Transkript der Veranstaltung:
GLOBART Academy im Parlament – Die Macht geht vom Volk aus
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(Es folgt ein Musikstück.)
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Michael Kerbler (Rundfunkjournalist): Ein herzliches Willkommen an Sie alle, die hierher in den Plenarsaal des Parlaments im großen Redoutensaal der Hofburg gekommen sind, um an der Debatte um die nächste Verfassung unserer Republik teilzuhaben. Mein Name ist Michael Kerbler, ich darf Sie durch den Nachmittag begleiten.
Begrüßen möchte ich die Vizedirektorin des Parlaments, Frau Dr.in Susanne Janistyn-Novák, die Volksanwältin a. D. Frau Mag.a Terezija Stoisits, alle anwesenden aktiven und ehemaligen Abgeordneten des Nationalrates und des Bundesrates und die Intendantin von Globart, Frau Prof.in Heidemarie Dobner. (Beifall.) Ebenso heiße ich die Zuseherinnen und Zuseher, die sich jetzt via OKTO TV live eingeschaltet haben in diese Veranstaltung aus dem Plenarsaal herzlich willkommen.
In welcher Verfassung ist unsere Verfassung? – So könnte die erste Frage des Tages lauten, aber die will ich eigentlich erst später stellen. Zuerst möchte ich Sie, wenn Sie es so wollen, als Aufwärmrunde einladen, dass wir gemeinsam einen Versuch machen. Es gibt eine Zeitung, die Sie, wenn wir 17.30 Uhr schreiben, in die Hand gedrückt bekommen, sozusagen noch druckfrisch, und in dieser Zeitung steht ein Vorschlag, der mir so interessant erscheint, dass ich ihn mit Ihnen ausprobieren will. Er stammt von Cecily Corti, die heute auch bei uns ist, die Gründerin der Vinzirast, die sich Obdachloser Mitmenschen annimmt. Und Frau Corti verlangt in diesem Artikel angesichts des aggressiven, ja manchmal hasserfüllten Umgangstons, der in den zurückliegenden Monaten hier Einzug gehalten hat, achtsame Parlamentssitzungen. Wie soll das gelingen? Sie schlägt vor, jede Sitzung möge mit vier Minuten Stille beginnen, damit die Abgeordneten zu sich kommen können – im wahrsten Sinn des Wortes, um so in eine Verfassung zu gelangen, die Verbunden entstehen lässt und die der Würde des Hauses auch gerecht wird. Ich bitte Sie nicht um vier Minuten Stille, aber 30 bis 60 Sekunden, glaube ich, wären gut, um einen Anfang zu setzen für diesen heutigen Nachmittag, um danach achtsam gemeinsam und fokussiert aktiv sein zu können. Ich danke für Ihr aktives Schweigen.
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Danke für Ihre Bereitschaft, diesen Vorschlag auszuprobieren. Danke, Cecily Corti, für den Vorschlag, wir werden es dem Herrn Präsidenten ausrichten, dass das guttut, gesammelt in Parlamentssitzungen zu gehen.
Ja, die Frage: In welcher Verfassung ist unsere Verfassung? Hinter der Frage, die wir hier und heute im Parlament der Republik stellen und diskutieren werden, steht eine weitere, eine meiner Meinung nach sogar entscheidendere Frage: In welcher Verfassung ist unser Land? Wie ist es um unsere Demokratie, um unsere demokratisch verbrieften Rechte bestellt? Die Demokratie garantiert ihren Bürgerinnen, ihren Bürgern gewisse Grundrechte, die nichtdemokratische Systeme nicht garantieren können oder vielleicht auch gar nicht garantieren wollen. Demokratie ist nicht nur eine Regierungsform, sondern ihrem Wesen nach immer auch ein Rechtssystem. Nur eine demokratische Regierungsform bietet den Bürgern die Möglichkeit, die Freiheit der Selbstbestimmung auszuüben. Das heißt, unter Gesetzen zu leben, die man sich selbst auferlegt hat. Unsere Verfassung garantiert uns bestimmte Grundrechte, mit denen das grundlegende Verhältnis der staatlichen Gewalt zu den Menschen in unserer Republik geregelt wird. Wir sind als freie Menschen, als frei uns gleich geboren, aber wir sind – und das schrieb Mitte des 16. Jahrhunderts der französische Jurist und Hohe Richter Etienne de La Boétie in seiner Streitschrift von der freiwilligen Knechtschaft des Menschen, ich zitiere –: Wir sind nicht nur im Besitz unserer Freiheit, sondern auch mit dem Trieb, sie zu verteidigen, geboren worden. – Der amerikanische Politikwissenschaftler Noam Chomsky wiederum ist davon überzeugt, dass wir mit einem Freiheitsinstinkt geboren wurden: If you assume that there is no hope, you guarantee that there will be no hope. If you assume that there is an instinct for freedom, that there are opportunities to change things, then there is a possibility that you can contribute to making a better world.
Auch Globart und all die vielen Menschen, die diese Initiative unterstützen, tragen diesen Freiheitsinstinkt in sich. Es eint sie die Überzeugung, dass es Möglichkeiten zur Kurskorrektur gibt und dass wir alle dazu beitragen können, Änderungen auf den Weg zu bringen für eine bessere Welt. Es gilt, sich immer wieder in die eigenen Angelegenheiten einzumischen, denn sonst nützt es wenig, dass in unserer Verfassung zu lesen steht: Die Macht geht vom Volk aus! Wir wollen mehr Demokratie wagen und daher müssen wir mehr Partizipation einfordern und sie auch leben. Das gilt es heute zu beweisen, hier im Hohen Haus durch Ihre Beteiligung.
Ich begrüße die Vizedirektorin des Parlaments und darf Sie, Frau Janistyn-Novák, um Ihre Eröffnungsworte bitten.
Susanne Janistyn-Novák (Parlamentsvizedirektorin): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Im Oktober 2020 war es 100 Jahre her, dass die österreichische Bundesverfassung beschlossen wurde. Sie zählt heute zu den ältesten Verfassungen Europas und der Welt. In Europa sind nur die Verfassungen Belgiens, der Niederlande, Norwegens und Luxemburgs älter. Sie alle stammen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Und wir wollten diesen besonderen Anlass schon im vergangenen Jahr gemeinsam würdigen, aber wie viele Veranstaltungen musste auch diese coronabedingt verschoben werden. Aber es ist ein guter Anlass, nicht nur den 100. Geburtstag, sondern auch den 101. Geburtstag zu feiern, und so darf ich Sie ganz herzlich im Namen des Präsidenten des Nationalrates Mag. Wolfgang Sobotka im Parlament begrüßen, und zwar hier im Redoutensaal der Wiener Hofburg, unserem Ausweichquartier, seitdem wir im Jahr 2017 aus dem historischen Gebäude, das gerade saniert wird, ausgezogen sind.
Michael Kerbler hat schon eine Menge an Fragen aufgeworfen, und vielleicht greife ich diesen Gedanken von Ihnen, Frau Corti, insofern ein bisschen auf, als ich, wenn wir in die Zukunft schauen, auch gleichzeitig einen kurzen Blick in die Vergangenheit werfen möchte. Auch das empfinde ich als einen Moment der aktiven Stille. Und so rentiert es sich, auf die Entstehung jenes Dokuments zurückzublicken, dass die Grundlage für unseren Staat bildet. Und wenn man die Protokolle aus dem Jahr 1920 liest, dann fällt auf, dass die Debatte von einer nüchternen Analyse der langwierigen Diskussionen im Unterausschuss des Verfassungsausschusses getragen wird. Kein Pathos bestimmt diesen historischen Moment, sondern der rationale Blick auf eine Verfassungsgrundlage, die mangels politischer Einigung zwischen den damaligen Parteien lückenhaft blieb. So zum Beispiel in der Frage der Kompetenzregelung, also jener Frage, auf welcher Ebene des Staates welche Materie geregelt ist. Oder ein weiteres wichtiges Beispiel: die Grundrechte. Die österreichische Verfassung enthält nämlich im Gegensatz zu anderen Verfassungen keinen eigenen Grundrechtekatalog, sondern wir greifen zurück auf ein in der Monarchie 1867 beschlossenes Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger.
Die Parteien waren sich dieser Lücken in der Verfassung anlässlich deren Beschlussfassung am 1. Oktober 1920 bewusst, aber sie waren gleichzeitig zuversichtlich, diese offenen Fragen später zu klären. Die Kompetenzverteilung wurde erst durch eine Novelle im Jahre 1925 geregelt, den Grundrechtekatalog gibt es bis heute nicht.
Die österreichische Bundesverfassung zählt zwar zu den ältesten Verfassungen der Welt, sie ist aber auch eine jener, die am einfachsten geändert werden kann, und eine, die am häufigsten geändert wird. So gibt es neben dieser Verfassungsurkunde in zahlreichen Gesetzen weitere Verfassungsbestimmungen und es gibt weitere Verfassungsgesetze, denken Sie nur an das wichtige Neutralitätsgesetz.
Viele dieser Änderungen betreffen Fragen, die man meist als technisch bezeichnet. Sie macht auf zwei Punkte aufmerksam: Die Bundesverfassung wird gerade von Juristen und Juristinnen, aber auch von Politikerinnen und Politikern in vielen Teilen wie jedes andere Gesetz verstanden und dementsprechend detailreich und technisch formuliert. Die Verfassung ist somit vor allem eine Sache für Experten und Expertinnen. Die übliche Frage, die in Österreich gestellt wird, ist jene danach, ob eine geplante Maßnahme verfassungsmäßig ist. Letztlich entscheidet diese Frage der Verfassungsgerichtshof.
Übrigens, die Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit, also eines Gerichts, der nicht wie der Supreme Court über alle Fragen entscheidet, sondern über die in der Frage enthaltenen Grundelemente, war eine vollkommen neuartige Einrichtung. Viele andere Länder haben sich bei der Einrichtung eines Verfassungsgerichtshofes daran ein Beispiel genommen. Und andererseits gibt es Teile in der Bundesverfassung, die erstaunlich stabil sind und die vom Weitblick jener Männer – Frauen waren ja nicht dabei – getragen sind, die 1919 und 1920 um den Verfassungstext gerungen haben. Und einer unter ihnen sticht besonders heraus, nämlich der Jurist Hans Kelsen. Er zählt bis heute nicht nur zu den wichtigsten Theoretikern des Rechts, er war auch ein besonders engagierter Denker und Praktiker der Demokratie in einer Zeit, in der sie von vielen diskreditiert und letztlich ausgeschaltet wurde. Sein Konzept von Demokratie ist sehr einfach gehalten und offen für viele politische Standpunkte, es ist darauf ausgerichtet, gut verstanden und praktiziert zu werden. Die Klarheit der Sprache und der Regelungen hat den Bundespräsidenten dazu bewogen, von der Eleganz, ja von der Schönheit der österreichischen Bundesverfassung zu sprechen. In ihrem Mittelpunkt stehen zwei Einrichtungen und drei Prinzipien, nämlich: das Parlament und der Verfassungsgerichtshof und die drei Prinzipien: Rechtsgleichheit, Freiheit und der Schutz des Einzelnen und von Minderheiten. Und einen wichtigen Gedanken gibt Kelsen noch mit: Die Mehrheit soll ihr Handeln immer daran ausrichten, dass sie selbst im nächsten Moment zur Minderheit werden könnte.
Im Parlament sollen alle wesentlichen gesellschaftlichen und politischen Gruppen repräsentiert werden, ihm sollen alle anderen Staatsorgane verantwortlich sein. Niemand soll willkürlich entscheiden. Der Verfassungsgerichtshof soll die Entscheidungen des Parlaments, die Gesetze, an der Verfassung prüfen. Zugleich soll er jeder und jedem Einzelnen das Recht verschaffen, ein Gesetz in Frage zu stellen und eine Begründung einzufordern. Niemand soll in einer Demokratie blind den Gesetzen folgen müssen.
Kelsens Verständnis war seiner Zeit voraus und wurde erst nach 1945 weltweit aufgegriffen. Kelsen war aber auch Realist. Er wusste, dass Institutionen alleine so eine Aufgabe nicht bewältigen können, daher setzte er sich persönlich sehr für demokratische Bildung ein, dafür, dass Menschen durch Nachvollziehbarkeit und Verständnis zu überzeugten Demokratinnen und Demokraten werden, dafür, dass Politikerinnen und Politiker in verantwortlicher und maßvoller Weise ihr Mandat ausüben. Dieser Hintergrund macht unsere Verfassung trotz ihres Alters und ihrer zahlreichen Novellen unglaublich modern und offen für vieles, was heute über Zustand und Perspektiven von Demokratie diskutiert wird. Hans Kelsen erinnert daran, dass eine Verfassung mehr ist als ein Organisationsmodell, mehr als ein Gesetz, das regelt, wer welche Entscheidungen im Staat und in welcher Form treffen kann. Vielmehr wird daran erinnert, dass eine Verfassung die Grundordnung des Staates, des Zusammenlebens in einer vielfältigen und auch oft durch viele Konflikte geprägte Gesellschaft sein soll und dass es nicht nur um die Durchsetzung des eigenen politischen Wollens geht, sondern um Verständigung und Kompromissbereitschaft.
Es ist wichtig und richtig, sich mit der Verfassung zu beschäftigen, sie durch Diskussionen lebendig zu halten und sich an ihrer Weiterentwicklung zu beteiligen. Und dieser Blick in die Zukunft und diese Zukunft auch zu gestalten, diesem Ziel widmet sich, und zwar generationenübergreifend, Globart. Ich sehe daher dem heute präsentierten Experiment, der Verfassung neue Artikel hinzuzufügen, mit großem Interesse entgegen und ich wünsche Ihnen allen einen interessanten, spannenden Nachmittag und danke für Ihre Aufmerksamkeit! (Beifall.)
Michael Kerbler: Vielen herzlichen Dank! Hans Hoffer, er ist Bühnenbildner Architekt, ja Gesamtkünstler, ist heute in seiner Eigenschaft als Präsident von Globart da. Ich darf um Ihre Eröffnungsworte bitten.
Hans Hoffer (Präsident von Globart): Sehr geehrte Frau Parlamentsvizedirektorin Janistyn-Novák und sehr geehrte Frau Mag.a Stoisits! Hohes Haus! Ich muss es einmal aussprechen, es ist so schön: Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Globartisten und ‑artistinnen! Verehrte Künstler und WissenschaftlerInnen, Menschen aus nah und fern! Ich darf Sie sehr herzlich im Namen von Globart hier im Plenarsaal des österreichischen Parlaments in der Hofburg begrüßen. Es ist eine große Ehre und Freude für uns Globartisten in diesem Hohen Haus Gast sein zu dürfen. Mein Dank gilt Herrn Nationalratspräsidenten Sobotka und der Parlamentsdirektion. Darüber hinaus begrüße ich alle anwesenden aktiven und ehemaligen Abgeordneten zum Nationalrat und Mitglieder des Bundesrates. Ich freue mich ganz besonders, Stephan Jansen und Friedrich von Borries hier zu begrüßen, die wirklich langjährige Ideenentwickler und Projektleiter bei Globart sind.
Bedanken möchte ich mich aber auch ganz besonders bei Michael Köhlmeier, der eine ganz wunderbare, brillante Rede geschrieben hat, der leider erkrankt ist und nicht kommen kann. Die Rede wird aber vorgetragen, und da bedanke ich mich bei Cornelius Obonya, der das sicher exzellent machen wird. Ich hoffe auf Ihr Einverständnis. (Beifall.) – Danke.
Ich freue mich auch, den Vorstand und die Intendantin von Globart hier zu begrüßen und darüber hinaus - - wir haben eine Fahnenaktion gemacht, also, es wurden weiße Tücher an verschiedene Künstler verschickt, die uns das zurückgeschickt haben, und wir haben ihnen versprochen, wir tragen diese Botschaft der bildenden Kunst hier ins Parlament. Und wir haben sie heute mitgebracht, sie werden sie später sehen.
Ja, hohe Häuser - - Nimmt man den Begriff des Hohen Hauses wörtlich, so ergibt sich folgendes Bild: Einige Staaten der Welt wetteifern in ihrer materiellen Verstiegenheit und ihrem Größenwahn darum, das höchste Haus des Augenblicks zu schaffen, um im nächsten Augenblick von einem anderen, noch reicheren Staat überholt zu werden. Dieser anachronistische Wettbewerb erinnert an die mittelalterlichen Geschlechtertürmer in der Toskana. Vielleicht müsste man analog zur Dachsteuer von Joseph II. eine Luftsteuer erfinden. Hohe Häuser beeindrucken und sind gefährdet. Selbst der schockierende Angriff und die Zerstörung durch Kamikaze-Flugzeuge konnte diesen infantilen Wettbewerb nicht stoppen.
Wenn ich mich hier und heute an das Hohe Haus wenden darf, dann sprechen wir von einem Haus, dessen ideelle Höhe nicht in Metern gemessen werden kann, das alle anachronistischen Rekordversuche hinter sich lässt. Wir sprechen von Hoheit, von Macht, die vom Volk, also von uns, ausgeht. Die parlamentarische Demokratie ist gewiss die wichtigste Errungenschaft der Menschheit. Auch dieses Hohe Haus ist bisweilen gefährdet, und diese Gefährdung beginnt mit einer Verrohung der Sprache, so Karl Kraus und Bertolt Brecht: Sprache, die mit einer Infragestellung der Institutionen und der Gewaltenteilung einhergehend den Rechtsstaat in Frage stellt.
Meine Damen und Herren! Kleine Menschen, Immigranten - - Wir, das Haus Österreich sind aufgerufen, die Zeichen an der Wand zu erkennen und unsere mit vielen Demütigungen und Blut errungene parlamentarische Demokratie zu schützen und weiterzudenken. Wir haben die freie Rede, und das ist gut so. Die freie Rede berechtigt allerdings niemanden, andere Menschen als minder anzusehen und diese herabzuwürdigen. Für uns alle ist bis heute nicht verständlich, warum unser so wohlhabendes Land nicht einige hundert Flüchtlingskinder aufnehmen darf, trotz Empathie und Bereitwilligkeit der Menschen.
Wenn man sich die Migrations- und Asylpolitik der letzten 40 Jahre vor Augen führt, so gab es neben außerordentlichem zivilem Engagement leider auch viel Vorurteil, Repression, Zwangsmaßnahmen bis hin zu Abschiebung und Schubhaft. Als hätte man vergessen, dass hinter jedem Hilfesuchenden ein einzelner Mensch steht. Diese, jetzt nach Schutz und lebenswürdigen Situationen Suchenden werden dereinst glühende Europäer, begeisterte Österreicher sein, voll Energie und Innovation. Bitte, beenden wir Diskriminierung und Xenophobie. Hilfesuchende jeglicher Art sind keine gefährlichen Feinde.
Wir sind mit Recht stolz auf unsere Verfassung, die sich seit mehr als 100 Jahren auch in sehr delikaten Situationen bewähren musste. Vielleicht müssen wir diese ja nicht unbedingt noch eleganter machen, um in der wahrhaft eleganten Diktion unseres Herrn Bundespräsidenten zu bleiben, eines Bundespräsidenten, der jegliche noch so schwierige politische Situation gelassen, klug und besonnen meistert, mit einem Wort: A Mensch für Menschen! Das verdient einen Applaus. (Beifall.) – Danke! Ich danke Ihnen. Allerdings unterliegt auch die beste Verfassung den Gesetzen von Zeit und Veränderung. Um etwas zu verändern, muss etwas bleiben, wie es ist, wie könnten wir sonst die Veränderung wahrnehmen? Nehmen wir also den ewigen Prozess auf und setzen wir uns heutiger Sicht mit der Verfassung auseinander. So manches konnte dem Team um Kelsen mit seinem wunderbaren, komplexen Werk ja damals nicht bekannt oder bewusst sein: Themenfelder wie zum Beispiel die vollkommene Gleichstellung aller Geschlechter auch beim Gehalt, Kinderrechte, geregelte Einwanderung ohne Diskriminierung zum Wohle des Landes, Transparenz des Staatsapparates, Digitalisierung, die Klimafrage, soziale Gerechtigkeit und nicht zuletzt auf meinen besonderen Wunsch ein Manifest der Schönheit – um nur einige zu nennen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Demokratie erfordert mehr als den schlichten Wahlgang von Zeit zu Zeit, den leider viele nicht für wichtig erachten. Demokratie erfordert Arbeit in Permanenz, in ihrer Prozesshaftigkeit gleicht Demokratie der Natur – beide sind für unser Leben auf diesem einzigartigen Planeten unerlässlich. Wir hielten lange Zeit Demokratie und Natur für selbstverständliche Ressourcen, die uns unbegrenzt und neverending umgeben und zur Verfügung stehen. Heute beginnen wir zu ahnen, sehr spät zu ahnen, was uns droht, wenn wir nicht sofort handeln. Es geht uns alle an, jeden einzelnen Menschen. Wir müssen uns täglich von neuem am Prozess der Demokratie beteiligen, mitgestalten, weiterdenken. Wir müssen Demokratie leben, indem wir allem, was uns umgibt, eine Stimme verleihen, auch und vor allem der Natur und den Wesen, die mit uns in ihr leben. Wir sind Demokratie, ja, wir sind Natur! Danke. (Beifall.)
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(Beifall.)
Michael Kerbler: Ein Dankeschön an die Künstlerinnen und Künstler, die so wie Heimo Zobernig hier mitgestaltet haben, für diese Transparente, die auch die Bedeutung der Kunst und Kultur signalisieren. – Danke. (Beifall.)
Der nächste Tagesordnungspunkt, wenn Sie so wollen, heißt Prolog zur Entstehung des Projekts, die nächste Verfassung – ein Gedankenexperiment. – Eine Anmerkung dazu: Eine Verfassung, auch unsere Verfassung, stellt das politische und ideologische Bekenntnis einer Gesellschaft dar. In ihr sind die grundlegenden Regeln und Wertentscheidungen für die Organisation des Staates festgelegt. Die Verfassung kann, um ein Wort Hans Kelsens zu zitieren: als Grundnorm der Rechtsordnung verstanden werden, der höchste normative Rang zukommt. Die Verfassung bildet also den Überbau der gesamten Rechtsordnung. Alle anderen Rechtsakte, egal, ob das einfach Gesetze sind, Verordnungen, Erlässe, Urteile oder Bescheide, müssen immer auf verfassungsrechtliche Vorschriften zurückgeführt werden und dürfen diesen nicht widersprechen.
Einmal muss es heute gesagt werden im Zusammenhang mit unserer Verfassung: Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union hat das EU-Gemeinschaftsrecht Vorrang vor nationalem Recht, also auch vor dem österreichischen Verfassungsrecht.
Globart hat aus dem Anlass 100 Jahre österreichische Bundesverfassung dazu eingeladen, sich mit diesem ganz zentralen Text unserer Demokratie auseinanderzusetzen. Ein Gedankenexperiment wurde gemeinsam vom Designtheoretiker Friedrich von Borries und dem Wirtschaftswissenschafter Stephan Jansen initiiert. Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen sollten eine Verfassung für das 21. Jahrhundert erarbeiten, die womöglich nicht nur national, sondern auch in Europa und vielleicht oder hoffentlich auch weltweit Geltung hat. Am Wort sind jetzt Stephan Jansen und Friedrich von Borries, und sie berichten über die nächste Verfassung – ein Gedankenexperiment. – Ich darf Sie bitten.
