Transkript der Veranstaltung:
30 Jahre Gedenkdienst
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(Es folgt ein Musikstück.)
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(Beifall.)
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Danielle Spera (Executive Director Kultur.Medien.Judentum): Guten Tag und herzlich willkommen hier, im wunderbaren Ambiente des Parlaments in der Hofburg! Wir feiern heute mit diesem Festakt 30 Jahre Gedenkdienst, eingeleitet durch das Artel–Quartett mit der Fantasie von Gideon Klein.
Erlauben Sie mir, zunächst unseren Gastgeber begrüßen zu dürfen, den Präsidenten des Nationalrates Mag. Wolfgang Sobotka. (Beifall.)
Wir begrüßen den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg (Beifall) – er wird unsere Veranstaltung gleich feierlich eröffnen.
Ich freue mich sehr, den Prodekan des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Los Angeles begrüßen zu dürfen, Rabbi Abraham Cooper. (Beifall.)
Herzlich willkommen heißen wir den Vorsitzenden der internationalen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, Dani Dayan. (Beifall.)
Ich begrüße die Vertreterinnen und Vertreter des diplomatischen Korps, stellvertretend die Botschafterin der Vereinigten Staaten Victoria Reggie Kennedy (Beifall), den Botschafter von Japan in Österreich Akira Mizutani (Beifall) und den Botschafter der Republik Serbien Nebojša Rodić. (Beifall.)
Es ist uns eine Freude, die Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen- und Religionsgemeinschaften begrüßen zu dürfen, besonders Weihbischof Franz Scharl (Beifall); in unserer Mitte ist der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch (Beifall) sowie der Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses und Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses Ariel Muzicant. (Beifall.)
Herzlich begrüßen wir alle ehemaligen und aktiven Abgeordneten zum Nationalrat und Mitglieder des Bundesrates sowie Vertreterinnen und Vertreter von Gedenkinitiativen und Erinnerungsinitiativen – herzlich willkommen! (Beifall.)
Ich darf auch alle Podiumsteilnehmer an dieser Stelle begrüßen: Tomasz Kuncewicz, Direktor des Jewish Center in Auschwitz (Beifall), Tali Nates, Gründerin und Direktorin des Holocaust & Genocide Centre in Johannesburg (Beifall), Jayne Josem, Geschäftsführerin des Holocaustmuseums in Melbourne (Beifall), und die beiden ehemaligen Gedenkdiener Jacob Anthony Bauer und Felix Loidl. (Beifall.)
An dieser Stelle – und das sind natürlich die Wichtigsten heute – darf ich alle anwesenden Vertreterinnen und Vertreter des Gedenkdienstes willkommen heißen. (Beifall.) Schon an dieser Stelle ergeht ein Danke an euch für eure großartige Arbeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute genau vor 30 Jahren, am 1. September 1992, haben die ersten drei jungen Österreicher ihren Gedenkdienst im Museum Auschwitz-Birkenau, der Anne-Frank-Stiftung und in der Gedenkstätte Theresienstadt, in der auch an einige meiner Familienmitglieder erinnert wird, zu arbeiten begonnen. Die Geschichte des Gedenkdienstes habe ich eigentlich von Anfang an mit ganz großer Leidenschaft verfolgt, da ich das Privileg habe, den Initiator dieser für unser Land so wichtigen Gedenkinitiative schon lange zu kennen. Ohne ihn wäre dieser Gedenkdienst nicht möglich gewesen. Andreas Maislinger, bitte vor den Vorhang! (Beifall.)
1976 bist du nach einem Besuch in Auschwitz zurückgekommen, und zwar mit der Überzeugung, dass Österreich einen staatlich unterstützten Zivildienst in Auschwitz, wie du es genannt hast, braucht. Seiner Vision, seinem Nachdruck und seiner Hartnäckigkeit – das ist wirklich so, das zeichnet dich auch aus – in der Verfolgung dieses Ziels ist es zu verdanken, dass es den Gedenkdienst heute gibt. Bisher haben diesen 1 300 junge Menschen abgeleistet – ein Meilenstein, der heute zu Recht gefeiert wird. (Beifall.)
In diesem Sinn darf ich gleich Herrn Bundesminister Schallenberg um seine Eröffnungsworte bitten. Danke schön. (Beifall.)
Alexander Schallenberg (Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten): Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Wolfgang! Sehr geehrter Rabbi Cooper! Sehr geehrter Herr Dayan! Frau Lipstadt! Sehr geehrter Herr Maislinger! Exzellenzen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wirklich eine Freude und auch große Ehre, dass ich auf Einladung des Nationalratspräsidenten Sie heute hier in diesem schönen österreichischen Parlament begrüßen darf.
Wir begehen heute ja zwei ganz besondere Jahrestage, die einen inneren Konnex zueinander haben: Genau heute vor 83 Jahren überfiel Hitler Polen – das war der Beginn des Zweiten Weltkrieges, aber auch der Auftakt des für uns eigentlich bis heute in seiner unglaublichen Singularität immer noch nicht ganz fassbaren Völkermords, des Holocaust –, und ein halbes Jahrhundert später, vor 30 Jahren – wir haben es soeben von Danielle Spera gehört –, haben die ersten drei jungen Männer aus Österreich den Gedenkdienst als Wehrersatzdienst angetreten – und sie taten das nicht irgendwo, sondern sie taten es an drei Orten, die gerade aus österreichischer Sicht auch geschichtsschwer sind, nämlich in der Gedenkstätte im KZ Theresienstadt, in der Anne Frank Stiftung in den Niederlanden und dem staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau in Polen.
Wir sollten so ehrlich sein zuzugeben, dass der Gedenkdienst, den wir heute zu Recht feiern, zu Beginn nicht überall und nicht von allen die volle ihm zustehende politische Unterstützung erfahren hat, aber nach diesen ersten, zugegebenermaßen schwierigen Schritten hat sich der Gedenkdienst heute zu einer veritablen Erfolgsgeschichte entwickelt. Bis heute haben rund 1 300 junge Österreicher und mittlerweile auch Österreicherinnen, das möchte ich besonders betonen, diesen Dienst einer kollektiven Erinnerungskultur geleistet. Auch die Einsatzorte haben sich vervielfacht: Heute sind die österreichischen Gedenkdienerinnen und Gedenkdiener an mehr als 80 Einsatzstellen in über 40 Ländern weltweit tätig – von Israel bis Australien, von den USA bis Südafrika.
Für mich ist der Gedenkdienst ein weiterer wichtiger und auch schöner Mosaikstein in unserem Bemühen, als Republik Österreich unsere historische Verantwortung auszudrücken und dieser gerecht zu werden, unsere gemeinsame Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus und für die zentrale Rolle, die allzu viele Österreicherinnen und Österreicher dabei hatten. Wir haben viel zu lange weggesehen. Wir haben uns viel zu lange davor gescheut, bis wir uns der Täterrolle und der uns daraus erwachsenen historischen Verantwortung bewusst geworden sind und ihr auch entgegengetreten sind, sie zur Politik gemacht haben, sie gestaltet haben, und ich sehe heute im Raum viele, die ich jetzt nicht namentlich erwähnen werde, die einen ganz maßgeblichen Anteil an dieser Politik haben, und ich bin ihnen dafür sehr dankbar.
In diesem Sinne sind die Gedenkdienerinnen und Gedenkdiener auch Träger und Botschafter dieses neuen Österreichs, dieser neuen Gesellschaft, dieses Österreichs, das seine Scheuklappen abgelegt hat und das offen mit den dunkelsten Kapiteln seiner Geschichte umgeht.
Wie wichtig das ist, erleben wir gerade jetzt keine 600 Kilometer von hier entfernt, wo Neoimperalismus, Verblendung, Vorurteile, Fanatismus zu einem erschreckenden Angriffskrieg führen, zu unsäglichem menschlichen Leid. Ich möchte daher diese Gelegenheit dieser kurzen Eröffnungsworte auch dazu nützen, heute ganz besonders allen Österreicherinnen und Österreichern, die in den letzten 30 Jahren Gedenkdienst geleistet haben oder ihn jetzt gerade leisten, für ihr besonderes Engagement und für das von ihnen gelebte zukunftsgerichtete Verantwortungsbewusstsein ganz persönlich zu danken. Ich glaube, sie verdienen Applaus von uns. (Beifall.)
Bei meinen Auslandsreisen habe ich immer wieder die Freude, auf diese jungen Österreicherinnen und Österreicher zu treffen, die wirklich interessiert sind, die engagiert sind und die sich auch durchaus ihrer Rolle bewusst sind. Sie haben diese Rolle – und das ist so wichtig! – nicht nur im Gaststaat, denn es ist klar, dass dieser Dienst bei diesen jungen Menschen etwas auslöst: Sie kommen nicht als dieselben wieder zurück. Durch ihren Dienst an Holocausterinnerungsorten weltweit erleben sie aus nächster, unmittelbarer, persönlicher Anschauung dieses Menschheitsverbrechen der Shoah. Sie erfahren und begreifen ganz unmittelbar, was dieser Imperativ des: Nie wieder!, wirklich bedeutet, und sie werden – und das ist fast wichtiger – damit Träger und Boten dieser wichtigen Erfahrung, dieser wichtigen Botschaft hier in Österreich, in unserer eigenen Gesellschaft. Das ist ja der wesentliche Punkt.
Ein ganz besonderes Dankeschön gebührt an dieser Stelle natürlich auch all jenen Einrichtungen, die unsere Gedenkdienerinnen und Gedenkdiener über die Jahre aufgenommen haben, sie betreut haben: den Holocaustgedenkstätten, den der Shoah gewidmeten Erziehungs- und Bildungseinrichtungen sowie den Pflegeeinrichtungen für die Opfer des Nationalsozialismus.
Nicht zuletzt möchte ich einer Person heute ganz besonders danken, nämlich Ihnen, Andreas Maislinger. Sie verdienen große Anerkennung. Ohne Ihr unermüdliches Engagement, Ihre Hartnäckigkeit, Ihren Versuch, immer wieder diese Initialzündung zu setzen, gäbe es diesen Gedenkdienst in dieser Form einfach nicht, und dafür gebührt Ihnen unsere Anerkennung und unser Dank – danke sehr. (Beifall.)
Und ich weiß, dass Sie weiterhin hartnäckig sind und weiterhin aktiv sind. Wir hatten in den letzten Jahren ja immer wieder in den verschiedensten Funktionen Kontakte und Gespräche, und ich verlasse mich darauf, dass Sie weiterhin engagiert bleiben und in diesem Sinne mit ein Träger dieses neuen Österreichs sind, dieses Österreichs, das mit der eigenen Geschichte offen umgeht und die Scheuklappen endgültig abgelegt hat.
Ihnen allen – sie alle, die großen und die kleinen Helfer im Inland, im Ausland –, die gemeinsam diese Initiative mittragen, sie möglich machen, auch ihnen gebührt unser Dank, denn sie leisten jeden Tag einen Beitrag, damit etwas geschieht, nämlich das Wichtigste für uns: damit aus dem: Niemals vergessen!, ein: Niemals wieder!, wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall.)
Danielle Spera: Mit großer Freude darf ich Ihnen jetzt eine der renommiertesten Forscherinnen zum Thema Holocaust ankündigen, Deborah Lipstadt. Seit 2014 lehrt sie Modern Jewish History and Holocaust Studies an der Emory-University in Atlanta.
Ihr Prozess mit dem Holocaustleugner David Irving wurde unter dem Titel „Verleugnung“ verfilmt. Vor einem Jahr wurde Deborah Lipstadt von US-Präsident Joe Biden zur Antisemitismusbeauftragten des US-Außenministeriums bestellt.
