Transkript der Veranstaltung:
Budgetausschuss – öffentliches Expertenhearing

Gabriel Obernosterer (ÖVP, Abgeordneter zum Nationalrat): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und begrüße die Expertinnen und Experten. Ich danke Ihnen, dass Sie der Einladung des Budgetausschusses gefolgt sind.

Zwischen den Klubs wurde folgende Vorgangsweise vereinbart:

Zunächst werden die Expertinnen und Experten in alphabetischer Reihenfolge ein maximal 8-minütiges Einleitungsstatement abgeben. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, das Einleitungsstatement 1 Minute lang zu ergänzen. Dann beginnt die erste Fragerunde.

Es werden zumindest zwei Fragerunden abgehalten. Die Redner werden in folgender Reihenfolge aufgerufen: SPÖ, Grüne, FPÖ, ÖVP, NEOS. Jeder Klub hat 4 Minuten Fragezeit pro Fragerunde. Allenfalls verbleibende Beratungszeit wird in der letzten Fragerunde gleichmäßig auf die Klubs aufgeteilt. Die Abgeordneten sollten ihre Fragen gezielt an eine bestimmte Expertin oder an einen bestimmten Experten oder an den Bundesminister richten. Die Antworten erfolgen jeweils direkt nach der Frage.

Gibt es gegen diese Vorgangsweise eine Einwendung? – Ich sehe, das ist nicht der Fall, und daher gehen wir so vor.

Wir kommen zur gemeinsamen Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2. Als Berichterstatter für den Tagesordnungspunkt 1 wurde mir Herr Jakob Schwarz genannt und als Berichterstatter für den Tagesordnungspunkt 2 Herr Kollege Hanger. – Ich bitte nun zuerst um den Bericht.

Jakob Schwarz (GRÜNE, Abgeordneter zum Nationalrat): Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Ich erstatte Bericht über das Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2022 bis 2025 erlassen wird, Bundesfinanzrahmengesetz 2022 bis 2025 – BFRG 2022-2025, 1035 der Beilagen und Zu 1035 der Beilagen, und bitte um Eingang in die Debatte.

Gabriel Obernosterer: Herr Kollege Hanger.

Andreas Hanger (ÖVP, Abgeordneter zum Nationalrat): Danke, Herr Vorsitzender. Ich erstatte Bericht zu Tagesordnungspunkt 2: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2022, Bundesfinanzgesetz 2022 – BFG 2022, samt Anlagen, 1034 der Beilagen, und ersuche, in die Debatte einzusteigen.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals für die Berichterstattung.

Ich möchte die Expertinnen und Experten nochmals alle recht herzlich begrüßen. Wir gehen in alphabetischer Reihenfolge vor, und zu beginnen würde ich bitten: Herrn Univ.-Prof. Dr. Christoph Badelt. – Bitte um Ihr Einleitungsstatement.

Christoph Badelt (Wirtschaftsuniversität Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr herzlich für die Einladung und möchte zu Beginn ein paar allgemeine Bemerkungen zum Budgetentwurf machen. Ich beurteile diesen Budgetentwurf insgesamt positiv, weil er einen plausiblen Weg vorgibt, durch einerseits die Reduktion der Covid-Ausgaben, andererseits durch Ausnützung des raschen Wirtschaftswachstums einen großen Schritt in Richtung Konsolidierung, Schuldenabbau und damit einen großen Schritt in Richtung Rückkehr zur finanzpolitischen Normalität zu machen. Ganz kann sie natürlich noch nicht da sein, aber es ist ein großer Schritt in diese Richtung. Und die Begleitung oder die Abbildung der ökosozialen Steuerreform halte ich auch für einen großen Vorteil. Darüber werden wir dann vielleicht noch im Einzelnen reden, was die ökosoziale Steuerreform betrifft.

Zweitens: Ich halte die Eckdaten, die im BVA drinnen sind, vor allem auch die Eckdaten über die künftige Entwicklung des Finanzierungssaldos, der Staatsschulden et cetera für sehr vorsichtig. Das halte ich für verantwortungsvoll, weil ich glaube, dass es gut ist, nicht ein Scheinbudget vorzulegen, wo dann die Zahlen nicht stimmen können. Wir haben im Fiskalrat auf einer neueren Informationsgrundlage, als sie das Finanzministerium bei der Erstellung des BVA-Entwurfes hatte, die Eckdaten noch einmal neu gerechnet und sind zu einer optimistischeren Einschätzung gekommen.

Also beispielsweise prognostizieren wir jetzt aufgrund der neuen Wifo-Prognose und auch aufgrund neuerer Einnahmendaten – die damals noch nicht vorgelegen sind, als der BVA-Entwurf gemacht worden ist –, rechnen wir etwa im 2021er-Jahr mit einem Finanzierungssaldo von minus 5,4 Prozent und im 2022er-Jahr mit minus 1,6 Prozent, und der Haushaltsentwurf war etwas pessimistischer: minus 6 Prozent, minus 2,3 Prozent.

Bei den Staatsschulden ist auch ein Unterschied festzustellen. Wir rechnen heuer mit 82,3 Prozent, also einem ersten Rückgang, zum Jahresende und im nächsten Jahr mit 77,7 Prozent. Das Finanzministerium war hier auch noch vorsichtiger.

Also Sie sehen, grundsätzlich hat sich die Situation zum Besseren gewendet, sie hat sich vor allem aufgrund des immer stärker werdenden Wirtschaftswachstums zum Besseren gewendet. Ich muss aber schon dazusagen – obwohl es wahrscheinlich alle im Raum wissen –: Wenn uns von der Coronapandemie her irgendwelche neuen wirtschaftlichen Probleme drohen, dann kann das natürlich alles falsch sein – das muss man leider sagen –, und diese Aussage ist heute mit mehr Problemen behaftet als vor 14 Tagen, wenn man sich die Zahlenentwicklung anschaut. Wenn ich mir vorstelle, die Deutschen machen eine Reisewarnung für Österreich, dann will ich nicht wissen, was das für den Wintertourismus heißt, und dann würde sich das, was das BIP betrifft und so weiter, sehr negativ auswirken.

Ich möchte, gerade weil Sie den Fiskalratsvorsitzenden eingeladen haben, auch hier unsere Einschätzung der EU-Fiskalregeln sozusagen offiziell zu Protokoll geben. Jetzt muss man sagen, streng genommen bräuchte man die ja im 2022er-Jahr noch nicht einzuhalten, weil es eine allgemeine Ausweichklausel bis Ende 2022 gibt, aber – und umso besser – wenn die Fiskalregeln jetzt auch voll gelten würden, dann muss man sagen, der Finanzierungssaldo wird schon ab 2022 deutlich unter den 3 Prozent, also den minus 3 Prozent liegen. Mit anderen Worten: Wir hätten diese Regel auf jeden Fall erfüllt, und wir sind auch am besten Weg, eine regelkonforme laufende Rückführung der Schuldenquote in den nächsten Jahren durchzuführen. Also nach unseren längerfristigen Prognosen würden wir etwa 2025 schon auf 72 Prozent gekommen sein, hätten aber von 82,8 Prozent begonnen. Also unter diesem Gesichtspunkt ist das jedenfalls einmal positiv zu sehen.

Vielleicht ein paar Worte aus meiner Sicht zum Beginn der Diskussion, was die ökosoziale Steuerreform betrifft. Sie prägt das Budget beziehungsweise den Finanzrahmen. Im Vollausbau rechnen wir mit 6,1 Milliarden Euro bis 2025. Das ist ein bisschen weniger als in den offiziellen Dokumenten des Finanzministeriums, weil man dort die erste Etappe der Steuerreform auch dazugerechnet hat, und diese 6,1 Milliarden beziehen sich tatsächlich auf das, was jetzt neu beschlossen wird.

Es ist vielleicht ganz interessant zu wissen, dass wir im Fiskalrat im Vollausbau der ökosozialen Steuerreform 2025 mit einem Saldoeffekt von minus einem Prozentpunkt rechnen. Das heißt, dass, verglichen mit einer Situation ohne ökosoziale Steuerreform, das Defizit im Vollausbau 2025 um einen Prozentpunkt kleiner wäre – da ist die Selbstfinanzierung schon berücksichtigt –, und das ist natürlich eine Folge der staatlichen Entlastungen, die ja in verschiedener Form in dieser ökosozialen Steuerreform drinnen sind, und sie sind ja im Grunde genommen auch bei - - Wenn Sie sich die erwarteten Einnahmen aus der CO2-Bepreisung und die bereits versprochenen Einnahmen durch die entsprechenden Entlastungsmaßnahmen sowohl in der Einkommensteuer selbst als auch im Familienbonus anschauen, dann sehen Sie ja, dass da in den ersten Jahren sozusagen der Staat hineinzahlt und erst 2025 diese Effekte ausgeglichen werden.

Ein letztes Wort noch vielleicht, weil ich irgendwie damit rechne, dass das auch zum Thema wird: Wir haben in diesem Budget die große ökosoziale Steuerreform abgebildet, und wir haben in verschiedenen UGs kleinere Reformmaßnahmen drinnen, die dort abgebildet sind – ich sage, was weiß ich, im Bildungsbereich die besonders benachteiligten Schulen oder die Deutschklassen oder die Sommerschulen und dergleichen mehr. Also solche Dinge sind da drinnen. Sie haben im Pflegebereich etwa die Communitynurses drinnen und dergleichen mehr. Aber wir müssen uns natürlich darüber im Klaren sein, dass das alles Bereiche sind, wo inhaltlich gesehen noch größere Reformen anstehen, die aber noch nicht getan sind, wo man noch keine politische Einigung hat und die sich daher im Budget noch nicht niederschlagen können, und die werden sich halt dann in den künftigen Budgets niederschlagen.

Ich möchte auch – auch wenn man uns Wirtschaftsforscher ein Stück weit belächelt, weil wir immer mit dem gleichen Ceterum-censeo aufhören – darauf aufmerksam machen, dass auf der wirtschaftspolitischen Agenda eben auch größere Reformen oder Reformdiskussionen im Zusammenhang mit den langfristigen demografischen Wirkungen anstehen und dass wir (der Vorsitzende gibt das Glockenzeichen) – okay, ich sage den Satz nur noch zu Ende – dringend Strukturreformen brauchen, um die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu sichern, und irgendwie werde ich da noch einmal einen Weg finden, zu diesen Strukturreformen etwas zu sagen. – Danke, Herr Vorsitzender.

Gabriel Obernosterer: Recht herzlichen Dank, Herr Professor.

Als Nächsten bitte ich Mag. Martin Grundinger um seine Ausführungen. – Bitte schön.

Martin Grundinger (Austrian Economics Center): Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorweg etwas zum Erfolg der Hilfsprogramme, nachdem das nach der Budgetrede ein großes Thema war: Unter den 27 EU-Ländern liegen beim prognostizierten Wachstum über die Jahre 2020 bis 2022 folgende Länder hinter Österreich: Griechenland, Portugal, Spanien und Italien – Ende der Liste.

Nun zum Budget: An diesem möchte ich drei Punkte kritisieren.

Erstens: Das Budget basiert auf sehr vielen Unsicherheiten und ist geprägt von unerfüllt bleibenden Versprechen. Es ist ein Budget, bei dem auf einen weitgehend wolkenlosen Konjunkturhimmel gesetzt wird. Die Annahmen lauten: Inflation und Zinssätze bleiben sehr niedrig, und das Wirtschaftswachstum fällt gleichzeitig sehr kräftig aus. Die Steuereinnahmen erhöhen sich von 2019 bis 2025 um über 20 Prozent, die Staatsausgaben im gleichen Zeitraum um 22 Prozent, und damit liegen die Steigerungsraten weit über der prognostizierten Inflationsrate in diesem Zeitraum, sowohl bei den Steuereinnahmen als auch bei den Staatsausgaben. Eine Entlastung kann ich da relativ schwer erkennen.

Die Annahme, dass das schrittweise Auslaufen der Hilfsmaßnahmen zu keinen gröberen wirtschaftlichen Verwerfungen führen wird, halte ich für unbegründet, denn die Geldflut der letzten Jahre hat nicht zu einer Lösung von Problemen geführt, sondern zu einem Rückstau, und dieser droht sich nach dem Ende der Hilfsmaßnahmen in geballter Form zu entladen. Dieses Risiko wurde bei der Ausgabenplanung ebenso wenig berücksichtigt wie die Risiken bei Inflation und Zinssätzen. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass jene Indikatoren und Prognosen, die zur Begründung des Optimismus verwendet wurden, teilweise schon wieder auf eine konjunkturelle Eintrübung hindeuten.

Zweitens, Thema CO2-Steuer: Ich möchte vorausschicken, dass ich den Klimawandel für ein zu wichtiges Thema halte, um es der Politik zu überlassen. Wenn man Kostenwahrheit bei CO2-Emissionen herstellen will, ist die Kenntnis der wahren Kosten von CO2-Emissionen Voraussetzung dafür. In dem Zusammenhang werden meistens die social costs of carbon verwendet. Die Höhe dieser hängt jedoch stark davon ab, was die Annahmen bezüglich Risikoaversion, bezüglich Zeitpräferenzrate sind. Und abhängig von diesen Annahmen können je nach Modell die Kosten von CO2 beziehungsweise die social costs of carbon sehr niedrig oder sogar negativ werden. Aus diesem Grund kann es für die Funktion einer Wirtschaft kontraproduktiv sein, wenn man den CO2-Preis auf einen festen Preis festlegt. Daher stellt sich mir jetzt die Frage: Ist man bereit, dass man beispielsweise auf Veränderungen in der Zeitpräferenzrate oder bei der Risikoaversion mit einem geänderten CO2-Preis oder mit einer geänderten CO2-Steuer reagiert? Meine Vermutung ist nämlich, dass man die CO2-Steuer schrittweise einem völlig unbestimmten Wert nahe unendlich annähern will.

Ich möchte außerdem darauf hinweisen, dass der Klimabonus in der derzeitigen Form die Verluste durch die CO2-Steuer bei jenen Gruppen überkompensiert, die die höchste CO2-Intensität im Konsum haben. Ein solcher Klimabonus steigert deshalb natürlich die CO2-Emissionen. Und ob in der Gesamtschau – CO2-Steuer und Klimabonus – die CO2-Emissionen dann tatsächlich sinken oder steigen, das wird man abwarten müssen. Eine Steigerung ist aber alleine schon aus dem Grund nicht unwahrscheinlich, weil die Nachfrageelastizität bei den betroffenen Gütern relativ niedrig ist.

Drittens: Dieses Budget setzt weiterhin auf eine Abhängigkeit der Bürger von Gefälligkeiten der Politik sowie auf eine Ausdehnung des politischen Einflusses. Politische Konsum- und Investitionsentscheidungen treten verstärkt an die Stelle von privaten Konsum- und Investitionsentscheidungen. Die kalte Progression wird nicht abgeschafft. Steuerliche Entlastungen fallen einer zunehmenden Lenkung über Förderungen zum Opfer. Für das nachhaltige Funktionieren einer bedürfnisgerechten Wirtschaft braucht es hier ein fundamentales Umdenken. Wenn die Bürger nicht konsumieren oder investieren wollen, dann ist davon auszugehen, dass sie das aus guten Gründen nicht machen. Schreitet die Politik ein und konsumiert oder investiert auf Kosten der Bürger dort, wo sie es für richtig hält, dann kommt das einer wirtschaftlichen Entmündigung der Bürger gleich. Die Politik richtet auf diesem Weg den Bürgern aus, dass sie in der Lage ist, die besseren wirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen. Ein solcher Glaube hat keine wirtschaftstheoretische Grundlage.

Ähnlich verhält es sich bei Förderungen. Will man mittels solcher die Entscheidungen der Bürger in eine gewisse Richtung lenken, gibt man vor, besser zu wissen als diese selbst, was sie eigentlich zu tun haben. Den Bürgern werden das Ausfüllen zahlreicher Formulare und zahllose Behördengänge abverlangt, nur um einen Teil der bezahlten Steuern zurückzuerhalten. Die hierfür benötigte Zeit steht dann nicht mehr für produktive oder sinnvolle Tätigkeiten zur Verfügung. Die Kosten der Förderungen müssen genauso wie die Kosten der Administration der Förderungen von denjenigen getragen werden, die eigentlich durch sie gelenkt werden sollen.

Ein Ende der wirtschaftlichen Bevormundung und bürokratischen Belastung wäre wahrscheinlich der größte Beitrag, den die Politik in der jetzigen Situation zu einer wirtschaftlichen Erholung leisten könnte. Obwohl das Budget als eine Ansage Richtung Zukunft bezeichnet wurde, wird das Budget den Herausforderungen der Zukunft nicht gerecht. Es handelt sich um ein Budget der Mehrbelastungen sowie der politischen Willkür und Bevormundung, das auf einem sehr wackeligen Prognosefundament steht. – Danke schön.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals, Herr Magister.

Als Nächste bitte ich Frau Dozent Dr. Monika Köppl-Turyna um ihre Ausführungen. – Bitte schön.

Monika Köppl-Turyna (EcoAustria Institut für Wirtschaftsforschung): Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Obmann! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, hier ein paar Worte zu sprechen. Ich fange an mit einer Bestandsaufnahme zur Steuerreform und zur Krise, und danach werde ich tatsächlich das Ceterum-censeo von Christoph Badelt übernehmen und über Strukturreformen etwas länger sprechen.

Die akute Krise ist zwar noch nicht ganz vorbei, aber tatsächlich sind wir auf einem soliden Wachstumskurs, mindestens für die nächsten zwei Jahre, wo Kollegen 4,4 Prozent beziehungsweise 5 Prozent Wachstum prognostizieren, etwa 0,2 Prozent davon werden durch die Steuerreform getragen. Allerdings ist dieses Wachstum massiv durch angestauten Konsum und eben durch die Steuerreform erhöhten Konsum getragen, und natürlich braucht es für ein langfristiges Wachstum angebotsseitige Politik, Innovationspolitik und Strukturpolitik. Das heißt, wir sollen uns jetzt wahrscheinlich nicht sozusagen auf die Schultern klopfen, dass das die nächsten zwei, drei Jahre gut funktioniert, sondern wirklich die längere Perspektive nehmen, und da sehen wir, dass es bereits ab dem Jahr 2022 massiv abschwächt Richtung 2 Prozent jährlich, und dafür braucht es aber eben weitere strukturelle Schritte.

Nun zur Steuerreform: Die CO2-Bepreisung ist grundsätzlich als sehr positiv zu sehen. Der Preis ist am Anfang relativ gering, aber bereits im Jahr 2025 liegt er deutlich über dem europäischen Niveau, das derzeit bei 35 Euro im Schnitt liegt, und da erwarten wir tatsächlich, dass die Klimaziele grundsätzlich – mit vielleicht ein paar Maßnahmen extra – erreicht werden können. Auch die wirtschaftliche Wirkung ist positiv. Unser Institut hat zusammen mit dem BMF berechnet, dass die Steuerreform etwa 30 000 zusätzliche Arbeitsplätze mit sich bringt und mittelfristig das BIP um 1 Prozent erhöht, womit wir hier grundsätzlich eine positive Wirkung sehen.

Auch die Abgabenquote – das ist auch immer ein Ziel der Regierung gewesen, die Abgabenquote zu senken – soll bis ins Jahr 2025 um einen Prozentpunkt sinken. Das ist grundsätzlich die gute Nachricht.

Jetzt kommt das Ceterum-censeo: Jetzt müssen weitere Schritte folgen. Eines der Kernelemente der Schritte ist natürlich die weiterhin sehr hohe Belastung des Faktors Arbeit. Wir haben das untersucht und wir haben gesehen, dass die Belastung sich ab dem Jahr 2000 de facto nicht geändert hat – wir haben mehrere Steuerreformen gehabt, die dann innerhalb von wenigen Jahren durch die kalte Progression wieder zunichtegemacht worden sind –, und der große Anstieg der Belastung der Arbeit passierte schon früher, ab dem Jahr 1975. Im Jahr 1975 hat eine Person mit einer Höchstbeitragsgrundlage, also ein Sehr-gut-Verdiener, 44,5 Prozent des Bruttoeinkommens abführen müssen. Heutzutage muss eine Person, die Mindestlohn bezieht, 44,2 Prozent abführen – das heißt natürlich: all jene, die mehr verdienen als den Mindestlohn, entsprechend mehr.

Diese Entwicklung passierte in den Jahren 1975 bis 2000, aber seitdem bewegen wir uns de facto seitwärts, und die Steuerreform ist eine Entlastung, aber die ist noch nicht groß genug. Und das ist natürlich auch eines der Kernelemente des internationalen Wettbewerbs, der Standortpolitik. Gerade jetzt, angesichts des massiven Fachkräftemangels, muss die Belastung des Faktors Arbeit hier noch mehr Priorität bekommen.

Die in der Steuerreform vorgesehene Senkung der Unternehmensbesteuerung ist ein wichtiger und richtiger Schritt zur Sicherung des Standorts. Nun sollen aus unserer Sicht eben weitere folgen. Mindestens zwei Maßnahmen wären hier anzudenken: erstens die Verlängerung des Verlustrücktrages mindestens bis die Krise vorbei ist – aber grundsätzlich wäre eine Etablierung auf Dauer wahrscheinlich auch sinnvoll – und die steuerliche Gleichstellung des Eigen- und Fremdkapitals, die irgendwann einmal diskutiert worden ist, aber leider keinen Platz in der Reform gefunden hat.

Vor allem eben um die Innovation des Standorts zu fördern – da sprechen wir vor allem von innovativen Jungunternehmen –, wäre es auch sehr wichtig, die Besteuerung der Mitarbeiterbeteiligungen zu verändern, und zwar sie im Rahmen der Kapitalertrag- anstatt der Einkommensteuer zu besteuern. Das ist auch eines der Elemente, wo wir im internationalen Wettbewerb Fachkräfte zu uns locken können, in Zeiten, wo dies sehr schwierig ist.

Zur Innovationsfähigkeit gehören allerdings nicht nur Rahmen für Unternehmen, sondern das beginnt alles viel früher, und zwar mit einer guten Bildungspolitik – und zu einer guten Bildungspolitik gehört auch die Elementarpädagogik. Wir verfehlen das Barcelonaziel einer Betreuungsquote bei unter Dreijährigen von 33 Prozent um 10 Prozentpunkte nach unten. Das heißt, da passiert viel zu wenig. Wir geben für diesen Bereich etwa halb so viel aus, gemessen am BIP, wie Dänemark, und das ist auch der Bereich, in dem in der Bildungspolitik die höchsten Renditen erwirtschaftet werden. Also je früher man in der Bildungspolitik Geld ausgibt, desto besser ist es tendenziell für die langfristige Entwicklung, für die Bildungserfolge, für die Produktivität.

Das Problem, das wir natürlich haben, ist: Um all diese Abgaben zu senken, müssen wir vor allem auch ausgabenseitige Reformen durchführen, denn sonst droht uns natürlich ein riesiges Budgetloch. Natürlich war es aus unserer Sicht vollkommen begründbar, in der Krisensituation Geld in die Hand zu nehmen und auf Kosten der öffentlichen Verschuldung Wirtschaftshilfen zu leisten, aber natürlich ist es jetzt an der Zeit – in normalen Zeiten sozusagen –, die Budgetdisziplin zu wahren. Das ist auch der Grund, warum wir so viel Spielraum hatten. Südländer haben maximal auf Garantien gesetzt, weil sie nicht mehr so viel fiskalischen Spielraum gehabt haben, um diese Hilfen zu leisten. Das zeigt uns: Wenn die nächste Krise kommt, müssen wir dafür gewappnet sein, indem wir eine Haushaltspolitik geführt haben, die uns diesen fiskalischen Spielraum gibt.

Um diesen zu bekommen, sind drei Bereiche zu nennen – sie sind bekannt. Ich werde niemanden überraschen, wenn ich sage: das Pensionssystem, Effizienz öffentlicher Ausgaben und die föderale Struktur.

Ich fange mit der Effizienz an. Ein Beispiel: Wir geben pro Schüler, gemessen in kaufkraftbereinigten Einheiten, etwa 11 000 Euro im Jahr aus. Dafür bekommen unsere Schüler im Schnitt 491 Punkte im Pisa-Test. In Finnland gibt man weniger als 9 000 Euro – kaufkraftbereinigt – aus, und sie haben 516 Punkte. Wir sehen hier ein enormes Potenzial: 2 000 Euro weniger pro Schüler, dafür 20 Pisa-Punkte mehr. Das heißt, in vielen dieser Bereiche gibt es Effizienzpotenziale, wo man ohne Kürzungen Leistungen verbessern kann oder mit sinkenden Kosten mindestens genauso gute Leistungen erwirtschaften kann. Das gilt genauso für die öffentliche Verwaltung und andere öffentliche Bereiche.

Was Pensionen betrifft, haben meine Kollegen und ich das sogenannte Generationskontenmodell verwendet, in dem wir prognostizieren, was mit den demografiebedingten Ausgaben bis in das Jahr 2060 passiert. Wir sehen, dass für die Pensionen, für Pflege und Gesundheit die Ausgaben um mindestens 4 Prozent des Bruttoninlandsprodukts ansteigen werden – das sind auf heute bezogen etwa 17 Milliarden Euro pro Jahr mehr. Das beginnt allerdings viel früher, weil die Babyboomer jetzt schon in Pension gehen. Das heißt, in den nächsten zehn Jahren erwarten wir die kumulierten Steigerungen der Ausgaben für Pensionen um 19 Milliarden Euro, und die waren natürlich auch in den letzten Jahren ein wesentlicher Treiber der steigenden Staatsausgaben und dieser hohen Dynamik im Budget.

Die einzige Lösung aus unserer Sicht, die vermeidet, dass die Pensionen gekürzt werden müssen oder dass die Belastung der Arbeit noch weiter steigt, ist die Anpassung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters, und zwar wirklich des gesetzlichen und nicht des faktischen, denn das faktische Pensionsantrittsalter verschiebt nur das Problem in die Zukunft, aber es löst es nicht – denn wenn ich jetzt höhere Pensionen erwirtschafte, weil ich zwei Jahre später in Pension gehe, dann muss ich die dann dennoch in fünf Jahren weiterfinanzieren.

Im Bereich des Föderalismus mangelt es nach wie vor - -

Gabriel Obernosterer: Ich würde Sie bitten – die Zeit ist schon überschritten –, zum Schluss zu kommen.

Monika Köppl Turyna: Ach so, Entschuldigung. Noch ein Satz, und dann bin ich fertig. – Im Bereich des Föderalismus fehlt es an Transparenz und Aufgabenorientierung, die auch da diese große Effizienz bei öffentlichen Ausgaben ermöglichen würde.

Vielen Dank – und es tut mir leid wegen der Überschreitung.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals, Frau Doktor.

Als Nächsten bitte ich Dr. Markus Marterbauer um seine Ausführungen. – Bitte schön, Herr Doktor.

Markus Marterbauer (Arbeiterkammer Wien): Herr Vorsitzender! Herr Bundesminister! Werte Abgeordnete! Die vorliegenden Budgetvorlagen stehen ganz im Zeichen des Konjunkturaufschwungs nach der Covid-Krise, und ich möchte über die drei Schwerpunkte des Budgets diskutieren und über einige fehlende Schwerpunkte.

Zunächst kurz zum Aufschwung: Dieser ist sehr stark. Die Industrie boomt, die Investitionen ziehen kräftig an, und die Unternehmen beweisen damit, für wie exzellent sie den Standort Österreich halten, weil sie hier so viel produzieren und investieren. Die Beschäftigung und die Einkommen wachsen stark, die Arbeitslosigkeit geht viel früher, als wir erwartet haben, auf das Vorkrisenniveau zurück, und die kräftig steigenden Steuer- und Beitragseinnahmen auf der einen Seite und die stark sinkenden Zinsausgaben dank der Niedrigzinspolitik auf der anderen Seite ermöglichen einen Rückgang des Defizits, der, wie Christoph Badelt ausgeführt hat, aus unserer Sicht im Fiskalrat sogar stärker ausfällt, als hier in den Entwürfen angenommen.

Die Bundesregierung nutzt diese Situation für eine Steuerreform, die ich recht differenziert beurteilen möchte. Auf der einen Seite haben die CO2-Abgabe und vor allem auch der Ökobonus – trotz berechtigter Kritik im Detail – Vorbildcharakter, auch in Bezug auf die Verteilungseffekte. Die Tarifreform gleicht im Wesentlichen die kalte Progression aus. Allerdings ist die Kompensation für NiedrigverdienerInnen in Form der Senkung der Krankenversicherungsbeiträge unnötig bürokratisch und benachteiligt erst recht wieder Personen mit niedrigem Einkommen. Noch dazu wäre eine Erhöhung des bewährten SV-Bonus mit Negativsteuer eine viel einfachere und gerechtere Alternative gewesen. Es ist völlig unklar, warum man hier ein neues Instrument erfindet.

Unnötige Steuergeschenke erhalten vor allem die Großunternehmen, für die es ja überhaupt keine kalte Progression gab und die ohnehin von den teils überdimensionierten Covid-Wirtschaftshilfen enorm profitiert haben. Die notwendige Besteuerung von großen Vermögen und Erbschaften fehlt einmal mehr.

Im Ergebnis ist es so, dass die Lohnsumme und der Konsum von 2019 bis 2025 um etwa ein Fünftel steigen und die entsprechenden Massensteuern, die Lohnsteuer und die Umsatzsteuer, um 29 beziehungsweise 22 Prozent. Obwohl die Gewinne sogar rascher steigen als die Löhne, stagniert das Gewinnsteueraufkommen. Das heißt, die Steuerreform verteilt zu den GewinnerInnen der Krise um, zu den Großunternehmen und zu den Vermögenden, während sich das Budget um die VerliererInnen – das sind vor allem die Arbeitslosen, insbesondere die Langzeitarbeitslosen, die prekär Beschäftigten, die EinpersonenunternehmerInnen, die Kinder aus bildungsfernen Schichten – nicht ausreichend sorgt.

Ich möchte in ein paar Bereichen jetzt auf Schwerpunkte und fehlende Schwerpunkte eingehen. Das Regierungsübereinkommen hat sich ja, und ich habe das für sehr fortschrittlich und positiv gehalten, die Halbierung der Armut zum Ziel gesetzt. Im Budget finden sich auch einzelne positive Maßnahmen, wie die 10 Millionen Euro zur Bekämpfung der Energiearmut in der UG 43 oder die 13 Millionen für das befristete Pilotprojekt psychosoziale Gesundheit für Kinder in der UG 24. Es ist alles sehr gut, aber um Dimensionen zu klein. Absolute politische Vordringlichkeit sollten haben: die Wiedereinführung einer armutsfesten bedarfsorientierten Mindestsicherung als zusätzliches soziales Netz, die Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes, Ausbau von Kindergärten, Chancenindex Schulen, bessere Gesundheitsvorsorge und ein Familienbonus auch für jene, die ihn am dringendsten brauchen und jetzt nicht bekommen.

Eine Taskforce mit dem Schwerpunkt der Armutsbekämpfung könnte mit den 800 Millionen Euro aus einem Verzicht auf die Körperschaftsteuersenkung ganz viel Gutes ausrichten und das Regierungsziel auch wirklich erreichbar werden lassen.

Ähnliches gilt für den absolut dringenden Ausbau der sozialen Pflege. In der UG 21 sind für 2022 50 Millionen für Ausbildungskosten sowie 18 Millionen für die 150 Communitynurses vorgesehen – alles positiv, doch die dringendsten Verbesserungen verlangen nach einem unmittelbaren Ausbau um mindestens 1,5 Milliarden Euro für deutlich mehr Personal, höhere Löhne in Pflegeheimen und mobiler Pflege, eine Ausbildungs- und Umschulungsoffensive, etwa um das Potenzial der 24-Stunden-Pflegerinnen für soziale Pflege nutzen zu können. 70 Prozent der zusätzlichen Pflegeausgaben finanzieren sich laut einer Wifo-Analyse durch Abgabeneinnahmen von selbst.

In der UG 24 Gesundheit ist der Ausbau von Prävention und Psychotherapie sehr positiv, fällt allerdings auch zu schwach aus. Besonders für chronisch Kranke, auf die 70 Prozent der Gesundheitsausgaben entfallen, würden bessere Vorsorge und Betreuung sowohl individuelles Leid verhindern als auch budgetäre Kosten minimieren. In unserem auch international ja sehr angesehenen Gesundheitssystem muss das Entstehen einer Zwei- oder Dreiklassenmedizin verhindert werden.

Im Bereich Bildung in der UG 30 ist ein Projekt „100 Schulen“ zur Förderung benachteiligter Schulstandorte erkennbar – positiv. Statt der dotierten 15 Millionen bräuchte es aber, selbst nur für diese 100 Schulen, mindestens 45 Millionen; und die dringliche Aufstockung des Programms auf 500 Schulen, die schon im nächsten Jahr notwendig wäre, und der wegen der enormen Herausforderungen durch die Covid-Krise ohnehin überfällige Ausbau der Schulsozialarbeit würden deutlich höhere Beträge erfordern.

