Transkript der Diskussionsveranstaltung

„Post-Corona: Neue Impulse für Tourismus und Landwirtschaft“

Peter Raggl (Bundesratspräsident): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf euch alle recht herzlichst zu meinem Fachgespräch „Post-Corona: Neue Impulse für Tourismus und Landwirtschaft“ begrüßen. Es freut mich wirklich sehr, dass so viele Personen meiner Einladung gefolgt sind und dass wir da heute hoffentlich eine sehr interessante Diskussion führen können und vielleicht auch Schlüsse daraus ziehen können, was wir aus dieser Coronapandemie auch positiv lernen können.

Ich darf kurz einleitend sagen – keine Neuigkeiten –: Corona hat die Welt verändert, trifft jeden, eigentlich unvorstellbar für uns alle. Dass eine solche Situation eintreten kann, war nicht vorhersehbar, nicht planbar und hat uns deshalb auch vor große Herausforderungen gestellt.

Ganz betroffen von Corona waren die beiden Themenfelder, über die wir heute besonders sprechen wollen, nämlich das Themenfeld Tourismus und auch das Themenfeld Landwirtschaft. Wir wollen versuchen, aus der Krise zu lernen, zu evaluieren, die Zukunft gemeinsam miteinander zu planen.

Ich habe heute versucht, zur Diskussion Personen einzuladen, Personen mit viel Erfahrung, Personen mit Anerkennung auf diesem Gebiet und vor allem auch Personen, die Kraft ihrer Funktion beitragen können, massiv beitragen können für eine positive Weiterentwicklung. Kurz gesagt, ich habe Personen eingeladen, ich glaube, die sitzen an den notwendigen Hebeln, die was bewegen können, die vor allem was positiv bewegen können.

Ich darf begrüßen in unserer Mitte – das freut mich wirklich sehr, dass du dir Zeit genommen hast, ich weiß, du hast einen ganz engen Zeitplan, du musst heute auch früher weg, das darf ich jetzt schon ankündigen – unsere Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Eli Köstinger. – Danke, dass du gekommen bist. (Beifall.)

Ich darf als Spitzenvertreterin der österreichischen Wirtschaft, die Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreich, Vorsitzende der Frauen in der Wirtschaft, und ich glaube, das kann ich als Tiroler sagen, eine absolut erfolgreiche Unternehmerin in verschiedenen Sparten, Frau Martha Schultz begrüßen. – Danke fürs Kommen. (Beifall.)

Als weiteren Referenten darf ich begrüßen den Präsidenten der Landwirtschaftskammer Tirol, auch ein Mann aus der Praxis, ein Milchbauer in Tirol, ein gestandener Tiroler Bauer, der regelmäßig auch selbst Hand anlegen muss in seinem Betrieb und daher auch weiß, was in der Landwirtschaft gespielt wird, Nationalratsabgeordneten Josef Hechenberger. – Danke fürs Kommen. (Beifall.)

Ich darf auch ganz besonders begrüßen unsere Zuseher via Livestream zu Hause. Danke auch für euer Interesse. Und ich glaube, ich verspreche nicht zu viel, dass wir heute noch eine interessante, spannende Diskussion erleben werden.

Es wären da ganz viele Persönlichkeiten zu begrüßen. Ich darf den Moderator des heutigen Abends begrüßen, Günther Schimatzek. Ich darf dich auch bitten, dann für den Rest des angebrochenen Abends durch die Veranstaltung zu führen, und darf dich auch bitten, die weiteren Diskussionsteilnehmer dann im Detail vorzustellen.

Ich darf doch noch einige Ehrengäste begrüßen. Es sind Nationalräte und Bundesräte unter uns. Ich darf vielleicht stellvertretend begrüßen den Fraktionsvorsitzenden im Bundesrat, Karl Bader – danke für dein Kommen. (Beifall.)

Aus den Bundesministerien darf ich begrüßen die Sektionschefin Ulrike Rauch-Keschmann und den Sektionschef Hannes Fankhauser. – Danke für euer Kommen und euer Interesse. (Beifall.)

Ich habe jetzt die Bundesbäuerin, die Nationalrätin Irene Neumann-Hartberger, angemeldet, ich sehe sie jetzt nicht, trotzdem, vielleicht kommt sie noch nach. Ich darf aber – nicht weniger wichtig für die Zukunft – den Bundesobmann der österreichischen Jungbauernschaft Franz Xaver Broidl begrüßen. (Beifall.)

Ganz ein wichtiger Mann für die österreichische Landwirtschaft, das ist der Vorstandsvorsitzende der Agrarmarkt Austria, Günter Griesmayr. Danke, Günter, dass du da bist. (Beifall.)

Ja, ich darf jetzt einleitend die Situation, wie sie sich in den letzten Monaten dargestellt hat, in meinem Heimatbezirk Landeck in Tirol, vielleicht mit ein paar Worten beschreiben. Mein Heimatbezirk Landeck weist viele Superlative auf. Mein Heimatbezirk ist der extremste Bergbauernbezirk in Österreich. 60 Prozent der Betriebe befinden sich in der Bergbauernzone 3 und 4. Wir haben fast nur Klein- und Kleinstbetriebe, haben einen Nebenerwerbsanteil von über 90 Prozent. Es gelingt uns, in einer engen Zusammenarbeit mit dem Tourismus, zumindest vor Corona, durch die gute Kooperation, durch den guten Austausch, durch die Kombinierbarkeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus eigentlich im Großen und Ganzen weiterhin trotz extremer Lagen eine flächendeckende Bewirtschaftung aufrechtzuerhalten. Worauf wir immer besonders stolz sind: dass wir einen Betriebsrückgang seit EU-Beitritt mit rund oder maximal 1 Prozent pro Jahr aufweisen können. Das ist, glaube ich, eine schöne Bilanz und zeigt, was man mit Verbundenheit zur eigenen Schule, aber auch mit Möglichkeiten vor Ort, dass man nicht auspendeln muss, alles erreichen kann.

Und da käme ich schon zum nächsten Superlativ. Der Bezirk Landeck hat 44 000 Einwohner und hat gleichzeitig 60 000 Gästebetten. Also in der Hochsaison haben wir im Bezirk mehr Gäste als einheimische Bewohner. Wir haben eine Nächtigungsanzahl vor Corona von 9 Millionen Nächtigung, aufgeteilt auf Hotellerie, Gastronomie, Ferienwohnungen, und ich sage es da auch schon dazu, auch natürlich ganz wichtig für uns, der Urlaub am Bauernhof.

Durch diese Kombination, Landwirtschaft und Tourismus, gelingt es, Tausende Arbeitsplätze vor Ort zu halten – im Tourismus, in der Gastwirtschaft, im Handel direkt, aber auch im Gewerbe, im Handwerk, in den Dienstleistungen, die natürlich ganz eng auch mit dem Tourismus verbunden sind. Und die angesprochenen landwirtschaftlichen Nebenbetriebe haben die ideale Kombination, weil gerade der Tourismus, die ganze Seilbahnwirtschaft, eigentlich genau die Arbeitszeiten im Winter liefert, wie sie ein Bauer braucht, dass er untertags arbeiten gehen kann bei der Seilbahn auch, und am Abend und in der Früh kann er in den Stall gehen.

ich glaube, mit dieser Kombination, wie wir sie in meinem Heimatbezirk haben, haben wir, glaube ich, die letzten Jahrzehnte ein sehr wirksames Rezept gefunden, wie man gegen die Landflucht, die sonst zweifelsohne eingetreten wäre, gegenwirken kann. Was haben wir davon? Es ist immer ein Geben und Nehmen. Die Landwirte sorgen für die flächendeckende Bewirtschaftung, für den Erhalt der Kulturlandschaft, und das sind genau wieder diese landwirtschaftlichen Reize, die unsere Einheimischen, aber vor allem auch unsere Gäste nutzen wollen.

Wir müssen dafür sorgen, dass wir die Viehhaltung vor allem auch aufrechterhalten können, weil unsere Almen weiterhin beschlossen werden müssen, weil auch das zweite Stockwerk in unserem Land natürlich gepflegt werden muss. Das hat viele nicht nur landschaftliche Gründe, sondern vor allem gewährt eine ordentliche Bewirtschaftung einen Schutz vor Naturgefahren, vor Lawinen und Erosionen.

Die Landwirtschaft und der Tourismus sind in meiner Region, aber auch darüber hinaus in unserem Land eigentlich ein untrennbares Paar. Die große gegenseitige Abhängigkeit ist gegeben. Funktioniert ein Teil nicht, leidet der andere extrem darunter, und das haben wir gerade in der Coronasituation in den letzten 13 Monaten gesehen.

Was ist passiert in meinem Bezirk Landeck? Was habe ich gesagt? Wir haben viele Superlative, wir haben leider auch bei Corona wieder Superlative auszuweisen. Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit in ganz Österreich gehabt. Die Landwirtschaft, die sich Gott sei Dank über viele Jahre durchaus brauchbare Zugänge auch zum Tourismus aufgebaut haben, hat plötzlich keinen Absatz mehr gehabt. Und ich muss ehrlich sagen, liebe Frau Bundesminister, wenn die Maßnahmen der Regierung nicht in dieser Weise gegriffen hätten, wie sie es tatsächlich getan haben, dann wären wir in sehr kurzer Zeit eigentlich zum Notstandsgebiet geworden. Das war überlebensnotwendig, was da die Bundesregierung gemacht hat, und da möchte ich mich auch im Namen vieler bäuerlicher, aber vor allem auch touristischer Betriebe an dieser Stelle auch ganz herzlich bedanken.

Wir haben jetzt Gott sei Dank akut den Neustart in eine hoffentlich sehr gute Sommersaison. Bei uns ist was eingetreten – ich habe es gesagt, 9 Millionen Nächtigungen –, dass wir einmal einen Winter erleben müssen, wo wir annähernd null Nächtigungen haben, war unvorstellbar; aber was sehr, sehr positiv zu beobachten war, unsere Touristiker, unsere Landwirte haben die Hoffnung nicht aufgegeben, die haben den Mut nicht verloren, und ich glaube, jetzt hoffentlich bleibt die Coronapandemiesituation so, wie sie jetzt ist. Wir sind mit einer Inzidenz von 2 in unserem Bundesland also auf einem sehr guten Weg, ich hoffe, dass das so bleibt. Dann glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind, und wir können auch jetzt einen Resetknopf drücken und die gegenseitigen Abhängigkeiten, die wir genannt haben, nutzen. Und wir sollten heute versuchen, diese positiven Möglichkeiten der Zusammenarbeit, wo beide nur gewinnen können, herauszuarbeiten, und das wäre eigentlich ein Anfang von einem Prozess, den ich sehr gerne auch in meiner neuen Funktion begleiten darf.

Ich darf jetzt kurz noch sagen, wie der Ablauf der heutigen Veranstaltung geplant ist. Es gibt jetzt einen Einleitungsvortrag von unserer Bundesministerin, folgen werden dann Impulse von Landwirtschaftskammerpräsident Hechenberger und von Wirtschaftskammerpräsidentin Martha Schultz, und dann gehen wir in die Diskussion über.

Ich freue mich sehr auf diesen Abend, auf eine fundierte Expertenkommission, und hoffe, dass wir wirklich auch mit Inhalten heute die Veranstaltungen verlassen können, an denen wir alle gemeinsam weiterarbeiten können. Danke derweil einmal und ich bitte dich, liebe Eli, dass du gleich - - (Beifall.) Ich bitte dich, liebe Frau Bundesminister, dass du herkommst und dein Einleitungsstatement abgibst. – Bitte.

Elisabeth Köstinger (Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus): Ja, vielen herzlichen Dank, geschätzter Herr Bundesratspräsident! Geschätzte Teilnehmer an der heutigen Veranstaltung! Zum einen einmal ein großes Dankeschön für die Initiative zu dem heutigen Fachgespräch. Ich glaube, das trifft sich - -

*****

(Unterbrechung.)

*****

Man merkt schon und man sieht schon, bei uns wird es nie langweilig. Also die Themenvielfalt ist eine sehr große, zu Unterschiedlichem, aber vor allem, und das ist ja das Thema auch des heutigen Abends, zu Tourismus und Landwirtschaft in Zeiten der Coronapandemie. Wir haben, glaube ich, in den letzten 16 Monaten eine Situation gehabt, die wir uns alle in Österreich, unsere ganze Generation, niemals hätten vorstellen können, dass wir irgendwann einmal über so einen langen Zeitraum eigentlich die sozialsten Orte, die Gasthäuser, die Veranstaltungen, die Hotels, wo man die schönste Zeit des Jahres verbringt, den Urlaub, schließen müssen. Der Ausfall der Wintersaison ist schon auch angesprochen worden, das hätten wir uns alle eigentlich niemals vorstellen können und ausmalen können.

Ich kann mich so gut daran erinnern, als den ersten Lockdown gemacht haben, hat Berndt Querfeld, ein sehr bekannter Gastronom aus Wien, ihm und seiner Familie gehört das Café Landtmann, erzählt, dass sie dann in den Keller gegangen sind, weil klar war, das wird jetzt etwas dauern und das Landtmann wird schließen, und die haben den Lichtschalter nicht gefunden, weil im Café Landtmann einfach niemals das Licht ausgeschaltet worden ist, weil der Betrieb de facto immer durchgegangen ist. Ich glaube, das allein zeigt schon, wie unvorstellbar das einfach für so viele Menschen in diesem Land auch war. Und ich sage auch ganz ehrlich, für uns als Bundesregierung war es eine riesengroße Herausforderung, weil es gibt zwar sehr viele Pläne zur Krisenbewältigung, es hat auch ein Epidemiegesetz gegeben, aber das alles war überhaupt nicht übertragbar auf das, was wir mit dem Coronavirus eben auch erlebt haben.

Ich glaube, dass die aktuelle Lage uns jetzt einmal grundsätzlich sehr positiv stimmen kann und auch positiv stimmen soll. Wir sind um ein Vielfaches besser auch aus dieser dritten Welle in Österreich gekommen als andere Länder. Wir sind de facto ohne einen harten Lockdown in sechs Bundesländern auch ausgekommen in der dritten Welle. Das hat sehr viel damit zu tun gehabt, dass wir ein unglaublich großes Testprogramm aufgebaut haben. Wir haben anders als in anderen Ländern einfach alles versucht, um immer wieder eben auch mehr Freiheiten trotz einer sehr infektiösen Pandemie zu ermöglichen. Und die Grundlage für ganze vieles war einfach die breite Teststrategie in Österreich, die Gott sei Dank auch auf eine sehr gute Akzeptanz in der Bevölkerung stößt.

Und seit 19. Mai haben wir uns auch getraut, alle Branchen gleichzeitig wieder zu öffnen, ist von vielen auch kritisiert worden, und es hat dann überall geheißen, die Zahlen werden wieder sehr schnell sehr hoch sein und nach oben schießen. Das ist Gott sei Dank ausgeblieben, auch deswegen, weil wir ja nie einfach nur geöffnet haben, sondern nach wie vor eben die 3G-Regel auch zum Einsatz gebracht haben, also getestet, geimpft und genesen ist jetzt die Voraussetzung, dass man zusammenkommt, dass man sich wieder trifft, dass man ins Restaurant geht oder dass man eben auch einen Urlaub bucht.

Da sind wir anders als in anderen Ländern, aber ich bin fast überzeugt davon, dass uns auch hier die Zeit recht geben wird. Wir alle hören und lesen aktuell gerade die Berichte über die Deltavariante, die in Israel wieder stark ausgebrochen ist, die in Großbritannien wieder zu Schließungen auch geführt hat. Wir beobachten das mit sehr viel Vorsicht, und, wie gesagt, das ist auch der Grund, warum wir diese 3G-Regel beibehalten, warum wir weiter auf ein breites Testangebot setzen und warum vor allem eben auch dieser Impffortschritt und die Akzeptanz in der Bevölkerung fürs Impfen für uns einfach so wichtig ist und wir da einfach auch weiterhin mit den Bundesländern gemeinsam alles dafür tun werden, gut über den Sommer zu kommen und dann vor allem eben auch den Herbst und den Winter entsprechend eben auch zu bewältigen.

Ich glaube, man kann, was die Coronapandemie betriff, weltweit wirklich von einer Katastrophe sprechen, für den österreichischen Tourismus war es das auf jeden Fall. 2020 hat sich die Anzahl der Gäste in unserem Land halbiert. Wir waren aber 2019 wirklich bei einem ungeschlagenen Höchstwert bei den Nächtigungen, 150 Millionen im Jahr 2019. Der Tourismusminister in Österreich war eigentlich über Jahrzehnte immer von Erfolgen gesegnet, das eigentliche ganz große Event als Tourismusminister in Österreich war ja die Verkündigung der Nächtigungszahlen und der Nächtigungsrekorde nach der jeweiligen Sommer- und Wintersaison.

Das ist bei mir jetzt leider ausgeblieben. Also es gab auch Rekorde, aber leider im Negativen. Mit dem Jahr 2020 sind wir de facto auf das Niveau der Siebzigerjahre zurückgekommen, was eben auch den Erfolg des Tourismus betrifft, vor allem eben die harten Wintermonate haben uns wirtschaftlich auch sehr schwer getroffen. Und ich glaube, es ist erstmals auch sichtbar geworden, was für eine strukturell wichtige Bedeutung der Tourismus in Österreich hat. Wir reden da eigentlich immer wieder von einer Wirtschaftsbranche, aber den wenigsten war bis zur Coronapandemie bewusst, wie viele zusätzliche Branchen eigentlich vom Tourismus abhängen.