Stephan A. Jansen (Professor und Leiter des „Center For Philantrophy & Civil Society”): Vielen Dank! Sehr geehrte Europäerinnen! Sehr geehrte Europäer! Sehr geehrte Österreicherinnen und Österreicher! Sehr geehrte Parlamentsvizedirektorin Janistyn-Novák! Sehr geehrte StipendiatInnen der Globart! Liebe Globart, liebe Heide! Ja, liebe Miriam Fussenegger, lieber Philipp Hochmair! Lieber Friedrich! Das waren so die, die ich einmal erwähnen wollte in diesem Hohen Haus. Wir bedanken uns sehr für die Einladung nicht nur hier, sondern auch für dieses Projekt, wir bedanken uns auch, lieber Friedrich, für das Vertrauen, das in ein solches Projekt gesteckt worden ist. Lieber Friedrich, wir sind Friedrich von Borries - - (Friedrich von Borries: Und Stephan Jansen!) Er ist der Architekt und Designtheoretiker, ich habe mit einem Lehrstuhl in Karlsruhe und Berlin das Thema Zivilgesellschaftsforschung im Blick und mache seit 20 Jahren Politikberatung in der Bundesrepublik Deutschland und auch das erfolglos.
Deswegen freut es uns, dass wir mit Globart einen anderen Weg beschreiten können, nämlich nicht mit wissenschaftlicher Expertise, sondern mit kreativer Experimentierfreude – und das wir als Deutsche auch mit allem Nachdruck, auch mit Demut und auch mit Dankbarkeit – ein solches Diskursangebot hier in den Raum zu stellen beziehungsweise eben auch zu veröffentlich. Und das aus Anlass – was jetzt mehrfach erwähnt worden ist – des 100. Geburtstag des Bundesverfassungsgesetzes unter der Reaktion des Universitätsprofessors Hans Kelsen 1920, der eben tatsächlich, wie Sie es geschildert haben, die politischen Kompromisse elegant zusammengefügt hat.
Das, was wir jetzt hier vorhaben als Geburtstagsgeschenk, ist, und das kennen Sie von zu Hause, das Wertvollste: etwas Selbstgebasteltes.
Lieber Friedrich!
Friedrich von Borries (Architekt und Professor für Designtheorie): Ja, das Selbstgebastelte haben nicht nur wir beide selbst gebastelt, sondern bei diesem Selbstbasteln haben ganz viele mitgemacht, ungefähr 40 Personen aus Österreich, aber auch aus anderen europäischen Ländern, WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen, SchriftstellerInnen, AutorInnen, einige von ihnen sind auch heute hier, und weil wir nachher Pausen haben und auch informell ins Gespräch kommen werden, würde ich diejenigen, die mitgemacht haben, einfach kurz bitten, aufzustehen. Da drüben sehe ich zum Beispiel Harald Gründl, den Designer, Cecily Corti wurde eben schon erwähnt, Leopold Stieger, Christoph Thun-Hohenstein habe ich auch schon gesehen, Peter Kirchschläger, Michael Kerbler, Matthias Mittelberger, Jakob Brossmann hier vorne, Ilija Trojanow, Barbara Heitger sind heute hier, nur um ein paar Namen zu nennen, deren Texte, deren Vorschläge, deren Gedanken Sie nachher in diesem Dokument, in dieser Zeitung werden lesen können.
Stephan A. Jansen: Wir wurden gebeten zum Eingang tatsächlich das Woher, das Warum zu klären. Warum kommt man auf so etwas? – Lassen Sie es mich mit der Lyrikerin Hilde Domin begründen, sie schrieb einmal: Ich setzte den Fuß in die Luft und sie trug. – Und in der Tat ist es genau diese Luft. Lieber Friedrich, als wir in der europäischen Juniluft im Jahr 2015 zusammenkamen in Otzenhausen im Saarland, dort ist die Europäische Akademie, wir hatten eine Konferenz dort gemeinsam über Nachhaltigkeit, Zukunftsgestaltung, unkonventionelle Bündnisse. Und wir beide saßen mittelmäßig frustriert am Rande dieser Veranstaltung und hatten uns überlegt, vielleicht müsste man einmal die Verfassung neu erfassen, und zwar durch uns selbst. Und diese Idee, die Verfassung als eine Erfassung, als eine Kognitionsleistung der Gesellschaft durch sich selbst wieder ins Spiel zu bringen, das lag damals in der Luft. Wir lächelten uns an, in unserer professoralen Heiterkeit wussten wir, wieder einmal so eine Idee, die man auch nicht unbedingt umsetzen muss. Aber es gab eben genau diese vielen Momente in der Geschichte, in denen etwas in der Luft lag, das kennen wir von vielen früheren wichtigen konstitutionellen, also verfassungsgebenden Texten.
Ich will an das Jahr 1776 besonders erinnern: die amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Wenige Jahre später im Zuge der französischen Revolution 1789 die erste Menschenrechtserklärung Europas, und Sie werden es verfolgt haben, dass nach uns, lieber Friedrich, Ferdinand von Schirach auf die Idee kam, sozusagen tatsächlich mit einem kleinen Büchlein - - – Heidi lacht, ja, es war nach uns –, dass wir über diese Charta ein wenig mehr Artikel beifügen müssen, also es liegt auch etwas in dieser europäischen Luft, ich würde mir sogar anmaßen zu sagen, es liegt etwas in der Wiener Luft, an dem man ein bisschen schnuppern kann.
Wir kennen gute Luft, für diejenigen, die sich vor Corona noch an Urlaub erinnern können, aus Island. Island hat nicht nur betörende Luft, sondern auch betörende Musik und hat vor allem etwas Betörendes erreicht, nämlich sie sind in einer gewissen Art und Weise Pioniere gewesen im Kontext von Verfassung. Vielleicht erinnern Sie sich, die isländische Regierung und das Parlament ließen sich eine neue Verfassung entwerfen. Der Hintergrund waren 2008 die Bankenpleiten, der Rücktritt des Premierministers Haarde im Jahr 2009, auch als Panama Papers journalistisch bekannt, und es trat ein Vertrauensverlust der 300 000 EinwohnerInnen in Island ein, dass man die Unfähigkeit der politischen Parteien, Probleme zu lösen, in einer Art und Weise vor sich sah, dass dann die Nachfolgerin Haardes, die Premierministerin Jóhanna Sigurðardóttir die Macht, die sie bekommen hat, mit einem Versprechen verbunden, und dieses Versprechen von ihr, war die Erneuerung der isländischen Verfassung aus dem Jahr 1944, die damals aus der Loslösung von Dänemark entstanden ist.
2010 hat das Parlament in Island die Nationale Versammlung berufen: 950 IsländerInnen aus dem Einwohnerregister nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Die Neuwahl des Verfassungsparlamentes mit 25 RepräsentantInnen - - Das heißt, knapp 1 000 IsländerInnen haben so als Verfassungsrat eine neue Verfassung entwickelt und für deutsche wie österreichische Verhältnisse in einer Geschwindigkeit von genau dreieinhalb Monaten. Diese in dreieinhalb Monaten durch Zufallsauswahl entstandene Verfassung ist dann den IsländerInnen zur Volksabstimmung vorgelegt worden, und diese ist mit 65 Prozent dafür ausgegangen, diesen Verfassungsentwurf zu verabschieden. – So weit, so gut. Dann erfolgte die Abwahl der Linksregierung, die rechtsliberale Koalition verbannte den Verfassungsentwurf in der Schublade, das Parlament hätte seine eigene Abschaffung entscheiden müssen. Ich denke, Frau Vizeparlamentsdirektorin, was da an Kraft drinnen ist. Aber, diese Schublade, lieber Friedrich, war so ein bisschen auch das, was wir als Methode leben können, denn in dieser Schublade, ob in Nationen, in Bürgerräten, in Kommunen, an Universitäten oder wie wir eben gearbeitet haben in Zwentendorf, hat es eine Methode gegeben: Wie erfassen wir unsere Verfassung? Warum ist das gerade so? Friedrich, wir haben dieses Thema der Postdemokratie, die Krise der Repräsentation, wir haben Korruptionsfälle, wir haben Nationalstaatsversagen, wir haben Coronaregime in unterschiedlichster Form erlebt, all das und vieles andere bringt die Luft zur Vibration. Und allen Verfassungen gemeinsam ist, Friedrich: eine neue Verfassung ist nie ein Bestandsrecht. Eine Verfassung verfasst nie das Land, so wie es ist, sondern es ist ein utopisches Recht. Eine Verfassung ist ein Recht auf Utopie.
Die Unabhängigkeitserklärung der USA, die Menschenrechtserklärung sind geschrieben worden, damit sie entstehen können. Das bedeutet, eine Verfassung ist ein Recht auf Utopie, die Welt so zu verfassen, wie wir sie als Gesellschaft wollen und in sie hineinleben. Und das ist unser Ziel gewesen, lieber Friedrich, die Frage ist: Wie haben wir das gemacht?
Friedrich von Borries: Wir haben nicht das Einwohnermeldebuch genommen oder das Telefonbuch und tausend Leute ausgesucht, sondern wir haben uns überlegt, wer denkt denn über Utopien nach, wer lebt Utopien? Das sind zum einen natürlich Menschen mit zivilgesellschaftlichen Engagement, die aktiv durch ihr tägliches Handeln jenseits ihres Berufs, jenseits von Karriereperspektiven versuchen, bessere Gesellschaft zu bauen, zu leben, zu machen. Das sind zum anderen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die über Probleme in der Gesellschaft nachdenken und versuchen, sie zu analysieren, ihnen auf den Grund zu gehen, und es sind KünstlerInnen, DesignerInnen, ArchitektInnen, also diejenigen, die über kreative Energie und durch Zukunftsimagination versuchen, uns Bilder zu geben, wie so eine mögliche Zukunft aussehen könnte. Diese Menschen hatten wir im Blick, und das ist dann ein stückweit Globart, das ja auch auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, da gibt es Menschen, die genau so etwas machen, die sich schon kennen, die wieder jemanden kennen, der wieder jemanden kennt, ich nenne dieses Prinzip dann den „gezielten Zufall“, das heißt, man streut eine Idee und man freut sich unheimlich darüber, bei wem das räsoniert, wer darauf anspricht und sagt: Ja, unbedingt, ich kenne da noch die- oder denjenigen, die auch mitmachen wollen, und so sind die Namen, die sie eben gehört haben und die Namen, die sie nicht gehört haben, zusammengekommen. Das ist sozusagen die eine Methode über Menschen, die auch über einen gewissen Erfahrungsschatz in diesen beschriebenen Arbeits- und Denkweisen verfügen. Und dann gibt es noch eine zweite Perspektive, die auch typisch Globart ist, denn Globart ist eine Institution, die an Bildung denkt, und deshalb gibt es noch eine zweite Perspektive, die genauso wichtig ist.
Stephan A. Jansen: Ganz genau, lieber Friedrich. Also, Sie haben hier ein Dokument vorliegen, worin Sie dann auch nachlesen können, von 39 wirklich, wirklich einflussreichen, beeindruckenden Persönlichkeiten. Und ich als Hochschullehrer sage zu meinen Studierenden nur eines: Lasst euch durch nichts beeindrucken, noch nicht einmal durch euch selbst! Der zweite Teil ist meistens schwieriger. Wir haben aber tatsächlich im Kontext der Verfassung ein Thema, das wir in Deutschland, in Karlsruhe, in einem neuen Urteil in einer Art und Weise geregelt haben, was ich euch nur wünschen kann, nämlich die Generationsgerechtigkeit. Und die Generationsgerechtigkeit heißt, eine Verfassung müsste auch geschrieben werden durch eine Generation, die momentan gar nicht in der Erfassung derjenigen ist, die eine Verfassung schreiben könnten oder dürften. Karlsruhe hat das in dem maßgeblichen Verrechtlichungsurteil des Klimaschutzes die intertemporale Freiheitsbeschränkung genannt, was nichts anderes bedeutet, als das unsere Generation sich in ihrer Freiheit beschränken muss, damit die nächste Generation nicht in ihrer Freiheit beschränkt ist. Und das ist der Grund gewesen, warum wir mit Globart ein StipendiatInnenprogramm aufgesetzt haben, um eine neue Verfassung aufzusetzen, und Sie werden heute diese am Nachmittag noch erleben. Ich darf Sie jetzt um einen sehr herzlichen Applaus bitten für Anika Dafert, Marek Zink und Max Haarich. (Beifall.) Kommt ihr bitte einmal kurz zu mir nach vorne? Ihr steht stellvertretend für alle Stipendiatinnen und Stipendiaten, die letztes Jahr mit mir arbeiten mussten, und ihr habt jetzt die momentan kommunikationsfreie Aufgabe, der Parlamentsvizedirektorin eure Verfassung zu überreichen.
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(Beifall.)
Ich weiß, ihr seid AktivistInnen, ihr seid Paradoxiekünstler, ihr seid Gesundheits-, Psycho-, Physiotherapeuten und was sonst noch alles an Kommunikations- und Wissenschaftsdisziplinen bei euch vertreten ist. Ihr werdet den Nachmittag rocken, das habt ihr mir versprochen, und deswegen arbeiten wir daran, dass es nicht in der Schublade landet. Vielen Dank, dass ihr da mitgemacht habt. (Beifall.)
Friedrich von Borries: Jetzt wollen Sie vielleicht auch noch wissen, was in diesen Gedanken für eine zukünftige mögliche Verfassung so an Geschichten, an Erzählungen, an Perspektiven drinnen ist. Wir hatten allen Beteiligten eine einfache Grundfrage gestellt, nämlich: Schreibt doch bitte einen Artikel für diese zukünftige Verfassung! – Und wie das so ist, wenn man KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen darum bittet, schreiben nicht alle den klassischen Artikel: Wir haben Szenen aus Theaterstücken bekommen, wir haben Zukunftsbeschreibungen bekommen, wir haben auch tatsächlich ein paar sehr kurze, knackige Artikel bekommen. Sie alle drehen sich eigentlich um drei Grundfragestellungen. Die eine ist: Was ist überhaupt der Wirkungsraum einer Verfassung? Ist das noch Österreich, ist das noch ein Nationalstaat, ist es noch Europa – das haben wir ja vorhin auch gehört – oder ist es noch größer?
Die zweite Frage, um die sich eigentlich alles dreht, ist: Was sind eigentlich zeitgemäße demokratische Verfahren? Ist das Verfahren, das wir heute haben, die repräsentative Demokratie das einzige, was gut funktioniert, oder gäbe es noch andere Verfahren, die man ergänzend hinzuspielen, hinzufügen könnte?
Und die dritte, ganz wesentliche Frage: Wer wird eigentlich repräsentiert? Wir haben vorhin über Migration gesprochen: Wie werden MigrantInnen repräsentiert? Wie werden Kinder repräsentiert? Wie werden Tiere repräsentiert? Wir haben vorhin sogar über die Natur gesprochen: Wie wird eigentlich die Natur repräsentiert? Welche Rechte haben diese Institutionen, wenn wir sie so nennen wollen, in einer zukünftigen Verfassung?
Und jetzt hoffe ich, dass wir Sie sehr neugierig gemacht haben und kommen nun zu einem uns sehr wichtigen Teil, nämlich der Lesung. Der Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg, der eigentlich auch lesen wollte und auch einen Beitrag geschrieben hat, ist heute leider erkrankt, aber wir sind unheimlich froh, dass Philipp Hochmair und Miriam Fussenegger beide heute hier sind, um aus der Verfassung zu lesen. – Die Bühne ist jetzt eure, kommt herein. Zwei SchauspielerInnen, Sie kennen Sie hier als WienerInnen bestimmt, die mit Ihrer Stimme, mit Ihrer Sprache die Texte noch einmal anders, hoffe ich, zum Tragen, zum Leuchten und zum Sprechen bringen.
Stephan A. Jansen: Feiern Sie mit den beiden die neue Verfassung! (Beifall.)
Miriam Fussenegger (Schauspielerin): Paul Chaim Eisenberg, Friede mit anderen, mit der Welt und mit sich selbst:
Erstens zum Thema Militär und Verteidigung: So dumm bin nicht einmal ich, zu sagen, dass man kein Militär braucht, aber meine erste Forderung ist eine weltweite Abrüstung aller Staaten. Beispiel für Österreich: Statt neuer wertloser Abfangjäger Drohnen verwenden. Der Passus in der alten Verfassung, dass man den Luftraum schützen muss, gehört gestrichen – Drohnen genügen. Durch die EU ist ja ein Krieg in Mitteleuropa eher unwahrscheinlich, doch es ist schon einige Male passiert, dass Abfangjäger irrtümlich Passagierflugzeuge abgeschossen haben. Das dadurch ersparte Geld geht direkt in die Hungerhilfe, wobei die Verantwortlichen dort nichts in die eigene Tasche stecken dürfen, und natürlich ist es noch besser, ihnen zusätzlich technologisches Wissen beizubringen, damit sich die Bevölkerung in Hungerregionen selbst ernähren und versorgen kann. Bei Staatsbesuchen ist es vollkommen unnötig, Salutschüsse abzugeben oder Gardesoldaten aufmarschieren zu lassen, die dann von Feldwebeln angebellt werden, was sie mit ihren Karabinern tun sollen. Stattdessen sollten Kinder mit Blumen auftreten. Der Empfang mit militärischen Ehren ist in meinen Augen provokant, denn es gibt keine Ehren, die militärisch sind.
Zweitens, Konflikte und ihre Lösung: Wenn es doch Konflikte, vor allem territoriale Konflikte, gibt, muss bei der Friedensverhandlung nur wenig Rücksicht darauf genommen werden, welches Volk behauptet, dass es früher dort war als das andere. Es ist völlig egal, wer vor 100, 500 oder 1 000 Jahren dort lebte, entscheidend ist in erster Linie, wer dort heute lebt. Wobei es selbstverständlich auch eine gemischte Bevölkerung geben kann: Bratislava heißt auch Preßburg und Pozsony, was klarerweise bedeutet, dass es einmal in Ungar war, einmal in Österreich und jetzt Slowakei ist. Wenn sich die Länder einigen können, wo die Grenze ist, dann muss man nur Rücksicht auf die ansässige Minderheit nehmen mit Sprachunterricht und Ortsnamen. Ähnliches gilt für Nordslowenien beziehungsweise Südkärnten. Ein Ortstafelstreit ist verrückt. Und warum sollen nicht österreichische Kärntner noch eine nette Sprache wie Slowenisch lernen. Weiteres Beispiel: Südtirol. Bei jahrhundertelangen Konflikten wie zum Beispiel zwischen den Israelis und Palästinensern muss man besonders kreative Lösungen finden und tabulos nachdenken.
Drittens: Frieden. Stehsätze darf es nicht geben! Erster Stehsatz: Wir wollen Frieden, nur die anderen wollen nicht. Zweiter Stehsatz: Wir haben schon alles versucht, aber es hat nichts genützt. – Wer Frieden haben will, muss Taten setzen. Das gilt für alle!
Philipp Hochmair (Schauspieler): Cecily Corti, Die achtsame Parlamentssitzung: In aller Ungewissheit ist eines für mich gewiss: Die Qualität der Beziehung zu meinen Nächsten prägt die Qualität meines Lebens. In erster Linie bin ich dafür persönlich verantwortlich, aber die Qualität des allgemeinen gesellschaftlichen Miteinanders hat natürlich auch Auswirkungen auf unsere Verantwortung für Schönheit, Gerechtigkeit und Solidarität und letztlich auch für unsere Sensibilität für unsere Mitwelt. Demokratie in diesen Zeiten der enormen globalen klimatischen, digitalen und viralen Veränderungen erweitern und entwickeln zu können, ist nicht nur reizvoll, sondern unabdingbar. Auf dem Gebiet der Technologie, der Wissenschaft, der Wirtschaft hat die Menschheit in den letzten Jahrzehnten gewaltige Fortschritte erlebt.
Doch wie steht es um den Menschen selbst, was heißt es überhaupt, Mensch zu sein? – Jeder Politiker hat die Menschlichkeit in seinem Vortragsrepertoire. Solidarität mit den Ausgegrenzten, den Obdachlosen, den Flüchtlingen, den zu kurz Gekommenen, der finanzielle Aspekt mag dabei berücksichtigt werden, vielleicht wird auch einmal ein Flüchtlingsheim besucht oder bei einem Frühschoppen vorbeigeschaut, aber entsteht dadurch Mitmenschlichkeit?, wirkliches Fühlen mit der Mitwelt, auch mit der Natur, den Pflanzen, den Tieren? Entsteht der Raum für ein Zuhören, ein Hinhören, eine authentisch spürbare Anteilnahme für existentielle Not, für Einsamkeit, für Ohnmacht und Ausgegrenztheit? Debatten im Parlament sind für mich unerträglich geworden. Diese Atmosphäre der Aggression, des Gegeneinander, der Schuldzuweisungen, Worte der Niedertracht, um die Vertreter anderer Parteien zu disqualifizieren, sie prägen den politischen Alltag unserer parlamentarischen Vertreter.
Sind sich unsere gewählten Abgeordneten bewusst, wie sehr diese allgegenwärtige Feindseligkeit auf uns als Gesellschaft wirkt, wie die Qualität des allgemeinen gesellschaftlichen Miteinanders davon betroffen ist, wie unsere Verantwortung für Schönheit, Gerechtigkeit, Solidarität, auch unsere Sensibilität für unsere Mitwelt dadurch beschädigt wird? Welchen Wert hat die so oft zitierte Würde des Menschen, die unantastbar ist? Meine Vision einer weit entwickelten Demokratie für unser Land ist ein Parlament, in dem selbstverständlich gestritten werden darf, in dem aber auch unsere Abgeordneten verpflichtet sind, jegliche Wortwahl des Hasses, der Verunglimpfung, der Herabwürdigung, der persönlichen Verletzung zu vermeiden. Und da genügt keine Absichtserklärung, das muss geübt sein.
Jede parlamentarische Sitzung sollte mit 4 Minuten Stille beginnen, das bietet die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen, sich zu sammeln, eine Zäsur zu markieren zwischen dem Trubel des Alltags und der übernommenen Verantwortung, für das Wohl der Wähler zu debattieren und zu agieren. Daraus entsteht gelebte Verbundenheit mit den Menschen, und die Menschen spüren das. Ihre Vertreter im Parlament gewinnen an Glaubwürdigkeit, und das motiviert Eigenverantwortung und Engagement für ein größeres Ganzes. Wäre das nicht ein erwägenswerter Ansatz für eine Verfassung der Zukunft?
Miriam Fussenegger: Armen Avanessian: Ein Marktplatz in Hamburg, September 2020, eine Philosophin: Guten Tag, darf ich Sie kurz stören?
Philipp Hochmair: Ein älterer Herr: Hängt davon ab, worum es geht?