In der Erwachsenenbildung fehlen Mittel, um das Nachholen von Bildungsabschlüssen finanzieren zu können, die vor allem Zugewanderte gut ins Erwerbsleben integrieren könnten.

In der Elementarpädagogik fehlt 1 Milliarde für mehr Qualität und Plätze – ich werde das jetzt nicht genauer ausführen.

Der in der UG 31 budgetierte sehr sinnvolle Ausbau der Fachhochschulen um 300 AnfängerInnenplätze sollte angesichts des Fachkräftemangels zügig verdreifacht werden.

In der UG 33 und 34 ist ein klarer, sehr positiver Schwerpunkt in der Forschung für Dekarbonisierung und Lifesciences mit 289 Millionen bis 2025 verankert, womit wir jetzt auch schon beim Budgetschwerpunkt Klimaschutz sind.

Der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern erfordert den Einsatz aller Instrumente, von der Ordnungspolitik über die Steuerpolitik, öffentliche Investitionen, Subventionen, Raum- und Verkehrsplanung und so weiter. Die Bundesregierung setzt überall merkliche Akzente, wie zum Beispiel im Schienenausbau, beim Klimaticket, höherer Förderung für Heizungstausch, dennoch wird das nicht reichen. Die größte Leerstelle sehe ich bei fehlenden Bundesmitteln für die Klimainvestitionen von Städten und Gemeinden. Deren finanzieller Spielraum ist auch Covid-bedingt sehr gering, gleichzeitig gibt es dort in den Bereichen Ausbau des öffentlichen Verkehrs, zum Beispiel auch Mikroöffis, Rad- und Fußwege, Parks, öffentliche Räume, Sanierung von Gebäuden ein unglaublich großes Potenzial für erfolgversprechende Klimamaßnahmen, das jetzt nicht gehoben werden kann.

Arbeitslosenversicherung, soziales Gesundheits- und Pflegesystem, soziale Dienste wie Sozialversicherung und vor allem die in diesem Bereich Beschäftigten haben in der Krise einmal mehr die Überlegenheit des österreichischen Sozialstaates gegenüber anderen Ländern und gegenüber privaten Alternativen bewiesen. Bewährt haben sich der funktionierende Sozialstaat, die sehr hohe Sozialquote, finanziert durch eine hohe Abgabenquote, die das Land auch wirtschaftlich an der Spitze halten. Diesen österreichischen Sozialstaat gezielt weiter zu verbessern ist aus meiner Sicht eine der wichtigsten Lehren aus der Krise. Das benötigt mehr Vorsorge, den Ausbau von Geld- und Sachleistungen, um Armut abbauen zu können, sowie bessere Arbeitsbedingungen für die dort Beschäftigten. Davon ist im vorliegenden BFG leider zu wenig zu sehen.

In Österreich wie in der EU ist die Bekämpfung der durch Covid drohenden gesellschaftlichen Spaltung nicht mit Sparpolitik oder Druck auf die Menschen in ohnehin sehr schwierigen Lebenssituationen, sondern nur mit Investitionen und Solidarität möglich: Solidarität zwischen den Gesunden und den Kranken, zwischen den Beschäftigten und den Arbeitslosen, den Jungen und den Alten, den wirtschaftlich Starken und den Schwachen – in unserem Sozialstaat, aber eben weit über die nationalen Grenzen hinaus. Die Lasten dieser Krise dürfen nicht von den Arbeitslosen, den prekär Beschäftigten, den KleinunternehmerInnen und den Kindern getragen werden, nein, die Lasten können die wirtschaftlich Starken viel leichter schultern. In einem der reichsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Länder der Welt - -

Gabriel Obernosterer: Herr Doktor, wenn Sie dann zum Schluss kommen, bitte.

Markus Marterbauer: - - ist für eine rasche Verringerung von Armut und Ungleichheit zu sorgen eine der wichtigsten Aufgaben der Budgetpolitik. Ich sehe positive Ansätze im Budget, aber die reichen bei Weitem nicht aus, um diesem Ziel deutlich näher zu kommen. – Vielen Dank.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals, Herr Doktor.

Ich darf jetzt Frau Dr. Margit Schratzenstaller-Altzinger um ihre Ausführungen bitten. – Bitte schön, Frau Doktor.

Margit Schratzenstaller-Altzinger (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung): Schönen guten Morgen! Herr Vorsitzender! Herr Bundesminister! Werte Abgeordnete! Ich habe jetzt die undankbare Aufgabe, als letzte zu sprechen. Vieles haben Sie schon gehört. Ich werde einiges, was Sie schon gehört haben, vielleicht in einer anderen Reihenfolge bringen und es vielleicht noch schaffen, einige zusätzliche Akzente zu setzen.

Ich fange – damit wir noch einmal an den Hintergrund denken, vor dem das jetzige Budget, quasi der Budgetziegel hier, erstellt worden ist – mit den dringlichsten Herausforderungen an. Ich glaube, die dringlichste und auch existenziell wichtigste Herausforderung ist die Bewältigung der Klimakrise, die ökologische Transformation. Österreich – heute ist es im „Morgenjournal“ wieder gesagt worden – hat es in 30 Jahren nicht geschafft, die Emissionen zu reduzieren. Wir sind mit den Emissionen jetzt nach der Pandemie wieder auf Vorkrisenniveau. Die Auswirkungen werden immer deutlicher spürbar, auch hierzulande. Die Kosten des Nichtstuns sind wahrscheinlich hoch, sie zeichnen sich immer deutlicher ab. Die Bewältigung – aus der Budgetsicht – dieser ökologischen Transformation erfordert Klimainvestitionen, aber auch Qualifikationen für die neu entstehenden Green Jobs und Preisinstrumente.

Dann haben wir den digitalen Wandel. Wir brauchen Infrastruktur, wir brauchen Bildung, wir brauchen Qualifikationen für die neuen digitalen Jobs. Das Bildungssystem ist aufzurüsten. Wir brauchen bessere Bildungsergebnisse. Wir geben viel Geld für die Bildung aus, die Ergebnisse sind oft eher mäßig. Wir haben eine hohe Bildungsvererbung, auch die müssen wir in den Griff kriegen, damit die Teilhabe von allen an diesen neuen Beschäftigungspotenzialen dieser Transformationen möglich ist.

Wir haben den demografischen Wandel. Der erfordert proaktive Ausgaben für die Pflege, Pflegeeinrichtungen, qualifiziertes Personal, ist aber auch mit einem Ausgabendruck bei Gesundheit und Pensionen verbunden. Und wir haben immer noch anhaltende Defizite bei der Gleichstellung von Frauen und Männern. Das ist auch aus ökonomischen Gründen ein Problem.

Das ist also der Hintergrund, vor dem wir heute dieses Budget, den Budgetentwurf diskutieren. Aus meiner Sicht ist der Budgetentwurf in vielerlei Hinsicht, für viele dieser Herausforderungen zumindest ein Schritt – oder er setzt Schritte – in die richtige Richtung.

Das zentrale Element und für jemanden, der wie ich seit langen Jahren das österreichische Budget beobachtet, etwas wirklich Innovatives ist die ökosoziale Steuerreform. Sie bietet eine sehr umfangreiche Entlastung – wir haben es gehört, es ist die größte in den letzten zwei Jahrzehnten –, sie senkt die Abgabenquote, sie gibt auch einen makroökonomischen Impuls, aber das Wichtigste ist, sie setzt doch deutliche Schritte zur Verbesserung der Abgabenstruktur: Es wird die kalte Progression ausgeglichen, es werden die niedrigen Einkommen durch die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge entlastet – wir haben also eine Senkung der hohen Abgaben auf die Arbeit –, und wir haben – und das ist, finde ich, eine der zentralen Innovationen – doch einen sehr wesentlichen Schritt in Richtung Ökologisierung.

Es wird eine CO2-Bepreisung eingeführt mit einem mittelfristig festgelegten Preispfad. Der Einstiegspreis ist mäßig, der Preispfad ist auch mäßig ambitioniert, aber immerhin, der Einstieg ist gelungen. Es gibt eine Kompensation für die Haushalte – auch für die Unternehmen in den ersten Jahren, und für die Haushalte sogar eine Überkompensation –, und es gibt weitere Ökologisierungsmaßnahmen im Abgabensystem. Wir hatten letztes Jahr schon die Flugticketabgabe zumindest für Kurz- und Mittelstrecken erhöht. Es gibt einen ermäßigten Umsatzsteuersatz für Reparaturen, die NoVA wurde erhöht und das Jobticket ausgebaut.

Ich will nicht verhehlen – es ist teilweise schon angesprochen worden –, es gibt weiteren Reformbedarf im Abgabensystem. Wir brauchen weitere Schritte zur Entlastung der Arbeit – Stichwort Lohnnebenkosten –, Entlastung der Arbeitgeber, aber auch für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Gegenfinanzieren kann man das, indem man die Besteuerung der Umwelt, des Energieverbrauchs, der Emissionen weiter ausbaut – auf allen Ebenen im Übrigen, nicht nur im Bund, sondern auch auf Länder- und Gemeindeebene – und indem man Grund- und Immobilienvermögen, aber auch hohe Erbschaften höher besteuert und indem man ökologisch kontraproduktive Ausnahmeregelungen einschränkt und auch die vielen Ausnahmen, die es in der Einkommensteuer und in der Umsatzsteuer gibt, radikal überprüft und einschränkt.

Auf der Ausgabenseite haben wir eine Reihe von Ausgabenschwerpunkten. Generell, es ist schon angesprochen worden, bewegt sich dieses Budget allmählich. Also vor eineinhalb Jahren sind wir hier gesessen und haben das erste Coronakrisenbudget diskutiert. Wir bewegen uns jetzt immer weiter weg von einem sehr von Coronahilfsmaßnahmen geprägten Budget hin zu einem mehr investiven Budget.

Der Klimaschwerpunkt, es ist angesprochen worden, ist am deutlichsten sichtbar. Es gibt aber auch Akzente bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik: eine Wiedereingliederungsoffensive für Langzeitarbeitslose, es gibt die Coronajoboffensive, es wurde eine Umwelt- und Verkehrsstiftung geschaffen. Die Forschungsausgaben sollen erhöht werden. Es wird das Frauenbudget erhöht. Es gibt zusätzliche, wenn auch eher geringe Akzente bei Bildung und Digitalisierung. Es fehlt aber noch eine Dotierung beim weiteren Ausbau der Kinderbetreuung – da gibt es eine politische Vereinbarung, dass er fortgeführt werden soll, die budgetäre Ausstattung fehlt –, und es fehlt auch eine Dotierung der Pflegereform, an der im Moment gerade gearbeitet wird.

Letzter Punkt: fiskalische Nachhaltigkeit. Die Coronahilfen laufen aus. Wir haben einen doch sehr kräftigen Konjunkturaufschwung, wir haben ein anhaltend niedriges Zinsniveau. Das hilft natürlich der Konsolidierung ohne weitere diskretionäre Maßnahmen in den nächsten Jahren. Sie wird ein bisschen verlangsamt durch die Steuerreform und durch die diversen Maßnahmen im Pensionsbereich, aber nach den Rekorddefiziten 2020, 2021 werden wir einen deutlichen Rückgang der Defizitaufnahme bis 2025 sehen, und die Schuldenquote sinkt von ihrem Höchststand von ungefähr 84 Prozent im heurigen Jahr auf ungefähr 80 Prozent bis 2022 und circa 73 Prozent bis 2025.

Dennoch wird es erforderlich sein, zusätzliche Budgetspielräume zu schaffen. Ich will da in die gleiche Kerbe schlagen wie meine Vorrednerinnen und Vorredner. Wir haben eben diesen Anstieg von demografieabhängigen Ausgaben auf der einen Seite, und wir brauchen weiterhin weitere Akzente bei den Zukunftsinvestitionen: Der Klimaschutz, die Digitalisierung, Bildung, Qualifikation, Forschung, Kinderbetreuung, überall braucht es zusätzliche Ausgaben – bei notwendigen Änderungen in den Strukturen, davon rede ich gar nicht. Auch hier gibt es Ineffizienzen, aber wir brauchen hier auch mehr Mittel und wir müssen mehr tun für diese Budgetspielräume – das übliche Ceterum-censeo, und dann bin ich auch am Ende mit meinen Ausführungen: Stichwort Effizienzreformen im öffentlichen Sektor.

Föderalismus, Finanzausgleich – ich glaube, wir müssen die Verlängerung bis Ende 2023, die es ja geben wird, jetzt nutzen, um eine grundlegende Föderalismusreform vorzubereiten –, das Fördersystem, die Schulverwaltung und das Gesundheitswesen, überall gibt es Effizienzdefizite, die man angehen sollte, und wir brauchen auch Maßnahmen zur weiteren Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters. – Vielen Dank, auch für die Rettung meines Namensschildes, und ich freue mich auf die Diskussion.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals, Frau Doktor.

Ich bedanke mich bei den Expertinnen und Experten für ihre Ausführungen.

Sie haben jetzt noch die Möglichkeit, wenn es gewünscht ist, ein ergänzendes Statement von maximal 1 Minute zu machen. Ist das gewünscht? – Wenn das nicht gewünscht ist, steigen wir in die erste Fragerunde ein.

Ich darf der SPÖ das Wort geben. Herr Kollege Krainer hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Kollege.

Kai Jan Krainer (SPÖ, Abgeordneter zum Nationalrat): Danke für die Einleitungsstatements. Ich habe ein paar Fragen an verschiedene Experten.

Meine erste Frage an Dr. Marterbauer: Wir haben ja in den letzten 15 Jahren eine Verschiebung des Beitrags von Kapital und Vermögen zur Finanzierung des Staates von circa 11 auf 15 Prozent gehabt. Durch diese KöSt-Senkung wird das sinken. Ich habe in einem Beitrag „Materialien zu Wirtschaft und Gesellschaft“ von Feigl, Marterbauer, Schultheiß, Schweitzer auf Seite 16 eine Vorausschau gelesen, dass die Gewinne in den nächsten fünf Jahren um circa 25 Prozent steigen werden, dass aber der Steuerbeitrag der Gewinne nur um 3 Prozent steigen wird, wohingegen die Löhne und Gehälter nur um 22 Prozent steigen, aber der Steuerbeitrag um 29 Prozent.

Heißt das, dass wir uns jetzt wieder in die falsche Richtung bewegen und der Steuerbeitrag von Arbeit zur Finanzierung des Staates größer wird und jener von Kapital und Vermögen geringer?

Gabriel Obernosterer: Ich bitte um Ihre Antwort. – Bitte schön.

Markus Marterbauer: Ja, das heißt es ohne Zweifel. Es ist so, dass die Massensteuern langfristig einen größeren Anteil haben werden. Und vom Beitrag der vermögensbezogenen Steuern kann man in Österreich ohnehin praktisch nicht sprechen, der ist nicht vorhanden, auch im internationalen Vergleich ganz, ganz niedrig, und das halte ich für das größte strukturelle Manko im österreichischen Abgabensystem.

Bei den Gewinnsteuern ist es so, dass wir ja einen Gewinnsteuersatz im mittleren Bereich im europäischen Vergleich haben, aber eben praktisch die umfangreichsten Steuerbegünstigungen – und ich halte diese zu einem guten Teil auch für sinnvoll. Ich glaube, es ist ja sinnvoll, wenn der Staat sagt, durch Forschungsprämie, Forschungsförderung, Absetzbarkeit oder durch Investitionsprämie für ökologische Investitionen soll das Verhalten der Unternehmen in die richtige Richtung gesteuert werden. Ich halte das für ganz sinnvoll, nur: Das muss natürlich verbunden sein mit einem relativ hohen Abgabensatz, damit auch die Anreizwirkungen entsprechend hoch sind. Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, sozusagen relativ starke steuerliche Förderungen für Forschung und Investitionen zu haben und gleichzeitig den Gewinnsteuersatz zu senken. Aus meiner Sicht wird das Hauptergebnis sein, dass die Ausschüttungen an die Aktionäre größer sein werden, und damit werden auch die personellen Verteilungswirkungen dieser Maßnahme, die ja eigentlich sozusagen funktionell ausgerichtet ist, negativ sein.

Die Investitionseffekte halte ich faktisch für relativ gering, denn die Großunternehmen investieren erstens ohnehin viel und zweitens schwimmen sie in Geld. Also wir haben im Jahr 2020 Cash and Deposits von Kapitalgesellschaften in Höhe von 97 Milliarden gehabt – innerhalb der letzten fünf Jahre verdoppelt! Das heißt, das Geld zum Investieren ist da, und die investieren auch recht viel – es mangelt ja nicht wirklich daran. Warum man das jetzt sozusagen über einen Gewinnsteuersatz weiter senken soll, ist mir ökonomisch nicht klar.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals. – Haben Sie eine weitere Frage, Herr Kollege Krainer?

Kai Jan Krainer: Jaja, ich habe jede Menge weitere Fragen.

Gabriel Obernosterer: Bitte schön.

Kai Jan Krainer: Ich habe auch eine gewisse Fragezeit, oder? – Ja.

Die nächste Frage, die ich habe, habe ich an Frau Schratzenstaller: Die Bundesregierung hat in einem Ministerratsvortrag angekündigt, 24,1 Millionen Euro in Gewaltschutz, -prävention für Frauen zu investieren. Wir haben ja heuer einen traurigen Rekord, was die Ermordung von Frauen betrifft. Jetzt sagen Experten, es wäre mehr als das Zehnfache notwendig, um hier die Situation ernsthaft zu verbessern. Also wir reden von über 300, aber die Regierung hat 24,1 Millionen Euro angekündigt. Der Budgetdienst hat sich sehr bemüht, diese 24,1 Millionen Euro zu finden, hat aber nur 20,6 Millionen Euro gefunden. Wissen Sie, wo die anderen 3,5 Millionen Euro sind?

Gabriel Obernosterer: Bitte, Frau Doktor.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Vielen Dank für die Frage. Ich weiß nicht, wo die anderen sind. Meine Zahl, die ich habe, ist auch um die 20 Millionen, die hauptsächlich für Gewaltschutz und -prävention eben ausgeben werden, zusätzlich zum Frauenbudget.

Also erst einmal muss man sagen, es ist das Frauenbudget im eigentlichen Sinn, also die UG 10, in den letzten Jahren in einigen Schritten doch deutlich erhöht worden. Wir hatten seit 2010 ja für ein Jahrzehnt ein stagnierendes Frauenbudget. Das ist dann 2020 von 10,3 Millionen auf 12,3 Millionen erhöht worden – de facto war das ein Inflationsausgleich nach der zehnjährigen Stagnation –, und 2021 gab es eine weitere deutliche Erhöhung auf 14,7 Millionen – inklusive der Zeitverwendungsstudie, die noch läuft –, und wir haben jetzt eine Erhöhung des Frauenbudgets in der UG 10 auf 18,4 Millionen. Da kommen eben aus den UGs 11, 13, 21 und 25, wenn ich das richtig sehe, noch einmal gut 20 Millionen dazu, hauptsächlich eben mit dem Fokus auf Gewaltschutz und -prävention.

Kai Jan Krainer: Gut, die 3,5 Millionen haben Sie auch nicht gefunden. Ist in Ordnung. Hat irgendein Experte die fehlenden 3,5 Millionen Euro für den Gewaltschutz – also den Unterschied zwischen dem, was die Regierung im Ministerrat angekündigt hat, und dem, was wir im Budget finden – gefunden? – Okay.

Dann habe ich noch eine Frage an Frau Dr. Schratzenstaller. Da geht es um die Besteuerung von CO2. Da sollen ja jene Bereiche, die nicht im Emissionshandel sind – 50 Millionen Tonnen sind nicht im Emissionshandel –, besteuert werden. Wenn wir aber jetzt die Einnahmen ansehen, mit denen hier im Budget gerechnet wird, dann sehen wir, dass circa nur 40 Millionen Tonnen besteuert werden sollen. Wissen Sie, wo diese fehlenden circa 10 Millionen Tonnen sind?

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ich kann das nicht sagen. Es gibt ja noch keinen Begutachtungsentwurf. Insofern fällt es mir schwer, das tatsächlich auch nachzuvollziehen. Ich weiß es schlicht und einfach nicht. Ich kann die Frage nicht beantworten.

Kai Jan Krainer: Das ist ja ein großes Problem, das wir haben: dass wir hier über eine Steuerreform diskutieren, wo es ja noch keinen Text gibt, sondern nur politische Ankündigungen. Aber das ist ein Problem, das wir haben: Es gibt ja noch gar nichts Schriftliches dazu, außer eine Ankündigung. Wir versuchen ja trotzdem, nur die Zahlen in Einklang zu bringen mit den politischen Ankündigungen.

Wir kommen drauf, dass nur circa 40 Millionen Tonnen tatsächlich besteuert werden sollen und 10 Millionen Tonnen nicht. Wir wissen aber auch nicht, welche 10 Millionen Tonnen das sind – eben weil es noch keine Texte gibt. Gibt es irgendeinen Experten, der weiß, welche 10 Millionen Tonnen nicht besteuert werden sollen? – Okay, leider nicht.

Gabriel Obernosterer: Kollege Krainer, Sie haben in der ersten Fragerunde noch 11 Sekunden. Bitte schön.

Kai Jan Krainer: Ja, dann habe ich noch eine Frage an Dr. Marterbauer. Sie haben vorher den sogenannten Familienbonus angesprochen, dass den viele Kinder gar nicht bekommen. Wie viele Kinder bekommen überhaupt keinen Familienbonus, also sind der Bundesregierung gar nichts wert?

Markus Marterbauer: Also es ist unseren Berechnungen nach so, dass ungefähr 200 000 Kinder vom Familienbonus nicht begünstigt sein können, und das hängt an der gewählten Maßnahme. Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll gewesen, statt dem Familienbonus – aber schon in der ersten Ausbaustufe nicht erst in der zweiten –, entweder überhaupt die Kinderbeihilfen zu erhöhen, wenn man auf Geldleistungen fokussieren will. Das hätte dem Grundsatz entsprochen, den ich für richtig halte: Jedes Kind ist uns gleich viel wert.

Noch viel mehr hätten die Kinder jedoch natürlich profitiert, wenn die geforderte eine Milliarde für den Ausbau der Elementarpädagogik dadurch hätte finanziert werden können. Dann hätten die Kinder enorm profitiert von der Förderung ihrer kognitiven, sozialen, emotionalen Fähigkeiten in den Kindergärten, es hätten die Betreuungspersonen, insbesondere die Mütter profitiert, weil für die dann ermöglicht werden würde, dass Erwerbsarbeit aufgenommen werden kann und damit eine eigenständige soziale Absicherung gewährleistet ist.

Also das beste Instrument ist immer der Ausbau der Kindergärten, das zweitbeste Instrument wäre die Erhöhung der Kinderbeihilfen – und ich halten den Familienbonus für kein besonders glücklich gewähltes Instrument.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals. Herr Dr. Berger hat sich jetzt zu Wort gemeldet. Ich darf Ihnen das Wort übergeben, Herr Doktor.

Helmut Berger (Budgetdienst des Parlaments): Ja, vielleicht kann ich doch noch ein bisschen etwas zur Aufklärung wegen der fehlenden zehn Millionen beitragen. An sich - - Wir haben nur keine Entwürfe, das ist wirklich eines der massiven Probleme, denn wir sind daher natürlich auf gewisse Vermutungen angewiesen.

Das Finanzministerium schreibt in seinen Unterlagen immer über CO2-Besteuerung, aber nicht über CO2-Äquivalente, und wir nehmen jetzt einmal an – nachdem wir uns ja mit den Dingen sehr intensiv beschäftigen –, dass hier Methan und Lachgas nicht enthalten sind, die vor allem in Landwirtschaft, Abfallverbrennung und ähnlichen Dingen anfallen, und daher erklärt sich die Differenz. Wie gesagt, wenn wir dann wirklich die Unterlagen haben, werden wir dem genauer nachgehen, weil wir uns dann natürlich sehr intensiv mit diesen Fragen beschäftigen.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals, Herr Doktor. Wir kommen jetzt zur Fraktion der Grünen, und, Herr Kollege Schwarz, Sie sind am Wort. Bitte schön.

Jakob Schwarz: Ja, vielen Dank Herr Vorsitzender! Vielen Dank an die Expertinnen und Experten für das Zur-Verfügung-Stellen Ihrer Expertise. Es sind schon sehr viele interessante Punkte aufgebracht worden. Auch vielen Dank für das Zur-Verfügung-Stellen Ihrer Expertise, Herr Berger, und auch willkommen, Herr Bundesminister!

Ich möchte kurz noch - - Ich bin zwar nicht aufgerufen worden als Experte, aber nachdem ich doch involviert war, kann ich das auch sozusagen noch ergänzen, was Herr Dr. Berger gesagt hat: Es geht um 38 Millionen Tonnen CO2-Emissionen, die außerhalb des ETS-Handels sind, und einfach faktisch ist es sehr schwierig, Methanemissionen, da gibt es aktuell auch eine große Diskussion dazu, auf internationaler Ebene zu besteuern, und deshalb sieht auch das Regierungsprogramm immer nur CO2-Emissionen außerhalb des Emissionshandels vor.

Ich würde zu meiner Frage kommen, und zwar die erste Frage hätte ich - - Wir haben mehrere Fragen an alle Expertinnen und Experten vorbereitet, aber die erste wäre an Frau Dr. Schratzenstaller und Herrn Prof. Badelt, nämlich: Einer der großen Diskussionspunkte ist, welche Rolle im Maßnahmenmix die CO2-Bepreisung spielen soll und der Preis, und wie groß der Anteil der CO2-Emissionsreduktion, diese Bepreisung, im Vergleich zu anderen Maßnahmen ist. In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, wie Sie die Umwelt- und Klimamaßnahmen, die es sonst noch im Budget gibt, die budgetären Maßnahmen insbesondere, bewerten, weil das ja quasi dann auch die Bewertung der CO2-Bepreisung ein bisschen mitbeeinflusst.

Gabriel Obernosterer: Danke. Bitte schön um Antwort. Bitte, Herr Professor.

Christoph Badelt: Ja, also wie Frau Schratzenstaller meiner Meinung nach sehr richtig gesagt hat, ist die ökosoziale Steuerreform ein erster Schritt, aber es wird nicht dabei bleiben können, wenn wir die Umweltziele erreichen wollen.

Jetzt stellt sich sofort die Frage, was wäre an sich noch notwendig. Ich denke mir, wir haben ein paar offene Punkte im Bereich des Steuersystems an sich, das ist keine Neuigkeit. Es ist nicht leicht, die zu lösen. Ich denke hier etwa an so etwas wie eine Neufassung des Pendlerpauschales – mir ist klar, dass das ein ganz schwieriges Thema ist, trotzdem muss man das, glaube ich, angehen – ich denke an das berühmte Dieselprivileg. Da, das weiß ich, sind wir als Wissenschaftler meist anderer Meinung als viele politische Kräfte, aber das sind, wenn man so will, noch Ergänzungen im Steuersystem – wobei ich dazusagen muss, dass man aus umweltpolitischer Sicht sicherlich einen höheren Pfad der CO2-Bepreisung als gut angesehen hätte. Mir ist die Orientierung an Deutschland schon klar, auf der anderen Seite, wenn ich mir überlege, von welchen Auswirkungen auf die tatsächlichen Benzin- oder Dieselpreise wir da reden und wie die in Relation stehen zu dem, was jetzt rein marktlich passiert, sieht man, dass die Dramatik nicht so groß sein kann.

Ich möchte aber schon auf etwas aufmerksam machen. Es gibt im Rahmen des Budgets eine ganze Liste – eine lange Liste! –, die durchaus verstreut sind von investiven Maßnahmen im Bereich der Umwelt. Das halte ich auch für sehr wichtig. Und ich glaube, die werden wir jetzt nicht extra alle zusammentragen hier, aber da gibt es natürlich - - in Wahrheit kann man fast jede dieser Maßnahmen noch größer dotieren. Ich muss allerdings auch darauf aufmerksam machen – und das scheint mir wirklich ein sachliches Dilemma zu sein –, dass wir überall dort, wo Umweltinvestitionen in Richtung Bauen gehen, wo irgendetwas gebaut wird, tatsächlich heute vor dem Dilemma stehen, dass wir möglicherweise gar nicht alles verbauen können, was da budgetiert ist, weil die Kapazitäten nicht ausreichend sind. Das ist zum Teil eine Arbeitsmarktfrage, aber nicht nur, da geht es tatsächlich um die Situation der Bauwirtschaft beziehungsweise dass auch die Gefahr besteht, dass dann zusätzliche Staatsausgaben eher inflationstreibend wirken, als dass sie real etwas an der Umweltsituation verändern. Das heißt, man muss da wahrscheinlich vorsichtig sein.

Es ist allerdings auch so – und dann höre ich schon auf –, dass natürlich - -, wenn man sich Erfahrungsschätzungen etwa über die Effekte einer CO2-Bepreisung auf die Emissionen anschaut, dann glaube ich nicht, dass die jetzt so formulierte Steuerreform stark genug ist, um die bestehende Lücke im Abbau zu schließen. Das heißt, ich glaube schon, dass man noch in anderen Bereichen Maßnahmen treffen muss – nur wie sehr oft braucht es da zuerst die Maßnahmen, und nachher kann man über das Budget reden.

Gabriel Obernosterer: Danke schön. Frau Doktor, bitte schön.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Danke für die Frage. Vorab ganz kurz noch einmal zur CO2-Bepreisung, um das auch aus meiner Sicht noch einmal klarzustellen: Ich finde es für sehr begrüßenswert und überfällig, dass man in diese CO2-Bepreisung überhaupt einsteigt, dass man einen mittelfristigen Preispfad hat, der Verlässlichkeit, der Planbarkeit schafft für die Unternehmen und für die Haushalte. Was die Höhe des CO2-Preises anbelangt: Österreich befindet sich ungefähr so im Mittelfeld, wenn man sich das im Vergleich mit den anderen EU-Ländern anschaut – es gibt ja schon eine Reihe von EU-Ländern, die eine explizite CO2-Bepreisung haben –, aber ich will noch einmal wirklich deutlich sagen: Ein höherer CO2-Preis wäre wünschenswert und eigentlich auch erforderlich gewesen, als diese 30 Euro.

Wir haben auf der EU-Ebene, um das in Vergleich zu setzen, im Moment einen CO2-Preis von 60 Euro. Ich hätte mir eben auch einen, so wie viele andere Expertinnen und Experten auch, ambitionierteren Preispfad gewünscht. Wir werden mit dem Einstiegspreis und auch mit dem Preispfad kurzfristig wahrscheinlich sehr begrenzte Lenkungswirkungen erzielen. Umso unterstützenswerter ist es, dass diese CO2-Bepreisung in weitere Maßnahmen eingebettet ist.

Wir wissen auch aus empirischen Studien, dass ein CO2-Preis als isolierte Maßnahme nur sehr begrenzt effektiv ist, und wir wissen aus der empirischen Literatur, dass Instrumentenpakete, Maßnahmenpakete viel effektiver sind, weil sich die verschiedenen Maßnahmen in ihrer Wirkung auch verstärken. Es ist auch so – das jedenfalls kann man den Budgetunterlagen schon entnehmen –, dass die österreichische CO2-Bepreisung nur einen geringeren Teil der CO2-Emissionsreduktion bewirken kann, die erforderlich ist, um die österreichischen Klimaziele zu erreichen. Es wird eine jährliche mittelfristige Reduktion der CO2-Emissionen von mindestens 2,6 Tonnen erwartet. Das ist nur ein geringerer Teil der Reduktion, die bis 2030 erforderlich ist.

So, und jetzt finden wir im Budget einige begleitende klimarelevante Maßnahmen zum einen im Rahmen der CO2-Bepreisung selber, und ich halte es für eine gute Sache, dass man die CO2-Bepreisung so gestaltet hat. Das ist in einigen anderen Ländern so, aber bei Weitem nicht in allen Ländern so, und in Deutschland gibt es eine große Diskussion darüber, dass man einen Rückverteilungsmechanismus gemacht hat. Der ist im Bereich der Unternehmen gekoppelt an Investitionen in zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen, das wird ganz sicher die CO2-Bepreisung verstärken, und im Rahmen der CO2-Bepreisung selber sind auch weitere Klimaschutzmaßnahmen beschlossen worden: Sauber-Heizen-Offensive, die Direktförderung für den Austausch von fossilen Heizungssystemen für einkommensschwache Haushalte und Mittel für die thermische Sanierung.