Leider kann Frau Lipstadt heute nicht bei uns sein, aber wir hören jetzt gleich ihre Videobotschaft.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Deborah Lipstadt: Ich freue mich, heute in dieser Form an Ihrer Feier teilnehmen zu können, an dieser Feier zur Würdigung des bedeutenden österreichischen Beitrages, insbesondere des Österreichischen Auslandsdienstes und des österreichischen Gedenkdienstes, der heute seine 30-Jahr-Feier hat. In meinem und in Ihrem Land sind wir überzeugt von der Bedeutung des Gedenkdienstes für eine bessere Welt. Umso ermutigender war es für mich zu erfahren, wie der Gedenkdienst hier in Österreich aussieht.
Uns ist allen sehr bewusst, dass Antisemitismus weltweit wieder im Zunehmen begriffen ist. Wir sehen das in den unterschiedlichsten Ausprägungen: Verunstaltungen von jüdischen Stätten, Verwendung von Nazisymbolen zum Verbreiten von Panik und Angst, körperliche Angriffe gegen Jüdinnen und Juden, und natürlich ist eine der heimtückischsten Formen des Antisemitismus das Leugnen und das Verdrehen von Holocaustfakten. Das kann sehr gefährliche und auch tödliche Folgen haben, und zwar nicht nur für Jüdinnen und Juden, sondern wir sehen auch in Echtzeit, wie Putin und der Kreml den Holocaust bemühen, um den Angriffskrieg gegen die Ukrainer zu rechtfertigen. Diese Art der Holocaustverdrehung, das Verdrehen von Fakten, die Täter-Opfer-Umkehr, all das ist eine große Gefahr und ist oft schwerer zu bekämpfen als das harte Leugnen des Holocaust.
Nie war es wesentlicher als heute sicherzustellen, dass die Holocaustgeschichte gelehrt wird und dass wir daraus Lehren ziehen, damit alle die Gefahren von Vorurteilen, Diskriminierung und Entmenschlichung verstehen. Deshalb ist das Engagement von Programmen wie dem österreichischen Gedenkdienst von großer Bedeutung, zum Gedenken an die Shoah-Opfer und zum Fördern von jüdischer Kultur und jüdischem Leben.
Ihnen ist genau wie mir bewusst, dass Antisemitismus keine religiösen, ideologischen, politischen und nationalen Grenzen kennt. Antisemitismus geht oft einher mit Hass und Intoleranz gegen andere ethnische oder schützenswerte Gruppierungen oder Schichten. Der Extremismus ist weltweit im Zunehmen begriffen, und so wäre es kurzsichtig, Antisemitismus zu betrachten, ohne dabei auf die Verknüpfungen mit anderen Formen von Hass zu sehen. Diese Phänomene gehen ineinander über, haben dasselbe Grundprinzip – egal, ob das jetzt Vorurteile im Zusammenhang mit Rassismus, Antisemitismus, Hass gegen Muslime oder Migrantinnen und Migranten sind.
Wir müssen anerkennen und uns ansehen, wie diese Verquickung zwischen den verschiedenen Vorurteilsformen aussieht, denn wenn wir diese toxischen Aspekte und diese Verbindung zwischen Antisemitismus und anderen Hassformen nicht verstehen, können wir nicht dagegen vorgehen. Daher ist es wichtig, dass Regierungen und Länder den Antisemitismus ernst nehmen. Antisemitismus spielt sich nicht im luftleeren Raum ab, sondern ist ein Kontinuum von bis.
Die Geschichte zeigt, dass eine Gesellschaft, in der Antisemitismus toleriert oder gar gefördert wird, eine Gesellschaft ist, die sich letzten Endes gegen die eigenen Angehörigen wendet und wo niemand sicher ist. Der Kampf gegen den Antisemitismus muss sich dabei besonders auch den Internetforen, den sozialen Medien, der Gamingszene und so weiter stellen, den Verschwörungstheorien, den Hassreden und Gewaltaufrufen im Internet, die potenziell sehr gefährliche Folgen für Personen und für ganze Gesellschaften haben können. Die Nazipropaganda nutzte die damals zur Verfügung stehenden Mittel zum Verbreiten von Lügen über die Juden und zum Schüren von antisemitischen Stereotypen; die heutigen Antisemitinnen und Antisemiten nutzen das Internet zum raschen und großflächigen Verbreiten von Stereotypen und zum Rekrutieren von Followern.
Das Internet hat natürlich seine Vorzüge – Wissenstransfer, Vernetzung und so weiter –, wird aber auch missbraucht, um den Zugang zu Hass und zu Antisemitismus zu ermöglichen. In einigen Fällen war die hasserfüllte Rhetorik des Antisemitismus sogar die Grundlage für Radikalisierung und für Gewalttaten, was wir insbesondere auch in meinem Land beobachten mussten.
Mir ist bewusst, dass der Kampf gegen Onlinehassverbrechen eine große Herausforderung ist und dass wir hartnäckig dranbleiben müssen und kreative Ansätze brauchen, wobei jedes Land einen eigenen Ansatz verfolgen wird. Was wir jedenfalls gemeinsam bewerkstelligen können, ist die Bewusstseinsbildung und die Förderung von kritischem Denken und für ein besseres Verstehen dessen, wie Onlinehassreden sich in der echten Welt wiederfinden.
Holocaustaufklärung hat eine Schlüsselrolle bei der Sensibilisierung von Menschen aller Altersgruppen betreffend die Rolle des Antisemitismus bei der Zerstörung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes und bei der Herausbildung des nötigen Umganges und der Formen des Zusammenlebens mit den diversen Gruppen.
Wir müssen anerkennen, dass die verschiedenen Facetten des Antisemitismus ineinandergreifen, ich möchte aber auch über die möglichen Ansatzpunkte im Kampf gegen den Antisemitismus sprechen. Wir haben natürlich gesehen, dass einige Politikerinnen und Politiker selbst antisemitische Rhetorik verwenden, aber gleichzeitig gibt es auch politische Verantwortungsträger, die dagegen vorgehen.
Ich begrüße die Bemühungen der österreichischen Regierung im Kampf gegen den Antisemitismus und dass Österreich eines der ersten EU-Mitglieder ist, das eine nationale Aktionsstrategie gegen Antisemitismus im Jänner 2021 ins Leben gerufen hat. Es gibt jetzt auch schon mehr Länder, die Sonderbeauftragte betreffend Antisemitismus oder für Holocaustfragen oder für Religionsfreiheit haben und die wie Österreich eigene Stellen für deren Implementierung im Kampf gegen Antisemitismus schaffen. Es ist ganz wesentlich, dass diese Stellen unterstützt werden und ausreichend Humanressourcen und Finanzressourcen bekommen. Die Abraham Accords sind im Nahen Osten, wo ich vor Kurzem war, eine gute Diskussionsgrundlage über dieses Phänomen.
Es gibt auch Initiativen zur Unterstützung des reichen jüdischen Lebens. Wie ich vorhin schon erwähnt habe, ist die Holocaustaufklärung und der Gedenkdienst in das nationale Leben zu integrieren, und zwar durch diverse Institutionen und Programme.
Wir könnten noch so viel mehr im Kampf gegen diese Geißel tun, und es ist für mich sehr inspirierend in meiner jetzigen und auch in meinen früheren Funktionen zu sehen, wie viele Personen und Institutionen hier Hand in Hand arbeiten. Wenn wir erfolgreich sein wollen, ist es ganz wesentlich, dass wir zusammenarbeiten, und zwar über die Landesgrenzen hinweg, mit der Zivilgesellschaft und mit den entsprechenden Stakeholdern, um sicherzustellen, dass wir gegen den Antisemitismus effizient und ganzheitlich vorgehen und dabei auch sicherstellen, dass die jüdische Gemeinde sich dessen bewusst ist, dass sie nicht alleine dasteht und dass der Kampf gegen den Antisemitismus ein Kampf für unsere demokratischen Werte, für die Gerechtigkeit und für das Wohlergehen aller Nationen ist.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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(Beifall.)
Danielle Spera: Unser nächster Redner ist aus Los Angeles nach Wien gereist. Rabbi Cooper ist der Associate Dean and Director of Global Social Action Agenda im Simon Wiesenthal Center in Los Angeles. Er ist Mitbegründer des Global Forum on Antisemitism und pflegt intensive Beziehungen mit arabischen Politikern in den Golfstaaten.
Seit heuer ist Rabbi Cooper stellvertretender Vorsitzender der United States Commission on International Religious Freedom, die Verletzungen der Religionsfreiheit in der ganzen Welt verfolgt.
Das Simon Wiesenthal Center and Museum of Tolerance in Los Angeles ist seit 1998 Partner des Gedenkdienstes, und bisher waren 21 junge Österreicherinnen und Österreicher dort tätig. – Rabbi Cooper, the floor is yours. (Beifall.)
Rabbi Abraham Cooper (Prodekan Simon Wiesenthal Zentrum Los Angeles): Guten Morgen! Ich möchte mich bei Herrn Bundesminister Schallenberg bedanken, der uns alle daran erinnert hat, dass wir heute den 83. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges begehen, als Nazideutschland in Polen einfiel und alles seinen Lauf nahm, wie wir es kennen.
Haben wir heute ein größeres Bewusstsein für die Geschichte und alles, was geschah? – Ja, und wir fühlen natürlich auch die Verantwortung für die Zukunft.
Herr Bundesminister! Herr Nationalratspräsident Sobotka – wir haben uns heute ja schon kennenlernen dürfen. Geschätzte Botschafterin Kennedy, Botschafter Japans und Serbiens! Dani Dayan, Leiter von Yad Vashem in unserem geliebten Jerusalem! Geschätzte Mitglieder der österreichischen Regierung! Herr Dr. Maislinger – ich habe noch niemanden hier getroffen, der ihm jemals etwas abschlagen konnte. Geschätzte Gedenkdiener und Teilnehmer am Österreichischen Auslandsdienst, ob in der Vergangenheit oder jetzt! Ich bin hier zunächst einmal in Vertretung des Museum of Tolerance und des Simon Wiesenthal Centers in LA mit der ernsten Aufgabe, mich bei den fast 50 Gedenkdienern zu bedanken, die nun ein Vierteljahrhundert als Botschafter an erster Stelle Zehntausende Besucher im Museum of Tolerance empfangen haben.
Ich habe hier auch die Gelegenheit, im Namen unseres Gründers Rabbi Marvin Hier und Liebe Geft allen Gedenkdienstvertreter:innen auszurichten, wie viel sie uns alle bedeutet haben, wie viel sie für unsere Gemeinschaft bedeutet haben – und vor allem für die Überlebenden der Shoah, die in den letzten 30 Jahren ihre eigene Geschichte von unsagbaren Tragödien, aber auch von Ausdauer und Hoffnung mit den mehr als sieben Millionen Besucherinnen und Besuchern in unserem Museum geteilt haben.
Es war faszinierend zu sehen, wie sich hier ein Band zwischen diesen älteren und jüngeren Partnerinnen und Partnern gebildet hat. Zunächst ist das keine unmittelbare Sache, beginnt sehr zögerlich, aber sobald die Gedenkdiener:innen wieder nach Österreich aufbrechen, gibt es immer Umarmungen, Tränen und freundliche Worte.
Österreichs Rolle und Verantwortung im Zusammenhang mit der Shoah wurde hier anerkannt, aber auch die stärker werdende Freundschaft mit dem Volk Israels. Ich habe in den letzten Tagen Freundinnen und Freunde aus Israel, Nord- und Südamerika, Afrika, Europa und Australien getroffen, und wir alle sind stolz darauf und haben uns wieder versichert, wie schön es ist, unter Freunden zu sein. Es wäre schwieriger gewesen, diesen Dank über Zoom auszusprechen, ich musste einfach nach Wien kommen, um dies mitzuteilen und auch im Namen des Namensgebers unseres Zentrums Simon Wiesenthal diesen Dank zu überbringen.