Vor allem in Orten – und Peter hat das sehr eindrucksvoll auch in seiner Heimatregion beschrieben – lebt ja nicht das eine Hotel von den Gästen, die kommen, sondern das sind die Fleischer, die Bäcker, die Friseure im Ort genauso wie die Bauwirtschaft, weil dort wird dann wieder investiert, bis hin vor allem auch zur Landwirtschaft, den landwirtschaftlichen Betrieben und den Produkten, die wir eben auch in Gastronomie und Hotellerie absetzen. Also ich glaube, das war das ganz große Learning aus der Coronakrise, dass in Österreich einfach wirklich 15 Prozent der Wirtschaftsleistung am Tourismus hängen und damit eben auch in den vor- und nachgelagerten Branchen rund 750 000 Arbeitsplätze, die wir einfach auch der Ankunft unserer Gäste in dem Land in letzter Konsequenz auch verdanken.

Wir haben in den ersten Monaten ganz intensiv daran gearbeitet, Hilfspakete aufzustellen, und ich darf mich an dieser Stelle ganz herzlich vor allem eben auch bei der Wirtschaftskammer bedanken, vor allem der Martha Schultz, die als Vizepräsidentin und Tourismusverantwortliche maßgeblich dazu beigetragen hat, dass wir die Programme Schritt für Schritt auch immer wieder an die Branchen adaptiert haben. Es hat keine Erfahrungswerte gegeben, also nirgendwo ein Lädchen, das man aufmachen hat können und dann ist dort quasi der Hilfsplan gelegen. Wir haben auch alle nicht damit gerechnet, dass es derartig lang dauert, dass es diese unterschiedlichen Wellen in der Ausprägung gibt und haben gemeinsam wirklich alles dafür getan, die Betriebe, die komplett unverschuldet in diese Krise gekommen sind, bestmöglich zu unterstützen.

Wie unterschiedlich diese Branchen sind, haben wir vor allem eben auch gesehen bei den Entschädigungen. Die Reiseveranstalter haben ganz andere Voraussetzungen als beispielsweise die Hoteliers, in der Gastronomie haben wir ja vom Spitzenrestaurant bis zum Kebabstand und den entsprechenden Unterschieden dann auch in den Abrechnungen alles irgendwie adressiert, und die Kirsche am Sahnehäubchen waren zum Schluss die Privatvermieter, wo wir einfach keine gesetzliche Grundlage für fast 40 000 Betriebe gehabt haben, das entsprechend dann auch zu entschädigen. Aber zum Schluss können wir dastehen und sagen, dass wir wirklich unser Bestes getan haben, dass jeder einfach auch ein Überleben in dieser Krise gesichert bekommen hat. Und ich glaube, das hat man im letzten Jahr vor allem auch an der Anzahl der Insolvenzen gesehen. Die waren wider Erwarten fast um die Hälfte weniger als im Vergleichsjahr 2019, das vor allem touristisch, wirtschaftlich ein sehr, sehr gutes Jahr war, und das alleine zeigt schon, dass die Wirtschaftshilfen da wirklich auch gegriffen haben.

Der Chef der Cofag – und die Cofag ist ja fast für manche zu einem Unwort geworden, zu Unrecht, und auch das belegen die Zahlen – hat vor Kurzem einmal erzählt, dass sie 650 000 Förderanträge abgewickelt haben. Und er bezeichnet die Cofag ganz charmant als größtes Start-up Österreichs, weil wir wirklich innerhalb so kurzer Zeit ein derartiges System auch aufgebaut haben. Und weil Günter Griesmayr auch dasitzt: Alles das, was für die Wirtschaft nicht funktioniert hat, haben wir dann in die Agrarmarkt Austria reingenommen, von Urlaub am Bauernhof bis zu den Privatvermietern und vor allem eben auch die landwirtschaftlichen Betriebe, die über Agrarmarkt Austria entschädigt worden sind.

Das, was ganz gut funktioniert hat im letzten Jahr, und das zeigt uns ehrlich gesagt jetzt auch schon die Perspektive für das heurige Jahr: Die Ferienhotellerie ist relativ gut über den Sommer gekommen, auch wider Erwarten waren die Nächtigungszahlen sehr hoch. Vor allem viele Österreicherinnen und Österreicher haben sich wieder im Urlaub in das eigene Land verliebt und waren zum Teil, und das habe ich aus meinem eigenen Umfeld sehr oft gehört, überrascht über die Möglichkeit, die es in Österreich im Urlaub gibt, und vor allem sehr überrascht über die Qualität – weil mir war das klar, wenn ich irgend so eine All-inclusive-Billigreise irgendwo ans Meer buche, ist das natürlich nicht vergleichbar auch beispielsweise mit einem Urlaub am Bauernhof in einer Region in Österreich, weil da wirklich alle mit sehr, sehr viel Liebe und Leidenschaft alles dafür tun, dass die Gäste sich wohlfühlen. Und dieses letzte Jahr hat durchaus auch bei einigen zum Umdenken in letzter Konsequenz geführt.

Für das heurige Jahr und für den heurigen Sommer gehen wir davon aus, dass wir die Zahlen aus 2019 toppen werden können. Also Prognosen sagen uns zurzeit ein Plus von 10 Prozent gegenüber 2019 voraus, was Nächtigungen betrifft. Ferienhotellerie ist sehr, sehr gut gebucht. Etwas anders schaut es noch in den Städten aus. Die hängen halt sehr stark auch von den internationalen Gästen ab und haben natürlich ganz andere Voraussetzungen, aber auch das bearbeiten wir ganz intensiv.

Wir haben 2018, als quasi der Tourismus und die Landwirtschaft in Österreich politisch zumindest zu einer Einheit geworden sind, in einem Ministerium zusammengefasst worden sind, eigentlich damals fast visionär eine Tourismusstrategie für unser Land erarbeitet, wo wir erstens einmal mit allen Tourismuslandesverbänden, mit der gesamten Branche und vor allem auch mit vielen Bereichen, die am Tourismus hängen, fast ein Jahr intensiv diskutiert und uns angeschaut: Wohin muss die Reise in Zukunft gehen? Und wir haben damals gesagt, das Thema Nachhaltigkeit ist etwas, was die Gäste massiv umtreibt, Digitalisierung ist ganz zentral und vor allem eben auch dieser ganze Bereich der Kooperationen, und da sind wir damals schon ganz stark auch auf die Landwirtschaft zugegangen.

Das, was uns eigentlich in Österreich ganz stark ausmacht, ist diese Verbindung zwischen Tourismus, einem Urlaubsland, wo man Berge und Seen mit Trinkwasserqualität hat und Regionen hat, wo die Gerichte am Teller wirklich überall anders schmecken. Wenn man im Bregenzerwald irgendwo auf einer Alm wandert, ist das, was man an Geschmack erlebt, nicht vergleichbar mit dem, was man im Burgenland am Teller bekommt – alles wirklich hervorragend in der Qualität, aber diese Unterschiedlichkeit, die macht uns in Österreich einfach aus. Das war 2018 schon ein ganz großer Schwerpunkt auch unserer Arbeit und das wird jetzt vor allem im Tourismus und in Kombination mit der Landwirtschaft auch für die nächsten Jahre ganz klar sein.

Wir haben einen großen Prozess jetzt auch gestartet, um auch wieder mit der Branche darüber zu diskutieren, auf der einen Seite: Was sind die Lehren aus dieser Krise?, und zum Zweiten: Wo haben wir einfach wirklich Schwachstellen auch in unseren ganzen Wirtschaftssystem, in der Tourismus - -, im Landwirtschaftsbereich, und wo müssen wir da nachbessern? Das Ergebnis wird diesen Donnerstag dann auch präsentiert, es waren de facto alle Ministerien und der Bundeskanzler auch involviert in den ganzen Prozess, weil wir alles schaffen wollen. Wir wollen aus dieser Krise stärker hervorgehen als andere und wir wollen schneller auch wieder an alte Erfolge anknüpfen.

Wir waren vor der Coronapandemie, was das Ranking der Toptourismusdestinationen der Welt betrifft, auf Platz 14, und irgendwie, glaube ich, wäre es ganz cool, in den nächsten Jahren unter die top zehn zu kommen. Und das kann uns gelingen, wenn wir erstens einmal die richtigen Schlüsse ziehen, zweitens viel stärker auch kooperieren und zusammenarbeiten und drittens, wenn jeder in diesem Land versteht, dass das wirklich eine Katastrophe war, dass wir wirtschaftlich wirklich sehr, sehr viel leisten werden müssen, um wieder zurückzukommen, und dass wir jeden brauchen, der die Ärmel hochkrempelt und einen Beitrag dazu leistet, dieses Land und vor allem eben auch die Tourismusdestination Österreich wiederaufzubauen.

Der zweite Bereich, den ich jetzt eben auch noch ansprechen möchte, ist die Landwirtschaft, Peter hat es auch schon anhand des Beispiels Tirol angesprochen. Auch da war sehr schnell spürbar, wie sehr der Tourismus die Landwirtschaft beeinflusst, wie sehr Gastronomie einfach auch Hauptabnehmer der landwirtschaftlichen Produkte ist.

Ich kann mich erinnern, als wir die Gasthäuser gesperrt und geschlossen haben, war das Erste, was wir an den Märkten gesehen haben, dass der Rindfleischkonsum massiv zurückgegangen ist. Das ist fast ein bisschen mit Logik auch nachvollziehbar, weil man daheim kochen muss und das nicht mehr so gut kann, wie es vielleicht die Oma oder die Mama gekonnt hat, dann nimmt man halt eher auch Produkte in der eigenen Küche, die leichter zu verarbeiten sind. Also die Nachfrage nach Geflügel ist gestiegen, bei Rindfleisch haben wir durchaus einen Rückgang auch gesehen, das ist etwas, das wird viel stärker auch außer Haus verzehrt. Das hat auch dazu geführt, dass wir als erstes Hilfsprogramm ein Absatz- und Qualitätsförderprogramm für den österreichischen Rindfleischmarkt gestartet haben, da Überschussmengen auch untergebracht haben und damit auch diese Branche auch wirklich stark haben unterstützen können.

Sehr beeindruckend waren die Zahlen auch im Eibereich. Da haben wir pro Monat 10 Millionen Eier an Überschuss produziert. In der landwirtschaftlichen Produktion, anders als es manche NGOs uns glauben machen wollen, kann man halt auch nicht den Schalter umlegen und dann hört das Hendl auf, zu legen, und die Kuh auf, Milch zu geben. Das war durchaus eine ziemlich herausfordernde Situation, speziell in diesen Bereichen dann eben auch für zusätzliche Absatzmärkte zu schaffen.

Und das, was uns auch sehr beschäftigt hat, waren die geschlossenen Grenzen – weniger jetzt, was Agrarprodukte betrifft. Da sind wir Gott sei Dank mit einem sehr hohen Eigenversorgungsgrad gesegnet, aber plötzlich hat uns Verpackungsmaterial gefehlt, haben uns Arbeitskräfte gefehlt, die normalerweise über die Grenzen kommen und ganz selbstverständlich auch in der Landwirtschaft arbeiten. Also es war de facto jede Branche wirklich stark betroffen, egal ob das Marktpreise waren oder beispielsweise fehlende Infrastruktur.

Das Positive, und ich glaube, das muss man an dem Ganzen auch sehen, war, dass die Coronapandemie in der Bevölkerung ein wirkliches Umdenken bewirkt hat, und das haben wir auch an den Zahlen gesehen. Die bäuerliche Direktvermarktung hatte im Jahr 2020 das beste Jahr in der Geschichte. Wir haben ein Plus von 23 Prozent verzeichnen können. Das heißt, jeder, der bisher einen Hofladen gehabt hat, einen Selbstbedienungsladen oder auf den Bauernmarkt gefahren ist, ist mit dem Produzieren nicht mehr nachgekommen, weil die Leute zum Teil wirklich auch kilometerweit gefahren sind, um an gute Produkte zu kommen.

Und das ist ein Trend, den wollen wir absolut verstärken, den wollen wir nutzen. Dazu haben wir im letzten Jahr auch eine Initiative ins Leben gerufen mit „Das isst Österreich“, wo wir mit der Landjugend, den Jungbauern, der Landwirtschaftskammer, den Bäuerinnen und Bauern intensiv auch Aktionen gesetzt haben, um stärker auf diese regionalen Produkte und auf die Handarbeit auch unserer Bäuerinnen und Bauern hinzuweisen, vor allem für die Zeit, wo wir wieder zur Normalität übergehen, dass jeder einfach sich trotzdem nach wie vor daran erinnert, wer eigentlich jene sind, die für unsere Lebensmittelversorgung verantwortlich zeichnen, und wie hoch vor allem die Qualität der Produktion in unserem Land eben auch ist.

Für die Zukunft, die Lehren aus der Krise, und ich glaube, das ist auch der Schlüssel der Veranstaltung heute, ist für uns ganz klar das Ziel an oberster Stelle: dass wir im Bereich der Qualität noch einmal richtig - - (Unterbrechung der Tonaufnahme) - - Produktion – weil der freundliche Herr gerade da war –, ist es eine große Initiative in Richtung mehr Tierwohl, ist es aber vor allem auch eine ganz große Initiative hin zur Lebensmittelkennzeichnung, für mehr Bewusstsein auch bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Das betrifft in erster Linie einmal den ganzen Bereich der verarbeitenden Lebensmittel. Ich weiß, dass die Gastronomie immer im Fokus steht bei der ganzen Diskussion.

Wenn man sich die großen Mengen anschaut, dann ist das in der Industrie, dann sind es die Wurstwaren, die Milchprodukte und dann sind es die Eiprodukte, wo dann sehr oft auch die rot-weiß-rote Farbe zum Einsatz kommt, der Rohstoff aber zum Teil von Übersee importiert wird. Deswegen ist es das Allerwichtigste, bei verarbeiteten Lebensmitteln die Rohstoffe zu kennzeichnen und da raufzuschreiben, wo bei der Diskonterbilligmilch und den Billigmilchprodukten, die vermeintlich von großen österreichischen Handelskonzernen kommen, der Rohstoff Milch auch stammt, und das ist unser wichtigstes Ziel.

Zum Zweiten eben auch der ganze Bereich der Gemeinschaftsküchen, der Großküchen. Da haben wir vor allem auch die Initiative ergriffen, als öffentliche Hand, als Republik Österreich mit gutem Beispiel voranzugehen. Mich ärgert das immer so, wenn Politiker mit erhobenen Zeigefinger durchs Land marschieren und sagen: Ihr müsst das und das so und so machen! – Wenn ich mir anschaue, was in Justizanstalten zum Teil ausgekocht wird, finde ich, braucht doch keiner jemandem sagen, was er in seinem Kühlschrank zu haben hat. Und das System haben wir aber jetzt mit 1. Juli auch umgestellt.

Wir haben die Grundlage dafür geschaffen, dass die öffentliche Hand regional und saisonal einkauft. Wir haben mit dem Bundesheer auch angefangen, da natürlich auch die Verpflegssätze der Grundwehrdiener um ein Viertel anheben müssen, damit sich das auch preislich ausgeht, aber wir gehen da mit gutem Beispiel voran. Und in allen Kantinen, die vom Bund betrieben werden, wird es in Zukunft auch eine Lebensmittelkennzeichnung geben. Die Herkunft der Produkte wird entsprechend dann auch ausgelobt werden, und damit wollen wir einfach zeigen, dass das wirklich auch funktioniert.

Und ein weiteres ganz, ganz wichtiges Element für uns in dem Zusammenhang sind die AMA-Genussregionen. Diese verbinden nämlich die hervorragende Kulinarik unseres Landes mit dem Qualitätstourismus unseres Landes. Mir war es extrem wichtig, dass wir die Bäuerinnen und Bauern einfach als die Lebenszellen und den Herzschlag der Regionen sehen. Wenn die Bauern den Hof zusperren und mit den Familien weggehen, dann reduziert sich das Dorfleben, dann verschwinden sehr oft auch Wirtschaftsbetriebe, weil die Rohstoffe fehlen, egal ob das Molkereien sind, Fleischereien und Co.

Und wir haben halt eben auch das Problem, dass die Landschaft nicht mehr gepflegt wird. Und wenn der Bauer geht, dann kommt der Wald, was für viele auch sehr schön ist, aber im Endeffekt kann der Tourismus dann in der Art und Weise halt eben auch nicht mehr sein. Deswegen haben wir das Netzwerk Kulinarik ins Leben gerufen, als Kooperation und als Drehscheibe zwischen den bäuerlichen Produzenten, den Gasthäusern, die die wichtigsten Orte auch der Zusammenkünfte in unseren Dörfern sind, und vor allem auch den Manufakturen, den Handwerkern. Die müssen zum Teil, genauso wie die landwirtschaftlichen Betriebe der Industrie weichen müssen, eben auch diesen Riesenbetrieben weichen, die um ein Vielfaches billiger produzieren. Und wir wollen unsere Fleischer, unsere Bäcker in den Ortschaften einfach stärken und wir wollen ihnen einfach mehr Wertschöpfung ermöglichen.

Da haben wir gemeinsam jetzt auch mit dem Tourismus und der Österreich-Werbung verknüpft und haben das unter das Motto gestellt: Land der behutsamen Veredelung. Und ich glaube, dort treffen wir genau einen Trend, der schon seit längerer Zeit spürbar ist und den wir jetzt auch in den nächsten Jahren für uns nutzen wollen. Ich habe schon von dieser Vielfalt Österreichs im Geschmack gesprochen, und da einfach auch herzuzeigen, dass es möglich ist, diese Nachhaltigkeit auch mit Wirtschaftlichkeit zu verbinden, das ist damit eben auch unser ganz, ganz großes Ziel und das wird die ganz große Sommerkampagne auch für die nächsten Jahre sein, um da unsere Betriebe bestmöglich zu unterstützen.