Dann haben wir – ich habe sie angesprochen beim Eingangsstatement – eine Reihe von steuerlichen Maßnahmen, um die Ökologisierung des Abgabensystems insgesamt voranzutreiben – ich will sie nicht noch einmal alle aufzählen, ich will nur noch einmal daran erinnern. Wir werden auch ab 2023 einen Investitionsfreibetrag, quasi im Anschluss an die Innovationsprämie, die dann ausläuft, haben. Von diesem Investitionsfreibetrag, der auch eine Ökologisierungskomponente aufweisen wird, da wissen wir auch noch keine Details, aber das ist auf jeden Fall auch ein Mosaiksteinchen in dieser Ökologisierung des Abgabensystems.

Wir haben eine Reihe von ausgabenseitigen Maßnahmen im Budget – ganz kurz, damit ich nicht die Zeitvorgabe sprenge, aber –: Es gibt diese Investitionsprämie, die noch nachwirken wird, es gibt das Klimaticket, es gibt das Programm zur Dekarbonisierung der Industrie, es gibt Mittel zur Forschung in klimafreundliche Industrie und Wasserstoff, Biodiversität, Waldfonds, Mittel für die Förderung von emissionsfreier Mobilität, Bahnausbau, Schienengüterverkehrsförderung, Kreislaufwirtschaft. Auch im Rahmen des kommunalen Investitionsgesetzes sollen 20 Prozent der Mittel in klimarelevante Maßnahmen fließen, und es gibt eine Milliarde jährlich für den Ausbau von erneuerbaren Energien.

Das ist insgesamt schon ein sehr breit angelegter Maßnahmenmix einnahmenseitig, ausgabenseitig, und ausgabenseitig eben mit einem sehr breiten Fokus. Man muss diese Maßnahmen auch zusammensuchen. Ich beneide den Budgetdienst nicht, der auch diese verdienstvolle Aufgabe übernimmt, also aus allen relevanten UGs die relevanten Maßnahmen zusammenzusuchen. Wenn ich das richtig sehe, sind es knapp 700 Millionen Euro, die jetzt zusätzlich zur Steuerreform, zu dem Volumen, das da bewegt wird, und zusätzlich zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz hier noch einmal zusätzlich als Maßnahmen im Bereich der Klimaschutzinvestitionen gesetzt werden.

Ich will auch noch einmal darauf hinweisen – weil die internationale Dimension gelegentlich vergessen wird und auch vernachlässigt worden ist, das muss man auch ganz offen sagen, in den letzten Jahren –, auf die Erhöhung des österreichischen Beitrages zum internationalen Green Climate Fund. Also das ist letztes Jahr schon beschlossen worden, aber das ist glaube ich eine Vervierfachung, wenn ich das richtig sehe, und ich halte das für sehr begrüßenswert. Wir sind damit auf einem international endlich einigermaßen satisfaktionsfähigen Niveau, und ich würde mir wünschen, dass das über 2023 hinaus, das ist die aktuelle Förderperiode, auch so bleiben wird.

Man muss jetzt einfach sehen, ob diese Maßnahmen ausreichen werden, um die österreichischen Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Ich glaube, wir brauchen ein laufendes Monitoring, wir brauchen eine laufende Evaluierung der Maßnahmen und ganz sicher dann einfach eine Nach- - oder ziemlich sicher ist zu erwarten eine Nachjustierung über das Jahr 2025 hinaus, bis zu dem ja die aktuellen Budgetplanungen gehen.

Kai Jan Krainer: Danke schön. Haben Sie noch Fragen, Kollege Schwarz?

Jakob Schwarz: Danke. Ja, ich habe noch eine Frage, und zwar: Ein bisschen ist es vom Prof. Badelt schon angesprochen worden, aber sozusagen welche Klimaschutzmaßnahmen fehlen noch beziehungsweise müssten aus Ihrer Sicht noch ergänzt werden?

Kai Jan Krainer: Die Frage geht jetzt?

Jakob Schwarz: Noch einmal bitte an die gleichen beiden ExpertInnen.

Christoph Badelt: Persönlich glaube ich, dass der Katalog am Tisch liegt und dass man im Bereich der Investitionen die wichtigsten Themen angesprochen hat und man dann sozusagen in Abstimmung mit den Kapazitätsmöglichkeiten die Dinge weiter ausbauen kann. Das ist, glaube ich, da. Bei der Mobilität haben wir jetzt auch die ersten Schritte gesetzt, und auch hier wird es in Wahrheit noch mehr darum gehen, Alternativen zum Pkw-Verkehr so auszubauen – und nicht nur auf der tariflichen Ebene, sondern so auszubauen –, dass die Leute eben auch wirklich umsteigen können.

Was die Steuer betrifft, kann ich eigentlich nur das wiederholen, was ich selbst schon gesagt habe, und ich stimme auch im Großen und Ganzen mit dem überein, was Frau Schratzenstaller gesagt hat.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Also ich halte es für ganz, ganz wichtig, dass man eben – also um anzuschließen an meinen Abschlusssatz von vorhin – eine längerfristige Perspektive hat, dass man über dieses 2025er-Jahr hinaus jetzt schon denkt. Wir haben in den Bereichen, in denen wir diesen Investitionsbedarf haben - - Das sind alles Bereiche, wo erstens der Investitionsbedarf hoch ist, zweitens aber die Maßnahmen doch eine Zeit lang brauchen, bis sie tatsächlich auch wirken, und man kann nicht von null auf eins hier in diesen Bereichen ausbauen. Also wir stoßen da auch an Kapazitätsgrenzen. Es gibt ja jetzt schon die Klagen von den Installateuren, dass sie es einfach nicht schaffen, die ganzen Heizsysteme auszubauen, und es besteht ja jetzt schon die Gefahr, dass all die Förderungen, die da jetzt so sehr erhöht worden sind, nicht ausgeschöpft werden können, sondern dass da Geld liegen bleibt, und ich glaube, man braucht da wirklich eine längerfristige Perspektive und eben dieses Monitoring, das ich schon angesprochen habe.

Zweiter Bereich – ich habe ihn im Eingangsstatement angesprochen, will es aber jetzt noch ein bisschen ausführen, weil es ein Bereich ist, über den wir schon sehr, sehr lange diskutieren, der auch auf internationaler Ebene schon sehr, sehr lange diskutiert wird, auch sehr kontrovers diskutiert wird, weil es natürlich sehr schwer ist aus politökonomischen Gründen, ihn anzugehen, aber wir müssen im Bereich der ökologisch kontraproduktiven Subventionen hier endlich weiterkommen: zum einen, damit wir den Lenkungseffekt von der CO2-Bepreisung nicht konterkarieren.

Wir haben auf der einen Seite ein Preisinstrument, das sehr wirkmächtig sein kann, das wir aber konterkarieren mit diesen ökologisch kontraproduktiven Subventionen, und die sind mit erheblichen Budgetbelastungen verbunden, und es ist eigentlich aus fiskalischer - - Also mir als Budgetexpertin, die ja doch auch immer auf den effektiven und sparsamen Gebrauch der Budgetmittel schaut, tut es in der Seele weh, wenn wir auf der einen Seite dann eben diese Mittel ausgeben für die ökologisch kontraproduktiven Subventionen, und auf der anderen Seite dann irgendwie hinterher aufräumen müssen mit weiteren Budgetmitteln. Also das ist einfach nicht effektiv und nicht effizient, und auch Strafzahlungen sind nicht effektiv. Also alles gute Argumente, um diese ökologisch kontraproduktiven Subventionen anzugehen.

Im Regierungsprogramm ist angekündigt worden, die Dienstwagenbesteuerung zu ökologisieren. Das ist noch nicht passiert. Es ist auch angekündigt worden oder vereinbart worden, das Pendlerpauschale beziehungsweise insgesamt die Pendlerförderung zu ökologisieren. Ich möchte alle Initiativen, die die Pendlerförderung reformieren, sehr stark unterstützen. Die Pendlerförderung in Österreich ist erstens umfangreich und zweitens komplex. Also ich verstehe es, allmählich wird es immer schwieriger, sie zu verstehen. Es gibt den Pendlereuro, es gibt das Pendlerpauschale in groß und klein, es gibt den erhöhten Verkehrsabsetzbetrag und so weiter. Also hier, glaube ich, brauchen wir eine Pendlerförderung, die ökologisch effektiver ist, die auch sozial- und verteilungspolitisch effektvier ist, als sie das im Moment ist.

Wir müssen an das Dieselprivileg, und es gibt eine Reihe von weiteren klimaschädlichen Steuerbegünstigungen: für den inländischen Flugverkehr, für den inländischen Schiffsverkehr. Ich möchte dafür plädieren, dass die Bundesregierung möglichst rasch die Bestandsaufnahme, die ja eigentlich schon überfällig ist, von diesen ökologisch kontraproduktiven Subventionen angeht, eine Liste vorlegt und dann deren Beseitigung angeht.

Und letztes Ceterum-censeo, dann bin ich fertig: Ich glaube auch, dass man das Klimaschutzgesetz jetzt endlich einmal verabschieden muss. Wir brauchen diesen regulatorischen Rahmen für all die Maßnahmen. Wir setzen hier alle möglichen Maßnahmen, und das auch zu Recht, und ich glaube, man braucht den Rahmen vom Klimaschutzgesetz.

Kai Jan Krainer: Danke. Ich erspare mir jetzt eine Bemerkung. Kollegin Götze, bitte – noch 2 Minuten circa.

Elisabeth Götze (GRÜNE, Abgeordnete zum Nationalrat): Danke, Herr Vorsitzender. Sehr geehrter Herr Minister! Werte Expertinnen und Experten! Vielen Dank auch von meiner Seite, und ich begrüße es, dass wir diese Diskussion, die sehr interessant ist – und danke vielmals für Ihre Einschätzungen –, auch öffentlichen führen: Es wird ja die Diskussion auf der Parlamentswebsite übertragen. Meine Frage schließt an die ökosoziale Steuerreform und ist eine kurze, aber in dem Fall an alle Expertinnen und Experten, zum Klimabonus. Wie ist da Ihre Einschätzung sowohl aus verteilungspolitischer Perspektive, sozialer Perspektive, regionaler Perspektive oder vielleicht sogar aus psychologischer, sofern man das Finanzexperten fragen darf? – Danke.

Christoph Badelt: Ich möchte vielleicht nur zwei Dinge erwähnen: Erstens, in regionaler Hinsicht, glaube ich, ist die jetzige gewählte Lösung vom Klimabonus durch die Orientierung am vorhandenen Datensatz der Statistik Austria eine sehr pragmatische Lösung – eine Lösung, weil man diese Daten eben hat und weil alles andere wesentlich komplizierter gewesen wäre und wahrscheinlich auch noch viel umstrittener gewesen wäre, wo ich wirklich die Sorge gehabt hätte, dass das die Sache noch weiter verzögert.

Was die Verteilungswirkungen betrifft, möchte ich darauf hinweisen, dass wir vom Fiskalrat eine Berechnung durchgeführt haben über die Verteilungswirkungen des gesamten ökosozialen Steuerpakets, und da zeigt sich, dass die Entlastung für die Haushalte im untersten Einkommensquintil doch deutlich größer ist als in den höheren Quintilen. Das heißt, es ist gelungen, durch dieses System von Maßnahmen zumindest auch in der personellen Einkommensverteilung die Entlastung in einem positiven Sinne des Wortes sozial zu staffeln.

Martin Grundinger: Ich bin eh schon beim Eingangsstatement ... (Die Tonaufnahme ist unterbrochen.) Im Endeffekt ist es so, dass durch den Klimabonus natürlich der Effekt der CO2-Besteuerung auf die CO2-Emissionen weniger stark ausfällt oder vielleicht sogar komplett konterkariert wird, das ist das große Problem am Klimabonus. Ob er aus Verteilungssicht oder allgemein aus Entlastungssicht notwendig ist, steht auf einem anderen Blatt, trotzdem ist es natürlich so, dass dadurch der Effekt der CO2-Steuer bis zu einem gewissen Grad abgemildert wird auf die CO2-Emissionen.

Monika Köppl-Turyna: Vielen Dank. Ich schließe mich grundsätzlich Christoph Badelt an. Ich halte es für eine pragmatische Lösung kurzfristig, längerfristig muss man sich hier natürlich etwas überlegen für die Regionen, wo es halt nicht anders geht, als dass die Personen sich mit dem Auto bewegen, welche Lösungen man da findet.

Ich glaube nicht, dass es ganz stimmt, dass der Klimabonus die CO2-Steuerungswirkung ganz aufhebt, weil wir haben - - In der Ökonomie reden wir immer von zwei Effekten: dem sogenannten Substitutionseffekt, also wenn etwas teurer wird, dann konsumieren wir weniger davon – das ist der CO2-Preis – und ein Einkommenseffekt. Der Einkommenseffekt wirkt hier tatsächlich so, dass die Kaufkraft der Menschen wieder zurückkommt, aber der hebt die Wirkung des Substitutionseffektes nicht auf, also der ist noch immer da. Das heißt, es ist teurer, jetzt Auto zu fahren, und es wird dann den Menschen überlassen, wie sie darüber entscheiden. Allerdings schließe ich mich hier auch Margit Schratzenstaller an, dass man das wahrscheinlich im zweiten Schritt mit der Reform des Pendlerpauschales kombinieren müsste.

Makro gesehen sehen wir, dass es eigentlich eines der wesentlichen Elemente der Steuerreform ist. Ich habe es schon in meinem Eingangsstatement erwähnt, dass wir mit etwa 30 000 Arbeitsplätzen rechnen und einer BIP-Erhöhung von einem Prozentpunkt, und wenn wir sozusagen jetzt nur den Klimabonus nehmen, dann sind etwa ein Drittel davon die Effekte von dem Klimabonus. Also der Konsumeffekt vom Klimabonus macht etwa ein Drittel der Steuerreform aus, und das ist eigentlich ein sehr hoher makroökonomischer Effekt hier, also nur um es aus dieser Perspektive zu beleuchten.

Markus Marterbauer: Eine CO2-Steuer ist eines der zentralen Elemente in der Klimapolitik – neben vielen anderen, die notwendig sind. Nur die CO2-Steuer allein hätte aber deutlich negative Verteilungseffekte, wie bekannt. Deshalb ist der Klimabonus, finde ich, eine sehr gute Erfindung und macht die ökologische Steuerreform ja auch zum internationalen Vorbild. Der Klimabonus wird ja auch international wahrgenommen, er hat sehr positive Verteilungseffekte und ist eines der auch verteilungspolitisch besten Instrumente.

Es entsteht natürlich zu einem guten Teil auch daraus, dass die Rückzahlung aus dem Klimabonus ja viel höher ist als das Aufkommen an CO2-Steuer am Anfang, mehr als doppelt so viel und über die gesamte Periode. Also deshalb ist dieser sozusagen expansive Effekt durch die positiven Verteilungswirkungen auch sozusagen besonders stark. Das heißt, ich halte den Klimabonus für eine gute Idee und sinnvoll.

Ich stehe der regionalen Differenzierung des Klimabonus recht kritisch gegenüber, muss ich sagen, weil ich glaube: Klarerweise ist es so, dass irgendwo am Land, wo die Öffis nicht so gut ausgebaut sind, die Belastung durch die CO2-Steuer größer ist, aber das wichtigste Instrument, um dem zu begegnen, ist der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, und zwar in innovativer Form – also Mikroöffis, Zubringer zu den Bahnstationen et cetera. Das ist das wichtigste Instrument, um diese sozusagen regionale Ungleichheit hintanzustellen, und nicht diese in vielfacher Hinsicht kritisierungswürdige regionale Differenzierung.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ja, jetzt kommt mir schon wieder die Aufgabe des Aufräumens hinterher zu. Ich versuche, das aus meiner Sicht noch einmal zu systematisieren.

Ich möchte noch einmal unterstreichen, dass ich diesen Vorgang der Rückverteilung über diesen Klimabonus – der größte Teil der Rückverteilung geht ja an die Haushalte –, über den Klimabonus für sehr sinnvoll halte, nicht nur aus sozialen Gründen, das haben wir ja gehört, sondern auch aus Gründen der Akzeptanz. Wir wissen aus der - - Die gesamte empirische Literatur sagt uns, dass die soziale Akzeptanz viel, viel größer ist, wenn die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung nicht einfach im Haushalt irgendwo im Budget verschwinden, sondern wenn sie rückverteilt werden, und wenn sie auch noch so rückverteilt werden, dass man tatsächlich dann auch eine soziale Komponente berücksichtigt, und ich würde dieses Argument der sozialen Akzeptanz bitte nicht unterschätzen.

Ich will nicht wieder auf die Gelbwestenproteste und so weiter eingehen, aber wir haben auch - -, wir haben nicht nur wegen Corona, sondern wir haben auch in Bezug auf Klimaschutzmaßnahmen – und nicht nur in Österreich – eine gewisse soziale Spaltung, und ich glaube, wir müssen bei der Ausgestaltung von Maßnahmen auch und vor allem – also wir Ökonomen und Ökonominnen vergessen das immer ein bisschen – aber darauf aufpassen, dass sie auch die entsprechende soziale Akzeptanz finden, weil sonst können wir uns tolle Modelle überlegen – wenn das alles nicht akzeptiert und nicht angenommen wird und wir einen Widerstand in einem großen Teil der Bevölkerung haben, dann wird das alles nichts helfen.

Der Klimabonus hat ja eine Konstruktion, die einige Besonderheiten aufweist. Also zum einen ist er regionalisiert, also nach der regionalen Lage differenziert, und ich glaube auch, dass das grundsätzlich eine sinnvolle Konstruktion ist, weil die Heizkosten oft höher sind auf dem Land und die Öffianbindung am Land schlechter ist. Es ist ein Pro-Kopf-Pauschalbetrag, von dem überdurchschnittlich untere Einkommen profitieren. Es wird auch so sein – obwohl wir die Einzelheiten noch nicht kennen –, dass die Höhe des Klimabonus wohl mit dem CO2-Preis dann ansteigen wird. Das ist einerseits nachvollziehbar, weil es ja um die Kompensation von besonderen Belastungen geht, aber ich glaube schon, dass man nach einer gewissen Zeit die Höhe und auch die Ausgestaltung des Klimabonus evaluieren soll. Ich glaube, dass man sich dann einfach nach ein paar Jahren überlegen muss, wie man die Rückverteilung an die Haushalte gestaltet, ob man da nicht andere Instrumente verwendet, als einfach so eine Pro-Kopf-Rückverteilung.

Ich glaube auch, dass man die Regionen natürlich regelmäßig monitoren und neu einstufen muss, und ich schließe mich Markus Marterbauer an: Wir brauchen selbstverständlich als begleitende Maßnahme, und da müssen wir auch draufbleiben, Investitionen in klimafreundliche Mobilität, in klimafreundliche Heizsysteme und so weiter, weil eigentlich ist ja der Sinn der Übung, dass wir solche Kompensationsmechanismen irgendwann nicht mehr brauchen, weil die Mobilitätsentscheidungen, das Heizverhalten, das Wohnverhalten so klimafreundlich ist, dass wir auch die CO2-Bepreisung nicht mehr brauchen. Aber das ist jetzt schon sehr, sehr langfristig. – Danke.

Gabriel Obernosterer: Danke, Frau Doktor. Herr Dr. Berger. Bitte schön.

Helmut Berger: Danke schön, Herr Vorsitzender. Ich wollte auch noch kurz etwas sagen. Ich möchte gleich anknüpfen an das, was Frau Kollegin Schratzenstaller gesagt hat. Also ich finde die soziale Akzeptanz auch extrem wichtig, und daher glaube ich, dass es ganz wichtig ist, dass man diesen Klimabonus eingeführt hat. Es ist wahrscheinlich auch wichtig, dass er in der Einführungsphase höher ist als der Preis, der aus der CO2-Abgabe entstehen wird.

Ich teile auch die Einschätzung von Frau Kollegin Köppl, dass der Substitutionseffekt durch diesen Klimabonus nicht aufgehoben wird, ganz einfach deswegen, weil sich die relativen Preise ändern. Wir wissen noch nicht genau, wie sich die Elastizität jetzt entwickeln wird, weil das wird sicher gewisse Änderungen haben – also die Elastizität bedeutet die relative Mengenänderung im Verhältnis zur relativen Preisänderung. Ich glaube, dass die Elastizität nicht so gering sein wird, weil das ganz einfach eine längerfristige Maßnahme ist, die man einpreisen kann in seinem Verhalten.

Wir haben jetzt natürlich deutlich größere Schwankungen, als das die CO2-Bepreisung bewirkt, durch die Änderungen auf den Energiemärkten, nur sind das relativ kurzfristige Schwankungen, wo man davon ausgeht, dass die sich relativ bald wieder ändern, und daher möglicherweise nicht so stark darauf reagiert. Darum ist es aus meiner Sicht auch etwas schade, dass der Anstieg relativ flach verläuft, denn es hätte sicher einen größeren Effekt, wenn der Anstieg anders wäre.

Zuletzt möchte ich noch sagen, wir haben uns in unserer Budgetanalyse ganz intensiv auch mit den Verteilungswirkungen befasst, haben das auch aufgespalten auf die verschiedenen Elemente und insbesondere uns den Klimabonus dann angeschaut. Es profitieren grundsätzlich vom Klimabonus alle, aber in unterschiedlichem Ausmaß. Es profitieren die im untersten Einkommensquartil stärker.

Warum profitieren die stärker? – Weil sie an sich auch weniger CO2 konsumieren, und daher werden sie stärker belastet durch die CO2-Abgabe. Es profitieren die Leute stärker, die keinen Pkw haben, als jene Leute, die einen Pkw haben. Der Grund ist ganz einfach der gleiche. Die Personen, die mit Heizöl heizen, profitieren relativ wenig vom Klimabonus, weil durch den Heizölverbrauch natürlich auch eine entsprechende CO2-Abgabe entsteht, auch mit Gas relativ wenig. Wenn man andere Heizungsformen hat, dann ist der Vorteil entsprechend größer. Das ist natürlich auch eine positive Lenkungswirkung. Noch zuletzt die regionale Differenzierung, die auch relativ klar ist. Also in Wien profitiert man weniger wie in Gebieten, die eine sehr niedrige Besiedelung haben. Da ist der Unterschied eigentlich relativ stark.

So viel zu der Wirkung, wie wir es in unserer Budgetanalyse drinnen haben.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals, Herr Doktor. Frau Kollegin, bitte schön. Sie sind fertig? Dann darf ich weitergeben zu Frau Kollegin Blimlinger. Bitte schön um Ihre Fragestellung.

Eva Blimlinger (GRÜNE, Abgeordnete zum Nationalrat): Danke, Herr Vorsitzender. Meine Frage richtet sich an Frau Kollegin Schratzenstaller, und zwar geht es im Gröberen um den Bereich der Justiz. Wir haben ja in den letzten Jahren immer wieder davon gehört, dass die Justiz ziemlich unterdotiert ist, sogar vor dem stillen Tod wurde gewarnt. Meine Frage, es hat ja schon letztes Jahr begonnen, geht in die Richtung, wie Sie das Budget für die UG 13 Justiz bewerten, und vielleicht auch, was im nächsten Schritt da noch zu tun wäre, damit sie nicht nur nicht stirbt, sondern sozusagen sich weiterentwickeln kann.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ja, vielen Dank für die Frage. Für jene, die mich kennen: Die wissen, dass ich keine ausgesprochene Justizexpertin bin. Ich bitte daher um Verständnis, wenn die Antwort relativ kurz ausfällt, aber wenn ich mir das Budget so anschaue, dann ist das ja nicht das erste Budget, in dem versucht wird, diesem stillen Tod der Justiz entgegenzuwirken, also die Justiz wiederzubeleben.

Wir hatten 2019 ein Budget von 1,66 Milliarden Euro. Das ist schrittweise erhöht worden oder wird schrittweise erhöht bis 2022 auf 1,87 Milliarden Euro. Das ist 2022 gegenüber 2021 immerhin ein Plus von 4,3 Prozent, und wenn man 2022 gegenüber 2019 vergleicht, ist es ein Plus von 13 Prozent, das sind immerhin 210 Millionen Euro mehr. Damit sind Personalaufstockungen möglich, mehr Mittel für Rechtsprechungskosten der Gerichte möglich. Damit sind auch Schwerpunktsetzungen in einem Bereich möglich, den wir ganz zu Anfang schon angesprochen haben, nämlich das Maßnahmenpaket gegen Gewalt an Frauen, zur Stärkung von Gewaltprävention. Damit ist auch die Sanierung und die Erweiterung von Unterbringungsmöglichkeiten und mehr Mittel für Terrorbekämpfung und Opferhilfe möglich. Das sind ja die Schwerpunkte, die da gesetzt werden.

Was mir allerdings auch aufgefallen ist: Wenn man dann die Jahre im Finanzrahmen nach 2022 anschaut, dann haben wir eigentlich de facto eine Stagnation beziehungsweise einen sehr geringen Anstieg der weiteren Mittel, und ich glaube dass man, wenn man diesen stillen Tod der Justiz nicht nur akut kurzfristig durch Widerbelebungsmaßnahmen vermeiden will, sondern auch das Gedeihen der Justiz weiterhin fördern will – und ich glaube, das ist auch notwendig, wenn man sich das nur anekdotisch als Nichtexpertin anschaut, aber wenn man die Berichte sieht über Defizite im Maßnahmenvollzug, wenn man Berichte hört und sieht darüber, wie zum Teil die Zustände in den Strafanstalten sind –, ich glaube, da gibt es schon noch einen Bedarf, hier weitere Schwerpunkte auch über das Jahr 2022 hinaus zu setzen.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals. Haben Sie eine weitere Frage, Frau Kollegin? Okay, keine weiteren Fragen. Dann kommen wir zur Fraktion der Grünen, und, Herr Kollege Fuchs, Sie haben sich zu Wort gemeldet.

Hubert Fuchs (FPÖ, Abgeordneter zum Nationalrat): Also normalerweise sage ich immer vielen Dank, Herr Vorsitzender, in dem Fall nicht. Ich möchte auch kurz auf die CO2-Bepreisung eingehen. Wenn man den Experten jetzt so zugehört hat, dann habe ich das jetzt einmal so verstanden, dass eigentlich die CO2-Bepreisung bis zum Jahr 2025 auf die CO2-Emissionen keinen signifikanten Lenkungseffekt hat. Kollegin Schratzenstaller hat von einer sehr begrenzten Lenkungswirkung gesprochen. Es geht eigentlich derzeit nur um die soziale Akzeptanz. Das scheint auch Vizekanzler Kogler zu bestätigen, weil der sagt ja auch, wichtig ist der Einstieg zum Umstieg. Aber darf ich jetzt noch einmal nachhaken bei Prof. Badelt und auch bei Frau Dr. Schratzenstaller: Es geht hier primär um die soziale Akzeptanz, und wir dürfen bis 2025 mit keinem signifikanten Lenkungseffekt durch die CO2-Bepreisung auf die CO2-Emissionen rechnen.

Gabriel Obernosterer: Danke, Herr Kollege Fuchs von der FPÖ, um das klarzustellen. Bitte, Herr Professor. Bitte schön.

Christoph Badelt: Nein, ich habe das nicht so verstanden, sondern es wurde, glaube ich, mehrfach darauf hingewiesen, dass natürlich eine steilere Kurve stärkere Effekte hätte und dass es – und da kann ich nur auf Frau Köppl zurückkommen - - Es gibt halt einen Einkommenseffekt und einen Substitutionseffekt, aber durch die Verteuerung der Emissionen und der damit verbundenen Produkte gehe ich schon davon aus, dass es einen Lenkungseffekt hat. Den genau zu quantifizieren ist zwar nicht leicht möglich, aber es gibt in der Literatur, und das kann dann Margit Schratzenstaller noch genauer sagen, weil sie da Teil der Literatur ist, die Überlegungen, dass der langfristige Effekt bis zu drei Mal so groß ist wie der kurzfristige Effekt, dass das im gesamten Paket noch wirklich eine Rolle spielt und dass daher längerfristig auch die jetzigen vorgesehenen Maßnahmen bis zu 10 Prozent der CO2-Emissionen betreffen würden.

Aber man muss auch sagen, das alleine wird noch nicht reichen, die jetzt noch einmal verschärften Ziele von der europäischen Seite, herunterzukommen, zu erreichen. Da werden wir, und deswegen haben wir über die ganzen anderen Dinge gesprochen, wohl noch nachschärfen müssen.

Gabriel Obernosterer: Danke, Herr Professor. Frau Doktor, bitte.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ich muss irgendetwas tun, um meine Stellung im Alphabet irgendwie zu ändern. Ich kann nicht sehr viel mehr dazu sagen, außer auch von meiner - -

Christoph Badelt: Ich habe dich ja zitiert, Margit. Schau, ich habe dich ja zitiert.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Nein, es geht nicht - - es geht auch um die soziale Akzeptanz, selbstverständlich, es geht auch um die Vermeidung von sozialen Härten, selbstverständlich, aber es geht natürlich sehr stark um einen Lenkungseffekt. Ich habe gesagt – und ich habe das bewusst so gesagt –, er wird kurzfristig begrenzt sein.

Das hängt zum einen tatsächlich an dem relativ moderaten Einstiegspreis. Aber egal, wie hoch der Preis wäre, der Lenkungseffekt wäre kurzfristig immer relativ beschränkt. Weil kurzfristig, und das wissen wir aus allen empirischen Studien, die Elastizitäten beim Treibstoffverbrauch, beim Heizstoffverbrauch und so weiter einfach relativ gering sind. Weil das auch klar ist, ich brauche ja Möglichkeiten, um mein Verhalten zu ändern. Die sind regional unterschiedlich, das haben wir auch schon besprochen. Aber es gibt in ganz Österreich einfach Defizite hier. Deswegen ist es so wichtig, auf den Begleitmaßnahmen draufzubleiben, die Begleitmaßnahmen umzusetzen. Je wirkungsvoller diese Begleitmaßnahmen sind, desto wirkungsvoller kann die CO2-Bepreisung sein, weil die nämlich auf die Nachfragereaktion und auf die Möglichkeiten der Nachfrage, überhaupt zu reagieren, auf die Möglichkeiten der Verbraucher und Verbraucherinnen, tatsächlich auf klimafreundlichere Mobilität, Heizen, Wohnen und so weiter umzusteigen, eben entscheidend einwirkt. Dass ich im Einklang mit vielen Experten und Expertinnen es für sinnvoller gehalten hätte oder es für effektiver gehalten hätte, gerade in der mittelfristigen Sicht, erstens höher einzusteigen, aber dann auch einen ambitionierteren Preispfad zu machen, auch das möchte ich noch einmal betonen. Vielleicht sitzen wir nächstes Jahr hier und diskutieren wir über einen angepassten, ambitionierteren Preispfad. Das wird auch ein bisschen davon abhängen, glaube ich, was in Deutschland passiert. Der österreichische Pfad orientiert sich am deutschen Pfad. Man wird sehen, was die Ampel in Deutschland vorhat. Vielleicht schärft die ja ihrem Preispfad nach und vielleicht sitzen wir nächstes Jahr hier und diskutieren auch über einen nachgeschärften Preispfad. Wünschen würde ich mir das.

Gabriel Obernosterer: Danke schön. Herr Kollege Fuchs!

Hubert Fuchs: Vielen Dank! Frage an den Kollegen Grundinger: Können Sie auf die möglichen Probleme der Ökologisierung im Allgemeinen, aber auch CO2-Steuer im Speziellen kurz replizieren?

Martin Grundinger: Ich möchte etwas vorwegschicken zur Diskussion über Substitutionseffekt und Einkommenseffekt. Normalerweise ist es natürlich so in diesem Fall, dass der Substitutionseffekt den Einkommenseffekt überwiegt. Allerdings haben wir hier eine Sondersituation. Nämlich: Der Klimabonus ist nicht genauso hoch wie die Einnahmen der CO2-Steuer, das möchte ich zu bedenken geben. Der Klimabonus ist 1,25 Milliarden, die CO2-Steuer sind 500 Millionen.

Der zweite Punkt, den ich noch sagen will, ist, dass die CO2-Intensität über die verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht die gleiche ist, die CO2-Intensität im Konsum. Das heißt, wenn man das berücksichtigt, kann es sehr wohl sein, dass eigentlich durch den Klimabonus die CO2-Steuer, die Auswirkungen auf die CO2-Emissionen konterkariert wird. Ich bitte das zu bedenken.

Ja, zur CO2-Steuer: Erstens gibt es natürlich immer Opportunitätskosten, und auf die muss man Rücksicht nehmen. Die Ressourcen, die für bestimmte Thematiken eingesetzt werden, die stehen dann nicht mehr doppelt zur Verfügung. Die kann man dann nicht noch einmal nutzen. Und wenn man jetzt im Klimabereich irgendeine Maßnahme setzt und die verfehlt ihr Ziel, weil zum Beispiel die CO2-Emissionen nicht sinken dadurch, dann stehen diese Ressourcen dann nicht mehr zur Verfügung, dass man dann noch einmal zurück an den Start geht und irgendeine andere Maßnahme versucht, sondern diese Ressourcen sind dann Sunk Costs.