Miriam Fussenegger: Ich bin Philosophin und arbeite an einer empirischen Studie zu möglichen Änderungen des Wahlrechts in der Zukunft? Was ist Ihr Beruf?
Philipp Hochmair: Ich war bis vor Kurzem Beamter.
Miriam Fussenegger: Ah, interessant. Sie waren also Experte für das Staatswesen?!
Philipp Hochmair: Ja, wenn Sie so wollen, aber was wollen Sie denn von mir?
Miriam Fussenegger: Also, es geht um eine Initiative zum Wahlrecht für MigrantInnen auf lokaler Ebene, die hier Steuern zahlen, aber bisher kein Wahlrecht haben.
Philipp Hochmair: Ich fürchte, da sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Ich finde den Status quo ausreichend.
Miriam Fussenegger: Für wen?
Philipp Hochmair: Was meinen Sie?
Miriam Fussenegger: Die momentane Lösung ist ausreichend für wen?
Philipp Hochmair: Nur damit eines klar ist: Mich stört es nicht, wenn jemand, der seit Jahrzehnten Steuern zahlt, auch Staatsbürger wird, aber bis dahin muss er oder sie doch auch nicht wählen.
Miriam Fussenegger: Ja, aber warum denn nicht?
Philipp Hochmair: Ja, Sie sind doch Philosophin. Mir sagt das der gesunde Menschenverstand.
Miriam Fussenegger: Aber Sie haben doch sicher ein Argument dafür als ehemaliger Beamter!
Philipp Hochmair: Wollen Sie mich jetzt auf den Arm nehmen?
Miriam Fussenegger: Nein, überhaupt nicht.
Philipp Hochmair: Es ist doch logisch, dass die Zeit, die jemand in einem Land verbracht hat, Auswirkungen darauf haben muss, was für ein politisches Gewicht er hat oder was Stellenwert im Gemeinwesen ist.
Miriam Fussenegger: Gut. Also: Wenn eine Marokkanerin seit 30 Jahren in Deutschland wohnt und mein kleiner Halbbruder zum Beispiel erst 20 Jahre alt ist, warum darf er dann wählen, wenn Zeit so ein Kriterium ist?
Philipp Hochmair: Also, das erinnert mich jetzt an den Schulunterricht früher, die Haarspalterei von Philosophen, Sophisterei nennt man das, glaube ich.
Miriam Fussenegger: Ja, aber warum denn? Das ist eine ganz ernsthafte Frage.
Philipp Hochmair: Denken doch auch Sie einmal nach, statt nur in alle Richtungen draufloszufragen! Für so etwas habe ich jetzt wirklich keine Zeit.
Miriam Fussenegger: Aber warum ärgern Sie sich denn?
Philipp Hochmair: Wenn Sie sich so absichtlich begriffsstutzig stellen! Junger Halbbruder hat doch sein ganzes Leben noch vor sich, der sollte doppelt und dreifach wählen dürfen, nicht wir alten Säcke. Oder wollen Sie ihm das auch noch verbieten um Ihrer geliebten Marokkanerin willen?
Miriam Fussenegger: Ja, aber gar nicht, da müssen Sie mich missverstanden haben.
Philipp Hochmair: Na, ich hoffe, Ihre Philosophenkollegen verstehen Sie besser.
Miriam Fussenegger: Ja, aber Missverständnisse sind auch oft produktiv.
Philipp Hochmair: Na, die Hoffnung stirbt zuletzt!
Miriam Fussenegger: Aber wahrscheinlich hab auch ich Sie missverstanden.
Philipp Hochmair: Wie dem auch sei.
Miriam Fussenegger: Dabei hatten Sie eine interessante Idee.
Philipp Hochmair: Ich weiß nicht, ob ich mich geehrt fühlen soll oder die Flucht ergreifen.
Miriam Fussenegger: Ja, aber Ihre Idee ist extrem weitreichend.
Philipp Hochmair: Welche Idee?
Miriam Fussenegger: Na, dass wir zeitliche Aspekte mitberechnen müssen.
Philipp Hochmair: Ja, natürlich. Fragen des Politischen und des Staatsbürgerlichen kann man nicht einfach so abstrakt diskutieren.
Miriam Fussenegger: Also, dass jemand noch 20 oder 30 oder 50 Jahre in Hamburg leben wird und jemand anderer statistisch gesehen nur mehr 10, das sollte auf das Gewicht der jeweiligen Stimmen eine Auswirkung haben.
Philipp Hochmair: Das wollen Sie von mir gehört haben?
Miriam Fussenegger: Ja, eigentlich schon.
Philipp Hochmair: Das würde doch zu einem wahlrechtlichen Sodom und Gomorra führen!
Miriam Fussenegger: Zum Beispiel könnten Familien mit zwei jungen Kindern zwei Extrastimmen bekommen, weil Sie - -
Philipp Hochmair: Jetzt drehen Sie völlig durch.
Miriam Fussenegger: Ja, aber das wäre doch ganz naheliegend, denn die Zukunft, über die bei Wahlen entschieden wird, die betrifft verstärkt solche jungen Familien und speziell die Kinder, aber stattdessen wählen Menschen, die ihrem Wahlverhalten zufolge – überspitzt formuliert – schon lange mit der Zukunft abgeschlossen haben.
Philipp Hochmair: Ich kann Ihnen nicht mehr folgen.
Miriam Fussenegger: Ich spinne Ihren Gedanken doch nur weiter.
Philipp Hochmair: Mit Verlaub, Sie spinnen!
Miriam Fussenegger: Nein, wirklich. Sie hatten da eine grandiose Idee.
Philipp Hochmair: Mir reicht’s, ich muss weiter.
Miriam Fussenegger: Kann ich bitte noch Ihren Namen und Ihre Anschrift haben.
Philipp Hochmair: Das wird ja immer bunter, sicher nicht!
Miriam Fussenegger: Aber ich möchte Sie doch ordentlich zitieren.
Philipp Hochmair: Hören Sie auf mit diesem Unsinn! Als Nächstes höre ich noch von Ihnen, dass - -
Miriam Fussenegger: Ab hier ist die Aufnahme unverständlich.
Peter Kirchschläger, Menschenwürde und Menschenrechte aller Menschen als Kernprinzipien: Die österreichische Bundesverfassung enthält keine die Menschenwürde ausdrücklich schützende grundrechtliche Bestimmung. Das Prinzip der Menschenwürde kann aber über den Weg der Verfassungsinterpretation im Spannungsfeld der Positivität und Präpositivität der Auslegung und Rechtsfortbildung als für Österreich absolutes und unabänderliches Grundrecht verstanden werden. Dieses Verständnis des Prinzips der Menschenwürde basiert auf geschriebenen und ungeschriebenen Verfassungsnormen und Verfassungsprinzipien, aus denen sich dieses Prinzip als jeweiliger Teil des Ganzen oder als dessen Kern darstellen lässt und auf entsprechender höchstgerichtlicher Rechtsprechung.
Die Menschenwürde und die Menschenwürde aller Menschen sollten als Kernprinzipien der Verfassung gestärkt und hervorgehoben werden, gerade in Zeiten, in denen teilweise und in gefährlichem Ausmaß die Verfolgung und wirtschaftlichen Eigeninteressen Gefahr läuft aus den Augen zu verlieren, dass Menschenwürde und Menschenrechte nicht etwas darstellen, das nur einem Teil von Menschen, also zum Beispiel nur ÖsterreicherInnen zukommt, sondern dass alle Menschen überall und immer bedingungslos TrägerInnen von Menschenrechten und Menschenwürde sind, also auch unter anderem Menschen in Flucht und in Migration, Menschen, die irgendwo auf der Welt zur für technologiebasierte Innovationen notwendigen Wertschöpfungskette beitragen. Dies lässt sich ethisch auf der Basis des Prinzips der Verletzbarkeit begründen. Dies bedeutet, dass Österreich und alle anderen Staaten sowie nichtstaatliche AkteurInnen wie Konzerne, Unternehmen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften dazu verpflichtet sind, die Menschenwürde aller Menschen zu achten und die Menschenrechte aller Menschen zu respektieren, zu schützen, durchzusetzen und zu ihrer Realisierung beizutragen.
Nachhaltigkeit als öffnendes Prinzip: Das Prinzip der Nachhaltigkeit braucht den Schutz der Verfassung, damit die Erde der Umwelt- und Klimaschutz sowie die Anliegen zukünftiger Generationen die Verbindlichkeit genießen und die Beachtung bekommen, die ihnen aufgrund ihrer Bedeutung und ihrer Dringlichkeit zukommen sollten. Das Prinzip der Nachhaltigkeit öffnet den Horizont von den Menschen hin zur gesamten Schöpfung, hin zu den zukünftigen Generationen und hin zu einem ganzheitlichen Verständnis, in dem ökologische, ökonomische und soziale Perspektiven zusammengedacht werden.
Philipp Hochmair: Sebastian Cleemann und Christoph Bornschein, Recht auf digitale Teilhabe: Die Republik bekennt sich dazu, die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Dafür wird die Sicherung digitaler Teilhabe als wesentliche Grundvoraussetzung erkannt und angestrebt und Länder und Gemeinden verpflichten sich dem konsequenten Abbau technologischer, wirtschaftlicher und sozialer Eintrittsbarrieren.
Kommentar: In einer von Technologie durchdrungenen und geprägten Gesellschaft ist die digitale Teilhabe eine Vorbedingung für die Wahrnehmung wesentlicher Grundreche. Beispielhaft sind etwa die Rechte auf Bildung, auf die freie Wahl des Berufs, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und die Teilnahme an öffentlichem Diskurs, Wirtschaft und Gesellschaft, die sich ausprägende Digital Divide, also die digitale Kluft zwischen Arm und Jung, Alt und Reich, Land und Stadt, berührt das Selbstverständnis der modernen Demokratie. Die staatliche Verantwortung für diese barrierefreie Teilhabe zu erkennen, anzunehmen, ist eine wesentliche Voraussetzung für die Sicherung des sozialen Friedens, des Wohlstandes und des internationalen Wettbewerbs.
Miriam Fussenegger: Jasmin Duregger, Kooperierende Weltgemeinschaft: Was ist eine Verfassung? – Sie erklärt die Fiktion eines Landes und dessen Grenzen zum Recht. Sie gibt Nationen mit Flaggen, Sprache und Verträgen ihre Identität. Sie will umfassend wirken, doch gibt nur dem Volk das Versprechen auf Recht. Eine Verfassung, die nur einen ins Zentrum stellt: den Menschen. Dieser Egoismus spiegelt sich auch in anderen Disziplinen wider. So findet wir den Menschen in der Ökonomie als Homo oeconomicus, der auf grenzenlose Ressourcen zurückgreift, die nie zu versiegen scheinen. Dabei fehlt die Einsicht, dass alles miteinander verbunden und untrennbar verknüpft ist, dass der Mensch nicht über der Umwelt steht, sondern Teil von ihr ist, mehr noch: ohne sie nicht leben kann. Das nur, weil man an eine Grenze glaubt, die nicht Realität wird.
In Zeiten der Klimakrise wird es immer deutlicher, dass unsere Gedankengerüste unbrauchbar geworden sind, denn die Natur hält sich nicht an die menschlichen Ordnungen, Emissionen machen nicht an Grenzen halt und Krankheiten reisen ohne Visa. Eine neue Verfassung muss komplexes Denken zulassen, ja sogar fördern. Statt einzuengen: neue Räume öffnen. Für Kooperation Platz schaffen und nicht auf sture Konzepte zurückgreifen. Die Klimakrise lässt sich weder mit Business as usual noch mit Thinking as usual bekämpfen. Wir müssen uns als Teil unserer Umwelt verstehen und als Teil einer Weltgemeinschaft, die kooperiert statt Ellbogen ausfährt. Nur so wird es uns möglich sein, in ein neues, nachhaltiges Zeitalter aufzubrechen.
Philipp Hochmair: Jesko Fezer, Räterepublik mit saisonal wechselnden Flaggenfarben: Ich würde vorschlagen, zwei Artikel der österreichischen Bundesverfassung zu aktualisieren: Erstens: Österreich ist eine demokratische Räterepublik. Ihr Recht geht vom Volks aus. – Anmerkung: Dies würde bedeuten, alle folgenden Artikel der Verfassung werden in Bezug auf diese historisch verworfene, direktdemokratische, lokal organisierte und imperative Demokratieform hin überdacht. Die im Rätesystem verankerte Bindung politischer Willensbildung könnte als Verdichtung der zyklisch repräsentativen Demokratie neue radikaldemokratische Dynamiken eröffnen. Falls die Umsetzung dieser Änderung zu viel Zeit in Anspruch nimmt oder ins Stocken gerät, sollte, zur Berücksichtigung, also zur Überbrückung dieser Phrase schon einmal schnell Artikel8a angepasst werden. Dies wäre zwar mit gewissen wiederkehrenden Kosten für neue Flaggen, Wappen, Websites, Uniformen und Briefpapiere und gewissem Abstimmungsaufwand verbunden, aber wirkt demokratisch erfrischend und stärkt – siehe wiederkehrende Kosten – die Kreativindustrie. So würde jede Saison, Frühjahr und Herbst, an die Einführung der Räterepublik erinnert. Artikel 8a: Die Farben der Republik Österreich sind egal. Die Farben bestehen aus drei gleich breiten waagrechten Streifen, die jede Saison eine neue beliebige Farbe annehmen können.
Miriam Fussenegger: Dirk Baecker, Distanz: Jeder hat eine moralfreie Position.
Philipp Hochmair: Dirk Baecker, Distanz: Jeder hat eine moralfreie Position. Ich wiederhole: Jeder hat eine moralfreie Position.
Carola Rackete, Die Rechte der Natur: Die Neuverfassung beendet die Trennung von Mensch und Natur, denn die Idee, dass der Mensch nicht Teil nicht der Natur ist und ihr überlegen sei, sie ausbeuten und ganze Ökosysteme vernichten darf, führt die Menschheit in ein Zeitalter des ökologischen Zusammenbruchs. Das Gleichgewicht des Erdklimasystems ist durch die Treibhausgasemissionen aus den Fugen geraten, mit katastrophalen Folgen für die Weltbevölkerung, von denen schon im Jahre 2050 gut ein Viertel nicht ausreichend Wasser haben wird, 90 Prozent der Fischpopulationen sind bereits jetzt schon am Limit befischt, die Fruchtbarkeit der Böden und die Populationen der Insekten sinken überall rapide durch die chemischen Dünger der industriellen Landwirtschaft. Um diese Zerstörung zu beenden, muss die neue Verfassung ökozentrisch sein, um diese Zerstörung zu beenden, muss eine neue Verfassung ökozentrisch sein. Wir beuten das Land aus, weil wir es als eine Ware betrachten, die uns gehört. Wenn wir stattdessen das Land als eine Gemeinschaft ansehen würden, zu der wir gehören, könnten wir beginnen, es mit Liebe und Respekt zu nutzen. – So formulierte es der amerikanische Ökologe Aldo Leopold schon vor 100 Jahren. Und die indigenen Bevölkerungsgruppen rund um den Globus, die Maori in Neuseeland oder die Quechua in den Anden, sie alle teilen die Auffassung, dass wir Menschen ein Teil einer großen Erdgemeinschaft sind. Und auch die wesentlichen Wissenschaften lernen immer mehr über die Intelligenz und das Bewusstsein der Tiere, ihre Bedürfnisse nicht nur nach Natur und Wasser, sondern nach einem ausreichend großen Lebensraum und Kontakt zu ihren Artgenossen. Je mehr über die Sozialisation der Elefanten oder die Kommunikation der Wale und das Bewusstsein von wirbellosen Tieren lernen, desto mehr erkennen wir, dass es eine sehr viel größere Gemeinsamkeit mit unseren nichtmenschlichen Verwandten gibt.
Ein Fliegenpilz wird aber in dieser Verfassung nicht etwa Menschenrechte haben, sondern Fliegenpilzrechte, denn je mehr wir die Komplexität des Lebensnetzes der Natur erforschen, desto mehr verstehen wir auch, dass auch der kleinste Pilz in unserem Ökosystem notwendig ist für die Nährstoffaufnahme der vaskulären Pflanzen, die auch uns Sauerstoff und Nahrung spenden. Doch die vielfältigsten Arten unseres lebenden Planeten erhalten ihren Wert nicht aus der Nutzung der Menschheit, sie erhalten ihren Wert durch ihr Sein. So hat die Menschheit gegenüber ihren Verwandten von nichtmenschlicher Natur nicht nur Rechte, sondern auch Verpflichtungen und muss sich in der Verfassung dem Schutz der Arten, dem Erhalt der biologisch-chemischen Prozesse der Ökosysteme und der Renaturierung industriell ausgebeuteter Landschaften und Meere verpflichten und so auf der Erde ein Gleichgewicht erhalten. So wird diese neue Verfassung ihren Fokus nicht darauf legen, was uns Erdbewohner trennt, sondern darauf, was uns verbindet. Daher wird neben dem Menschen auch die nichtmenschliche Natur in Zukunft ihre Rechte haben, die Erde in ihrer Gesamtheit, die Ökosysteme, die Arten und die vielen individuellen Wesen.
Ilija Trojanow, Allmende: Prämisse: Die Verfassung ist nicht in Stein gemeißelt, sondern ein organisches Werk, das in einem liberativen Prozess, an dem alle gesellschaftlichen Gruppen beteiligt sind, regelmäßig kritisch evaluiert und an die Bedürfnisse der Zeit und der Menschen angepasst wird. Sie ist weder Denkmal, noch heiligen Schrift. Allmende, das ist sozusagen die Dorfwiese, die eigentlich jeder nutzen darf, das Allgemeingut, alles, was der Mensch nicht geschaffen hat, darf nicht Privatbesitz sein: Wasser und Luft, Boden und Bodenschätze sind Gemeingut – Eigentum der Gesellschaft, zur Nutzung freigegeben nach einem demokratisch gesteuerten Prozess der Überprüfung, ob diese Nutzung ökologisch und sozial verträglich ist. Alles, was zum Wohl der globalen Gemeinschaft unablässig ist, ist Allmende.
Gesundheit: Die medizinische Grundversorgung ist das Recht jedes Menschen auf Erden und hochrangige Aufgabe aller gesellschaftlicher Aktivität. Sollte es aufgrund lokaler Engpässe, regionaler Umentwicklung oder katastrophaler Ereignisse nicht gewährleistet sein, ist es die Pflicht aller anderen Regionen, die betroffenen Menschen bedingungslos zu unterstützen.
Miriam Fussenegger: Zum Abschluss: Paulus Hochgatterer, Allerlei Nebenrechte: Eigentlich müsste man, wenn von Kinderrechten die Rede sein soll, mit dem dezidierten Mut zur Unoriginalität wieder einmal über Janusz Korczak reden, genauer über seine zentrale Forderung nach drei Grundrechten für Kinder: Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag. Das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist. Das Recht des Kindes auf den eigenen Tod. Manche Menschen meiner Generation kennen das noch. Über Janusz Korczak zu reden hieße daher, abgesehen vom Umstand, dass er im August 1942 gemeinsam mit den 200 jüdischen Kindern seines Waisenhauses in Treblinka vergast wurde, auch über Letzteres, das Recht des Kindes auf den eigenen Tod, reden zu müssen. Wer will freilich schon den Tod als Thema?
Es ist einfacher, nicht über diese großen, gewichtigen Dinge zu reden: Freiheit, Würde und Tod. Die Rede darüber ist zwangsläufig immer mit jener Art von Pathos verknüpft, die ganz stark Ohnmacht und Kapitulation in sich trägt, und wer möchte schon kapitulieren? Ich möchte daher im Zusammenhang mit Kinderrechten nicht über Grundrechte reden, sondern über kleiner Dinge, die handlich und überschaubar sind, über Nebenrechte, um einen juristischen Terminus zu verwenden. Ich möchte das mithilfe einer kleinen empirischen Untersuchung tun, die ich unlängst durchgeführt habe.
Wie andere Geschichtenerzähler bin ich kein besonders begabter Empiriker, habe daher relativ wahllos die Menschen meiner Umgebung befragt, welche Rechte man ihrer Meinung nach Kindern heutzutage einräumen solle. Am Ende waren es gut 30 Personen, geschlechtermäßig halbwegs ausgewogen und über alle Altersgruppen verteilt. Die Aufgabe im Wortlaut: Nennen Sie ein bis drei Rechte, die man Kindern Ihrer Ansicht nach heutzutage einräumen sollte? – Die Antworten, aufgelistet nach ihrem Einlangen: das Recht auf Erlebnisse, das Recht auf Abwechslung, das Recht auf Bildung, das Recht auf gute Lehrer, das Recht auf Bewegung, das Recht auf intakte Natur, das Recht auf Wiederholung, das Recht auf Langeweile, das Recht auf normales Cola, das Recht auf ungesunde Schuljause, das Recht auf die 280-Gramm-Tafel Suchard-Schokolade, das Recht auf die eigene Handschrift, das Recht auf die eigene Erfahrung, das Recht auf Leistungsverweigerung, das Recht auf Maskenverweigerung, überhaupt das Recht auf Verweigerung, das Recht auf aufgeschlagene Knie, das Recht auf den Fahrradsturz, das Recht auf eine helmfreie Zone, das Recht auf Germany‘s Next Topmodel, das Recht auf Netflix-Serien, das Recht auf Faulheit, das Recht auf blöde Fragen, das Recht auf sehr blöde Fragen, das Recht auf Krankheit, das Recht auf Schwäche, das Recht auf die Masernimpfung, das Recht auf Schmutz, das Recht auf den Zornanfall, das Recht auf den Irrtum, das Recht auf montessorifreien Unterricht, das Recht auf eine smartphonefreie Zeit, das Recht auf Freunde, das Recht auf schlechte Gesellschaft, das Recht auf Schadenfreude, das Recht auf den Schmerz, das Recht auf ein Moped, das Recht auf den Führerschein, den Computer, auf Computerspiele, das Recht auf ein Piercing, das Recht auf ein Tattoo – ich glaube, die Betonung lag hier jeweils auf ein –, das Recht auf Traurigkeit, das Recht auf Rechtschreibfehler, das Recht auf Schlagzeuglernen, das Recht auf Horrorfilme, das Recht auf einen elternfreien Tag, das Recht auf einen geschwisterfreien Tag, das Recht aufs Nichtstun, das Recht aufs Vergessen, das Recht auf Spongebob, das Recht auf Bernd das Brot, das Recht auf die Fernbedienung, das Recht auf Fortnite. – Schluss mit fragwürdiger Empirie.