Wir sehen im Tourismus eine ganz große Herausforderung, die kennen wir in der Landwirtschaft auch schon länger, das sind die Arbeitskräfte. Auch da sind wir gemeinsam mit Arbeitsminister Kocher intensiv dabei, Leute wieder stärker in Beschäftigung zu bringen, auch zu motivieren, einen Job anzunehmen, sich auch weiterzubilden, weiterzuentwickeln. Da wird der ganz große Fokus auch in den nächsten Monaten und Jahren hingehen.

Die Frage der Regionen ist für uns auch ganz zentral. Die Abwanderung schreitet seit Jahren und Jahrzehnten voran, aber da kommt der Tourismus in Kombination mit der Landwirtschaft eine riesengroße Chance sein, und vor allem eben auch das Thema Krisenfestigkeit ist etwas ganz Entscheidendes für beide Bereiche, das wir aktuell halt eben auch sehr, sehr intensiv bearbeiten.

Ich darf mich noch mal herzlich für die heutige Veranstaltung bedanken. Ich bin mir sicher, wenn ich da in die erste Reihe schaue, dass wird heute eine sehr spannende, interessante Podiumsdiskussion. Ich glaube, dass wir in Österreich eine riesengroße Chance haben in den nächsten Jahren, wenn wir verstehen, immer stärker zusammenzuarbeiten und uns nicht gegenseitig immer ausrichten, was der andere für Privilegien hat und wie gut es ihm geht. Im Endeffekt müssen wir auf einen gemeinsamen großen Nenner zusammenkommen und gemeinsam eben auch arbeiten, um dieses Land weiter zu einem der erfolgreichsten und vor allem eben auch schönsten und lebenswertesten dieser Welt zu gestalten. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall.)

Günther Schimatzek (Moderation): Vielen Dank, Frau Bundesminister! Ich darf Sie jetzt auch von meiner Seite aus herzlich begrüßen zu diesem Nachmittag, werde aber nicht lange hier das Podium blockieren, sondern gleich an unseren nächsten Referenten für seine Grußworte, für seinen Input weitergeben.

Wenn die Coronakrise, die Frau Bundesminister hat es ja schon gesagt, irgendwas Positives mit sich gebracht hat oder hinterlässt, dann ist es mit Sicherheit ein gestiegenes Bewusstsein für den Wert heimischer Produkte, und da zählt natürlich auch die Landwirtschaft dazu. Die Frage ist: Was ist bei der Landwirtschaft davon angekommen? Was macht die Landwirtschaft daraus? Gedanken dazu jetzt vom Präsidenten der Landwirtschaftskammer Tirol, Nationalrat Josef Hechenberger. – Bitte.

Josef Hechenberger (Abgeordneter zum Nationalrat): Geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzter Herr Bundesratspräsident! Geschätzte Damen und Herren! Also ich muss sagen, wir sind einigermaßen stolz und auch sehr froh, dass wir als Tiroler jetzt also für das nächste halbe Jahr den Vorsitz innehaben und dass unser Präsident, Peter Raggl, jetzt zu dieser Veranstaltung geladen hat und noch wahrscheinlich viele Impulse geben wird, die für uns so wichtig sind. Darüber freuen wir uns und da sind wir auch sehr stolz darauf. Und ich bin sehr, sehr gerne der Einladung gefolgt und werde versuchen, jetzt ein bisschen aus Sicht, vielleicht aus Tiroler Sicht ein paar Impulse geben, wie wir die Coronakrise aus Sicht der Landwirtschaft die letzten eineinhalb Jahre mehr oder weniger wahrgenommen haben.

Ich darf aber davor als Bauer, als einfacher Bauer, dir Danke sagen, Frau Bundesminister. Und das, was davor gesagt worden ist, das darf ich also - -, ich glaube, das möchte ich in einer gewissen Weise korrigieren. Jawohl, der Vollspaltenboden ist ein Thema, das wir zu diskutieren haben, aber ich würde mir schon erwarten, dass auch die sogenannten Tierschützer endlich einmal dieses Tierleid, das auf unseren Almen derzeit passiert, wo schwerst verletzte Schafe vom Wolf angefressen werden, dass man auch diese Sichtweise einmal in die Diskussion führt. Also das würde ich mir schon dringend erwarten, nicht immer nur mit engen Scheuklappen also die eine Thematik transportieren.

Ja, geschätzte Damen und Herren, die Landwirtschaft war logischerweise auch massiv betroffen von der Coronakrise. Und ich habe immer wieder gehört, so quasi: Ja, den Bauern geht es eh gut, ihr könnt arbeiten. – Ja, das ist super, wenn ich arbeiten kann, aber keinen Absatz habe, weil in vielen Bereichen ist das passiert. Und ich darf jetzt wirklich versuchen, in ein paar verschiedenen Produktsegmenten aufzuzeigen, wo wir also wirklich massive Schwächen gehabt haben, und natürlich dann auch versuchen, ein paar Impulse zu geben, wo wir also die Chancen einer sehr klein strukturierten Landwirtschaft in Tirol sehen.

Thema eins, Milchmarkt: Man muss sich vorstellen, man hat am 13. März 2020 von einem Tag auf den anderen den Tourismus geschlossen. Und wir haben da verschiedene Bereiche. Es hat Verarbeitungsbetriebe gegeben, die sind sehr stark im Handel. Die haben weniger gespürt, weil im Handel der Absatz gestiegen ist. Wir haben aber auch Sennereien, Molkereien, die Heumilch produzieren, Bioheumilch, die haben also mehr oder weniger von heute auf morgen keinen Absatz mehr gehabt. Was war die Folge? Volle Lager und natürlich dann auch der Impuls an die Bauern, sie müssen sofort die Menge reduzieren.

Ich bin selber Milchbauer. Eine Kuh trockenstellen ist möglich, aber dann wieder einen Schalter umlegen und wieder melken gehen geht nicht. Damit waren mehr oder weniger dann einfach die Ergebnisse die, dass zum Beispiel im Zillertal ein Schreiben hinausgegangen ist an die Bauern, sie dürfen nur mehr 80 Prozent ihrer Milch abliefern, den Rest müssen sie anderweitig verwerten. Hat zur Folge gehabt, dass die Anzahl der Schlachtkühe allein in einer Woche von 30 auf 130 gestiegen ist. Und natürlich hat das Folgewirkungen gehabt, weil auch dann diese Kühe, wie die Produktion wieder angesprungen ist, gefehlt haben – das heißt massive wirtschaftliche Auswirkungen, Preisverfall am Markt, und ich denke, das ist uns durchaus gelungen, dann mit einem guten Sommer das wieder zu stabilisieren.

Rindfleisch hat die Frau Bundesminister bereits angeschnitten. Wir wissen, 60 Prozent vom Rindfleisch wird außer Haus verzehrt. Das war von heute auf morgen weg. Gemüse: Wir haben einen starken Gemüsebau, Obstbau. Was ist uns da passiert? Gott sei Dank hat es die Initiative gegeben von der Bundesministerin, der Lebensmittelhelfer, aber wir haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Saisoniers, aus Südosteuropa, die aufgrund der geschlossenen Grenzen nicht mehr in unser Land einreisen haben können. Das Ergebnis war, es ist zum Teil das Gemüse am Feld verfault, das wirklich wunderbar produzierte Gemüse, weil wir nicht in der Lage waren, ausreichend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, damit wir diese Lebensmittel dann auf den Teller unserer Konsumentinnen und Konsumenten bringen können.

Und den Höhepunkt, denke ich, hat heuer im Winter die Situation bei den Kartoffeln gebracht. Und was die Coronakrise schon sehr deutlich aufgezeigt hat: dass in vielen Regionen die Partnerschaft Tourismus und Landwirtschaft bereits eine sehr enge ist. Wir haben allein im März 2 400 Tonnen Kartoffeln auf Lager liegen gehabt, die den Absatz nicht gehabt haben, weil wir keinen Tourismus vorgefunden haben. Die wären normalerweise alle schon in den Hotels in Sölden, Ischgl und in den anderen Regionen, Kühtai, gegessen gewesen. Und da hat es wirklich tolle Initiativen des Bundes gegeben, aber auch eine gute Partnerschaft mit dem Handel und auch private Aktivitäten. Es ist uns gelungen, dass jede genießbare Kartoffel an den Konsumenten gebracht wurde, eine Riesenleistung. Und meine Schlussfolgerung aus dem Ganzen heraus ist: Es gibt wahrscheinlich kein vergleichbares Land in Europa, das so stark die Regionen, die Menschen, die Wirtschaftsbereiche unterstützt hat, wie das Österreich gemacht hat. Da wirklich ein Danke an unseren Bundeskanzler, an die Bundesregierung. Ich denke, es waren wichtige Impulse.

Ein Beispiel. Vor zwei Monaten war ein Viehhändler aus Südtirol bei mir und wollte ein paar Kühe kaufen, und dessen Frau hat ein Hotel daheim. Und ich habe gesagt: Und, wie geht es euch in Südtirol? Ja, hat er gesagt, nicht so richtig gut. Er hat wieder gefragt: Wie ist das mit den Entschädigungszahlungen? Und er hat gesagt, ja, im November 80 Prozent, im Dezember 50 Prozent und dann 30 Prozent. Dann hat er gesagt, er hat bis dato – das war im April – 650 Euro gekriegt, gar nichts! Also das, glaube ich, muss man auch mal deutlich sagen, dass man da wirklich die Betriebe über die Krise gerettet hat, durch die Krise geholfen hat und so auch wieder Visionen und Perspektiven gegeben hat.

Wir haben eines gemerkt, und das ist, denke ich, zu unterstreichen: Die Leute, die Konsumentinnen und Konsumenten haben Zeit gehabt, sich mehr Gedanken über die Lebensmittel zu machen, mehr kritisch zu hinterfragen: Wo kommen Lebensmittel her?, mehr kritisch zu hinterfragen: Wie ernähre ich mich überhaupt? Und auf diese Chance müssen wir jetzt aufsetzen, Direktvermarktung stärken, regionale Produktion ausbauen. Es hat auch vor Jahren schon einmal die Überlegung gegeben, dass man gesagt hat, wir machen Tourismus, wir machen Industrie, und die Landwirtschaftspflege ist ausreichend, wir brauchen keine Lebensmittelproduktion.

Nein, mein Zugang ist, wir brauchen auch ausreichend Lebensmittelproduktion. Nur das macht Sinn für unser Land, dass wir wirklich regional produzierte Lebensmittel auch unseren Gästen und unserer einheimischen Bevölkerung anbieten können. Eines ist klar, wenn ich nach Italien fahre, dann möchte ich was Gescheites aus Italien essen, wenn ich nach Österreich fahre, dann möchte ich was Gescheites aus Österreich, und da haben wir noch Handlungsbedarf.

Das Thema Herkunftskennzeichnung ist für mich ein besonderes Herzensanliegen, weil ich weiß, das stärkt uns. Das stärkt uns in der Produktion, das stärkt uns in der Verarbeitung, und das gibt ein gutes Bauchgefühl für den Konsumenten, wenn ich weiß: Wo kommen Lebensmittel her, wie wurden sie produziert?, auch im Sinne des Klimawandels, es ist einfach gescheit, wenn wir das machen. Und deshalb bin ich sehr froh, dass wir das im Regierungsübereinkommen drinnen stehen haben, als ersten Schritt, öffentliche Küchen und Lebensmittelverarbeitungsindustrie, die Herkunftskennzeichnung umzusetzen. Und dann werden wir einen Schritt nach dem anderen setzen.

Und wir, denke ich, das darf ich jetzt schon mit vollem Stolz auch verkünden, wir haben in Tirol einen eigenen Weg gewählt. Mario Gerber hockt heute da, gemeinsam mit dem Wirtschaftskammerpräsidenten, mit der Tirol-Werbung. Wir haben uns verpflichtet, auf Basis der freiwilligen Herkunftskennzeichnung die Partnerschaft Tourismus, die Partnerschaft Landwirtschaft zu intensivieren. Und was mich begeistert, ist: Viele hundert Betriebe haben sich jetzt freiwillig zur Verfügung gestellt und kennzeichnen auf den Speisekarten Lebensmittel. Das stärkt die Region. Und eines ist auch klar: Nur wenn wir zusammen helfen, werden wir gestärkt aus der Krise kommen. Das, denke ich, ist ein ganz ein entscheidender Punkt.

Also summa summarum – dass ich nicht zu lang werde, Herr Präsident, wir haben ausgemacht 5 Minuten – hat uns die Krise gebeutelt, hat uns die Krise massiv gefordert. Wir haben politisch versucht, die Menschen durch die Krise zu begleiten. Und jetzt müssen wir intelligent die Strategien ableiten, damit wir gestärkt aus der Krise kommen, und da ist für mich eines ganz klar: Ich kämpfe für einen pulsierenden, wirtschaftlich denkenden und ländlichen Raum. Da ist die Partnerschaft Tourismus und Landwirtschaft das einzig Richtige. Wir brauchen das Handwerk dazu, wir brauchen die Fachwerker dazu. Wir brauchen neben einer starken städtischen Entwicklung auch einen starken ländlichen Raum.

Deshalb ist eines klar: Bauen wir auf das auf, versuchen wir, diese Partnerschaften zu intensivieren und kommen wir so gestärkt aus der Krise und geben wir uns gemeinsam und speziell den nächsten Generationen damit nicht nur Hoffnung, sondern auch Perspektiven für die Zukunft! In diesem Sinne: Danke für die Einladung. (Beifall.)

Günther Schimatzek: Vielen Dank, Josef Hechenberger.

Corona hat ja viele Branchen sehr hat getroffen. Die Landwirtschaft ist sicher eine davon, eine zweite, und um die geht es ja heute auch maßgeblich, natürlich der Tourismus. Von einem Tag auf den anderen Tag war nicht mehr zu wirtschaften. Die Zwangspause ist jetzt, so hoffen alle natürlich, vorbei, und die Sommersaison soll ja eine gute werden, aber es war für die Touristikerinnen und Touristiker natürlich auch eine Zeit des Innehaltens, des Nachdenkens und vielleicht auch des Entwickelns neuer Ideen, wenn es um die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft geht, und über solche Ideen freuen wir uns jetzt von der Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreich, schon angesprochen, natürlich auch eine höchst erfolgreiche Touristikerin, Martha Schultz. - Bitte.

Martha Schultz (Vizepräsidentin WKO): Lieber Präsident Raggl, herzlichen Dank für die Einladung, ich freue mich sehr! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Damen und Herren! Ich bin ja doch schon ein paar Jahre im Unternehmen tätig und beruflich tätig, aber in den letzten Monaten gab es wirklich einschneidende Momente in meinem Berufsleben. Wir haben am 26. Februar mit der Frau Bundesministerin diskutiert über Arbeitskräftemangel. Wir haben Wirtinnen und Hoteliers in der Runde gehabt, die nicht wussten, wie sie am Abend ihre Gäste verpflegen konnten, weil Köche gefehlt haben. Und da haben wir sehr intensiv darüber diskutiert.

Am 15. März musste ich unseren – mit meinem Bruder gemeinsam – unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sagen, sie müssen in Kurzarbeit. Das sind Mitarbeiter, die sind teilweise über 30 Jahre in unserem Unternehmen; das waren über 600, denen zu sagen, es gibt Kurzarbeit. Da kam die Rückfrage: Und wie lange? Und ich musste das erste Mal in meinem beruflichen Leben sagen, ich weiß es nicht, ich kann es nicht sagen.

Jetzt war der schönste Moment am 19. Mai, und das war wirklich berührend, die ersten Gäste wieder zu begrüßen. Als Wirtin, als leidenschaftliche Touristikerin war das eine sehr, sehr intensive Zeit, und ich konnte es nicht garantieren, wie wir dem Gast um den Hals fallen und ob wir es überhaupt dürfen. Ich habe mich ein bisschen im Zaum gehalten. Wer mein Temperament kennt, weiß, dass das sehr schwierig war, und es war ein ganz ein emotionales Erlebnis.

Ja, die Lockerungen waren sehr wichtig für uns, aber auch natürlich die Einreiseverordnungen. Man hört es, ich bin eine Tirolerin. Wir sind es gewohnt, nach Südtirol zu reisen. Wir haben Betriebe in Osttirol, da fahre ich schnell über Südtirol, das ist der schnellste Weg. Das war in den letzten Monaten nicht mehr möglich, sondern nur noch Umwege. Wichtig war die Öffnung zu unseren Kernmärkten, ob das nach Bayern oder nach Deutschland ist. Uns haben unsere Nachbarn, sozusagen wir haben uns über die Grenze zusammen gewunken, aber es war nicht möglich, zusammen zu reisen.

Es steht uns schon ein erfolgreicher Sommer bevor, aber ich glaube, wir dürfen den Blick auf die Deltamutation und auch auf die Impfungen im eigenen Land, aber auch in den Nachbarländern nicht außer Acht lassen, und wir müssen alles dafür tun, dass diese Impfungen vorangetrieben werden, dass es nicht wieder zu geschlossenen Grenzen kommt und auch in keinster Weise wieder zu Lockdowns.

Im Tourismus die Öffnungen waren für viele möglich, aber für viele ist es nicht möglich, von null auf 100 aufzufahren. Es gibt Betriebe, wo nur schrittweise wieder zum Arbeiten begonnen werden konnte, die auch weiterhin noch Unterstützungen notwendig haben, ob das die Stadthotellerie ist - - Wir haben schon gehört: die Reisebüros. Ich meine, wir haben selbst ein Incoming-Reisebüro. Da war vom letzten Jahr heuer einfach null. Wir sind Marktführer bei den deutschen Schulskikursen. Das war einfach null, einfach wirklich null, kein einziger Gast, kein einziger Schüler, den wir begrüßen konnten.