Zweitens gilt das Gleiche natürlich auch für zukünftige Generationen. Wenn man jetzt nämlich ein geringeres Wirtschaftswachstum in Kauf nimmt, damit man das Klima rettet oder wie auch immer, dann stehen zukünftigen Generationen natürlich weniger Ressourcen zur Verfügung, um zum Beispiel Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel zu bezahlen. Auch das ist bitte zu bedenken.

Drittens gibt es durch eine CO2-Steuer immer auch eine Verlagerung von Konsum und Produktion. Und abhängig davon, wohin sich die Produktion oder der Konsum verabschiedet, kann es sein, dass eine isolierte CO2-Steuer in irgendeinem Staat oder in irgendeiner Region dazu führt, dass global gesehen die CO2-Emissionen ansteigen.

Viertens: Eine CO2-Steuer erfordert immer ein gewisses Maß an zusätzlichen bürokratischen Strukturen. Da wird man sehen, wie das in diesem Fall aussieht.

Und fünftens: Es führt natürlich zu einer Verteuerung von Gütern. Und wenn man jetzt sowieso schon das Potential von einer relativ hohen Inflation hat, dann ist natürlich eine CO2-Steuer geeignet, da noch Öl in das Feuer zu gießen, zumindest potentiell.

Zur Ökologisierung allgemein. Wenn man glaubt, dass staatliche Lenkung die adäquate Antwort auf die Klimakrise ist, dann möchte ich zwei Dinge zu bedenken geben. Historisch waren die Länder, die die meisten Umweltschäden produziert haben, diejenigen, wo der staatliche Einfluss in der Industrie am höchsten war. Man braucht sich nur die Länder nach dem Fall der Mauer ansehen, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Da waren die Länder mit den meisten Umweltschäden genau die Länder des früheren Ostblocks. Und zweitens haben es Staaten in der Vergangenheit regelmäßig nicht geschafft, eigentlich eher unterkomplexe Probleme zu lösen. Ich verweise in dem Zusammenhang nur auf die nachhaltige Finanzierung der Pensionen. Und aus welchen Gründen sollte man jetzt darauf vertrauen, dass staatlicherseits die richtigen Antworten auf so ein komplexes Problem wie den Klimawandel gefunden und implementiert werden?

Wenn man aber trotz dieser Einwände glaubt, dass eine staatliche Lenkung der richtige Weg ist, dann würde ich ein anderes Modell bevorzugen, nämlich eine Senkung der Steuern für saubere Energie. Man kann genauso da ansetzen, man muss nicht immer ein Verteuerungspaket schnüren, nur weil man Lenkungseffekte erzielen will.

Gabriel Obernosterer: Danke schön! Weitere Frage, Herr Kollege?

Hubert Fuchs: Eine Frage an den Professor Badelt: Sie haben gemeint, die Eckdaten des Budgets halten Sie für sehr vorsichtig. Andererseits sagen Sie aber auch, sollten hier wirtschaftliche Probleme auf uns zukommen, sollte sich der Konjunkturhimmel verdunkeln, ja dann kann sich alles ändern. Da orte ich ein wenig einen Widerspruch, weil wenn Sie sagen, es ist vorsichtig, ja dann müsste ich ja drohende wirtschaftliche Gefahren sehr wohl auch im Budget berücksichtigen. Das heißt, ich habe hier wohl ein optimistisches Budget, aber kein realistisches.

Christoph Badelt: Also ich habe es anders gemeint. Was ich sagen wollte, ist: Die Eckdaten, insbesondere hinsichtlich des Finanzierungsaldos und der Verschuldung, also wenn Sie so wollen, die Gesamtwirkungen des BVAs, die werden von uns auf der Basis jüngerer Informationen, als sie dem Finanzministerium vorgelegen sind, positiver eingeschätzt, als das eben in den Dokumenten des BVAs drinnen steht. Das liegt an einer Reihe von Gründen. Erstens gab es in der Zwischenzeit eine revidierte Wifo-Mittelfristprognose. Zweitens hatten wir schon einen Monat mehr Steuereinnahmedaten. Drittens gibt es auch im Bereich der Annahmen ein paar Einschätzungsunterschiede. Das kann man so und so sehen. Also Beispiel etwa: Wenn Sie hineinschauen, die Haftungsausgaben werden, ich sage einmal, extrem pessimistisch im Voranschlag eingeschätzt. Wir glauben, dass da nicht so viel passieren wird und dergleichen mehr.

Also das ist eigentlich eine reine technische Diskussion. Ich habe es für mich politisch so interpretiert, dass der Vorteil dieser Konstellation darin liegt, dass das Budget auch sozusagen eine gewisse Vorsicht in sich hat, wenn irgendwas bei diesen Eckdaten nicht funktioniert oder sich anders darstellen würde.

Was ich auch gesagt habe, und das ist, wenn Sie so wollen, tatsächlich ein Widerspruch, nur ein Widerspruch, der in der Realität existiert: All unsere Wirtschaftsprognosen, egal ob die Wifo-Prognose, die hinter dem BVA steht, oder die, die wir jetzt neu verwendet haben, alle diese Prognosen gehen davon aus, dass die Covid-Krise keine signifikanten wirtschaftlichen Restriktionen mehr notwendig macht. Alle! Übrigens ist das international auch so. Ob das richtig ist oder nicht - - Erstens wünschen wir uns das natürlich alle, aber ob das richtig ist oder nicht, ist nicht ein Gegenstand einer wirtschaftspolitischen Diskussion, sondern ausschließlich einer gesundheitspolitischen Diskussion.

Und was ich erwähnt habe, ist: Während ich ja grundsätzlich, und immerhin ist es auch noch nicht so lange her, dass ich selbst Wifo-Chef war, grundsätzlich den Optimismus betreffend die wirtschaftliche Entwicklung teile – der Optimismus ist ja in den letzten Monaten von Monat zu Monat größer geworden, es sind ja die Prognosen dauernd hinaufrevidiert worden –, also sosehr ich diesen Optimismus grundsätzlich teile, so sehr muss ich sagen: Je schlimmer die Zahlen von Covid werden, desto mehr bekomme ich schlicht und einfach die Sorge, dass es einerseits vielleicht doch durch irgendwelche Maßnahmen oder aber auch durch Maßnahmen des Auslands – Schlagwort: was ist mit dem Wintertourismus, wenn wir so hohe Zahlen haben, dass sich die Deutschen nicht mehr kommen trauen, und dergleichen mehr –, dann muss ich sagen, dann könnten all diese Prognosen falsch sein. Aber fragen Sie mich nicht, wie falsch sie sind! Weil das kann Ihnen heute, wenn jemand ehrlich ist, überhaupt niemand prognostizieren.

Also ja, das ist ein Widerspruch. Ich sage, wir gehen eigentlich im Normalfall von einer sehr positiven Wirtschaftsentwicklung aus. Da muss ich, wenn ich eine Kritik anbringe, sogar sagen, unbeabsichtigt hat da das Budget eher prozyklische Wirkungen als bremsende Wirkungen, weil man jetzt in dem Aufschwung wahrscheinlich rein aus konjunkturpolitischen Gesichtspunkten gar nicht noch wahnsinnig viel in die Nachfrage hineinpumpen müsste. Das ist einfach so, das ergibt sich durch den zeitlichen Ablauf der Erkenntnisse. Aber Corona – ja, das ist tatsächlich eine andere Baustelle. Und wenn der Wintertourismus zusammenbricht, so wie voriges Jahr, ja, dann stimmen einfach die Wachstumszahlen nicht mehr.

Gabriel Obernosterer: Danke. Bitte, Herr Kollege.

Hubert Fuchs: Also der Widerspruch in Ihren Ausführungen hat sich für mich jetzt vergrößert. Also ich finde, das ist ein reiner Zweckoptimismus, der hier nicht nur national, sondern auch international verbreitet wird. Sie sprechen selbst von einer Diskussion in Deutschland bezüglich Reisewarnung Österreich/Wintertourismus. Ich kann nicht so tun, als ob es überhaupt keine Lieferprobleme gibt, Lieferwege, wir wissen, wie problematisch das Ganze ist. Und man geht einfach davon aus, dass all diese Probleme nicht mehr existent sind. Und auch die Inflation: Man tut so, als ob das nur ein vorübergehendes Problem ist. Ich würde Kollegen Grundinger bitten, vielleicht diesbezüglich darauf eingehen zu können.

Christoph Badelt: Darf ich auch noch etwas darauf sagen?

Gabriel Obernosterer: Natürlich, Herr Professor! Bitte.

Christoph Badelt: Da muss ich jetzt schon sagen, da haben Sie mich missverstanden, ich hoffe, nicht bewusst missverstanden. Denn: Selbstverständlich sind in allen Wirtschaftsprognosen sowohl Inflationsprognosen enthalten, das brauchen Sie nur nachzuschauen, beziehungsweise ist die Lieferkettenproblematik drinnen. Das Einzige, was nicht drinnen ist, sind Lockdowns. Und zu sagen, das ist jetzt ein Zweckoptimismus, ja, das ist jetzt wirklich eine Einschätzungsfrage. Ich weiß nur nicht, ehrlich gestanden, welche Annahmen man da hätte treffen sollen. Also dann sind Sie völlig im Bereich der Spekulation.

Hubert Fuchs: Noch ein Satz dazu: Wir hatten ja auch schon Budgets, wo Lockdowns nicht berücksichtigt wurden. Und ich würde jetzt den Kollegen Grundinger bitten.

Martin Grundinger: Zum Punkt der Inflation möchte ich einmal der Regierung dazu gratulieren, dass sie die Nationalbank zu einem Gebetshaus gemacht hat, weil so viel, wie dort momentan vermutlich gebetet wird, dass die Inflationsrate nicht noch weiter steigt, ich glaube, das kriegen Sie an einem normalen Sonntag in ganz Österreich nicht zusammen. Aber gehen wir zu den Zahlen.

Seit der Einführung des Euro hatten wir im Euroraum ein Geldmengenwachstum von einer, ja quasi einer Vervierzehnfachung, bitte! 427 Milliarden Euro auf 6 Billionen Euro. Und seit März 2020 hat sich die Geldmenge knapp verdoppelt. Wir sehen da ein exponentielles Wachstum. Und dieses Geldmengenwachstum trifft jetzt auf Knappheiten und ein geschrumpftes Güterangebot. Grundsätzlich ist es meist so, dass zuerst die Preise ansteigen bei den Erzeugerpreisen und bei den Großhandelspreisen, und genau dort sehen wir eigentlich schon relativ hohe Preissteigerungen von 10 Prozent im bisherigen Jahr. Und wenn der Trend in etwa aufrechterhalten wird, dann können wir davon ausgehen, dass wir zeitnah Inflationsraten von nahe 10 Prozent sehen werden.

Die Annahme, auf der das Budget basiert, nämlich dass davon ausgegangen wird, dass der übermäßige Anstieg der Verbraucherpreisinflation nur temporär ist, wird aus meiner Sicht zunehmend unwahrscheinlich; das auch vor dem Hintergrund, dass mit fast jeder Prognose die Inflationsrate weiter nach oben korrigiert wird.

Ich möchte außerdem darauf hinwiesen, dass wir möglicherweise mit dauerhaften Preissteigerungen bei Energie und mit Knappheiten auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert sind, und das sind klassische Elemente für das Entstehen einer Lohn-Preis-Spirale, also einem gegenseitigen Aufschaukeln von Löhnen und Preisen. Verschärfend wirkt auch, dass der Nationalbank beziehungsweise der EZB weitgehend die Hände gebunden sind. Sie kann nicht mit Zinssätzen in ausreichender Form reagieren, ohne einen massiven Crash zu riskieren. Das ist das Riesenproblem, wohin uns eigentlich die Geldpolitik der letzten Jahre hingeführt hat, und ich hoffe mit Ihnen und ich hoffe mit den Leuten in der Nationalbank, ich bete, dass die Inflationsrate nicht weiter ansteigt. Ich weiß nur nicht, wie realistisch es ist.

Gabriel Obernosterer: Danke. Haben Sie eine weitere Frage, Herr Kollege Fuchs? Bitte schön!

Hubert Fuchs: Eine Frage an den Finanzminister bezüglich der CO2-Bepreisung. Grundsätzlich wäre ja denkbar, dass man hinsichtlich der CO2-Bepreisung das umsatzsteuerlich als Durchläufer behandelt. Meine Frage: Wird die CO2-Bepreisung als Durchläufer in der Umsatzsteuer behandelt, oder wird dadurch die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage verbreitert werden? Und falls die Bemessungsgrundlage dadurch verbreitert wird: Mit welchen Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuer rechnet man aufgrund der CO2-Bepreisung?

Gernot Blümel (Bundesminister für Finanzen): Sie wissen, die konkreten gesetzlichen Ausformulierungen werden in nächster Zeit in Begutachtung gehen, aber derzeit gehen wir davon aus, dass es natürlich auch umsatzsteuerpflichtig ist. (Zwischenruf von Fuchs.) Habe ich derzeit nicht parat, aber kann ich nachliefern.

Hubert Fuchs: Nächste Frage an den Finanzminister, kann auch gerne nachgeliefert werden: Durch die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge kommt es natürlich zu einer Erhöhung des Lohnsteueraufkommens. Ob das schon abschätzbar ist? Vielleicht kann man das auch nachliefern. Das Nächste: Tanktourismus ist ja auch immer ein Thema. Der aktuelle Stand ist, dass natürlich der Tanktourismus eingeschränkt werden wird durch die CO2-Bepreisung. Gibt es hier Schätzungen bezüglich Mindereinnahmen MÖSt und USt?

Gernot Blümel: Das ist deswegen ein bisschen schwer zu berechnen, weil ja generell der Tanktourismus auch eine Annahme ist, und wie sich die Preise international weiterentwickeln, ist noch recht offen. Deswegen kann ich auch da nachfragen, ob wir etwas nachliefern können. Ad hoc kann ich Ihnen das nicht beantworten, wie hoch diese Differenz ist. Aber wir wissen, dass der Tanktourismus generell immer eine sehr optimistische Schätzung auch war im Budget.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals. Herr Kollege Fuchs, die Fragezeit der ersten Runde ist schon leicht überschritten. Weitere Fragen bitte in der zweiten Runde. Ich gehe jetzt weiter zur Fraktion der ÖVP. Herr Kollege Hanger, bitte schön!

Andreas Hanger: Danke, Herr Vorsitzender! Ich möchte mich auch einleitend für meine Fraktion bei den Expertinnen und Experten bedanken. Immer wieder interessant, wie unterschiedlich hier die Einschätzungen sind. Ich möchte auch einen Dank sagen an den Budgetdienst, der wirklich aus meiner Sicht hervorragend uns Parlamentarier in dieser Arbeit unterstützt, und auch einen Dank natürlich an das Finanzministerium. Hier wurde ein sehr professioneller Prozess aufgesetzt.

Ich möchte einleitend einmal festhalten, dass ich wirklich der Meinung bin, dass wir eine bemerkenswerte Situation derzeit haben in Österreich, wenn wir uns die makroökonomische Situation anschauen: Wer hätte vor einem halben Jahr geglaubt, dass wir dieses Wirtschaftswachstum haben. Wer hätte geglaubt, dass wir diese Arbeitsmarktlage haben? Wer hätte geglaubt, dass die relative Verschuldung in der mittelfristigen Finanzplanung wieder Richtung 70 Prozent geht? Zinsaufwand ist ein Thema, über Geldpolitik kann man lange diskutieren, keine Frage, aber Faktum ist, dass wir Zahlen eingestellt haben, dass der Zinsaufwand relativ gesehen auch stark zurückgeht. Also das sind schon Zahlen, die auf eine sehr starke und robuste Volkswirtschaft hinweisen und das möchte ich einmal voranstellen.

Meine erste Frage an Professor Badelt, vielleicht jetzt auch noch einmal zurückblickend zu den Coronamaßnahmen wirtschaftspolitischer Natur: Wie schätzen Sie die jetzt ein, wirtschaftlich, inhaltlich und zeitlich? Waren die richtig gesetzt? Aber natürlich, man kann vielleicht auch immer etwas besser machen. Was hätte man aus Ihrer Sicht in der Nachbetrachtung noch besser machen können?

Christoph Badelt: Also grosso modo glaube ich, dass die Coronamaßnahmen richtig waren, denn sie haben im Wesentlichen darauf abgezielt, einerseits die Unternehmen möglichst am Leben zu erhalten, indem sie die entsprechenden Liquiditätshilfen gegeben haben. Und sie haben auf der anderen Seite, vor allem durch das großzügige Kurzarbeitsmodell, aber auch durch andere Maßnahmen, dazu geführt, dass erstens die Arbeitslosigkeit nicht noch viel, viel größer geworden ist. Ich meine, sie ist so auch groß genug geworden, aber sie wäre natürlich in eine absurde Größenordnung gestiegen, hätte es das Kurzarbeitsmodell nicht gegeben. Sie hat damit auch die größten sozialen Probleme, die auf der individuellen Ebene existieren, so abgefedert, dass wir eben nicht in ein Chaos gekommen sind. Das muss man leider sagen, die gesundheitspolitische Krise und die notwendigen Schließungsmaßnahmen hätten ohne ein Paket dieser Art zweifellos zu einer unfassbar großen sozialen und auch ökonomischen Krise geführt.

Was jetzt das Timing betrifft, muss man natürlich sagen, dass man, würde man die Entwicklung der Pandemie vorhersehen können und würde man daher alle Maßnahmen schon vorher ausgearbeitet haben und dann nur auf Knopfdruck in Kraft setzen, natürlich wäre es bei manchen Maßnahmen besser gewesen, man hätte sie rascher, insbesondere auch bei den ganzen Unterstützungsmaßnahmen, man hätte Sie rascher - - (Zwischenruf.) – Na ja eh! Also das Lächeln des Herrn Abgeordneten Kopf gibt mir sozusagen das Stichwort. Aber ich kann leicht im Nachhinein sagen, gescheiter wäre es gewesen, man hätte es rascher gehabt. Man muss sich aber vorstellen, dass das alles praktisch vom Stand weg neu konzipiert worden ist und deswegen auch manchmal dann angepasst worden ist nach den ersten Erfahrungen.

Bei der Kurzarbeit frage ich mich manchmal, ob wir da nicht schon früher ein bisschen restriktiver hätten werden können, wobei man natürlich dazusagen muss, dass das jetzt auch wieder ein schwieriges Grenzproblem ist, denn am Anfang war die Kurzarbeit wirklich auf coronabedingte Schwierigkeiten zurückzuführen, und je länger die Entwicklung weitergegangen ist, desto mehr sind dann andere Themen dazugekommen, wie etwa die ganze Lieferkettenproblematik. Jetzt haben wir die zwar ganz am Anfang auch gehabt, Sie erinnern sich, in der ersten Phase der Pandemie gab es die unmittelbaren Lieferprobleme vor allem aus dem Fernen Osten und dergleichen mehr. Das hat die Industrie damals sehr stark getroffen. Dann hat sich das einigermaßen eingependelt und dann kamen die langfristigen Wirkungen.

Aber im Grunde genommen muss ich sagen, ich gebe dem ein positives Bild, und ich glaube auch, dass das wesentlich dazu beigetragen hat, dass wir in einem sozialen und wirtschaftlichen Sinn insofern gut durch die Krise gekommen sind, als wir wieder haben rasch durchstarten können. Hätte man zum Beispiel nicht das Arbeitskräftepotential behalten, hätten die Unternehmen mehr gekündigt, hätten wir nicht nur ein riesiges soziales Problem gehabt, sondern die Leute wären in einem noch viel größeren Ausmaß weg gewesen, als die Wirtschaft durchgestartet hat.

Andreas Hanger: Herr Professor Badelt, Sie haben auch schon in den vorherigen Wortmeldungen auch diese Unsicherheiten in der Prognoserechnung angesprochen. Ich glaube, die aktuelle Coronasituation erfüllt uns ja alle mit Sorge, wenn man sich die tägliche Zahl der Neuinfektionen zum Beispiel anschaut, auch wissend, dass das jetzt nicht die Kennzahl schlechthin ist. Es gibt jetzt Unsicherheit. Die Frage, die sich aufdrängt, 2G-Regel kommt eventuell, Stufenplan, ich möchte aber die Frage wirklich an alle Experten richten: Sind die derzeitigen Instrumente, die aufgesetzt sind, Verlustersatz, Kurzarbeit, Garantien, aktuell ausreichend, oder sehen Sie hier einen unmittelbaren Handlungsbedarf?

Christoph Badelt: Also ich glaube, dass sie, weil ja die wirtschaftlichen Auswirkungen im Augenblick noch nicht so dramatisch sind, ich glaube, dass der Pfad, der jetzt vorgesehen ist, auf der Basis der jetzigen Rechtslage, wann welche Maßnahme wie ausgeschliffen wird, ich glaube, dass der okay ist. Es ist im Grunde genommen noch zu früh, abzuschätzen, ob es etwa bei irgendeiner Art des Umsatzersatzes neuerliche Maßnahmen brauchen wird. Wenn zum Beispiel wirklich konsequent eine 2G-Regel eingeführt wird, kann das ein potentielles Risiko sein. Ich wünsche mir eher, muss ich ganz ehrlich sagen, dass man da sehr, sehr vorsichtig ist. Aber ich glaube, die Entwicklung bei der Pandemie ist derartig dramatisch, dass niemand vorhersehen kann, wie wir über die Dinge in 14 Tagen denken. Ich will nur aufmerksam machen, da ist ein Problem denkbar, denn wenn wirklich 2G nicht dazu führt, dass sich die Leute impfen lassen, sondern dazu, dass die Gastronomie oder überhaupt der Tourismus massive Einbußen hat, na ja, dann wird man die Unternehmen wieder nicht im Regen stehen lassen. Und dann kann es schon sein, dass man da wieder irgendwas wird erfinden müssen. Wobei ich da jetzt gar nicht an eine einfache Verlängerung denke, sondern eher an etwas, was jetzt kurz über den Winter hilft. Aber ich spekuliere und das sollte ich eigentlich nicht als Experte.

Gabriel Obernosterer: Danke! Herr Kollege Kopf, bitte schön!

Karlheinz Kopf (ÖVP, Abgeordneter zum Nationalrat): Wollten die anderen Experten noch etwas sagen?

Gabriel Obernosterer: Gerne! Bitte schön!

Martin Grundinger: Im Wesentlichen hat Herr Dr. Badelt eh schon gesagt, es ist so viel Unsicherheit jetzt in der Situation da, dass das nicht vernünftig abschätzbar ist. Was ich vielleicht überhaupt für nach der Krise gerne sehen würde, ist, dass man Maßnahmen setzt, die allgemein die Eigenkapitalquote heben. Aus dem einfachen Grund: Wenn die Eigenkapitalquote relativ hoch ist, dann hat man auch eine krisenresistentere Wirtschaft. Also das möchte ich da noch zu bedenken geben.

Monika Köppl-Turyna: Ich schließe mich eigentlich beiden Statements an. Ich denke auch, bei den Eigenkapitalquoten gehört mehr gemacht, das habe ich im Eingangsstatement schon erwähnt. Die steuerliche Gleichstellung wäre das richtige Instrument, es gibt allerdings mehrere, die man diskutieren kann.

Eine Sache vielleicht noch zur Kurzarbeit: Ich schließe mich grundsätzlich auch dem Christoph Badelt an, dass man die wahrscheinlich noch eine Weile für die Branchen, die vielleicht von 2G-Regelungen betroffen wären, behalten muss. Aber wovor ich warne, ist, Kurzarbeit den Unternehmen zu gewähren, die jetzt Lieferkettenprobleme haben oder Sonstiges, was wir grundsätzlich unter unternehmerischem Risiko verstehen. Da sehe ich vielleicht in den wenigsten Fällen die Begründung dafür, warum der Steuerzahler für diese Probleme aufkommen soll, vor allem, weil wir eben gleichzeitig mit massivem Arbeitskräftemangel in manchen Regionen konfrontiert sind. Die AMS-Zahlen werden da zum Teil unterschätzt. Der Wirtschaftsbund hat gestern gerechnet, dass es in manchen Regionen sogar doppelt so viele offene Stellen wie arbeitslose Personen gibt, und gleichzeitig gibt es Personen in Kurzarbeit. Also die Reallokation am Arbeitsmarkt wird verhindert, und die führt – dafür gibt es auch Belege in der Literatur – mittel- und langfristig zu Produktivitätsverlusten, quasi einer Zombifizierung, und das ist natürlich auf Dauer schädlich, auch wenn es schmerzhaft und natürlich auch politisch schwierig ist, zu sagen: Okay, wir müssen hier irgendwann aussteigen.

Markus Marterbauer: Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die vorhandenen Regeln ausreichend sind, weil sie auch ausreichend Spielraum bieten für flexible Anpassung, etwa bei der Kurzarbeit. Die werden wir sicher im Bereich Hotellerie brauchen, Stadthotellerie insbesondere, in anderen Bereichen vielleicht weniger. Sie sind auch flexibel genug. Ich glaube, man muss auch gut darauf achten, dass die Maßnahmen, die ja sehr rasch eingeführt werden mussten im vergangenen Jahr, nun stärker ausgestattet werden müssen mit Effizienzkontrollen, also dass man die Doppelt- und Dreifachförderungen, die wir zum Teil hatten, ausschaltet, weil die Verschwendung von Steuergeld sind, dass man mehr Transparenz hat, dass man die Auszahlungen wirklich besser kontrolliert.

Ich glaube, wenn es wirklich zu einer neuerlichen Verschärfung der Covid-Krise auch wirtschaftlich kommen sollte, dann muss man darauf achten, dass die hauptbetroffenen Gruppen wirklich besser versorgt sind. Also wenn es die Langzeitarbeitslosen jetzt noch einmal schwieriger haben, in Jobs zurückzukommen, weil wir wirtschaftlich schwächere Aussichten haben, dann haben wir so ein massives Armutsproblem, und zwar vor allem auch bei Kindern in Langzeitarbeitslosenhaushalten. Also wir müssten, wenn es wieder nach unten geht, wirklich in der Armutsbekämpfung zusätzliche Maßnahmen für 2022 beschließen, aber grundsätzlich halte ich das Instrumentarium für geeignet.

Wir müssten aber später einmal über die Bücher gehen, was uns eigentlich fehlt, und da möchte ich vielleicht noch einen letzten Satz machen.

Die wichtigste stabilisierende Maßnahme in der Covid-Wirtschaftskrise war der Sozialstaat. Die automatischen Stabilisatoren haben insgesamt den Konjunkturabschwung sozusagen stärker gedämpft als die diskretionären Maßnahmen. Und diesen Sozialstaat zu verbessern ist deshalb eine zentrale Lehre. Aber wir müssen auch schauen, dort wo der Sozialstaat seine offenen Stellen hat, also seine Leerstellen hat.

Ich glaube, das ist insbesondere bei den EinpersonenunternehmerInnen der Fall, für die es nicht so etwas gibt wie eine Arbeitslosenversicherung. Das halte ich wirklich für ein Problem. Wir bräuchten eine Art Pflichtversicherung, Erwerbslosenversicherung für kleine Selbstständige, die zum Teil ja wirklich auch nur scheinselbstständig sind. Dort ist wirklich eine Schwachstelle im Sozialstaat, und darüber müsste man dann nachdenken, glaube ich, wie wir den Sozialstaat noch weiter verbessern können. Danke!

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ja, ich glaube auch, dass man im Moment noch nicht einschätzen kann, wie sich das Geschehen in den nächsten, ja, Tagen, muss man fast schon sagen, weil es ja so dynamisch ist, entwickelt.

Ich glaube, wir haben die wichtigsten Instrumente zur Hand. Wir haben auch die Budgetflexibilität, es kann die Kurzarbeit jederzeit ausgeweitet werden per Verordnungsermächtigung. Wobei ich schon auch glaube, dass man sie fokussieren muss. Und ich glaube eine Sache, die man stärker in den Blick nehmen muss, ist, sie zu koppeln mit Weiterbildungserfordernissen. Dieses Instrument ist relativ wenig genutzt worden, wäre aber, glaube ich, sehr sinnvoll, auch angesichts der Qualifikationserfordernisse. Wir haben eine Ermächtigung von 5 Milliarden Euro für den Covid-Hilfsfonds, also da ist auch die Flexibilität da, und wir haben auch insgesamt den budgetären Spielraum, hier noch einmal nachzulegen, quasi, wenn es notwendig ist.

Anschließend an meine Vorrednerin, VorrednerInnen: Ich glaube, wir brauchen nach der hoffentlich bald stattgefunden habenden, erfolgreichen Bewältigung dieser Krise eine ganz gründliche Ex-post-Evaluierung aller Hilfen der Instrumente für sich genommen, der Instrumente zusammengenommen, und auch eine Identifikation eben der Lücken, also dessen, was der Sozialsaat beziehungsweise was die Instrumente nicht abdecken konnten.

Gabriel Obernosterer: Danke. Herr Kollege Kopf, bitte schön.

Karlheinz Kopf: Danke Herr Vorsitzender! Eine Frage an Professor Badelt noch, was die Verteilungswirkung und auch die Auswirkung, die Wachstumseffekte der Steuerreform betrifft. Herr Marterbauer hat sich ja sehr bemüht, eine Schieflage dieser Steuerreform herauszuarbeiten, hat sogar von Steuergeschenken für Großkapital gesprochen und so weiter.

Das Wifo hingegen hat der Steuerreform eigentlich, und praktisch allen Maßnahmen der Steuerreform, ein sehr positives Zeugnis gerade vor ein paar Tagen ausgestellt, was sowohl die Wirkung auf Wachstum, auf Beschäftigung und auch Einkommenseffekte und Konsumeffekte bei niedrigeren Einkommen und so weiter attestiert. Herr Marterbauer hingegen hat gemeint, man soll eher den Sozialstaat noch ausbauen, als solche Maßnahmen im Bereich der Wirtschaft stärker umzusetzen.

Herr Professor Badelt, wie beurteilen Sie grosso modo diese Maßnahmen, die jetzt für die Steuerreform vorgestellt worden sind in Bezug auf deren Verteilungswirkung auf der einen Seite, aber auch in Bezug auf Wachstumsimpulse für die Wirtschaft?

Christoph Badelt: Also wie ich schon gesagt habe, ich beurteile das Paket grundsätzlich positiv, und ich würde es gerne noch ein bisschen näher beschreiben, wenn Sie mir diese Frage hier jetzt so stellen.

Ich fange mit den Verteilungseffekten an. Ich habe das damals nur spontan gesagt, habe aber in der Zwischenzeit die Tabelle hergeschafft. Also es ist einfach so, dass Sie, wenn Sie die Nettoentlastung anschauen durch diese ökosoziale Steuerreform, im ersten Einkommensquintil Entlastungen haben, die im Jahr 2022 bei ungefähr 2 Prozent beginnen, des verfügbaren Haushaltseinkommens ist das immer gerechnet, und die dann in den Folgejahren auf etwa 2,5 Prozent hinaufgehen.

Wenn Sie das fünfte Quintil anschauen, also die Reichsten, dann fangen sie da mit ungefähr 0,7 Prozent an und erreichen dann maximal, also in den Jahren 2024, 2025 ein bisschen mehr als 1,5 Prozent. Also auf der Ebene der personellen Einkommensverteilung, das ist jetzt kein Wifo-Ergebnis, sondern schon ein Fiskalratsergebnis, ist da aus meiner Sicht zweifellos eine gute, auch soziale Komponente drinnen.

Wenn ich jetzt die personelle Einkommensverteilung verlasse und die Konjunktur- und Wachstumsauswirkungen anschaue, so hat natürlich die Steuerreform einen positiven Effekt auf das Wirtschaftswachstum. Es ist allerdings auch so, und ich hatte das schon vorher erwähnt, dass so wichtige Maßnahmen wie etwa die Investitionsprämie aus finanzpolitischer Sicht eigentlich auch kleiner hätten ausfallen können. Aber das ist wieder einmal der Blick zurück, denn wir waren auch vom Wifo sehr dafür, als das gemacht worden ist vor - - Na das war ungefähr im Sommer vorigen Jahres, glaube ich, dass das ungefähr beschlossen wurde, wenn ich mich richtig erinnere.

Vor allem auch im Hinblick auf den ökologischen Aspekt, diese Unterscheidung, und da ist es im Wesentlichen darum gegangen, jene Investitionsprojekte abzuholen, die in der Tischlade gelegen sind und die auch nach den Befragungen etwa des Konjunkturtests vom Wifo, einfach aus der Unsicherheit von Corona heraus, nicht effektiv gemacht worden sind. Das heißt, das war damals eine sehr kluge Maßnahme.