Ich habe Simon 1978 in Wien das erste Mal getroffen. Wien war damals eine andere Stadt, Österreich ein anderes Land: Es war ein Land, das jegliche Verantwortung für die Shoah ablehnte und darauf bestand, dass Österreich Hitlers erstes Opfer und nie ein Kollaborateur gewesen sei. Es war damals eine Stadt, wo die Taten der früheren Täter, die Erinnerungen der Überlebenden der Endlösung der Nazis mehr oder weniger alte Erinnerungen waren.
Simon Wiesenthal hat viele Familienmitglieder an die Nazis verloren. Er hat in dieser Stadt als nicht gewählter Botschafter von sechs Millionen ermordeten Juden gewirkt. Er hat sich nie der Kritik ergeben und hat auch angesichts von Morddrohungen gegen ihn, seine Frau oder seine geliebte junge Tochter nie aufgegeben. Er hat auch, nachdem die Neonazis sein Haus mit einem Bombenattentat angegriffen hatten, die Stadt nicht verlassen. Er hat an die Vergangenheit erinnert, hat 1 100 Nazitäter gegen alle Wahrscheinlichkeit vor Gericht gebracht. Das ist ihm gelungen.
Ich habe hier nur sehr wenig Zeit. Die Veranstalter haben mir klugerweise nur 8 Minuten Redezeit zugestanden, und ich werde mich bestmöglich daran halten. Bitte erlauben Sie mir aber, nur eines zu erzählen und ein paar wichtige Zitate von Simon Wiesenthal einzuflechten.
Ich weiß nicht, wie bekannt das hier ist – es ist Teil unserer Dokumentation, die wir gedreht haben: „Ich habe euch nicht vergessen“.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war Adolf Eichmanns Frau mehr als einmal vor Gericht, um das Rechtssystem dazu zu bringen, dass Adolf Eichmann für tot erklärt werden möge. Um dagegen vorgehen zu können, hat Herr Wiesenthal einen jungen Mann angestellt und ihn beauftragt, sich mit der Eichmann-Familie anzufreunden. Dieser große, junge, blonde, blauäugige perfekte Arier besucht Simon Wiesenthal am Abend und erzählt: Heute ist es mir gelungen, einen der jungen Söhne von Eichmann zum Baden am See einzuladen, und morgen werde ich ihn ertränken. – Dieser junge Mann war tatsächlich kein Arier. Sein wirklicher Name war Manus Friedman und seine gesamte Familie war von den Nazis ermordet worden.
Herr Wiesenthal hatte selbst Dutzende seiner Verwandten verloren – er antwortete überzeugt: Nein, das wirst du nicht tun! Wir ziehen nicht junge, unschuldige Kinder für die Verbrechen ihrer Eltern zur Verantwortung. – Nicht einmal die Verbrechen des Massenmörders, der fast alle seine eigenen Verwandten umgebracht hatte, konnten Simon Wiesenthal dazu bringen, davon abzuweichen.
Dieser gebrochene Jude, der aussah wie ein Arier, wurde so von Simon Wiesenthal davon abgebracht, damit voranzuschreiten. Er war überzeugt, dass die Nazis vor Gericht gehören. Er wollte auch die Grundbegriffe von Verbrechen, Bestrafung und Gerechtigkeit wieder aufbauen, die die Nazis fast vollständig abgeschafft hatten, indem sie sämtliche Menschlichkeit aus ihrem Rechtssystem entfernt hatten. Da waren einige der brillantesten Rechtsgelehrten in Deutschland am Werk.
Simon Wiesenthal hat mit seinem Werk die moralische Infrastruktur des Justizsystems der heutigen Zeit wieder aufbauen geholfen, und so werden Recht und Gerechtigkeit gegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit obsiegen – in China oder in anderen Ländern, in denen so vorgegangen wird.
Ich möchte mit zwei Fragen schließen, die man Simon Wiesenthal gestellt hat, und vielleicht mit einem Aufruf an jene, die hier heute zusammengekommen sind.
1980 begleitete ich Wiesenthal zu einer Lesung im Mittleren Westen in den USA. Wer danach geboren ist, wird vielleicht wissen, dass wir damals einen Präsidenten namens Jimmy Carter hatten – das ist ziemlich lange her. Die letzte Frage in der Fragerunde, die damals in einer Vorlesung von einem Studierenden gestellt wurde – und manchmal sind es gerade die jungen Menschen, die diese Fragen stellen können –, war: Herr Wiesenthal kann das wieder geschehen?
Zitat: Wenn man organisierten Hass, eine Krise der Gesellschaft und Zugang zur Technologie hat, dann ist alles möglich, sagte er. Sein Hinweis auf Technologie zwei Jahrzehnte vor dem Internet bezog sich auf die Technologie, die die Nazis in den Dreißiger- und Vierzigerjahren zur Verfügung hatten. Stellen Sie sich vor, was er heute sagen würde! Er sagte dann noch weiters – und ich zitiere –: Die Technologie, die die Nazis zur Verfügung hatten, wenn es diese 1492 gegeben hätte, dann hätte kein Jude in Spanien, kein Katholik in England und kein Protestant in Frankreich überlebt.
Dann gab es noch eine zweite Frage, die auch für heute sehr wichtig ist: Herr Wiesenthal, hat es überrascht, wie viele Nazis es gegeben hat? – Nein, sagte er, ich war nur überrascht, wie wenige Nazigegner es gab.
Nun, Simon, falls du uns heute zusiehst – und wenn da oben das jemand kann, dann wärst das wahrscheinlich du –, dann kann ich berichten, dass es 80 Jahre nach der Wannseekonferenz immer noch zu viele Nazis gibt. Dein Opfer, deine Inspiration, dein unerschütterliches Vertrauen in jüngere Generationen, die damals in Österreich und Deutschland noch nicht geboren waren, haben dazu beigetragen, dass es heute viel, viel, viel mehr Nazigegner gibt, auch viele junge dynamische Österreicherinnen und Österreicher. Hier, in deinem Land, hat das zu einem großen Teil auch mit dem Österreichischen Auslandsdienst zu tun, der einen kleinen Beitrag zur Wiederherstellung der Welt geleistet hat.
Simon, wir haben heute offene Unterstützer, die gegen die antisemitische BDS-Boykottkampagne gegen Israel sind. 2022 können wir behaupten, dass es zwischen unseren Völkern echte Freundschaft gibt. Diese Völker kämpfen zu Hause und im Ausland gegen Antisemitismus. In dem Zentrum, das deinen Namen trägt, versuchen wir seit den Siebzigerjahren neue Verbündete, neue Freunde zu finden. Wer hätte sich 1978 denken können, dass uns diese Reise eines Tages hier nach Wien führt?
Wenn man unser Museum in Los Angeles besucht, dann liest man dort ein einfaches Zitat. Er sagte: Freiheit ist kein Geschenk des Himmels, darum muss man jeden Tag kämpfen.
Es ist inspirierend, dass wir auf diese jungen Österreicherinnen und Österreicher zählen können, die an vorderster Front gegen diesen Krieg, den Krieg gegen religiösen Eifer, Intoleranz und Antisemitismus, vorgehen. Du hast uns geholfen, hier dieses Bündnis zwischen den neuen Generationen zu schaffen. – Vielen Dank für diese Gelegenheit, hier zu sprechen, und möge Gott uns alle schützen. (Beifall.)
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(Es folgt ein Musikstück)
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(Beifall.)
Danielle Spera: Nach diesem Stück von Gideon Klein darf ich den nächsten Programmpunkt, unsere Podiumsdiskussion, ankündigen, und ich darf jetzt die Diskussionsteilnehmerinnen und –teilnehmer vorstellen. Ich werde jetzt zu Englisch wechseln und darf mit Tali Nates beginnen.
Tali Nates wurde in Israel geboren. Sie ist Gründerin und Leiterin des Johannesburg Holocaust & Genocide Centre in Südafrika. Als Historikerin lehrt sie im Bereich Holocaustaufklärung, Genozidprävention, Versöhnung und Menschenrechte. Tali Nates ist auch Fellow des Salzburg Global Seminars, sie ist dort Stipendiatin und Leiterin der Holocaust and Genocide Study-Tours nach Osteuropa und Ruanda, wie sie uns erzählen wird, und hat vor Kurzem auch eine Studienreise durch Polen gemeinsam mit dem Auslandsdienst mit Studierenden aus Südafrika geführt. Ihre Vorfahren sind Holocaustzeitzeugen; ihr Onkel und Vater wurden dank Oskar Schindler gerettet. (Beifall.)
Jayne Josem studierte Geschichte an der Melbourner Universität Monash. Sie ist seit 2002 Kuratorin und Sammlungsverantwortliche des Melbourne Holocaust Museum und verwaltet jetzt die Neuausrichtung des Melbourne Holocaust Museum. Die Stimmen der Überlebenden sollen als Katalysator zu einem vertieften Verständnis und zu Akzeptanz führen und eine bessere gemeinsame Zukunft bilden. Ihr Vater (phonetisch)Heinz Großbart floh mit seiner Familie 1939 nach Australien. Seit 2018 haben 14 österreichische Gedenkdiener im Holocaust Museum gearbeitet, das jetzt auch Partner für den Österreichischen Auslandsdienst ist. (Beifall.)
Tomasz Kuncewicz hat einen Master in englischer Literatur von der Universität Posen und Jüdische Geschichte von der Universität Brandeis. Sein Hauptinteresse gilt der polnisch-jüdischen Geschichte, dem Holocaust, dem Antisemitismus und anderen Formen der Fremdenfeindlichkeit und der Aufklärung im Bereich Antidiskriminierung. Er ist Direktor des Auschwitz Jewish Center, das sich örtlich dort befindet, wo eben jüdisches Leben früher eine große Rolle spielte. Er ist im Bereich Verständnis und Sensibilisierung tätig, und das AJC arbeitet als Partner für das ÖAD seit 2009. Seit 2009 waren 21 österreichische Gedenkdiener dort. (Beifall.)
Jacob Anthony Bauer wurde in Wien als Sohn einer österreichischen Mutter und eines schwedischen Vaters geboren. Er ging hier zur Schule und hat einen Hochschulabschluss in Wien. Er war schon in seiner Schulzeit im Bereich Schulpolitik, Internationales und auch in Diskussionsaktivitäten sehr aktiv. Als er 17 Jahre alt war, schloss er sich dem ÖAD an und hat am Tom Lantos Institut in Budapest begonnen und dann im Holocaust & Genocide Centre in Südafrika in Cape Town/Kapstadt, wo er als Führer und auch als Bibliothekar arbeitet. (Beifall.)
Felix Loidl wurde in Wien geboren, wo er auch aufgewachsen ist. Er ist nach der Matura nach Krakau ins Galicia Jewish Museum und wird diesen Herbst in Wien zu studieren beginnen. (Beifall.)
Ich habe das Privileg, Sie als unsere wichtigsten Teilnehmerinnen und Teilnehmer hier zu bitten, uns zu sagen, warum Sie sich für den Gedenkdienst entschieden haben. Was war da dahinter?