Es gibt natürlich Veranstalter von Kongressen, Fremdenführer, Bergführer, aber auch die Kinos und die Schausteller, und die dürfen wir nicht vergessen. Wir müssen weiterhin auch in diesen Bereichen Unterstützungen ermöglichen.

Ich bin auch im europäischen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen in den Wirtschaftskammern. Es ist uns schon gelungen, und da muss ich ganz - - Ich habe es der Frau Bundesminister, bevor sie gegangen ist, noch gesagt, ein großes Danke. Ein Danke an unsere Regierung, aber auch ein Danke an alle Kabinette, die mitgewirkt haben. Es gab nicht nur fünf Tage von 9 bis 17 Uhr, wir haben sieben Tage durchgearbeitet. Wenn man um, weiß ich nicht, um 22.30 Uhr noch angerufen hat, dann ist vielleicht nicht gleich abgehoben worden, aber es ist 5 Minuten später zurückgerufen worden.

Wir haben immer ein offenes Ohr gehabt. Wir konnten - - Die Sektionschefin wird das bestätigen, wie oft wir in der Nacht telefoniert haben oder am Sonntag telefoniert haben, einfach um die einzelnen Bereiche und Details zu besprechen, um die Unterstützungen als beste Wirtschaftshilfen Europas zu ermöglichen.

Wir müssen halt jetzt auf den letzten Metern nicht vergessen, diese Bereiche noch als Unterstützungen und Hilfsmaßnahmen, die notwendig sind, die die Unternehmen brauchen, einfach auch zur Verfügung stellen. Und es soll aber auch nicht so sein, dass die Branchen irgendwie an den Pranger gehalten werden, dass sie immer noch Unterstützungen brauchen.

Wir wissen, dass die Schuldenerhöhung der Unternehmungen von circa 25 bis 30 Prozent erfolgt sind. Das ist natürlich eine deutliche Veränderung bei den Bankenratings. Ohne staatliche Unterstützung, wissen wir, das ist berechnet von der Insolvenzanalyse der Oesterreichischen Nationalbank, würden circa 40 Prozent der Unternehmungen bis Ende des Jahres 2022 in Insolvenz gehen. Also da muss man wirklich sagen, das dürfen wir nicht außer Acht lassen, und deswegen waren - -, die Wirtschaftshilfen sind notwendig, um unsere Betriebe am Leben zu erhalten.

Es hat natürlich verschiedene Möglichkeiten gegeben, ob jetzt Ausfallbonus, Verlustersatz, aber auch im Bereich natürlich der Mehrwertsteuersenkung. Und auch hier müssen wir nur ein bisschen achtgeben. Es gibt noch Bereiche, ob das die Kinos sind, die auch natürlich diese Unterstützung direkt brauchen. Also die 5 Prozent, die Ermäßigung der Umsatzsteuer, das ist einfach ein Thema, das sofort in die Betriebe fließen kann.

Ein nächstes Problem ist natürlich in Sachen Finanzierungen. Wir wissen, dass im Tourismus die Eigenkapitalquote, das war schon vor der Pandemie, ein Problemfeld ist und war. Und ich glaube, da müssen wir jetzt auch achtgeben, weil durchschnittlich gibt es 14 Prozent Eigenkapital, und wir brauchen für ein gesundes Unternehmen 30 Prozent Eigenkapital. Und ich glaube, darauf müssen wir auch den Fokus legen. Wir sind jetzt gemeinschaftlich mit den Verantwortlichen der Regierung, auch in der Wirtschaftskammer, an diesen Themen am Arbeiten.

Und was mein großes Anliegen ist, weil wir sind ein Unternehmen in der vierten Generation: Ihr wisst, wir haben eine große Landwirtschaft daheim. Daraus sind unsere Tourismusunternehmungen entstanden. Wir sind heute, mein Bruder und ich, immens stolz, dass wir da noch Landwirtschaft haben. Und ja, wir sind in der vierten Generation. Die fünfte Generation wartet bei uns, und da müssen wir die Betriebsübergaben, die müssen wir ermöglichen. Es muss auch attraktiv sein für unsere Jungen, die Betriebe zu übernehmen. Das muss steuerlich möglich sein, das muss auch attraktiv sein, dass wir nicht nur Start-ups gründen und die sozusagen einfach cool sind, sondern dass einfach Betriebsübergaben, die Jungen, die den Mut haben, die Betriebe zu übernehmen, dass wir die einerseits steuerlich unterstützen, die Möglichkeiten geben, aber natürlich auch, dass es attraktiv ist, dass das Ansehen da ist, dass sie den Mut haben, Betriebe zu übernehmen.

Ja, wir haben eine Umfrage in der Wirtschaftskammer gemacht: Was sind die Sorgen von unseren Unternehmerinnen und Unternehmern? Das ist einerseits das Thema Finanzierungen. Dann haben wir die Lohn- und Arbeitskosten. Das ist ein Thema, wir diskutieren immer darüber, in allen Ebenen, in allen Bereichen. Es müssen einfach unseren Mitarbeitern mehr bleiben im Tascherl. Also unsere Lohnkosten und Lohnnebenkosten sind einfach zu hoch. Dann für unsere Unternehmer natürlich auch das Thema Fachkräftemangel. Und es sind nicht nur die Fachkräfte, uns fehlen einfach die Arbeitskräfte. Es muss der Tourismus auch bei allen und in allen Köpfen einfach wieder attraktiv sein.

Ich bin eine leidenschaftliche Touristikerin. Wenn ich gefragt würde, was ich wieder tun würde, würde ich sagen, und mit Leib und Seele, und ich sage nicht Touristikerin, eigentlich bin ich eine Wirtin. Ich liebe es, Menschen kennenzulernen, Menschen unsere Landschaft näherzubringen, Menschen zu servicieren, aber natürlich auch zu plaudern und über die Geschichten, und das ist eigentlich das Spannende und das Schöne - - Und die kommen aus der ganzen Welt zu uns. Also ist eigentlich ganz ein wunderbarer Beruf. Und auch das müssen wir für unsere Jungen wieder attraktiv gestalten. Uns fehlen circa 25 Prozent der Lehrlinge, die wir früher hatten, die uns jetzt einfach fehlen. Und da, glaube ich, müssen wir alle dazu beitragen, dass der Tourismus das ist, was er immer war, ganz ein toller, internationaler Arbeitsplatz.

Und aufpassen einfach - - Für mich auch als Europäerin, ich sage immer, ich bin im Kopf eine Europäerin und im Herzen eine Tirolerin, geschlossene Grenzen ist einfach was Furchtbares. Also das war für mich persönlich einer der einschneidendsten Momente, dass ich sage, ich kann nicht über Südtirol nach Osttirol in unsere Betriebe fahren, ich kann nicht schnell einmal kurz nach Bayern. Oder wie es geheißen hat, wenn wir Tiroler nach Österreich reisen, dass wir da ein Problem haben. Also da müssen wir alles dazu tun, dass so was nicht mehr vorkommt.

Was zur Zukunft im Tourismus, sind das für mich drei Themen, die maßgeblich sind. Das ist einerseits das Thema Nachhaltigkeit, das haben wir schon gehört. Zum Thema Nachhaltigkeit gehört aber für mich auch die Vereinbarkeit Beruf und Familie. Und ich glaube, das ist eine der obersten Prioritäten. Wir wissen, Tourismus findet sieben Tage in der Woche statt. Also muss es auch möglich sein trotz allem, die Vereinbarkeit Beruf und Familie, und da sind alle gefordert, bis in die Gemeinden runter, dass das möglich ist, dass das geregelt ist, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch arbeiten können und nicht Sorgen haben, wie die Kinderbetreuung stattfindet, wie es möglich ist, ein Familienleben auch zu haben, wenn man sieben Tage für die Gäste im Tourismus da ist.

Was ganz spannend ist, das hat das World Economic Forum festgestellt, dass Österreich auf Platz 3 ist von 140 Ländern zum Thema Nachhaltigkeit. Also wir haben schon vieles getan, wir müssen noch vieles tun, ist völlig klar, aber nur, dass man mal sagt, wir sind auf Platz 3 von 140 Ländern. Also wir tun schon was. Dass wir natürlich noch einiges zu tun haben, das ist sicherlich klar, zum Beispiel auch in Sachen Energie.

Die Digitalisierung ist uns - -, wir hören, hat jetzt einen Boost erlebt in der Pandemie, aber ich glaube, da müssen wir uns noch viel mehr fokussieren. Und Digitalisierung heißt, dass wenn man in einem Dorf in einem Seitental ist, dass da auch einfach ein Breitband zur Verfügung steht, dass wir auch digital unsere Gäste willkommen heißen können, servicieren können, Angebote erstellen, aber auch die Gäste, die hier vor Ort sind, dass die oft ihrem Beruf nachgehen können, weil auch das ist natürlich ein Thema, dass es ja bei uns sehr schön ist, länger Urlaub zu machen, aber dann brauchen wir halt auch die Digitalisierung.

Für mich – und wer mich kennt, der weiß es, was zum Thema Mobilität – ist das Thema Mobilität eines der ganz großen Themen, die wir zu bewältigen haben im Tourismus. Weil wir wissen, in vielen urbanen Bereichen in Deutschland, sind die Hälfte der Jugendlichen, die keinen Führerschein mehr machen, also dann ist schon das Thema: Wie kommen diese Jugendliche oder diese Erwachsenen dann zu uns auf Urlaub, wie können sie anreisen? Also da sind wir sehr gefordert, und wir wissen, dass 80 Prozent der Gäste mit dem Pkw anreisen.

Wir wissen aber auch, und das habe ich vom Umweltbundesamt, und den Vergleich nehme ich sehr gerne mit, was Nachhaltigkeit und Mobilität anbelangt: Die Seilbahnen - - Viele wissen, dass ich auch eine leidenschaftliche Seilbahnerin bin und doch sechs Skiregionen in Nordtirol und in Osttirol zu unserem Unternehmen gehören, und da wird oft gesagt, die Seilbahnen sind nicht sehr nachhaltig. Das Umweltbundesamt hat berechnet, dass sechs Tage Skifahren gleichzustellen sind wie 30 Minuten Jetskifahren am Meer. Würden unsere Gäste noch nicht mit dem Pkw anreisen, sondern öffentlich, dann wären wir Weltmeister in Sachen Umwelt, Nachhaltigkeit und Urlaub in Österreich.

In diesem Sinne möchte ich gerne weiterhin gemeinsam mit unserem Spitzeninstitut im Tourismus, der Österreich-Werbung, zusammenarbeiten, dass wir genau diese Probleme regeln und auf diese Punkte achtgeben: Gemeinschaft, mit der Landwirtschaft die Kreislaufwirtschaft leben. Viele wissen, dass wir es schon sehr leben in unseren Betrieben. Ich bin eine Verfechterin, was das anbelangt, mit regionalen Lebensmitteln und Produkten. Da müssen wir halt dann noch ein bisschen auch ansetzen, dass die Wertschätzung der Lebensmittel, bei uns dann die Produktion und der nachhaltige Urlaub im Sinne der Kreislaufwirtschaft natürlich auch die entsprechende Bepreisung braucht. Und ich glaube, da müssen wir alle zusammen helfen, dass wir da achtgeben, dass ein billiger Urlaub nie einer sein kann, wo die Wertschätzung der Lebensmittel stattfindet, die Wertschätzung der Arbeit stattfindet, sondern auch das sollte natürlich entsprechend bepreist werden. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall.)

Günther Schimatzek: Vielen Dank, Martha Schultz.

Viele Gedanken, viele Ideen, viele Blickwinkel und Ansätze haben wir jetzt schon gehört zu diesem Thema Neustart für den Tourismus und für die Landwirtschaft, und am besten ein Neustart in einer Symbiose in einem noch näheren Zusammengehen. Wie also können Tourismus und Landwirtschaft diesen Neustart nützen? Darüber wollen wir jetzt diskutieren.

Ich darf Ihnen ganz kurz die Runde vorstellen und auch bitten, gleich hier oben Platz zu nehmen. Ladies first natürlich: Christina Mutenthaler, sie ist die Leiterin des Netzwerks Kulinarik, eine Plattform, die die kulinarischen Initiativen in Österreich unterstützen und in eine gemeinsame Richtung weiterentwickeln wollen. Herzlich willkommen noch einmal. (Beifall.)

Mario Gerber ist bei uns, Hotelier aus Tirol, schon begrüßt, Abgeordneter zum Tiroler Landtag und Spartenobmann für Tourismus und Freizeitwirtschaft. Mario, herzlich willkommen bei uns. (Beifall.)

Florian Phleps ist bei uns, Geschäftsführer der Tirol-Werbung und damit ein profunder Kenner des Tourismus, nicht nur des Tiroler Tourismus, sondern natürlich des gesamtösterreichischen Tourismus, dieser Branche, die ja jetzt auch gerade wieder so richtig ins Laufen kommt. Herzlich willkommen, danke, dass du dabei bist. (Beifall.)

Nicht zuletzt bei uns, Hannes Royer, Sprecher und Obmann des Vereins Land schafft Leben, der Verständnis für die Zusammenhänge in der Lebensmittelproduktion schaffen will und damit auch ein stärkeres Bewusstsein – bitte drüben Platz nehmen, sonst kommen die mit der Tontechnik durcheinander! – schaffen will für den Wert heimischer Lebensmittel. Wir freuen uns ganz besonders, dass er heute auch den Weg hierher nach Wien gefunden hat. Herzlich willkommen, Hannes Royer. (Beifall.)

So, ich möchte auch gleich mit dem Hannes Royer anfangen. Jetzt haben wir so viel gehört auch über dieses Bewusstsein, und dass die Konsumenten doch auch beim Einkauf und vielleicht auch beim daheim Kochen dann mehr zu heimischen Produkten gegriffen haben. Es ist auch der Wert der heimischen, der verfügbaren Produktion wieder vielleicht mehr ins Bewusstsein gerückt. Haben Sie das gespürt? Spürt das die Landwirtschaft noch immer, dieses gestärkte Bewusstsein für Regionalität und für den Wert der Regionalität?

Hannes Royer (Initiator, Gründer, Sprecher und Obmann des Vereins „Land schafft Leben“): Ja, ein herzliches Grüß Gott einmal zuerst von meiner Seite und auch Danke für die Einladung, dass ich heute da sein darf, freut mich sehr. Ja, auf alle Fälle, also man kann schon sagen, das Thema Regionalität ist durch die Decke gegangen, und wir haben das selber im Verein gespürt, wie hoch der Informationsbedarf der Bevölkerung war.

Wir haben es natürlich auch mitgekriegt vom Lebensmitteleinzelhandel, wo wir einfach gesehen haben, um wie viel das Bewusstsein gestiegen ist, um wie viel aber auch, und das ist auch spannend, zum Beispiel Produkte vom Ausland nicht mehr gekauft worden sind, sage ich einmal, ungarische Salami oder ein Schinken aus Italien, die haben teilweise Umsatzeinbußen gehabt von über 40 bis zu 50 Prozent. Also das heißt, da haben sich die Österreicherinnen und die Österreicher schon ganz, ganz stark zu Österreich bekannt, und ich denke, dass das auch durchaus in der Landwirtschaft spürbar war und auch nach wie vor spürbar ist.

Nicht zuletzt möchte ich auch erwähnen das Thema Bio, das auch durch die Decke gegangen ist, was mich auch besonders freut, dass da auch mehr Menschen auch das noch mehr erkennen. Im Gastrobereich, und das ist ja für uns auch sehr spannend und ich möchte das heute auch ein bisschen hineinbringen, gibt es ja sehr viele freiwillige Initiativen, die auch erwähnt worden sind, man hört es auch vom Präsidenten, wo eben auf freiwillige Zusammenarbeit gesetzt wird, wo wir schon sehen, dass ein spezieller Kern der Tourismusbetriebe und Gastronomen zunehmend auf Österreich setzt.

Aber ich muss vielleicht gleich am Anfang ein bisschen die Freude trüben, weil wir haben jetzt uns die Informationen geholt vom Gastrogroßhandel: Wie hat die Eindeckung jetzt im Mai ausgeschaut, im Juni, ist da wirklich ein Run auf Österreich? Und da muss ich schon sagen, die Zahlen sind nach oben gegangen, aber bei Weitem nicht so, wie sich das vielleicht auch die Großhändler vorgestellt haben. Das heißt, es hat eben wieder sehr viele Gastronomen gegeben, die gesagt haben: Na ja, ein spanisches Schweineschnitzel ist halt dann doch um 10 Cent billiger und ich greife trotzdem zu dem.

Das heißt, da hätte ich mir erwartet, dass aufgrund der ganzen Situation, weil eben auch die Menschen so ein Bewusstsein entwickelt haben, dass diese Freude auch übergesprungen wäre auf die Gastronomiebetriebe, aber die Masse hat sich sehr wohl wieder, sage ich einmal, auch mit Produkten eingedeckt, die nicht unbedingt aus Österreich stammen.

Und deshalb bin ich da halt ein bisschen so im Zweifel mit der Freiwilligkeit. Das ist sicher für die Topbetriebe schön und super, aber ich glaube, damit sozusagen dieser Schulterschluss, was auch Martha jetzt angesprochen hat, dass der noch stärker wird, glaube ich, bräuchten wir da Instrumente, die das vielleicht auch von außen noch ein bisschen bestärken.

Günther Schimatzek: Vielen Dank. Jetzt haben wir gehört, die Gastronomie reagiert zum Teil schon auf dieses gestiegene Bewusstsein, aber bei der Eindeckung, wenn es dann um die harten Zahlen geht, vielleicht doch nicht in dem Ausmaß, wie man es sich wünschen würde.