Womit wahrscheinlich niemand gerechnet hat, ist das enorme Ausmaß, in dem das damals in Anspruch genommen worden ist. Und was ich glaube, was dann gescheit war, ist, dass man dann die Regeln so geändert hat, dass die Dinge auch länger noch, ich glaube bis 2023 oder so, oder 2025, abgerufen werden können und verbaut werden können, oder halt verwendet werden können. Das war meiner Meinung nach - - Sie hatten gar keine Alternative. Es gab einen Rechtsanspruch da darauf. Das waren ja keine diskretionären Entscheidungen, und wenn die Projekte eben entsprechende Bedingungen erfüllt haben, dann musste das gewährt werden. Insofern war es sehr klug, denn wir haben uns damals schon die Sorgen gemacht, da könnte danach eine riesige Investitionslücke entstehen und die wollen wir nicht, und so wird das jetzt auf jeden Fall einmal stärker abgeglichen.

Trotzdem, und auch das hatte ich schon gesagt, ist das Wirtschaftswachstum in Wahrheit so schnell gekommen, und zwar von der Investitionsseite und auch von der Konsumseite, dass wir aus der heutigen Sicht eher eine prozyklische Wirkung des Budgets haben. Ich meine, es soll uns nichts Ärgeres passieren, das muss ich sagen, aber man hätte mit dem Wissen von heute wahrscheinlich manches sogar bescheidener auslegen können.

Ein Letztes noch zur KöSt, weil das auch immer wieder genannt worden ist, das Thema. Also ich denke mir, es gibt verschiedene Gesichtspunkte, unter denen eine Steuererleichterung für bestimmte Gruppen oder für bestimmte Teile gewährt wird. Ein Gesichtspunkt ist, dass es hier das ist jetzt kein klassisches Instrument der Einkommensverteilung, aber ein Element der politischen Gerechtigkeit und der politischen Diskussion ein Argument ist, dass bei den letzten Steuerreformen, die in gewissen Stufen gekommen sind, die Kapitalgesellschaften eigentlich nichts gekriegt haben, wohl aber die persönlichen Einkommensteuern in vielfacher Hinsicht gesenkt worden sind. Das habe ich irgendwie verstanden, dass die Wirtschaftsvertreter sagen, jetzt wollen wir auch einmal was.

Auf der anderen Seite muss ich sagen und das kann ich nachvollziehen, das ist kein wissenschaftliches Argument, das ist ein realpolitisches Argument auf der anderen Seite muss ich sagen, dass ich glaube, dass die Wirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit durch diese Maßnahmen nicht dramatisch sind, weil sie eben eine relativ kleine Senkung ist und weil die Dispositionen der Unternehmen natürlich nicht nur den Steuersatz, sondern die gesamte steuerliche Situation berücksichtigen das hat Herr Marterbauer zuerst schon gesagt , also etwa die Fördersituation und dergleichen mehr.

Ich persönlich hätte, hätte ich eine Entscheidung zu treffen gehabt, daher eher einen anderen Weg gewählt, um die Unternehmen zu entlasten. Ich hätte das eher über eine weitere Entlastung des Faktors Arbeit gemacht, was die Unternehmen auch entlasten hätte können. Aber ich kann auch nachvollziehen, dass es hier unterschiedliche politische Rationalitäten gibt, und so sehe ich das.

Ich glaube, das war - -

Karlheinz Kopf: Vielleicht nur noch eine kurze Nachfrage oder Bemerkung: Das Wifo hat ja auch davon gesprochen, dass eben, Sie haben die Investitionsprämie erwähnt, in der Folge ja durchaus auch ein Echoeffekt zu befürchten gewesen wäre und dass die Senkung der Körperschaftsteuer mit zeitlicher Verzögerung und auch der IFB, der sich ja in der Steuerreform befindet, dann genau diesen möglichen Echoeffekt auffangen könnten, nämlich hinten hinaus, beim Auslaufen der Investitionsprämie. Ich nehme an, das werden Sie auch so sehen.

Christoph Badelt: Ja, wobei ich da die Wirkung des IFB als größer einschätze als den der KöSt-Senkung.

Karlheinz Kopf: Aber unter dem Strich bleibt schlussendlich, dass ein investitionsgetriebenes Wachstum ein verdammt gesundes Wachstum ist.

Christoph Badelt: - - von allen Nachfragekomponenten her schöne Unterstützungen, nur muss man eines sagen: Dass der Konsum wiederkommt nach Corona, war irgendwie aufgelegt, dass die Investitionen danach auch wieder kommen, das war nicht aufgelegt. Das muss man schon auch sagen, und insofern halte ich das durchaus für eine positive wirtschaftspolitische Entwicklung.

Gabriel Obernosterer: Danke schön. Es wären noch 6 Sekunden. Gibt es noch eine kurze Frage dazu? Ansonsten - -

Karlheinz Kopf: Eine kurze Frage fällt mir nicht ein.

Gabriel Obernosterer: Okay! Dann steigen wir in die zweite Runde ein. Frau Kollegin Doppelbauer von den NEOS. – Bitte schön!

Karin Doppelbauer (NEOS, Abgeordnete zum Nationalrat): Herzlichen Dank, Herr Vorsitzender! Auch zu Beginn von unserer Fraktion einen herzlichen Dank an alle Expertinnen und Experten, die sich heute hier eingefunden haben und für die ausführliche Beantwortung. Und natürlich auch an den Budgetdienst, Herrn Dr. Berger und sein Team, für die Evaluierung und die herausragenden Analysen, die wir hier zur Verfügung gestellt bekommen.

Ich würde gerne beginnen mit einer Frage, weil die Diskussion auch heute wieder geführt worden ist, wie zukunftsorientiert denn dieses Budget, das wir im Augenblick vorgelegt bekommen haben, ist. Und meine Frage in dieser ersten Runde an Frau Köppl-Turyna und Frau Schratzenstaller-Altzinger wäre: Wenn Sie den Auftrag bekämen, hier wirklich ein zukunftsorientiertes Budget vorzulegen, nämlich ein Budget, das für die zukünftigen Herausforderungen und Generationen aufgestellt ist, was wären die drei Bereiche, wo Sie sagen, hier braucht es mehr Investitionen für die Zukunft, und was wären die drei Bereiche, wo Sie versuchen würden, Reformen beziehungsweise Einsparungen vorzulegen?

Monika Köppl-Turyna: Was es aus meiner Sicht tatsächlich noch mehr braucht, ist die Elementarpädagogik. Das habe ich schon im Eingangsstatement gesagt. Wobei hier vorab: In allen Bereichen, auch in der Elementarpädagogik, auch in der Bildung, bestehen jetzt schon enorme Effizienzpotenziale, und in erster Linie müssen wir diese ausschöpfen.

Aber Elementarpädagogik gehört zu den Bereichen, wo tatsächlich unterdurchschnittlich viel ausgegeben wird im internationalen Vergleich, und hier gibt es gute Gründe, auch mehr zu investieren, erstens weil eben die Rendite sehr hoch ist, langfristig gesehen, weil es die Einkommensbildungschancen der Kinder erhöht. Zweitens weil es sich auch zum großen Teil selbst finanziert, dadurch, dass viele Eltern dann arbeiten gehen können, also dass es kurzfristig sogar ein gutes Business ist, und drittens, weil es auch aus Qualitätsperspektive hier sehr viel Luft nach oben gibt. Da gibt es Empfehlungen der OECD, dass man die Gruppen kleiner gestalten muss, dass die Arbeitsbedingungen der Pädagoginnen und Pädagogen dadurch auch verbessert werden könnten, wenn mehr Leute in diesen Beruf gehen würden.

Also wäre das auf jeden Fall für mich eine der ersten Stellen, wo man mehr ausgeben soll, aber natürlich vorausgesetzt, dass das auch effizient passiert. In der Bildung, habe ich bereits erwähnt, haben wir hohe Ausgaben. Es ist nicht so, dass wir da zu wenig Geld ausgeben, aber das geben wir zum Teil falsch aus, und da liegt das Problem größtenteils daran, dass wir nicht genug Aufgabenorientierung im Finanzausgleich haben. Das Geld müsste jetzt vielmehr in die Schulen und die Regionen fließen, wo es beispielsweise viele Kinder mit Migrationshintergrund gibt, die besonders schlechte Ergebnisse in internationalen Tests haben. Und das sagt auch die OECD seit Jahren, dass da einfach die Verteilung der Gelder zum Teil das Problem ist. Das Problem ist nicht wirklich das Ausmaß.

Welche Reformen? Drei Bereiche, die ich auch im Eingangsstatement erwähnt habe. Pensionen. Diese Kosten werden massiv ansteigen, das passiert jetzt schon und langfristig sowieso. Also ein Anstieg des gesetzlichen Antrittsalters ist aus unserer Sicht der einzige Weg, weil die Alternativen sind: Entweder kürzen wir die Pensionen, oder wir belasten den Faktor Arbeit mit Sozialversicherungsbeiträgen noch weiter, was natürlich mit negativen Wirtschaftsauswirkungen verbunden wäre.

Reform des Finanzausgleiches: ja, natürlich auch ein wichtiges Element. Da fehlt, wie gesagt, einerseits die Einnahmenautonomie der Länder und Gemeinden. Finanzierungsquellen der Länder und Gemeinden müssen anders gestaltet werden. Beispielsweise auf der Gemeindeebene haben wir Einnahmen, die sehr konjunkturempfindlich sind, etwa die Kommunalsteuer ist eine solche Einnahme. Das wäre sinnvoller durch Einnahmen zu ersetzen, die nicht so konjunkturempfindlich sind. Wir haben jetzt gesehen, die Gemeinden waren unter besonderem Druck in der Krise, weil Sie eben durch diesen Konjunktureinbruch einen massiven Einnahmenverlust erlitten haben. Hier haben wir als Institut mehrere Vorschläge gemacht, welche Steuern hier sinnvoll wären.

Und drittens natürlich Abschaffung der kalten Progression auf Dauer, weil ohne das wird die Steuerreform sozusagen schnell wieder zunichtegemacht werden, indem die Abgabenbelastung wieder steigt. Das wären sozusagen die drei großen Bereiche. Aber wir können natürlich wahrscheinlich bis am Abend sitzen, wenn wir alles nennen.

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Danke für die Frage! Ich glaube, es ist nicht überraschend, dass ich, wenn ich nochmal quasi den Rekurs mache auf meine Herausforderungen, die ich ganz zum Anfang skizziert habe, drei Bereiche heraussuche, in denen wir mehr Investitionen brauchen.

Das eine ist der Klimabereich. Ich glaube, dazu habe ich genug ausgeführt. Da gibt es schon viel. Da brauchen wir aber auch längerfristig, mit einer längerfristigen Orientierung, mehr.

Der zweite ist der Bereich des digitalen Wandels. Ich glaube, wir brauchen hier mehr Infrastruktur. Auch hier ist einiges passiert, aber das ist alles noch ein bisschen ein Fleckerlteppich, auch wenn es um die Digitalisierung der Schulen geht, die ich begrüße, und gerade nach Corona, glaube ich, ist das ein wichtiges Thema. Aber hier brauchen wir eine gesamte Strategie. Wir haben hier einzelne Ansätze, wir haben auch einzelne Ansätze quasi getrieben von oben, von der EU im Rahmen des nationalen Aufbau- und Resilienzplans. Aber ich glaube, hier muss man sich doch einmal einen doch, glaube ich, strategischer orientierten Plan überlegen, was der digitale Wandel an Zukunftsinvestitionen erfordert.

Und der dritte Bereich, ich kann mich auch nur anschließen, ist der Bildungsbereich, und zwar von ganz vorne bis ganz hinten. Also wir müssen mit der Elementarpädagogik anfangen. Es gibt ja Ausbaupläne, die seit einigen Jahren verfolgt werden, die hoffentlich fortgesetzt werden, im Kinderbetreuungsbereich. Aber da geht es nicht nur um die Quantität, da geht es auch um die Qualität. Ich glaube, die Qualität lässt nicht nur aus Vereinbarkeitsgesichtspunkten mancherorts zu wünschen übrig, sondern ich glaube auch aus pädagogischen Gründen. Also ich glaube, hier muss mehr getan werden.

Ich glaube, es muss auch mehr vielleicht nicht mehr, aber vielleicht auch doch sehr anders in einige Bereiche in der aktiven Arbeitsmarktpolitik, in der Qualifizierung, investiert werden. Wir haben eine große Herausforderung. Im EU-Sprech heißt das Twin Transition, also die ökologische Transformation und die digitale Transformation, mit der und das ist die große Chance, die damit verbunden ist doch viele digitale und grüne Jobs verbunden sind.

Und hier sind wir auch beim Gleichstellungsthema. Das sind viele Jobs, die in männerdominierten Bereichen wahrscheinlich entstehen werden. Und ich glaube, wir müssen hier auch schauen, dass wir die Frauen entsprechend befähigen, und das geht wieder ganz von vorne eigentlich los bei der Elementarpädagogik, dass wir die Frauen auch in diese Bereiche bringen.

Auch die drei Bereiche, wo man einsparen soll und kann, ich meine, das ist die ewige tibetanische Gebetsmühle, ich sage sie aber trotzdem noch einmal gerne.

Der Föderalismus ist natürlich ein Bereich; da geht es darum, Aufgaben-, Ausgaben-, Einnahmenverantwortung zusammenführen. Eine klarere Regelung der Zuständigkeit zwischen den föderalen Ebenen. Da gibt es eine Reihe von Vorschlägen, eine Reihe von Studien dazu. Da sind sich die Expertinnen und Experten im Wesentlichen einig, und da haben wir ein gutes Zeitfenster: Ja, wenn der Finanzausgleich jetzt verlängert wird um die zwei Jahre, dann sollten wir das nutzen, und zwar parallel zu den eigentlichen Finanzausgleichsverhandlungen, wo es um 5 Millionen hierfür und um 15 Millionen dafür und dann kommen noch die Statutarstädte und was weiß ich also dieses Klein-Klein, das meine ich nicht. Ich meine die großen Strukturen, und ich glaube, wir sollten jetzt dieses Zeitfenster nutzen, um über diese großen Strukturen zu reden.

Fördersystem ist ein weiterer Bereich. Ein Thema habe ich angesprochen: die ökologisch kontraproduktiven Subventionen. Aber es ist ja das Fördersystem in Österreich insgesamt etwas, was relativ komplex ist, was relativ intransparent ist, was man sich, glaube ich, wirklich einmal ganz auch von vorne vornehmen sollte, indem man sich überlegt: Was sind eigentlich Förderzwecke, was sind Zielsetzungen, was will man damit bezwecken, welche Indikatoren hat man zur Erfolgsmessung? Es gibt ja Spending Reviews das finde ich eine sehr gute Sache, dass die durchgeführt werden, aber ich glaube, man muss das irgendwie systematischer, auf viel breiterer Basis und auch gerade im Fördersystem und auch im föderalen Zusammenhang machen.

Ich habe vorher die Pendlerförderung angesprochen. Da ist ja ein Beispiel, wo jeder als Erstes, na ja, an das Pendlerpauschale denkt, an den Pendlereuro denkt, aber es gibt ja Förderungen im Bereich der Pendlerförderung auch auf der Länderebene, das wird ja alles nicht dazu gedacht, und das ist, glaube ich, insgesamt - -, da gibt es viele Mehrgleisigkeiten, Doppelgleisigkeiten.

In der Familienförderung ist es das Gleiche. Es gibt diesen berühmten Rechnungshofbericht, der ist schon ein paar Jahre alt, aber, ich glaube, nicht weniger aktuell. Auch da haben wir wenig Transparenz, und weil Markus Marterbauer zu Recht angesprochen hat, dass man auch schauen muss, dass man das irgendwie armutsfest macht, diese Systeme, auch die Familienförderung: Aber der erste Schritt muss doch sein, dass man sich hier das genau anschaut! Aber jetzt weiche ich ein bisschen vom eigentlichen Thema ab.

Das Pensionsthema ist sicherlich eines, mit dem man sich auch auseinandersetzen muss, und die die Zuschüsse und die Ausgaben für Beamte haben eine relativ hohe Dynamik. Sie ist nicht so hoch, wie eigentlich ursprünglich erwartet, aber sie ist doch relativ hoch wir reden hier von einem Viertel der Ausgaben im Bundesbudget –, und ich glaube, man sollte schon darauf schauen, dass man das faktische Pensionsantrittsalter doch weiter anhebt und dass man hier auch entsprechende Bemühungen forciert.

Karin Doppelbauer: Herzlichen Dank für diese Ausführungen! Ich würde jetzt in meiner nächsten Frage die Herren bitten, auch aus ihrer Sicht zu schildern, welche wichtigsten Reformen bis 2025 noch umgesetzt werden müssen, damit dieses Budget zukunftsfähig ist auch für die nächsten Generationen, und würde hier die Herren Experten bitten, und bitte auch Herrn Dr. Berger. Vielen Dank!

Christoph Badelt: Also im Grunde genommen: Ich hoffe, ich fadisiere Sie jetzt nicht, aber ich glaube, dass Frau Schratzenstaller die wichtigsten Bereiche genannt hat. Das heißt, wir haben natürlich offene Baustellen beim Klima. Wir haben bei der Bildung offene Baustellen, die aber gar nicht so leicht zu beheben sind, weil es nicht einfach nur darum geht, ein Geld irgendwie hineinzugeben, sondern sehr, sehr gezielt für jene Bereiche, wo die Bildungserfolge heute einfach zu schlecht sind, indem elementare Bildungsziele nicht erfüllt werden und damit Menschen von vornherein auf das Abstellgleis geschoben werden und uns auch wertvolle Fachkräfte entgehen. Und da sind wir tatsächlich im Elementarbereich, aber wir sind auch im Primärschulbereich.

Da muss man dann aber konkrete Programme finden. Ich meine das 100 Schulen-Programm ist an und für sich ein gutes Beispiel, aber das müsste sicherlich auch wesentlich ausgebaut werden. Also Bildung, Forschung ist rein von der budgetären Seite her eigentlich jetzt einmal recht gut aufgestellt. Das sind zwar zum Teil auch europäische Mittel. Aber da sollte, würde ich jetzt sagen, dieser Aufwärtspfad weiterbehalten werden.

Klima, glaube ich, brauchen wir jetzt nicht noch einmal abzuhandeln. Im Sozialbereich, im weitesten Sinn des Wortes, sehe ich eigentlich Lücken im Bereich der Mindestsicherung. Das ist jetzt aber eine sehr komplexe Geschichte, weil es da um die Grundsatzgesetzgebung geht und um die Differenzierung zwischen den Ländern. Aber ich glaube, dass wir hier tatsächlich von der Grundidee die Mindestsicherung stärken müssten, und das ist im Augenblick nicht der Fall.

Und Sie haben natürlich dann den gesamten Pflegebereich. Das, glaube ich, brauche ich jetzt auch nicht extra zu sagen.

Und dann kommt noch im Bereich des Arbeitsmarktes, und damit kehren wir eigentlich zurück zum Bildungsthema, das aktive Angehen dieses Mismatches zwischen Nachfrage und Angebot. Das ist in der kurzfristigen Perspektive gar nicht so leicht wie in der mittelfristigen Perspektive. Ich mache nur auf die mittelfristigen Probleme aufmerksam, die da zum Beispiel sind, eben mehr Lehrlinge zu kriegen, die in Fachberufe hineinwachsen. Jetzt sind wir wieder bei diesem bildungspolitischen Thema.

Aber da geht es auch darum, dass wir die in Österreich vorhandenen Arbeitskräfte, das latent vorhandene Arbeitskräftepotenzial besser heben. Das heißt, dass Menschen im fortgeschrittenen Alter und das meine ich jetzt eher unter den Konventionen des Arbeitsmarktes und da beginnt leider das fortgeschrittene Alter schon mit 50 , länger im Job behalten werden. Das erfordert einerseits auch Weiterbildungsinitiativen, und besonders für Menschen in dieser Alterskategorie. Das funktioniert überhaupt nicht im Augenblick, weil man für die Weiterbildung oft in den Unternehmen sagt: Na also, wenn du einmal 50 bist, wirst du eh nicht mehr weitergebildet. Das beinhaltet aber auch den Übergang in die Pension. Das glaube ich, sollte man hier auch mitdenken.

Und ein dritter großer Bereich, der hier notwendig ist, ist die Frauenerwerbstätigkeit. Obwohl sich die Frauenerwerbstätigkeit in den letzten Jahrzehnten doch deutlich erhöht hat, haben wir immer noch im internationalen Vergleich eine zu geringe Frauenerwerbstätigkeit, vor allem aber auch durch die hohe Teilzeitquote. Das wird oft diskutiert unter dem Gesichtspunkt der langfristigen sozialen Absicherung der Frauen und der Wirkung auf die Pensionen das ist auch ein Strang, den man bedenken muss, aber ich sehe es jetzt bewusst, weil ich jetzt vom Arbeitsmarkt rede, unter dem Gesichtspunkt, dass wir es uns nicht leisten können und auch nicht leisten sollen. Da wirken emanzipatorische Gesichtspunkte mit Wachstumsgesichtspunkten zusammen, dass wir es uns nicht leisten können, Frauen schön zu qualifizieren und dann nicht im Arbeitsmarkt einzusetzen.

Und was heißt das in der Praxis? Ja, da sind wir in erster Linie bei den Kinderbetreuungseinrichtungen, die immer noch nicht gut genug sind und es wirklich nicht leicht machen, die Familienarbeit und die Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen.

Ja, das war jetzt einmal spontan ein kleiner Survey, Aber ich verstehe als Ergänzung zu dem, was Margit Schratzenstaller schon gesagt hat.

Martin Grundinger: Ich würde auch nur ergänzen, weil es nichts bringt, wenn ich jetzt noch weiter über Pensionen, Arbeitsmarkt et cetera spreche. Ich würde vor allem ansetzen, dass Förderungen auf breiter Front abgeschafft werden und im Gegenzug Steuern gesenkt werden, im gleichen Volumen. Das wäre der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Nach der Krise, glaube ich, müssen wir uns über das Thema Krisenresistenz unterhalten. Wie machen wir die Wirtschaft krisenresistenter? Und einen Punkt habe ich da schon angesprochen, das ist das Thema Eigenkapitalquote. Andere Themen wären zum Beispiel auf das Gesundheitswesen bezogen.

Wir haben im Gesundheitswesen eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt, und das ist sicher ein gutes Gesundheitssystem. Was aber dann nicht passieren darf, ist, dass gleichzeitig dieses Gesundheitssystem sehr teuer ist und wir eine der schärfsten Maßnahmen weltweit im Bereich Covid machen müssen. Das passt dann irgendwo nicht zusammen. Das heißt, da muss die Leistungsfähigkeit zusammenpassen mit den Kosten des Gesundheitssystems.

Ja, das wäre es im Wesentlichen. Wettbewerb ist natürlich auch ein großes Thema: dass wir die Wettbewerbsfähigkeit gerade in der EU nicht verlieren.

Markus Marterbauer: Frau Abgeordnete, Sie haben nach den drei wichtigsten Strukturreformen gefragt, um das Budget bis 2025 zukunftsfit zu machen.

Für mich ist der erste Punkt der Pflegebereich. Ich muss sagen, ich war wirklich enttäuscht, als ich das Budget gesehen habe, dass die Pflegereform nicht da ist. Jedes Jahr, das wir verlieren, ist wirklich dramatisch, und es stellt sich ja immer mehr heraus im Pflegebereich, dass die wichtigste Aufgabe wäre, Fachkräfte für die Pflege zu finden. Also wir brauchen ja nach der Pflegebedarfsprognose 76 000 Leute bis 2030 netto, das heißt aber, mehr als 100 000 Leute zusätzlich in dem Pflegebereich. Und da brauchen wir wirklich eine Taskforce, die sich kümmert: Wie kann man die Leute herbringen und welche Rahmenbedingungen sind hier notwendig?

Ich habe in meinem Eingangsstatement auf einen sehr spezifischen Bereich hingewiesen, aber ich habe ihn bisher nirgends gelesen und deshalb: Ich glaube, dass im Bereich der 24-StundenpflegerInnen das sind 66 000 Leute  ein großes Potenzial wäre, diese Leute in die formale Pflege zu bringen. Aber denen muss ich Angebote machen!

Die haben zwar mit Pflege zu tun, aber keine Zertifikate. Die muss ich zertifizieren, weiterqualifizieren, denen muss ich die Staatsbürgerschaft anbieten, einen Familiennachzug. Wir brauchen diese Leute so dringend und da braucht man eine Taskforce.

Zweiter Punkt, Kindergärten und Ganztagsschulen, ich führe es jetzt nicht mehr im Detail aus, weil alle drauf eingegangen sind, aber langfristig sind das natürlich wichtige Instrumente zur Armutsverhinderung, zur Arbeitslosigkeitsverhinderung und zur Erhöhung der Frauenerwerbsquoten; und dritter Bereich, ganz wichtig, eine der wichtigsten Strukturreformen, wir brauchen auf der Einnahmenseite Steuern auf hohe Vermögen und hohe Erbschaften, um unser Steuersystem den geänderten Rahmenbedingungen in der Welt anzupassen.

Wir haben unseren Sozialstaat, der nach 1945 aufgebaut wurde, aus gutem Grund über die Arbeitseinkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Arbeit finanziert, weil es 1946 nichts anderes gab. Der Kapitalstock war zerstört und deshalb hat man gesagt, die, die halt erwerbstätig sind, zahlen die, die krank sind, alt sind.

Das hat sich durchgezogen und wir sind bei dem System geblieben, obwohl heute der Kapitalstock, wenn man das jetzt einmal nur bei den privaten Vermögen hernimmt, Vermögen der privaten Haushalte, mittlerweile ungefähr sechsmal so hoch ist wie die Lohnsummen.

Dennoch finanzieren wir unseren Sozialstaat nur über die Lohnsumme, und das ist doch anachronistisch. Das heißt, wir müssen viel stärker in die Besteuerung von hohen Vermögen und Erbschaften gehen. Da ist sehr viel drinnen, auch zur Entlastung oder zur Begünstigung dann der Arbeitseinkommen, und ich halte das nicht nur aus wirtschaftspolitischen Gründen für relevant, sondern vor allem aus demokratiepolitischen Gründen.

Wenn es uns nicht gelingt, den Einfluss der Superreichen, der Überreichen auf unsere Demokratie zu begrenzen, dann geraten wir in Zustände wie in den USA, und das wäre wirklich verheerend.

Helmut Berger: Diesmal bin ich der Letzte. Insofern beißen mich da die Hunde und ich möchte daher auch nichts wiederholen, was ohnehin schon gesagt wurde. Ich glaube, dass wir kurzfristig keine so großen budgetären Probleme haben, wie wir sie langfristig und mittelfristig bekommen werden, und da gibt es ganz einfach zwei Bereiche.

Das eine sind die demografieabhängigen Kosten und das Zweite ist, dass wir uns beharrlich nicht damit auseinandersetzen, wo wir Effizienz- und Optimierungspotentiale haben.

Bei den demografieabhängigen Kosten: Jeder einzelne Bereich schaut dann nicht so dramatisch aus, wenn ich sage, okay, die Pensionen belasten das BIP dann in so und so viel Jahren um 1,5 Prozent, 1 Prozent mehr, die Pflegeausgaben um 2, 3 Prozent, Gesundheitsausgaben, hat der Fiskalrat in seinem Nachhaltigkeitsbericht ausgeführt, dass das auch deutlich stärker wird.

Wenn wir schauen, wie schwer wir uns mit der Oder-Quote tun, dass wir da diese 0,5, 0,7 Prozent erreichen. Also ich glaube, wir müssen das gesamthaft sehen. Jede einzelne Forderung ist gerechtfertigt. Jede einzelne Forderung schaut gar nicht so viel aus, aber es ist halt nur einmal 100 Prozent des BIPs vorhanden.

Und mir müssen die langfristigen Maßnahmen - - Je früher wir sie angehen, und daher sollten wir sie bis 2025 angehen, und alles das, was jetzt im Budget nicht Schwerpunkt war und alles das wurde hier genannt, Pflege, Bildung und so weiter, ich brauche es nicht wiederholen, das ist das, was man in den nächsten Budgets jedenfalls mit der langfristigen Perspektive angehen müssen, und unter Effizienz- und Optimierungspotentialen würde ich auch den Finanzausgleich sehen, ganz einfach als ein wesentliches Thema, Bildung und so weiter.

Das möchte auch noch vielleicht zum BIP - - Das Bildungs-BIP steigt, der Anteil der Bildung steigt nicht wirklich im BIP langfristig, und das sehe ich als großes Problem und kann das schwer - - Man kann die Sachen nicht gegeneinander austauschen, ja, das ist schwierig, und soll sie auch nicht gegeneinander ausspielen, aber man muss sich diese Relationen schon relativ genau anschauen.

Karin Doppelbauer: Herzlichen Dank. Dann möchte ich meine nächste Frage stellen, zum Haushalt, und zwar: Für 2022 plant die Bundesregierung trotz Rekordwirtschaftswachstums und Steuereinnahmen ja auch ein Haushaltsdefizit, und der Pfad bis 2025 ist nicht wirklich sehr ambitioniert, was den Schuldenabbau generell betrifft. Frau Köppl-Turyna, wie sehen Sie denn das? Was wäre denn hier notwendig für ein zukunftsgerechtes Budget? Was sollte man denn hier tun?

Monika Köppl-Turyna: Ja, natürlich, also ich hatte heute schon gesagt, dass es sehr wichtig ist, dass man, sobald die Krise vorbei ist, ein ausgeglichenes Budget hat, und da halte ich persönlich wenig von den Argumenten, dass wir die Niedrigzinsen dafür nutzen sollten, um uns dann jetzt weiter zu verschulden, ganz banal aus dem Grund, dass es auch in der Vergangenheit grundsätzlich sehr viele Fälle von Ländern gegeben hat, die dann in die Zahlungsunfähigkeit geraten sind, trotz Niedrigzinsen und trotz Wachstumszahlen. Also dieses Argument, solange wir stark genug wachsen, stärker als die Schulden, wird schon alles gutgehen, das stimmt einfach auch empirisch nicht, und diese fiskalischen Spielräume brauchen wir eben für die Zukunft.

Natürlich muss man damit aufpassen, dass man das nicht zu früh anfängt. Da gibt es auch gute Literatur, die besagt, dass, wenn wir jetzt sozusagen noch in einer Krisenphase damit anfangen, das kontraproduktiv werden kann, und das sehen wir natürlich ein, aber sobald wir auf einem stabilen Wachstumskurs sind, sehe ich keinen Grund, dass man auf Dauer Defizite baut, auch nicht zuletzt deswegen, weil eben diese Niedrigzinsen nicht wirklich helfen.

Die Zinszahlungen des Bundes sind bereits jetzt sehr gering, und unsere langfristigen Prognosen, auch aus dem Generationskontenmodell, zeigen, dass mit der Zeit vor allem die Primärsaldos schlechter werden. Also die Zinszahlungen können so niedrig bleiben, aber wo uns das Geld fehlt, ist eben in den strukturellen Themen, und gar nicht, weil die Schulden so hoch sind.

Das heißt, wir müssen hier noch viel mehr machen, in den Strukturreformen, um diese ausgeglichenen Budgets zu behalten. Dass wir natürlich nach der Krise damit anfangen sollen, ist klar, aber dann natürlich aus meiner Sicht besser früher als später.

Karin Doppelbauer: Meine nächste Frage geht jetzt in Richtung CO2-Bepreisung. Um evidenzbasiert arbeiten zu können und wir wollen ja den CO2-Ausstoß in Österreich deutlich reduzieren über die nächsten paar Jahre , gibt es mehrere Tools.

Eines davon ist das Climatebudgeting, das sein sehr effektives Instrument ist bei der Umsetzung dieser Ziele. Es wurde nicht nur vom IMF empfohlen, bei der Chapter-4-Prüfung. Es gibt auch einen einstimmigen Beschluss dazu, aus dem Umweltausschuss.

Jetzt würde ich gern Herrn Dr. Berger vom Budgetdienst fragen: Wie beurteilen Sie denn die möglichen positiven Effekte, wenn man eben ein Climatebudgeting machen würde, und wie könnte so ein Controlling genau ausschauen? Vielen Dank.

Helmut Berger: Die Haushalts- und Steuerpolitik ist ganz einfach eines der zentralen Instrumente zur Umsetzung der Klimapolitik und der Umweltziele.

Die Einbeziehung der Umweltdimension in die Entscheidungen, die wir hier langfristig treffen, davon wird es abhängig sein, ganz einfach, ob wir unsere Klimaziele erreichen können.

