Transkript der Veranstaltung:
Symposium Blackout und Versorgungssicherheit
Harald Dossi (Parlamentsdirektor): Wir beginnen, ich glaube, 2 Minuten vor der vereinbarten Zeit. Mir ist aber gesagt worden, die wesentlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind anwesend, sie sitzen. (Heiterkeit.)
Ich begrüße Sie ganz herzlich zum Symposium Blackout und Versorgungssicherheit hier im Dachfoyer der Hofburg im Ausweichquartier des österreichischen Parlaments. Ich freue mich, dass dieser Nachmittag, dieser Abend gemeinsam mit dem Österreichischen Zivilschutzverband und Österreichs E-Wirtschaft organisiert werden konnte.
Ich möchte deswegen auch einleitend Herrn Abgeordneten Andreas Hanger, Präsident des Österreichischen Zivilschutzverbandes, sowie Frau Barbara Schmidt, die Generalsekretärin der österreichischen E-Wirtschaft herzlich begrüßen. – Willkommen! (Beifall.)
Die beiden werden dankenswerterweise zum Abschluss des heutigen Symposiums auch die abschließenden Worte an uns richten Ich möchte weiters begrüßen – und ich bitte um Verständnis, dass ich das aus Zeitgründen auch in einem machen werde – die gewissermaßen besonders aktiven Teilnehmer des heutigen Nachmittags willkommen heißen, nämlich Herrn Gerhard Christiner, den technischen Vorstand der Austrian Power Grid AG, Herrn Gerald Hesztera, den Leiter der Abteilung Strategie und Programmdirektor Blackout im Bundesministerium für Inneres, Herrn Philipp Eder, den Leiter der Abteilung Militärstrategie im Bundesministerium für Landesverteidigung, und last, but not least Herrn Josef Ober, den Bürgermeister der Stadtgemeinde Feldbach. – Herzlich willkommen! (Beifall.)
Die genannten Herren werden, bevor wir dann in die allgemeine Diskussion eingehen, jeweils auch ein kurzes Einleitungsstatement halten.
Ich möchte außerdem auch herzlich begrüßen Herrn Jaro Krieger-Lamina und Herrn Steffen Bettin, die beide wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sind. Die beiden werden an der Podiumsdiskussion ebenfalls teilnehmen, werden uns aber vorab schon eine kurze Information zu dieser Studie Blackout geben, die vom Institut für Technikfolgenabschätzung gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology im Auftrag des österreichischen Parlaments verfasst wurde. – Auch den beiden Herren ein herzliches Willkommen! (Beifall.)
Ich freue mich auch, wenn ich in die Runde schau, eine ganze Reihe aktiver Abgeordneter zum Nationalrat und Mitglieder des Bundesrates begrüßen zu dürfen, und möchte namentlich den Herrn Vizepräsidenten des Bundesrates, Bernhard Hirczy, hervorheben. – Herzlich willkommen! (Beifall.)
Meine Damen und Herren, die im Titel der Veranstaltung genannten Themen, nämlich Blackout und Versorgungssicherheit, sind allgegenwärtig in den Medien, in der allgemeinen Diskussion. Sie sind im Alltag angekommen. Man denke nur an den Kontext: der Ukrainekrieg, die Energiekrise, die besonders sichtbaren Auswirkungen des Klimawandels in Form von Waldbränden, Unwettern und Wasserknappheit.
Speziell mit dem Bereich der sicheren Stromversorgung und der Blackoutvorsorge in Österreich hat sich die bereits angesprochene Studie der beiden Institute auseinandergesetzt. Diese Studie wurde – auch schon erwähnt – vom österreichischen Parlament im Rahmen des Projekts Foresight und Technikfolgenabschätzung beauftragt. Sie wurde Anfang des Jahres veröffentlicht, und ich freue mich heute, dass wir Ihnen hier noch einmal eine Kurzpräsentation gefolgt von Expertenmeinungen und auch Expertendiskussionen dazu präsentieren können.
Ich möchte an dieser Stelle auch noch hervorheben, weil es sich eben um eine Initiative des Parlaments handelt, auf die wir in der Parlamentsdirektion sehr stolz sind: Wir glauben – und unterstützen das sehr –, dass den Abgeordneten im Rahmen ihrer Arbeit Entscheidungsgrundlagen aufbereitet werden müssen und es auch in einer immer komplexer werdenden, auch technisch komplexer werdenden Welt zunehmend wichtiger wird, Folgen von diskutierten und vorbereiteten politischen Entscheidungen auch rechtzeitig aufzubereiten, um ein bisschen in die Zukunft zu schauen, über den Tellerrand zu schauen, um dann eben politische Entscheidungen bestmöglich vorbereiten zu können. Dieses Projekt, das im guten Einvernehmen mit den parlamentarischen Klubs seit mehreren Jahren läuft, ist dafür ein gutes Beispiel. Ich glaube, diese Studie trifft da wirklich einen ein wesentliches Thema und wir können uns daher, denke ich, auf eine interessante Diskussion freuen. Wir werden das wie gesagt gemeinsam diskutieren.
Ich möchte abschließend allen Beteiligten der mit veranstaltenden Organisationen für die gute Zusammenarbeit in der Vorbereitung danken. Das hat alles gut geklappt.
Ich wünsche uns allen einen spannenden Nachmittag und würde jetzt zur weiteren Folge gerne an Frau Kim Kadlec vom ORF übergeben, die sich dankenswerterweise bereiterklärt hat, uns moderierend durch den heutigen Nachmittag zu geleiten. – Herzlich willkommen und vielen Dank. (Beifall.)
Kim Kadlec (Moderation): Vielen Dank. Danke Herr Dr. Dossi für Ihre Begrüßungsworte. Auch ein herzliches Willkommen von mir an dieser Stelle in diesen wunderbaren Räumlichkeiten der Wiener Hofburg zu einem brisanten Thema: Blackout und Versorgungssicherheit in Österreich.