Christina Mutenthaler, jetzt ist die Gastronomie eine Seite der Abnehmerschaft für die landwirtschaftlichen Produkte, die Konsumenten sind die andere. Wie schätzen Sie das ein: Wird das Bewusstsein für den Wert der Regionalität über Corona hinaus bestehen bleiben oder wird die Kurve auch so hinuntergehen?

Christina Mutenthaler (Leitung Netzwerk Kulinarik): Ja, es ist schwierig zu sagen jetzt. Man muss unterteilen. Landwirtschaft ist auch vielfältig. Also ich kann jetzt sagen, für uns von dem Bereich Netzwerk Kulinarik, Hauptzielgruppe sind die Direktvermarkter, wir haben zu den Gewinnern gehört. Man muss aber auch sagen, es war extrem viel Arbeit dahinter.

Ich kann mich noch erinnern, der 13. März, wir kriegen einen Anruf vom Herrn Sektionschef da geradeaus: Okay, Hamsterkäufe kündigen sich an, macht was bitte! – Und dann haben wir die Webseite www.frischzumir.at in der Nacht ins Leben gerufen, und wir haben wirklich in der Nacht alle Mitarbeiter gesucht. Wo kann man regionale Produkte kaufen und wer liefert? – das war das Thema.

Die Selbstbedienungsläden, muss man sich auch vorstellen, von denen gibt es jetzt sehr viele schon, die waren auch noch nicht so viel bekannt. Und dann haben wir das Glück noch gehabt und sind in der „ZIB“ bei Armin Wolf erwähnt worden. Daraufhin haben wir 14 Tage nur beschäftigt dafür, dass wir - - Die Nachfrage war so hoch und das Angebot war einfach noch nicht da, und man hat die Informationen nicht gehabt, das alles in Österreich zusammenzusuchen.

Und wenn man das jetzt beobachtet, eineinhalb Jahre später, hat man gesehen: jedes Mal Lockdown gewesen, natürlich voll in die Höhe. Wir sind super vorbereitet. Die Direktvermarkter haben sich sehr professionalisiert. Wir haben jetzt insgesamt 1 200 Direktvermarkter zertifiziert, die sind auch qualitätsgeprüft, da haben wir alle Daten, wir haben Produzentenlisten, wir haben Lieferantenketten, auch zur Gastronomie. Nur das sind halt 1 200 Betriebe, man hat - - Landwirtschaft ist eine ganz andere, wir haben es heute schon gehört vom Präsidenten, die direkt in die Gastro geliefert haben oder zu Gastrogroßhändlern, denen ist es nicht so gut gegangen. Für meinen Bereich haben wir wirklich zu Gewinnern gehört. Aber wir suchen nach wie vor, mein Appell auch bitte an alle, wir suchen nach wie vor Direktvermarkter. Wir suchen auch Direktlieferanten, die direkt in die Gastronomie liefern wollen, und da sehen wir schon, das Bewusstsein ist da, absolut in dem Bereich noch da.

Günther Schimatzek: Jetzt sind die Direktvermarkter natürlich ein Teil der gesamten Vermarktung.

Christina Mutenthaler: Genau.

Günther Schimatzek: Vielleicht nicht einmal der größte. Der größte ist ja nach wie vor über den Handel. Wenn der Konsument im Handel vor der Alternative steht, und in Zeiten des Lockdowns hat man ja sehr deutlich gemerkt, wie wir ja auch schon von Hannes Royer gehört haben, da haben die Leute bewusst auch im Regal zu den heimischen Produkten gegriffen. Wird es im Handel auch weiter dabei bleiben oder wird man dann doch wieder mehr nach dem Preis entscheiden?

Christina Mutenthaler: Also ich habe zwei Zahlen. Wir haben eine aktuelle Umfrage gehabt, das war, ich glaube, im April oder so. Da waren 80 Prozent, die wollen Regionalität haben, und jetzt haben wir das weiterhin. Wir sind aber immer noch bei einem Drittel mindestens, das erhalten geblieben ist, und auch wenn wir sprechen, wir sehen, ein Drittel ist es, auch im Handel noch höher.

Günther Schimatzek: Mario Gerber, jetzt hören wir von Hannes Royer, die Gastronomie hat zwar natürlich auch in Coronazeiten und auch jetzt danach noch – also wir hoffen ja, dass wir schon danach sind, ganz genau wissen wir es ja noch nicht – dieses stärkere Nachfragen von Regionalität auch gespürt. Jetzt hören wir beim Eindecken, also dann, wenn es um die Betriebswirtschaft geht, ist das Bewusstsein, das Bekenntnis nicht mehr ganz so stark. Ist das aus Ihrer Sicht im Tourismus auch so?

Mario Gerber (Abgeordneter zum Tiroler Landtag): Ich muss einmal vorweg sagen: ein absolutes Commitment zu Tourismus-Landwirtschaft. Das ist mir ganz wichtig. Ich glaube, der Tourismus und die Landwirtschaft haben in den letzten Jahren immer enger gelernt, miteinander umzugehen, und das ist ein Erfolgsmodell, und auf dem müssen wir bleiben.

Ich darf vielleicht noch ein bisschen ausholen, bevor ich zur richtigen Frage komme, weil mir das auch ganz wichtig ist bei dieser Kennzeichnung der Lebensmittel. Wir haben da, und Herr Präsident Hechenberger hat es angesprochen, und da bin ich wirklich stolz, Josef, dass wir das gemeinsam auch mit durchaus der einen oder anderen Diskussion auf den Weg gebracht haben, und ich glaube, ist ein riesengroßer Erfolg - - Nur: Bei dieser Kennzeichnung müssen wir natürlich auch ein bisschen auf die Branche aufpassen. Wir haben auf der einen Seite das Thema immer noch, wobei ich höre, die Qualität wird immer wieder besser von den Produkten, aber wir haben immer noch das Thema der Menge. Wir schaffen es einfach nicht, zum Beispiel im Winter in Tirol alle Produkte aus Tirol zu beziehen. Das ist ein riesengroßes Thema, mit dem wir zu kämpfen haben.

Und natürlich, die Branche, die hinter dem ganzen Thema steht und es auch freiwillig macht, hat natürlich auch das Thema, dass ganz viele Betriebe bei uns das als ihr absolutes USP bezeichnen. Das heißt, die werben bei dem Kunden damit, dass sie Produkte von der heimischen Landwirtschaft haben, dass sie die Eier - -, ich könnte sogar welche selber herstellen oder beim Bauern einkaufen. Aber man muss schon einmal dazusagen, dass so eine verpflichtende Bezeichnung in der Gastronomie noch in den Kinderfüßen steckt, weil es geht auch um das Thema Kontrolle. Bei uns haben auch die Mitglieder, und wir haben eine Befragung gemacht, auch Angst davor, wenn das nicht kontrolliert wird, weil es ist de facto nicht kontrollierbar - - Ja, was wird passieren? Jeder Wirt in Tirol wird sich natürlich auf die Speisekarte schreiben, er hat das Schwein von dem oder das Rind von dem. Das heißt, es ist ein Thema, dass wir aufpassen müssen, dass wir diesen Betrieben, die das freiwillig machen, nicht das USP nehmen.

Was mir ein bisschen wehgetan hat, war das Problem, dass angeblich die Wirte wegen 10 Cent das Fleisch aus Spanien kaufen. Da möchte ich ein bisschen dagegenreden. Das glaube ich so nicht, wegen 10 Cent, aber, und auch da brauchen wir ganz klar Aufklärung, wenn man mit den Händlern spricht in Tirol, die sind gar nicht in der Lage, den Betrieben heimische Produkte zu liefern. Und da tut es mir in der Seele ein bisschen weh als Spartenobmann vom Tourismus, dass das dann auf uns abgewälzt wird, so auf die Art: Wir schauen auf 10 Cent pro Kilo. Die Leute wird es geben, aber schwarze Schafe gibt es überall, da brauchen wir nicht darüber zu reden. Aber wenn die Verhältnismäßigkeit - -, und vor allem auch das Thema, dass es möglich ist, müssen wir zuerst schaffen.

Und wenn ein Großmittellieferant, ich möchte jetzt keinen Namen nennen, mir ganz klar sagt, dass es für ihn leichter ist, ein Schweinefleisch aus Spanien zu verkaufen vom Ablauf her als in Tirol, dann brauchen wir unbedingt zu unserer tollen Achse Landwirtschaft-Tourismus auch den Handel, weil der muss schlussendlich uns das auch zur Verfügung stellen, und zwar so, dass man es auch liefern kann, weil es nützt mir natürlich nichts, wenn ich dann die Eier nicht kriege, oder die dann, wenn ich es kennzeichnen muss, am nächsten Tag zum Beispiel, wenn wir jetzt bei Ischgl bleiben - -, die teilweise Tausende Essen schicken, auf einmal das Fleisch nicht mehr geliefert kriegen.

Also das heißt, ich glaube, wir sind auf einem richtigen Weg. Die Freiwilligkeit ist der erste Schritt. Der Präsident hat es richtig gesagt, es wird jetzt ein Schritt für Schritt werden, aber man darf da jetzt, glaube ich, nicht den Schwarzen Peter immer der Gastronomie oder dem Tourismus unterschieben und sagen, ihr wollt das nicht, weil meine Wahrnehmung ist ganz klar, dass ein Großteil der Touristiker verstanden hat, Tirol zu verkaufen, einheimisch zu verkaufen, oder in anderen Bundesländern Österreich zu verkaufen. Also es ist kein Tiroler Thema, und dass es eben nicht so ist, dass jetzt wegen 10 Cent - - Das ist, glaube ich, ein bisschen ein Ammenmärchen, dass einer wegen 10 Cent beim Kilopreis das nicht macht. Das glaube ich so nicht.

Günther Schimatzek: Florian Phleps, jetzt ist vor circa vier Wochen der neue Tiroler Weg im Tourismus vorgestellt worden, und wenig verwunderlich nimmt die Nachhaltigkeit da natürlich einen ganz großen Teil ein und hat einen hohen Stellenwert. Aus Ihrer Einschätzung – letztlich bestimmen ja die Konsumenten auch das Verhalten der Produzenten und auch der Anbieter wie jetzt im Tourismus –: Werden die Gäste, die ja auch in anderen Ländern jetzt während dieser Coronazeit verstärkt die Regionalität entdeckt haben, sei es in Deutschland, Italien, werden die Gäste dann auch bei uns diesen Druck in Sachen Regionalität erhöhen und das mehr einfordern?

Florian Phleps (Geschäftsführer Tirol Werbung): Es war schon vor der Coronakrise der Fall, dass die Nachfrage und vor allem die Emotion nach regionalen heimischen Lebensmitteln in meiner Tourismusdestination, in meinem Urlaubsort, in meinem unmittelbaren Betrieb im Steigen gewesen ist. Wir haben das vor Corona auch aus Gästebefragungen österreichweit mit der T-Mona, die wir dann auf die Bundesländer herunterbrechen können, anschauen können, auch ganz klar gesehen, dass also vor Corona bereits für 40 Prozent unserer Gäste im Sommer das Thema der Genuss, der Konsum von regionalen Lebensmitteln eines der Haupturlaubsmotive gewesen ist, natürlich neben unserer attraktiven Kultur und Naturlandwirtschaft, diese Bergnatur Tirols, natürlich die aktive Bewegung in der alpinen Natur, aber es waren diese Lebensmittel oder dieser Genuss an Küche und Kulinarik schon ein ganz wesentlicher Faktor, auch im Winter weit über 30 Prozent.

Wir werden das jetzt verstärkt sehen, werden das jetzt ganz deutlich verstärkt sehen, dass das Thema des Bewusstseins für Ernährung – Präsident Hechenberger hat das auch angesprochen – ein viel stärkeres geworden ist, nämlich aus einem Gesundheitsbedürfnis heraus, also einem Bedürfnis heraus. Und wir haben ja alle in Corona - - Ich habe für mich nicht mehr gehofft, dass meine Generation oder alle unsere Generationen, die hier sitzen, so eine Situation noch einmal erleben müssen, aber dass man aus einer Gesundheitskrise heraus ein so starkes Bedürfnis für das eigene Wohlempfinden entwickelt in einer Breite der Gesellschaft, wird auch dazu führen, dass das Thema Umgang mit Lebensmitteln, mit Ernährung, aber auch das Thema in meiner Freizeit, in meiner Erholung, aktive Bewegung und die Ernährung, die Kulinarik dazu einen ganz einen großen - -, einen weiteren Aufschwung erfahren werden.

Günther Schimatzek: Jetzt diskutieren wir ja heute nicht zum ersten Mal über das Thema Symbiose Landwirtschaft und Tourismus. Jetzt hat das Ganze natürlich einen ganz neuen Anschub und einen neuen Schwung auch bekommen durch dieses verstärkte Bewusstsein. Hannes Royer, jetzt hören wir ja, die Verfügbarkeit ist auch nicht erst seit heute ein Thema, das aus dem touristischen Eck immer wieder kommt und sagt, ja, wir brauchen halt für unsere Fünfsterngäste für jeden ein Filet am Teller – ich überspitze jetzt –, und das liefert halt die heimische Kuh leider nicht in dem erwünschten Ausmaß. Ist es ein Problem auf der Produktionsseite oder ist es ein Problem auch auf der Vertriebs- und Verteilungsseite?

Hannes Royer: Nein, ich glaube, man muss einmal da auch ehrlicher werden, auch als Tiroler, dass halt einmal nicht einmal 2 Prozent der Eier in Tirol produziert werden, nicht einmal 2 Prozent der Schweine in Tirol stehen, dass das Getreide nicht wächst in Tirol in diesem Ausmaß. Euch muss bewusst werden, ohne Österreich geht es nicht, und wenn ich von Regionalität spreche, dass es Länder gibt wie Oberösterreich, Niederösterreich und Burgenland, die zu einem großen Teil uns ernähren. Und es hätte kein Tiroler, kein Einheimischer ein Frühstücksei, kein Schnitzel und kein Brot am Teller, wenn es Oberösterreich und Niederösterreich nicht geben würde. Und das muss man halt einmal in der Kommunikation anerkennen.

Und darum sage ich schon sehr lange, man muss Regionalität wieder oder Österreich als regional anerkennen. Wenn ich jetzt in Schladming zum Beispiel einen steirischen Backhendlsalat esse, dann muss ich halt auch anerkennen, dass das Hendl nicht im Ennstal gelebt hat, sondern vielleicht in Kärnten irgendwo oder in der Südsteiermark, dass das Kernöl nicht aus dem Ennstal kommt und der Salat schon gar nicht. Und trotzdem esse ich einen steirischen Backhendlsalat.

Das heißt, ich müsste aber auch vielleicht in der Kommunikation Österreich transportieren, auch beim Essen, weil sonst lügen wir uns da alleweil selber was vor, und ich habe das selbst bei uns in Schladming - - Wir haben eine Tourismusstudie im Jahr 2018, wo für einen Schladminger Hotelier - - Wir haben da 53 Hoteliers gefragt, und die haben zum Thema Milch gesagt: Also die Ennstal-Milch, die ist 30 Kilometer von uns entfernt, die ist für sie nicht mehr regional. Dann haben wir gefragt: Ja, was ist regional? Na ja, maximal der nächste Ort, also Haus im Ennstal.

Und wenn ich Regionalität so eng sehe, dann muss ich ganz ehrlich sagen, dann weiß ich nicht, wo wir mit der Diskussion hinwollen, weil ich glaube nicht, dass ein deutscher Gast aus Frankfurt, dass der in so kleinen Räumen denkt, wie wir das teilweise tun, sondern wenn ich mit unseren Gästen daheim am Hof geredet habe, die sehen das, wenn sie reinkommen über Salzburg, über das Berchtesgadener Land, sobald die Berge auftauchen, fängt für sie die Region an.

Und jetzt weiß ich schon, dass der Patriotismus in Tirol stärker ausgeprägt ist als wahrscheinlich in Restösterreich, auf das dürft ihr auch stolz sein und ist auch durchaus bewundernswert, aber ich glaube, ihr lebt in einem Bundesland, auf das man insgesamt stolz sein dürfte, und ihr dürft auch insgesamt auf die Landwirtschaft stolz sein. Und ich als Schladminger Bauer produziere keine schlechtere Qualität als irgendeiner im Zillertal drinnen, auch bei aller Liebe zum Patriotismus, und darum da einfach ehrlicher sein. Wenn ein Händler sagt, er kriegt das nicht, dann muss ich jetzt auch wirklich auch auf der Bühne ganz offiziell sagen – weil ich rede mit den Schlachthöfen, wir kennen die Eierproduzenten –, also die lügen euch beinhart an, ich sage es so, wie es ist, weil die Menge ist verfügbar.

Wir sehen das jetzt in der Geflügelproduktion. Wir haben gesehen, wir haben bei der Pute einen sehr, sehr geringen Selbstversorgungsgrad, auch beim Masthuhn sind wir nicht über 80 Prozent, und jetzt, weil die Nachfrage im Lebensmitteleinzelhandel steigt: Es werden heuer 40 neue Putenställe gebaut. Wir haben jetzt gerade mit den Unternehmungen geredet, die haben gesagt, die Bauern wollen investieren, die wollen, aber sie brauchen, und das ist die Voraussetzung, bitte, sie brauchen immer einen Markt. Das heißt, ich kann nicht als Bauer um eineinhalb Millionen einen Stall hinbauen und sagen, passt, ich gehe in die Geflügelproduktion oder ich produziere das oder das, und dann stehe ich da und kein Mensch kauft die Produkte, weil es – und das muss ich auch sagen, wir haben diese Zahl mehrmals in der „Kronen Zeitung“, im ORF veröffentlicht – stimmt mit den 10 Cent auf 180 Gramm, beim Rindfleisch sind es 50 Cent, beim Geflügel 70 Cent und beim Kalbfleisch ist es 1 Euro. Also das heißt, ich plappere da nicht irgendwie Fantasiezahlen daher, sondern das ist alles mit Hand und Fuß geprüft.