Jacob Anthony Bauer (Gedenkdienst Alumnus am Tom Lantos Institut in Budapest): Im Wesentlichen gab es zwei Gründe, warum ich mich für den Gedenkdienst entschloss. Zunächst einen ganz besonderen persönlichen Grund, nämlich dass meine Urgroßtante eines der ersten Opfer der Aktion T4 war – die Aktion T4 kennen Sie bestimmt alle. Ende 1939 wurde sie in eine Einrichtung im Weinviertel in Niederösterreich geschickt in einem Ort namens Gugging, und kurz darauf wurde sie dann vermutlich durch eine Spritze getötet. Danach ist dann mein Urgroßvater der Gestapo vorgeführt worden – auch Gestapo ist Ihnen allen bekannt –, aber von diesen persönlichen Familiengeschichten her weiß ich, dass meine Urgroßmutter es schaffte, ihn dort herauszubekommen. Der Tod meiner Urgroßtante aber und die Geschichte meines Urgroßvaters waren für mich eigentlich der Hauptgrund, warum ich mich für den Gedenkdienst entschied.
Dazu kommt, dass ich mich aufgrund der Tatsache, dass ich österreichischer Bürger bin, irgendwie auch verantwortlich fühle – nicht unbedingt schuldig, denn ich wurde 2002 geboren, ich bin eine ganz andere Generation, aber ich habe den Eindruck, dass jeder österreichische Bürger und jede Bürgerin eine Verantwortung hat, und hätte ich den Gedenkdienst nicht geleistet, dann wäre ich dieser Verantwortung nicht gerecht geworden und würde ich mich auch schlecht fühlen gegenüber Österreich und insbesondere gegenüber meiner Urgroßtante. (Beifall.)
Danielle Spera: Danke. – Der Grund für Sie war also eine ganz persönliche Geschichte. Felix, wie sah das bei Ihnen aus?
Felix Loidl (Gedenkdienst Alumnus am Galicia Jewish Museum in Krakau): Ich denke, ich kann für alle Gedenkdiener sprechen, wenn ich sage, dass auch für mich der Grund für den Gedenkdienst im Ausland war, dass ich zeigen wollte, dass es für mich eine Rolle spielt und dass all diese Gräueltaten im Zusammenhang mit dem Holocaust für mich in meinem Leben immer noch sehr präsent sind. Und ich wollte eben dieses Bild Österreichs zeigen: dass Österreich jetzt begonnen hat, das aufzuarbeiten und sich diesem Prozess des Erinnerns und des Gedenkens stellt.
Man nennt uns oft auch die kleinen oder jungen Botschafter, und ich denke, das ist ein schönes Bild. Was mich auch motiviert hat für den Gedenkdienst, war diese große Symbolik der jungen Österreicherinnen und Österreicher, die ins Ausland gehen und die dann eben das Gedenken an die Generation der Großeltern und Urgroßeltern hochhalten und an die Gräueltaten erinnern, die diese erlitten haben. Ich denke, das sendet ein sehr starkes Bild aus.
Ich zum Beispiel bin in Guntramsdorf, in einer kleinen Stadt südlich von Wien, aufgewachsen, wo es ein Nebenlager von Mauthausen gab, und mein Vater und mein Großvater sind auch in einer Gemeinde aufgewachsen, wo ein Mauthausen-Nebenlager war, nämlich in Ebensee – für mich war also der Holocaust somit ein sehr präsentes Thema.
Danielle Spera: Haben Sie über Ihre Erfahrung auch mit Ihren Freundinnen und Freunden in Guntramsdorf zum Beispiel gesprochen?
Felix Loidl: Ja, natürlich. Sie wollten ja etwas darüber wissen, und wir waren die ganze Zeit über in Kontakt. Sie haben mich natürlich gefragt, wie das gelaufen ist. Es war eine wunderbare Erfahrung und ich hatte nur sehr Positives zu berichten.
Danielle Spera: Vielen Dank. – Tali, ich habe schon kurz angedeutet, dass Sie sehr oft nach Polen reisen und dass Sie gerade von einer dieser Reisen zurückgekommen sind; das war eine Gruppe mit Österreichern und Südafrikanern. Vielleicht können Sie etwas darüber berichten.
Tali Nates (Gründerin und Direktorin des Johannesburg Holocaust & Genocide Centre): Vielen Dank. – Ja, das war für mich eine wirklich lebensverändernde Erfahrung. Wir waren 31 Personen aus Österreich und aus Südafrika und sind gemeinsam eben acht Tage lang durch Polen gereist und haben uns dabei sehr vertieft diesen großen Themen gestellt. Das heißt, das war nicht wirklich Tourismus, sondern wir haben uns Geschichten, Zeitzeugnisse angesehen, darunter auch meine eigene Geschichte, über die ich noch kurz etwas sagen werde.
Wir sind in die Stadt gereist, wo mein Vater geboren wurde, haben uns die Massengräber am Friedhof angesehen und haben neben dem Grab meines Großvaters Zvi Turner ein Gebet gesprochen. Sein Grabstein wurde erst im Mai 2021 von Aktivisten in Polen gefunden.
Wir hatten also die jungen Österreicherinnen und Österreicher, Südafrikanerinnen und Südafrikaner, die sich verschiedene polnische Städte ansahen und sich der Vergangenheit stellten und gleichzeitig aber die Verbindung zur Gegenwart herstellten und sich fragten, welche Rolle sie hier spielen können – von Südafrika, Australien, Europa, Amerika und so weiter. Diese jungen Österreicherinnen und Österreicher bringen hier eine neue Botschaft mit, eine neue Energie, und ich denke, wenn man sich der Vergangenheit stellt und diese Energie auftreibt, das ist etwas sehr Notwendiges, das hoffentlich noch weiter fortleben wird.
Danielle Spera: Vielen Dank auch für diese Tätigkeit. Wie war die Interaktion zwischen den Personen aus Südafrika und denen aus Österreich, die gemeinsam diese Reise gemacht haben?
Tali Nates: Zunächst möchte ich sagen, wie sehr ich mich freue, dass ich einige von ihnen hier bei dieser Konferenz sehe. Es war alles sehr inspirierend, mit diesen jungen Menschen aus Österreich und Südafrika zusammen zu sein. Eine dieser Personen ist erst heute in unserem Zentrum in Johannesburg als Praktikant angekommen, hat schon ein Bild von seiner Ankunft geschickt.
Ja, und diese Interaktion war hochinteressant, denn Ihnen ist ja bewusst, dass Südafrika ein Land ist, das auch auf eine sehr schmerzvolle Geschichte zurückblickt, eine sehr schwierige Geschichte: Apartheid, Kolonialismus, die Herausforderungen im Zusammenhang mit Afrophobie und Xenophobie, Antisemitismus und anderen Problemen des Otherings. Diese Diskussion zwischen den zwei Gruppen, die Interaktionen, die sehr tiefschürfenden Diskussionen, das gemeinsame Essen – auch Trinken – war natürlich etwas sehr Wichtiges für beide Gruppen. Ich denke diese Art von Reise und dieses Interagieren mit verschiedenen Kulturen und verschiedenen Gesellschaften, das ist ein Modell, das wir uns weiterhin vornehmen sollten.
Danielle Spera: Tomasz, wir haben jetzt über Polen gesprochen. Wie sehen Sie den Beitrag der österreichischen Gedenkdienerinnen und Gedenkdiener in Ihrer Einrichtung?
Tomasz Kuncewicz (Direktor Auschwitz Jewish Center): Danke für die Frage. Ja, wir hatten seit 2009 Gedenkdiener bei uns und in unserem Zentrum, das in der Stadt Oświęcim, das heißt, in der Stadt neben der Stätte von Auschwitz, liegt, die vor dem Krieg eine typische kleine jüdische Stadt war – 60 Prozent jüdische Bevölkerung mit dem jüdischen Namen Oświęcim. Was dann in den Kriegsjahren passiert ist, überschattet natürlich die gesamte Geschichte. Nicht viele wissen, dass es eine Stadt gibt und dass diese Stadt eine sehr lebendige jüdische Geschichte hatte, die während der Shoah fast völlig ausgelöscht wurde.
In unserem Fall haben wir Gedenkdiener aus Österreich und Deutschland – Aktion Sühnezeichen –, auch Ukrainer und Ukrainerinnen, die hier den Freiwilligendienst ableisten. Das heißt, das ist eine Community von jungen Menschen mit den verschiedensten Backgrounds, die auch mit den jungen Polinnen und Polen vor Ort aus Oświęcim in Interaktion treten, die hier natürlich im Schatten dieser symbolträchtigen Holocaustzeit leben – das heißt, das ist sicher keine sehr einfache Situation für die Einwohnerinnen und Einwohner von Oświęcim.
Es war also sehr, sehr gut für uns alle, dass diese jungen Österreicherinnen und Österreicher insbesondere mit unseren deutschsprachigen Gruppen arbeiten, die aus Österreich, Deutschland und manchmal auch aus der Schweiz kommen. Das war also eine sehr fruchtbringende Zusammenarbeit, und wir sind sehr froh darüber, dass wir diese jungen österreichischen Gedenkdiener haben, die zu uns kommen.
Danielle Spera: Vielen Dank. Die Familie meines Ehemanns kommt aus Oświęcim, das heißt, diese Geschichte ist uns nur zu gut bekannt. Ihr Museum ist in der Stadt ganz in der Nähe der Gedenkstätte. Welches Ziel verfolgen Sie in Ihrer Einrichtung?
Tomasz Kuncewicz: Wir haben im Jahr 2000 aufgemacht und versuchen uns einerseits anzusehen, wie man das Gedenken aufrechterhalten kann und wie auch die Reste des jüdischen Erbes aufrechterhalten werden können, die eigentlich von den Nazis völlig ausgelöscht wurden.
Das heißt, wir haben schrittweise historische Stätten in der Stadt renoviert, die Teil des jüdischen Vermächtnisses sind, zum Beispiel die einzige Synagoge in der Stadt Oświęcim. Das ist jetzt die einzige Synagoge, die im Umfeld der Stätte von Ausschwitz noch vorhanden ist; diese Synagoge war von den Nazis nicht vollkommen zerstört worden. Um das Jahr 2000 herum ist es uns gelungen, diese Synagoge zu renovieren, und heute ist sie eben ein Gebetshaus, wohin jüdische Gruppen zum Nachdenken, zum Beten und zum Sich-Besinnen kommen. Natürlich ist das auch eine Gedenkstätte für Gruppen aus Österreich oder aus Deutschland.
Es gibt auch das Jüdische Museum für die Geschichte von Oświęcim – 400 Jahre jüdische Geschichte in dieser Kleinstadt, in dieser typischen Stadt: vor den Kriegsjahren eben 60 Prozent jüdische Bevölkerung, einige Tausend jüdische Einwohner. Natürlich ist das auch österreichische Geschichte, denn im 19. Jahrhundert war das ja Teil des Habsburgerreiches. Oświęcim und Auschwitz waren im 19. Jahrhundert bereits als Namen bekannt, und dazu noch der jüdische Name.
Dann gibt es noch das Haus des letzten jüdischen Einwohners Szymon Kluger. Das ist heute ein modernes, gemütliches Café, das sehr beliebt ist, auch für Tourist:innen. Dann gibt es den Synagogue Memorial Park – die Synagoge wurde ja zu Beginn der Invasion zuerst niedergebrannt und dann von den Auschwitzhäftlingen zerstört. Heute gibt es diesen Memorial Park.
Das ist eben der eine Teil unserer Aktivität – das heißt, die Aufrechterhaltung, die Bewahrung der Spuren und der Überreste sowie die Verwendung von diversen modernen Techniken, zum Beispiel auch, dass wir eine Oświęcim-App und diverse Onlineinstrumente haben –, und auf der anderen Seite die Aufklärung, das heißt die Verbindung von Aufklärung über den Holocaust mit aktuellen Themen, das heißt Bewusstseinsbildung für das Vorgehen gegen Hassphänomene und so weiter mit Studierenden, mit Professoren und Professorinnen. Das alles ist uns sehr wichtig: dass wir auch immer die Brücke zur Gegenwart schlagen. Und dass wir uns die Zunahme des Antisemitismus, der Xenophobie und so weiter ansehen, ist uns auch sehr wichtig und ist für uns auch ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Tätigkeit.