Die zahlenmäßige Auswertung der Nennungen hat, man ahnt es, nichts Brauchbares ergeben. Natürlich mag man einwenden, die Sache bildete neben meinem Widerstand gegen die Wissenschaft in erster Linie ab, mit welchen Leuten ich Umgang pflege. Dennoch fällt auf, dass bei persönlicher Befragung der Menschen die kleinen Dinge, die handlich sind und überschaubar, in den Vordergrund treten, die Nebenrechte, wenn man so möchte. Und es erhebt sich der Verdacht, dass es sich mit ihnen genauso verhält wie mit der Frage nach der Wahl der zielführenden Route zum Kind, geradeso wie im Umgang mit Kindern und Jugendlichen früher oder später der Eindruck entsteht, dass die Via Regia, also jener Weg, der zu den wirklich wichtigen Dingen führt, immer der Umweg ist, könnte man vermuten, dass die Rede von den Nebenrechten nichts anderes ist als der Diskurs über Grundrechte, denen die Schwere genommen wurde. – Ah, über Grundrechte wollte ich ja nicht sprechen.
Wenn man übrigens mich selbst gefragt hätte, wären mir zur eben angeführten Liste noch zwei Nebenrechte eingefallen. – Erstens: Das Recht auf Gelassenheit. Warum ständig diese Aufregung, wenn es um Kinder und Jugendliche geht? Warum diese unkorrigierbare Affinität zur Apokalypse? Warum blickt man lieber der herbeiimaginierten Katastrophe ins Auge als dem Umstand, dass die Dinge in Wahrheit alle viel besser geworden sind?
Der Philosoph Peter Sloterdijk beschreibt in seiner Schrift „Stress und Freiheit“, die zwar nur 60 Seiten umfasst, die Lektüre aber trotzdem lohnt, die erregte gemeinsame Besorgnis in hochindividualisierten Gesellschaften als ein Medium des sozialen Zusammenhalts. Nach meiner Auffassung sind die politischen Großkörper, die wir Gesellschaften nennen, in erster Linie als selbststressierende, permanent nach vorne stürzende Sorgensysteme zu begreifen. Diese haben Bestand nur in dem Maß, wie es ihnen gelingt, durch den Wechsel der Tages- und Jahresthemen ihren spezifischen Unruhetonus zu wahren. Aus dieser Sicht ist eine Nation ein Kollektiv, dem es gelingt, gemeinsam Unruhe zu bewahren. Das ist als Antwort auf die Frage nach der Ursache der Aufregung interessant, abgesehen vom Umstand, dass Kinder und Jugendliche immer schon ein tonisierendes Thema waren, ja, dass die Klage über die gegenwärtige und im Vergleich zu früher hoffnungslos verkommene Jugend seit Jahrtausenden zum festen Stresserhaltungsinventar aller Kulturkritik zu gehören scheint.
Erstens also das Recht auf Gelassenheit, zweitens: Das Recht auf das Geheimnis. In ihrer wunderbaren und ebenfalls nur 60 Seiten umfassenden Schrift: Wir verschwinden: Der Mensch im digitalen Zeitalter., statt uns die deutsche Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel als Teile einer Welt dar, in der alles transparent und kontrollierbar zu sein scheint. Sind wir nicht Teil einer Maschine, die denken durch rechnen ersetzt, Zwiespalt durch Zweifelsfreiheit und Aufklärung durch totale Transparenz? Wir können alles beobachten, was die anderen tun, und alles, was wir tun, ist für jeden sichtbar – nur uns selbst verlieren wir dabei aus dem Blick. Was haben wir lieber? – Kinder, die in vorgestanzte Bildungsstandards passen oder Kinder, die nachdenken? Jugendliche, die uns in Zweifel ziehen oder Jugendliche, die brav den Brei in sich hineinlöffeln, den wir ihnen vorgekaut haben? Was haben wir lieber? – Den freien Zugang zum aufgeräumten und frisch gesaugten Kinderzimmer oder die Tür, die uns vor der Nase zugeknallt wird, eine Sekunde, nachdem wir auf dem Bildschirm des Sprosses etwas gesehen haben, was wir besser nicht gesehen hätten.
Miriam Meckel noch einmal: Wir brauchen Momente des Unbeobachtetseins, der Unsichtbarkeit, um mit uns selbst und anderen Menschen aushandeln zu können, wie wir sichtbar sein wollen und was von uns sichtbar sein soll. Kinder haben ein Recht auf Dinge, die unsichtbar sind, die im Dunkeln bleiben. Kinder haben ein Recht auf das Geheimnis. Speziell die Psychoprofis, die das Aufdecken im Programm haben, sollten sich das regelmäßig vor Augen führen, denke ich.
Der literarische Ausgangspunkt von Miriam Meckels Text – und das macht ihn für mich persönlich besonders sympathisch – ist übrigens Ottfried Preußlers Kinderbuch „Das kleine Gespenst“, jene Geschichte, in der sich ein kleines Nachtgespenst aus Neugier dem Tageslicht, also dem permanenten Beleuchtetsein aussetzt und am Schluss reumütig wieder dorthin zurückkehrt, wo nicht alles transparent ist und bestenfalls der Mond und die Eule die Geheimnisse kennen, die es in sich trägt, das kleine Gespenst.
Am Schluss bin ich bei einer Geschichte gelandet, das ist für einen Geschichtenerzähler nicht verwunderlich, erstens, und führt uns zweitens wieder dorthin, wovon ich eigentlich wegwollte: zu den Grundrechten. Genauer, es führt uns zu jenem Grundrecht, das zugleich das existentielle Fundament des Erzählers darstellt: zum Recht auf Geschichten – Geschichten und Geschichte –, Geschichte, die ja in Wahrheit immer aus Geschichten besteht, das Recht auf Geschichte also. Manchen Kindern wird es genommen, auch heute noch – davon wäre freilich gesondert zu reden. (Beifall.)
Michael Kerbler: Vielen Dank für diese Anregungen für eine neue Verfassung. Ich ergänze sozusagen meine eigenen Wünsche: Ich würde mir Würde wünschen in unserer Verfassung. Das gibt es nämlich 18 Mal, 17 Mal im Konjunktiv und einmal im Artikel über die Ordensverleihung. Auch die Menschenwürde kommt nicht vor in unserer Kelsenʼschen Verfassung. Da haben wir also noch Adaptionsbedarf, und wenn Sie so wollen, auch das Recht auf Leben hätte ich expressis verbis gerne in der österreichischen Verfassung, das ist nämlich zwar Europäische Menschenrechtskonvention, die ist Teil unserer Verfassung, aber in der Ursprungsverfassung fehlt sie mir, außer man sagt, wie mir ein Jurist erzählt hat: Steht eh drinnen – invers –: Die Todesstrafe ist abgeschafft! – Das ist mir zu wenig.
In unserer Verfassung unterscheiden wir klar zwischen den mehrfach angesprochenen Grundrechten und den Menschenrechten. Grundrechte sind zuallererst einmal im Sinne eines liberalen Vorverständnisses sogenannte Abwehrrechte. Was bedeutet das? – Nun, sie garantieren uns allen einen geschützten Freiraum, in dem Gesetzgebung wie Vollziehung nur unter ganz besonderen, definierten Voraussetzungen eingreifen dürfen – es geht um unsere Freiheit, um unsere Selbstbestimmung, um die Freiheit zur Selbstbestimmung. Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, so hat mir das einmal der Verfassungsexperte Prof. Hannes Tretter vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte erklärt, ist das eigentliche Herz des österreichischen Grundrechtsbestands.
Passagen, wenn er wiederkommt, der Philipp Hochmair, aus dem Bundesverfassungsgesetz und aus der Genfer Flüchtlingskonvention, das wollten wir jetzt von Philipp Hochmair hören, vielleicht kommt er wieder, wenn nicht, dann würde ich sagen, wir führen das als Ergänzung, als wichtiges P. S. hinten wieder ein.
Ich steige jetzt gleich mit meinen zwei Gästen in die Diskussion ein, nämlich Jakob Brossmann, dem Filmemacher von „Lampedusa im Winter“ – herzlich willkommen! (Beifall) –, und Luna Al-Mousli, sie arbeitet als selbstständige Autorin, Grafikdesignerin und Illustratorin in Wien. – Herzlich willkommen! (Beifall.)
Ja, wir wollen über Verfassung und Menschenrechte, über Herausforderungen diskutieren, und ich möchte mit Ihrer Hilfe gerne ausloten, wo es Handlungsbedarf gibt, wo etwas zu ändern ist, und wir haben den großen Vorteil, nicht Juristen zu sein, sondern vielleicht einmal aus dem eigenen Erfahrungsschatz, aus Dokumentarfilmererfahrung einmal abzugleichen, was da Verfassung vielleicht gar nicht einmal zu leisten vermag, weil vielleicht juristische Formulierungen zu kurz greifen.
Weil Ferdinand von Schirach heute angesprochen worden ist: Er hat mir etwas sehr Interessantes in einer wirklich spannenden Diskussion in Berlin gesagt: Ich möge doch erwarten, dass das Recht für Gerechtigkeit sorgt – ich hoffe, ich zitiere ihn jetzt genau –; das Recht ist dazu da, Rechtssicherheit zu geben, so wie das Wahlrecht im Parlamentarismus auch nicht für besten oder weisesten der weisen Abgeordneten sorgt, sondern das Wahlrecht hat einmal grundsätzlich die Voraussetzung zu erfüllen, dass einmal Gewählte ohne Widerstand unblutig – fast eine Popperʼsche Formulierung – wieder abgewählt werden können. Also, wir wollen nicht in das Gespräch gehen, um die Verfassung so zu überfrachten mit Erwartungen: Was kann sie tun? Es ist die Utopie angesprochen worden, es ist auch Gott sei Dank die Generationengerechtigkeit angesprochen worden, die zwei Stichworte als Ausgangsbasis.
Aus Ihrer eigenen Erfahrung, Sie sind zwar in Österreich geboren, haben aber sehr lange in Syrien gelebt, würde mich interessieren, was Sie, hätten Sie die Möglichkeit dazu, so einen neuen Verfassungsartikel für die nächste Verfassung zu schreiben: Welcher dieser Aspekte gehört unbedingt geändert?
Luna Al-Mousli (Autorin, Grafik-Designerin und Illustratorin): Das ist echt eine schwierige Frage, weil ich glaube, ich wüsste nicht, wo ich anfangen müsste, wenn es um Österreich geht, aber ich glaube, egal wo: Hauptsache anfangen. Ich habe das Gefühl, egal, ob es um Bildungspolitik geht oder um Asylpolitik oder um Arbeitsrecht geht, ich glaube einfach, wir sind in Österreich tatsächlich nicht gleich. Ich bin hier zur Schule gegangen, mit 14 nach Österreich gekommen, ich konnte schon ein bisschen Deutsch, aber auch nicht so gut Deutsch wie die anderen Kinder in der Klasse, und alleine schon durch meinen Nachnamen war das für mich schon auch anders. – Bildung war für uns nicht gleich, Schule war für uns nicht gleich. Meine Eltern mussten doppelt so viel auf die Seite legen, damit ich - - Also Skifahren war ich eh nie, weil es zu teuer war, aber der Zugang ist einfach nicht gleich. Und ich glaube, damit jeder und jede in Österreich die gleichen Möglichkeiten auf Bildung hat, müsste man das Bildungssystem so ändern, dass alles leistbar ist – für jeden. Das ist jetzt nur irgendwo ein Anfang.
Jakob Brossmann (Bühnenbildner und Filmemacher): Ja, wir haben jetzt die besondere Aufgabe nach den großen, utopischen, schönen Perspektiven die bittere Gegenwart auch noch einmal anzuschauen. Bei allem Patriotismus unserer Verfassung gegenüber, wäre es schon einmal toll, wenn sie eingehalten würde, als erster Schritt, aber selbst dann ist noch ganz viel Luft nach oben.
Michael Kerbler: Wo wird sie denn nicht eingehalten?
Jakob Brossmann: Es gibt Push-backs an den Außengrenzen Europas, es gibt aber auch Push-backs innerhalb Europas, und da ist von der Würde noch gar nicht gesprochen.
Michael Kerbler: Nur ein halber Erklärsatz: Push-backs – die Zurückweisung, die Abweisung, die Abschiebung, nicht einmal die im Vorschriftenkatalog, nämlich die Faktenaufnahme durch die Exekutive, die dann dazu führt, dass kaskadenartig Menschen, die wieder zurück – zum Beispiel nach Slowenien – abgeschoben werden, sich plötzlich wiederfinden im tiefsten Süden des Balkans, weil sie durch zwei oder drei Staaten abgeschoben worden sind.
Jakob Brossmann: Ich habe viel Zeit auf Lampedusa verbracht in meiner Arbeit, und ich bin damals unter der Annahme nach Lampedusa gereist, dass das ja unglaublich tragisch ist und dass man im Meer helfen muss und dass man auch Lampedusa leben kann, mit welcher Menschlichkeit man den Ankommenden und Hilfesuchenden begegnen kann, und dort habe ich durch viele Gespräche mit Menschen aus Lampedusa begriffen, dass das kein Naturgesetz ist, dass Menschen auf diesem Boden das Mittelmeer überqueren müssen. Tatsächlich gäbe es ja sichere Fluchtrouten, aber sie werden legislativ geschlossen, sie werden legislativ verhindert eben auch durch Auslegungen unserer Verfassung oder unserer Verfassungen – und das ist ein Hohn, denn das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht, das ist Teil der Menschenrechtskonvention. Um dieses Recht überhaupt in Anspruch nehmen zu können, muss man sein eigenes Leben in Gefahr bringen, und selbst das wird in diesen Fällen der Push-backs nicht gewährt. In dem Moment, wo die Menschen aus einem sinkenden Boot an Land kommen oder auf ein anderes Boot kommen, werden sie zurückgeschoben. Sie sagen: Ich bitte um Asyl. – Nein! Und da sprechen wir noch gar nicht von Kooperationen mit der libyschen Küstenwache.
Michael Kerbler: Diese Push-backs - - Es gibt ein Schwarzbuch, das im Sommer erschienen ist, wo 15 000 Push-backs dokumentiert sind, die in der EU, in den Staaten der EU geschehen sind, darunter auch Österreich. Die Frage ist nur: Wie soll die nächste Verfassung ausschauen, dass das nicht mehr passiert?
Jakob Brossmann: Das Recht auf eine sichere Reise wäre einfach ein wunderbarer erster Schritt.
Michael Kerbler: Sie haben die Menschenrechtskonvention angesprochen, die ist ja auch schon etwas jünger als die österreichische Verfassung, und man muss sowohl die österreichische Verfassung als auch die Konvention - -, die kann man nicht aus dem geschichtlichen Umfeld lösen. Würden Sie eine andere Priorisierung in der Menschenrechtskonvention für notwendig erachten, weil sich die Dinge geändert haben, weil die Konvention unter dem Eindruck nach dem Zweiten Weltkrieg, unter dem Eindruck von Verfolgung, Flucht, Ermordung, Holocaust geschrieben worden ist, würden Sie hier auch eine andere Reihung, was die Wichtigkeit angeht, vornehmen?
Jakob Brossmann: Da wäre jetzt der Herr Patzelt sehr hilfreich, der leider ausgefallen ist. Ich habe bei meinem Studium der Menschenrechte ganz oft das Gefühl, dass da unglaubliche Konflikte auftreten, gerade wenn wir jetzt in die Zukunft schauen und Klimakatastrophen immer mehr Fluchtbewegungen auslösen werden. Weil das Recht auf Nahrung ist, glaube ich, im Artikel 24, also relativ weit unten, wohingegen das Recht auf Eigentum im Artikel 17 ja durchaus in der Art und Weise wie es ausgelegt wird, mitverantwortlich ist für das Desaster, in dem wir sind. Wer das Eigentum an Erdöl hat, hat auch das Recht, dieses Erdöl zu verbrennen – no matter what – und den Profit daraus zu ziehen. Und da ist, glaube ich, eine große Herausforderung, das auch abzuwägen.
Michael Kerbler: Wie wir vorhin bei der Vorlesung mancher Veränderungswünsche gehört haben, da kam auch dieser wunderbare Disput zwischen der Philosophin und dem Beamten vor. Wie ist das mit der Mitsprache oder dem Mitspracherecht? Ich habe mir unlängst sagen lassen, dass etwa in Wien mehr als ein Viertel der Menschen, die bei uns wohnen, nicht wahlberechtigt sind. Vielleicht ist das noch zu gering geschätzt, ich weiß es nicht genau. Aber jedenfalls genau das - - sie zahlen Steuern et cetera, und auch der Wunsch, dass sich die unter 20-Jährigen stärker, nämlich Österreicherinnen und Österreicher, stärker in die eigenen Angelegenheiten einmischen: Partizipation wird vollmundig gefordert: Wie verhält es sich mit dem Mitredenkönnen? Muss hier auch im Wahlrecht etwas geändert werden, damit wir aus dieser Zuschauerdemokratie, die oft bedauert wird, herauskommen?
Luna Al-Mousli: Also total. Zum Beispiel durch die Pass-egal-Wahl sieht man ja jedes Mal, wie sehr es einen Unterschied gibt zwischen den Wahlen, die dann tatsächlich stattfinden und die Wahl bei Pass-egal-Wahl, wo dann jeder Bürger, jede Bürgerin, die in Wien wohnt, eine Stimme abgeben kann und dann einfach die Stadt mitgestalten kann. Das kann ja nicht sein, dass ich hier lebe - - ich für mich jetzt nicht, ich bin österreichische Staatsbürgerin und kann wählen gehen und kann mitbestimmen, aber ganz viele können es nicht, die aber trotzdem hier leben, die Stadt genauso mitgestalten durch ihr Dasein, aber politisch überhaupt nicht mitgestalten können, auch im Arbeitsrecht nicht. Sie können nicht sagen: Das möchte ich nicht oder ich würde hier streiken oder da streiken - - Da haben sie ganz, ganz wenig Mitgestaltungsrecht in einer Gesellschaft, wo sie eigentlich auch ganz viel zurückgeben. Sie sind Teil davon, sie engagieren sich dafür, sie investieren Zeit und Energie mitaufzubauen oder mitzuverändern, haben aber eigentlich direkt in der Wahl gar kein Mitbestimmungsrecht. Da muss es sich ganz bestimmt ändern.
Michael Kerbler: Also Handlungsbedarf im Wahlrecht beginnend auf der lokalen Ebene inklusive auch, was die Mitbestimmung von EU-Bürgern angeht, die ja auch nicht vom ersten Tag an, wenn sie in Wien sind, mitbestimmen können.
Das Stichwort generationenübergreifend ist mir noch wichtig, bevor wir das Plenum bitten, Fragen zu stellen: Wie sehen Sie das Verhältnis oder wie kann man auch über die Gesetzgebung Einfluss nehmen darauf, dass das, was jetzt in Deutschland passiert ist, als Vorbildwirkung auch bei uns umgesetzt wird, nämlich dass alles, was Gesetzescharakter bekommt auch dahin gehend zu überprüfen ist: Welche Folgen hat die Entscheidung für nachfolgende, vielleicht auch noch ungeborene Generation?
Luna Al-Mousli: Ich glaube, das Problem prinzipiell ist auch durch die Politik, die wir haben, es ist ja immer vier Jahre und dann kommt jemand Neuer, und jeder kümmert sich nur darum, dass es für diese kurze Periode passt und dann ist mir egal, was passiert. Das ist halt wirklich ein Problem. Keiner hat einen Weitblick, keiner denkt daran, es geht nicht um die vier Jahre, in denen ich regiere oder wo sitze und etwas beeinflusse, sondern: Was passiert in 18Jahren? Was passiert in zehn Jahren? Es muss ja nicht so weit gehen, aber über einen längeren Zeitraum als nur die vier Jahre, und da fehlt in der Politik tatsächlich ein Weitblick. Es geht nur um jetzt oder darum, welche Auswirkungen es auf morgen hat, welche Auswirkungen es auf die nächste Wahl hat, welche Auswirkungen es auf meine Partei hat, aber nicht darum, Welche Auswirkungen es für uns als Gesamtgesellschaft hat. Wir denken so kurzfristig. Alles ist nur jetzt, jetzt, jetzt. Und wir sehen ja die Auswirkungen, sei es beim Klima, sei es in der Asylpolitik, also in allem.
Michael Kerbler: Ich will jetzt nicht in die Rolle des Advokaten verfallen, ich kenne auch genug Personen, die in der Politik aktiv sind, die über die Fünfjahresgrenze hinaus – ein paar sitzen hier – schon einen längerfristigen Horizont haben. Aber es ist schon einmal ganz interessant zu hören, was der Eindruck ist, der von der Politik gegeben wird.
Herr Brossmann.
Jakob Brossmann: Ich glaube, es ist auch sehr relevant, dass wir als Gesellschaft, und zwar nicht nur auf der legislativen Ebene über die Frage der Würde noch einmal anders nachdenken und da ist ein dokumentarischer Blick, wie ihn die Luna zum Beispiel in ihrem letzten Buch entwickelt hat, oder wie ich ihn immer wieder zu finden hoffe, glaube ich, ganz wesentlich, nämlich zu schauen: Was sind die konkreten Lebensbedingungen der Menschen an der Peripherie? Das sind ja nicht ein paar, sondern das sind Millionen, das sind Millionen, die eben nicht das Recht haben, im Parlament zu sprechen, die nicht von Kunstförderungen leben, die tagtäglich in einer prekären Arbeitssituation und in einer prekären wirtschaftlichen Situation sind und dann nicht einmal mit einem Wahlrecht ausgestattet sind, aber unsere Gesellschaft aufrechterhalten. Und selbst zwei Stunden Arbeitszeit zu reduzieren von Leuten, die schwerste körperliche Arbeit in Alten- und Pflegeheimen leisten - - und das sind sogar noch die Leute, die Rechte haben, dann gibt es noch die ganzen Menschen, die im schwarzen und grauen Bereich tagtäglich unsere Alten pflegen, wenn wir über Generationen sprechen, geht es auch um diese Frage: Wo ist da die Würde? Und das ist eben nicht nur eine legislative Frage, das ist auch die Frage: Welche Geschichten erzählen wir? Wo schauen wir hin? Wer ist eigentlich bereit? Dann hat man halt eben doch eine polnische Putzfrau, die nicht gesundheitsversichert ist.
Michael Kerbler: Ist das indirekt eine Feststellung, höre ich da heraus, sie würden sich auch eine stärker solidarisch agierende Gesellschaft in dem Land wünschen?
Jakob Brossmann: Es ist etwas, dem wir uns alle tagtäglich stellen müssen.
Luna Al-Mousli: Ich wollte nur kurz ergänzen: Tatsächlich ist es auch ein Problem, wenn wir jetzt von generationsübergreifend reden, zum Beispiel Heimhelferin oder Heimhelfer zu sein ist nicht mehr so attraktiv, man wird nicht so gut bezahlt, die vielen Überstunden, es ist körperlich und psychisch anstrengend, und aus diesem Grund denkt man sich: Okay, dadurch dass wir in Österreich keine Menschen haben, die dieser Arbeit gerne nachgehen, holen wir uns die doch von woanders. Was machen dann aber die älteren Personen in Polen, wenn wir uns jetzt helfende Hände aus Polen nach Österreich holen, die dann hier unterbezahlt werden? Wer pflegt dann die alten Menschen dort? Dann holt man die von irgendwo anders. Das kann ja auch keine Lösung sein, im Grunde genommen wird das Problem nur global erweitert. Und dadurch, dass wir es uns leisten können - -
Michael Kerbler: Es ist die Frage, wie lange wir es uns leisten können?