Was bezweckt Climatebudgeting jetzt? Das ist eine Bewertung ganz einfach der Umweltauswirkungen der Haushalts- und Finanzpolitik, eine Bewertung der Kohärenz, inwieweit ganz einfach die Fiskalpolitik mit den Umweltzielen, zu denen wir uns einerseits verpflichtet haben, aber andererseits die wir erreichen müssen, weil sonst müssen wir die Umweltschäden beseitigen, also da gibt es wenig Alternativen, ehrlich gesagt.

Man kann den Klimawandel leugnen, aber nicht die Klimaauswirkungen. Das ist halt leider so. Und wir brauchen eine evidenzbasierte und eine fundierte Debatte hier auch im Parlament über nachhaltiges Wachstum und wie wir das entsprechend erreichen können.

Unsere Versuche ganz einfach, Climatebudgeting entsprechend voranzutreiben, hat man vielleicht in der letzten Budgetanalyse des letzten Jahres stärker gesehen. Da haben wir versucht, die im Budget vorhandenen Ausgaben für Umwelt- und Klimaziele mit den Informationen aus der Wirkungsorientierung zu matchen, aber das Wesentliche ist ganz einfach, dass man das Budget mit den Wirkungen verbindet. Wir haben heuer leider das so nicht gekonnt, weil die Umwelt- und Klimaschutzbeilage, die mit dem Budget kommt, noch nicht uns zur Verfügung gestanden ist.

Das ist jetzt kein Vorwurf ans Finanzministerium. Ich weiß, wie viel die Kollegen da arbeiten, Tag und Nacht auch bei der Vorbereitung des Budgets, aber es ist halt noch nicht da, und daher konnten wir das entsprechend auch nicht tun.

Wir haben uns stärker auf die CO2-Bepreisung fokussiert, aber das war ein erster, relativ rudimentärer Versuch, das zu machen. Nach dem Pariser Klimagipfel 2017 wurde in der OECD eine Arbeitsgruppe, die Paris Collaborative on Green Budgeting, eingerichtet. Ich war dort bei den ersten Treffen dabei. Da waren noch sehr wenige Mitgliedsländer vertreten, von Österreich war ich der einzige Vertreter ganz einfach damals, weil mir ganz einfach klar ist, dass Klimapolitik Budgetpolitik und Budgetpolitik Klimapolitik sein wird, in der Zukunft das wird so sein müssen, denke ich mir –, und zwischenzeitlich rüsten ganz einfach alle Parlamente und alle Regierungen auch entsprechend auf bei diesem Thema.

Das Finanzministerium, soweit ich da informiert bin, bildet entsprechende Organisationseinheiten und Gruppen, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich glaube, auch unser Nationalrat hat das erkannt, weil es ja immerhin die Entschließung an den Herrn Präsidenten, zu prüfen, inwieweit der Budgetdienst also hier Aufgaben wahrnehmen könnte und Sie ganz einfach entsprechend unterstützen kann, bei diesen Fragestellungen.

Ich glaube, das wäre ganz einfach ganz wichtig, dass Sie da auch einen Ansprechpartner haben, der Sie hier unterstützt. Ich hoffe daher in Ihrem Interesse, dass der Herr Präsident dem nähertreten wird, kann aber dazu leider keine positive Rückmeldung so weit geben.

Zusammenfassend glaube ich jedenfalls daran, dass wir diese Verknüpfung der Budgetpolitik mit den Klimazielen, die Betrachtung, welches CO2-Budget steht uns jetzt noch überhaupt zur Verfügung in den nächsten Jahren, um unsere Klimaziele zu erreichen, das Fit-for-55-Paket wurde ja deutlich verstärkt, unser CO2-Budget wesentlich reduziert, und das muss evidenzbasiert verfolgt werden.

Frau Schratzenstaller hat das an sich auch gesagt, dass das Monitoring ganz einfach eine ganz zentrale Aufgabe ist. Wir haben zwar das Umweltbundesamt, aber haben sehr viel Ex-post-Informationen und kaum Projektionen, vernünftige, und die sind schon relativ alt, auch die in Analysen.

Wir haben ja diverseste Analysen dazu schon gemacht, zu den Emissionskosten des Emissionssystems, zu den budgetären Wirkungen, und die sind ganz einfach recht groß, und insofern glaube ich, dass Climatebudgeting oder Green Budgeting oder wie immer man das bezeichnet dann uns beschäftigen wird und auch hier im Parlament ganz intensiv diskutiert werden wird.

Karin Doppelbauer: Herr Bundesminister, wir haben jetzt gerade gehört: Budgetpolitik ist Klimapolitik, und mich würde interessieren, ob Sie das unterstützen, dass dieses Climatebudgeting jetzt auch für das Parlament gemacht werden soll, in Zukunft, beziehungsweise wie Sie drauf schauen als Bundesminister für Finanzen, welche Strukturen Sie dafür vorschlagen werden; und aber noch einmal auch ganz konkret Ihre Unterstützung für das Parlament, da auch arbeiten zu können, und vielleicht eben die Einrichtung von so einer Abteilung im Budgetdienst, die das in Zukunft auch zur Verfügung stellen könnte.

Gernot Blümel: Wie Sie auch schon von Herrn Dr. Berger gehört haben, beschäftigt sich das Finanzministerium natürlich in verschiedensten Arbeitsgruppen mit diesen Herausforderungen. Ich würde aber davor warnen  und ich glaube, da gehe ich mit auch Ihnen d’accord , dass man jetzt für jede neue Herausforderung eine neue Abteilung schaffen sollte. Also ich würde mal Ihren Vorschlag nicht so verstehen, denn sonst würde das zu einer unmittelbaren Aufblähung der Verwaltung führen.

Ich glaube, das Finanzministerium ist in vielen Bereichen sehr gut aufgestellt. Es gibt natürlich immer wesentliche Verbesserungsmöglichkeiten, durch das Voranschreiten der Herausforderungen, aber die Arbeitsgruppen beschäftigen sich genau damit, und ich hoffe, dass wir auch in der guten Zusammenarbeit mit dem Budgetdienst des Parlaments regelmäßig Verbesserungen bei Berichten, bei den Transparenzen immer wieder vornehmen, und wo eben an Empfehlungen etwas da ist, werden wir daran arbeiten, diese umzusetzen.

Karin Doppelbauer: Vielleicht eine Zusatzfrage. Ich habe jetzt im Budget keine Ressourcen, zusätzlichen Ressourcen für dieses doch so wichtige Thema gefunden. Jetzt ist die Frage: Wie schaut es da aus, aus Ihrer Sicht?

Gernot Blümel: Keine Ressourcen wofür?

Karin Doppelbauer: Konkret für Climatebudgeting, um hier sozusagen zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Im Augenblick habe ich das nirgends gesehen.

Gernot Blümel: Wenn ich das richtig gehört habe, ist das im Personalplan auch abgebildet, aber vielleicht kann man da noch konkreter drauf antworten. Bitte.

Mitarbeiter des Finanzministeriums: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Also wir haben im Personalplan allein nur jetzt vom Finanzministerium 20 zusätzliche VBEs angedacht, die einerseits in der Finanzverwaltung zum Einsatz kommen, andererseits auch in der Budget- und Steuersektion.

Gabriel Obernosterer: Danke. Frau Kollegin, haben Sie weitere Fragen, bitte?

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS, Abgeordneter zum Nationalrat): Dann übernehme ich, Herr Vorsitzender, danke schön.

Gabriel Obernosterer: Herr Kollege, Sie haben noch 26 Sekunden in der ersten Runde. Bitte schön.

Gerald Loacker: Schaffe ich. An Frau Köppl-Turyna: Versprochen war die Gleichstellung von Eigen- und Fremdkapital für die Besteuerung von Unternehmen. Ist das nach der Senkung der Körperschaftsteuer immer noch ein Thema?

Monika Köppl-Turyna: Ich denke, man könnte tatsächlich noch deutlich mehr auf dem Kapitalmarkt tun, also das eine Thema ist Eigenkapital und Fremdkapital, das wurde schon angesprochen. Es gibt einige Maßnahmen, die immer wieder sozusagen vorgeschlagen werden, wie die Wiedereinführung der Spekulationsfrist, wie beispielsweise die Möglichkeit steuerlicher Anreize für direkte Beteiligungen, also echte Beteiligungen, um eben mehr Eigenkapital den Unternehmen zur Verfügung zu stellen; die Mitarbeiterbeteiligung ist auch so ein Aspekt das sehen wir auch in der Literatur, dass das eine positive Auswirkung auf Eigenkapitalquoten hat ; Besteuerung von sogenanntem Carried Interest, also der Investitionen; der Investitionsfonds hat eine positive Auswirkung auf Eigenkapitalquoten. All diese Themen würden tatsächlich, da schließe ich mich Kollegen Grundinger an, auch die Resilienz der Wirtschaft erhöhen.

Man kann das natürlich auch mit Klimazielen kombinieren. Immer wieder wird über die Senkung der KESt für grüne Investitionen gesprochen. Da sind wir natürlich bei der Frage, wie so eine Taxonomie auszuschauen hätte. Das ist natürlich die große Komplikation, aber an sich kann man auch andere wirtschaftspolitische Ziele damit verfolgen.

Was ich vielleicht an dieser Stelle noch sagen wollte, das wollte ich schon sehr lange sagen, weil wir sehr viel über öffentliche Maßnahmen für das Klima gesprochen haben: Irgendwie fehlt mir diese Sicht was auch sehr gut in der Literatur belegt ist , dass der Kapitalmarkt auch eine sehr große Rolle für den Klimawandel spielt, weil die Innovationen ja von den Unternehmen kommen.

Und die kommen zum Teil durch große Projekte; ich weiß nicht, Windräderparks, werden von Banken finanziert, aber die großen Investitionen, die wirklich eine Chance haben, uns technologisch so weiterzuentwickeln, dass wir den Klimawandel meistern, kommen von Start-ups, kommen von Unternehmen auf dem Markt, und die müssen Geld dafür finden.

Und da ist natürlich in Österreich, wo die Entwicklung der Börse besonders schwach ist, besonders auch die Entwicklung des Private Equity, die im internationalen Vergleich sehr gering ist - - Man könnte auch hier ansetzen und sagen: Das ist auch im Sinne der Klimaziele, die wir uns vornehmen. Die Entwicklung des Kapitalmarkts spielt für das Klima eine wesentliche Rolle, und das ist auch mit ein Grund, warum ich finde, dass es noch mehr steuerliche Anreize auch zur Belebung des Kapitalmarktes braucht.

Gerald Loacker: An Prof. Badelt und Frau Dr. Köppl: Wir haben in Österreich sehr viele Teilzeitanreize im Abgabensystem, und jetzt werden die Krankenversicherungsbeiträge für Niedrigverdiener gesenkt, ein weiterer Teilzeitanreiz. Was bedeutet das für das Arbeitskräfteangebot auf dem Arbeitsmarkt?

Monika Köppl-Turyna: Na, natürlich in erster Linie - - Das ist immer wieder ein Thema in der Elementarpädagogik, es ist eine sehr komplexe Diskussion, weil es immer verschiedene Elemente gibt, die hier eine Rolle spielen.

Österreich gehört zu den Ländern, wo es tatsächlich auch nicht zu erwarten ist, dass durch den Ausbau der Plätze jetzt auf einmal alle Frauen arbeiten gehen würden, weil es halt kulturell gesehen nicht so ist. Aber wenn wir uns an den internationalen Studien dazu orientieren, können wir davon ausgehen, dass drei oder vier von zehn dann doch arbeiten gehen würden, das heißt, das hätte tatsächlich einen sehr positiven Effekt.

Wir haben auch Studien aus Deutschland, die zeigen, dass Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung, der eingeführt wurde, auch die Arbeitszeit der Frauen erhöht hat, und zwar insbesondere in der sogenannten langen Teilzeit. Also es gab wenig Wechsel zu Vollzeit, aber sehr viel Wechsel zwischen 20 und 35 Stunden, was natürlich auch schon fast so gut ist wie Vollzeit, und das wäre für mich sozusagen das wesentliche Element, wo man das Arbeitskräftepotential der Eltern weiter heben könnte, im Sinne des Arbeitskräftemangels, mit dem wir konfrontiert sind.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals. Damit ist die erste Fragerunde abgeschlossen. Sie wissen, wir haben dieses Hearing für circa 4 Stunden angesetzt. Die erste Fragerunde hat jetzt 3 Stunden in Anspruch genommen, Gott sei Dank gute, ordentliche - - (Zwischenruf.) – Um 10 Uhr haben wir begonnen. (Zwischenruf.) Okay, alles klar, Herr Krainer, ich möchte aber dazusagen: Wir haben am Anfang auch ausgemacht gehabt, dass jeder Fragesteller nur an einen Experten eine Frage stellt. Das ist auch okay gewesen. In der ersten Runde habe ich das nicht unterbrochen, wenn mehrere dazu geantwortet haben. Das hat die Zeit natürlich verlängert.

Ich weiß aber auch, dass diverse Termine von gewissen Experten am Nachmittag wieder anstehen und habe jetzt nur eine Frage an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, zumindest an die Fraktionsführer, ob wir die zweite Fragerunde nicht einmal von 4 Minuten auf 2 Minuten setzen könnten. Wenn noch Zeit zur Verfügung ist, können wir sie nachher immer noch wieder dazutun. Würde es dafür ein Einverständnis geben? Herr Kollege Krainer? Herr Kollege Schwarz? Frau Kollegin Doppelbauer? Herr Kollege Fuchs? Nein? Was? 4 Minuten? Bitte, Herr Kollege!

Jakob Schwarz: Nur zur Geschäftsbehandlung: Könnten wir es nicht so machen, dass wir uns selbst beschränken in Bezug darauf, wie viele Leute wir fragen, also dass das einfach maximal ein, zwei Leute sind, und dafür erhalten wir die Fragezeiten aufrecht – das würde auch die Zeit massiv verkürzen.

Gabriel Obernosterer: Ja, natürlich, das wäre mein nächster Wunsch gewesen, dass ich gesagt habe, wenn es kein Einvernehmen gibt, bleiben wir natürlich bei den 4 Minuten. Wir haben die ja auch beschlossen. Ich dürfte einfach bitten, nur mehr an einen Experten die Frage zu stellen. Und auch eine Bitte an die Expertinnen und Experten: auch in der Antwort vielleicht ein bisschen straffer zu sein, wobei das alles bis jetzt wirklich super in Ordnung war und sehr viel Information gebracht hat.

Okay. Danke schön, und wenn jemand die Zeit nicht ausnutzen will, wie gesagt, ist niemand böse, also er muss die 4 Minuten nicht komplett ausnutzen.

Fangen wir wieder bei der SPÖ an. Herr Kollege Stöger ist der Nächste, der sich zu Wort gemeldet hat. Bitte schön, Herr Kollege.

Alois Stöger (SPÖ, Abgeordneter zum Nationalrat): Danke, Herr Vorsitzender. Herr Bundesminister! Sehr geehrte Expertinnen und Experten! Herr Dr. Marterbauer hat am Beginn gesagt, dass er eine ganz besondere Rolle der Gemeinden in der Umsetzung des Budgets sieht, gerade was diese Klimafragen anlangt.

Ich würde bitten, das noch auszuführen: Was können die Gemeinden tun? Wo ist da der finanzielle Handlungsspielraum der Gemeinden, und wo ist im Budget etwas abgebildet?

Markus Marterbauer: Für mich wäre das der wichtigste Bereich, wo man zum Klimathema sozusagen mehr machen könnte. Wir wissen, dass die Gemeinden auf der einen Seite großes Potential bei Klimamaßnahmen haben, weil ja vielfach der öffentliche Verkehr, wo es jetzt noch hakt, sozusagen der Nahverkehr ist. Es ist im Fernverkehr, im Schienenbereich, jetzt gerade mit dem neuen Ausbauplan, wird wirklich viel getan und es ist eine ganz tolle Sache, was da an Ausbau jetzt fortgesetzt wird.

Wo wir aber die Probleme haben, ist im unmittelbaren Nahverkehr, vielfach, ich habe es am Anfang auch gesagt, Zubringer zu den Bahnstationen zum Beispiel, also Mini-öffentlicher-Verkehr, wie man das heute nennt, Radverkehr, Fußwege et cetera. Dort ist, glaube ich, ganz viel drinnen. Die ganze Frage der thermischen Sanierung von kommunalen Bauten, die Frage, auf welchen Dächern von kommunalen Bauten ich Fotovoltaikanlagen anbringen kann.

Hier ist überall, glaube ich, ganz viel drinnen, und wir könnten das im Detail fortsetzen. Ich glaube, es geht um Milliardeninvestitionen in dem Bereich.

Auf der anderen Seite ist es so, dass gerade bei Städten und Gemeinden die Finanzierungsbasis im Moment sehr eng ist. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: zum einen natürlich, dass aufgrund der Steuerausfälle aus der Krise hier die Finanzierung eingeschränkt wurde, und zum Zweiten zahlen natürlich Städte und Gemeinden genauso bei der Finanzierung der Steuerreform sozusagen mit, weil sie Einnahmenausfälle bedeutet.

Jetzt hat man das kommunale Investitionsprogramm, so hat das, glaube ich, geheißen, KIP, gehabt, das war ein guter Ansatzpunkt. Da laufen die Mittel aber aus, und es ist noch dazu das Problem eben, dass die Kofinanzierung der Gemeinden gefragt war, und viele Gemeinden und Städte konnten einfach die entsprechenden Maßnahmen nicht leisten. Deshalb würde ich glauben, dass es sinnvoll wäre, mittelfristig zu sagen, für die, ich spreche jetzt ins Blaue, nächsten fünf Jahre gibt es jeweils 500 Millionen vom Bund, nicht kofinanziert, sondern direkte Mittel für Klimainvestitionen, die die Gemeinden und Städte abrufen können mit konkreten Projekten.

Ich glaube, dass das für das Klima viel bringen würde und auch den Finanzierungsspielraum bei den Gemeinden, die ja auch unter Druck sind, wegen Pflege, Kindergärten und so weiter, ein bisschen verbessern könnte.

Gabriel Obernosterer: Herr Kollege, Sie geben weiter an Herrn Kollegen Matznetter. – Bitte schön.

Christoph Matznetter (SPÖ, Abgeordneter zum Nationalrat): Ich habe eine ganz kurze Frage an Frau Dr. Schratzenstaller: Sie haben gesagt, Sie orientieren sich an Deutschland bei der CO2-Besteuerung. Können Sie uns kurz sagen, was der Vergleich mit Schweden wäre, mit der dortigen CO2-Besteuerung zu der hier geplanten?

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Ja, der Vergleich mit Schweden, da sind wir natürlich blass. Wenn wir uns den schwedischen CO2-Preis anschauen, erblassen wir vor Neid der ist bei 118 Euro. Da muss man aber auch dazusagen: Die haben ihn Anfang der Neunziger eingeführt und schrittweise erhöht, also das heißt, die arbeiten an diesem Preispfad seit 30 Jahren, und natürlich kann man nicht von heute auf morgen aus verschiedenen Gründen, die ich schon ausgeführt habe, einen CO2-Preis in dreistelliger Höhe einführen, und natürlich auch nicht von heute auf morgen in Höhe von, weiß ich nicht, 80 Euro oder so was.

Und wenn man sich das europäische Umfeld so anschaut, wie gesagt, dann sind wir mit diesen 30 Euro Einstiegspreis so ungefähr im Mittelfeld. Es gibt ja, glaube ich, so 14, 15 EU-Länder, die jetzt schon eine explizite CO2-Bepreisung haben. Da stehen wir also ungefähr so im Mittelfeld.

Aber Schweden sticht schon heraus. Es kommt Schweden, wenn Sie sich die entsprechenden internationalen oder europäischen Vergleiche anschauen, und dann kommt einmal lange nichts, und dann reden wir von CO2-Preisen von, ja, zwischen 30, 40, 50 Euro. Manche, also - ‑ Der deutsche Preispfad ist bekannt, der entspricht dem österreichischen. Es gibt auch Länder, die haben nur ein paar Euro CO2-Preis.

Christoph Matznetter: Deswegen kommt ja Greta Thunberg nicht aus Schweden.

Meine nächste Frage geht an Markus Marterbauer, weil er gesagt hat, er ist ein bissel kritisch, welcher Verteilungsschlüssel hier für den Klimabonus gewählt wurde Professor Badelt hat ihn als pragmatisch bezeichnet.

Ich frage im Konkreten an: Ich wohne in Liesing. In der Ketzergasse sind Gründerzeitbauten auf der Südseite und auf der Nordseite. Dieses System führt einen sehr unterschiedlichen Klimabonus ein. Ist das eine vernünftige Struktur einer Abgabe, die noch dazu nicht gleichheitswidrig sein darf?

Markus Marterbauer: Ich habe schon in meinem Eingangsstatement gesagt, dass das für mich sozusagen der kritikwürdige Teil des Klimabonus ist, diese regionale Differenzierung, weil ich glaube, dass wir in alle möglichen Probleme kommen und Ungleichbehandlung ein direkter Effekt dieser Differenzierung ist.

Ich glaube, wenn man sich die unterschiedlichen Herausforderungen überlegen muss, die ja bestehen es wurde ja drauf hingewiesen: man kann die Gastherme nicht von einem Tag auf den anderen tauschen –, dann ist es besser, diese Differenzierungen über die direkten Förderungen herbeizuführen. Das wird ja zum Gutteil auch gemacht. Ich wäre der Meinung gewesen, man braucht keine regionale Differenzierung im Klimabonus.

Christoph Matznetter: Ich möchte gleich bei dem Thema bleiben. Für den mehrgeschoßigen vor allem Mietwohnbau im städtischen Bereich ist die wesentliche CO2-Belastung durch die Abgabe durch das Heizsystem und nicht durch den Verkehr gegeben.

Ist das eine vernünftige Verteilung, wenn ich im Waldviertel die höchste Förderung bekomme, aber dort längst auf Holz, weil da kein Feinstaubproblem ist, umgestellt habe und keine Belastung habe, weil alles nur auf den Verkehr ausgerichtet ist, obwohl die CO2-Besteuerung eigentlich quer drüber geht, auf Energieträger und Verkehr?

Markus Marterbauer: Wir haben jetzt - - Das Problem ist richtig erkannt und ist wirklich ein Problem. Wir haben ja im Budget jetzt die Förderung auch für den mehrgeschoßigen Bau, ich glaube, es sind 60 Millionen oder was, ich habe es jetzt nicht mehr im Kopf. (Zwischenruf von Matznetter.) 60, ich habe es richtig im Kopf gehabt.

Ja, aber es ist ein guter Beginn! Ich glaube, das Problem wurde erkannt und es muss mehr in diese Richtung gehen, wie überhaupt es ja so ist, dass die Städte ja viel weniger CO2 oder generell Klimabelastung haben als das breite Land, weil Städte einfach besser und effizienter organisiert werden können.

Es betrifft den öffentlichen Verkehr, das betrifft, ich weiß nicht, die Fernwärme, die wir ausbauen können, das betrifft die Kälteleitungen, alle diese Dinge. Städte sind unter ökologischen Gesichtspunkten natürlich viel günstiger, und deshalb sollten wir, glaube ich, auch schauen, dort, wo man weiter viel bewirken kann, auch entsprechend zu finanzieren. Und in dem Sinn würde ich glauben, diese Förderung für die Umstellung von Heizsystemen im mehrgeschoßigen Wohnbau sollte durchaus ausgebaut werden.

Christoph Matznetter: Kollegin Schratzenstaller hat die Frage des Pendlerpauschales sehr kritisch gesehen. Mein Eindruck ist, mit dieser regionalen Differenzierung des Klimabonus wird eine Verstärkung des Pendlerpauschales hergestellt, weil man nicht schaut, dass im vernünftigeren System in der Stadt gesiedelt wird, sondern die Tendenz bleibt weiter sozusagen am flachen Land draußen. Täuscht mich da der Eindruck, Herr Dr. Marterbauer?

Markus Marterbauer: Ich teile diese Einschätzung, und wir fordern ja schon lange eine Umstellung des PendlerInnenpauschales, also es geht, glaube ich, primär - - Da gibt es ja eine ganze Reihe von Problemen, Margit Schratzenstaller hat es schon aufgezählt.

Worum geht es? Was wären die Ansatzpunkte? Ich glaube, zum einen die Umstellung auf einen Absetzbetrag da besteht an sich breiter Konsens drüber, dass das sinnvoll wäre und dann spezifische Maßnahmen dort, wo PendlerInnen Probleme mit dem Zugang zum öffentlichen Verkehr haben, oder auf die andere Seite gesprochen, zusätzliche Hilfen für die, die wirklich den öffentlichen Verkehr in Anspruch nehmen.

Ich glaube, es besteht weitgehend Konsens in der Wissenschaft, was man tun sollte, und es ist jetzt nur mehr eine Frage der Umsetzung, und damit sind Sie am Handeln und nicht mehr wir.

Christoph Matznetter: Ich habe wohltuend gehört, dass Prof. Badelt gesagt hat, wenn er entscheiden würde, würde er eher die Belastung des Faktors Arbeit in der Besteuerung statt der Körperschaftsteuer senken. Ich möchte die Verteilungsfrage, die Sie, Herr Dr. Marterbauer, angesprochen haben, im Bereich der Einkommensteuer, auf die Körperschaftsteuer übernehmen.

Ist es sinnvoll, die Körperschaftsteuer in der Breite abzusenken, statt zum Beispiel die unendliche Körperschaftssteuer, Mindestkörperschaftssteuer für kleine Unternehmen endlich abzuschaffen, oder vielleicht überhaupt eine progressive Körperschaftsteuer zu machen, um damit zu erreichen, dass wir gerade bei den KMUs, oft auch EPUs, in der Rechtsform der GesmbH auch dort Erleichterungen haben, wie wir sie derzeit bei der Einkommensteuer schon kennen?

Markus Marterbauer: Es ist ja grundsätzlich so, dass das Körperschaftsteueraufkommen und damit auch die Begünstigung durch die Senkung des Körperschaftsteuersatzes wenigen Betrieben ganz oben besonders zugutekommt. Also selbst innerhalb der Körperschaften, die ja nur einen kleinen Teil der Unternehmen ausmachen – die meisten sind ja Einnahmen-Ausgaben-Rechner –, aber wenn man nur die GmbHs und AGs hernimmt, dann haben wir hier auch eine enorme Begünstigung im ganz obersten Bereich.

Ich glaube – ich hoffe, ich habe es jetzt recht im Kopf, aber in unserer Analyse findet man sowieso alles, wie auch in der des Budgetdienstes übrigens, die ich für die Vorbereitung sehr hilfreich gefunden habe, auch um das Ihnen noch einmal zu sagen –, ich glaube, in unserer Analyse steht drinnen, dass die 3 000 Betriebe ganz oben ich glaube 30 oder 40 Prozent der gesamten Begünstigung bekommen, obwohl das nur, keine Ahnung, weniger als 1 Prozent der Betriebe sind. Also wir haben hier ein enormes Ungleichgewicht, das ist eine Umverteilung nach oben.

Und noch ein Wort dazu, weil zu den Verteilungswirkungen gesprochen wurde. Die Verteilungswirkungen, die der Budgetdienst in seiner Analyse ausweist und sehr detailliert und schön darstellt, die beziehen sich natürlich nur auf die Haushalte, und das heißt, dort sind dann natürlich nur die Tarifsenkung, die Krankenbeitragssenkung, der Ökobonus und noch irgendetwas Viertes berücksichtigt, aber klarerweise nicht die Körperschaftsteuer, und ich habe ja vor allem kritisiert, dass die Körperschaftsteuer so ungleiche Verteilungswirkungen produziert. Die Zahlen, die ich genannt habe, habe nicht ich erfunden, sondern die sind aus dem Budget. Man kann sich ja die Gewinnsteuern anschauen. Die steigen nicht von 2019 auf 2025, während das Lohnsteueraufkommen um 29 Prozent steigt. Also das ist keine Erfindung, sondern das sind einfach die offiziellen Zahlen von Wifo und BMF, und dass das ungerecht ist, ist, glaube ich, jedem offensichtlich, der einen Blick auf diese Zahlen wirft.

Christoph Matznetter: Das heißt, in Wahrheit fehlt bei dieser Verteilungsdiskussion die Auswirkung der Körperschaftsteuersenkung. Nun wurde schon - - Mehrere haben gesagt, es gibt keine kalte Progression, weil es ja eine Flatbesteuerung ist. Wie wird denn diese Schieflage - - Wenn wirklich Inflationsraten von 10 Prozent eintreten, wie stark wirkt dann die kalte Progression, und wie schnell ist dann diese Steuerreform, die jetzt bei Lohn- und Einkommensteuer passiert ist, verpufft? In einem Jahr, in eineinhalb Jahren, in zwei Jahren? Und gleichzeitig sinkt der Anteil dessen, was im Bereich der Körperschaftsteuer abgeliefert wird. Täusche ich mich da, Herr Dr. Marterbauer?

Markus Marterbauer: Also ich würde auf diese Panikmache mit zweistelligen Inflationsraten gar nicht eingehen wollen. Es gibt keine einzige Prognose, die das sagt. In Österreich hatten wir überhaupt noch nie meiner Erinnerung nach zweistellige Inflationsraten im Jahresdurchschnitt, nicht einmal 1975 im Ölschock. Da hatten es viele andere Länder, wir nie, ja, weil wir über Instrumentarien verfügen, die das sozusagen - - die damit umgehen können, nicht zuletzt die sozialpartnerschaftliche Lohnpolitik, also überhaupt kein Grund zur Panikmache!

Aus meiner Sicht ist die Panikmache bei hohen Inflationsraten nur - - wird nur deshalb gemacht, um davon abzulenken, dass die wahren Probleme bei Arbeitslosigkeit und Armut liegen und nicht im Inflationsbereich. Aber so, wie wir es jetzt sehen mit den Prognosen, deckt die Einkommensteuertarifreform – wieder muss ich auf Herrn Dr. Berger hinschauen – ich glaube, im Budgetdienst bis 2025 voll ab – oder? – in der Analyse, also in dem Sinn wird die kalte Progression ausgeglichen.

Ja, mehr möchte ich dazu eigentlich jetzt nicht - -

Christoph Matznetter: Bei niedrigen Inflationsraten.

Markus Marterbauer: Bei niedrigen Inflationsraten; bei höheren Inflationsraten wäre es stärker und bräuchte man einen neuen Ausgleich, und bei der Körperschaftsteuer gibt es keine kalte Progression und da kann auch nichts ausgeglichen werden.

Christoph Matznetter: Möchte noch jemand der Experten – aber nur einer darf es natürlich kommentieren – diese Frage kalte Progression, wieso muss ich die Körperschaftsteuer senken, wenn es keine kalte Progression gibt? Mein ernster Blick auf Frau Dr. Schratzenstaller.

Monika Köppl-Turyna: Also grundsätzlich durch die Mindestkörperschaftbesteuerung ... (Die Tonaufnahme ist unterbrochen.) Also soll ich doch nicht antworten, oder? (Matznetter: Oh ja!) Na ja, durch die Mindestkörperschaftsteuer haben wir eigentlich eine nominelle Schwelle, die mit der Inflation nicht angepasst wird, das wollte ich nur gesagt haben.

Christoph Matznetter: Der ist unendlich, der Steuersatz? Bei Verlusten ist sie unendlich? Bei einem Verlust ist die Steuer unendlich, bei der Mindestkörperschaftsteuer? Wenn ich minus 10 000 Gewinn ... (Die Tonaufnahme ist unterbrochen.)

Gabriel Obernosterer: Okay. Sind Sie fertig, Frau - -, mit der Antwort? Prof. Badelt hat sich gemeldet. Bitte.

Christoph Badelt: Ich wollte nur sagen, es ist nicht mein Verständnis - - Meine Position zur Körperschaftsteuersenkung habe ich ja zuerst dargestellt, aber es ist nicht mein Verständnis, dass die Körperschaftsteuersenkung irgendetwas mit der kalten Progression zu tun hätte. So wird sie auch nicht begründet.

Ich glaube auf der anderen Seite, dass die Diskussion über die Abschaffung der kalten Progression oder die Abgeltung der kalten Progression, die kann man auf der empirischen Ebene sehen: Da zeigt sowohl der Budgetdienst als auch wir, dass die jetzige Steuerreform die kalte Progression seit dem 2016er-Jahr kompensiert beziehungsweise sogar mehr als kompensiert, wenn man den Familienbonus dazurechnet, das ist nämlich der Unterschied zwischen der Fiskalratsberechnung und der Budgetdienstberechnung.