Mein Name ist Kim Kadlec. Ich bin eigentlich Soziologin und habe mehrere Fernsehreportage zum Thema Krisenvorsorge für die Sendung „Am Schauplatz“ in ORF 2 produziert und darf sie heute mit meiner Moderation durch den Abend begleiten.
Diese Veranstaltung wird auch via Livestream ins Internet übertragen, damit all jene, die sich über das Thema informieren wollen, das heute auch von zu Hause aus können.
Wie wahrscheinlich ist ein Blackout in Österreich? Was würden wir tun, wenn es passiert? Und vor allem: Was würden wir tun, wenn wir in der Zukunft keinen Blackout haben wollen? Das heißt wie können wir das Risiko in der Zukunft möglichst minimieren? Dazu wollen wir heute Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen mit unterschiedlichen Expertise befragen und das gesammelte Wissen dazu hier kurz und knackig präsentieren.
Ganz zu Beginn möchten wir uns der Wissenschaft zuwenden. Es ist gerade schon kurz erwähnt worden. Es gibt beauftragt vom österreichischen Parlament eine große wissenschaftliche Studie, die bereits Anfang des Jahres präsentiert wurde. Die Studie ist in Zusammenarbeit des Instituts für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und des Austrian Institute of Technology durchgeführt worden. Zwei der Studienautoren und ‑autorinnen sind heute hier, um grob die Ergebnisse der Studie zu präsentieren – und damit würden wir gerne anfangen.
Ich bitte daher die zwei Wissenschafter, die heute da sind, zu mir auf die Bühne, und zwar sind das Jaro Krieger-Lamina, Master of Science und Dr. Steffen Bettin. – Vielen Dank fürʼs Kommen. Das Rednerpult gehört Ihnen. Vielen Dank. (Beifall.)
Jaro Krieger-Lamina (Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Österreichische Akademie der Wissenschaften): Herzlich willkommen auch von meiner Seite. Mein Name ist Jaro Krieger-Lamina. Ich werde mit meinem Kollegen Steffen Bettin in Kürze die Ergebnisse unserer Studie vorstellen.
Zum Rahmen der Studie ist vielleicht zu sagen: Das österreichische Parlament hat uns damit beauftragt, folgende Fragen näher anzuschauen, nämlich: Wie sehr verändert sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Blackout eintritt dadurch, dass erneuerbare Energien ausgebaut werden? Wie wahrscheinlich ist es, dass wir uns in der Zukunft mit einem Blackout konfrontiert sehen, wenn man sich anschaut, was die Klimaziele sind, die wir in den nächsten 20 Jahren erreichen wollen? Und auch die Frage: Was kann man heute über die aktuelle Lage sagen beziehungsweise wie würde man die Transformation des ganzen Systems Stromversorgung, das aus dem Netz, aus der Produktion, aus den Verbrauchern und so weiter besteht, in Bezug auf Versorgungssicherheit und Blackouts einschätzen?
Was man auch sieht ist, dass wir uns hier auf folgende Themen fokussiert haben: Was sind Risikofaktoren? Wie läuft ein Blackout ab? Wie könnte man in der Zukunft vielleicht arbeiten, um Blackouts zu verhindern? Wie kann man sozusagen die Versorgungssicherheit in Österreich auf dem guten Niveau halten, über das wir uns heute freuen können?
Was nicht Teil dieser Studie war – dadurch, dass sie schon letztes Jahr durchgeführt und im Jänner dieses Jahres veröffentlicht wurde –, sind die Entwicklungen, die wir seit Ende Februar zu sehen haben. Und was ebenfalls nicht Fokus der Studie war, ist die Frage: Was passiert nach einem Blackout? Wir haben uns sozusagen bis zum Blackout mit dem Thema und mit der Frage, wie ein Netzaufbau danach wieder funktionieren würde, befasst. Was wir nicht gemacht haben, ist, uns anzuschauen, was aus der Perspektive des Zivilschutzes in der Situation eines Blackouts zu tun wäre.
Das gesagt habend komme ich gleich zum Thema Versorgungssicherheit: Wie alle angenehm bemerken und es vielleicht nicht jedem bewusst ist, ist die Versorgungssicherheit in Österreich sehr hoch, auch im europaweiten oder weltweiten Vergleich. In diesem Diagramm sieht man die leistungsbezogene Nichtverfügbarkeit. Da gäbe es auch noch einen anderen Parameter, die kundenbezogene Nichtverfügbarkeit, man kommt da aber auf ähnliche Zahlen. Die dünne Linie ergibt die regional außergewöhnlichen Ereignisse. Wenn man also auch Unvorhersehbarkeiten, wie Extremwetterereignisse oder so, mitberücksichtigt, sehen wir, dass die Versorgungssicherheit in Österreich sehr gut ist.
Das macht es natürlich auch ein bisschen schwierig, denn wir haben seit den Fünfzigerjahren kein Blackout in Österreich gehabt. Wir reden hier also von etwas, das viele nicht erlebt haben, das niemand managen musste. Gleichzeitig sehen wir aber, dass wir eine große Abhängigkeit von dieser Infrastruktur haben und dass es schon aus dem Grund viel Sinn macht, sich damit zu beschäftigen, was passiert, wenn uns diese Ressource nicht mehr zur Verfügung steht.
Am Anfang stelle ich vielleicht auch noch als Begriffsdefinition die Frage: Was ist überhaupt ein Blackout? Das wird in den Medien immer wieder oder recht häufig verwendet, wenn einmal irgendwo für 1 Stunde in ein kleinerer Stromausfall ist, aber das geht bis zu Großstörungen die als Blackouts bezeichnet werden. Tatsächlich, was man erkennt, wenn man sich der Begriffsdefinitionen näher anschaut, wäre ein Blackout eine langfristige Unterbrechung der Versorgung im Übertragungsnetz, die auch so nicht vorhersehbar ist, weil man sonst ja schon vorher Maßnahmen ergreifen würde, um es nicht zum Blackout kommen zu lassen.