Aber nur, dass wir da halt auch ehrlich werden in der Kommunikation und auch als Tiroler einmal stolz ist und sagen, ja, ich habe halt Produkte aus Österreich. Und ich glaube, selbst auf einer Skihütte in Tirol freuen sie sich, wenn sie einen Kaiserschmarren mit Ei aus Österreich kriegen.

Günther Schimatzek: Ohne dass ich jetzt den Mario Gerber interpretiere, das wird er gleich selber tun, aber ich denke schon, dass wir jetzt da keine Tirol-gegen-Restösterreich-Diskussion führen wollen, auch nicht, wenn es um die Produktion geht. Also ich glaube, so einen Weitblick kann man, glaube ich, allen Bundesländern zuordnen, dass man natürlich Österreich als Region im Sinne von Produktion sieht. – Bitte.

Christina Mutenthaler: Jein. Also ich kann das jetzt, was der Hannes gesagt hat, wirklich belegen. Wir haben eine Umfrage gemacht und haben gefragt: Was ist der Radius in Kilometern? Das ist 58 Kilometer, ist der Radius wirklich für jeden die Region gewesen, was er im Kopf hat einfach nur. Und wenn man dann sagt: Okay, denken wir nach, wie kann das weiter sein, geht das auch? Und ich muss auch sagen – Martha sitzt da jetzt vor mir –, ich weiß noch, wie wir die Schultz-Betriebe zertifiziert haben, AMA-Genuss-Region-Betriebe zu werden, und wir haben die Anzahl der Eier gehört, haben wir uns gedacht, ja, das wird jetzt interessant, aber es ist zu schaffen. Es ist wirklich zu schaffen.

Ich kann echt anbieten: In Tirol sind es zurzeit, glaube ich, 250 Gastronomiebetriebe und Hotels, die sich zertifizieren haben lassen mit einem wirklich einfachen Prüfsystem. Wir sind da jetzt echt schon die Profis. Wir haben das 2019 aufgebaut, 2020 ist gut gegangen, und jetzt sagen die ganzen Gastronomiebetriebe, das funktioniert super, weil wir haben uns auch schon mit den Gastrogroßhändlern zusammengeschlossen. Es kommt jemand, schaut - - Uns interessieren keine wirtschaftlichen Zahlen, es geht uns wirklich rein um Lieferscheine, Bestellscheine und bei der Rechnung nur die Menge.

Und es funktioniert auch mit allen Gastrogroßhändlern sehr, sehr gut, und ich kann anbieten, konkret: Bitte, die Betriebe sollen sich melden! Wir schicken wen hinaus und schauen, dass wir die Produkte und die direkten Lieferbedingungen schaffen, weil das ist genau unsere Aufgabe vom Netzwerk Kulinarik: eine Sparte Direktvermarktung, aber natürlich auch die Direktlieferanten, das heißt auch Gastrogroßhändler. Wir sind auch mit allen immer in Kontakt, und wirklich - -

Das ist immer die Angst: Wenn wir gefragt haben – wir haben, ich glaube, 236 Teilnehmer, die mitmachen, Produzenten und Gastronomiebetriebe –: Wie könnt ihr besser zusammenarbeiten? Es ist immer gekommen: Wir wären zwar bereit, mehr zu zahlen, nicht megaviel, aber sie wären bereit, nur: Es ist zurzeit zu umständlich, und das ist die Hausaufgabe, die wir übernehmen haben müssen. Wir müssen schauen, dass wir die Produkte leichter und einfacher - -, und da geht es vor allem auch nicht ums Bestellen, sondern da geht es um die Buchhaltung, sind wir draufgekommen, weil das ist halt das Praktische am Gastrogroßhandel zum Beispiel, da kriegen Sie am Jahresende, die kennt jeder, die Systeme, verschiedenste Abrechnungsmodelle gibt es. Das schaffen wir mit einem Direktlieferanten nicht so leicht. Dann wissen wir auch ganz genau, wir sind nicht die Profis, dass wir Rechnungen richtig ausstellen. Das wissen wir, da müssen wir besser werden auf der Landwirtschaftsseite. Aber auf der Tourismusseite gibt es wirklich noch ein Potenzial, und ich kann echt anbieten: Sagt es uns, melden, und wir schicken wen hin, wir fahren dorthin und finden die Produkte. Und das hat man gesehen - -

Florian Phleps: Du musst dazusagen, dass also diese Netzwerk-Kulinarik-Initiative in Tirol über die Agrarmarketing Tirol abgebildet ist.

Christina Mutenthaler: Genau.

Florian Phleps: Die Agrarmarketing Tirol, Schwestergesellschaft zum Beispiel auch von der Tirol-Werbung, weil wir ja hier eine - -, auch schon länger, also das hat jetzt nichts mit einer gesellschaftsrechtlichen Struktur, einer Lebensraumgruppe zu tun in Tirol, aber dass wir dieses Thema - - Ich darf selbst seit fünf Jahren im Vorstand der Agrarmarketing, früher im Verein sein, jetzt im Beirat gemeinsam einmal mit dem Präsidenten Hechenberger und mit vielen anderen.

Also wir haben genau diesen Weg eingeschlagen, dass wir gesagt haben, wir schauen dort, wo Tourismus und Landwirtschaft in der Entwicklung, nämlich dann von der Produktentwicklung über den Vertrieb – und auch hier haben wir noch Luft nach oben – bis dann hin auch zum Erlebnis am Teller für den Gast in einer Interessenkette uns abbilden können und sehen können. Und da glaube ich, dass gerade ein Bundesland wie Tirol auch viele gute Beispiele dazu hat. Was wir uns wünschen würden, ist das, dass also gerade diese vielen Initiativen, wenn ich jetzt bewusst an Tirol denke, Qualität Tirol in der Produktentwicklung, dass man da auch jetzt zu Beginn einer Entwicklung auch mit einem Commitment, dass dieses Qualitäts-, Herkunftssicherungszertifizierungsprogramm von QHS über die AMA österreichweit unser Standard wird, dass wir da so eine Einschleifzeit auch haben, weil wir einfach in der Sichtbarkeit für die hohe Qualität von der landwirtschaftlichen Produktion beginnend, dann am Schluss am Teller schmeckend und erlebend, dass wir da einfach ein bisschen mehr in der Breite sind zum Start und mit dem Commitment am Schluss und der QHS uns alle wiederzufinden.

Und vielleicht ein Satz, Hannes: Ich glaube, wir reden immer vom Gleichen, von zwei verschiedenen Ebenen. Einmal geht es schon, dass wir einen Stolz in Tirol haben auf die landwirtschaftliche Produktentwicklung, und da können wir innovativer sein, da können wir im Vertrieb uns noch ganz viel überlegen anfangen, ich glaube auch in der Qualitätssicherung, kein Thema – aber das Selbstverständnis, dass wir uns selbst versorgen können, hat keiner in Tirol. Und da reden wir von einem Qualitätsbegriff oder vom Regionalitätsbegriff, der sehr wohl Österreich ist. Ich glaube, da kann man richtig stolz darauf sein. Aber wenn man Regionalität nimmt, in einem Bundesland, wie wir es sind, dann haben wir auch einen Südtiroler Raum in 58 Kilometer Umkreis. Wir haben also auch einen Allgäuer Raum, wir haben einen südbayrischen Raum, das auch für uns ein Regionalitätsrahmen ist, wo es viele Kooperationen gibt, auch landwirtschaftliche Kooperationen gibt, die also auch da mitgedacht werden sollten. Und deshalb ist also eine Kennzeichnung: nur Österreich und alles andere, uns wahrscheinlich noch zu wenig, sondern da würden wir gern noch einen Schritt weitergehen.

Günther Schimatzek: Mario Gerber, was braucht der Tourismus, jetzt gibt es da ein Angebot für eine verbesserte Logistik, ich sage jetzt einmal, sehr global, für eine Lieferfähigkeit, was braucht ein Touristiker so wie du jetzt aus der Praxis mit mehreren Küchenchefs, die einkaufen, was braucht der, um verstärkt, jetzt mal auch mit dem Preis mitgedacht, um verstärkt auf Produkte aus heimischer Landwirtschaft zuzugreifen?

Mario Gerber: Ja, die Martha und ich sind da wahrscheinlich ein bisschen das falsche Beispiel, weil wir relativ große Betriebe haben, und wir haben natürlich eigene Leute, die sich um das bemühen. Und ich tue natürlich nicht nur aus Vorbildwirkung, sondern wirklich extrem schauen, dass wir regional einkaufen. Das ist mir auch wichtig, und ich habe meine Betriebe auch in der Region, wo wir einen relativ guten Preis erzielen, und das ist bei uns überhaupt kein Thema vom Preis. Nur nochmal, man darf nicht vergessen, in Tirol, ich bin kein Freund von Rekordzahlen, aber wir haben bis zu 300 000 Menschen in Tirol, und ich weiß nicht, entweder, also ich habe auch 280 Mitarbeiter, erzählen mir meine Lieferanten Geschichten, aber ich werde der Sache noch mal nachgehen, aber die sagen mir einfach, es ist definitiv nicht möglich, zu garantieren bei den gewissen Jahresgesprächen beziehungsweise Lieferungen, diese heimischen Produkte zu liefern.

Ich tue mir leichter mit Bauern in der Umgebung, zu sagen, Kartoffeln, wir sind eine Silzer Gemeinde, das ist ein Riesenthema, was Kartoffeln betrifft. Da ist das überhaupt kein Thema, da gibt es ein Lager, die liefern das; aber es gibt bei uns Produkte, die bekommen wir nicht. Wir kaufen zum Beispiel auch die Schafe von unseren Regionen auf, die wir dann auch verarbeiten. Wir haben eine eigene Produktionsküche, das ist alles kein Thema, aber eine vollständige Geschichte ist halt relativ schwierig.

Und das, was Florian angesprochen hat, ist schon auch ein Thema: Was ist Regionalität? Ist eine Regionalität in Bozen fertig, ist sie im Allgäu fertig? Ist das Schwein, das jetzt vom Burgenland kommt, ein anderes regional, das viel länger im Lkw ist oder viel mehr Kilometer zurücklegen muss? Also ich glaube, noch einmal, wir sind auf einem richtigen Weg, das Commitment ist da. Man merkt an der Freiwilligkeit, dass es immer mehr kommt, dass es immer mehr Leute auch mit in den Bann zieht, weil sie eben genau das verstehen, was Florian gesagt hat, verstehen, den Kraftplatz Tirol, der kombiniert ist mit unserer tollen Natur, mit unserer Kulinarik. Deshalb bin ich absolut optimistisch, dass das in Zukunft geht.

Dass deine 10 Cent auf 180 Gramm waren, das habe ich auf den Kilopreis verstanden, aber nach wie vor glaube ich, dass das vielleicht für, Entschuldigung, die Kebabstände da draußen zählt, aber ein gestandener Wirt, glaube ich nicht, dass der wegen 10 Cent bei 180 Gramm dann noch ein anderes Fleisch kauft, aber okay, mag so sein.

Ich glaube einfach, dass wir, was das betrifft, einfach den Handel noch ganz extrem brauchen. Es muss uns möglich sein, dass die Küchenchefs von kleinen Betrieben auch regionale Produkte bestellen können und dass unsere Lieferanten - - weil es ist ja nicht so, dass wir mit dem Auto da hinfahren oder dass wir einen Großmarkt haben und da fährt der Küchenchef hinein, die müssen ja geliefert werden. Und es nutzt halt einfach nichts, wenn du dann sagst: Ich brauche, jetzt sage ich eine Zahl, 200 Kilo Schweinskarree!, und der sagt: Ich habe nur 120! Und dann musst du den anrufen, da stimmt aber wieder Jahresgespräche nicht, weil du mit Dehoga es anders verhandelt hast. Schlussendlich sind wir also Unternehmer.

Deshalb glaube ich, das Angebot ist toll. Ich glaube aber, dass das viel mehr Unternehmer machen, als wir überhaupt glauben, regional einkaufen, weil sie auch merken, dass das ein Boost ist. Und ich meine, den Gast verarschen oder veräppeln, glaube ich, ist ganz falsch, auch einen Gast, und das wissen wir ja. Was der Florian gesagt hat, wir wissen das, dass Regionalität ganz, ganz wichtig ist. Aber ich glaube, das Zusammenspiel Tourismus, und da zählt ja nicht nur die Hotellerie, Gastronomie, da gibt es ja Kinos et cetera, alle, die auch Produkte brauchen, muss ich einfach mit dem Handel noch einmal auch kombinieren. Und der Druck gehört eigentlich im Handel gemacht, weil wenn der Handel das versteht, und da bin ich bei dir, das glaube ich dir ja, je mehr der ja einkauft, je besser kauft der ein.

Das heißt, es muss uns möglich sein, dass wir die Produkte bekommen. Und wenn wir die Produkte bekommen, glaube ich, ist das Schritt für Schritt ein Thema, was sich à la longue von selber erledigt, und ich bin überzeugt, dass wir als Tourismusland Österreich da in der richtigen Richtung sind.

Günther Schimatzek: Mit Handel ist jetzt der Gastronomiegroßhandel gemeint.

Mario Gerber: Ja.

Günther Schimatzek: Weniger der Supermarkt für den Konsumenten, auch natürlich, aber in dem Fall - -

Mario Gerber: Das sehe ich als extrem wichtig, weil wir diskutieren da über den Wirten, aber solange immer noch Einheimische heimgehen und ein Hendl kaufen, das beim Aufmachen nach Chlor stinkt, muss man auch einmal ganz ehrlich sein, ist sicher der Tourismus ein wichtiger Partner, aber ich glaube, das, was die Frau Bundesminister gesagt hat, zu beginnen im Handel, ist, glaube ich, ein ganz ein wichtiger Punkt, weil solange wir die Milch verkaufen, und dann ist sie irgendwie abgefüllt und eingefüllt, das ist ja auch der falsche Weg. Das spielt ja alles zusammen.

Günther Schimatzek: Braucht es die Großhändler, die Gastrogroßhändler, sage ich jetzt einmal, als One-Stop-Shopping sozusagen für den Tourismus? Das ist für den natürlich fein, da kann er alles bestellen. Braucht es den für die Landwirtschaft, um zum Tourismus zu kommen?

Hannes Royer: Ja, absolut. Also die Direktvermarktung, und ich schätze das total, was die Christina Mutenthaler da aufgezogen hat, aber das ist sozusagen die Spitze on the top, ja. Wir reden ja wirklich, wenn ich jetzt an Skihütten denke, die 3 000, 4 000 Essen am Tag haben oder Großgastronomen, da geht es um andere Mengen, und ich glaube, genau um die geht es.

Aber noch einmal zur Preisdiskussion, ich möchte da ein Beispiel aus dem Lebensmitteleinzelhandel bringen. Da wird ja auch so eine schöne Geschichte, ich weiß ja nicht, ob das da ein jeder herinnen weiß, die meistverkaufte Pute in Österreich ist die S-Budget-Pute. Die wird in Deutschland verpackt mit tschechischer Milch. Die offizielle Aussage von dem Unternehmen, warum das passiert ist: weil zu wenig Milch in Österreich vorhanden ist. Fakt ist, sie ist um den Preis nicht vorhanden. Also das muss man halt immer dazusagen, ist immer so ein kleiner Schmäh, der am Schluss fehlt.

Und Mario Gerber, eine Frage an dich: Was mich alleweil fasziniert, ist: Ich habe ja sehr viele Freunde in der Gastronomie und in der Hotellerie, wenn wir so in der Nacht zusammensitzen und da reden wir über den Wein und da kann mir der Hotelier und der Wirt dann sagen, wie viele Flaschen er davon im Keller hat und welche Sorte und er kann mir den Jahrgang noch sagen, also das weiß er auswendig, das ist eingebrannt, da ist eine Wertschätzung da zum Wein, da staune ich immer nur, wie man dann auch diskutieren kann. Dann frage ich halt – ich bin immer so ein lästiger Hund –, dann sage ich halt irgendwann: Ja, wo kommt jetzt dein Fleisch her, wo deine Milch? – Ach, das weiß ich nicht! Dann sage ich aber: Wie gibt es das? Wie gibt es, dass du beim Wein sogar weißt, wie viele Flaschen du vom Jahrgang 1999 bei dir hast, aber nicht einmal weißt, was du deinen Gästen für ein Fleisch sozusagen gibst? Und das ist alleweil das, wo ich mir denke, wir brauchen da einfach auch für diese Produkte Wertschätzung. Natürlich sagen hier jetzt die anderen, ja, das ist ein Genussprodukt und das andere ist halt zum Leben, ja. Aber ich denke, vielleicht sollten wir unsere Lebensmittel wieder wirklich auch als das betrachten, nämlich Mittel zum Leben.

Und ich esse halt dreimal am Tag, und ich brauche sehr viel zum Essen, und mir ist nicht egal, was ich in meinen Körper hineinstelle, weil beim Wein ist es mir nämlich auch nicht egal. Da tue ich auch nicht irgendwas aus dem Tetra Pak raus, sondern denke ich mir, ich möchte auch, wenn ich einen Wein trinke, was Gutes trinken. Und das wünschte ich mir halt auch, wenn wir ein Glas Milch trinken, ein bisschen einen Käse essen oder mal ein gutes Steak essen, dass wir uns halt was Gutes tun.