Danielle Spera: Jayne, Australien war ein Zufluchtsort für viele österreichische Flüchtlinge während des Zweiten Weltkrieges. Jetzt haben Sie die österreichischen Gedenkdiener. Wie laufen denn diese Begegnungen zwischen den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und den österreichischen Gedenkdienern und Gedenkdienerinnen?
Jayne Josem (Geschäftsführerin Melbourne Holocaust Museum): Danke. – Vor dem Krieg hatten wir natürlich schon einige Österreicher und Deutsche, die hier Zuflucht gefunden haben, aber natürlich war die Zahl viel zu gering im Vergleich zu jenen, denen es nicht gelang zu fliehen.
Ja, wir haben Gedenkdiener, die mit den Zeitzeugen zusammentreffen, und das ist immer eine sehr starke Interaktion mit persönlichen Beziehungen, die hier entwickelt werden. Sie hören sich gegenseitig eben ihre Geschichten an. In unserem Museum haben wir auch einige österreichische Zeitzeugen, aber im Wesentlichen sind doch die meistens aus Polen, die nach dem Krieg gekommen sind, um sich in Melbourne niederzulassen. Das Museum wurde also vor ungefähr 40 Jahren von Holocaustüberlebenden gegründet.
Die Gelegenheit für die Gedenkdiener mit den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zusammenzutreffen und mit ihnen eben aus erster Hand zu reden, das ist einer der besten Aspekte dieses Programms.
Danielle Spera: Was gibt es sonst noch an Aktivitäten? Können Sie die Arbeit noch ein bisschen beschreiben?
Jayne Josem: Gerne. – Wir versuchen die jungen Männer und jetzt auch Frauen in so vielen Teilen des Museums wie möglich einzubinden, das heißt Aufklärungsprogramme, Archivarbeit. Das ist für uns besonders wichtig, weil wir da die Gelegenheit haben, dass sie auch Dokumente übersetzen oder wir diese übersetzen lassen – viele Materialien sind ja entweder auf Deutsch oder Polnisch, und die jungen Männer und Frauen machen für uns Übersetzungsarbeiten und stoßen dabei oft auf Geschichten, die eine ganz große Rolle spielen und zeigen, dass wir aus Österreich Briefe haben von Familienangehörigen hier – an zum Beispiel deren Kinder, die nach Australien gegangen sind und die versucht haben, wieder in Kontakt zu treten oder Visa und so weiter für diese zu bekommen –, aber wegen der Zensur haben sie die Briefe dann nie zurückbekommen. Auch wenn sie vielleicht zurückgeschrieben haben, wurden sie von der Zensur abgehalten. Davon haben wir eben Spuren.
Auch bei diversen Gedenkveranstaltungen helfen sie. Da die Personen eher jung sind, sind sie natürlich auch sehr geschickt dabei, uns bei den diversen Social-Media-Aktivitäten und technologischen Sachen zu helfen. Das heißt, diese jungen Freiwilligen spielen hier eine sehr vielfältige und gute Rolle.
Danielle Spera: Felix, es gibt eine so große Vielfalt an Dingen, für die Sie im Gedenkdienst verantwortlich sind. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Felix Loidl: Im Österreichischen Auslandsdienst, im Gedenkdienst haben wir auch ein Vorbereitungsprogramm, wo man sich eben darauf vorbereitet, wohin man gehen möchte. Es gibt dann auch spezifische Bücher je nachdem, wohin man geht. Man wird also eigens für den Ort vorbereitet, für den man sich entscheidet. Man muss in der Organisation aktiv mitarbeiten, das ist Teil des Prozesses: dass man sich einbringt und dass man versucht, Dinge besser zu machen. Ja, so sieht das im Wesentlichen aus.
Danielle Spera: Vielen Dank. – Wie war das bei Ihnen, Jacob Anthony, die Vorbereitung?
Jacob Anthony Bauer: Ja, was die Vorbereitung betrifft, kann ich mich nur dem Gehörten anschließen und sagen, dass die Vorbereitung für mich das Wichtigste war, nämlich diese Studienreise. Ich weiß, auch Sie haben diese Studienreise nach Polen gemacht; ich war in der Kohorte von 2021, und dieses Konfrontiertwerden mit der Geschichte, der Geschichte ins Auge zu sehen, das ist für mich wirklich etwas ganz Wichtiges.
Etwas sehr Tragisches, woran ich mich erinnere: Wir sind auf Auschwitz-Birkenau zugegangen, und als wir dann noch draußen waren, habe ich eine Gruppe von jüdischen Personen gesehen, die hineingegangen sind. Und als ich dann zum Bus gegangen bin und gesehen habe, wie diese Personen gekommen sind und sich verbeugt haben, das war für mich eine sehr wichtige Erfahrung, und ich glaube, ohne diese Studienreise wäre ich nicht so gut vorbereitet gewesen. Das war für mich also einer der wichtigsten Aspekte dabei.
Noch etwas ganz Wichtiges waren unsere ganzen Konferenzen und Vorträge, wo Personen eingeladen werden – Sie zum Beispiel, Herr Sobotka, haben dabei über sehr wichtige Dinge gesprochen – oder wir haben auch die monatlichen Konferenzen überall, wo wir über die gebietsspezifischen Themen reden, zum Beispiel Afrika, Politik und dann auch noch die Jahreskonferenzen oder zwei Konferenzen pro Jahr. Da hatte ich zum Beispiel die Ehre, zwei Workshops zu leiten, schon 2020 und dann 2021, wo ich mit ehemaligen und aktuellen europäischen Kommissionsmitgliedern zusammengearbeitet habe, wo es um die Bedeutung der EU auf der Weltbühne geht und auch die Bedeutung innerhalb der EU. Das heißt, ja, da sind Themen für alle dabei.
Danielle Spera: Sie sind mit wichtigen Politikerinnen und Politikern zusammengetroffen, mit Zeitzeugen. Gab es etwas ganz Besonderes, an das Sie sich noch erinnern?
Jacob Anthony Bauer: Ja, es gibt natürlich immer besondere Augenblicke. Wenn ich einen eher traurigen Augenblick mit Ihnen teilen darf, dann wäre das der Folgende: Ich bin in Budapest auf die Fischerbastei zugegangen, eine sehr wichtige Stätte. Ich bin dort gemeinsam mit meiner Mutter hingegangen. Wir sind von der Straßenbahnhaltestelle darauf zugegangen, vor uns gingen zwei Männer, und die wirkten irgendwie komisch auf mich. Sie sahen aus wie Skinheads, hatten Tattoos und so weiter. Wie sie dann auf die Fischerbastei zugegangen sind, habe ich gesehen, dass sie eine Fahne dabeihatten, schwarz-gelb, und wir wussten also, dass das radikale, nationalistische Personen waren. So etwas ist mir in Ungarn eigentlich sehr oft untergekommen. An einen meiner letzten Tage in Ungarn bin ich durch eine meiner Lieblingsstraßen gegangen, und als ich über die Straße gegangen bin, habe ich jemanden gesehen, der seine rechte Hand in die Luft streckte. Sonst passierte nichts, nur eben diese ganz willkürliche Begegnung. Aber das passiert einem in Ungarn recht oft.
Ich habe im Bereich Antisemitismusforschung gearbeitet und muss leider sagen, dass es in Ungarn nicht sehr gut aussieht, was diese Frage betrifft.
Danielle Spera: Deshalb ist Ihre Arbeit ja von so großer Bedeutung.
Felix, für Sie ein besonderer Augenblick?
Felix Loidl: Ja, da gibt ein Ereignis, das ich gerne im Zusammenhang mit meinem Gedenkdienst erwähnen möchte. Ich habe damals an der Rezeption gearbeitet, habe Tickets verkauft. Ein junges Paar kam ins Museum. Ich dachte zuerst, sie würden gleich wieder gehen, weil sie etwas zögerlich dastanden. Letztlich aber kam die junge Frau zu mir und fragte mich zunächst, wie man zum ehemaligen Ghettobereich käme. Wir haben dann ein bisschen zu reden begonnen. Sie war am Museum sehr interessiert, fragte, wie viele Polen, wie viele Touristen zum Museum kommen, was meiner Meinung nach deren Motivation sei? Sie war aber auch sehr höflich. Sie fragte, ob sie mir die Fragen stellen dürfe, ob mich das nicht störe? Sie stellte dann fest, dass mein Akzent doch kein polnischer Akzent sei und fragte mich, wie ich hierhergekommen sei. So erklärte ich ihr, was der Gedenkdienst ist und warum es mich eben dorthin verschlagen hatte.
Da leuchteten dann ihre Augen plötzlich und sie wurde sehr emotional, erzählte, dass sie aus Israel kam, dass sie selbst aus einer Familie von Holocaustüberlebenden stammte. Es hat sie sehr berührt, dass junge Österreicherinnen und Österreicher für so eine Institution diesen Dienst leisten können, ins Ausland gehen können.
Das hat mich sehr bewegt. Ich bekam feuchte Augen. Ich denke, diese Begegnungen machen den Gedenkdienst so besonders.
Danielle Spera: Vielen Dank.
Das wäre auch meine nächste Frage an Sie. Sie sind ja am Leben, weil Ihr Vater von Oskar Schindler gerettet wurde. Wie ist es für Sie heute, diese jungen Österreicherinnen und Österreichern zu treffen?
Tali Nates: Ja, das ist eine unglaubliche Begegnung. Da gibt es einerseits den Hass, und dann gibt es eben das Andenken und das Hochhalten dieses Andenkens, das Brückenbauen, Hoffnung schaffen. Ich bin die zweite Generation und wuchs mit einem Vater auf, der zu Beginn des Krieges ein Teenager war. Er überlebte sechs Konzentrationslager und war ein traumatisierter Mensch. Später sprach er nicht viel darüber. Er öffnete sich eigentlich immer nur dann, wenn Oskar Schindler nach Israel kam – da lebten wir damals, heute bin ich in Südafrika –, da öffnete er sich ein bisschen, sprach über seine Erfahrungen.
Ich wuchs also mit manchen Botschaften auf, die für ein junges Mädchen sehr stark waren, die lauteten: Schätze nicht alle Menschen gleich ein, man kann nicht alle über einen Kamm scheren! Menschen fällen immer Entscheidungen! Er sagte mir auch immer: Ich lebe eigentlich wegen eines Deutschen. Du selbst bist am Leben dank eines Deutschen. – Das sagte mir mein Vater, als ich ein kleines Mädchen war. Das war eine Botschaft, die bei mir eigentlich hängenblieb. Mein Vater und mein Onkel waren die einzigen Überlebenden ihrer Familie. Der Rest der Familie wurde in Belzec, einem Todeslager ermordet. Gestern waren es übrigens 80 Jahre; der 30. August war der Tag, an dem sie Nowy Targ verließen, und wahrscheinlich wurden sie am 31. August ermordet oder vielleicht auch am 1. September. Wir wissen es nicht genau. Wir haben da keine Unterlagen.