Ich will aber auch nicht - - Das heißt, empirisch ist das ein Faktum, ich will aber auch nicht verhehlen, dass ich persönlich – und ich weiß, dass ich mich da ein bissel in die Nesseln setze – überhaupt nicht es als gescheit finden würde, automatisch die kalte Progression zu beseitigen. Ich halte es für wesentlich gescheiter, in periodischen Abständen Steuerreformen zu machen, wo man eben, so wie es die Erfordernisse gerade sind, politische Schwerpunkte setzen kann. Das gefällt natürlich demjenigen, der nicht an der Macht ist, nicht so, das ist mir schon klar, aber ich halte das an und für sich für ein gescheites System, und das wäre in der Praxis nicht realisierbar, würde man alles, was durch die Inflation an realen Zusatzeinnahmen für den Staat hereinkommt, sofort zurückgeben. Dann hätten Sie eine wesentlich schwierigere Situation für Reformen.

Ja, ich merke Kopfschütteln bei einigen Abgeordneten, aber ich vertrete eben diese Meinung.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals. Herr Kollege, Sie haben noch 15 Sekunden.

Christoph Matznetter: Dann bleibe ich bei Prof. Badelt. Heißt nicht das, was Sie jetzt sagen, dass die Einbeziehung des Familienbonus, damit die kalte Progression ausgeglichen ist, dass für all die, die nicht Kinder zu Hause haben, die kalte Progression schon gar nicht ausgeglichen ist seit 2016?

Christoph Badelt: Nein, das heißt es nicht, weil die kalte Progression auch ausgeglichen ist, wenn Sie den Familienbonus nicht dazurechnen. Das ist einfach empirisch so. Wie man den Familienbonus einschätzt, ist eine längere Debatte. Ich will dazu nur sagen, nach meinem Verständnis ist der Familienbonus eine steuerliche Maßnahme zur Entlastung von Steuern, und entlastet von Steuern kann offenkundig nur jemand werden, der oder die Steuern zahlt.

Man sollte es nicht verwechseln mit einer familienpolitischen Maßnahme, die die einkommensschwachen Familien unterstützt. Da sind wir aber im Bereich der Transferzahlungen. Da hat Herr Marterbauer vorher schon etwas dazu gesagt. Das ist aber eine andere Diskussion, denn die Entlastungsdiskussion heißt nicht - - ist nicht automatisch ein sozialpolitisches Ziel damit verbunden.

Christoph Matznetter: Halten Sie es für sinnvoll, die restliche Steuerleistung inklusive Gebühren und indirekte Steuern zu ignorieren, Herr Professor?

Gabriel Obernosterer: Die Fragezeit ist zu Ende, Herr Kollege.

Christoph Matznetter: Halten Sie es für intelligent, zu ignorieren - - von ärmeren Haushalten gezahlte indirekte Steuern, Gebühren und Sonstiges nicht als Steuern zu bezeichnen?

Gabriel Obernosterer: Herr Dr. Berger hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Helmut Berger: Ich wollte nur ganz kurz etwas zum Ausgleich der kalten Progression sagen. Das ist natürlich sehr wesentlich vom Referenzzeitpunkt abhängig, den man wählt, und man kann da sehr viele verschiedene Ergebnisse produzieren.

Wir haben beispielsweise den Familienbonus und die KV-Senkung miteinbezogen – klarerweise kann man das unter Umständen auch anders sehen –, kommen daher auch zum Ergebnis beispielsweise, dass bei den Alleinstehenden im obersten Quintil dann nicht die gesamte kalte Progression ausgeglichen wird; bei Kindern, bei Familien mit Kindern wird es deutlich stärker ausgeglichen. Also man muss immer wirklich bei jeder Berechnung genau schauen, was die Referenz ist, auf die man sich bezieht, was da einbezogen ist, und daher gibt es - - sind auch die unterschiedlichen Ergebnisse erklärbar.

Das heißt nicht, dass irgendjemand falsch rechnet, sondern dass er gewisse andere Annahmen getroffen hat.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals, Herr Doktor. Wir kommen jetzt zur Fraktion der Grünen und zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Koza. Bitte schön.

Markus Koza (GRÜNE, Abgeordneter zum Nationalrat): Zuallererst ein herzliches Dankeschön an Herrn Prof. Badelt für seine Ausführungen zur kalten Progression. Es ist wirklich einmal sehr, sehr, sehr erfrischend, hier einen Zugang zu haben, der nicht vereinfachend sagt: Wir schaffen jetzt einfach die kalte Progression ab!, und: Die ist das zentralste Problem dieser Erde überhaupt!, sondern diesen sehr differenzierte Zugang zu Steuerreformen finde ich sehr gut, finde ich ganz hervorragend, danke sehr dafür.

Doch meine Frage insbesondere gilt Herrn Markus Marterbauer, und zwar zum arbeitsmarktpolitischen Budget: Wir haben im Jahr 2020 und 2021 circa insgesamt rund 9 Milliarden Euro für die Kurzarbeit vorgesehen. Im nächsten Jahr sind es 200 Millionen Euro. Zusätzlich wirken die Maßnahmen der Coronajoboffensive weiter im Jahr 2022 und ist im Rahmen der Aktion Sprungbrett im Jahr 2022 250 Millionen Euro für die Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt und für 2023 50 Millionen Euro vorgesehen.

Wie bewerten Sie die Budgetierungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik angesichts der aktuellen ökonomischen Entwicklungen und sozialpolitischen Herausforderungen? Und ich würde das natürlich auch sehr gerne die Kollegin Schratzenstaller fragen, aber ich glaube, es ist vereinbart worden, dass nur eine Person befragt werden darf. Danke.

Markus Marterbauer: Ich kann jetzt nur für mich sprechen, nicht für Margit, aber sie kann den Kopf schütteln, wenn ich etwas Falsches sage. Aus meiner Sicht ist es so, dass die Budgetierung in der UG 20 sehr gut ist.

Wir haben dort wirklich jetzt im Zuge der Krise massiven Ausbau der Maßnahmen gehabt. Es ist auch völlig angemessen, und ich würde glauben, dass insbesondere im Bereich der Qualifizierung ausreichend viel Geld da ist, und das ist jetzt auch wichtig sozusagen, um die Arbeitslosen auf die offenen Stellen zu bringen.

Wir haben immer noch im Jahresdurchschnitt 2021 3,7 Arbeitslose je offene Stelle. Das bedeutet, es sind zwar viele Stellen da, und die wollen wir mit Arbeitslosen besetzen, aber es ist bei Weitem nicht so, dass wir generelle Arbeitskräfteknappheit haben. Arbeitskräfteknappheit hatten wir zuletzt in den 1970er-Jahren, wo 0,5 Arbeitslose je offene Stelle waren, das nur zur Orientierung.

Zweiter Punkt: Die Langzeitarbeitslosigkeit ist das drängendste Problem auf dem Arbeitsmarkt, und ich glaube, dass die Aktion Sprungbrett eine gute Aktion grundsätzlich ist, weil sie Arbeitslose in Beschäftigung bringen kann. Allerdings wäre meine Erwartung – die Evaluierung kann erst nachher kommen –, dass sich die Aktion Sprungbrett primär auf Arbeitslose orientiert, die zwischen 12 und 18 Monaten, vielleicht 24 Monaten arbeitslos sind.

Es bleiben sehr viele Leute übrig, und es ist kein kleiner Teil, die schon länger als zwei Jahr arbeitslos sind. Meine Erwartung wäre, dass wir für diese Gruppe extra Maßnahmen machen müssen, und es ist völlig offensichtlich, dass wir eine Rückkehr zur Aktion 20 000 oder wie immer man das jetzt nennt, nämlich der gemeinnützigen Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen, machen muss. Wir brauchen noch spezifische Maßnahmen für Langzeitarbeitslose, die von der Aktion Sprungbrett nicht ausreichend profitieren können.

Und der letzte Punkt, den ich für sehr wichtig halte: Langzeitarbeitslosigkeit kann man verhindern, indem man Arbeitslose rasch wieder in Beschäftigung bringt, und das wichtigste Instrument ist, das AMS mit ausreichend Personal auszustatten, um diese ganz wichtige Vermittlungsarbeit leisten zu können. Wir haben im Moment eine Betreuungsquote von ungefähr 250 oder 300 Arbeitslosen pro AMS-BetreuerIn; sinnvoll wäre auch unter Berücksichtigung der schwedischen Erfolge ungefähr 100 : 1.

Also wenn wir das AMS mit mehr Personal ausstatten, dann ist es ein ganz wichtiges Instrument, um länger dauernde Arbeitslosigkeit zu verhindern, aber insgesamt halte ich die Arbeitsmarktpolitik schon für recht erfreulich, und auch in der Budgetierung für das kommende Jahr.

Gabriel Obernosterer: Gibt es eine weitere Frage? Frau Kollegin Götze, bitte.

Elisabeth Götze: Danke, Herr Vorsitzender. Ich wollte noch einmal auch dem Budgetdienst – das habe ich vorher nicht gemacht – danken für die Vorbereitung oder für die gute Unterstützung bei der Analyse des Budgets und natürlich auch dem Ministerium für die Vorarbeiten.

Meine Frage - - Ich komme noch einmal zurück auf das Thema Frauen, Gleichstellung und auch Gewaltschutz, das wurde schon zum Teil andiskutiert, und ich wollte jetzt doch noch einmal genauer darauf eingehen, wie die Bewertung dieser Mittel, die da doch vermehrt zur Verfügung stehen, eingeschätzt werden, inwieweit das ausreichend ist, sofern man das sagen kann, und insbesondere auch die Zeitverwendungsstudie – die Ergebnisse liegen noch nicht vor, aber wie Sie das einschätzen und wo Sie noch auch für die Zukunft vermehrt Mittelbedarf sehen.

Und da ich jetzt nur eine Expertin oder einen Experten fragen darf und Frau Schratzenstaller schon etwas dazu gesagt hat, frage ich in dem Fall Sie. Ich hätte eigentlich gern im Sinne der Gendergerechtigkeit auch einen Herrn dazu befragt, aber vielleicht geht das nachher noch.

Monika Köppl-Turyna: Vielen Dank. Na ja, zum Thema Gewaltschutz: Ich glaube, Margit Schratzenstaller hat es schon ausgeführt; das ist auch nicht gerade meine Expertise, also bevor ich etwas sage, womit ich mich nicht auskenne, bleibe ich vielleicht mehr bei der Zeitverwendungsstudie.

Die Zeitverwendungsstudie begrüße ich, als Wissenschaftlerin jedenfalls. Mehr Daten sind immer gut, und da gilt auch mein Dank dem Forschungsausschuss, der gestern die Nutzung weiterer Daten für wissenschaftliche Zwecke in Österreich durch die Änderung des Bundesstatistikgesetzes ermöglicht hat. Hoffentlich wird das dann auch in einem letzten Schritt erfolgreich sein. Ich glaube, der Wissenschaftsstandort Österreich freut sich gerade sehr darüber.

Und dasselbe gilt natürlich für die Zeitverwendungsstudie, und da sehen wir tatsächlich, das große Thema, das wir immer haben, ist bei der Diskussion um die Elementarpädagogik: Wie freiwillig ist diese Teilzeit? Wie freiwillig ist das alles, was in den Familien passiert, und wie viel davon ist tatsächlich strukturell bedingt? Und das ist sozusagen die wichtigste Frage für die familienpolitischen Maßnahmen, die wir jetzt setzen sollen, und diese Zeitverwendungsstudie halte ich hier für eine wesentliche Komponente, eben diese Fragen und diese Datenlage zu verbessern, also das begrüße ich jedenfalls.

Was noch gemacht werden soll, glaube ich, habe ich ja schon ausführlich diskutiert: Elementarpädagogikausbau und an sich weitere Maßnahmen, die natürlich dann Frauen ermöglichen, am Arbeitsleben in vollem Ausmaß zu partizipieren, die dann auch weitere Probleme verhindern, wie Altersarmut und Pensionszuschuss. Das hat dann natürlich auch Auswirkungen auf die Pensionszuschüsse, weil die Pensionszuschüsse aus dem Bundesbudget auch großteils an die Frauen gehen, die eben nicht genug Versicherungsjahre erwirtschaften, und all diese Elemente hängen hier natürlich zusammen. Und das wären die wichtigsten Schritte.

Gabriel Obernosterer: Danke. Herr Kollege Schwarz hat sich noch zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Jakob Schwarz: Entschuldigen Sie bitte.

Elisabeth Götze: Sonst stelle ich meine Frage noch an meinen Herrn zwischendurch, an Herrn Prof. Badelt, wenn ich darf – die gleiche Frage.

Gabriel Obernosterer: ... wird sich dann kürzer halten. Okay, bitte gerne.

Elisabeth Götze: Ich bin eh ganz kurz.

Christoph Badelt: Sie meinen die Frage zu der Zeitverwendungsstudie? Ja, - -

Elisabeth Götze: Ja – Entschuldigung! –, beziehungsweise Frauenbudget insgesamt und wo es noch Schwerpunkte braucht; Frauen, Gleichstellung, Gewaltschutz.

Christoph Badelt: In Wahrheit ist es so, dass Sie die Gleichstellungsproblematik - - Wenn Sie die Gleichstellungsproblematik nur durch das Frauenbudget lösen wollten, dann wäre das eine armselige Geschichte, ja. Also das Frauenbudget ist zwar schön gestiegen, ist aber nach wie vor klein, und es wird wahrscheinlich auch klein bleiben.

Die großen Themen für die Gleichberechtigung, das wurde jetzt klargestellt, die können gar nicht im Frauenbudget stehen, wie zum Beispiel alles rund um die Kinderbetreuung und wie zum Beispiel die Frage der gesamten Lohndifferenzierung, also Genderpaygap und so weiter. Das sind alles Dinge, die dort nicht stehen können. Insofern halte ich das nur für eine, ja, für eine marginale Bedeutung.

Ich wollte aber auch noch etwas zu der Zeitbudgetstudie sagen, weil mir das persönlich auch sehr am Herzen liegt. Ich habe mich tatsächlich 40 oder 50 Jahre schon – ja, fast vor 40 Jahren – mit diesen Themen beschäftigt. Ich bin froh, dass die jetzt endlich kommt. Das ist eh ein Wahnsinn, dass sie so spät kommt, aber es wird natürlich herauskommen, dass sich an der grundsätzlichen Verteilung zwischen Erwerbsarbeit und Familienarbeit und den Geschlechtermustern nicht wahnsinnig viel verändert hat.

Das wird wahrscheinlich herauskommen, würde ich einmal vermuten, und damit sind wir bei den Fragen: Was kann hier von der politischen Seite her getan werden? Von der politischen Seite kann im Grunde genommen nur das getan werden: eine echte, faire Arbeitsteilung innerhalb der Haushalte leichter zu ermöglichen, und damit sind wir eben bei der Kinderbetreuung. Das ist einmal ein ganz wesentlicher Punkt.

Damit sind wir auch bei der Teilzeitfrage, aber die Teilzeitfrage darf man da nicht nur unter einem Frauengesichtspunkt sehen, sondern eben unter einem ganz allgemeinen Gesichtspunkt, und damit ist man aber auch bei so elementaren Fragen wie der Teilung der Pensionsansprüche, die im Grunde genommen ja heute noch ein stiefmütterliches Dasein fristet.

Was ich damit sagen möchte, ist, das Thema ist wesentlich größer, als man es in einem Budget abbilden kann, und schon gar nicht im Frauenbudget.

Gabriel Obernosterer: Danke schön. Herr Kollege Schwarz. Bitte schön.

Jakob Schwarz: Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Ich habe jetzt meine Frage wieder gefunden, und zwar wollte ich noch den Budgetdienst, Herrn Dr. Berger, fragen, inwiefern die Nichterreichung der Klimaziele budgetäre Risiken mit sich bringt und wie Sie die ungefähr einschätzen würden in der Größenordnung. Danke.

Helmut Berger: Wir haben ja an sich zwei Systeme bei den Berücksichtigungen der Emissionen im Budget. Das eine ist das Emissionshandelssystem für die Bereiche mit energieintensiver Industrie, für den Luftverkehr innerhalb des EWR-Raums und für die Elektrizitätserzeugungen, und wir haben andererseits den Nicht-ETS-Bereich, also den nicht vom Emissionshandelssystem umfassten Bereich, und da gibt es ein Lastenteilungsverfahren. Wir haben da dankenswerterweise von Herrn Abgeordnetem Fuchs auch eine Frage dazu bekommen, wo wir uns sehr intensiv mit der Frage beschäftigt haben.

Wir sehen, wir haben im Prinzip zwei - - vom Umweltbundesamt zwei Emissionspfade zugrunde gelegt. Es gibt ein sogenanntes WEM-Szenario, das ist das Szenario mit bestehenden Maßnahmen, With Existing Measures, und eines mit zusätzlichen Maßnahmen, und in beiden Szenarien verfehlen wir schon die Ziele, zu denen wir uns jetzt schon verpflichtet haben, nämlich den Zielpfad, bis zum Jahr 2005 um 36 Prozent zu senken.

Jetzt haben wir in der EU ein neues EU-Klimagesetz, das einen deutlich ambitionierteren Weg noch vorsieht. Wir sollen unsere Emissionen um 55 Prozent senken, was bedeuten würde, dass wir in dem Szenario - - dass wir in dem Nichtemissionshandelsbereich ganz einfach um 48 Prozent unsere Emissionen senken müssen.

Was ist das für ein budgetäres Risiko? Die Mengen kann man da einigermaßen jetzt abschätzen, es ist eine Frage, wie sich der Preis entwickeln wird. Wir haben derzeit im Emissionshandelssystem, wie wir schon heute gehört haben, einen Preis, der um die 60 Euro herum ist. Wir haben in unseren Berechnungen zunächst einmal einen Preis von 50 Euro zugrunde gelegt, weil das der Preis ist, den auch der deutsche Rechnungshof für solche Berechnungen herangestellt hat, wobei es in den Berechnungen, die ich kenne, Preisbänder zwischen 20 und 100 Euro gibt. Wir hätten ein - - sozusagen mit dem neuen Szenario, das uns die EU jetzt vorgibt, ein Risiko ermittelt, das in einer Größenordnung mit bestehenden - - wenn wir also die Maßnahmen ganz einfach nicht entsprechend umsetzen, um die 4 Milliarden Euro herum sich bewegt.

Der Rechnungshof hat eine Zahl von 10 Milliarden Euro genannt. Das schaut jetzt sehr groß unterschiedlich aus, ist es aber überhaupt nicht, und zwar deswegen, weil der Rechnungshof mit dem oberen Preisszenario rechnet und auch damit, dass keine Maßnahmen gemacht werden. Er hat das auch schon deutlich früher gemacht, als wir das ermittelt haben.

Wir gehen schon davon aus, dass die Maßnahmen, die jetzt getroffen werden, wirken. Wir gehen auch davon aus, dass von der europäischen Ebene Maßnahmen vorgegeben werden, wie die Flottenziele für die Pkws, wie diverse andere Maßnahmen und technologische Fortschritte, und daher sind wir scheinbar bei einer niedrigeren Zahl, in Wirklichkeit sind wir aber ziemlich ähnlich, ganz einfach mit der anderen Preisannahme. Also Sie können durchaus genauso von den 10 Milliarden ausgehen.

Wir wissen alle noch nicht, wie sich der Emissionspreis entwickeln wird, nicht?

Gabriel Obernosterer: Danke schön. Herr Kollege, noch eine kurze Zusatzfrage? Fertig. Danke vielmals. Dann kommen wir zur Fraktion der FPÖ. Herr Kollege Kaniak ist zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Gerhard Kaniak (FPÖ, Abgeordneter zum Nationalrat): Danke, Herr Vorsitzender. Sehr geehrte Experten! Ja, ich finde das ja sehr spannend: Für die CO2-Bepreisung und die Auswirkungen auf die Klimapolitik werden verschiedene Szenarien durchkalkuliert mit oberem und unterem Band, wenn es aber um Dinge geht, die uns ganz unmittelbar betreffen, wie das Coronakrisenmanagement der Bundesregierung und die aktuell im Raum stehenden Maßnahmen beziehungsweise bereits umgesetzten Maßnahmen, dann werden die in die aktuelle Budgetplanung nicht aufgenommen.

Ich darf Sie zitieren, Herr Prof. Badelt: Sie haben gesagt, die aktuelle Budgetplanung enthält keine wirtschaftlich signifikanten Einschränkungen durch Corona, und Sie haben gleichzeitig gemeint, Sie wollen sich gar nicht vorstellen, welche Folgen das für den Wintertourismus hat, wenn es eine Reisewarnung von Deutschland in Richtung Österreich gibt.

Nun, falls Sie die tagesaktuellen Nachrichten nicht mitbekommen haben: Wir haben bereits 3G und ab Montag 2,5G am Arbeitsplatz. Wir haben in Wien ab nächster Woche voraussichtlich 2G in der Gastronomie, im Tourismus und im Freizeitbereich, das heißt, wir stehen unmittelbar vor ganz massiven Einschränkungen für unsere Wirtschaft und für die Arbeitsplätze, und ich möchte Sie da nicht aus der Verantwortung lassen, sondern ich möchte von Ihnen ganz konkret wissen – anhand der Erfahrungen aus dem letzten Jahr, denn die gibt es ja schon –, welche Auswirkungen entsprechende Einschränkungen haben, mit welchen Einbußen Sie im Bereich des Tourismus rechnen, mit welchen Auswirkungen Sie auf die Arbeitsplätze rechnen, mit welchen Auswirkungen Sie auf das Budget und das Budgetdefizit rechnen und wie sich das eben auch auf das nächste Jahr, auf die wirtschaftlichen Prognosen mitübertragen wird, weil dieser Wachstumspfad, der hier sonnig mit sommerlichen Prognosen ohne Corona gemacht wurde, der kann ja nicht halten.

Christoph Badelt: Also zunächst einmal möchte ich sagen, ich habe nicht gesagt, dass die Budgetplanung keine Coronaelemente enthält. Ich habe gesagt, dass die Wirtschaftsprognosen davon ausgehen, dass es keine neuen zusätzlichen Coronabeschränkungen gibt, im Sinne von Lockdowns und dergleichen. Das ist ein großer Unterschied, weil Sie im Budget ja sehr wohl die - - über die jeweiligen Maßnahmen unterschiedliche Auslenkungspfade drinnen haben. Also insofern sehe ich nicht, wo da jetzt das Problem ist.

Das einzige Problem ist, und ich verstehe auch nicht, warum das jetzt so eine Dramatik ist, ist, dass ich darauf hingewiesen habe, dass, wenn sich die Coronaepidemie so entwickelt, dass wieder größere Lockdowns gemacht werden müssen, die Wirtschaftsprognosen nicht halten können, aber ich kann Ihnen nicht aus dem Stegreif jetzt eine Wirtschaftsprognose geben, die irgendwelche Annahmen - - Ich meine, das ist eine Arbeit von einer Woche, um eine seriöse Wirtschaftsprognose unter Alternativszenarien zu geben. Nur muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, die sind im Bereich der völligen Spekulation.

Also Sie können mich - - Sie sagen, Sie entlassen mich nicht aus der Verantwortung; es tut mir leid, ich sehe nicht, dass ich die Verantwortung dafür hätte, aber sollte sich tatsächlich die Coronalage entsprechend weiter dramatisieren, dann wird sicherlich das Wifo und die anderen Einrichtungen eine neue Wirtschaftsprognose rechnen. Aber es ist ja nicht so, dass man da jetzt einfach in einen Computer reinschaut und drei Zahlen rausholt.

Gerhard Kaniak: Aber Sie würden mir recht geben, dass bereits anhand der aktuellen Situation die Prognosen sicherlich falsch sind, auf deren Basis das Budget basiert?

Christoph Badelt: Nein, da würde ich Ihnen nicht recht geben! Ich habe lediglich mir erlaubt, darauf hinzuweisen, dass wenn sich die Dramatik so weiter verschärft, wie sie sich in den letzten zwei Wochen verschärft hat, ja, dann eine gewisse Gefahr besteht. Darauf habe ich hingewiesen, aber ich weiß nicht, ob Sie vor zwei Wochen prognostiziert hätten, dass wir heute 9 000 neue Fälle haben. Also wenn Sie das getan hätten, dann sollte man Sie vielleicht anstelle des Herrn Popper in die entsprechenden Prognosesitzungen einladen.

Gerhard Kaniak: Herr Prof. Badelt, das Problem sind ja nicht die 9 000 Infizierten, sondern das Problem ist, dass wir aktuell ungefähr 25 Prozent der Erwerbstätigen mit einem 2,5G-Regime konfrontiert sind und einem potenziellen Ausfall am Arbeitsplatz – auch durch die Quarantänemaßnahmen und Absonderungsbestimmungen, die ja jetzt vorhanden sind, und das muss ja wohl eine Auswirkung auf die wirtschaftlichen Prognosen haben. (Die Tonaufnahme ist unterbrochen.)

Soll das nur 25 Prozent der Bevölkerung von gewissen Handelsleistungen, Dienstleistungen, Konsumationen im Freizeitbereich ausschließen, dann muss das doch einen Effekt haben auf die wirtschaftliche Prognose, und dieser Zustand ist bereits jetzt da. Der ist vorhersehbar für das restliche Jahr und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch für den Anfang des nächsten Jahres, und deshalb meine Frage: Müsste man nicht aufgrund der bestehenden Basis - -, hätte man das nicht irgendwo sozusagen prognostisch mitberücksichtigen sollen?

Wir haben letztes Jahr im Budgetausschuss, Sie waren da, glaube ich, nicht als Experte dabei – oder doch, waren sogar dabei –, da hatten wir genau schon die Diskussion, dass es ja eben Szenarienrechnungen für die Budgetplanung geben sollte, weil es ja eben sonnige Szenarien ohne Corona und nicht so sonnige Szenarien mit Corona gibt, und - -

Christoph Badelt: Gut, ich werde meinem Nachfolger, Herrn Felbermayr, mitgeben, dass Sie dieser Meinung sind, man hätte vor zwei Wochen schon Szenarien rechnen sollen.

Aber was ich schon sagen möchte, weil Sie den Arbeitsmarkt angeschnitten haben: Nach meinem Informationsstand sind die Regeln 3G – und über 2,5G wird jetzt gerade gesprochen –, sind die Regeln 3G am Arbeitsmarkt im Einvernehmen mit den Sozialpartnern eingeführt worden.

Und ich glaube nicht - - (Kaniak: 2,5 nicht!) Na, 2,5 ist ja auch noch nicht da, nicht wahr? (Zwischenruf von Kaniak.) – Okay, das weiß ich jetzt nicht. Aber reden wir einmal vom Status quo, lieber Herr Abgeordneter.

Die 3G sind sicher nicht eingeführt worden, weil die, die es betrifft, nämlich die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, davon ausgegangen wären, dass man damit einen großen Teil der Arbeitnehmer aussperrt. Also das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass das das Verständnis gewesen wäre.

Ergo sehe ich daher auch keinen Bedarf, aus der Einführung der 3G-Regel irgendwelche alternativen Wirtschaftsprognosen zu rechnen. Ich will jetzt nicht Herrn Felbermayr verteidigen, aber das möchte ich doch schon sagen.

2,5G, egal ob es jetzt kommt oder nicht, wäre natürlich eine schärfere Einschränkung. Nur sage ich – und das mag vielleicht mit der offiziellen Linie Ihrer Fraktion nicht übereinstimmen –: Dann hätten wir vielleicht stärkere Anreize, für die Bekämpfung von Corona nicht Aspirin, Vitamin C oder sonst irgendetwas zu verwenden, sondern die Leute zum Impfen zu bringen. Und das wäre vielleicht gescheit, sowohl für die Leute als auch für die Entwicklung der Volkswirtschaft.

Gabriel Obernosterer: Danke.

Weitere Fragen? – Bitte, Herr Kollege.

Gerhard Kaniak: Also ich nehme das zur Kenntnis. In Oberösterreich werden wir ab Montag 2,5G am Arbeitsplatz haben, und ich kenne Industriebetriebe, wo knapp 2 500 Mitarbeiter am Montag vor dem Problem stehen, wie sie überhaupt noch in die Arbeit kommen sollen. Aber das ist ein anderes Thema, das offensichtlich in der Budgetpolitik keine große Rolle zu spielen scheint.

Aber ich möchte eine nächste Frage an Mag. Grundinger richten: Sie haben das Thema Inflation aufgegriffen und dass die ursprüngliche Annahme, dass es sich bei diesen hohen Inflationsraten um ein kurzfristiges Phänomen handelt, nicht zu halten ist.

Die Fed hat schon entsprechend ihre Prognosen nachgebessert, die EZB rückt auch langsam immer näher an höhere Inflationsprognosen, und dies längerfristig.

Jetzt meine Fragen an Sie konkret: Welche Auswirkungen erwarten Sie sich auf den Sozialbereich in Österreich? Welche Auswirkungen erwarten Sie auf den budgetären Spielraum? Sehen Sie durch diese voraussichtlich hohe Inflation in den nächsten Jahren auch die wirtschaftliche Erholung gefährdet? Und wie beurteilen Sie die Leistungsfähigkeit des österreichischen Staates auch im Bereich des Schuldendienstes bei weiter steigender Inflationsrate?

Martin Grundinger: Zuerst zum Thema Inflation:

Ich möchte nur kurz darauf antworten, dass es angeblich eine Panikmache ist, die ich da betreibe: Wenn es als Panikmache verstanden worden ist, dann wurde ich missverstanden, und das tut mir leid.

Was ich gesagt habe, ist, dass die Erzeugerpreise und die Großhandelspreise bis jetzt, 2021, schon um mehr als 10 Prozent angestiegen sind.

Ich habe außerdem gesagt: Wenn dieser Trend beibehalten wird, dann könnten wir Inflationsraten von 10 Prozent bei den Verbraucherpreisen sehen. Ich habe nicht gesagt, wir werden 10 Prozent bei den Verbraucherpreisen sehen. Das kann jetzt niemand seriös beurteilen. Aber es ist ein realistisches Szenario, das möchte ich schon auch sagen.

Was den Schuldendienst betrifft: Wenn die Zinssätze ansteigen werden, dann werden wir Einschnitte bei anderen Bereichen im Budget vornehmen müssen.

Als Beispiel werden wir dann vielleicht bei den Pensionen manche Reformen vorziehen müssen, oder wie auch immer. Es wird da Probleme geben, wenn die Zinsen steigen. Ob das passieren wird, ist die große andere Frage. Das hängt stark mit dem Inflationsgeschehen zusammen. Man wird das sehen.

Zum Gesundheitssystem: Ich habe schon gesagt, das Gesundheitssystem ist in Österreich relativ teuer im internationalen Vergleich. Wenn es entsprechend leistungsfähig ist, muss ich schon sagen: Dass auch schon vor der Impfung die Maßnahmen wesentlich strenger waren als in den meisten anderen Staaten, ist dann vor diesem Hintergrund aus meiner Sicht nicht völlig zu verstehen.

Ich glaube, das ganze System leidet an etwas, an dem viele Systeme in Österreich leiden, nämlich dass die Regierung durch das Erhöhen von Budgets zeigen will, was für Themen wichtig sind. Vielleicht sollte man davon abgehen und sollte sich bei den Themen, die einem wichtig sind, darum kümmern, dass die Effizienz steigt und nicht ständig nur die Kosten. Das wäre ein Punkt, den man vielleicht von anderen Ländern lernen könnte, wie zum Beispiel dass man sich Best Practices anschaut – nicht nur in der EU, man kann auch über den Tellerrand hinaussehen und kann sich in Ländern außerhalb der EU anschauen, was die machen.

Ich möchte im Zusammenhang mit der Pandemie eines zu bedenken geben: Ich weiß schon, zusätzliche Einschränkungen für Ungeimpfte sind oder erscheinen relativ verlockend, wenn man die Impfquote erhöhen will. Aber gleichzeitig sorgt man da schon für einige unbeabsichtigte Folgen. Wenn es wirklich - - Ja, manche Menschen werden dann vielleicht kündigen, werden vielleicht sogar in die Schattenwirtschaft gehen, und dann haben Sie halt eventuell ein Problem mit den Steuereinnahmen.

Oder es wird in jenen Bereichen, wo man die Einschränkungen gar nicht umgehen kann, zum Beispiel über Homeoffice, Kündigungen geben, und da ist vor allem der Bereich Gesundheit, der Bereich der Pflege betroffen. Deswegen befürchte ich, dass zumindest ein Teil des Geldes, das man da jetzt öffentlich hineinpumpt, im Wesentlichen versickern wird.

Ich habe da eine kleine Anekdote: Bei mir in der Ortschaft gibt es eine Gesundheitsakademie. Da werden verschiedene Lehrgänge abgehalten, und ja, das war auch dieses Jahr der Fall. Das Problem war dann: Es hat genügend Anmeldungen gegeben, dass die Lehrgänge stattfinden könnten, allerdings waren die Angemeldeten dann nicht in ausreichender Zahl dazu bereit, dass sie sich impfen lassen. Der Endeffekt war, dass der Lehrgang nicht stattfand.