Und da frage ich dich: Warum haben wir die Wertschätzung nicht? Warum tun wir uns da so schwer, dass wir da stolz darauf sind, dass wir ein Steak essen von einem – jetzt muss ich, sagen wir Tiroler – Tiroler Bergochsen (Heiterkeit) oder von einem steirischen Bergochsen?

Mario Gerber: Ja, sehr gerne, zudem die Weine sicher Brands haben, die über Jahre aufgebaut worden sind; aber du skizzierst oft ein Bild, das sehe ich nicht. Also bei dir habe ich immer das Gefühl, wir sitzen alle daheim und essen die S-Budget-Pute. Das ist nicht der Fall.

Hannes Royer: Ist die meistverkaufte Pute Österreichs!

Mario Gerber: Okay, ich kann dir nur sagen, da sind wir Tiroler vielleicht doch anders, muss ich doch ein bisschen wieder Patriot werden. Aber wo wir uns auch getroffen haben beim Kollegen Rainer: Alois ist ein Musterbeispiel für das, dass er mit heimischen Produkten durch kocht. Und in vielen Betrieben, wo ich hingehe, gibt es das. Dass er da jetzt vielleicht nicht die Kiloanzahl der Pute vom Kühlhaus sagen kann, da wirst du recht haben. Da arbeiten wir gemeinsam daran, dass es vielleicht noch passiert. Dass er den Château weiß, das mag auch sein, das sind auch Brands, die gewachsen sind, sind auch Produkte.

Aber ich glaube schon, dass in den letzten Jahren ganz extrem das Bewusstsein für Regionalität und für Landwirtschaft und Tourismus mehr in den Fokus gerückt ist. Also in meiner politischen Arbeit, ich mache das tagtäglich, spüre ich das, wie wichtig das für die Leute ist. Ja, es gibt schwarze Schafe, brauchen wir überhaupt nicht darüber zu diskutieren, die wird es aber immer geben. Wir haben eine freie Marktwirtschaft. Wenn der draußen meint, er muss ein Hendl kaufen, die S-Budget-Pute da, ich kann die jetzt nicht beurteilen, wie viel schlechter die ist, will ich jetzt auch nicht, dann wird es so sein.

Aber ich glaube, ein bisschen Geduld noch, ein bisschen Zusammenarbeit, ein bisschen enger noch Tourismus, Landwirtschaft, wir sind da in Tirol wirklich auf einem super Weg. Ja, mir ist schon klar, du hättest gern wahrscheinlich, dass jeder alles kauft. Ich kann dir nur eines versprechen, ich bin überzeugt, in fünf Jahren sitzen wir da, da werden wir in Tirol noch weiter sein und wir werden stetig an diesem Thema arbeiten, weil es einfach nur zusammen geht. Aber es ist nicht so, dass alles so überhaupt nicht läuft.

Hannes Royer: Nein, das sage ich eh nicht.

Mario Gerber: Nein, glaube ich auch nicht, also das muss ich ganz ehrlich sagen. Und ich merke das immer mehr bei uns, ob es Milchproduzenten sind - - Sicher, man hört dann immer wieder Hiobsbotschaften, da muss ich auch sagen, da bin ich auch selber wieder überrascht, dass ein Fleisch da abgepackt wird oder Tirol-Milch da hergeholt wird, wo ich mir dann schon auch die Frage stelle. Und da bin ich wieder bei dem Thema: Man muss schon auch mit denen reden, die es dann da herbringen, weil wenn dort der Lieferant sagt, du, ich kann dir heute die Pute aus dem Burgenland nicht liefern, ich habe nur die aus dem Allgäu da, und die vom Allgäu ist aber mit tschechischer Milch gefütterte Pute, dann weiß ich es auch wieder nicht. Also ich glaube, das braucht noch ein bisschen, aber ich bin guter Dinge.

Günther Schimatzek: Bitte, Christina Mutenthaler.

Christina Mutenthaler: Ja, ich will es ein bisschen von Tirol herausnehmen, wir haben ja das restliche Österreich auch noch. Nein, und das sieht man auch. Also was ich jetzt einfach feststellen kann, ist das, umso entlegener die Regionen sind, umso mehr wird regional eingekauft. Das merke ich schon sehr, weil man halt einfach die ganz arge Abhängigkeit hat. Was sehr gut funktioniert im Tourismus auch, ist, dass ein Hotel, und auch wenn es größer ist, so wie du es gesagt hast mit den Schafen oder irgendwas, dass du dir direkt die Bauern suchst, also direkt und dass auch die Bauern schon für dich produzieren.

Was wir alle gemeinsam schauen müssen, ist, dass der Gastrogroßhandel endlich die Kennzeichnung besser macht und vor allem einfach macht, weil Kontrollen, die funktionieren, das weiß ich, und die kosten auch nicht viel Zeit, und die kosten da Stunden, Kontrolleur kostet Arbeitszeit, aber wenn keine Kennzeichnung oben ist, sprich, nicht auf dem Bestellschein oben ist, nicht auf dem Lieferschein oben ist, bei der Hogast, beim Onlineportal. Wir fordern das, und das war das Schöne beim Netzwerk Kulinarik, bei der Umfrage gleich, das haben sowohl die Wirte als auch die Landwirte - -, warum kann der da nicht nebenbei hinschreiben: Firma: AT? Dann sieht der Wirt, kann sich entscheiden: Kaufe ich das oder kaufe ich das? Bei jeder Bestellliste, schaut euch einmal die Bestelllisten bei der Gastro an, der Katalog, da steht kein Preis drinnen, und dann kriegst du eine schwarz-weiß ausgedruckte Liste und dann steht Rindfleisch 1 Kilo, Rindfleisch zweites Kilo, und dann – nach was unterscheidest du denn? Ich weiß nicht, ob das aus Österreich kommt oder nicht, und das ist das, was unsere Wirte auch zurückgemeldet haben. Wir müssen schauen, dass diese Schnittstelle, die wir ganz dringend brauchen, auch mit uns ehrlich spielt, weil jetzt haben wir Tourismus und Landwirtschaft, Direktvermarktung Einweg, wir brauchen aber den Gastrogroßhandel unbedingt.

Und was mich sehr freut, ist, das merken auch der Florian und ich: Dadurch dass im Ministerium Landwirtschaft und Tourismus unter einem Dach sind – so viel ist noch nie miteinander kommuniziert worden. Die Bundesministerin hat vor zehn Tagen die erste gemeinsame Kampagne vorgestellt: Land der behutsamen Veredelung. – Warum behutsam? Da haben wir auch die biologische - - Bio ist ein Trend, im Tourismus genauso, Ernährung. Wir haben auch die Regionalität, und Regionalität geht aber nicht ohne Qualität, das darf man auch nicht. Nur weil es aus der Region ist, heißt es noch immer nicht, dass es besser ist, sondern wir müssen auch schauen, dass wir eine Qualitätsproduktion haben. Und so viel, wie darüber gesprochen wird zurzeit und auch gemacht wird, haben wir echt noch nie gehabt. Und darum müssen wir auch schauen, dass wir da jetzt Landwirtschaft und Tourismus, die Player, die wir in der Mitte brauchen, die uns kommunizieren, die müssen auch auf unserer Schiene sein und für uns gemeinsam arbeiten.

Und beim Wein ist es ganz einfach, Wein ist ein veredeltes Produkt, und: Wie lang ist die Kommunikation? Und ich denke nur an den Weinskandal, den wir gehabt haben. So, was ist jetzt? Wir haben jetzt Gott sei Dank keinen Skandal und wir brauchen auch keinen, aber nutzen wir das, dass wir gemeinsam kommunizieren, und das sage ich: Ich habe vorher zehn Jahre im landwirtschaftlichen Bereich gearbeitet und auch viel im Marketing und bin froh, dass ich den Tourismus als Partner habe, weil die Kommunikationskanäle, die mir jetzt auf einmal zur Verfügung stehen für die Kulinarik, stünden mir ohne Tourismus nicht zur Verfügung, und darum: Wir sind ein Erfolgsduo. Also wir müssen jetzt nur schauen, dass wir wirklich auf Augenhöhe zusammenarbeiten.

Günther Schimatzek: Florian Phleps, jetzt gehen wir zu einem Thema, das vielleicht noch ein bisschen tiefer in das Ganze hineingeht. Wir haben es ja schon mehrfach gehört, angesprochen, diese Kennzeichnungspflicht für heimische Produkte. Ist das etwas, was die Gäste fordern werden im Sinne von einem höheren Bewusstsein für Regionalität oder, aus deiner Einschätzung jetzt durchaus auch auf ganz Österreich bezogen, wird das ein Standard werden im Tourismus?

Florian Phleps: Was der Standard im Tourismus sein wird, ist die Ehrlichkeit, nämlich die Voraussetzung: Wenn ich von regionalen Lebensmitteln spreche – geht bis hin zum steirischen Backhendlsalat, weil sonst ist es halt nur der Backhendlsalat –, dann erwartet der Konsument, dass das auch dem entspricht und dass das auch so ist.

Also ich würde es wirklich von der Seite sehen, dass diese Entwicklung ganz ein starkes - - Es wird, und es ist das, was ich also aus vielen Betrieben auch immer wieder an Geschichten auch höre und erzählt bekomme, dass dieses bewusste Greifen zu dem Schinken, der ausgewiesen ist, dass er vom Nachbarbauern ist, vielleicht sogar noch veredelt beim heimischen Metzger im Ort, dass ich da mehr brauche als von einem Industrieprodukt, und daher gilt für unsere Branche absolute Ehrlichkeit und Offenheit. Und dann ist die Entscheidung dann doch beim Betrieb selber. Der Gast wird es fordern.

Günther Schimatzek: Würde euch das helfen als Landwirte?

Hannes Royer: Absolut. Also ich denke mir, dass die verpflichtende Herkunftskennzeichnung unumgänglich ist. Beim Schweinefleisch sind circa 30 Prozent vom Ausland, beim Rind 50 Prozent, bei der Pute bis zu 95 Prozent im Außerhausverzehr, beim Hendl immerhin auch 90 Prozent. Also das heißt, die Mengen, die hier möglich wären, sind gigantisch für die Landwirtschaft. Und ich glaube, wenn wir weiterhin eine produzierende Landwirtschaft haben wollen in Österreich, ist dieser Schritt unumgänglich.

Weil eines wird sich immer mehr herauskristallisieren, und das sehen wir schon: Wir haben sowieso nur eine Chance auf der Linie der Qualität. Wir werden nie Massenproduzenten werden. Das heißt, billiger wird es irgendwer immer können auf dieser Welt, wir werden es nie schaffen in Österreich. Wie bringe ich aber jetzt die Qualität sichtbar auf den Teller? Indem sozusagen das auch wirklich draufsteht, was es ist.

Wenn ich heute essen gehe – und ich tue das immer, ich predige das bei jedem Vortrag seit Jahren –: Fragt nach! Esst nicht einfach - - Wenn es ein Frankfurter Würstel ist, ein Debreziner: Ich esse das nicht mehr, bevor ich nicht weiß, woher das herkommt. Und da ist man halt jetzt der Verrückte und der Lästige, aber ich merke jetzt auch, da sind schon so viele Nachahmer. Gerade jetzt in der Landwirtschaft ist so ein richtiger - -, wo ich sage, wenn jeder Bauer, der irgendwo bei seinem Dorfwirten essen geht, jedes Mal fragt: Du, wo kommt das her? und ihm sagt - - Und da hat mir jetzt ein Bauer gut gefallen, der gesagt hat, er möchte dich belohnen und die anderen halt darauf hinweisen. Und ich glaube, genau in die Richtung muss es gehen.

Aber ich glaube ja, das Ziel muss sein, auch im Sinne des Tourismus, und ich komme aus Schladming, da ist das so eng miteinander verwoben, und ich weiß, ohne Tourismus wären wir ein armes Bergbauerndorf, das muss man einmal ganz klar sagen. Also wir sind abhängig vom Tourismus unglaublich, ja, aber es muss miteinander auf Augenhöhe sein. Und ich muss auch sagen, ich bin Bauer geworden, nicht weil ich Gärtner sein wollte, weil dann hätte ich Gärtner gelernt, sondern ich habe gesagt, ich werde Bauer, weil ich hochwertige Lebensmittel produziere, deswegen tue ich das.

Und dass ich dabei eine Landschaftspflege mache, dass ich dadurch den Lebensraum so schön mache und erhalte, das ist ja das Schöne, aber das tue ich nur, weil ich produzierender Bauer bin. Wenn ich heute nur noch ein Geld kriegte für das, dass ich halt ein bisschen die Landschaft offen halte, dann wird sich der Großteil verabschieden, weil dann, - - da gibt es eh Gärtner für das, da muss man sich halt die anstellen.

Und ich glaube, da müssen wir hinkommen in das Bewusstsein, dass wir uns gegenseitig brauchen, und da würde ich mir vielleicht ein bisschen mehr - - Die Interessen überwiegen, aber letztendlich, glaube ich, sollten wir alle miteinander verstehen, dass wir uns da draußen in den Regionen - -, und die Martha Schultz hat es heute so schön gesagt zu mir, jeder, der nicht am Land lebt, versteht oft vielleicht gar nicht, wie das am Land wirklich funktioniert, aber wir brauchen uns gegenseitig. Und auf das möchte ich aufbauen, dass sozusagen jeder versteht, dass wir als Landwirtschaft was Hochwertiges produzieren müssen, aber dass diese Hochwertigkeit auch sichtbar wird, weil sonst bringt es nichts. Wenn es niemand weiß, dass wir da beste Arbeit leisten und das nicht sichtbar wird, dann wird es uns irgendwann nicht mehr geben, und das wäre dann im Umkehrschluss der Tod für den Tourismus.

Günther Schimatzek: Jetzt reden wir heute und im Verlauf dieser Diskussion natürlich sehr viel über Qualitätsbetriebe, über Mehrsternbetriebe, über hochstehende Restaurants, die das natürlich alles wahrscheinlich sehr schnell umsetzen werden. Martin Sieberer, ein Tiroler, muss ich jetzt sagen, immerhin Vierhaubenkoch, hat jüngst bei einer Diskussion gesagt, das wird alles in unserer Spitzengastronomie zutreffen und wir werden das sehr schnell machen, dass wir da die heimischen Produkte auch ausweisen, aber der Schnitzelwirt mit 8,90 Euro für das Riesenschnitzel wird das auch in Zukunft nicht machen, wenn man ihn nicht dazu zwingt.

Jetzt ist vielleicht sehr zugespitzt auf diese Produktgruppe, aber kleinere Betriebe, die jetzt eine andere Preisgestaltung haben, werden die diesen höheren Preis für regionale Produkte bezahlen können? Und wie werden die diese Kennzeichnungspflicht, wenn sie dann kommt, sei es per Gesetz, sei es durch Druck der Gäste, wie werden die damit umgehen können?

Mario Gerber: Ich möchte ein bisschen selbstkritisch sein, was den Tourismus betrifft. Das ist auch sehr gekoppelt mit dem Thema Fachkräftemangel, den wir haben. Ich glaube, ein ganz ein wichtiger Schritt, den wir jetzt im Tourismus gehen müssen, die Wertschöpfung holen und endlich einen Mut zum Preis haben. Weil wenn ich durch Innsbruck gehe und ich sehe, wie einer ein Mittagessen verkauft mit einem Espresso für 8,90 Euro und ich zahle, bin aus Zeitgrund mit dem Flugzeug hergekommen, und ich zahle mit dem Taxi daher 45 Euro und die Jugendlichen laufen mit einem Handy herum, das 1 600 Euro kostet, dann stimmt im System was nicht. Und das Spiel geht natürlich auch weiter teilweise in Beherbergungsbetrieben.

Und warum verpacke ich das jetzt ein bisschen mit Fachkräftemangel? Ich bin ja der Meinung, solange jemand im Handel 1 600 Euro für 32 Stunden verdient, werden wir ein Problem haben, zu verkaufen, wenn er bei uns 1 700 Euro verdient für 48 oder 54 Stunden. Und wie können wir das ändern? Das können wir nur dann ändern, wenn wir einfach Mut zu einem Preis haben und schlussendlich dem Mitarbeiter mehr zahlen oder, und das ist auch ganz wichtig, dem produzierenden Bauern mehr zahlen.

Das ist natürlich generell ein gesellschaftliches Problem, weil das sieht man ja weltweit, das ist die Globalisierung, dass natürlich Produkte immer noch billiger und noch billiger angeboten werden. Wie ich mich da selber aufklären habe lassen müssen mit dem Kalbsfleisch, wo es ja Küchenchefs gibt, die sagen, wir kriegen in Tirol noch die Qualität nicht zusammen. Und dann erkundigst du dich einmal, und da hat der Präsident zu mir gesagt, ob ich mir einmal angeschaut habe, wie diese Kühe gefüttert werde. Ich habe das danach gemacht. Also es ist - - sehr viel hat mit Aufklärung zu tun.

Aber was wir natürlich sicher nicht erwarten können, so wie jeder Kebabstand wahrscheinlich nicht das teuerste Fleisch kauft oder auch nicht jeder Bauer einen österreichischen Traktor fährt oder Futtermittel aus Österreich, weil da gibt es auch die Themen, dass der Bauer zwar das Regionale produziert, aber das Futtermittel irgendwo aus dem Ausland zukauft, was ja dann in der Regionalkette ja auch nicht stimmt, das ist ja auch so ein typisches schwarzes Schaf.