Aber ausgehend von all diesen Dingen habe ich das Holocaust & Genocide Centre in Johannesburg gegründet. Menschen aus der ganzen Welt sind nun seit drei Jahren dort Gedenkdiener. Der Erste traf damals Doris Lurie, eine Überlebende aus Wien. Eine ganz großartige Überlebende, die so viel von ihrer eigenen Geschichte weitergab, und die Tatsache, dass ein junger Gedenkdiener, Matthias, diese Überlebende traf, mit ihr sprach, sich austauschte, wird für alle nie mehr zu vergessen sein. Ich glaube, die Symbolik ist hier auch sehr wichtig.
Danielle Spera: Jayne, ich glaube, Ihr Vater floh 1939 als Junge aus Österreich. Wie ist es heute für Sie, hier im österreichischen Parlament zu sitzen?
Jayne Josem: Ich wachte heute sehr früh auf – ich bin noch ein bisschen im Jetlag – und spazierte herum. Da hat es mich irgendwie dann doch plötzlich gepackt, als ich daran dachte, dass meine Großeltern hier geboren wurden, (phonetisch) Albert Großbart 1907 und (phonetisch) Josephine Löwenstein 1912. Mein Vater wurde 1937 geboren, er erinnert sich also nicht an Wien, aber der Anschluss fand kurz nach seiner Geburt statt.
Mein Großvater flüchtete zunächst. Mein Vater Heinz, später Henry, weiß gar nicht, wie diese Flucht erfolgte. Er wusste nur, dass sie auf dem letzten Schiff waren, das vor Kriegsbeginn die Niederlande verließ. Sie verbrachten die Kriegsjahre dann in London. Ich denke, das war sicher eine sehr schlimme Zeit mit den Bombenangriffen auf Großbritannien, der Tatsache, dass sie die Sprache nicht sprachen. Nach dem Krieg sind sie dann nach Australien ausgewandert. Meine Großmutter starb schon 1953 – 41-jährig! Sie hatte einen Herzanfall. Ich denke einfach, dass dieses ganze Jahrzehnt, all das, was damals geschah, sie so stark traf. Mein Großvater Albert starb einige Monate vor meiner eigenen Geburt. Das heißt, ich hatte nie diese wirklich enge Verbindung zu Österreich, nur über meinen Vater, der nur ein Jahr hier verbracht hat. Das heißt, da gab es nie eine starke Verbindung. Natürlich haben wir Schnitzel und Erdäpfel gegessen – das war vielleicht eine Verbindung.
Noch etwas, das ich noch sehr genau weiß: Da gab es diesen Kinderreim. Mein Vater setzte mich immer auf seinen Schoß und sang „Hoppe, hoppe Reiter“, und dann ließ er mich fallen. Ich sagte damals immer: Ja, noch einmal, noch einmal!, und das war eigentlich etwas, was mich vielleicht ein bisschen verbunden hat; ansonsten gibt es diese Verbindung nicht so sehr.
Nun bin ich Direktorin des Holocaust Museums, vorher war ich als Kuratorin tätig. Schon damals war die Anwesenheit der jungen Österreicherinnen und Österreichern etwas, was es mir ermöglicht hat, diese Verbindung zum Land, zur Vergangenheit wiederherzustellen, auch zur Tatsache, dass dieses Land versucht, seiner Verantwortung so gut wie möglich gerecht zu werden. Ich stamme aus einem Land, das selbst Verantwortung übernehmen muss, noch stärker als bisher, für Dinge, die in Australien geschehen sind. Ich denke, viele von uns kommen aus Ländern, in denen diese Übernahme von Verantwortung sehr wichtig ist.
Danielle Spera: In Österreich gibt es große Unterstützung seitens der Regierung für jüdische Einrichtungen und Gemeinden. Das ist wirklich unglaublich. Ich war früher Journalistin und natürlich bleibt das immer bei einem, deshalb nun vielleicht eine heikle Frage an Sie: Wie ist die Unterstützung für Ihre Institution seitens der polnischen Regierung?
Tomasz Kuncewicz: Wir sind eine Stiftung. Wir erhalten Zuschüsse und Unterstützung durch die Stadt Auschwitz, Oświęcim, also von der Stadt, in der sich unsere Institution befindet. In den jüngsten Jahren gab es keine Unterstützung durch die Regierung Polens, in der Vergangenheit allerdings sehr wohl. Wobei wir natürlich auch EU-Zuschüsse und andere Zuschüsse erhalten. Derzeit gibt es aber von der Regierung keine Unterstützung.
Danielle Spera: Danke.
Vielleicht eine letzte Fragerunde: Ich möchte Sie alle fragen, ob es an diesem besonderen Tag vielleicht eine besondere Botschaft gibt, die Sie unseren Teilnehmern, vielleicht allen mitteilen möchten? – Beginnen wir mit Ihnen.
Jacob Anthony Bauer: Eine besondere Botschaft von einem Freund von mir aus Südafrika, er war ein Überlebender des Genozides in Ruanda, der ja erst vor wenigen Jahrzehnten stattfand, erst rund 20 Jahre ist das her: Völkermord, Gräueltaten gegen Minderheiten, Juden und so weiter finden überall statt. Ich habe hierzu geforscht. Ich bin Halbschwede. Es gab in Schweden gegen die Sami und die Eingeborenen Gräueltaten. Das geht mir sehr nahe. Meine Botschaft an alle ist also, dass niemand alleine ist, niemand alleine bleiben wird. Es gibt immer Menschen, die sich zusammen einsetzen. Es wird am Ende ein Ergebnis geben. Wenn wir alle zusammenstehen, dann können wir eine Botschaft aussenden. Es wird vielleicht eine Weile dauern, aber die Botschaft wird irgendwo auf offenes Gehör stoßen. (Beifall.)
Tomasz Kuncewicz: Ich komme von einer Institution und leite diese in Oświęcim, im Schatten von Auschwitz. Ich bin überzeugt, dass Auschwitz eine Art Impfung sein kann und ist – gegen Hass, Fremdenhass und Intoleranz. In den 1930er-Jahren war es so, dass man in Österreich, Polen, Deutschland und in vielen anderen Ländern nicht wusste, was da kommen würde. Heute wissen wir, wozu das geführt hat. Es reicht also nicht, diese Stätten wie Auschwitz zu besuchen. Man muss wirklich aufstehen und sich einsetzen. Es gibt hier natürlich eine riesige Verantwortung für die Politikerinnen und Politiker, die die Angst, die Diskriminierung und die Vorurteile nicht missbrauchen dürfen. Das scheint sehr einfach. Man kann vielleicht eine Umfrage machen und dann kommt da heraus, dass die Menschen Angst vor Flüchtlingen haben. Damit kann man dann spielen. Das ist eine sehr primitive Art, Politik zu machen. Das ist aber leider eine Art von Politik, die auch zu Ereignissen wie eben Auschwitz führen kann. Das heißt, von diesem sehr bedeutenden Ort aus rufe ich Sie alle dazu auf, aufzustehen und nicht in diese Falle der primitiven Politik zu laufen! (Beifall.)
Felix Loidl: Ich denke, meine Botschaft wäre eine Botschaft für junge Österreicherinnen und Österreicher, dass auch sie Gedenkdienst leisten sollen. Das ist eine tolle Chance, die wir hier in Österreich haben. Deshalb würde ich einfach sagen: Wenden Sie sich an den Gedenkdienst, engagieren Sie sich! Das ist alles, was ich sagen möchte. (Beifall.)
Tali Nates: Ich habe in bisschen über meine Familiengeschichte gesprochen. Ich habe das Johannesburg Holocaust & Genocide Centre gegründet, das sicher ein Projekt im Gedenken an jene ist, die überlebt haben, aber auch für andere. Was ist die Rolle von so einem Zentrum? Was ist denn die Rolle eines Parlaments? Was sollten wir alle tun? Ich glaube, wir alle sollten Aktivistinnen und Aktivisten des Gedenkens werden. Wir sollten das Andenken, die Erinnerung nehmen und sie aktivieren. Wir sind ein Holocaustzentrum, aber wir forschen auch zu Deutsch-Südwestafrika. Wir forschen auch zum Genozid gegen die Tutsi in Ruanda, dreieinhalb Stunden von unserem Zentrum entfernt, wo wir im April 1994 für Nelson Mandela gewählt haben. Wir haben uns da nicht schnell genug eingebracht.
Meine Botschaft ist also: Stellen wir diese Verbindungen schneller her! Ich selbst war damals zu langsam, wenn es darum ging zu wählen, meine Stimme abzugeben, die Botschaft meines Vaters niemals wieder wirklich anzuwenden, auch damals 1994. Unsere Welt ist verletzt. Sie blutet. Wir müssen diese Verbindungen schneller herstellen. Wir müssen das tun! Bitte. (Beifall.)
Jayne Josem: Ich denke, dem kann ich nur hinzufügen, dass meine Botschaft mit der Bedeutung, dem Wert von Bildung, von Aufklärung, vor allem für junge Menschen, zu tun hat. Meine Institution ist ja eine Cross-Roads-Institution, die von Holocaustüberlebenden aufgebaut wurde, die einfach mit den Menschen sprechen wollten, Menschen treffen wollten. Heute noch kommen Studierende und treffen dort Zeitzeugen. Abram Goldberg zum Beispiel ist 98 Jahre alt. Ich schätze, dass wir vielleicht noch zehn Jahre haben, um das zu nutzen.
Das Gedenkdienstprogramm ist auch so ein Programm, das von unten geschaffen wurde, wo junge Menschen unglaubliche Begegnungen machen können. Wenn wir junge Menschen dabei unterstützen können, dann helfen wir ihnen, sich gegen Hass zu wappnen. Wenn man jemanden trifft, mit jemandem spricht, dann ist es auch schwierig, diese Menschen zu hassen, dieses Othering umzusetzen. Ich denke, das ist die Antwort: miteinander sprechen und einander treffen. (Beifall.)
Danielle Spera: Vielen Dank für diese wunderbare Podiumsdiskussion. Aufstehen – und ich meine jetzt nicht, Sie sollen gleich aufstehen, sondern –, aufstehen und sich engagieren, die Hoffnung nie aufzugeben, das sind wichtige Botschaften, zu denen wir alle beitragen können und sollen. Ich danke Ihnen. (Beifall.)
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(Es folgt ein Musikstück.)
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(Beifall.)
Danielle Spera: Wir freuen uns jetzt auf unseren ganz speziellen Gast aus Jerusalem, Dani Dayan. Dani Dayan kam als 15-Jähriger mit seiner Familie von Argentinien nach Israel und erlangte Studienabschlüsse in Finanzen, Wirtschaftswissenschaften sowie Informatik. Von 2016 bis 2020 wirkte er als israelischer Generalkonsul in New York, zuvor war er Vorsitzender des Yesha-Rats, der Dachorganisation israelischer Siedler. Er war Vorstandsvorsitzender sowie CEO des von ihm gegründeten Unternehmen Elad Software Systems. Dayan engagiert er sich ehrenamtlich für Nefesh B'Nefesh, eine Organisation, die amerikanische Juden bei der Immigration nach Israel unterstützt. Bis zu seiner Entsendung nach New York war er Mitglied des Beirats von Yad Vashem. Yad Vashem ist seit 1994 Partnerorganisation des Gedenkdienstes. Aus diesem Anlass heute besucht Dani Dayan zum ersten Mal Österreich, zum ersten Mal Wien. Wir hoffen sehr, dass es nicht das letzte Mal bleibt. Wir freuen uns schon – the floor is yours. (Beifall.)
Dani Dayan (Vorsitzender von Yad Vashem – Die internationale Holocaust Gedenkstätte): Vielen Dank, Danielle! Vielen Dank, Herr Nationalratspräsident! Excellenzen! Meine Damen und Herren! An meinem ersten Amtstag als Direktor von Yad Vashem vor ziemlich genau einem Jahr war meine zweite Amtshandlung, dass ich einmal einen Rundgang gemacht habe. Es ging darum, zwei Holocaustzeitzeugen zu treffen, einen aus Frankreich, einen aus Polen, die immer noch in Yad Vashem arbeiten.
