Rede des Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka anlässlich der Auftaktveranstaltung zur Zero Project Conference 2022: Inklusion – Barrierefreiheit – Digitalisierung

Dienstag, 22. Februar 2022

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie hier in unserem Plenarsaal versammelt sind! Ich freue mich ganz besonders, dass ich Sie in Präsenz begrüßen kann. Ich begrüße natürlich auch diejenigen zu Hause vor den Bildschirmen oder in ihren Offices, die die Konferenz verfolgen. Ich freue mich, dass es nach zwei Jahren wieder möglich ist, uns in Präsenz zu treffen.

Die Welt hat sich mit Sicherheit in ganz besonderem Maße verändert. Wenn wir an die dramatischen Stunden denken, die Europa jetzt in Bann geschlagen haben, und kalkulieren, dass schlussendlich durch kriegerische Gewalt vielfach Leid und in Folge oftmals auch Behinderung entsteht, ist es uns mehr denn je bewusst, welche Aufgabe wir haben.

Ich darf mich ganz, ganz herzlich bei dir, lieber Martin Essl, für die Kooperationsbereitschaft von Zero Project bedanken, diese Veranstaltung mit dem österreichischen Parlament auszurichten. Ich freue mich, dass unsere Abgeordneten das heute auch so offen tun, um die Projekte gemeinsam mit den Innovatoren zu präsentieren. Es ist das erste Mal in dieser Form, und wir werden das im nächsten Jahr erweitern, indem wir auch die Vertreter der Wirtschaft bitten, uns Unterstützung zu geben.

Wir waren erst vor Kurzem bei einem ganz besonderen Projekt, bei AFB, und haben uns den Ableger in Österreich mit einer Gruppe von Menschen ansehen können. Wir haben gesehen, welch hervorragende Arbeit dort geleistet wird und wie wichtig es ist, die Inklusion umfassend zu leben. Der Wirtschaftsstandort – egal ob in Europa oder woanders – braucht in einer inklusiven Gesellschaft heute alle Menschen, um auch ihre Fähigkeiten miteinzubeziehen.

Dass die Konferenz hier im Hohen Haus eröffnet wird, erfüllt uns mit Stolz. Wir fühlen uns als österreichisches Parlament verpflichtet, gerade dieses Thema der Barrierefreiheit umfassend voranzutreiben. Es freut mich, dass so viele prominente Vertreter der Behindertenlobby – so würde ich das nennen – heute hier sind, die uns dabei nicht nur begleiten und beraten, sondern auch fordern. Es ist, glaube ich, für uns ganz wesentlich, dass wir in besonderer Art und Weise herausgefordert sind, immer wieder einen Schritt nach dem anderen zu setzen.

Ich freue mich und ich hoffe, dass ich Sie dann im nächsten Jahr in unserem angestammten Hause begrüßen darf, wo wir ein Haus in Augenschein nehmen dürfen, das wirklich nach bestem Wissen und Gewissen durch große Beratungsleistungen von My Ability und vielen anderen barrierefrei gemacht werden wird. Wir sehen, dass das auch schon jetzt, in diesen Phasen der Inbetriebnahme, Früchte trägt.

Ihnen brauche ich nicht zu erzählen, wie notwendig die Inklusion ist. Ihnen brauche ich nicht zu erzählen, dass 15 Prozent der Menschen in Österreich in irgendeiner Form wegen einer Behinderung letzten Endes vor die Herausforderung gestellt sind, sich dem Leben so stellen zu können, dass sie ein selbstbestimmtes Leben begehen und ausleben können. Ihnen brauche ich nicht zu erzählen, wie unvermutet so etwas kommen kann. Es gibt deutsche Studien, in denen es heißt, dass 87 Prozent jener, die an einer Behinderung laborieren und letzten Endes eine Behinderung in ihrem Leben tragen, dies sehr unvermittelt erfahren, was auch in der Persönlichkeitsentwicklung eine ganz große Herausforderung darstellt.

Ihnen gilt nicht nur unser Respekt. Unsere Arbeit muss sein, unsere Lebensbedingungen so zu gestalten, dass alle Menschen umfassend teilhaben können. Wir wissen, dass das in vielen Bereichen nicht in dieser Form gegeben ist, und wir wissen auch, dass viele Menschen gar keine Sensorik dafür haben. Daher ist es die Aufgabe des österreichischen Parlaments, und zwar aller 183 Abgeordneten des Nationalrates und der 61 Mitglieder des Bundesrates, sich für die Entwicklung dieser Sensorik zur Verfügung zu stellen. Es ist unsere Aufgabe, das Bewusstsein in der Gesellschaft in diese Richtung zu verändern.

Gerade das österreichische Parlament hat es sich zur Aufgabe gemacht, große gesellschaftliche Entwicklungen, die unabhängig von Legislaturperioden sind, die unabhängig von parteipolitischen Einstellungen sind, vorzunehmen und voranzutreiben. Und da steht die Frage der Inklusion zuoberst. Es waren viele, die hier Pionierarbeit geleistet haben, und es waren viele, die sich hier in der Vergangenheit besonders engagiert haben.

Ich darf mich wirklich auch bei unserer Parlamentsdirektion bedanken, die das Thema ganz bewusst aufgenommen hat und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch schult: Wie geht man damit um? Mit welcher Einstellung findet man Zugang? Wie kann man diese Inklusion auch wirklich leben, um sie zu einem durchgängigen Lebensprinzip und Arbeitsprinzip in unserem Haus zu machen?

Ich halte das für eine entwickelte Gesellschaft für eine ganz normale Sache, und erst dann, wenn das kein Thema mehr ist, wenn das wirklich auf allen Ebenen gelebt wird, können wir einigermaßen zufrieden sein. Jetzt ist es ein Ansporn, uns stets zu verbessern, egal ob es um die Inklusion in der Bildung geht – dort ist der Ursprung zu sehen –, egal ob es um die Inklusion am Arbeitsplatz geht, wo Arbeit sinnstiftend dem Menschen auch Richtung und Ausrichtung gibt, oder ob es um das Freizeitverhalten geht. Alle drei Bereiche werden von uns in besonderem Maße in Augenschein genommen.

Ich freue mich wie Sie auf die einzelnen Innovationen, die wir heute erleben können. Ich erinnere mich noch an die früheren Konferenzen zurück: Was dort an technischer Innovation geboten wurde, was auch für die Entwicklung im persönlichen Bereich geboten wurde, war beispielgebend. Vieles hat sich durchgesetzt, und vieles haben wir hier in unserem Parlament übernehmen können. Ich hoffe, dass auch heute wieder die eine oder andere Innovation Platz greift und uns die Möglichkeit gibt, sich mit ihr auseinanderzusetzen, sie aber auch in die Realität, in die Praxis umsetzen zu können.

Ich freue mich ganz besonders, dass Mister Shakespeare heute hier ist, den ich schon zweimal als Keynotespeaker erleben durfte. – It’s a great pleasure for us that you are here! Your experience is very high. We appreciate your coming and that it is possible to come in presence, not only via TV. Many thanks for your coming!

Ich denke, so soll und so darf diese Konferenz auch ein persönliches Erlebnis werden. Das wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie sich mit den Menschen, die Schulter an Schulter zu dieser Inklusion beitragen, dafür kämpfen und sich dafür einsetzen, auch eine Freude daran haben, austauschen können. In diesem Sinne: alles Gute!