Ich glaube, man darf es nicht so zuspitzen. Nur generell, und da bin ich beim Florian, der Gast fordert es unbewusst. Ich glaube nicht, dass er jetzt da Buchstaben haben will oder so, aber er möchte einfach Regionalität am Teller haben, weil er das Erlebnis haben will, das kulinarische, wo er ist. Und wenn wir aber im Tourismus nicht endlich mehr Mut zum Preis haben und mehr Mut zur Preisdurchsetzung, werden wir uns das nicht leisten können, aber wir werden uns viele andere Sachen nicht leisten können, wir werden nicht investieren können und so weiter.

Das heißt, da ist mein Appell ganz klar, speziell jetzt in der Krise, sich nicht zu billig zu verkaufen, und wenn ich die Diskussion in Deutschland jetzt siehe, wo da ein Politiker sagt, ein Kalbsschnitzel muss 25 Euro kosten, dann bin ich der Meinung, na ist ja eh noch relativ weit unten, weil was das in der Produktion kostet, Energie kostet, Arbeit kostet. Und das ist den Leuten da draußen nicht bewusst. Die jammern bei uns, wenn ein Schweinsschnitzel über 10 Euro kostet. Und solange wir da auch nicht aufklären, werden wir auch den Kreislauf regionale Produkte nicht mit einbeziehen, weil für 10 Euro, das verstehe ich auch, werde ich einfach nicht vom Bauern ein gutes Schweinefleisch kriegen, ja. Also das ist durchaus selbstkritische Reflektion, was den Tourismus betrifft.

Günther Schimatzek: Jetzt vielleicht Christina Mutenthaler, auch noch einmal an Sie die Frage: Kleinere Betriebe, Gastronomiebetriebe, die jetzt auf Billigschiene setzen und das ja wirtschaftlich durchaus erfolgreich tun, wird man die erreichen mit diesem Regionalitätsanspruch oder wie weit kann man die überhaupt erreichen? Weil irgendwo ist der Preis eine Blockade, über die man ja nicht drüber kommt, wenn man die Produktionskosten anschaut.

Christina Mutenthaler: Also wir haben da ganz einen klaren Ansatz: Billiger kann es immer wer produzieren, das wollen wir ja gar nicht. Wir sind in Österreich ein klein strukturiertes Land sowohl im Tourismus, Landwirtschaft. Wir haben alle Familienbetriebe, wir haben voll viele Gemeinsamkeiten, wenn man sich so Familienstrukturen anschaut, und dann kann ich aber gleich – ich komme auch aus einem Familienbetrieb – - - Bäcker, Handwerker kann man auch gleich alle dazu. Die können nicht billig produzieren. Wir wollen es ja auch nicht. Wir wollen eine Qualität haben, wir wollen eine Regionalität haben, wir wollen einen Stolz haben. Und wenn ich was Billiges produziere, bin ich nicht stolz – keiner.

Und jetzt bei mir, bei den AMA-Gastronomiebetriebe muss man auch ganz ehrlich sagen, wir haben nicht Sterne-, also Haubenköche viel dabei, sondern das sind echt ganz normale Familienbetriebe. Das, was wirklich ein Kennzeichen ist, sind Familienbetriebe. Und das Thema Preis ist da nicht so arg das Thema, und ich weiß nur jetzt, kann ich sagen, ein Jahr sind wir dabei, 1 300 Gastronomiebetriebe haben wir zertifiziert und am Anfang war der Ansturm voll groß, immer die gleichen, die eh schon das Selbstverständnis haben, und jetzt wird es ein bisschen zäher, und jetzt müssen wir schauen, dass wir immer mehr – und da alle bitte wirklich nachfragen! –Betriebe reinkriegen. Sonst haben wir immer wieder: Die 1 000 oder sagen wir 2 000 Betriebe sind zertifiziert, aber vom Rest wissen wir es nicht.

Und jetzt wollen wir Österreich als Kulinarikland vermarkten. Zu uns passt eh nicht der Schnitzelwirt, mit – was war das jetzt? – einem Mittagsmenü mit einem Espresso um 8,90 Euro, weil da verdient keiner. Ich wüsste nicht wer. Da verdient weder er, noch ein gutes Personal kann er kriegen, nur der Produzent, nur der wird auch nicht recht viel investieren können, weil wie auch?

Florian Phelps: Entschuldigung, wenn ich da anschließen darf, weil das Thema Positionierung jetzt gerade gefallen ist, Vermarktung hast du gesagt. Wir haben uns ja das Ziel gesetzt, österreichweit, gemeinsam auch im Plan T der Tourismusstrategie Österreichs, wir haben da alle mitarbeiten dürfen in der Konzeption, Österreich zur Spitzenkulinarikdestination Europas zu machen. Und für Positionierung höre ich dann oft ganz schnell den Schrei: Ist Marketing! – Nein, es ist das Produkt. Es ist einmal auf jeden Fall die Produktentwicklung zuerst. Und da hilft natürlich Spitzengastronomie, nämlich durch eine öffentliche Sichtbarkeit, durch auch einen ganz starken medialen Trend gerade, schon fast ein bisschen die Stars dieser Zeit, diese großen Küchenchefs und Küchenchefinnen. Und man hat einfach gesehen, dass in vielen Ländern kulinarische Positionierung, da denke ich jetzt auch gerade an die nordische Cuisine, über Spitzengastronomie begonnen hat.

Und da sind wir in Österreich auf einem guten Weg, auch in dieser Positionierung, über die Spitzengastronomie auch in eine Breite dann hineinzukommen, und das ist etwas, was uns dann auch in der Kommunikation am Ende sogar in einer Werbemarketingkommunikation auch ganz stark helfen wird.

Günther Schimatzek: Jetzt, Hannes Royer, haben wir viel über die Glaubwürdigkeit in der Gastronomie in der Bezeichnung, in dem, was auf der Speisekarte steht und dann tatsächlich am Teller ist, gesprochen. Hat die Landwirtschaft dieses Glaubwürdigkeitsproblem in der eigenen Produktion überhaupt nicht – Fragezeichen –, wenn man jetzt weiß, dass Tausende Kälber exportiert werden zum Mästen und dann das Kalbfleisch über Umwege wieder zurückkommt und dann heißt es geboren in Österreich? Ist ja jetzt viel durch die Medien gegangen. Deshalb jetzt Frage an Sie als einen, den es natürlich nicht betrifft: Wenn ich Regionalität aus Österreich kaufe, und die Frau Mutenthaler hat es ja auch gesagt, heißt es ja per se noch nicht Qualität. Gibt es dieses Problem in der Landwirtschaft selbst jetzt?

Hannes Royer: Ja, absolut. Also ich glaube, dass wir in der Landwirtschaft genauso viele Baustellen haben wie in dieser Zusammenarbeit, wo man genauer hinschauen muss. Also ich glaube, ich sitze da nicht da und sage, die Landwirtschaft ist heilig, sondern ganz im Gegenteil. Wir haben genau so - -, wenn ich jetzt das Schwein anschaue oder auch die Rindermast, sage ich einmal, wo wir Soja aus Übersee importieren, wo ich sage: Das werden wir heute der Jugend nicht mehr erklären können, warum wir so etwas machen.

Wir verfüttern selber teilweise unseren Milchkälbern Milchaustauscherprodukte, wo man ausländische Milch sozusagen verpulvert, dann ein Palmöl dazumischt und dann das den eigenen Kälbern verfüttert. Das heißt, da ist auch - -, und das merke ich, das tut gar keiner hier jetzt aus böser Absicht, sondern wahrscheinlich wie es ein Hotelier oder Gastronom oft tut, es fehlt das Bewusstsein. Und ich denke, da ist jetzt einfach ganz wichtig, in der Landwirtschaft auch, wenn wir Kulinarikdestination Nummer eins in Europa werden wollen, dann muss aber auch die Produktion dahinter stimmen, weil eben nur Regionalität allein heißt noch lang nicht, weil er da jetzt bei mir oben am Berg produziert, dass das eine Topware ist. Und da ist genauso viel Bewusstseinsbildung notwendig wie in allen anderen Sektoren. Und ich denke, das ist vom Ministerium überall erkannt worden.

Wir geben da richtig viel Gas und sehr viele andere in Österreich, die ganzen Verbände, dass da einfach jetzt die Landwirtschaft genauer hinschaut: Was kaufe ich eigentlich ein? Was füttere ich meinen Tieren? Weil ich kann nicht verlangen sozusagen, dass der Konsument im Gasthaus oder im Lebensmittelhandel zur österreichischen Milch greift, und ich sage dann, aber meinen Kälbern gebe ich dann eine ausländische, weil die ist um ein paar Cent billiger. Und das passiert, leider Gottes, und auch genauso bei der Mast.

Und da, glaube ich, lohnt es sich, genauer hinzuschauen und auch was das Thema Tierwohl betrifft, da eine Vorreiterrolle einzunehmen, wo ich mir denke, das ist dem Österreicher auch zumutbar, weil wie wir alleweil so tun, beim Essen: Das können sich die Leute nicht leisten und man muss immer an die alleinerziehende Mutter denken, die sich das alles nicht finanzieren kann. Und ich sage, erstens besteht unser Land nicht nur aus alleinerziehenden Müttern, die gibt es, keine Frage, es gibt auch sicher sozial schwache Schichten, aber, und das möchte ich einmal da herinnen betonen, sind wir eines der reichsten Länder dieser Welt und keiner von uns muss sich jetzt Gedanken machen, ob er morgen irgendwo auch was zum Frühstücken kriegt. Und dann finde ich einfach eine Diskussion, ob wir uns da bessere und qualitativ höhere Lebensmittel leisten, einfach lächerlich. Das muss eine Selbstverständlichkeit werden, und es kann nicht so sein, dass wir halt alle mit einer super Hose dasitzen und ein tolles Handy haben, aber beim Essen zwitschern wir dann herum und tun wir, ach, die 10 Cent mehr, die können wir uns jetzt aber nicht mehr leisten, weil da ist vielleicht Tierwohl dabei oder so.

Und ich glaube, da braucht es Bewusstseinsbildung, dass Essen einfach wieder einen Wert kriegt. Und ich glaube, weil man es halt nicht so gern oft herzeigen kann, weil halt ein Auto kann ich herzeigen, ich kann mein Gewand herzeigen, was ich heute zu Mittag gegessen habe, wisst ihr alle nicht, also darum ist es wahrscheinlich auch nicht so populär. Und darum müssen wir auf den Egoismus vielleicht setzen und sagen: Hey, es geht aber auch um deine Gesundheit! Weil die Frage ist ja, wie geht es meinem Körper, wenn ich 60, 70, 80 Jahre alt werde. Wir essen im Jahr 1 Tonne Lebensmittel, da ist alles dabei, was wir zu uns nehmen. Und ich sage alleweil, 1 Tonne jedes Jahr, die macht was mit dir, die hinterlässt Spuren. Und ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich möchte mit 70, mit 80 auch noch fit sein, und da hängt es halt davon ab, was habe ich meinem Körper zugeführt. Und wenn ich halt dann was Tolles aus Österreich zuführe, dann glaube ich, habe ich ein gutes Leben. Und das müssen wir, glaube ich, transportieren.

Günther Schimatzek: Ja, vielen Dank. Jetzt, bevor wir in die Schlussrunde kommen, würden wir noch gerne die Möglichkeit einräumen, jetzt haben Sie wahnsinnig viel gehört in den letzten 1,5 Stunden: Gibt es aus ihrem Kreis – sitzen ja alles Fachleute und Experten da – Anmerkungen, Meinungen, Ergänzungen zu dem, was wir jetzt diskutiert haben? Dann würden wir die gern jetzt auch zum Abschluss noch hineinnehmen.

Ich schaue mal in die Runde. Alle sind offensichtlich zufrieden und haben sich vertreten gefühlt mit dem, was da am Podium gesagt worden ist. Ja, festzuhalten bleibt wahrscheinlich, dass es den guten Willen aller Beteiligten braucht, dass der auch durchaus vorhanden ist, dass es nicht am Preis allein liegen kann, und dass der Druck wahrscheinlich durchaus auch jetzt einmal von den Gästen, wenn ich es richtig gehört habe, und von allen Konsumenten letztlich dann auch kommen wird, und dass zu hoffen bleibt im Sinne aller Beteiligten, dass dieses gestiegene Bewusstsein für den Wert heimischer Produkte und für den Wert Regionalität, und da meine ich jetzt wirklich ganz Österreich dabei, dass der halt auch im Verhalten und im Angebot, also im Verhalten der Konsumenten und im Angebot der Gastronomie und des Handels, dann auch in irgendeiner Form bestehen bleibt, und dieser Schulterschluss, über den wir jetzt also meiner Sicht gefühlt schon seit vielen Jahrzehnten in Wahrheit diskutieren, dass der halt jetzt vielleicht noch einmal einen neuen Schwung bekommt und auch in praktikable Modelle mündet. Wenn Corona das geleistet hat oder das leisten könnte, dann hat es wenigstens einen ganz kleinen positiven Aspekt auch gehabt.

Vielen Dank für die Diskussion. Vielen Dank auch für Ihre Aufmerksamkeit und für Ihr Zuhören. Das Schlusswort dieser Veranstaltung gehört jetzt noch einmal dem Herrn Präsidenten des Bundesrates, Peter Raggl. (Beifall.)

Peter Raggl: Ja, meine Damen und Herren, vielen Dank von mir als Einlader an alle Vortragenden und vor allem jetzt auch am Ende an die Diskussionsteilnehmer. Ich möchte das so zusammenfassen: Jeder, der sich da heute zu Wort gemeldet hat, brennt für seine Sache. Und ich sehe, das ist schon mal ein Indiz dafür, dass wir mit Sicherheit gemeinsam weiterkommen. Ich möchte für den heutigen Abend ein absolut optimistisches Resümee ziehen. Es wurden Chancen und Möglichkeiten aufgezeigt, es wurden auch Denkansätze angeregt, an denen wir alle, glaube ich, in den nächsten Wochen, Monaten, vielleicht auch noch Jahren arbeiten sollen, aber wir sind da, glaube ich, auf einem sehr guten Weg.

Wenn ich jetzt in ein paar wenigen Sätzen zusammenfassen darf, ich habe das ein bisschen mitskizziert da: Also für mich ist der Coronaneustart vor allem in den Bundesländern, in den Tourismusbundesländern, eigentlich untrennbar verbunden mit Tourismus und Landwirtschaft. Der ländliche Raum braucht zweifellos alle, das ist heute gesagt worden, Industrie, Handwerk, Gewerbe, aber auch immer mehr den Dienstleistungssektor. Aber das Rückgrat, die Sicherung einer Basis von Arbeitsplätzen und von Wohlstand in den Regionen, gerade in den peripheren Regionen und Talschaften, der ist untrennbar mit der funktionierenden Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus verbunden.

Und da muss ich sagen, heute der Ansatz, mit Reden – und da bin ich sehr froh, dass ich heute das Fachgespräch initiiert habe – kommen die Leute zusammen. Es werden Argumente ausgetauscht, und ich glaube, jede dieser Runden stärkt auch irgendwo das gegenseitige Verständnis, dass natürlich einfaches Bestellen, Gegenseite: Tu!, dass das so nicht funktioniert, dass man da gegenseitig auf einander zugehen muss.

Lebensmittel aus der Region, und das ist, glaube ich, klar hervorgegangen: Die Region ist nicht das Paznauntal, ist nicht der Bezirk Landeck, ist auch nicht Tirol, die Region ist Österreich oder der regionale Zusammenhang, wie er da besprochen wurde. Lebensmittel aus der Region schaffen einen großen Mehrwert für die Landwirtschaft, aber auch für den Tourismus. Also ich möchte die auch wirklich im gemeinsamen Boot sehen.

Unser Ziel, da sage ich jetzt fast schon ein bisschen unser landwirtschaftliches Ziel ist es, glaube ich, nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln, eine Professionalisierung, damit wir die speziellen Bedürfnisse der Gastronomie und der Hotellerie noch besser erfüllen können. Wir brauchen einen höheren Grad der Veredelung. Den müssen wir auch erreichen, damit auch die Wertschöpfung und gesamtheitlich gesehen die Lebensqualität in der Region verbessert werden kann.

Ich habe mir da zwei Sätze aufgeschrieben: Der Einsatz regionaler Lebensmittel muss eigentlich zum touristischen Geschäftsmodell werden. Das brauchen wir, glaube ich, beide. Es braucht die Regionalität und die Nachhaltigkeit, das muss das Qualitätsmerkmal in der Gastronomie werden, egal mit verpflichtender Herkunftskennzeichnung, mit freiwilliger Herkunftskennzeichnung. Insgesamt, glaube ich, würde es uns beiden, der Landwirtschaft und dem Tourismus, sehr guttun, wenn wir das wirklich bald Qualitätsmerkmal entwickeln, und das auch, glaube ich, die Gastronomie, die Hotellerie als solches verkauft, und es ist gesagt worden, natürlich auch mit einer entsprechenden Bepreisung.

Ich glaube, abschließend: Wir sind gemeinsam auf einem guten Weg. Wir brauchen das auch, es sind da viele Argumente geliefert worden, wir brauchen die funktionierende Landwirtschaft, aber wir brauchen genauso einen funktionierenden Tourismus. Danke schön fürs Kommen. Es war jetzt, glaube ich, eine spannende Diskussion, aber auch ein bisschen eine trockene Diskussion – im Sinne, dass wir alle ein bisschen einen Durst haben, nicht inhaltlich, dass man das ja nicht falsch versteht. Und ich darf jetzt noch abschließend als Gastgeber heute zum Umtrunk einladen, der, glaube ich, irgendwo im ersten Stock stattfindet. Gut, vielen Dank noch einmal fürs Kommen. Danke. (Beifall.)