Bei meinem Rundgang über den Campus von Yad Vashem haben meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mich in das Museum of Holocaust Art geführt. Es ist vielleicht weniger bekannt, dass das ein historisches Museum war und ist, aber es ist sehr beeindruckend, und zwar nicht nur, weil die Kunstwerke, die dort ausgestellt sind, so beeindruckend sind, sondern auch aus folgendem Grund: Als die Nazis versuchten, die Juden zu entmenschlichen, gab es auf wunderbare Art Juden, die trotzdem weiterhin Kunst geschaffen haben und das unter diesen unmöglichen Umständen.
Eine dieser Personen war Gela Seksztajn. Gela Seksztajn war eine polnisch-jüdische Malerin im Ghetto in Warschau. Diese Malerin hat weiterhin mit Farben auf Leinwand gemalt. Irgendwann gingen ihr die Leinwände und die Farben aus, also hat sie so gut es eben ging auf weißem Papier mit irgendwelchen improvisierten Stiften gezeichnet. Und sie versteckte einige ihrer Kunstwerke im Ringelblum-Archiv, das teilweise nach dem Krieg wiedergefunden und wiederhergestellt wurde. Neben diesen Kunstwerken hat sie auch ihren letzten Willen vergraben und versteckt. Der war handgeschrieben auf Jiddisch und wurde nach dem Krieg ebenfalls wiedergefunden. Ein Zitat aus diesem Testament von Gela Seksztajn vom 1. August 1942 im Warschauer Ghetto befindet sich jetzt in unserem Kunstmuseum in Yad Vashem, ausgestellt neben ihren Malereien und Zeichnungen.
Ich habe mir diesen Satz dort auf Englisch und auf Hebräisch angesehen. Gela Seksztajn sagte dort im Wesentlichen – ich zitiere jetzt frei –: Ich weiß, dass ich nicht überleben werde. Ich weiß, dass ich diese Hölle nicht überleben werde. – Und so kam es dann auch. Sie wurde umgebracht, ebenso ihr Ehemann, ihre dreijährige Tochter. Und dann schrieb sie weiter: Meine Kunstwerke vermache ich dem jüdischen Museum, das nach dem Krieg hier gegründet werden wird.
Ich habe diese Worte auf einer Wand in unserem Kunstmuseum hängen gesehen, und ich muss zugeben, dass ich dabei ganz schwach wurde, denn ich habe dann erst unsere Verantwortung verstanden. Sie sprach genau über das, was Yad Vashem werden würde. Sie wusste es noch nicht. Sie wusste nicht, dass es Yad Vashem heißen würde. Vielleicht war sie auch gar nicht optimistisch genug, um zu glauben, dass dieses Museum in Jerusalem, in der Hauptstadt eines unabhängigen jüdischen Staates stehen würde. Aber sie bezog sich auf das, was Yad Vashem werden sollte. Dann wurde mir erst die Verantwortung klar, die auf unseren Schultern lastete.
Meine erste Entscheidung als Yad Vashem Direktor war dann, dieses Zitat in meinem Büro aufzuhängen. Das ist der erste Satz, der mir jeden Tag ins Auge springt, wenn ich in mein Büro komme, und der letzte Satz oder das Letzte, auf das mein Blick fällt, wenn ich meinen Arbeitsplatz verlasse. Das ist meine ganze Inspiration und meine Motivation in meiner täglichen Arbeit. Diese schmerzhafte Gewissheit und dieses Bewusstsein unserer Verantwortung lässt mich aber nicht an Optimismus verlieren. Ich bin aus folgenden Gründen optimistisch: Deshalb, weil ich sehe, was auch hier in Österreich geschieht.
Das ist mein erster Österreichbesuch, aber nicht deshalb, weil ich zuvor keine Gelegenheiten hatte, hierherzukommen; ich bin auch aus demselben Grund noch nie nach Deutschland gegangen. Für uns Juden und Jüdinnen ist es so, dass wir einen Brauch haben: dass wir ein kleines Stück Wand im Eigenheim unbemalt lassen, nicht streichen. Das soll an die Zerstörung Jerusalems erinnern. Das ist der Grund, warum ich bis jetzt, obwohl ich in so vielen Ländern der ganzen Welt war, diese zwei weißen Flecken – Österreich und Deutschland – auf meiner Landkarte gelassen habe. Aber jetzt, da ich sehe, welch großartigen Dinge hier in Österreich passieren, obwohl Österreich lange sagte, dass es das erste Opfer des Nationalsozialismus war, jetzt aber die ganze Verantwortung übernimmt, lässt mich das doch optimistisch werden, optimistisch auch, wenn ich sehe, dass die Holocaustsensibilisierung in Österreich voranschreitet.
In den Siebziger-, Achtziger- und Neunzigerjahren gab es sogenannte „Intellektuelle“, die noch leugneten, dass der Holocaust überhaupt stattgefunden hat. Deborah Lipstadt war in ihrem Irving-Prozess damit konfrontiert. Irving ist ein „Intellektueller“, der die Existenz des Holocaust leugnete. Das wäre heute, abgesehen von ein paar ganz verrückten Auswüchsen in den Social Media, undenkbar. Natürlich gibt es immer noch Verdrehungen und so weiter, aber das soll ein anderes Mal ein Thema werden.
Den Internationalen Holocaust-Gedenktag gab es vor einigen Jahren noch nicht. Die IHRA, die International Holocaust Remembrance Alliance, wurde im 21. Jahrhundert erst geschaffen. Eine Konferenz wie die Malmökonferenz vom schwedischen Premierminister gab es im 20. Jahrhundert noch nicht, sondern erst im 21. Aber mein Optimismus ist insbesondere dieser dritten Generation geschuldet. Die dritte Generation, das ist ein Ausdruck, den wir in Israel, in der jüdischen Welt verwenden, um die Enkelkinder der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu bezeichnen. Natürlich gibt es für sechs Millionen Juden keine dritte Generation, aber die Überlebenden haben oft Enkelkinder.
Die meisten Überlebenden sind stumm geblieben, haben nicht öffentlich gesprochen. Die Kinder, die zweite Generation, hat keine Fragen gestellt oder sich sogar geweigert, Fragen zu stellen. Aber die dritte Generation stellt jetzt Fragen, und die Großeltern antworten und erzählen ihre Geschichte. Die dritte Generation, das ist die junge Generation oder bereits schon die vierte Generation, die jetzt das Holocaustgedenken hochhält. Das stimmt mich zuversichtlich.
Aber fast wie durch ein Wunder kommt es vor, dass die dritte Generation der Kollaborateure, der Täter, der Zuschauer, der Mitläufer und der Gerechten unter den Nationen jetzt sprechen und Fragen stellen, handeln und als Freiwillige arbeiten. Aus diesem Grund bin ich zum ersten Mal in meinem Leben nach Wien gekommen – nicht, um mich der Wall of Names zu widmen und auch nicht für ein Event in Mauthausen, sondern ich habe beschlossen, zur Feier 30 Jahre Gedenkdienst zu kommen. Denn dabei geht es ja genau darum: die Verantwortung zu übernehmen durch die dritte Generation, durch handeln, durch Taten, dadurch, dass Sie dem einen Teil ihres Lebens widmen. Und das stimmt mich äußerst zuversichtlich.
Liebe Freundinnen und liebe Freunde! Abschließend möchte ich noch sagen, dass man mich oft fragt, welche Lehren man aus der Schoah ziehen kann. Und ich weiß nicht, ich denke, ich kann diese Frage nicht beantworten. Es gibt nicht eine Lehre, die sich daraus ziehen lässt. Wir können hier nicht etwas machen, was an Indoktrinieren erinnert. Solange die Lehre des Holocaust von anständigen Personen, von ethischen Personen gezogen werden, sind natürlich all diese Lehren legitim. Rabbi Israel Meir Lau, ein Holocaustüberlebender aus Buchenwald, hat zum Beispiel die Lehre daraus gezogen, dass man sein Leben Gott widmen muss. Sein Vorgänger, Tommy Lapid, der ehemalige Justizminister, Vater des aktuellen Premiers, ein Überlebender des Budapester Ghettos, lernte aus der Schoah, dass Gott nicht existiert. Wie soll ich da entscheiden können, wer von den beiden recht hat?
Ich darf natürlich auch meine eigenen Lehren ziehen und derer gibt es viele, aber ich möchte insbesondere zwei von diesen vielen Lehren mit Ihnen teilen, nur zwei:
Die erste, das ist etwas, wo es oft ein Missverständnis gibt, nämlich die existenzielle Notwendigkeit eines unabhängigen jüdischen Staates. Auch in einer Zeit, in der der Nationalstaat aus der Mode gekommen ist: Wir Juden, wir brauchen einen Staat. Das ist für uns eine Existenzfrage. Israel wurde nicht wegen des Holocaust gegründet, sondern trotz der Schoah. Ohne Schoah wäre unser Land viel robuster, sicherer und wohlhabender. Aber Israel ist die Garantie dafür, dass dem jüdischen Volk so etwas nicht ein zweites Mal passieren kann.
In der jüdischen Tradition oder nach jüdischen Legenden sollte ich vielleicht sagen, sind wir davon überzeugt, dass alle Generationen Juden, auch die noch nicht Geborenen, am Berg Sinai waren, als Gott Moses die Thora überreichte. Von diesen Juden, die auf der St. Louis waren, diesem Schiff, dass mit jüdischen Flüchtlingen aus Österreich und Deutschland unterwegs nach Kuba war, die dann aber nicht an Land gehen durften, obwohl sie ein Visum hatten, dasselbe in Kanada, in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo man ihnen sagte, nein, sie dürften nicht an Land gehen, und jedes einzelne südamerikanische und karibische Land sagte dasselbe, von diesen Personen auf der St. Louis wurden die meisten schließlich umgebracht. Ich bin überzeugt, dass Israel die Garantie dafür ist, dass es zu keinen solchen Vorkommnisse wie bei diesem Schiff, wie das Genannte, mehr kommt und wenn schon, dass sie einen sicheren Zufluchtsort haben. Können wir uns auf andere verlassen? – Nein, können wir nicht. Diese Lehre haben wir bereits gezogen.
Die zweite Lehre, die ich mit Ihnen abschließend noch teilen möchte, betrifft den Antisemitismus. Der Antisemitismus ist im Zunehmen begriffen. Als ich in New York als Diplomat für mein Land tätig war, dachte ich, Antisemitismus spiele keine große Rolle mehr, aber in meiner Zeit dort wurden in Amerika 15 Juden umgebracht – nicht attackiert, sondern umgebracht! Natürlich haben wir nicht mehr dieselbe Lage, wie in den Dreißigerjahren. Aber es gibt einen Unterschied zwischen uns und der Generation von damals, jüdische wie nicht-jüdische. Und der Unterschied ist, dass wir die Erfahrung haben, die diese damals nicht hatten. Wir wissen, dass es passieren kann. Sie haben sich damals vielleicht gedacht: Okay, es gibt die Bücherverbrennung, aber Menschen werden sie nicht verbrennen oder vergasen. – Mittlerweile wissen wir, dass das sehr wohl möglich war.
