir uns hundertprozentig verlassen können und der dabei auch nicht den Humor verliert.

Das passt schon! – Und dafür verdient er auf der echten zehnteiligen Bornemannskala mindestens eine Zwölf und den Concordiapreis. Herzlichen Glückwunsch. (Beifall.)

Daniela Kraus: Der Preisträger nach vorne, bitte, und der Preisstifter und der Präsident. ((Beifall.) Danke schön, Hannes Strohmayer, fürs Stiften.

Gratulation, Dieter Bornemann, ich nehme an, du wirst eine Kleinigkeit sagen.

Dieter Bornemann (Preisträger der Kategorie Pressefreiheit): Also ich fange einfach an mit: Merci, Armin! Wenn man Armin Wolf zu einer Rede bittet, dann weiß man ja, dass man sich auf einiges gefasst machen muss. Ich versuche jetzt die Tränen der Rührung vor mir selbst zu verbergen.

Zuerst einmal herzliche Gratulation an Robert Treichler vom „Profil“ und Emran Feroz und Jalal Shajjan als Preisträger.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich total über diesen Preis, weil es die Anerkennung für meine Arbeit als Redakteursvertreter ist, und die kostet zumal sehr viel Kraft, einfach deswegen, weil man dauernd streiten kann – nicht meine größte Stärke, wie Armin gerade ausgeführt hat. Man gewinnt in aller Regel auch keine Beliebtheitscontests beim Chef damit.

Mein Vorgänger, Fritz Wendl, ich freue mich, dass er da ist, hat es einmal so formuliert: Wenn wir nicht protestieren, dann gibt es keine Instanz im ORF, die das tut, dann wird die Arbeit für die Journalistinnen und Journalisten noch schwieriger.

Die große Freude über diesen Preis wird allerdings getrübt durch den Ärger über die heimische Medienpolitik, denn mit der Pressefreiheit in Österreich steht es nicht zum Besten. Es ist vergleichbar mit den Alpengletschern. Beides ist noch da, schmilzt aber gerade ganz rapid dahin. So wie es für die Umwelt bedrohlich ist, wenn die Gletscher schwinden, ist es auch für die Demokratie gefährlich, wenn der Qualitätsjournalismus immer weniger wird. Weil der wirtschaftliche Druck auf die heimischen Medien meist groß ist, schmelzen die Redaktionen ähnlich wie die Gletscher seit Jahren zusammen. Gleichzeitig baut sich aber eine riesige Flutwelle auf, die über die Redaktionen hinwegschwappt, eine Flutwelle an Propaganda-PR, produziert von einer Rekordzahl an Pressesprechern und Social-Media-Beauftragten, die in den Ministerien, Parteien und Unternehmen sitzen und die Redaktionen mit ihrem Spin überschwemmen.

Kommen wir einmal ganz konkret jetzt zum ORF. In zwei Tagen wird die Funktion des Generaldirektors ausgeschrieben. Jetzt könnte man ja annehmen, der Stiftungsrat hat schon vor Monaten einen Headhunter beauftragt, der national und international nach den besten Köpfen für das nächste Direktorium sucht. Es gibt einen öffentlich geführten Diskurs, einen Wettstreit der Ideen über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Mediums, des Journalismus in diesem Land und wie es mit dem ORF weitergeht. – Leider nein. Es geht dabei nicht um die besten Ideen. Es geht darum: Wen will Bundeskanzler Sebastian Kurz im Chefsessel des ORF haben?

Der Stiftungsrat entscheidet das am 10. August nur formal. Zu glauben, die ORF-Führung wird ohne Zustimmung des Bundeskanzlers bestellt, ist nachgerade naiv. Wie hat es Finanzminister Gernot Blümel im Ibiza-U-Ausschuss gesagt? Es ist klar, dass die Bundesregierung Personalentscheidungen trifft. Manchmal werden auch solche diskutiert, für die man formal nicht zuständig ist. Es ist wohl auch der ORF dabei. Es ist zwar jahrzehntelange Praxis, dass die Politik bestimmt, wer die wichtigsten Positionen im ORF einnimmt; vom versprochenen Neu-Regieren haben sich viele aber etwas anderes erwartet.