Das nimmt auch ein bisschen die Frage vorweg, ob man das vorhersehen kann, ob man da etwas tun kann, ob man irgendetwas über die Wahrscheinlichkeit eines Eintritts sagen kann. – Grundsätzlich nicht, genauso wenig kann man sagen, wann der nächste Blackout sein wird, kann man ausschließen, dass er in der nächsten Stunde passiert. Was man auch nicht sagen kann, ist, wenn man ihn kommen sieht, ob man dann darauf reagiert. In der Regel, was klar wird, wenn man sich historische Blackoutereignisse oder Großstörungen, die dem nahekommen, anschaut, muss man sagen, dass die die auslösenden Faktoren jeweils damit zu tun hatten, dass Überlastungen zum Fallen von Schutzmechanismen geführt haben und dann dadurch eine Auftrennung im Netz stattgefunden hat, sodass versorgte Inseln entstanden sind oder Ähnliches. Das war eben nicht vorhersehbar. Wenn es nämlich vorhersehbar gewesen wäre, dann wären auch Gegenmaßnahmen getroffen worden.
Gleichzeitig ist ein Blackout etwas, was in der Literatur als High-Impact-Low-Probability-Event bezeichnet wird, oder wie der Risikoforscher Ortwin Renn das sagt: Es ist eine Event aus der Damokleskategorie. Wie gesagt, es ist etwas, mit dem es wenig Erfahrung gibt, wo es kaum jemanden gibt, der sozusagen aus eigenem Erleben darüber berichten kann – und gleichzeitig ist damit aber ein potenziell hohes Schadensausmaß verbunden. Das macht es ein bisschen bedrohlich. Es ist in eine Ungewissheit, mit der man umgehen muss, um große Schadensereignisse in Zukunft vielleicht zu vermeiden.
Wie kann man so einen Blackout vermeiden? – Wie ich schon gesagt habe, es ist jetzt nicht möglich, zu sagen, man sieht das kommen und dann fängt man an, zu reagieren. Da wäre man jedenfalls zu spät dran. Was man aber machen kann, ist, dass man die Rahmenbedingungen beeinflusst. Blackouts entstehen nicht aus dem Nichts heraus, sondern dann, wenn das Stromnetz sich in einer kritischen Situation befindet und dann noch auslösende Faktoren dazukommen, kann es passieren, dass diese Großstörungen bis hin, wenn sie nicht bewältigt werden können, zu einem Blackout passieren. Das heißt auch – wenn ich auf die andere Seite schaue –, wenn ich mein Stromnetz sozusagen in einem in einem guten Zustand habe, wenn ich mit der Spannung nicht außerhalb der Bandbreite bin, die unproblematisch ist, dann kann ich sozusagen kritische Ereignisse, die vielleicht dazukommen, leichter verkraften oder abpuffern.
Was mal genauso machen kann, ist die Eingriffsmöglichkeiten zu verbessern. Das heißt, ich kannte kann flexible Elemente im Stromnetz hinzufügen, indem ich ausreichend Speicher zur Verfügung habe, um einen Spannungsabfall ausgleichen zu können. Oder ich kann auch schauen, dass ich eine ausreichende Reserve an Regelenergie zur Verfügung habe, um dann, wenn es mit der Spannung kritisch wird, hier kurz zwischen puffern zu können, bis die kritische Situation vorbei ist.
Damit übergebe ich an meinen Kollegen.
Steffen Bettin (Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Österreichische Akademie der Wissenschaften): Alles klar. Vielen Dank und einen schönen Nachmittag von meiner Seite! Ich darf weitermachen. Lassen Sie mich zu ein paar Kontextfaktoren kommen, die relevant sind, um das Thema einzuordnen, insbesondere für eine zukünftige Abschätzung.
Na ja, das muss ich in diesem Rahmen vielleicht nicht sonderlich erwähnen, aber vielleicht trotzdem kurz: Der Ausbau der erneuerbaren Energieträger bis 2030 wurde jetzt auch gesetzlich mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz festgelegt. Darüber hinaus gibt es natürlich weitere gesellschaftliche Ziele, die damit verbunden sind. Das erste ist natürlich das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 und größer gedacht insgesamt die Dekarbonisierung der Energieversorgung.
Das hat natürlich eine Reihe von Konsequenzen. Es bedeutet prinzipiell erst einmal, dass die Energieversorgung sehr umgebaut wird und sich zu dem, wie sie jetzt ist, verändert. Ein Punkt, der natürlich damit verbunden ist, er wurde schon mit dem Ziel oben genannt, ist der Ausbau der Erneuerbaren-Erzeugungskapazitäten.
Im Stromsektor bedeuten gibtʼs ein paar mittelfristig bedeutende Entwicklung, die sich da abzeichnen. Es gibt das Thema der Volatilität im Stromnetz, was durch die Erneuerbaren oder ein Ausbau von vielen Erneuerbaren an Bedeutung gewinnt. Gleichzeitig passiert schon – und das wird es auch weiterhin geben – ein Ausbau und eine Anpassung der Netzinfrastruktur, um diese Integration von neuen Stromerzeugungsanlagen zu ermöglichen. Da reden wir dann sowohl von den Verteilernetzen als auch vom Übertragungsnetz.
Ein Thema, das, besonders wenn wir die gesamte Dekarbonisierung in den Blick nehmen, eine große Rolle spielt, ist das Thema Sektorenkopplung, manchmal auch Power-to-X genannt. Da geht es um eine Verschränkung des Stromsystem mit anderen Sektoren wie der Wärmeversorgung oder dem Verkehr, sodass zum Beispiel Strom als Wärmeenergie gespeichert werden kann, oder Themen, die in der Zukunft vielleicht relevanter werden, wie bidirektionales Laden, also dass es möglich wird, Batterien in Elektrofahrzeugen als Pufferspeicher zu benutzen. Insgesamt – und das ist wichtig, zu betonen – bedeutet dieser Umbau des Energiesystems im Gesamten für das Stromsystem im Speziellen einen stark steigenden Anstieg des Strombedarfs.