Ich möchte fragen, ob es hier bei Ihnen jemand zu dem Thema oder auch zu einer anderen Frage, die das Menschenrecht oder unsere Grundrechte angeht, Fragen hat, die wir aufnehmen und diskutieren sollen. Wer stellt die zweite Frage? – Ich sehe zwei Hände in der allerletzten Reihe und dann - - Ja, bitte.
Fragestellerin eins: Meine Frage wäre: Es ist unbenommen, dass die Politik und Politiker über ihre Legislaturperiode hinausschauen. Meine Frage wäre aber, was man vielleicht einmal genannt hat in der Philosophie, ob hier noch gedacht wird im Horizont von sub specie aeternitatis wie zum Beispiel bei Spinoza hingewiesen wird. Das gibt ja noch einmal einen Horizont, der genau das, was jetzt Anthropozän genannt wird, überschreiten würde. Das wäre eine hochbrisante politische Frage, das wäre das, was ich gerne zur Diskussion stellen möchte.
Michael Kerbler: Gibt es gleich einen anregenden Vorschlag, wie das in die Verfassung - -
Fragestellerin eins: Da bin ich überfordert. Es gibt eine Menge Lektüre in der Geschichte unserer europäischen und weltweiten Kultur, die kann man sich aneignen, da kann man Interesse entwickeln. Und es ist die Frage, wer das tut und ob das die Politik noch ihrer Bildung hat.
Es fällt mir spontan ein Buch ein von Michael Hagner, er ist Wissenschaftshistoriker, und das Buch heißt – das war ein Riesenerfolg –:„Vom Homo cerebralis“, und der weitere Titel heißt: „Seelenorgan zum Gehirn“. Und man muss wissen, dass das Gehirn in alten Zeiten noch als Sitz der Seele gegolten hat wie auch das Herz lange Zeit. Und es wäre meine Frage, ohne das deswegen bitte in eine falsche Ecke zu stellen, ob jetzt nicht eine Umkehrung an der Zeit wäre vom Gehirn zum Seelenorgan, ob hier nicht eine Misere liegt, die es auch politisch zu beseitigen gälte. Danke schön.
Michael Kerbler: Danke.
Fragestellerin zwei: Es tut mir jetzt fast leid, dass ich mich gemeldet habe, ich wollte nur das Eis brechen, damit auch andere Leute sich ermutigt fühlen, denn ich bin auf einer sehr viel prosaischerischen Ebene angesiedelt mit meiner Frage. Herr Brossmann, glaube ich, hat gesagt, es würde eigentlich schon weitgehend reichen, wenn wir die jetzige Verfassung einhielten, und ich denke, da hat er sehr recht. Und was ich noch zusätzlich verlangen würde: einen Passus, der von allen Entscheidungsträgern Ehrlichkeit verlangt, vielleicht nicht nur von den Entscheidungsträgern, sondern von uns allen, aber Ehrlichkeit würde doch das politische Leben grundlegend verändern. Ideen, wie man das erreicht, habe ich natürlich keine.
Fragesteller drei: Ich möchte an den ersten Kommentar anknüpfen und auf die irokesische Verfassung des, ich glaube, 17. Jahrhunderts, wo sich fünf Irokesenstämme zusammengetan haben, verweisen, weil in der Verfassung ist das Sieben-Generationen-Prinzip drinnen. Und das ist deshalb so wichtig, denn es besagt im Wesentlichen: Setze Handlungen nur so, dass die siebente Generation von diesem Tag an gerechnet noch eine schöne und nachhaltige Welt vorfindet. Und das Prinzip besagt nicht, dass man weiß oder prognostizieren kann – heute würde man 200 Jahre rechnen für sieben Generationen –, was in 200 Jahren 2222 sein wird, sondern dass man auf dem heutigen Wissensstand keine Handlungen setzt, von denen man schon weiß, dass sie schädlich sind für die siebente Generation von heute an gerechnet. Und das hat alle möglichen Bedeutungen, insbesondere auch Klima und Biodiversitätsbedeutungen, ich glaube, das ist ein sehr schönes Verfassungsprinzip, wo wir von den Indigenen, nämlich Irokesen und Irokesinnen gewaltig lernen können. Danke.
Michael Kerbler: Danke schön.
Fragesteller vier: Ich sehe heutzutage in unserer Gesellschaft mehrere Bereiche, wo erfolgreich von unten nach oben umverteilt wird, also ob das im finanziellen Bereich ist, wo Menschen, die Geld haben, immer mehr Geld bekommen durch die Veranlagung und dadurch, dass wir keine Vermögensteuern haben. Ich sehe das im Kulturbereich, wo vor allem eine kleine Anzahl an Menschen einen sehr subventionierten Kulturbetrieb vorfindet, der auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist, und ich sehe das auch im Bildungsbereich, wo vor allem Kinder von besser gestellten Eltern mehr von diesem Bildungsbetrieb zurückbekommen.
Meine Frage ist: Was können wir konkret in der Verfassung verändern oder verankern, um diese ungleichen Mechanismen in unserer Gesellschaft ad acta zu legen, und was bedeutet das auch im Kontext zur restlichen Weltbevölkerung, wenn wir jetzt über die österreichischen Grenzen hinausschauen?
Michael Kerbler: Vielen Dank. Wir von Globart werden sicher die Antworten auswerten, und es ist ja damit heute nicht Schluss mit der Veranstaltung, sondern ich hoffe, dass es eine Art katalytischen Prozess gibt, wo die Diskussionen fortgesetzt werden.
Die Frage, die sich stellt, ist, weil ich nicht zufällig hingewiesen habe aufs EU-Recht –: Wie stellen wir es an? Wenn schon auf der nationalen Ebene, ich sage nur als Stichwort: Verfassungskonvent, lange, intensive Debatten, sehr viel Hirnschmalz, sehr viel Energie, sehr viel Zeit investiert worden ist und dann ist - - Es ist schon etwas geändert worden, aber hopes were high, also die Erwartungen sind nur nicht in Erfüllung gegangen, und – die Frau Vizedirektorin hat es angesprochen – es gibt nach wie vor keinen Grundrechtskatalog. Also diese fehlenden Grundrechte sind auch, das sollte man fürs Protokoll mitnehmen - - Es ist der Grundrechtekatalog, der unbedingt ins Gesetz, in eine nächste Verfassung hineingehören würde.
Ich denke jetzt daran, dass wir am kommenden Wochenende eine Umweltkonferenz haben, wir werden auch in der zweiten Gesprächsrunde darüber reden, einen ähnlichen Mechanismus, dass wir bestimmte Dinge - - Ich kann mich erinnern an Diskussionen mit Wolfgang Schüssel, der damals, als er Regierungschef war, die Finanztransaktionssteuer einführen wollte, aber gescheitert ist mit dem Vorschlag, weil jetzt auch das Stichwort Umverteilung gefallen ist indirekt. Also: Wie tun wir auf europäischer Ebene? Welche Möglichkeiten hätten wir denn mit einer nächsten Verfassung, so eine Aufmerksamkeit zu erreichen wie Kelsen mit der Einführung des Verfassungsgerichtshofes? Das war nun wirklich seine Erfindung – großartig! –, man stelle sich vor, wir hätten keinen Verfassungsgerichtshof in Zeiten wie diesen. Also: Wie schaffen wir es auf der europäischen Ebene?
Jakob Brossmann: Ich bin kein Politiker und auch kein Jurist, ich kann das auch strategisch gar nicht überblicken, schön wär’s, wenn ich es könnte, ich kann nur von dem berichten, was mir sozusagen begegnet an den Rändern oder am Rand Europas. Und zu sehen, wie die Leute dort um ihre Würde ringen, das ist nicht etwas - - Wenn man solche Erlebnisse hat, dann ist die Würde erst einmal erschüttert und muss in einer Begegnung wieder - - Der Keim der Würde ist natürlich intakt, aber ist in Zweifel gestellt, wenn man erst einmal eingesperrt ist, wenn man seiner Dokumente entledigt wird, wenn man nummeriert wird, und dann kommt eine italienische Anwältin, die sagt: Nein, ich bin jetzt hier, ich gehe da, und ich begrüße jeden einzelnen Menschen ohne eine weitere Aufgabe: Schön, dass du angekommen bist, schön, dass du überlebt hast – willkommen in Europa! Und diese Anwältin, die mittlerweile eine Freundin von mir geworden ist, die hat etwas gesagt, was uns, glaube ich, allen Kraft geben kann auf dem langen und schwierigen Weg auch der Rechte, die wir erst formulieren müssen. Sie hat nämlich zu mir gesagt: Das Einzige, was mehr wird, wenn man es teilt, was stärker wird, indem man es teilt, sind Rechte.
Michael Kerbler: Sie sind ja nicht nur Filmemacher, sondern Sie arbeiten am Theater, fürs Theater. Da gibt es das schöne Wort: Das Theater ist das Leben als ob. Man kann sozusagen ausprobieren, und wenn es brenzlig wird, kann man sagen: Stopp!, alles nicht wahr, aber man kann ausprobieren. Weil sozusagen die Förderung der Theater oder ich sage jetzt einmal verkürzt der Hochkultur hier Kritik stand: Kann Theater in diesem Prozess, nämlich nicht im juristischen Bereich, aber kann das Theater, kann Kunst da etwas tun, nämlich auf das Defizit, das existiert in der Verfassung, in der eigenen Gesellschaft aufmerksam machen, damit man eher bereit ist, ich sage jetzt einmal: mehr Miteinander, mehr auf den anderen achten gerade in der Corona-Pandemie. Die eine Portion Essen mitkochen, die man dann jemand anderem im Haus bringt, der vielleicht in Schwierigkeiten ist, oder dem es nicht gut geht. Simple Dinge, Gesten – oder erwarte ich mir da zu viel vom Theater?
Jakob Brossmann: Ich weiß das nicht, denn Selbstgefälligkeit wäre kein guter Ratgeber auf dem Weg, aber ich hoffe das einfach, und ich möchte auch daran glauben, aber wissen tue ich es nicht.
Luna Al-Mousli: Ich glaube schon, dass Kunst und Kultur ja auch diese Aufgabe hat, andere Perspektiven zu zeigen, andere Geschichten zu erzählen, aber es ist dann immer die Frage: Wer erzählt? Also im Theater, sorry, dass ich das jetzt so sage, wenn es dann reihenweise männlich ist, ist es die Perspektive des weißen Mannes, der dann über die anderen erzählt und nicht da, wo Sie dann erzählen, wie es wirklich ist, es sind dann nicht die Leute, die nur auf der Bühne stehen. Da muss man dann noch einmal darüber nachdenken: Wer erzählt die Geschichte von wem und wie?
Ich glaube, dass Kunst und Kultur ein sehr starkes Medium ist, aber es ist auch immer die Frage: Wer erzählt für wen, und wer hat denn überhaupt Zugang dazu? Wir haben nicht alle gleichen Zugang zu Kunst und Kultur, und nicht alle Künstler und Künstlerinnen werden gleich gefördert, weil auch hier in Österreich gibt es für die Förderpots bestimmte Bedingungen. Es gib dann einige, wo man eine bestimmte Jahresanzahl – Meldezettel – im gleichen Ort gelebt haben muss oder die österreichische Staatsbürgerschaft haben muss und, und, und. Das heißt, das ist ja nicht für alle zugänglich. Und es ist immer die Frage: Wer erzählt? Wer erzählt über wen?
Michael Kerbler: Es gibt eine Wortmeldung. Darf ich Sie bitten, herauszukommen? Und die nächste Wortmeldung gleich im Anschluss, dann kürzen wir das Verfahren ab. Danke schön.
Teilnehmerin eins: Ich würde mich sehr freuen, wenn die behinderten Menschen auch in der Grundfassung aufgenommen werden würden, ich würde zum Beispiel begrüßen, für gehörlose Menschen einen Dolmetscher, einen Übersetzer zu haben. Die Menschen haben sehr, sehr viel zu sagen. Ich komme aus dem Kultur- und Theaterbereich und wir haben sehr oft keinen Zugang. Ich würde begrüßen, wenn die Verfassung direkter auch einen Zugang für behinderte Menschen erfassen würde. Danke für die Möglichkeit, hier zu sprechen. (Beifall.)
Michael Kerbler: Danke für die Wortmeldung.
Luna Al-Mousli: Darf ich nur ganz kurz etwas ergänzen? Ich glaube, es liegt auch daran: In welcher Sprache erzähle ich wem? Wenn wir jetzt über Theater sprechen, es ist oft zu Hochdeutsch, also als jemand, der Deutsch als zweite Sprache - - wo ich dann hingehe und denke: Ich bin überfordert, ich checke es nicht. Und da muss man sich dann auch überlegen: Für wen mache ich das und wen will ich damit erreichen? Alles muss abgestimmt sein, und ich muss es dann öffnen, wenn ich wirklich sagen möchte: Da gibt es eine Message, die ich an alle weitergeben möchte.
Teilnehmer zwei: Ich möchte, wenn wir schon in der Logik des Als-ob, des Fiktionalen sprechen dürfen, noch einmal etwas zu Kunst und Kultur sagen: Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, und zwar zu Kunst und Kultur im öffentlichen Raum, das wäre mein Plädoyer, ich habe immer darauf hingewiesen: Was wäre, wenn wir alle Werbung, mit der wir Tag für Tag im öffentlichen Raum beschallt, belichtet und was immer werden, ersetzen würden? Stellen Sie sich vor, das wären aller Nachrichten, oder stellen Sie sich vor, das wären Nachrichten vom Papst oder stellen Sie sich vor, das wären Nachrichten von Stalin! Wir würden mitbekommen, dass wir in einer Art Hirnwäsche im öffentlichen Raum wären, in der nur noch besetzt ist wie noch nie zuvor von einer Propagandamaschine, die diese neoliberale Maschine versucht, am Gang zu halten. Würden Sie die Werbung abschaffen, dann wäre Stille in gewisser Weise, eine riesige Leere für aufklaffen in unserer Kultur.
Und daher: Wenn wir schon der Logik des Als-ob und für Kultur sprechen: Was wäre, wenn jede Werbung ein Kunstprojekt mitfinanzieren müsste?, und zwar ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum, nicht ein Kunstprojekt, das am Theater stattfindet, nicht ein Kunstprojekt, das sonst in einer Hochkulturinstitution stattfindet, sondern Kunst, die uns in der U-Bahn trifft mit Gedichten, Kunst, die uns trifft an der Schule, auf dem Weg dahin und auf dem Weg dorthin. Das wäre für ein Plädoyer an unsere Verfassung, Kunstförderung wieder hineinzubringen in den öffentlichen Raum. Denn es ist hier auch gekommen, und ich glaube, wir erleben das derzeit meines Erachtens als erschreckend: Wir haben gesagt: Wollen wir eine andere Kultur, dann müssen wir auch eine andere Sprache haben. Und wenn die Sprache wie derzeit im öffentlichen Raum, also gerade auch im politischen Raum, auf dieses Niveau herunterfährt, mit dem wir derzeit im öffentlichen Raum permanent wiederbeschallt werden, dann kann ich nicht glauben, dass es zu einer nachhaltigen Veränderung kommt.
Ich lese Menschen wie Hölderlin, ich lese Menschen wie Friedrich Nietzsche, und wenn ich mir dann anhöre, auf welchem Niveau der politische Diskurs rein von der Sprache her geführt wird, dann ist das ein Plädoyer, das mir eigentlich am meisten am Herzen liegt. Denn früher scheint es noch so gewesen zu sein - - Noch ein abschließendes Wort: Wenn Sie in China regieren wollten, dann mussten Sie eine Ausbildung in den Künsten haben, wenn Sie früher im politischen Raum gesprochen haben, dann war es in Europa üblich, eine humanistische Ausbildung im Hintergrund zu haben. Und ich glaube daher nicht an das, dass wenn wir alle nur die Juristen und Ökonomen fragen, dass das zu einer nachhaltigen Veränderung führt. Ich lehre selbst an der Universität und weiß, in welcher Sprache hier gesprochen wird. Und das ist für mich ein Plädoyer für Kunst im öffentlichen Raum und auch Literatur und Sprache im öffentlichen Raum. (Beifall.)
Michael Kerbler: Vielen Dank. Ich möchte nur ergänzen, dass ich dann auch die Kulturförderung für die Kunst im öffentlichen Raum breiter aufstellt, damit das auch wirklich möglich wird.
Ich habe noch eine Frage hier – ich darf die Dame bitten –, und dann bitte ich Philipp Hochmair.
Teilnehmerin drei: Vielen Dank. Ich habe einen anderen Gedanken, den ich gerne mit Ihnen teilen möchte, und zwar, dass eigentlich Repräsentation ja heißt, alle gleichermaßen miteinzubeziehen. Wir haben schon lange einen Bildungsbias hier sehr stark. Sie sind die humanistische Seite, die holistisch denkt, aber es gibt auch andere, die überhaupt nicht die Möglichkeit haben, sich zu artikulieren in dieser Art und Weise. Es ist das Bildungsniveau gefallen. Wenn wir Menschen mit weniger Bildung hier einbeziehen wollen, so müssen wir auch das Niveau der Aussagen daran anpassen, sodass sie auch verstehen. Sie haben ein lateinisches Zitat gewählt, es ist nicht allgemein verständlich, dass das jeder versteht, was Sie überhaupt damit gemeint haben.
Fragestellerin eins: Der Blick in die Ewigkeit heißt es.
Teilnehmerin drei: Das ist mir schon klar, aber es ist dieses Einbeziehen aller ein wesentlicher Aspekt.
Und das Zweite, was ich noch mitgeben möchte, ist, dieses Lösungsorientierte ist eigentlich auch nirgends in der Verfassung verankert. Wir wollen ja, dass die Politik auch Lösungen erfasst und Lösungen praktisch durchbringt. Aber wenn es immer nur Mehrheitsentscheidungen sind, die nicht konsensbasiert sind, dann, glaube ich, ist das auch relativ schwierig, zu einem Konsens letztendlich zu kommen gegen die Widerstände. Wir müssen eigentlich an den Widerständen arbeiten. Wir sehen ja, es sind alle einig, dass manche Parteien sehr stark, sehr laut sind und sich gegen etwas stellen, aber diese Widerstände zu brechen, das wäre auch ein wesentlicher Aspekt, an dem man arbeiten muss. Dass man erst dann rausgehen kann, wenn die Lösung wirklich komplett ist und wenn die Widerstände gebrochen. Das ist auch ein Aspekt, den Sie angesprochen haben. Danke.
Michael Kerbler: Danke vielmals.
Ich glaube, es wäre ganz gut, lieber Philipp Hochmair – um wieder zurückzufinden zu unserer Verfassung und auch zum Themenbereich Flüchtlinge und zur Genfer Flüchtlingskonvention –, wenn Sie so freundlich wären und uns das jetzt zu Gehör zu bringen. Danke schön.
Philipp Hochmair: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte:
Artikel 1: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.
Artikel 14: Recht auf Asyl.
Erstens: Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.
Zweitens: Dieses Recht kann jedoch im Falle seiner Verfolgung wegen nichtpolitischer Verbrechen oder wegen Handlungen, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen, nicht in Anspruch genommen werden.
Erläuterungen zu Artikel 14: Asyl ist der Schutz für Personen, die ihr eigenes Land verlassen mussten, weil sie verfolgt werden. Die allgemeine Erklärung räumt allerdings keinen Rechteanspruch auf Asyl ein, gewährt also kein Recht, Asyl zu erhalten, sondern nur das Recht Asyl zu suchen und zu genießen, wenn es von einem Staat gewährt wird.
Die Staaten waren bei der Ausarbeitung der Erklärung nicht bereit, in diesem Bereich auf ihre Souveränität zu verzichten.
Die Genfer Flüchtlingskonvention, die 1951 unterzeichnet wurde, verbietet den Staaten immerhin, Flüchtlinge in den Verfolgerstaat zurückzuschicken.
Genfer Flüchtlingskonvention:
Artikel 32: Ausweisung.
Erstens: Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausweisen.
Zweitens: Die Ausweisung eines Flüchtlings darf nur in Ausführung einer Entscheidung erfolgen, die in einem durch gesetzliche Bestimmungen geregelten Verfahren ergangen ist. Soweit nicht zwingende Gründe für die öffentlich Sicherheit entgegenstehen, soll dem Flüchtling gestattet werden, Beweise zu seiner Entlastung beizubringen, ein Rechtsmittel einzulegen und sich zu diesem Zwecke vor der zuständigen Behörde oder vor einer oder mehreren Personen, die von der zuständigen Behörde bestimmt sind, vertreten zu lassen.
Drittens: Die vertragschließenden Staaten werden einem solchen Flüchtling eine angemessene Frist setzen, ihm die Möglichkeit zu geben, in einem anderen Lande um rechtmäßige Aufnahme nachzusuchen. Die vertragschließenden Staaten behalten sich das vor, während dieser Frist diejenigen Maßnahmen anzuwenden, die sie zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung für zweckmäßig erachten.
Artikel 33: Verbot der Ausweisung und Zurückweisung.
Erstens: Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen in Gebiete ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, seiner Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein werde.
Zweitens: Auf die Vergünstigungen dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit des Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vorgehens rechtskräftig verurteilt wurde.
Artikel 34: Einbürgerung.
Die vertragschließenden Staaten werden soweit wie möglich eine Eingliederung und Einbürgerung des Flüchtlings erleichtern. Sie werden insbesondere bestrebt sein, Einbürgerungsverfahren zu beschleunigen und die Kosten dieses Verfahrens so weit wie möglich herabzusetzen. (Beifall.)
Michael Kerbler: Danke, Philipp Hochmair. Auch da gilt die Feststellung, dass man ja das Recht in die Realität umsetzen könnte. Danke auch an Luna Al-Mousli für das Gespräch, danke auch an Jakob Brossmann, und Ihnen Damen und Herren für Ihre Fragen, die Sie an uns gestellt haben.
Wir gehen jetzt alle gemeinsam in die Pause. Wir kommen wieder ganz pünktlich zurück, sodass wir zehn vor vier an einer wunderbaren Performance teilnehmen können: Tanz die Toleranz – Verfassungsfragen. Diese Gruppe wird dann hier auftreten, ich darf Sie also bitten, um 15.50 Uhr wieder im Saal zu sein und wünsche Ihnen eine angenehme Pause und angenehme Pausengespräche. Danke. (Beifall.)
*****
Tänzerin eins: Ist den Politikern bewusst, dass es in unserer Gesellschaft leidende Menschen gibt?
Tänzerin zwei: Wie fühlst du dich von den PolitikerInnen vertreten?
Tänzerin drei: Was bedeutet Freiheit außerhalb der gesellschaftlichen Norm?
Tänzerin vier: Wie viele Femizide muss es noch geben?
Tänzerin fünf: Wer macht Politik?
Tänzerin sechs: Welchen Wert haben Menschenleben?
Tänzerin sieben: Wie fühlt sich Ungerechtigkeit an?
Tänzerin acht: Was bedeuten Gesetze für dich?