Seit bald 50 Jahren steht in der Verfassung die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks und die Unabhängigkeit der Personen und Organe. Die Realverfassung, die schaut bekanntlich anders aus. Das ORF-Gesetz macht die politische Kontrolle vor allem durch die Regierungsparteien überhaupt erst möglich, etwa durch den Stiftungsrat. Was steht im Universallexikon Wikipedia über unser höchstes Aufsichtsgremium? Der Stiftungsrat besteht aus 35 Mitgliedern und sichert den Einfluss der politischen Parteien im ORF. Punkt. Von diesen 35 Mitgliedern lassen sich 32 direkt oder indirekt einer Partei zuordnen. Der ÖVP-Freundeskreis hat aktuell 16 Mandate. Einige weitere stehen der Partei zumindest nahe. So kommt die ÖVP mit 37 Prozent bei den letzten Nationalratswahlen auf so gut wie 100 Prozent Einflussmöglichkeit auf die ORF-Geschäftsführung.

Die geheime Abstimmung im Stiftungsrat, die wurde von der Regierung abgeschafft. Es muss offen mit Handzeichen gewählt werden, um zu kontrollieren, wer wie abgestimmt hat. Wer Direktor, Direktorin in einem Landesstudio werden will, der braucht als wichtigste Qualifikation vor allem die Zustimmung des Landeshauptmannes, der Landeshauptfrau. Im ORF-Gesetz steht nämlich noch immer das sogenannte Anhörungsrecht. Der Generaldirektor muss mit den Landeshauptleuten besprechen, wem er die Führung des Landesstudios anvertrauen möchte. Ich kann mich an keinen Fall erinnern, in dem das Studio gegen den Willen der regierenden Landespartei besetzt wurde. Wenn man den ORF-Chefsessel erklimmen will, sind die Stimmen der neun Stiftungsräte aus den Bundesländern ziemlich wichtig. Wer ORF-Generaldirektor werden will, dem bleibt also gar nichts anderes übrig, als sich mit der Politik zu arrangieren und die Mehrheit im Stiftungsrat zu bekommen.

Darum wird jetzt wenig über Konzepte und Ideen diskutiert, sondern vor allem um parteipolitische Zugehörigkeit und Personaldeals. Das ORF-Gesetz muss daher ganz dringend reformiert werden, der Stiftungsrat auf eine breite zivilgesellschaftliche Basis gestellt. Selbstverständlich sollen die gewählten Vertreter der Politik über den ORF mitentscheiden, aber eben nicht ausschließlich. Der Presseclub Concordia hat Vorschläge ausgearbeitet, wie der ORF verstärkt zum Rundfunk der Gesellschaft gemacht werden soll. Das Interesse der Politik daran ist eher verhalten.

Apropos Veränderung. Eines hat sich in den vergangenen Jahren ganz massiv geändert, nämlich das Verhältnis zwischen Politik und Journalismus. Verhaberung, die hat es früher auch schon gegeben. Jetzt wird aber vor allem in das Freund-Feind-Schema eingeteilt: Bist du nicht für uns, dann bist du unser Gegner – so das Motto bei vielen in der Politik. Bei Interviews wird man sehr rasch für unbotmäßige Fragen angeblafft. Wenn JournalistInnen nicht freundlich berichten, dann werden sie schnell als Feinde angesehen und einer gegnerischen Partei zugeordnet und vom Informationsfluss abgeschnitten. Dass sie dann eigentlich einfach ihren Job machen wollen, nämlich unabhängig, distanziert und kritisch berichten, von dieser Idee haben sich offensichtlich sehr viele im Politikbetrieb schon verabschiedet.