Eine große Herausforderung, die in diesem Sommer, glaub ich, noch einmal besonders bedeutsam geworden ist und die irgendwie auch klar geworden ist – wie ja gesagt, wir hatten diese Studie im Jänner veröffentlicht –, ist halt alles, was mit dem Thema Klimawandel zusammenhängt, insbesondere wird das klar, wenn wir an Extremwetter Phänomene denken, die dadurch gekommen sind. Wir haben verstärkte Dürreperioden im Sommer, die halt Belastungen insgesamt für den europäischen Netzverbund bedeuten. Die Ausfälle oder teilweisen Ausfälle der französischen Atomkraftwerkflotte ist sicherlich zum Teil damit zu erklären, dass nicht genug Kühlflüssigkeit vorhanden ist, weil Flüsse ausgetrocknet sind. Wir haben auch in Österreich einen Abfall der Stromerzeugung durch ein leichtes Austrocknen der Flüsse gesehen. Auch gibt es anders noch weiter gesagt Sturmereignisse, die die Netzinfrastruktur zum Einsturz bringen. Diese Phänomene gab es immer schon, aber durch den Klimawandel – was wir alles darüber wissen – wird das in der Zukunft weiter und wichtiger.
Während es in der Regel etwas Positives ist, dass der europäische Netzverbund verbunden ist, dass es permanent möglich ist, von einem Land aus dem anderen Land auszuhelfen, bedeuten natürlich auch Störungen in einem Land eine potenzielles Risiko für Störungen bei uns.
Ein anderes Thema, was glaube ich wichtig ist, zu betonen, ist das Thema Digitalisierung. Das wird und sollte in der Regel auch erst einmal als Chance begriffen werden. Wir erleben einen Ausbau von Smartgrids und Smartmeters. Die ermöglichen eine Verbesserung der Netzsteuerung, die ermöglichen besseres Monitoring. Mit dem Thema Digitalisierung haben wir natürlich auch eine vermehrte Verbreitung von Endgeräten. Es geht Ihnen zu Hause wahrscheinlich auch so. Es werden immer mehr Smartphones, Tablets, sonst irgendetwas, die natürlich alle Strom brauchen Es gibt neue Phänomene. Das ist vielleicht jetzt schon wieder irrelevant, aber vor einem halben Jahr dachten wir, das wäre vielleicht ein Phänomen: Cryptomining, wodurch plötzlich hoher Stromverbrauch vorherrscht.
Die Kehrseite der Medaille ist: Na ja, wir haben neue Abhängigkeiten und Sicherheitsrisiken durch diese digitalen Systeme. Da stehen potenziell neue Angriffsflächen zur Verfügung. Das wurde ja auch in Populärliteratur ausgearbeitet, aber wie solche Szenarien real genau ausschauen, ist noch ganz unklar. Auf jeden Fall ist es aber wichtig, da genau hinzuschauen.
Lassen Sie mich noch einmal kurz zur Energiewende als sowohl zentrale Chance als auch Herausforderung kommen. Ja, der Strom gewinnt weiter an Bedeutung. Das ist erst einmal etwas Gutes, weil wir dadurch eine höhere Effizienz des Gesamtsystems haben. Wir haben aber auch eine zunehmende Abhängigkeit der Gesellschaft vom Stromsystem und wir haben weniger alternative Versorgungssysteme. Klar, das Thema höhere Volatilität und Effekte für die Netzstabilität ist eine Herausforderung für das Netz. Populäre Themen wie Dunkelflautenproblematiken oder nicht genug Speicher und so weiter können dann auch in der Zukunft ein Thema werden und sollten jetzt schon beim Ausbau mitgedacht werden.
Ah! Na, schauen Sie her, alles was ich gesagt habe, steht auch auf den Folien.
Was das im Endeffekt bedeutet, was die Lösung daraus ist: Die eine ist halt Flexibilisierung. Wir haben einen steigenden Bedarf an steuerbaren Kapazitäten bei Last und Produktion, um halt diese Schwankungen im Netzbetrieb auszugleichen und Ausfälle zu vermeiden. Zum Zweiten brauchen wir halt einen Netzausbau auf allen Ebenen, also sowohl im Übertragungsnetz als auch den Verteilernetzen.
Da möchte ich noch kurz eine kleine Werbeeinschaltung machen: Wir haben vor drei Jahren auch schon einmal für das Parlament eine Studie zum Thema Speicher herausgegeben, in der wir diesen Punkt noch einmal besonders betonen. Die steht auch auf der Parlamentswebsite zur Verfügung.
Das hilft dann im Endeffekt, um diese Versorgungssicherheit weiterhin auf hohem Niveau zu halten.
Lassen Sie mich zum Abschluss als letzte Folie noch ein paar weitere Empfehlungen benennen, die bei uns in der Studie herausgekommen sind. Das erste Thema hängt mit dem Klimathema zusammen, was ich gerade angesprochen habe: Na ja wenn wir halt verstärkte Umweltveränderungen haben, wäre es aus unserer Sicht sehr sinnvoll, wenn dort verstärkt diese Risiken, die sich aus diesen Umweltveränderungen ergeben, in ein systematisches Monitoring mit aufgenommen werden, in dem interdisziplinärer gearbeitet wird, in dem Geologen und Umweltphysiker hinzugerufen werden, um halt das in diesen Risikoanalysen und auch in die Planung des Netzausbaus mit einzubeziehen.
Das Zweite – das ist immer sehr gut – ist der Wissenstransfer zwischen Forschung und Akteuren im Energiesektor. Das gibt es schon, das wird auch schon viel gemacht. Das Erste wird auch schon zum Teil gemacht. Insgesamt möchte ich sagen, das sind nicht Sachen, die komplett gar nicht passieren, sondern wobei wir empfehlen, einen weiteren Fokus darauf zu legen. Dieser Wissenstransfer zwischen Forschung und Akteuren im Energiesektor, seien es Themen wie Datenaustausch und so weiter, kann sicherlich noch weiter fokussiert werden.