(Es folgt eine Tanzperformance mit Soundeffekten und Musik.)
Tänzer: Meine Antwort ist die Freiheit. Was war deine Frage noch mal?
*****
(Beifall.)
Michael Kerbler: Ein ganz herzliches Dankeschön an die Youth Dance Company. Tanz die Toleranz: Wer miteinander tanzen kann, kann miteinander leben, denn Tanz verbindet über soziale, kulturelle und sprachliche Barrieren hinweg. Projekte von Tanz die Toleranz ermöglichen neue Begegnungen, in den Proberäumen erschließen sich Möglichkeiten der Kommunikation und – ganz wichtig – des Miteinanders. Menschen, die andernfalls aneinander vorbeileben würden, finden im Tanz Berührungspunkte und Begegnung entsteht. Die Eröffnung neuer Horizonte bewirkt bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine veränderte Wahrnehmung ihrer Umgebung und ihrer Mitmenschen und eröffnet neue Zugänge, Lösungszugänge. Das ist sozusagen das Grundkonzept der Youth Dance Company, die heute diese Performance für uns zum Thema Verfassung gezeigt und vorgeführt hat.
Danke vielmals für das Ändern des Settings, denn wir wollen im nächsten Gespräch über das Gesellschaftsspiel des Guten sprechen. Bei dem Stipendienprogramm der Globart Academy im Oktober 2020 im AKW Zwentendorf haben 13 Stipendiatinnen und Stipendiaten verschiedener Disziplinen über die Verfassung ihren aktuellen Kontext diskutiert, das Resümee: die bestehende Verfassung wurde von allen geschätzt, sie müsse nicht vollständig erneuert werden, aber sie soll ergänzt werden.
Es ging den Teilnehmenden primär um – jetzt zitiere ich: um ein weiteres Werden und erneuerndes Bestärken der demokratischen Grundordnung Österreichs. Die Ergänzungen enthielten nicht nur neue Themenbereiche, sondern auch neue Vorschläge zu Grundwerten und auch zu bestimmten Methoden, die in der Verfassung festgeschrieben werden sollten.
Der von mir schon einmal zitierte Ferdinand von Schirach hat in seiner Eröffnungsrede bei den Salzburger Festspielen im Jahr 2017 zum Wert ausgeführt, und ich zitiere ihn wörtlich: Unser einziger sicherer Halt sind die Verfassungen der freien Länder, auch wenn es langweilig klingt, nur ihre komplizierten Regeln, nur ihre Ausgewogenheit und Langsamkeit, nur das, was die Amerikaner Checks and Balances nennen, ordnen unsere schwankenden Gefühle, sie lehnen Wut und Rache als Ratgeber ab, sie achten den Schwächeren, und am Ende sind sie es, die uns vor uns selber schützen. – Zitatende.
Wenn wir also über die nächste Verfassung sprechen, was wir gleich tun werden, sollten wir innehalten und prüfen, was wir an der bestehenden Verfassung schätzen, und wir sollten uns an den 19. Mai 2019 erinnern, jenem Tag, der einen Höhepunkt der Regierungskrise des Kabinetts Kurz I markiert. Damals erklärte Bundespräsident Alexander Van der Bellen: Es sind Tage, die manchen unübersichtlich erscheinen mögen, aber es gibt keinen Grund, besorgt zu sein, denn gerade in Zeiten wie diesen zeigt sich die Schönheit, ja die Eleganz der österreichischen Bundesverfassung. – Dieses Zitat ist mittlerweile in Österreich nicht nur unter Juristen zum geflügelten Wort geworden. Kein Bundespräsident vor ihm, hat die Verfassung mit Schönheit zusammengebracht, dieses wird ihm bleiben.
Lassen Sie uns also über die nächste Verfassung, über die notwendigen Ergänzungen und auch die notwendigen Belastungen, die eine Verfassung aushalten muss, soll sie taugen, sprechen.
Ich begrüße Michaela Krömer, sie hat in Wien, Nottingham und Cambridge Rechtswissenschaften studiert, und sie ist Rechtsanwältin. Sie hat sich auf die Grund- und Menschenrechte spezialisiert, insbesondere in den Bereichen Klimakrise und Migration. Ich darf Sie zu mir bitten.
Willkommen auch Anika Dafert, sie studiert Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur in Wien, sie ist außerdem bei Fridays for Future und in Climate Science aktiv. – Herzlich willkommen!
Max Haarich ist Münchner Botschafter der litauischen Künstlerrepublik Užupis und Leiter des Instituts für angewandte Paradoxie. Er hat Kommunikationswissenschaft in Aachen und politische Theorie in New York studiert. Er hat sich sehr viel mit Innovationsfähigkeit und künstlicher Intelligenz befasst. Ebenfalls herzlich willkommen!
Und – last, but not least – Marek Philipp Zink ist als Rhythmiker, Musik- und Bewegungspädagoge im therapeutischen Setting tätig, sein Bachelorstudium hat der an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien absolviert, und demnächst wird seine Masterarbeit als Buch erscheinen, habe ich mir sagen lassen: „Awareness through Discomfort“. Discomfort nehmen wir uns jetzt als Stichwort und steigen gerne ins Gespräch ein.
Frau Krömer, ich möchte Ihnen als Erste die Frage stellen: Was erwarten Sie sich denn vom am kommenden Wochenende stattfindenden Klimagipfel? Wird das mehr als eine Reiseveranstaltung sein? Gibt es da Hoffnung, dass, wie soll ich sagen, Belsazar, die Zeichen an der Wand erkannt werden, die Feuerzeichen?
Michaela Krömer (Rechtsanwältin): Philipp Blom hat vor ein paar Wochen gesagt, dass es für Pessimismus eigentlich schon zu spät ist, ich versuche mich selbst daran zu erinnern, ich bin aber nicht sehr optimistisch – warum nicht? –: weil wir gesehen haben, dass bis dato das Pariser Abkommen keine Reduktion der Emissionen bewirkt hat, dass die COP sehr viel Gespräch ist, aber wenig Tat. Ich lasse mich gerne überraschen. Im Moment ist es eher so - - ich habe das Pariser Abkommen einmal mit einem WG-Putzplan verglichen, und ich glaube, da ist auch das Problem dahinter, es sehen alle ein, es wäre schön, wenn das Ganze sauber wäre, und wir wollen eigentlich alle sehr gerne aufräumen, aber keiner möchte seinen eigenen Dreck wegräumen und beruft sich immer darauf, dass es im Zimmer nebenan auch nicht viel besser aussieht. Und solange wir nicht aus dieser Mentalität rauskommen, habe ich leider wenig Hoffnung.
Michael Kerbler: Bleibt nur die Klage.
Michaela Krömer: Ich und viele andere KlimaklägerInnen stehen auf dem Standpunkt: Wir klagen, bis ihr handelt! Also: Ja!
Michael Kerbler: Das, was in Berlin der Bundesverfassungsgerichtshof in seinen vier Urteilen vor drei oder vier Monaten festgelegt hat ist sozusagen die Verpflichtung, die zwischen den Generationen, die die vorangehenden Generationen den nachfolgenden Generationen gegenüber haben. Da spürt, das sich in Europa doch etwas zu bewegen beginnt. Das Spannende ist, ich frage Sie jetzt einmal als juristischer Laie: Sie haben einen anderen Weg gewählt, Sie klagen sozusagen Unrecht bei einzelnen Gesetzen ein. Ich sage jetzt nur ein Beispiel: Wer in Graz in die AUA einsteigt oder egal in welche Fluglinie, um nach Wien-Schwechat zu fliegen, zahlt keine Umsatzsteuer auf das Ticket, aber wer in die ÖBB einsteigt, der zahlt für das Eisenbahnticket sehr wohl USt – also: Gleichheitsgrundsatz. Man kann so weit gehen, ich habe mir das Klimaticket besorgt - - Jemand der dauernd ÖBB fährt, um das zu tun, nämlich das Klima zu schonen, wird eigentlich systematisch von der Republik Österreich oder von den - - benachteiligt.
Michaela Krömer: Vielleicht um es kurz zusammenzufassen: Ich habe die Republik Österreich zweimal verklagt, das zweite Verfahren ist noch anhängig, und um das auch zu unterscheiden, den Weg den ich gewählt habe im Vergleich zu der Entscheidung in Deutschland: Wir haben in Österreich das große Problem, dass wir unsere Rechte sehr schwer einfordern können. Unsere Verfassung ist sehr eng gedacht, das heißt, es ist sehr schwierig, Rechte in den Gerichtssaal zu bringen. Ein Recht, das ich nicht einfordern kann, ist nicht mehr als ein schönes Stück Papier. Und dieses Problem spitzt sich bei der Klimakrise zu: Wir haben einerseits Grund- und Menschenrechte, aus denen man eine Schutzpflicht ableiten kann, und das wurde auch immer wieder getan, andererseits können wir diese Grund- und Menschenrechte nicht einfordern. Das ist Gegenstand dieser beiden Verfahren.
Nachdem ich eben nicht direkt zum Verfassungsgerichtshof gehen kann und sagen kann: Der Staat Österreich tut so wenig, und deswegen bin ich in meinen Grundrechten verletzt, habe ich dann eine Hintertür gewählt und bin gegen aktivklimaschädliches Verhalten vorgegangen, das sind klimaschädliche Subventionen, die hier beschrieben worden sind, unter anderem eben die Begünstigung des Flugverkehrs. Und das wurde zurückgewiesen, und im zweiten Schritt, und das war eigentlich auch das Ziel, weil mir klar war, dass wir dorthin müssen, habe ich Beschwerde eingebracht beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für eine Person, die sehr konkret von der Klimakrise betroffen ist. Mein Mandant leidet unter multipler Sklerose, und wie 60 bis 80 Prozent aller Personen, die diese Krankheit haben, wird seine Krankheit schlimmer, wenn es wärmer wird. Also das heißt, wenn es 25 Grad hat, kann er nicht mehr alleine gehen, und wenn es 30 Grad hat, kann er seinen Rollstuhl nicht mehr selbstständig anschieben. Somit hat die Tatsache, dass es nicht nur immer heißer, sondern auch immer wärmer wird, für ihn eine ganz konkrete Auswirkung auf sein Leben, das ist eine Beeinträchtigung seiner Freiheit, seines Familien- und Privatlebens, seiner Würde.
Und ganz kurz zwei Sachen: Und diese Person kann diese Rechte nicht einfordern in Österreich. Er kann also einfach zum Verfassungsgerichtshof gehen und sagen: Österreich tut zu wenig und deswegen bin ich in meinen Rechten verletzt, und genau dieses Defizit der Beschwerde und überhaupt die Tatsache, dass Grund- und Menschenrechte heißen, dass der Staat handeln muss, diese beiden Punkte sind Gegenstand der Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. In Deutschland hätte er mit seiner Betroffenheit wahrscheinlich schon sein Ziel erreichen können. Und damit beende ich jetzt auch meinen Vortrag.
Michael Kerbler: Es geht um das Rechtsverständnis. Ich wollte Sie jetzt fragen, heißt das: Solange man in Österreich gesund ist, kann man nicht das Recht auf eine funktionierende, gute, saubere Luft – um ein Beispiel zu nennen – einklagen?
Michaela Krömer: Da geht es um die Frage: Haben wir ein Recht auf gesunde Umwelt, wie das zum Beispiel in Ecuador der Fall? Das haben wir in Österreich in der Form nicht. Das heißt, wir sind jetzt auf die Personen angewiesen, die ganz besonders betroffen sind – Stichwort Klimagerechtigkeit beziehungsweise Klimaungerechtigkeit –, dass diese Personen mehr Rechte und mehr Schutz für uns alle erwirken, außer wir schreiben in unsere Verfassung: Wir haben ein Recht auf gesunde Umwelt. Oder wir gehen überhaupt so weit und sagen: Auch die Natur hat Rechte und ist gleich an Rechten und Würde wie die Menschen – und unser Wohlergehen ist von der Natur abhängig. Auch das haben bestimmte Staaten schon gemacht. Das ist keine Utopie, das ist Realität, aber nicht in Österreich.
Michael Kerbler: Letzte Frage zu dem Punkt: Was nützt es dann, dass wir als Staatszielbestimmung den umfassenden Umweltschutz in Gesetz gegossen haben?
Michaela Krömer: Bis vor der Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichtshofes hat man gesagt, das nützt uns gar nichts, nachdem der deutsche Verfassungsgerichtshof aus diesen Zielbestimmungen „Zähne“ gemacht hat, also gemeint, wenn ihr schon ein Ziel habt, dann müsst ihr es auch wirklich einhalten, könnte es sein, dass in Zukunft auch in Österreich ein Staatsziel mehr ist als nur schöne Worte. Wir werden abwarten, ich vermute, es wird dann noch ein Verfahren brauchen, um das zu klären.
Michael Kerbler: Kann Österreich überhaupt schuldig gemacht werden für die globale Klimakrise?
Michaela Krömer: Um noch einmal auf das Beispiel mit der WG zurückzukommen: Ja, jeder muss sein eigenes Zimmer aufräumen. Österreich hat hier ganz klare Verpflichtungen als auch besonders reiche Nation. Und das sollten wir einmal machen, und dafür sind wir auch mitverantwortlich. Ich habe oft das Gefühl, die Tatsache, dass wir alle da mitdrinstecken wird als Möglichkeit genutzt, sich gegenseitig abzuputzen und zu sagen: Na ja, ich allein bin nicht daran schuld, es gibt auch so etwas wie eine Mitschuld, beziehungsweise gehen wir weg vom Schuldgedanken, gehen wir in Richtung Verantwortung: Ja, Österreich hat eine Verantwortung, eine ganz klare Verpflichtung. Das lässt sich mittlerweile sehr schön und konkret darstellen, aber es passiert nichts. Die Emissionen in Österreich sind nicht gesunken seit - - den 1990er-Zielen, im Gegenteil sie sind gestiegen. Wir sind Schlusslicht der Europäischen Union. Ich glaube, wir sind die letzten, die sich jetzt bei anderen abputzen sollten. Stichwort: What about China? – Das kann ich schon langsam nicht mehr hören, wir haben eine falsche Wahrnehmung von uns selber, und ich glaube, es wäre ganz gut, wenn wir uns auch da ein bisschen ehrlich in den Spiegel schauen.
Michael Kerbler: Frau Dafert, wie war das Philipp-Blom-Zitat? – Wir haben keine Zeit mehr - -
Anika Dafert (Stipendiatin der Globart Academy 2020 Macht): - - für Pessimismus ist es jetzt eigentlich schon zu spät.
Michael Kerbler: Wie optimistisch sind Sie denn, dass sich da am Wochenende etwas bewegt?
Anika Dafert: Es ist sehr schwierig zu sagen, vor allem wenn es um so große internationale Klimakonferenzen geht. Es ist für mich sehr vielschichtig, also es sind nicht nur die Verhandlungen, die konkret von den Ländern geführt werden, sondern auch das ganze große Drumherum. Ich war in Madrid bei der COP 25, und wenn man da hinfährt zum Gelände, zur COP, dann ist überall auf den Wänden bei den U-Bahn-Stationen Werbung, dass jetzt die Klimakonferenz stattfindet, dass jetzt endlich Zeit zu handeln ist. Wenn man dann reinkommt in die Klimakonferenz sind einmal zwei Hallen groß reserviert für eine Art Reisemesse, wo verschiedene Länder ihre Stände haben, ihre Pavillons und dort auf riesigen LED-Bildschirmen wunderschöne Fotos von ihren Ländern herzeigen und teilweise Baristakaffee gratis ausgeben oder wirklich auch Reisekataloge aufliegen haben, das alles in der COP drinnen, also im Konferenzzentrum.
Danach gibt es natürlich die Verhandlungen, die wirklich so detailreich sind, so detailliert, dass man als Laie gar nicht versteht, worum es geht und teilweise wird eine halbe Stunde lang diskutiert, ob man das nächste Treffen ein Treffen oder ein Get-together oder ein Meet-up nennt, weil es ist wichtig, und dann wird die Diskussion eben darüber geführt, wie man das Treffen nennt, aber nicht, was der Inhalt davon ist. Natürlich sind solche internationalen Konferenzen meiner Meinung nach trotzdem unglaublich wichtig, einfach um die Welt zusammenzubringen für so ein globales Thema – nicht nur die Welt, also die ganzen Regierungsoberhäupter, die ganzen Staatschefs, sondern auch die Aktivistinnen und Aktivisten, die eben für bestimmte Sachen kämpfen. Und da ist mir auch ganz wichtig, zu erwähnen, dass da trotzdem eine große Ungerechtigkeit herrscht. Jetzt ist die Klimakonferenz in Glasgow die, glaube ich, vierte in der Reihe, die in Mitteleuropa stattfindet – oder zumindest sehr europazentriert. Das heißt, Menschen im globalen Süden haben eindeutig weniger Chance, erst einmal überhaupt dorthin zu kommen.
Internationale Konferenzen sind wichtig als Symbol, dass gemeinsam gehandelt werden muss, dass ein so riesiges globales Thema gemeinsam angepackt werden muss; sehr viel Symbolpolitik, nicht nur im negativen Sinne, aber auch als - - Man kann sich real von dieser Klimakonferenz nicht sehr viel wirklichen Output erwarten.
Michael Kerbler: Das heißt, man muss zivilgesellschaftlich ins Handeln kommen, das heißt, man muss Forderungen formulieren, Fridays for Future auch in Richtung Gesetzgebung. Um es auf zwei, drei Punkte zu reduzieren: Was ist im Moment das absolute Hauptanliegen auf internationaler Ebene, dass es zu einer Veränderung kommt, nämlich Regierungen unter Druck zu setzen von unten, hier aktiv zu werden und auch in ihre Gesetzgebung, in ihre Verfassung, wie auch immer, Änderungen einzubringen?
Anika Dafert: Ich werde tatsächlich sehr oft gefragt, was denn die einzelnen Punkte wären, die, wenn ich mir das wünschen könnte, jetzt sofort durchgesetzt werden. Und da tue ich mir immer schwer. Ich studiere erst im dritten Semester, bis jetzt nur online, ich bin keine Wissenschaftlerin, ich bin keine Rechtsexpertin, und das Einzige, was ich immer sagen kann, ist: Hört auf die Wissenschaft, hört auf die Leute, die Jahre damit verbringen, extra etwas auszuarbeiten, euch das dann schön auf die Tische legen, und ihr einfach dann sagt: Mmh, machen wir’s doch lieber anders! Von daher beantworte die Frage sehr ungern, weil ich eher lieber sage: Es gibt die Lösungen, sie sind da, wenn man sie annimmt, und sie müssten eigentlich endlich gehört werden.
Michael Kerbler: Und weil das Thema heute schon mehrfach angesprochen worden ist, die Verantwortung der Generationen, also der älteren gegenüber der – wie ich vorhin gesagt habe – nicht geborenen Generationen. Wie versuchen Sie in irgendeiner Form sozusagen mit den anderen ins Gespräch zu kommen, mit der älteren Generation? Gibt es einen Mechanismus, gibt es ein Instrumentarium, um Bewusstsein zu schaffen. Ich glaube ja nicht, dass sich heute irgendwer hinter dem Satz verstecken kann: Das habe ich nicht gewusst! Das hat bis zu einem gewissen Grad schon auf die Jahre 38 bis 45 – ich will nicht das nicht vergleich –, aber damals, mhm - - Aber heute kann jeder, der googeln kann, sofort Kromp-Kolb-Aussagen oder Fridays for Future oder über Youtube alle möglichen Vorträge sich aneignen, anhören und erfährt über den Zustand. Wie ist das mit dem Dialog? Findet der statt?
Anika Dafert: Ich denke, der Dialog findet schon statt, auch in der Öffentlichkeit. Ich finde es interessant, dass Sie es angesprochen haben: Heutzutage haben wir natürlich die Ressourcen, wir können Sachen googeln, wir können uns cyberinformieren, und vor allem, wenn es um den Generationenkonflikt geht, geht es gewissermaßen auch darum, dass es das früher einfach nicht gab. Natürlich, der Club of Rome-Bericht, das Buch, das eh schon vor 50 oder mehr Jahren rausgekommen ist, natürlich haben die Leute irgendwo die Chance gehabt, sich darüber zu informieren, auch schon vor längerer Zeit. Ich sehe die Verantwortung trotzdem sehr stark in der Politik, die ja auch einen Bildungsauftrag an die Bevölkerung hat, wirklich darüber zu informieren, was faktisch gerade los ist, und ich glaube, das haben sie in den letzten Jahren versäumt.
Was ich da auch immer noch gerne anspreche, ist, das Narrativ, das die letzten Jahrzehnte immer gebracht wurde, und zwar, dass ja die Menschen und der Konsument etwas ändern soll, und das wurde sehr stark auch aktiv von fossilen Industrien gepusht, weil die natürlich wissen, dass sie sich eigentlich ändern müssten, und da finde ich diese Schuldzuweisung an eine andere Generation, natürlich an meine Eltern- und Großelterngeneration, fast unangebracht, weil man eine ganze Generation nicht für etwas verantwortlich machen kann, was einzelne Personen in führenden Positionen gemacht haben. Ich finde, bei Generationen muss man immer aufpassen, nicht zu verallgemeinern, sondern wirklich zu sagen: Okay, das sind die Industrien, das sind die Politikerinnen, die Politiker, die damals an der Macht waren und heute an der Macht sind. Natürlich ist es nicht meine Generation, sondernd die Generationen davor.
Michael Kerbler: Ich möchte Sie fragen, Herr Haarich: Wie kann man mit dem Instrumentarium einer anderen Verfassung vielleicht etwas schaffen wie eine Vertrauensbasis, um das, was wir in der vorigen Gesprächsrunde angesprochen haben, nämlich das solidarischere Verhalten, zu stärken? Nämlich gerade angesichts der Klimakrise sieht man ja, wie abhängig wir voneinander sind, was das persönliche Verhalten angeht, und zwar wirklich auch im mikroklimatischen Bereich und nicht nur zwischen Kontinenten. Sie haben ja da zum System der Verfassung, ich sage jetzt einmal, ein Experiment gemacht, an einer innovativen Verfassung mitgearbeitet.
Max Haarich (Stipendiat der Globart Academy 2020 Macht): Vielen Dank. Ich glaube, zum einen meinen Sie natürlich die Verfassungsversion, an der wir jetzt hier arbeiten, aber vermutlich sprechen Sie auch an auf die Verfassung der Künstlerrepublik Užupis.
Michael Kerbler: Genau.
Max Haarich: Ganz kurz zur Erklärung: Ich bin der Vertreter von München für die Republik Užupis, und wir werden gerne als utopische Republik bezeichnet, die vor 20 Jahren aus einer Notlage heraus entstanden ist. Užupis ist ein Stadtteil in Litauen, der sehr unter Gewalt und Armut litt, und die Leute hatten dort keine Chance, irgendwie rauszukommen, der Staat hatte nicht die Möglichkeit dort zu helfen, konnte auch nicht an jede Ecke einen Polizisten, eine Polizistin stellen, alle haben die Leute gesagt, wir müssen selber tätig werden, wir müssen irgendetwas machen, um diese Community wieder zu stärken, damit wir uns nicht gegenseitig an die Gurgel gehen. Man hat auch nicht darauf gehofft, dass die Gesetze strenger durchgesetzt werden, auch dort war Totschlag verboten, er fand trotzdem statt. Und das war ja das, was wir hier öfter einmal genannt haben: Die Gesetze und die Verfassung müssten einfach eingehalten werden.