Daher ist meine Lehre für Intellektuelle, für Politiker, für Influencer, für Entscheidungsträger Folgende: Wenn Sie Antisemitismus beobachten, dann gehen Sie sofort gegen die ersten Anzeichen vor, und zwar scharf! Und in Wien, sollte ich vielleicht hinzufügen: dass beinhaltet auch Regime, die die Zerstörung oder die Löschung des Staates Israel von der Landkarte fordern. Wenn die Mullahs in Teheran sagen, dass sie Israel von der Landkarte löschen werden oder Tel Aviv vernichten werden, dann können Sie mir glauben, dass sie nicht nur die Gebäude meinen. Sie meinen nicht nur, dass ihnen die Bauhausarchitektur in Tel Aviv vielleicht nicht genehm ist, sondern sie wollen tatsächlich die Juden in Tel Aviv vernichten. Wenn Sie sagen, nie mehr wieder, dann handeln Sie bitte auch entsprechend. Vielen Dank. (Beifall.)
Danielle Spera: Vielen Dank, Dani, für diese Abschlussworte.
Ich darf Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka um sein Resümee bitten.
Ich darf mich stellvertretend, glaube ich, für uns alle, bei dir, lieber Wolfgang, bedanken, dass du diese wunderbare Feierstunde ausgerichtet hast. Danke. (Beifall.)
Wolfgang Sobotka (Präsident des Nationalrates): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Gedenkdiener! Sehr geehrter Herr Rabbi Cooper! Sehr geehrter Herr Dayan! Sehr geehrte Abgeordnete, Panelteilnehmer, Exzellenzen! Liebe Danielle Spera! Es war für mich auf der einen Seite sehr, sehr ergreifend, hat mich aber auch nachdenklich gemacht, die Feier 30 Jahre Gedenkdienst hier im österreichischen Nationalratssitzungssaal zu begehen.
Lassen Sie mich zuerst ein herzliches Dankeschön sagen, denn der Gedenkdienst, der Auslandsdienst, der Friedensdienst ist eine Visitenkarte Österreichs geworden, wie sie besser nicht sein könnte! Wir sehen es an den beiden jungen Herren, aber ich schließe alle ein. Wenn es nur irgendwie geht, besuche ich bei meinen Besuchen in den Ländern auch die Orte, wo Sie Ihren Dienst machen. Es ist fantastisch, zu sehen, wie engagiert Sie sind, was Sie mitnehmen können, was Sie letzten Endes auch als Promotoren tun, um aus dieser Erinnerung heute Verantwortung zu übernehmen. Es gibt – das hat nicht nur die Paneldiskussion, sondern das haben vor allem zuletzt die Ausführungen von Dani Dayan gezeigt – auf der einen Seite durchaus Grund zum Optimismus – der sollte uns leiten –, aber es gibt leider Gottes auch sehr viel Grund dafür, besorgt oder wachsam zu sein.
Ich darf zuerst allen Panelteilnehmern meinen Dank entbieten. Weil Sie von der Kunst in Yad Vashem gesprochen haben, möchte ich auch den Musikerinnen und Musikern sehr herzlich danken, dem Artel-Quartet, das sich auch mit der Betreuung von Exilarte der Künstler annimmt, die sich in den Konzentrationslagern trotz dieser für uns nicht vorstellebaren Bedingungen der Kunst verschrieben haben und Kunst geschaffen haben, die uns immer in doppeltem Sinne tief berührt. – Daher auch für Ihre musikalischen Botschaften und für Ihr Engagement in dieser Sache ein herzliches Dankeschön. (Beifall.)
Auch wenn Sie heute nicht hier ist, darf ich Deborah Lipstadt ein Dankeschön entbieten, weil sie in ihren Forschungen sehr klar zum Ausdruck gebracht hat, dass Antisemitismus auch antidemokratisch ist. Es muss daher für jeden Demokraten, der sich auf die Grundfesten der Demokratie und des Rechtsstaates beruft, eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, sich in dieser Form zu engagieren. Ihre Rede hat mich aufgrund ihrer Ergebnisse immer wieder dazu geführt, dass gerade die Parlamente eine besondere Aufgabe haben, dem Antisemitismus entgegenzuwirken.
Einer, der das aus seiner Profession heraus eben schon sehr früh getan hat – er ist vom Außenminister als eine besondere nachhaltige Person beschrieben worden, und auch ich kann davon das eine oder andere erzählen –, ist Herr Dr. Maislinger. – Bei Ihrem Engagement in einer Zeit, in der das in Österreich noch nicht so gesehen wurde und auch nicht gern gesehen wurde, darf ich bemerken: Sie müssen eigentlich eine totale Freude haben, was sich aus Ihren Ideen und aus Ihren Überlegungen heute für eine ganz besondere Bewegung herauskristallisiert hat. Über 1 300 junge Österreicherinnen und Österreicher sind Ihrer Idee gefolgt und haben letzten Endes für sich, aber auch für die Republik vieles geleistet. Ihnen ein herzliches Dankeschön, auch gerade hier vom Nationalrat aus. Vielen, vielen Dank! (Beifall.)
Dann darf ich noch einmal auf die Rede von Herrn Dayan zurückkommen: Erstens freut es mich, dass wir heute um 14 Uhr einen Letter of Intent für die Zusammenarbeit unterzeichnen dürfen. Auf der einen Seite geht es um die Zusammenarbeit mit dem Nationalfonds, der für uns ganz wichtig ist, weil dort nicht nur die operative Arbeit bei den Entschädigungen stattgefunden hat. Jetzt schafft der Friedhofsfonds, auch was die Geschichte der Vertriebenen, der Verstorbenen in den Findbüchern bedeutet, für die wissenschaftliche Aufbereitung in seinen Archiven eine ganz hervorragende Ausgangsposition. Dabei mit Yad Vashem zu kooperieren, erfüllt uns mit großer Freude, und wir werden uns anstrengen, damit wir all diese Erwartungen auch erfüllen können.
Letzten Endes ist aber Ihr Ansatz – neben der durchaus optimistischen Blickweise, dass es viele Initiativen gibt – auch der, der mich getrieben hat, zu fragen: Was läuft nicht so? Warum ist der Antisemitismus eigentlich noch immer vorhanden? Warum ist er eigentlich weltweit im Steigen? Ich kann nur jedem ans Herz legen, das Buch der Antisemitismusforscherin Monika Schwarz-Friesel „Judenhass im Internet“ zu lesen. Ihre Korpora haben gezeigt, mit welcher Rasanz sich das dort ausbreitet. Ihre Forschung zeigt uns, dass gerade dieses Phänomen des Antisemitismus nicht eines ist, das in der Nazizeit entstanden ist, auch nicht eines, das im 19. Jahrhundert in den nationalen Bewegungen entstanden ist, sondern dass es eine uralte negative kulturelle Haltung ist.
Schon bei Augustinus lesen Sie: Der Jude als Prototyp ist das Schlechte speziell, und er ist dafür verantwortlich, dass es nicht diesen reinen Gottesstaat auf Erden gibt. Das ist in einer Tradition über Martin Luther in das 19. Jahrhundert bis heute heraufgegangen und befeuert heute links wie rechts wie migrantisch die gleiche Diktion. Besorgniserregend ist, dass die Diktion, wie man heute Israel begegnet, letzten Endes mit den gleichen Worten verbrämt formuliert wird, wie es in der Nazizeit der Fall gewesen ist.
Wenn wir heute die Ausstellung der Documenta Kassel betrachten – ich weiß nicht, wer sie von Ihnen gesehen hat –, die so klar antisemitisch war, wie es nicht klarer sein kann, erkennen wir, dass noch immer unter dem falschen Prätext der Freiheit der Kunst eine eigene Diskussion geführt wurde. Dasselbe passiert heute im Internet, wenn es um die Freiheit der Meinungsäußerung geht, wenn unter diesem Deckmantel die Freiheit des Menschen, die Menschenwürde nicht nur gröblich verletzt wird, sondern es bis zur persönlichen Attacke und durch Mobbing zur Selbstgewalt kommt, wie wir es am Beispiel einer Ärztin gesehen haben. Diese Ausformungen müssen uns zutiefst Sorge bereiten.
Bei dem Gespräch mit Rabbi Cooper heute am Morgen haben wir doch sehr klar identifiziert, dass gerade die Verantwortung der Plattformen eine ist, die auch die Parlamente mehr in Augenschein nehmen müssen, um sie an eine rechtliche Basis zu binden, damit das gar nicht erst stattfinden kann. Egal ob es der EU-Digital-Services-Act oder hier in Österreich das Gesetzpaket gegen Hass im Netz ist: Es ist zu wenig, weil es nur der erste Schritt ist! Wir brauchen dabei eine klare Haltung, damit das gar nicht erst viral werden kann.
So ist es heute unsere Aufgabe, den Antisemitismus auf allen Ebenen zu bekämpfen. Es gibt noch eine Erkenntnis Deborah Lipstadts, die wir zwar wussten, die mir persönlich in diesem Moment aber gar nicht so bewusst war: Der Antisemitismus kommt nicht von den Rändern der Gesellschaft, er kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Dort ist er verankert und an den Rändern wird er sichtbar.
Wir kennen ihn unappetitlicherweise vom rechten Rand seit Jahrzehnten, genauso vom linken und in Österreich und in anderen Ländern – auch in Europa – aus der migrantischen Szene. Ohne in andere Stereotype wie Xenophobie oder Muslimfeindschaft zu verfallen, ist es unsere Aufgabe, den Antisemitismus auf allen Ebenen wirksam zu bekämpfen. Deshalb haben wir diesen Simon-Wiesenthal-Preis ins Leben gerufen, der uns helfen soll, die Gesellschaft als Gesamtes bei ihren Aktivitäten zu unterstützen.
Ein Projekt, das den Preis leider Gottes nicht erhalten hat, ist Zikaron BaSalon – ich hoffe, ich habe es richtig ausgesprochen –, das ist eigentlich das Erzählen im Wohnzimmer: Was ist passiert?
Wir brauchen ein breites gesellschaftliches Engagement, das sich auf allen Ebenen ganz klar gegen diese negative kulturelle Haltung einschaltet. Dann kann der Optimismus, den Sie ausgesprochen haben, auch wirklich eine nachhaltige Wendung in unseren Gesellschaften und schlussendlich weltweit erreichen.
Wenn wir heute noch das jüdische Jahr 5 782 haben, in wenigen Wochen, am 25. September, mit Rosch ha-Schana das nächste begrüßen, dann sollte uns bewusst sein, dass wir vieles tun müssen, um die jüdische Kultur und Religion auch sichtbar zu machen. Dann stärken wir diese Gesellschaft in ganz besonderer Art und Weise, wenn wir Jom Kippur, das zehn Tage später stattfindet, auch in unserem Bewusstsein tragen und dieses Fest, das mit besonderer Freude zu Gott gefeiert wird, auch wirklich an die Öffentlichkeit kommt und sich nicht verstecken muss.
Es ist mein Wunsch, dass der Beitrag des Gedenkdienstes nicht nur im Ausland gesehen wird, sondern vor allem auch im Inland Resonanz trägt, dass er im Inland viele motiviert, sich selbst zu engagieren. Daher komme ich wieder zu Ihnen zurück: Vielen Dank für Ihr beispielgebendes Engagement! Motivieren Sie viele junge Menschen, es Ihnen gleichzutun, und werden Sie nie müde, immer wieder aufzustehen, wenn es darum geht, gegen antisemitische Tendenzen klar Flagge zu zeigen! – Herzlichen Dank. (Beifall.)
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(Es folgt ein Musikstück.)
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(Beifall.)
Danielle Spera: Ich habe jetzt nur mehr die angenehme Pflicht, Sie zu einem gemütlichen Beisammensein einladen zu dürfen, gleich nebenan im Kleinen Redoutensaal.
Danke, dass Sie diesen wichtigen Moment mit uns geteilt haben. Einen schönen Tag noch. (Beifall.)