Ein drittes Thema, was in der Studie besonders herausgekommen ist, war, dass wir in der Zukunft einen Fachkräftemangel haben werden, und zwar insbesondere an Fachkräften, die sich sowohl mit dem Stromsystem als auch mit dem Thema Digitalisierung auskennen, also diese Schnittstelle zwischen Energietechnik, Elektrotechnik und Informatik auf der anderen Seite. Da gibt es relativ wenige Leute, die das richtig gut können. Es ist also sicherlich sinnvoll, da im Thema Ausbildung weiter darüber nachzudenken: Was kann man da machen? Wo gibtʼs die Schwerpunkte in den Universitäten und so weiter? Natürlich muss diesen Fachkräften dann auch ein gutes Arbeitsumfeld gegeben werden. Fachkräftemangel bedeutet natürlich auch eine Herausforderung, und es ist eben auch ein Auftrag an die Unternehmen, dort etwas zu machen, aber auch an den Bildungsbereich, dort etwas zu tun
Der letzte Punkt, der ist sehr grob, den haben wir jetzt Governance der Energiewende für eine nachhaltig sichere Stromversorgung genannt. Wir wollten dazu anregen, darüber nachzudenken: Im Zuge der Liberalisierung der Strommärkte sehen wir schon, dass eine ganze Reihe von neuen Akteuren dazugekommen ist, kleine Erzeugungsanlagenbetreiber und so weiter. Da wäre es vielleicht sinnvoll, noch einmal neu zu überlegen, inwieweit diese Akteure alle in die bisherigen Entscheidungsprozesse eingebunden sind, also: Indem man miteinander redet, kommt man vielleicht zu allgemein besseren Lösungen. Das wäre so eine Anregung von uns.
Ich möchte mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken und ich freue mich auf die gleich stattfindende Diskussion auf dem Podium. (Beifall.)
Kim Kadlec: Vielen Dank für Ihre Präsentation. Ich finde, die Studie gibt einen sehr guten Überblick über den wissenschaftlichen Status quo zum Thema. Ich nehme mir mit: Österreich hat bereits einen sehr hohen Grad an Versorgungssicherheit, nur ausschließen könne man einen Blackout nicht und gäbe es ihn, wären die Folgen unter Umständen gravierend. Ich nehme mir auch mit, wir könnten einiges dafür tun, die Versorgungssicherheit in Österreich weiter auszubauen.
Was wir da genau tun können, möchte ich jetzt am Podium mit Fachleuten aus unterschiedlichen Institutionen diskutieren. – Auch Sie beide würde ich noch einmal bitten, am Podium hier Platz zu nehmen. Als Wissenschaftler, wie wir gehört haben, ist der Austausch ja sehr wichtig.
Weiters bitte ich jetzt zu mir auf die Bühne: Brigadier Mag. Philipp Eder. Er ist Leiter der Abteilung Militärstrategie im Bundesministerium für Landesverteidigung. – Vielen Dank, Herr Eder, genau, das ist Ihr Platz hier.
Dann bitte ich zu mir auf die Bühne: Dipl.-Ing. Mag. (FH) Gerhard Christiner. Er ist technischer Vorstand der Austrian Power Grid, kurz APG. – Vielen Dank.
Mag. Gerald Hesztera. Er ist Programmleiter für Blackout im Bundesministerium für Inneres. Wo ist Ihr Platz? – Da neben mir, wunderbar.
Und last, but not least: Ing. Josef Ober. Er ist Bürgermeister der Stadt Feldbach, der vielleicht blackoutsichersten Gemeinde Österreichs, würde ich sagen. – Herzlich willkommen. (Beifall.)
Vielen Dank an Sie alle, dass Sie heute da sind und Ihre Expertise mit uns teilen wollen. Wir haben einen relativ engen Zeitplan. Ich würde Sie daher bitten, in Ihren Statements und Antworten kurz und knackig zu bleiben, damit wir am Schluss dann auch noch einmal die Möglichkeit haben, ganz kurz zumindest Fragen aus dem Publikum zu sammeln, wenn es welche gibt.
Ich würde gleich anfangen mit – zu meiner Rechten – Herrn Brigadier Philipp Eder. Wir haben jetzt gerade gehört, Blackouts sind sehr, sehr, sehr seltene Phänomene. Trotzdem warnt das Verteidigungsministerium seit schon Langem, glaube ich, vor einem Blackout in Österreich. Es gibt sogar eine eigene Kampagne dazu, mit der die Bevölkerung sensibilisiert werden soll. Schaut man sich die Bilder dazu an, wird einem mindestens mulmig zumute, vielleicht bekommt man sogar Angst. – Warum machen Sie denn diese Kampagne überhaupt?
Philipp Eder (Leiter der Abteilung Militärstrategie, Bundesministerium für Landesverteidigung): Grüß Gott und schönen Nachmittag! Wir haben so Mitte der 2010er-Jahre – ich würde einmal sagen: so 2015 – begonnen, in unseren Bedrohungsanalysen immer mehr das Thema Stromversorgung, Engpässe in der Stromversorgung wahrzunehmen. Wir sind ja zuständig für die militärische Landesverteidigung Österreichs, und im Zuge dessen analysieren wir relativ breit immer wieder: Wo können denn mögliche Bedrohungen auf Österreich zukommen? Das betrifft für uns unsere drei Hauptaufgaben das erste ist einmal natürlich die militärische Landesverteidigung; das Zweite sind unsere Auslandseinsätze und das Dritte sind dann Assistenzeinsätze, die wir unterhalb der Schwelle der Landesverteidigung seit vielen, vielen Jahren leisten und wofür uns die österreichische Bevölkerung ja auch sehr häufig in Anspruch nehmen muss.