Also ich weiß schon, ich habe da nicht die richtige Antwort darauf. Ich weiß nicht, wie mit diesem Thema umgegangen werden soll, aber ich bitte Sie nur: Berücksichtigen Sie das!

Gabriel Obernosterer: Danke schön. Sie haben Ihre Redezeit schon leicht überschritten.

Damit ist als Nächste in der Runde die ÖVP: Herr Kollege Lindinger. – Bitte schön.

Klaus Lindinger (ÖVP, Abgeordneter zum Nationalrat): Herzlichen Dank, Herr Vorsitzender. Das Budget ist ja, quer durch die Bank gesehen, wirklich ein Übergangsbudget in Richtung Normalität, das sehr zu begrüßen ist, gerade auch was die Schuldenquote betrifft. Die Prognose ist ja in Richtung 2025, dass wir wieder in Richtung 72 Prozent kommen. Das ist natürlich aus Sicht eines jungen Abgeordneten, der ich durchaus sein darf, sehr erfreulich, wenn wir wissen, dass es 2019 das erste Mal ein ausgeglichenes Budget gegeben hat.

Meine zwei Fragen: Zum einen, Herr Prof. Badelt, wann sehen Sie aus heutiger Sicht wieder die Möglichkeit, ein ausgeglichenes Budget zu bekommen – wir haben jetzt die Prognose in Richtung 2025 –, damit wir auch den Spielraum für die nächsten Generationen schaffen?

Ein zweites Thema, das ich ansprechen möchte: Die Arbeitsmarktsituation ist ja eine durchaus gute. Wir haben heute schon gehört, wir haben so viele offene Stellen, viel mehr, als wir Arbeitslose haben. Welche Möglichkeiten oder welche Ansätze sehen Sie, dass wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Arbeitslosen wieder in Beschäftigung bringen, und wie schaffen wir es, diese offenen Stellen zu besetzen? Denn das würde ja in Zukunft auch dahin führen, dass wir in der Produktion Einbußen hinnehmen müssten.

Christoph Badelt: Zur ersten Frage: Es ist tatsächlich so, dass die Perspektive, wann wir wieder ein Nulldefizit erreichen können, ganz wesentlich davon abhängt, was in den nächsten Jahren inhaltlich an wirtschaftspolitischen Entscheidungen getroffen wird.

Die Wirtschaftsforscher gehen in ihren diesbezüglichen Prognosen immer von einer No-Policy-Change-Annahme aus – müssen sie auch, denn sonst können sie überhaupt nur Kaffeesud lesen –, und da schaut es so aus, dass man voraussichtlich 2025 plus minus – nein, 2024 wird es nicht gehen, aber 2025 oder spätestens ein Jahr darauf – wirklich zum Nulldefizit kommt. Aber wir wären auch schon 2024 bei null Komma irgendetwas – unter der No-Policy-Change-Annahme.

Jetzt stellt sich schlicht und einfach die Frage: Wie schnell will man dorthin, wenn es dann darum geht, etwa in den nächsten Budgets irgendwelche Zusatzausgaben zu tätigen, beziehungsweise wie sehr kann man auch auf der Einnahmenseite noch auf eine positivere Entwicklung rechnen, als in diesen Prognosen drinnen ist?

Aber es ist jedenfalls in einem realistischen Zeitraum denkbar. Wenn ich mir überlege, wie massiv wir durch Corona hier in eine Negativsituation gekommen sind, dann ist das eigentlich eine sehr positive Perspektive, das will ich schon sagen, denn es führt nämlich dazu, dass wir, wenn die Pandemie so verläuft, wie wir uns das jetzt vorstellen, im laufenden Budget keine dauerhaften Folgen von Corona hätten, wohl aber in der Höhe des Schuldenstandes, dass wir aber durch die gute wirtschaftliche Entwicklung und durch eine entsprechende Sparsamkeit – die Zahlen wurden ja schon genannt – auch den Schuldenstand jedenfalls wesentlich schneller herunterbringen würden, als es die Stabilitätskriterien und die europäischen Fiskalregeln erfordern würden. – So würde ich das einmal beantworten.

Die zweite Frage, was die Arbeitslosigkeit betrifft: Also ich kann nur noch einmal wiederholen, wir haben auf der einen Seite einen Arbeitskräftemangel, der in einer Hochkonjunkturphase grundsätzlich eigentlich immer da ist und der sich dadurch verschärft, dass wir so einen steilen Wirtschaftsanstieg haben. Das soll aber keine Ausrede sein, dass man nichts dagegen tun kann.

Aber Ihre Diagnose ist völlig richtig: Wir haben heute über weite Strecken schon die verfügbaren Arbeitskräfte als Engpassfaktor für das Wirtschaftswachstum.

Das kommt nicht oft vor, aber Sie kriegen das sogar bei den Unternehmensbefragungen etwa im Konjunkturtest heraus. Wenn Sie die Unternehmen fragen, wie viel Prozent der Unternehmen sagen: Was hält mich davon ab, zu wachsen?, dann sind das in einem wesentlich höheren Ausmaß als jemals die Arbeitskräfte – in einem gewissen Ausmaß übrigens, und das hängt von der Branche ab, aber auch die Lieferkettenproblematik; also das schon.

Jetzt stellt sich daher die Frage: Kurzfristig wird man nichts anderes machen können, als durch eine meiner Meinung nach sehr konsequente Umsetzung der gesetzlichen Regeln darauf zu schauen, dass nicht irgendjemand im AMS sozusagen halt nicht auffällt, der oder die einen Job nicht annehmen will.

Kurzfristig – und da kann ich mich jetzt auf Marterbauer beziehen, weil sich der wieder, kann ich als Ex-Wifo-Chef sagen, auf eine Wifo-Studie bezogen hat – können Sie tatsächlich durch eine bessere personelle Ausstattung des AMS auch mehr positive Vermittlungen erreichen. Das sind ganz kurzfristige Maßnahmen am Ende der Kausalitätskette. Wir müssen aber, weil das Problem ja schon länger andauert und nur jetzt eben massiver geworden ist, tatsächlich auch etwas dazu tun, dass wir die Arbeitskräfte oder das Arbeitskräftepotenzial, das latent da ist, heben.

Da geht es jetzt – ich sage das jetzt nur in Stichworten, weil ich es vorher eh schon bei einer anderen Frage ausgeführt habe – sicher um die älteren Arbeitnehmer und um die Weiterbildung der im Betrieb bereits Beschäftigten, da geht es um die Frauen und die Kinderbetreuungseinrichtungen, und längerfristig geht es natürlich auch um die Bildungsmaßnahmen, um von der Situation wegzukommen, dass eine leider relativ große Zahl von jungen Menschen die Pflichtschule absolvieren und nicht fähig sind, eine Lehre zu absolvieren, denn da gehen uns auch viele Leute verloren.

Und am Schluss der Kausalkette ist dann natürlich auch auf die Rot-Weiß-Rot-Karte, also eine gezielte Förderung der Einwanderung, zu setzen, wobei man allerdings dazusagen muss: So trivial ist das nicht, weil wir in Europa ja überall diese Probleme haben, und das wird dann nicht so leicht sein, aus Ländern, wo man die Leute leicht herholen kann, zusätzliche Arbeitskräfte zu finden. Aber gerade im Pflegebereich gibt es auch solche Versuche.

Gabriel Obernosterer: Danke schön.

Herr Kollege Stark. – Bitte schön.

Christoph Stark (ÖVP, Abgeordneter zum Nationalrat): Herr Vorsitzender! Herr Minister! Ich hätte eine Frage an Herrn Dr. Marterbauer: Sie haben früher zwei Thesen aufgestellt. Zum einen: Es gibt in Österreich keinen Fachkräftemangel. Und zum Zweiten brauchen wir einen massiven Ausbau der Kinderbetreuung.

Zum Ersten darf ich Ihnen mitteilen: Es gibt Regionen, da finden Sie weder einen Maurer, einen Tischler, einen Elektriker, auch keinen Pfleger und schon gar keine Kinderbetreuerin. Daran schließt sich meine Frage: Welchen Tipp hätten Sie, wie wir einen künftigen massiven Ausbau der Kinderbetreuung dann mit entsprechendem Personal befüllen können, wenn es diese Menschen derzeit einfach nicht gibt?

Wir haben große Probleme – das sage ich Ihnen aus eigener Erfahrung –, die Kinderbetreuungseinrichtungen nun aufrechtzuerhalten, weil es einfach in vielen Regionen die Menschen nicht gibt, die dort arbeiten können, weil sie nicht da sind. Da bräuchte ich bitte den Tipp des Experten.

Markus Marterbauer: Herr Abgeordneter, Sie haben mich falsch zitiert. Ich habe gesagt, es gibt keinen allgemeinen Arbeitskräftemangel, und ich habe das mit den Zahlen auch begründet:

Der Andrang der Arbeitslosen je offene Stelle ist im Jahresdurchschnitt 2021 3,6.

Er war von 1970 bis 1974 0,6, von 1975 bis 1980 – also in den Vollbeschäftigungsphasen – 1,7.

Das heißt, wir haben noch sehr viele Arbeitslose je offene Stelle. Wir haben darüber hinaus eine große stille Reserve. Die stille Reserve besteht nicht nur aus den Frauen, die Teilzeit beschäftigt sind mit viel weniger Stunden, als sie gerne arbeiten würden. Würden wir die österreichischen durchschnittlichen Teilzeitbeschäftigungen von 21 Stunden auf das belgische Niveau von 25 Stunden anheben, so hätten wir 170 000 zusätzliche Vollzeitarbeitskräfte.

Wir haben bei den 55- bis 59-Jährigen einen starken Anstieg der Beschäftigungsquoten von ungefähr 50 Prozent auf 73 Prozent. Würden wir ihn auf das schwedische Niveau von 80 Prozent anheben, hätten wir etwa 60 000 Leute mehr.

Wir haben bei den 60- bis 64-Jährigen einen starken Anstieg der Beschäftigungsquoten von 13 Prozent vor zehn Jahren auf jetzt 28 Prozent. Würden wir auf das schwedische Niveau kommen, hätten wir 90 000 Leute zusätzlich.

Das heißt, es ist eine Frage der Kinderbetreuung, der altersgerechten Arbeitsplätze, der besseren Infrastruktur auch in der Pflege, dass wir mehr Leute bereitstellen können.

Wir haben natürlich in manchen Regionen und in manchen Branchen und in manchen Berufen jetzt schon einen Fachkräftemangel, das bestreitet überhaupt niemand – ich auch nicht; bitte mir nichts zu unterstellen.

Einen Fachkräftemangel bekämpft man am besten langfristig durch bessere Aus- und Weiterbildung – hier gibt es viele Versäumnisse – und kurzfristig durch bessere Arbeitsbedingungen – höhere Löhne, flexiblere Arbeitszeiten im Sinn der ArbeitnehmerInnen. Ein gewisser allgemeiner Arbeitskräftemangel tut der Wirtschaft ganz, ganz gut, denn es führt dazu, dass wir Firmen begünstigen, die produktiver sind, die sich im Wettbewerb um fehlende Arbeitskräfte durchsetzen – das sind die besseren Firmen –, weil wir langfristig durch höhere Produktivität und Strukturwandel davon profitieren, und zudem werden die Arbeitsbedingungen besser, die Löhne werden höher, und es werden mehr Arbeitsplätze, die eben den Menschen genügen.

Das heißt, Arbeitskräftemangel ist natürlich gesamtwirtschaftlich die viel bessere Situation als hohe Arbeitslosigkeit, unter der wir in den letzten Jahrzehnten gelitten haben.

Insbesondere würde ich bei den Pflegekräften, die Sie angesprochen haben, erstens unmittelbar die Löhne erhöhen, zweitens die Arbeitszeit verkürzen – das war ja die Forderung der Gewerkschaft bei den Kollektivvertragsverhandlungen –, damit diese Arbeitsplätze attraktiver werden, drittens umschulen. Ich habe einige Beispiele genannt, wie wir mehr Potenzial für die Pflege bekommen können. Die Arbeitsplätze müssen attraktiver werden.

Die österreichischen Firmen sind so stark in der Innovation, das wird denen gelingen. Wir werden ganz gut durch diese Phase kommen.

Gabriel Obernosterer: Danke. – Herr Kollege, fertig?

Christoph Stark: Ich rede nur zwischendurch von den Gemeinden, die das finanzieren müssen. Die haben auch zu wenig Geld.

Markus Marterbauer: Ich habe ja gesagt, dass es wichtig wäre, die Gemeinden finanziell besserzustellen. Wenn wir wollen, dass wir Kinder besser ausbilden, etwa in der Elementarpädagogik, dann müssen wir dafür sorgen, dass mehr PädagogInnen dort hinkommen, ausgebildet werden, und wir müssen sie besser bezahlen – und wir brauchen deshalb mehr Geld.

Ich habe ja in meinem Eingangsstatement gefordert, dass für die Elementarpädagogik 1 Milliarde kurzfristig aufgewendet wird. Da geht es insbesondere um Öffnungszeiten, die am Land ganz schlecht sind – im Unterschied zu Wien –, und da geht es primär auch um die entsprechenden Löhne. Natürlich müssen KindergärtnerInnen mehr verdienen, das ist überhaupt keine Frage.

Gabriel Obernosterer: Danke schön.

Somit kommen wir zur Fraktion der NEOS, und ich darf Frau Kollegin Doppelbauer um ihre Wortmeldung bitten. – Bitte schön.

Karin Doppelbauer: Herzlichen Dank, Herr Vorsitzender. Ich wollte nur kurz sagen: Es hat mich doch sehr verwundert, zu hören, dass die Abschaffung der kalten Progression etwas mit den Machtverhältnissen zu tun hätte. Ich erinnere daran, dass im Wahlkampf sowohl der ehemalige Bundeskanzler Kurz als auch der jetzige Vizekanzler Kogler gesagt haben, das ist ein zentrales Wahlversprechen, wenn sie gewählt werden würden.

Ich würde deswegen auch gleich meine Frage an Frau Köppl-Turyna anschließen wollen und sagen: Ist es wirklich so, dass kleine Einkommen, und ich sage jetzt: ein Einkommen von 11 000 Euro aus dem Jahr 2016 - - Wie hat sich denn die Nichtabschaffung der kalten Progression auf dieses Einkommen ausgewirkt? Und wie stehen Sie generell zur Abschaffung der kalten Progression? Welche Effekte würde es aus Ihrer Sicht haben?

Monika Köppl-Turyna: Vielen Dank für die Frage. Ich wollte vielleicht noch kurz damit anfangen, dass ich beim Thema der kalten Progression ausnahmsweise nicht der Meinung von Christoph Badelt bin, denn ich sehe nicht den Grund, warum uns die kalte Progression Spielraum für Reformen gibt.

Ich sehe das genau umgekehrt, also: Wir nehmen uns den Spielraum für Reformen, indem wir sozusagen den Soft Budget Constraint einführen: Der Staat bekommt automatisch immer mehr Geld, womit es weniger Druck für Reformen im Sinne der Effizienz gibt. – Das ist meine Einschätzung der kalten Progression. Das Sich-selbst-Binden – wie Odysseus an den Mast – ist grundsätzlich gut, denn damit entsteht ein Druck für Effizienzsteigerungen, und das ist auch für mich ein primäres wirtschaftspolitisches Ziel der Abschaffung.

Zum Thema der Verteilungseffekte: Es ist tatsächlich so, dass die Niedrigverdiener prozentuell stärker belastet sind durch die kalte Progression, weil ein höherer Anteil von deren Einkommen tatsächlich dann verloren geht durch die Nichtanpassung der kalten Progression.

Deswegen glaube ich nicht, dass es stimmt, dass das besonders die Großverdiener begünstigt, im Gegenteil. Dazu gibt es wirklich auch gute Berechnungen. Auch vom Wifo, in Monatsberichten, haben wir dazu Sachen gerechnet.

Noch vielleicht final zur kalten Progression: Es gibt tatsächlich gute Argumente – das sagen wir immer wieder –, dass der Unterschied ist, dass die Niedrigverdiener stärker durch die Inflation belastet sind als Besserverdiener, weil sie eben mehr konsumieren und weniger sparen.

Deswegen: Bei der Abschaffung der kalten Progression kommt es zu einer gewissen Umverteilung, weil die Niedrigverdiener mit der Anpassung zu wenig entlastet würden und die Großverdiener ein bisschen zu viel. Aber es würden prozentuell zum Einkommen trotzdem die Niedrigverdiener mehr von der Abschaffung der kalten Progression profitieren als die Großverdiener.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals.

Der Herr Professor hat sich noch einmal kurz zu Wort gemeldet. – Bitte.

Christoph Badelt: Es ist ja schön, wenn wir auch einmal unterschiedlicher Meinung sind. Allerdings sind wir anders unterschiedlicher Meinung, liebe Frau Köppl, als Sie das jetzt dargestellt haben.

Sie haben natürlich völlig recht: Würde man die kalte Progression automatisch irgendwie wegkriegen – oder auch sonst irgendwie die staatlichen Einnahmen begrenzen oder das Wachstum der staatlichen Einnahmen begrenzen –, wäre natürlich der Druck auf Reformen, die irgendwo das Ausgabensystem betreffen, größer. Da bin ich völlig auf Ihrer Seite.

Wir sind ja auch einer Meinung, dass es dringend notwendig wäre, eine Reihe von Strukturreformen zu machen, die sich dann unter anderem in einer längerfristigen Einbremsung des Ausgabenwachstums auswirken. Das ist nicht mein Punkt.

Mein Punkt war ein anderer: dass ich es als gesund ansehe, auch im Abgabensystem – also jetzt rein auf der Einnahmenseite – einen Spielraum für Reformen zu haben, um das Abgabensystem je nach der wirtschaftspolitischen Entwicklung eben alle paar Jahre auch umzustellen. Das war mein Punkt – und das entsteht halt dadurch.

Aber natürlich, wenn Sie es nicht machen, dann können Sie sagen, man setzt sich selbst so unter Druck, dass auf der Ausgabenseite früher etwas beginnen muss – zugegeben. Ich glaube nur, dass die andere Chance auch eine wichtige wäre.

Gabriel Obernosterer: Danke vielmals.

Frau Kollegin Doppelbauer. – Bitte schön.

Karin Doppelbauer: Herzlichen Dank. Bei meiner nächsten Frage geht es mir um den Föderalismus.

Frau Köppl-Turyna, Sie haben das vorhin schon angesprochen und auch in Ihrem Statement genannt. Aber was mich interessieren würde: Wie beurteilen Sie denn die Resilienz von Österreichs föderalem System in der Krise? Und welchen Reformbedarf würden Sie für den Finanzausgleich, der ansteht, sehen?

Monika Köppl-Turyna: Die Frage der Resilienz im Föderalismus ist eine sehr komplexe, denn wir müssen natürlich im Finanzausgleich einen optimalen Mittelweg finden zwischen Disziplin – und die Disziplin ist dadurch gegeben, wenn die Körperschaften sich zum Beispiel zu einem höheren Anteil selbst finanzieren müssen durch eigene Einnahmen, dann habe ich sozusagen mehr Disziplin und mehr Einnahmenverantwortung und Ausgabenverantwortung –, und andererseits brauche ich ein gewisses Versicherungssystem, denn ohne einen Ausgleich würden dann natürlich die Lebensverhältnisse auseinandergeraten, und insbesondere in einer Krise könnte vielleicht eine Gemeinde gar nicht mehr aus der Krise herausfinden.

Nur: Dieses Mittelmaß zu finden ist natürlich der zentrale Punkt. Wo der liegt, das weiß man nicht genau. Aber im österreichischen Föderalismus haben wir viel mehr Versicherung und zu wenig Disziplin.

Zu wenig Disziplin führt dazu, dass man sich auch in guten Zeiten vielleicht zu hoch verschuldet, und wenn die Krise kommt, haben wir weniger fiskalischen Spielraum. Deswegen: Im Sinne der Resilienz würde ich es so sehen, dass eine Verschiebung hin zu ein bisschen mehr Eigenverantwortung der Körperschaften schon guttun würde – natürlich unter der Voraussetzung, dass es auch einen Finanzausgleich gibt, der hier auch eine gewisse Schieflage kompensieren muss.

Wie soll das gelingen? – Einnahmen- und Ausgabenverantwortung zusammenführen, das hat Margit Schratzenstaller auch bereits erwähnt.

Wie konkret? – Wir haben – auch Margit sicher, wir als Institut auch – mehrere Vorschläge gemacht. Welche Steuern könnten da zum Beispiel in Frage kommen? – Dass man zum Beispiel die Finanzierung der Gemeinden weg von der Kommunalsteuer und konjunkturabhängigen Ertragsanteilen mehr in Richtung anderer Abgaben führt, die nicht so konjunkturempfindlich sind.

Auch auf der Länderebene: Wir haben zum Beispiel den Vorschlag gemacht, die motorbezogene Versicherungssteuer an die Länder zu geben, da man hier eben weniger Konjunkturempfindlichkeit hat. Das würde schon der Resilienz im weiten Sinne helfen. Und natürlich der Finanzausgleich im engen Sinne, wo wir von Transfers und von Ertragsanteilen sprechen. Da braucht es viel mehr Aufgabenorientierung, wobei wir sagen, dass auch verschiedene Entwicklungen berücksichtigt werden müssen: sozioökonomische Entwicklungen, regionale Entwicklungen. Im Bildungsbereich haben wir in Ballungsräumen ganz andere Probleme als am Land. Das muss alles einen Weg finden in den Finanzausgleich, der das sozusagen mit berücksichtigt bei der Verteilung der Mittel; auch Klimarisiken beispielsweise, so wie wir es auch heute besprochen haben. – Vielen Dank.

Gabriel Obernosterer: Danke.

Bitte, Frau Kollegin. Oder geben Sie weiter an den Herrn Kollegen?

Herr Kollege Loacker. – Bitte schön.

Gerald Loacker: Danke, Herr Vorsitzender. Frage an Herrn Dr. Berger: Wenn jetzt die Krankenversicherungsbeiträge für die Kleinverdiener gesenkt werden, sollen die Krankenkassen Ausgleichszahlungen bekommen. Wo findet man die im Budget?

Helmut Berger: Die findet man in der UG 24, dort sind sie ausgewiesen. Nach den Aussagen im Budgetbericht und auch nach dem, was die Regierung gesagt hat, soll ein 1:1-Ausgleich erfolgen, also es sollen die gesamten Mindereinnahmen der Sozialversicherung ausgeglichen werden.

Gabriel Obernosterer: Herr Doktor, Mikrofon bitte!

Helmut Berger: Wie das technisch abgewickelt wird und ob es da gewisse Zeitverzögerungen gibt, das muss man sich dann genau anschauen, aber an sich ist zugesagt, das 1 : 1 abzugelten.

Gerald Loacker: Danke.

An Frau Dr. Köppl: Vier Parteien haben sich darauf verständigt, das Arbeitslosengeld zu erhöhen. Sehen Sie da auch die Gefahr, dass es möglicherweise zu Mitnahmeeffekten kommen kann, wenn das Arbeitslosengeld beispielsweise auf 70 Prozent erhöht wird?

Monika Köppl-Turyna: Das ist natürlich ein komplexes Thema. Was wir wissen – und das ist auch in der Diskussion rund um degressives Arbeitslosengeld mehrmals betont worden –: In manchen Branchen, insbesondere im Tourismus oder auf dem Bau, gibt es einen hohen Anteil der temporären Arbeitslosen. Und tatsächlich, wenn man hier einfach allgemein das Arbeitslosengeld erhöht, laufen wir Gefahr, dass gerade in dieser temporären Arbeitslosigkeit einfach Kosten entstehen, ohne dass sich irgendetwas für die Arbeitslosigkeit oder für andere Aspekte getan hat. Also das müssen wir jedenfalls in einer Reform mitberücksichtigen.

Allgemein wurde heute sehr viel über Fachkräftemangel gesprochen, und natürlich ist eine Reform des Arbeitslosengeldes ein zentrales Element. Nachfrageseitig Löhne, Arbeitsbedingungen, Senkung der Lohnnebenkosten – no na net –, aber angebotsseitig müssen wir auch eine Diskussion über eine Reform des Arbeitslosengeldes führen, denn wir haben einen Fachkräftemangel, und den haben wir einfach regional.

3,7 Personen auf eine Stelle, das mag im Aggregat schon stimmen, nur: Wir haben Regionen, wo es bei 0,2 Arbeitslose für eine Stelle sind, und wir haben Regionen, wo es 10 sind, und da spreche ich von Wien.

Wir müssen schauen, dass wir auch die Personen irgendwo zwischen diesen Regionen bewegen können, und das muss natürlich auch angebotsseitig passieren. (Zwischenruf von Matznetter.) – Na ja, das wird im Tourismus, wo sie mit Arbeitskräftefachmangel kämpfen, relativ schwierig sein, glaube ich. Dass ein Salzburger Skibetrieb nach Wien umzieht, halte ich für eine schlechte Lösung.

Gabriel Obernosterer: Herr Kollege Loacker, haben Sie weitere Fragen? Bitte Frage stellen! – Herr Kollege Matznetter!

Gerald Loacker: Dann an Frau Dr. Schratzenstaller: Wie beurteilen Sie die Effektivität der Forschungsförderung in Österreich? Denn der Rat für Forschung und Technologieentwicklung sagt, Österreich haut da viel Geld hinein für wenig Output. Wie schauen Sie da drauf?

Margit Schratzenstaller-Altzinger: Na ja, ganz generell: Also erstens ist die Forschungsförderung aufgestockt worden – das ist gut, und das war ganz sicher notwendig.

Aber generell ist es so, dass in Österreich ganz allgemein die Forschungslandschaft immer noch zersplittert ist. Ich glaube, man bräuchte einmal wirklich eine umfassende Evaluierung der gesamten Forschungsförderung, um hier mögliche Ineffizienzen, Doppelgleisigkeiten und so weiter zu identifizieren.

Gerald Loacker: Danke. – An Prof. Badelt: Im Moment gehen die Österreicher im Schnitt mit 31 Beitragsjahren in Pension und sind dann im Schnitt 23 Jahre lang in Pension. Welche Maßnahmen müsste man setzen, um die Zahl der Beitragsmonate zu erhöhen?

Christoph Badelt: Na ja, zunächst einmal: Ich nehme an, Sie meinen jetzt, dass sie zu früh in Pension gehen, und nicht, dass sie in ihren früheren Lebenszeiten – da sind wir nämlich bei der Kinderbetreuung - -

Gerald Loacker: Ich würde sagen, es ist eine Summe von Faktoren, aber wenn Sie es anders sehen, dann gerne.

Christoph Badelt: Ich persönlich glaube, dass uns nichts anderes übrig bleibt, als hier etwas ungemütlich zu sein. Wir haben im Augenblick eine relativ - - Die Frage der Frühpensionierungen oder der Pensionierungen nach langer Versicherungsdauer, Schlagwort Hacklerregelung, wurde zwar manchmal verschärft und dann wieder entschärft – das ist sicherlich das eine –, aber ich glaube, dass man einfach auch vom Pensionsrecht her noch stärkere Anreize braucht, damit die Leute länger im Arbeitsverhältnis bleiben.

Zweitens braucht man auch bei den Unternehmen Anreize, dass sie die Leute länger behalten. Das würde ich schon auch so sehen, weil ja der frühe Pensionsantritt sehr oft in einem stillen Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin erfolgt. Es ist also tatsächlich eine Balance zwischen verschiedenen Maßnahmen.

Ich verhehle aber nicht, dass das nicht leicht ist. Das muss ich schon sagen. Wir haben nicht zuletzt im Nachhaltigkeitsbericht des Fiskalrates aufgezeigt, welche massiven Auswirkungen eine Verlängerung der realen Lebensarbeitszeit hätte, wenn Sie nur den Anteil der Pensionsjahre am Gesamtleben konstant halten. Da würden wir schon auf ungefähr 64 Jahre faktisches Pensionsantrittsalter kommen. Da haben wir im Augenblick nichts mehr im System – außer das, was durch die Regelung von den Frauenpensionen schon im System ist. Da wird es also jetzt aus diesem Effekt heraus zu einer Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters kommen, aber ich glaube, man müsste sich hier mehr trauen.

Gerald Loacker: Zusatzfrage dazu: Bis 2025 wird der Anteil der Pensionsausgaben am Gesamtbudget auf knapp unter 30 Prozent ansteigen. Bis wie viel Prozent halten wir es denn noch aus?

Christoph Badelt: Da bin ich bei Dr. Berger, der das vorhin meiner Meinung nach sehr richtig dargestellt hat. Sie halten, wenn Sie die demografieabhängigen Ausgabenkategorien anschauen, jede einzelne Ausgabenkategorie eigentlich schon aus, denn wenn Sie die langfristigen Perspektiven, etwa der Pensionskosten, anschauen, dann gehen die bis 2030 hinauf und dann bleiben sie eh relativ konstant. Das Problem ist aber, dass wir nicht nur lauter solche einzelnen Themen haben. Deswegen glaube ich, dass wir langfristig sehr wohl ein stärkeres demografisches Element einbauen müssen. Das müssen Sie aber langfristig machen, weil es sonst völlig asozial ist.

Gerald Loacker: Herr Professor, Sie haben vorhin für die Kurzarbeitsmaßnahmen, auch dafür, dass diese anhalten, Verständnis gezeigt. Wenn also jetzt Lieferkettenprobleme an den Steuerzahler ausgelagert werden, welche weiteren betrieblichen Probleme sollte man denn noch im Wege der Coronakurzarbeit an die Steuerzahler auslagern können?

Christoph Badelt: Na ja, das ist natürlich eine Formulierung, die rhetorisch irgendwie sehr super ist, aber wenn Sie jegliche Unterstützung von irgendwelchen – ich sage einmal neutral – Wirtschaftssubjekten als Auslagerung an den Steuerzahler bezeichnen, dann könnte ich Ihnen andere Vorschläge auch noch machen: Finden Sie es eigentlich gescheit, dass man die Behandlungskosten von Krebskranken an den Steuerzahler auslagert? – Wissen Sie, von der Diktion her bin ich mir nicht sicher, ob das gescheit ist. Man macht das ja nicht deshalb, weil man irgendwie Geld verteilen will, sondern weil man eben davon ausgeht – das ist das Modell von Kurzarbeit –, dass es ökonomisch und sozial gescheiter ist, Arbeitskräfte in Beschäftigung zu halten, noch dazu in einer Zeit, in der man eh insgesamt zu wenig Arbeitskräfte hat.

Ich war aber auch derjenige, der vorhin auf die Frage betreffend das Timing gesagt hat, dass ich persönlich glaube, dass man rückblickend gesehen bei der Kurzarbeit schon früher hätte restriktiver werden können.

Gerald Loacker: Danke dafür. Das heißt also, wenn sich die Regierung im nächsten Tagesordnungspunkt ein betraglich unbegrenztes Pouvoir für Kurzarbeitsbeihilfen geben lässt, schauen Sie auch mit einem Fragezeichen auf diese Maßnahme?

Christoph Badelt: Na ja, also ehrlich gestanden, ich glaube nicht, dass die Regierung so masochistisch ist, Kurzarbeitsbestimmungen einzuführen, nur weil sie gerne Geld ausgibt. Das glaube ich eigentlich nicht, aber ich kenne den anstehenden Beschluss nicht und will nicht mehr dazu sagen.

Aber ehrlich gestanden – wenn ich darf –, zur Pensionsfrage habe ich eines vergessen, das wichtig ist: Was man sich auf keinen Fall leisten sollte, wären diese außertourlichen Pensionserhöhungen über die Inflationsrate hinaus. Wir haben im Fiskalrats-Nachhaltigkeitsbericht gezeigt: Allein die seit 2018 stattgefundenen Mehrausgaben kosten Ihnen 1,5 Milliarden – jedes Jahr. Wenn Sie das konsequent weiterführen würden, würden wir daraus einen ganzen Prozentpunkt des BIP zusätzliche Belastung haben. Ich halte das für eine absolute Fehlentscheidung, vor allem weil sie auch sozial nichts bringt, sondern nur Geld kostet. – Das wollte ich noch gesagt haben, wenn ich schon etwas sagen darf.

Gerald Loacker: Danke vielmals. Man kann es nicht oft genug sagen.

Gabriel Obernosterer: So, Herr Kollege, noch eine Frage bitte? Fertig?

Dann bedanke ich mich recht herzlich. Die Fragezeit ist zu Ende. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist das Hearing beendet. Ich danke den Expertinnen und Experten für ihr Kommen. Recht herzlichen Dank dafür und für die ausführliche Beantwortung.

Der öffentliche Teil der Sitzung ist somit beendet.

Ich danke auch den anwesenden Medienvertretern und Zuhörern für ihr Kommen und ersuche nun, den Sitzungssaal bitte zu verlassen.

Ich unterbreche dafür kurzfristig die Sitzung.