Und was in Užupis passiert ist: Man hat zum einen ganz viele lustige Veranstaltungen gemacht, aber man hat auch eine Verfassung aufgestellt, gemeinsam mit allen Leuten zusammen, wie man zusammen leben will. Und die war überhaupt nicht juristisch durchdacht, die war nicht kohärent, die war einfach nur süß und liebevoll, da stehen Sätze drinnen wie: Jeder hat das Recht zu lieben!, aber auch der Natur werden Rechte zugestanden, oder: Ein Hund hat das Recht, ein Hund zu sein, und, und, und solche Sachen.
Das Wichtigste, was diese Verfassung geschafft hat, ist diesen Spirit der Gemeinschaft zu kommunizieren und zu kondensieren, zu kristallisieren, und gleichzeitig auch die Werte dieser Gemeinschaft zu vermitteln. Und so habe ich das auch verstanden, dass die Verfassung an sich nicht das ist, was im Einzelnen regeln soll: Das ist verboten, und wenn du das machst, passiert Folgendes, sondern das wird den weiteren Gesetzen überlassen. Also die Verfassung hat vor allem als zentrales Instrument die Möglichkeit, zentrale Werte vorzugeben. Es wurde ja auch oft die Menschenrechtsverfassung der UN genannt, die ist ja auch rechtlich nicht verbindlich, sonst hätte ja gar keiner mitgemacht, wenn die rechtlich verbindlich wäre, aber trotzdem funktioniert sie wundervoll als Mutter für andere Gesetze zum Beispiel.
Gerade jetzt angesichts des Klimawandels ist es sehr, sehr leicht, zu sagen, daran ist eine Person schuld oder damals hätte der- oder diejenige etwas anderes machen sollen. Das ist bestimmt in vielen Punkten berechtigt, aber ich glaube, das Allerwichtigste ist, in manchen Situationen erinnert mich etwas daran an Leute, die irgendwie in Amerika 60 Jahre rauchen und dann den Tabakkonzern verklagen oder Diabetes kriegen und dann McDonald‘s verklagen. Also, man hat auch immer irgendwo als Konsument die Macht, ich sage immer gerne – der Spruch ist nicht von mir –: Jeder Kassenbon ist ein Stimmzettel, mit dem man darüber abstimmt, was passieren. Und deswegen ist es einfach wichtig, dass man sich auf die Eigenverantwortung zurückberuft. Ich möchte niemandem auf die Füße treten, aber Politik wird nicht nur in solch hohen Häusern gemacht, Politik wird überall dort gemacht, wo Menschen zusammenkommen, und es ist wichtig, dass man sich da bewusst wird, was man selber an langfristigen Konsequenzen aus seinem Handeln eben bewirkt.
Michael Kerbler: Herr Zink, braucht man wirklich zuerst discomfort, neudeutsch: awareness, damit man auf etwas aufmerksam gemacht wird und in eine Bereitschaft gerät, weil man irgendwie einen Druck verspürt: Das gehört geändert?! Sind wir soweit aus wir - - Mein Großvater hat immer gesagt: Aus Schaden wir man klug ist das dümmste Sprichwort, das er kennt. Karl Kraus hat gesagt: Aus Schaden wird man dumm!
Marek Zink (Stipendiat der Globart Academy 2020 Macht): Wenn ich mir jetzt Max’ Geschichte anhöre mit dieser Künstlerrepublik, die aus einem Leiden heraus entstanden ist, wo Menschen sich zusammentun und – community accountability oder eben transformative Selbstgerechtigkeit – als Gemeinschaft sich ein System geben, weil das große System versagt, dann denke ich, ja, es ist genauso ein Punkt, wo der discomfort, das Unbehagen gewachsen ist, bis man gesagt hat: Okay, wir schließen uns jetzt zusammen und bilden wieder einen kleineren Rahmen. Bauen wir ein System, das uns entspricht und auf das wir auch wieder vertrauen können. Ich denke, es geht auch um eine Vertrauensfrage, gerade jetzt auch in Österreich wieder und generell.
Was Stephan in dem Workshop, den er mit uns gemacht hat, angesprochen hat, ist dieses Systemvertrauen, das ist ja unglaublich wichtig. Wir müssen ja darauf vertrauen können, dass es auch funktioniert. Und ich denke, da ist irgendwo der Wurm drinnen, und ich habe ein Zitat mitgebracht vom Sonderberichterstatter über Folter, der durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ernannt wurde, Nils Melzer, anlässlich des wiederaufgenommenen Auslieferungsverfahrens gegen Julian Assange, das gestern wieder angefangen hat. Der Mann ist, ich weiß nicht seit wie vielen Jahren, seit acht Jahren oder so, zuerst in der ecuadorianischen Botschaft eingesperrt worden und jetzt Belmarsh im Hochsicherheitsgefängnis und ist nach Ansicht verschiedener Expertinnen, die ihn begutachtet haben, gefoltert worden. Er hatte bis jetzt keinen fairen Prozess, jetzt wird ihm der Prozess gemacht, und wenn er ausgeliefert wird, drohen ihm 175 Jahre Gefängnis, glaube ich. Und darüber sagt Herr Melzer: Die Verfolgung unbequemer Wahrheitssprecher wie Julian Assange, Edward Snowden und Chelsea Manning ist wie das Ausschalten des Feueralarms im Haus der Demokratie und der Rechtstaatlichkeit. Man fühlt sich vielleicht noch ein bisschen wohl, aber wenn man sich das nächste Mal umsieht, steht das ganze Haus in Flammen. Und deshalb fordere ich politisches Asyl für Edward Snowden in Österreich, generell für Whistleblower, für solch mutige Menschen, die noch versuchen uns zu sagen: Hey, Leute, das brennt! – Ja, wir brauchen diese Informationen. Ich glaube, wir müssen irgendwie durchlässigere Strukturen schaffen, und dieses Sichinformieren, was Sie gesagt haben auch über Youtube und so weiter, ich glaube, das ist auch ein großes Missinformieren, weil eben diese ganzen Konzerne ihr Geld da reinstecken können und die Leute dementsprechend - - denen fehlt auch die Medienkompetenz und so weiter.
Deshalb wollte ich eine Idee noch anbringen, nämlich diese Grund- und Weiterbildungspflicht für PolitikerInnen. Das war etwas ganz Konkretes, was uns StipendiatInnen in diesem Workshop eingefallen ist - -
Michael Kerbler: Das heißt, wenn jemand gewählt wird in eine Position gibt es einen Basiskurs in Verfassungsrecht oder was stellen Sie sich vor?
Marek Zink: Ja, so ähnlich. Ich zitiere Martin Sonneborn, der sagt immer: Europa nicht den Laien überlassen! Inhalte einer solchen Ausbildung wären zum Beispiel Demokratieverständnis, rechtsstaatliche Prinzipien, politisches Handwerk, parlamentarische Tätigkeit, Gewissens- und Empathieschulung, Wahrnehmungs- und Entscheidungspsychologie. Und das Ganze ist eben ergänzend gedacht zum BürgerInnenparlament, per Zufallsprinzip werden ergänzend zu den BerufspolitikerInnen auf eine bestimmte Zeit auch BürgerInnen miteingebunden, eben nicht nur als BeraterInnen, sondern das soll auch Folgen haben, was dort entschieden wird. (Beifall.)
Michael Kerbler: Also auch auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt unbeliebt mache, aber das wäre eigentlich ganz gut, wenn das ein offener Kurs ist, den nicht nur Politiker besuchen müssten, sondern auch die, die die Politiker wählen. Vielleicht fragen sie dann im Wahlkampf bestimmte Dinge, wie man zu Menschenrechten oder Wirtschaftsfragen, zu Umverteilung, zu Eigentumsrecht und so weiter steht.
Marek Zink: Das wäre natürlich schön. Aber man kann ja einmal anfangen mit den Politikern. (Heiterkeit.)
Michael Kerbler: Schauen wir, welche Reaktionen es auf den Vorschlag gibt. Das war ein Vorschlag. Haben Sie da lange debattieren müssen oder war da bald Konsens in der Gruppe?
Marek Zink: Ich denke, bei diesem Punkt war eigentlich eine große Einigkeit da.
Michael Kerbler: Jetzt würde mich interessieren: Bei welchem Punkt gab es zähe Verhandlungen?
Anika Dafert: Ich würde noch kurz - - Generell zur Frage: Ich denke, wir haben versucht, wirklich alle Meinungen unterzubringen, auch mit den Formulierungen. Wir haben jetzt, glaube ich, nicht sehr lange debattiert, ob wir einen Punkt aufnehmen oder nicht, weil es eher sehr gut zusammengepasst hat.
Ich wollte noch kurz hinzufügen zu diesem Punkt mit den PolitikerInnen: Und zwar war vor allem auch mein Gedanke, als wir darüber geredet haben, zurück zu Platon, der gesagt hat, dass ein Staatschef auch immer ein Philosoph sein muss, dass eigentlich auch eine Idee wäre, dass jeder Politiker und jede Politikerin eine Ausbildung absolvieren müsste. Heutzutage wird der Beruf des Politikers ausgeübt von Menschen, die eine sehr hohe Bildung haben, meistens studiert haben, zumindest Matura haben. Da wäre es doch auch interessant als Grundlage, dass man überhaupt Politiker werden kann, eine Berufsausbildung hinzuzufügen, sodass ein Tischler genauso Politiker sein kann wie jemand, der studiert hat, einfach um diesen, nicht bürgerlichen, aber diesen zivilgesellschaftlichen Aspekt hinzuzufügen. Das war, glaube ich, auch einer der Gedanken, die dort dabei waren.
Marek Zink: Ja, und dass dadurch beispielsweise ein Herr Kurz nicht völlig vom Beruf des Politikers abhängig wäre, weil er nichts anderes gelernt hat. Das war auch eine der Überlegungen, glaube ich.
Michael Kerbler: Gut, diese Berufspolitikerlaufbahn kennen wir. Ich habe Wolfgang Schüssel erwähnt, auch er war Berufspolitiker, ja, warum nicht? Es gibt aber genug Politiker, Abgeordnete, die im Parlament sitzen und die auch einen Beruf gelernt und ihn ausgeübt haben.
Marek Zink: Ein anderer Gedanke war auch die Diversität, also, dass man wirklich eine Milieuvielfalt schafft durch diese vielleicht sogar verpflichtenden Zufallsparlamente sozusagen, und dass diese Leute dann auch eine gewisse Grundausbildung brauchen. Also, wenn ich schon sage: Du musst Politik machen!, dann muss ich dir auch diese Ausbildung anbieten.
Michael Kerbler: Sie spielen jetzt auf Island an, also, dass man nach Zufallsprinzip Leute für eine bestimmte Zeitdauer wählt in das sogenannte Hohe Haus.
Marek Zink: Das wäre eine Idee, genau.
Michaela Krömer: Darf ich da vielleicht etwas ergänzen? – Ich würde mir in Österreich wünschen, dass wir einen Verfassungsgerichtshof haben, der vollzeittätig ist, also wo die RichterInnen wirklich nur diese Aufgabe wahrnehmen und dass das auch für einen beschränkten Zeitraum erfolgt. Ich glaube, dass es einfach immer gut ist, nach 10, 15 Jahren andere Gedankengänge zuzulassen, und das passiert halt meistens wirklich auch durch andere Personen. Und ich glaube, dass die Tatsache, wenn etwas Vollzeit ist und beschränkt ist und ich auch vielleicht nicht wiedergewählt werden kann, mir eine gewisse zusätzliche Unabhängig verschafft, und ich glaube die Frage, die sich bei mir stellt, mit den PolitikerInnen, die per Los ins Amt gewählt werden, die sind dann vielleicht auch nicht von Wählerstimmen abhängig und können da einen ganz anderen Blick darauf werfen. Ich denke, dass die Abhängigkeit von der Wiederwahl und das Parteiensystem auch sehr viele Probleme mit sich bringt, es hat auch sehr viel Gutes, insofern ist die Frage, ob das das Nonplusultra ist. Ich wollte nur den Aspekt der Gerichte und der RichterInnen ins Spiel bringen, denn die sind auch ein Teil der funktionierenden Demokratie, und wir sehen ja auch gerade beim US Supreme Court, in welche Richtung das gehen kann, je nachdem, welche Personen hier eigentlich drinnen sitzen.
Michael Kerbler: Wir sitzen hier im Plenarsaal des Parlaments. Und bei der Vorbereitung habe ich – weil Sie die USA soeben angesprochen haben – einen Artikel gelesen, in dem eine ethische Frage punkto Rechtsprechung gestellt wurde: Wann ist eine Sachentscheidung, die nicht einer Mehrheitsabstimmung unterworfen werden kann, weil es grundlegende ethische Fragen geben kann, die man nicht mit einer Abstimmung klären kann - - Wann soll eine Sachentscheidung über eine Mehrheit – ich mache es umgekehrt, vielleicht fällt es leichter –, wann soll eine Sachentscheidung über eine Mehrheitsentscheidung entschieden werden im Parlament?
Michaela Krömer: Im Unterschied zur Einstimmigkeit oder im Unterschied zu gar nicht abgestimmt? – Gegenfrage.
Michael Kerbler: Ich glaube, die Einstimmigkeit - -
Michaela Krömer: Ich bin da einfach sehr pragmatisch. Ich denke, eine Demokratie braucht auch einen gewissen Pragmatismus. Es wird nie perfekt sein, wir müssen ein Regelwerk finden, das uns so gut wie möglich das Zusammenleben ermöglicht, und ich denke, man wird Entscheidungen über Dinge treffen müssen, die sehr schwierig sind. Deswegen ist für mich auch immer, abgesehen vom Mechanismus, die Frage: Welche Personen sitzen da drinnen und wie gut kann ich mich an das Ziel annähern, das ich wahrscheinlich nie erreichen werde?
Insofern kann ich die Frage schwer beantworten, aber ich vermute, dass es sehr, sehr schwierige Fragen gibt, die letztlich dennoch pragmatisch beantwortet werden müssen, Stichwort Klimakrise. Man hat sich auch sehr lange davor gedrückt, weil man letztlich weiß, dass sich hier sehr, sehr viel ändern muss und niemand wirklich die heiße Kartoffel angreifen will. Ich denke, wir müssen sie angreifen, wir müssen etwas tun, auf die Gefahr hin, dass die ersten paar Lösungen vielleicht nicht perfekt sind. Ein System kann sich erneuern, auch die Natur kann sich erneuern, deswegen finde ich es ebenso wichtig, dass auch RichterInnen zeitlich beschränkt in hohen Ämtern tätig sind, damit es auch die Möglichkeit gibt, schwierige Sachentscheidungen zu korrigieren.
Marek Zink: Sie haben vorhin gesagt, wir dürfen auch ein bisschen - - Das war eine Einladung, die Sie uns allen ausgesprochen haben, die vielleicht nicht bei allen angekommen ist.
Was mir dazu spontan einfällt, was vorhin auch schon angesprochen wurde, ist diese Umverteilung von unten nach oben, die sich in den letzten Jahrzehnten noch einmal sehr intensiviert hat und jetzt insbesondere mit der Coronakrise ins Unendliche steigt, die Ungleichheit, was jetzt Einkommen angeht. Und ein Punkt – jetzt habe ich gedacht, ich streue auch ein bisschen unsere Punkte hier ein – ist sozusagen finanzielle Verantwortung und Transparenz, also, dass wir diese Umverteilung auch stoppen müssen. Und wer das nicht anspricht - - Wenn man sagt: Warum wollen wir, dass Leute nicht für ewig in ihren Posten sitzen? Das hat ja damit zu tun, dass sich sozusagen Interessenkonflikte und Abhängigkeiten ergeben und man eben um die Wiederwahl buhlen muss und so weiter. Und wir müssen da ansetzen, dass wir auch Mechanismen schaffen, das wirklich konkret finanziell wieder eine Umverteilung stattfindet von oben nach unten und nicht die ganze Zeit nur von unten nach oben und wir sozusagen diese beiden Pole wieder näher zueinander bringen.
Und eine Idee, die wir ganz konkret hatten, war: diese soziale Verantwortung gegenüber der Gesamtgesellschaft und den ökologischen und sozialen Grenzen des Weltsystems stellen sich auch in Finanztransaktionen und dass wir uns da Transparenz wünschen und mehr staatliche Regulation und eben eine ordentliche Vermögensteuer beziehungsweise eine Finanztransaktionssteuer auf high frequency trading, um die Finanzmärkte zu regulieren. Ich kenne mich damit sehr wenig aus, und es ist auch eine offene Frage: Ist das überhaupt möglich, geht das? Wie geht das? Wer kann das entscheiden? Kann Österreich da auch wieder in der WG das eigene Zimmer aufräumen und dadurch - - Hat das irgendwelche Effekte auf die anderen? Wie kann man das organisieren? Wer kann so etwas entscheiden? Das ist wahrscheinlich auf europäischer Ebene, oder? Oder: Wie läuft das?
Michaela Krömer: Ich glaube, ein Problem, das wir gerade bei großen Unternehmen haben, die haben oft einen sehr rechtsfreien Raum. Das sind jetzt Konstrukte, die sind mächtiger als viele Staaten, die haben mehr Geld als viele Staaten. Warum? – Man hat sie einfach nicht wirklich gescheit geregelt. Und natürlich in dem Fall, nachdem die schon international tätig sind, macht es Sinn, dem auf selber Ebene zu begegnen, denn wenn Österreich das alleine macht, ist immer die große Angst, das haut unser System zusammen und das Ganze geht so weiter. Ich glaube, wir sind so vernetzt, dass wir rein faktisch hier internationale Regelwerke brauchen. Spannend ist einfach nur, wir haben vieles nicht geregelt, man hat einfach vieles gelassen. Und da muss man wiederum sagen: Kann man den Unternehmen dafür die Schuld in die Schuhe schieben? Schwierig, wenn man ihnen keine Regeln vorschreibt.
Eines ist, Regeln zu brechen, auch das ist passiert, das hat man auch oft gut verschwiegen, aber es sind auch oft gar keine Regeln da gewesen. Und ich glaube, da geht viel. Und in punkto finanzielle Unabhängigkeit sage ich noch einmal, weil es eben so selten erwähnt wird: Wir haben Verfassungsrichter, die alle Nebengeschäfte haben. Ich finde das höchst bedenklich, höchst bedenklich beim Verfassungsgerichtshof, denn das soll ja die Balance zu PolitikerInnen darstellen, die auch alle Nebengeschäfte haben. Auch das gehört beendet. Ich glaube, man kann sehr viel Regeln, und wir sind es einfach so gewohnt. Stichwort: Rechte der Natur. Die Tatsache, dass die Natur Rechte haben kann, wird oft als Provokation empfunden. Wahrscheinlich wie man damals den Vorschlag als Provokation empfunden hat, dass alle Menschen gleich an Rechten und gleich an Würde sein sollen. Das war für viele Menschen zum damaligen Zeitpunkt eine Provokation. Wir haben uns daran gewöhnt. Das heißt, man nimmt auch vieles als selbstverständlich hin, weil man es anders gar nicht kennt.
Michael Kerbler: Danke für das Stichwort. In der neuen, in der nächsten Verfassung steht: § 1: Alle Menschen sind ungleich.
Michaela Krömer: Damit habe ich rechtlich ein Problem, aber das ist eine sehr technische Angelegenheit. (Heiterkeit.)
Michael Kerbler: Okay. Weil ich mir denke, da gibt es Diskussionsbedarf, ich kann mir vorstellen, welcher Hintergedanke - -
Marek Zink: Gleich vor dem Recht, aber ungleich im Ausdruck ihrer selbst. Sie sind Individuen, darum geht es.
Michaela Krömer: Ich finde, das deckt aber die Würde auch ganz gut ab. Also, ich weiß, was damit gemeint ist, nur, wenn man den Gedanken der menschlichen Würde ernst nimmt, dann kommt man zum selben Ergebnis. Da wiederum: Wir haben viele Rechte und sie werden halt oft einfach auch nicht eingehalten. Das war der Punkt, der von Ihnen vorgebracht worden ist.
Michael Kerbler: Ich möchte in die Schlussrunde kommen und Ihnen allen, ich weiß, es ist keine einfache Frage, jeder von Ihnen ist gefragt: Wann ist eine Verfassung eine gerechte Verfassung? Darf ich die Juristin zuerst bitten?
Michaela Krömer: Aus dem Bauch heraus: wenn jede Person gleich an Würde ist und jede Person gleichermaßen die Möglichkeit hat, die Rechte wirklich faktisch einzufordern.
Michael Kerbler: Danke.
Anika Dafert: Ich fühle mich jetzt auch ein bissel schnell gefragt. Ich denke, eine Verfassung ist gerecht, wenn die Menschen, die in dem Land mit der Verfassung leben, alle diese Gerechtigkeit auch erfahren, und zwar nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis – das klingt ein bissel utopisch – und dass nicht nur die Gerechtigkeit zum jetzigen Zeitpunkt, sondern auch in die Zukunft, in die nächste Generation gedacht wird.
Michael Kerbler: Danke.
Max Haarich: Dann würde ich jetzt auch recht spontan antworten, dass eine Verfassung gerecht wäre, wenn sie nicht so schnell unrecht ausgenutzt werden kann von irgendwelchen Menschen. Um auf die Steuern zurückzukommen: Ich glaube, einen Jeff Bezos interessiert es nicht, ob er 1 Prozent, 5 Prozent oder 50 Prozent Vermögenssteuer nicht zu zahlen hat, das ist ihm im Endeffekt egal. Deswegen noch einmal der Appell: Ethik funktioniert ohne Gesetze, aber Gesetze nicht ohne Ethik. Deswegen: Die Eigenverantwortung ist für mich das Wichtigste.
Marek Zink: Eine gerechte Verfassung?! Ich bin, glaube ich, ein bisschen überfragt, aber ich würde sagen, wenn es global auch gerechte, schöne, angenehme, freundliche Beziehungen gibt. Also, ich glaube, auch dieser Gewaltverzicht steckt für mich da drinnen. Auch dass man sagt: Wie gehen die Länder miteinander um? Man verlangt das von uns im Kleinen, aber wie auf der marktwirtschaftlichen Ebene die Konzerne miteinander tun und wie die Länder miteinander tun - - Wenn es dort nicht geht, können wir Künstlerrepubliken aufbauen und den Widerstand von unten irgendwo so üben. Für mich wäre das eine gerechte Verfassung der Welt, wenn wir mehr Achtsamkeit haben, das ist der Gegenpol zur Eigenverantwortung. – Ja, vielleicht so.
Michael Kerbler: Ich lasse nicht locker. Wer soll entschieden entscheiden – weil Sie das angesprochen haben für die nachfolgenden Generationen – was in die neue Verfassung kommt?