Wir haben dabei festgestellt, dass die die erste Maßnahme sein muss, wenn man darüber nachdenkt, dass Blackouts passieren können, dass man selbst resilient ist. Da haben wir im Endeffekt schon 2017 – da gibtʼs ein Mutterdokument bei uns im Generalstab, das nennt sich militärstrategisches Konzept – definiert, dass wir als Bundesheer 14 Tage autark sein wollen, um 14 Tage lang ohne nötige Anschlussversorgung sozusagen für uns, also in der Landesverteidigung, aber natürlich auch im Zuge von Assistenzeinsätzen entsprechend wirksam bleiben zu können, sodass nicht wir das erste Problem sind, da uns als Erster Sprit, Wasser und Ähnliches ausgeht.
Wir kennen das – das habe ich vorhin schon in einem Nebensatz gesagt – auch aus unseren Auslandseinsätzen. Wir sind ja häufig in Gegenden, wo die Versorgungssicherheit nicht so hoch wie in Österreich ist, und sind es daher schon länger gewohnt, dass wir uns in manchen Gegenden auch unter sehr autarken oder eigenautarken Umständen bewegen. Ich war einige Monate in Kabul, in Afghanistan, und dort war das Lager komplett versorgungsselbstständig. Das ist ein sehr, sehr hoher Aufwand, das so zu betreiben.
Das hat also so Mitte der 2010er-Jahre begonnen, und dann wurde in einer Bedrohungsanalyse, die wir gemacht haben, nicht nur durch Experten unseres Hauses, sondern auch andere Experten festgestellt, dass das Risiko als relativ oder eigentlich sehr hoch anzusehen ist, dass so etwas passieren kann.
Wenn Soldaten etwas nicht möchten, dann ist es, überrascht zu werden. Das ist das, was wir zu vermeiden versuchen, und daher haben wir das dann auch zum Anlass genommen, um uns zu überlegen: Wenn das so ist, wie können wir so auch mithelfen – und mehr können wir ja auch nicht tun –, dass die Versorgungssicherheit, die Vorbereitung auf einen Blackout besser ist, und zwar nicht im technischen Sinne, denn dafür sind andere zuständig? – Wir können zumindest an die Bevölkerung appellieren, dass, falls es dazu kommen sollte, uns als Einsatzorganisation insofern das Leben leichter gemacht wird, wenn die Bevölkerung größtmöglich auch auf eine Eigenautarkie vorbereitet ist.
In Österreich ist das ja grundsätzlich Zivilschutzangelegenheit, Angelegenheit des Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagements. Davon kommen dann eh noch Nachredner zu Wort. Das ist sehr stark auf Gemeinde- und Bezirksebene, also auch sehr dezentral. Unsere Absicht war, dass wir da einmal ein Bewusstsein schaffen: Das ist etwas, was aus unserer Sicht sehr bedrohlich ist – wir sind alle sehr abhängig von Strom –, aber man kann selbst etwas dagegen tun und man sollte nicht darauf warten, dass etwas passiert, und man sollte nicht darauf warten, dass dann jemand anderer kommt, der einem das Problem lösen kann – man kann also auch selbst einmal etwas tun. Das waren die ersten Appelle.
Das ist dann auch fortgesetzt worden: Es ist dann die Idee der Sicherheitsinseln geboren worden. Ich glaube, darüber können wir dann später noch sprechen. Es sollen also sogenannte Sicherheitsinseln errichtet werden, die auch im Rahmen der Blackoutnachsorge – wir sprechen im Bundesheer eben nicht davon, dass wir einen Blackout vermeiden können, sondern wir machen uns Gedanken darüber, was im Falle des Falles, wenn es passiert, zu tun ist – zur Verfügung stehen, die dann helfen sollen, dass wir das Problem nach einem Blackout möglichst schnell wieder in den Griff bekommen.
Kim Kadlec: Vielen Dank an dieser Stelle. Ich mache vielleicht gleich rechts weiter: Gerhard Christiner – genau, da liegt ein Mikrofon für Sie bereit –, Sie sind der technische Vorstand der Austrian Power Grid, kurz APG. Bessern Sie mich aus, wenn ich es jetzt falsch sage! Ich probiere, es richtig zu formulieren.
Die APG ist für die Übertragung des Stroms zwischen den regionalen Verteilernetzen verantwortlich. Das heißt, Sie sind quasi unser Experte, wenn es um die Frage der Versorgungssicherheit geht. Wie sicher sind wir, was die Stromversorgung in Österreich betrifft? Und – was mich auch interessieren würde –: Was fällt denn eigentlich alles unter den Begriff Versorgungssicherheit?
Gerhard Christiner (Technischer Vorstand, Austrian Power Grid AG): Vielen Dank. Es ist so: Ich möchte hier vielleicht einmal zwei Aspekte in Treffen führen: Wir müssen, glaube ich, ganz klar zwischen den Begriffen des Blackouts und der Versorgungssicherheit generell unterscheiden. Für uns als APG ist der Blackout ein Elementarereignis, das wie bereits auch in der Studie erwähnt sehr kurzfristig eintritt und eine Kettenreaktion nach sich zieht, woraufhin dann wirklich großflächig der Strom ausfällt, das heißt, in Österreich oder über Österreich hinaus. Das ist ein Aspekt, und das gilt es zu verhindern. Das ist natürlich auch unser Job.
Der zweite Aspekt der Versorgungssicherheit, den Sie ansprechen, ist natürlich für uns insofern wichtig, weil: Wie groß ist der Abstand zwischen dem Blackout und der Versorgungssicherheit? Das ist für uns sozusagen der Maßstab, wie sicher wir denn wirklich sind. Und da teile ich nicht ganz die Einschätzung der Studienautoren, dass Österreich so sicher ist. Warum? – Weil ein sicheres Stromsystem selbst tragend sicher sein, intrinsisch sicher sein würde. Da waren wir einmal, aber da sind wir nicht mehr, das muss man ganz offen sagen.