Interessant ist auch der Werkzeugkasten der Spindoktoren. Kaum eine Redaktion kann sich der professionell durchgezogenen Messagecontrol entziehen. Ich erzähle Ihnen jetzt ein paar Beispiele aus der Praxis.

Die Pressesprecher in den Ministerien versuchen natürlich ganz gezielt ihre Themen zu setzen. Nicht der Journalist ruft bei ihnen, an um zu recherchieren, sondern es geht in die andere Richtung. Den Redaktionen werden Themen und Interviewpartner angeboten und das durchaus mit Nachdruck. Gleichzeitig sind viele Redaktionen aber auch froh, wenn sie Inhalte, Content, wie das jetzt heute gerne genannt wird, gratis ins Haus geliefert bekommen.

Vor einiger Zeit schickten uns Pressesprecher eines Ministeriums eine ganz lange Liste mit Themenvorschlägen aus ihrem Ressort, inklusive Datum, wann der Bericht bei uns auf Sendung gehen sollte – um die Themen dann auch mit anderen Medien abstimmen zu können. Zumindest hat es dann so geheißen. Wenn man da aber jetzt den Kopf schüttelt und sagt: Nicht bös sein, aber wir überlegen uns lieber unsere eigenen Themen!, dann stößt das auf ziemliches Unverständnis.

Oder Pressesekretäre schicken am Vortag eines Interviews mögliche Fragen, wissend, dass viele Redakteurinnen und Redakteure kaum mehr Zeit für die Vorbereitung eines Interviews haben. Solche Fragenkataloge gab es zuletzt in den Sechzigerjahren, vor dem Rundfunkvolksbegehren von Hugo Portisch. Auch damals haben Politiker die Journalisten als Sprachrohr im Dienst der Parteipolitik gesehen.

Statt offener Pressekonferenzen für alle Medien gibt es jetzt sehr häufig sogenannte Hintergrundgespräche, zu denen nur ausgewählte Medien sehr selektiv eingeladen werden. Oder wenn zu echten Pressekonferenzen eingeladen wird, passiert das oft sehr kurzfristig, so haben wir möglichst wenig Zeit, uns inhaltlich dann auf diese auch vorzubereiten.

Mit sogenannten Doorsteps, Facebook-Videos, Statements ohne Fragemöglichkeit oder Pressekonferenzen mit nur genau einer zugelassenen Frage, mit solchen Aktionen werden Journalistinnen und Journalisten zu Mikrofonständern degradiert, weil kritisches Nachfragen oft unmöglich gemacht wird. Das ist jetzt alles nicht verboten. Die Spindoktoren, die machen ihren Job schon sehr professionell, weil auch genügend Steuergeld für sie da ist. Aber Medien werden so immer mehr zum Werkzeug der Politik. Wir verlieren die Rolle als unabhängige Informationsquelle. Gerade der öffentlich-rechtliche Qualitätsjournalismus muss umfassend berichten und dort hinleuchten, wo die PR-Leute gerne das Licht abdrehen wollen.

Wir brauchen mehr Enthüllungsjournalismus und weniger Erfüllungsjournalismus. Der ORF darf weder zum PR-Medium für die Regierung verkommen, noch zur Kampfplattform der Opposition. Wir sind nicht die Feinde der Politiker, aber wir sind auch nicht ihre Freunde. Wir sind Journalisten und machen unsere Arbeit.

Der US-Höchstrichter Hugo Black hat vor genau 50 Jahren im Prozess um die Pentagon Papers die Pressefreiheit mit einem schönen Satz verteidigt: Die Presse hat den Regierten zu dienen, nicht den Regierenden.