Anika Dafert: Ich finde, das ist ein sehr interessanter Punkt. Natürlich muss es jemand entscheiden und natürlich können es irgendwo auch nicht alle entscheiden, wenn sie rein nicht in der Lage dazu sind. Ich fände es schon schön, wenn es mehr Varietät gäbe bei der nächsten Verfassung als bei der letzten Verfassung – ich glaube, das waren größtenteils die typischen weißen, alten Männer –, wenn die Jugend gefragt wird, wenn Frauen gefragt werden, wenn vielleicht Experten, Wissenschaftler mitreden, wenn einfach die Gesellschaft besser abgebildet wird in der Entscheidung, wie wir zusammenleben wollen. Ich glaube, das wäre auch zukunftsweisend und hätte wahrscheinlich eine schöne Auswirkung auf die nächste Generation.
Michael Kerbler: Ich bedanke mich ganz herzlich bei Herrn Zink, bei Herrn Haarich, bei Frau Dafert und bei Frau Krömer für unser Gespräch. Ich hoffe sehr stark auf Resonanz, und ich freue mich, dass ich gesehen habe, dass Cornelius Obonya bei uns ist und er dann die Rede, die Michael Köhlmeier verfasst hat, vortragen wird. Danke vielmals. Und es werde Gespräch auch danach über: Was ist eine gerechte Verfassung? – Danke schön. (Beifall.)
Ich nutze die Umbauphase, um auf den Vortrag von Cornelius Obonya hinzuweisen, auf Michael Köhlmeier, der ja im Mai 2018 auch hier in der Hofburg eine bemerkenswerte Ansprache gehalten hat. Erwarten Sie nicht, dass ich mich dumm stelle, das ist der erste Satz gewesen, den er in dieser Rede gesagt hat, in der er ein scharfes Plädoyer gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus gehalten hat. Und sie war auch eine Rede gegen das Vergessen, gegen das Vergessen der Verbrechen, die in der Zeit des Nationalsozialismus begangen wurden, aber auch ein Appell, die jüngere Zeitgeschichte ja nicht aus dem Auge zu verlieren. Wenn Sie so wollen, konnte man seine Rede als Rede gegen das Kurzzeitgedächtnis verstehen.
In Erinnerung blieb mir unter anderem Köhlmeiers Warnung – Zitat –: Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt – nie –, sondern mit vielen kleinen, von denen jeder zu klein schien für eine große Empörung. Erst wird gesagt, dann wird getan. – Zitatende.
Michael Köhlmeier, er hat nicht nur Germanistik, sondern auch Mathematik, Philosophie und Politologie studiert, zeichnet etwas aus, was ich das scharfe Gehör für den Fall nennen möchte, das große Schriftstellerinnen und Schriftsteller auszeichnet. Wir sind, was wir erinnern. Und ich will nicht aufhören, zu hoffen, dass uns erinnern hilft und daher eine positive Wendung von Köhlmeiers Warnung möglich ist. Auch zum großen Guten kommen die Menschen nie mit einem Schritt, sondern mit vielen kleinen Schritten. So ein Schritt möge dieser Tag und diese Initiative von Globart sein. Michael Köhlmeier, der, wie erwähnt, leider erkrankt ist und dem wir alle gute Besserung wünschen, hat Cornelius Obonya gebeten, für ihn seinen Köhlmeiers Schlussvortrag zu präsentieren. Der führt uns mit seinem Titel zur anfangs, zur mittags gestellten Frage zurück: In welcher Verfassung ist unser Land?
Der Titel von Michael Köhlmeiers Vortrag lautet: Über das Grinsen in der Politik. – Cornelius, darf ich dich bitten. (Beifall.)
Cornelius Obonya (Schauspieler): Schönen Nachmittag, meine Damen und Herren!
Michael Köhlmeier, Über das Grinsen in der Politik: Grinsen ist die Bestätigung eines stillschweigenden Einverständnisses. Zu einem Einverständnis aber gehören mindestens zwei. Das Grinsen benötigt also einen Adressaten. Für sich allein wird vielleicht gelächelt, aber nicht gegrinst. Wobei das auch das Lächeln einer näheren Analyse wert wäre, die dann offenbarte, dass es verschiedene Arten desselben gibt: manche lieblich, andere abgrundtief böse – aber das ist nicht unser Thema.
Das Grinsen enthält also immer eine Mitteilung. Nicht immer, aber oft lautet die Mitteilung des Grinsers: Du weißt, dass ich weiß! Ich weiß, dass du weißt! – Der Grinser darf also voraussetzen, dass sein Adressat Bescheid weiß, nein, er muss sich sogar darauf verlassen, dass sein Adressat Bescheid weiß. Das Wissen um den Gegenstand, dessentwegen gegrinst wird, verbindet den Grinser mit seinem Adressaten. Weiß der Adressat nicht Bescheid, ist das Grinsen sinnlos und wird als blöd missverstanden, wie auch der Grinser dann riskiert, als blöd bezeichnet zu werden. Der Grinser aber ist nicht blöd, im Gegenteil, er will gerade mit seinem Grinsen einem Wissenden kundtun, dass jene, die dieses Grinsen nicht verstehen, blöd sind. Wer will schon blöd sein?
Also wird der Zeuge des Grinsens das Grinsen verstehen wollen, zumindest wird er so tun, als ob er es verstünde, und damit ist er dem Grinser auf den Leim gegangen. Der Grinser steht nicht nur wie wir, die wir uns einbilden, mit einer durchschnittlichen Intelligenz ausgestattet zu sein, eine Stufe über dem Blöden, sondern dazu noch eine Stufe über uns, sozusagen auf einer Metaebene der Intelligenz, von wo aus er sich zutraut, mächtig genug zu sein, den als blöd zu bezeichnen, der ihm nicht folgt.
Kennzeichnend für diese Metaebene ist eben das Grinsen, das in diesem Fall besonders raffiniert eingesetzt wird, nämlich paradox, zumal es in seiner Tradition nicht einer hohen geistigen Stufe, sondern einer primitiven zugerechnet wird. Auf alten Bildern wird der Blöde meistens grinsend dargestellt. Das Wort blöd bedeutet im Mittelhochdeutschen schwach, im Dänischen, heute noch, weich. Wenn Sie auf dänischen Landstraßen fahren, werden Sie an manchen Stellen ein Schild sehen, worauf steht: Rabatten er blød!, was so viel heißt wie: Der Randstreifen ist nicht befahrbar, weil weich.
Der Blöde ist, wie man sagt, weich in der Birne. Im Unterschied zu unserem Grinser grinst der Blöde aber ohne einen Adressaten, was allerdings bei genauerer Untersuchung nicht stimmt, denn er hat sehr wohl einen, aber den bildet er sich nur ein. Oder er ist selbst der Adressat. In beiden Fällen konstatieren wir eine geistige oder seelische Anomalität. Grinsen ohne Publikum ist tatsächlich nur blöd.
Der Grinser, speziell der Grinser in der Politik, muss sich, wie gesagt, seines Publikums sicher sein. Er muss sich sicher sein, dass sein Publikum erstens über den Gegenstand des Grinsens Bescheid weiß, zweitens, dass es sich nicht gegen sein Grinsen empört, jedenfalls nicht, solange er noch anwesend ist und das Grinsen anhält. Die Frage, ob das Publikum auf seiner Seite steht oder nicht, braucht ihn nicht zu beunruhigen. Das Grinsen kennt keine Gemeinsamkeit aus einer weltanschaulichen Überzeugung heraus, es kennt nur die Kumpanei. Der Gegenstand, der nicht ausgesprochen, sondern durch das Grinsen angedeutet wird, kann noch so heilig, noch so verderblich, noch so erhaben, noch so niederträchtig sein; eingepackt in Grinsen wirkt er immer harmlos und gesellig.
Was regst du dich so auf? Komm runter! War doch immer so! Sind doch alle gleich! – Das Grinsen ist geistiges Schunkeln und Schulterklopfen. Grinsen ist öffentlich zugänglich. Wird zwar über den Gegenstand des Einverständnisses geschwiegen, so soll doch nicht im Geheimen gegrinst werden. Grinsen ist demokratisch. Grinsen schließt niemanden aus, jedenfalls niemanden, der zusieht, ohne sich zu rühren, und schon gar nicht jene, die mitgrinsen. Alle dürfen das Grinsen sehen, alle sollen das Grinsen sehen, alle sollen sehen, dass ein Einverständnis über einen Gegenstand besteht, und zwar ein stillschweigendes Einverständnis. Man fragt sich, warum ist das Einverständnis dann stillschweigend? Warum wird nicht offen und in der Öffentlichkeit über den Gegenstand des Einverständnisses gesprochen, wenn eh alle Bescheid wissen? Antwort: weil der Gegenstand kompromittierend ist. Es gibt Dinge, die man argwöhnt, die man nicht wahrhaben will, deren Gewissheit man jedoch nicht zu ertragen glaubt.
Sprache verschafft Gewissheit, kann zumindest Gewissheit verschaffen. Mimik dagegen ist vage, auch wenn sie es nicht sein will. Grinsen ist immer vage und will es sein, deshalb kann dem Grinser nichts nachgewiesen werden. Dem Grinser und seinem Publikum eignet ein Vertrauen in die Magie der Sprache. Grinser und Publikum sind in ihrem Innersten davon überzeugt, dass eine Sache erst real ist, wenn sie ausgesprochen wird. Dies entspringt einer zutiefst religiösen Weltanschauung. Die Welt war vor der Schöpfung in Gottes Geist längst gegenwärtig, Realität wurde sie aber erst, als sie Gott ausgesprochen hat. Gott sprach, es werde Licht und so weiter. Bevor Gott die Welt in Wort kleidete, konnte sie weder bejubelt noch kritisiert, weder bestaunt noch abgelehnt werden. Sie war und war noch nicht. Das ist wahrhaft Magie.
Solange der Gegenstand des Einverständnisses, auf das der Grinser mit seinem Grinsen anspielt, nicht ausgesprochen ist, kann ernsthaft niemand dagegen sich erheben, kann niemand dagegen rebellieren. Der Rebell wäre ein Don Quijote, der gegen Windmühlen kämpft, eine lächerliche Figur. Schaut ihn der Grinser an, wird sein Grinsen zum Auslachen. Dabei muss sich die Stellung des Mundes, die Einfassung der Augen, die Blähung der Nasenlöcher in keiner Weise verändern. Ob Grinsen oder Auslachen entscheidet hier nicht der Grinser, sondern der, der das Grinsen empfängt. Für den Komplizen ist es Grinsen, für den Rebellen auslachen.
Grinsen ist immer mehrdeutig, was aber heißt, es muss gedeutet werden. Ich wiederhole: Dem Grinser kann niemand etwas nachweisen. Wie ein Kunstwerk ist er stumm. Die Bedeutung seiner Visage liegt in der Deutung und die Deutung liefern die anderen. Des Grinsers Absicht ist es, alle, die sein Grinsen sehen und deuten, zu seinen Komplizen zu machen. Zu Komplizen werden sie, indem sie schweigen. Sie schweigen, weil wer den Gegenstand des Einverständnisses ausspricht, Gefahr läuft, entweder der Lüge oder der Dummheit geziehen zu werden, denn der Grinser könnte jederzeit behaupten, er grinse wegen etwas ganz anderem oder er grinse gar nicht, sondern lächle. Und wenn er dabei wieder grinst: Du weißt, dass es nicht so ist, ich weiß, dass es nicht so ist, du weißt, dass ich es weiß, ich weiß, dass du es weißt!, dann könnte ihm wieder niemand zweifelsfrei vorlegen, was er wirklich meint, obwohl es alle wissen, denn ausgesprochen würde es wieder nicht. Sozusagen: Wer die Sache ausspricht, ist ein Spielverderber oder ein Verräter. Sozusagen, weil es eben nicht gesagt wird.
Daraus ergibt sich: All jene, die das Grinsen sehen und deuten und schweigen, lassen sich machen und machen sich selbst zu Komplizen des Grinsers, auch wenn sie es nicht wollen. Sie sind also schuldig, mitschuldig, mit Nachdruck auf mit, und somit aufgenommen in die Kumpanei. Zu viele Worte wären nötig, um sich gegen das Grinsen aufzulehnen, und alle Worte würden durch das bloße Grinsen ins Lächerliche gezogen, sodass zuletzt der Widerstand gegen das Grinsen das Grinsen und den Grinser überzeugender erscheinen lässt als zuvor.
Dem Grinsen ist mit Argumenten nicht beizukommen, Grinsen ist absolut und diktatorisch, es zielt nicht auf den Verstand, sondern auf das Gemüt, tut aber so, als wäre es umgekehrt. Finster durch seinen Charakter, argwöhnisch durch seine Stellung betrachtet der Grinser nur diejenigen als seine Verbündeten, die sich selbst zu seinen Komplizen machen, und weil das viele sind, spielen die Standhaften, die in des Grinsers Augen die Unwilligen sind, keine Rolle. Sie werden sozusagen niedergegrinst.
Außerdem ist das Grinsen konspirativ. Der Grinser ist ein Verschwörer und macht all jene, die stillschweigend in sein Grinsen einwilligen, zu Mitverschwörern. Das Grinsen ist eine Verschwörung gegen die Wahrheit, und es ist eine klandestine Verschwörung, aber nicht in dem Sinn, dass niemand den Verschwörungscharakter erkennt oder erkennen soll, sondern abermals umgekehrt, dass alle ihn erkennen, aber niemand die Absicht beweisen kann. Insofern ist das Grinsen auch eine Verschwörung gegen die Sprache. Die Macht und Herrlichkeit der Sprache besteht in der Auseinandersetzung, im Abwägen des Für und Wider, im Gefecht der Argumente, in der Weltwerdung der Gedanken. Diese Macht setzt das Grinsen außer Kraft. Es ist somit mit der Gewalt vergleichbar: Grinsen ist Gewalt ohne Gewalt.
Wer sich erst nicht gegen das Grinsen aufgelehnt hat, macht sich unglaubwürdig, wenn er sich später aufregt über den Gegenstand, den das Grinsen mit seinem und dem Einverständnis des Publikums verschleierte und verharmloste. Wenn ein Parlamentspräsident grinsend die Aufhebung der Wahrheitspflicht vor einem Untersuchungsausschuss fordert und wir mit seinem Grinsen mitgrinsen, in sein Grinsen einstimmen, als wäre es ein gemütliches Schunkellied, und sei es nur, weil wir baff sind über so viel Chuzpe, dann soll – das ist die Absicht – uns auch nichts anderes übrig bleiben, als zu grinsen. Wenn ein Finanzminister unter Wahrheitspflicht 86 Mal sich nicht erinnern kann und dann auch noch der Welt und den zuständigen Beamten weismachen möchte, seine Frau führe seinen Laptop gerade mit dem Kinderwagen spazieren. Oder wenn ein Kanzler – denken wir uns einen solchen! – beteuert, der Beweis, dass er eine Straftat nicht begangen habe, sei, dass er wusste, die Tat ist strafbar.
Kann ich so etwas sagen, ohne zu grinsen? – Schon. Ich muss ja nicht selber grinsen, ich muss nur einen parat haben, der stellvertretend für mich grinst. Der Reichsverweser im Reich der Zumutungen ist der Grinser. Aber er hat einen König über sich. Der Grinser grinst nämlich nicht im eigenen Interesse. Es ist immer einer da, der grinsen lässt. Der Grinser grinst nicht in die eigene Tasche, er grinst stellvertretend. Der Grinser ist loyal. Er grinst über alles, worüber zu grinsen der König ihn bittet. Dem Grinser braucht der König nichts zu befehlen, der König hat es nicht einmal nötig, zu bitten. Was wäre das für ein König, wenn seine Unterläufel nicht wüssten, was er sich wünscht? Das entlastet den König, denn er kann für die Erfüllung seiner Wünsche nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn die Wünsche nicht ausgesprochen wurden, jedenfalls nicht hörbar, in der Öffentlichkeit. Er darf auch jederzeit sagen: Die anderen sind es gewesen. Jene anderen werden es bestätigen, grinsend, selbst wenn sie zur Rechenschaft gezogen werden.
Dürfen wir uns den Grinser als einen glücklichen Menschen vorstellen? – Aber ja! Er trägt wenig Last an Überzeugungen. Weil er das ausgelagerte schlechte Gewissen seines Königs ist, ist sein eigenes Gewissen frei von Schuld. Der politische Grinser grinst aus rein beruflichen Gründen. Ob er innerlich selbst mitgrinst, wenn er grinst, ist nicht herauszukriegen und auch belanglos. Fragte ihn jemand danach, er würde wahrscheinlich anstatt zu antworten grinsen.
Der Clown muss nicht unbedingt ein lustiger Mensch sein. Diese Diagnose war so überraschend, dass der Volksglaube entstand, er sei ein trauriger. Ist er das? – Es ist nicht herauszukriegen. Immer wieder und überall wird man bei einer gewissen Auffassung von Politik den Grinser finden, den Lakaien, den Schlauen, den doppelt Schlauen, einen, der das Unzumutbare ins Zumutbare verwandeln soll, mithilfe herbeigegrinster Komplizenschaft, einen, der das Empörende herunterspannt zu einem: Eh scho wissen!, zu einem: Ist doch schon längst abgenudelt!, zu einem: Kannst mir eh nichts beweisen!, einem: Wirst eh nichts finden!
Der Grinser gehört zur Grundausstattung jener Weltsicht, die nie an sich selbst, immer aber daran zweifelt, ob den anderen Menschen die Wahrheit zumutbar sei, wobei sie allerdings für sich die Definitionshoheit sowohl über den Begriff Mensch als auch über den Begriff Wahrheit beansprucht. So wie der Schuldumdreher vorausgeschickt wird, wenn ein schmutziger Weg eingeseift, so wird der Grinser nachgeschickt, wenn das allzu Offensichtliche verunklart werden soll. Wo gegrinst wird, kann doch nicht allzu Schlimmes passiert sein, sonst würde der ja nicht grinsen. Vielleicht verschont mich ja das allzu Schlimme, wenn ich mitgrinse.
Grinsen tarnt sich als Großzügigkeit gegenüber menschlich allzu Menschlichem. Sind wir nicht alle so? – Wer etwas Rotes verstecken will, streicht am besten alles rundherum rot an. Übrigens: Nein, nicht alle sind so. Für jede Arbeit gibt es einen entsprechenden Arbeiter, der Grinser ist nicht unbedingt der mit der ganz großen Lohntüte. Sicher ist er nicht der Einzige, der zur Erhaltung der Macht und ihres Images abgestellt wird. Vielleicht ist er nicht der Effektivste, aber gewiss einer der Schäbigsten.
Vielen Dank. (Beifall.)
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir an dieser Stelle ein privates Wort, ich hoffe, ich darf es: Vorher durfte ich ein bisschen mithören bei der Diskussion, was ist eine gute und eine gerechte Verfassung? Ich finde, bei einer neuen Verfassung sollten Menschen wie Michael Köhlmeier mitarbeiten dürfen. – Herzlichen Dank. (Beifall.)
Michael Kerbler: Vielen Dank, Cornelius Obonya. Es ist an mir, ich versuche ein kleines, ein kurzes Resümee über diesen Nachmittag, für den ich mich bedanke, dass ich mit Ihnen gemeinsam durch diesen Nachmittag gehen durfte. Ich finde die Auswahl so toll, die da getroffen wurde, dass Paulus Hochgatterer auch zitiert wurde, weil ich mir - - Ich habe bei Globart zwei Gespräche mit Peter Sloterdijk geführt, weil ich auf dieses Zitat Wert lege, weil es sehr viel auslöst, dieses Zitat – einmal sei es noch gesagt: Nach meiner Auffassung – sagt Sloterdijk – sind die politischen Großkörper, die wir Gesellschaften nennen, in erster Linie als selbststressierende, permanent nach vorne stürzende Sorgensysteme zu begreifen. Diese haben nur in dem Maß, wie es ihnen gelingt, durch den Wechsel der Tages- und Jahresthemen ihren spezifischen Unruhetonus zu wahren. Aus dieser Sicht ist eine Nation, ein Kollektiv, dem es gelingt gemeinsam Unruhe zu bewahren. – Zitatende.
Ich finde Unruhe nicht unangenehm, nicht per se böse. Ja, ich glaube, Sie alle, wir alle, wir haben die Unruhe gespürt in den letzten Monaten, sie wird uns so rasch nicht verlassen und viele der Ursachen, die uns beunruhigen, haben wir ja heute gemeinsam ziemlich deutlich angesprochen. Unruhe vor allem dann, wenn sie mit Vorahnung und dem Gespür für Veränderung gepaart ist, kann sogar Positives hervorbringen.
Und weil ich Globart so lange kenne, sage ich das heute: Es ist Globart in den zurückliegenden Jahren meiner Meinung nach gelungen, gemeinsam konstruktiv konstruktive Unruhe zu bewahren und zugleich für sozialen Zusammenhalt zu sorgen. Dass das gelungen ist, ist der Intendantin Heidemarie Dobner geschuldet und den vielen, vielen engagierten mitwirkenden Expertinnen und Experten, die es immer gelungen ist zusammenzubringen, egal wo, ob jetzt Zwentendorf, ob in Krems, es gibt so viele Erinnerungen, die bei mir auftauchen bei Gesprächen oder bei Veranstaltungen etwa in der Kirche in Krems mit Markus Hinterhäuser und anderen.
Globart hat aber auch in einem anderen Wortsinn meiner Meinung nach, nach einem anderen Wortsinn von Unruhe Schrittmacherqualität. Die Unruhe oder besser gesagt die Unruh einer mechanischen Uhr ist es, die Taktgeberfunktion hat. Die Schwingungen des kleinen Rädchens sind es, die letztlich die Zeit exakt anzeigen, welche Stunde es geschlagen hat. Die Unruh wird übrigens auch Balance genannt von den Uhrmachern, und die Balance zu wahren, inhaltlich, künstlerisch, an den Bedürfnissen der Menschen Maß nehmend, auch das ist Globart gelungen.
Ich wünsche uns, Ihnen, dass wir vielleicht in fünf Jahren wieder hier sind, um auszuloten, was dieser Tag angestoßen hat an Diskussion, an Veränderung, als Katalysator gewirkt hat. Ich hoffe, dass dann Michael Köhlmeier auch hier stehen wird und die Schlussrede halten wird, und ich hoffe, dass auch das Wort – einmal sei es noch zitiert – von Alexander Van der Bellen Gültigkeit hat: Es gibt keinen Grund, besorgt zu sein, denn gerade in Zeiten wie diesen zeigt sich die Schönheit, ja die Eleganz der österreichischen Bundesverfassung. – In diesem Sinn wollen wir die nächste Verfassung darauf prüfen, ob sie über Eleganz und auch Schönheit verfügt.
Danke, dass Sie hier waren, danke für Ihre Beiträge, Ihren Input, und es war ein besonderer Tag hier, lieber Hans, im Hohen Haus. Danke schön! (Beifall.)
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(Es folgt ein Musikstück.)
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