Ich sage nur paar Zahlen: Wir haben mittlerweile Engpassmanagementkosten von rund 480 Millionen Euro, das heißt für Eingriffe, die wir machen, um das System sicher zu halten. Der Strommarkt definiert den Kraftwerkseinsatz, wir korrigieren ihn danach, da wir Überlastungen in den Netzen haben. Das heißt, da explodieren uns auch die Kosten, die diese Sicherheitsmaßnahmen dann mehr oder weniger bewirken.
Warum kommt es dazu? – Ich glaube, das ist das Entscheidende und das kann man auch ein bisschen einordnen: Man muss Versorgungssicherheit aus unserer Sicht in drei Aspekte differenzieren: Gibtʼs genug Erzeugung? Das ist einmal der eine Aspekt: Haben wir genug Erzeugung, die den Verbrauch jederzeit decken kann? Ist das Stromsystem insofern so fit, dass, wo immer diese Erzeugung passiert, auch die Netze so ausgebaut sind, dass dieser Strom zu jeder Sekunde – und das muss er eigentlich – beim Kunden ankommt? Wir können es uns nicht leisten, da eine Stunde zu verzögern oder wie auch immer. Das heißt, Strom muss in der Zeit, in der er produziert wird, auch geliefert werden. Der dritte Aspekt ist – und auch das wurde angesprochen –: wir sind in einer enormen Transformation des Energiesystems. Wir ersetzen thermische Kraftwerke durch Erneuerbare, was, glaube ich, Common Sense ist und da gibt es auch keine Diskussion mehr. Nur: Dieses Energiesystem, das in der Zukunft zu 100 Prozent auf Erneuerbaren fußen soll, muss ganz anders designt und konstruiert werden.
Diesen Plan, wie das zu passieren hat, gibt es aber nicht, den haben wir nicht, sondern wir sind in diese in diese Energiewende mit einer – ich sage es jetzt einmal so – großen Ideologie, auch mit einer großen Euphorie, Dinge zu machen, hineingegangen. Ich sage es jetzt ein bisschen salopp: Am liebsten wäre es gewesen, alle thermischen Kraftwerke sind ruckzuck weg und wir haben nur noch Erneuerbare. Wir haben aber nicht die ganzen Begleitmaßnahmen getroffen, die dafür notwendig sind. Das ist auch ein bisschen die Sorge, die wir haben und die wir auch schon seit Jahren artikulieren, warum wir eigentlich nicht mit diesen Sicherheitsstatus haben, den wir gehabt haben, und warum wir heute eigentlich ganz stark Situationen erleben, die auch Ausdruck dessen sind, das wir nicht mehr so sicher sind. So sind die Strompreise, die wir haben, ja zum einen aktuell der Gaskrise geschuldet, gar keine Frage, aber sie sind auch bereits einer Verknappung am Strommarkt geschuldet. Das ist bereits Tatsache.
Wir haben gerade in diesem Jahr heuer eine ganz unangenehme Situation, dass der Strom knapp wird. Wir haben ein Problem: Wir haben die Erneuerbaren ausgebaut, haben aber auf die Stromnetze - -, ich will nicht sagen: vergessen, sondern die Stromnetze waren nicht im Fokus. Das war mehr oder weniger das ungeliebte Kind. Man glaubte sozusagen, mit dem Umbau: Gaskraftwerke raus, Erneuerbare hinein! ist die Geschichte getan. Dass Erneuerbare ganz woanders stehen, dass sie zeitlich ein völlig anderes Verhaltensmuster als ein Gaskraftwerk haben, das ist zu respektieren, denn wenn wir das nicht machen, zahlen wir dann die Rechnung – und die zahlen wir jetzt teuer.
Wir haben beispielsweise einen Preisspread zwischen Österreich und Deutschland – das ist wahrscheinlich für alle Wirtschaftstreibenden interessant –: Mittlerweile ist der Strompreis in Österreich über das Jahr gesehen 27 Euro höher als in Deutschland, teilweise sind es bis zu 200, 300 Euro, weil wir nicht die Leitungen haben. Das ist alles einem Marktmodell geschuldet, das mittlerweile auf das Gesamtsystem abzielt.
Zu guter Letzt: Wir brauchen, um die Volatilität der Erneuerbaren im Griff zu haben, Speicher, das wurde erwähnt. Das ist essenziell. Wir brauchen mehr Speicher, weil wir haben im Winter Defizite, die wir dann nicht bedienen können, die wir dann aus den Speichern fahren müssen. Wir brauchen auch speziell eine Flexibilität auf der Kundenseite, die wir heute noch nicht sehen, denn genau diese Volatilität auf der Erzeugungsseite muss mit einer Flexibilisierung unseres Kundenverhaltens einhergehen. Nur dann können wir auch sozusagen hier irgendwo wieder eine Balance schaffen. Wenn wir das nicht schaffen, wird es ganz, ganz schwierig, ein System zu haben, das zwar zu 100 Prozent auf Erneuerbaren fußt, aber auch in der Form stabil und sicher ist, wie wir es bis jetzt gewohnt waren.
Kim Kadlec: Danke schön! Das war jetzt viel auf einmal. Eine wichtige Aussage nehme ich mir mit, nämlich: So blackoutsicher sind wir vielleicht gar nicht.
Gäbe es einen Blackout, dann gibt es eine andere Institution, die ins Spiel kommt, nämlich das Bundesministerium für Inneres: Gerald Hesztera, Blackoutvorbereitungen sind ihr Spezialgebiet. Das Ministerium hätte ja eine wesentliche Rolle im Fall eines Blackouts, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, wie man so schön sagt. Was mich interessieren würde: Wie erfährt denn das BMI im Fall des Falles von einem Blackout – außer dass die Computer dann schwarz bleiben – und was würde dann passieren? Auf was bereitet sich die österreichische Polizei denn eigentlich vor?