In etwa einem Jahr werden die ORF-Redaktionen von Radio, Fernsehen und Online gemeinsam in einem großen gemeinsamen Newsroom am Küniglberg arbeiten und nicht mehr getrennt in unterschiedlichen Redaktionen. Bringt das mehr Pluralismus, mehr verschiedene Zugänge zu den Themen, mehr selbst recherchierte, eigene, spannende Geschichten? Vermutlich nicht. Es soll vor allem schneller und effizienter werden. Nur: Qualitätsjournalismus ist weder schnell noch effizient. Im Gegenteil. Man weiß vorher nicht, was herauskommt, wenn man sich in ein Thema vertieft, Informanten trifft oder Akten wälzt. Wenn in diesem neuen Newsroom die Führungsfunktionen nicht nach Qualifikation, sondern nach politischer Farbenlehre besetzt werden, dann sehe ich im multimedialen Newsroom keine große Zukunft für den Journalismus im ORF.

Parteipolitische Unabhängigkeit ist nicht nur unser Recht, es ist auch unsere Pflicht. So steht es im ORF-Gesetz. Fast alle halten sich daran. Aber es gibt immer wieder Einzelne, die sich Parteien andienen und so mit dem Karrierelift nach oben fahren.

Der ORF darf nicht durch kurzfristige parteipolitische Interessen ruiniert werden. Dafür ist er zu wichtig für das Land und, auch wenn das jetzt pathetisch klingt, für die Demokratie in Österreich. Daher mein Appell an die Politik: Lassen Sie uns unsere Arbeit machen, auch wenn sie keine große Freude damit haben! Der ORF gehört den Österreicherinnen und Österreichern, nicht den Parteien.

Zum Schluss möchte ich mich noch ganz herzlich für den Concordiapreis bedanken. Ein großes Stück davon gehört meinen Mitstreitern in der Redakteursvertretung, zuvorderst Peter Daser und Margit Schuschu, und allen, die gemeinsam mit uns für die Unabhängigkeit des ORF kämpfen.

Herzlichen Dank an die Juryvorsitzende Heide Schmidt und an den Stifter Johannes Strohmayer, natürlich auch an die beiden Spitzen des Presseclubs Concordia, Präsident Andreas Koller und Daniela Kraus. Ihr leistet wichtige Arbeit für den heimischen Journalismus, das muss euch bewusst sein.

Ein Dank geht auch an meine beiden Chefinnen Barbara Battisti und Katinka Nowotny, nämlich für ihr Verständnis, dass ich nicht immer 100 Prozent meiner Arbeitskraft in der Wirtschaftsredaktion verbringen kann.

Danke Armin für deine Laudatio und vor allem für deine mehr als 30-jährige Freundschaft.

Ein besonderer Dank geht an meine Frau Isolde, dass sie es nämlich aushält, dass der ORF in unserem Leben eine so große Rolle spielt und ich nicht immer die Zeit und die Aufmerksamkeit für sie habe, die sie eigentlich verdient, weil wieder irgendwas im ORF ausgebrochen ist.

Bei Ihnen bedanke ich mich jetzt fürs Zuhören und bitte um Entschuldigung für die Überlänge meiner Rede. Im Fernsehen hätte mich der Regisseur schon längst aus dem Studio gezerrt. Danke schön. (Beifall.)

Daniela Kraus: Herzliche Gratulation, Dieter Bornemann. Jetzt bitte ich noch einmal alle Preisträger nach vorne, damit wir noch einmal gemeinsam applaudieren können und ein Foto machen. (Beifall.)

Tun wir noch einmal applaudieren. (Beifall.)

Jetzt bitte ich die Musik und für die Fotos noch einmal alle Sprecher und Sprecherinnen nach vorne. Ich bitte noch einmal den Präsidenten, die Juryvorsitzende, den Preisstifter, die Laudatoren nach vorne, damit wir noch ein gemeinsames Foto machen können, und die Musik spielt den Tusch dazu.

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(Es folgt ein Musikstück.)

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Daniela Kraus: Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Herzliche Gratulation noch einmal an die Preisträger. Wir freuen uns auf viele Einreichungen im nächsten Jahr und auf eine schöne Feier.

Ganz herzlichen Dank auch noch einmal an das Parlament als Gastgeber dieser Feier.

Wir wünschen einen schönen Abend! (Beifall.)