Gerald Hesztera (Leiter der Abteilung Strategie und Programmdirektor „Blackout“, Bundesministerium für Inneres): Ja, wir haben da einige große Vorteile gegenüber den anderen, nämlich dass wir 24 Stunden, sieben Tage in der Woche überall im gesamten Bundesgebiet tätig sind, dass unsere Mitarbeiter regelmäßig an die Landesleitzentralen melden, wenn etwas passiert. Das heißt, wenn ein Stromausfall ist, wird das gemeldet. Das kommt an die Einsatzzentrale in Wien. Parallel dazu haben wir natürlich auch ein eigenes Computernetzwerk, das im Sekundentakt überwacht wird und das auch meldet, wenn es Stromausfälle gibt. Und unser dritter Vorteil ist die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der APG, mit der wir auch gemeinsame Übungen machen, in denen wir uns dann sofort versichern: Ist das jetzt ein lokaler Ausfall, ist das ein Bundesland, sind das mehrere Bundesländer? Und dann können wir aufgrund von sehr, sehr flachen Hierarchien sehr, sehr schnell den Blackout für das Innenministerium ausrufen.
Warum ist das notwendig? – Wir stellen dann unsere Kommunikationsmöglichkeiten um, sodass die noch für mehrere Tage weiter funktionieren – das ist ein großer Vorteil von uns –, und wir würden dann auf einen Kernbetriebe übergehen. Warum wir das auch tun, ist, dass wir das relativ einfach machen können und es passiert nichts, weil wir das relativ rasch wieder gutmachen können, ohne dass irgendjemand in Österreich etwas davon merken würde.
Unsere Aufgabe ist es, die Sicherheit in ganz Österreich 24 Stunden, rund um die Uhr mit all unseren Mitarbeitern – fast 40 000 – aufrechtzuerhalten. Da werden wir schauen, dass die wirklich die nächsten sieben Tage 24 Stunden, rund um die Uhr im höchsten Ausmaß zur Verfügung stehen. Wir haben schon während der Coronakrise bewiesen, dass wir das können, und wir werden das auch jetzt schaffen.
Kim Kadlec: Danke schön.
Ganz zu meiner Linken: Herr Bürgermeister, wir kennen uns schon. Ich war in Feldbach und hab versucht, mit der Kamera filmisch festzuhalten, wie Ihre Blackoutvorbereitungen funktionieren. Sie versuchen, die Stadt Feldbach völlig blackoutsicher zu machen oder haben das auch schon in einem großen Teil erledigt. Würden Sie hier dem Publikum ganz kurz erzählen, warum Sie das tun und wie das funktioniert? Wie macht man denn eine Stadt blackoutsicher?
Josef Ober (Bürgermeister, Stadtgemeinde Feldbach): Ich darf Sie recht herzlich begrüßen. Eine moderne Gesellschaft muss die Frage: Was wäre, wenn der Strom einen halben Tag, zwei Tage, drei Tage ausfällt?, beantworten können. Wenn wir das nicht können, sind wir extrem blauäugig und fahrlässig. Zurzeit hat die Masse keine Ahnung, was nach einem und nach zwei Tagen passiert. Ich sage es Ihnen: Wir haben lange Zeit billigste Energie als Sicherheit empfunden und spüren jetzt eine Dramatik. Ähnlich ist es auch beim Blackout.
Jetzt aber zur Realität: Ich bin Obmann eines großen Wasserverbandes. Nachdem wir 2013 das Netz ausgebaut haben, habe ich gesagt: Wenn jetzt der Strom ausfällt, da wir ja alles pumpen müssen, bei 38 Grad drei Tage, dann können wir das Kreuz über die Region machen, dann ist das erledigt. Das hat uns veranlasst, eine Studie zu machen, ohne zu wissen, was das wird. 2021 haben wir das gesamte Wasserleitungsnetz für 100 000 Einwohner hundertprozentig blackoutsicher gemacht. Das war uns wichtig. Die ersten Sendungen des ORF waren von Peinlichkeit berührt. Mit jenen, die dann im Wald nach robben oder sonst etwas, hat man das Thema verglichen. Das ist der erste Punkt.
Dann bin ich Bürgermeister in Feldbach geworden, Steiermark, Gemeindezusammenlegung aus sieben Gemeinden. Dann habe ich mir die Frage gestellt: Wenn das jetzt da passiert, was ist dann? Wir haben ein Krankenhaus. Wir haben auch die Melisse, die Leute beatmet. Wir haben eine Station, die sehr viel Dialyse macht. Wir haben viele Einrichtungen. Was ist dann? Wir haben dann versucht, mit der Feuerwehr ein paar Dinge zu machen, aber da haben wir gesehen, da kommen wir nicht weiter, und haben dann einen Antrag von Kiras an die Forschungsgesellschaft gestellt. Wir haben Budget bekommen und haben uns voran gearbeitet, was alles eintreten könnte. Es ist uns fast von Tag zu Tag schlechter geworden. Wir haben auch das Bundesheer eingeladen gehabt. Ich sage nicht die Reaktion von denen. Mittlerweile habe ich einen Antrag, ein Bauersuchen zur Autarkie am Tisch. Gratulation, das funktioniert.
Als wir uns dann vorangetastet haben, haben wir gesehen: Das ist nicht ganz einfach, sondern das ist extrem problematisch; und wenn wir als Verantwortungsträger überhaupt keine Ahnung haben, was da abläuft - - Ich kann Ihnen im Rückblick nur sagen: Wenn es eintritt, brauchen Sie gar nichts mehr zu machen, dann können Sie nichts mehr tun.
Wir haben dann versucht, Punkt für Punkt aufzuarbeiten und haben heute, um den Status vielleicht zu sagen - - Ich sage das nicht, dass wir das jetzt gemacht haben, sondern ich bin meiner Verantwortung als Bürgermeister gerecht geworden, weil ich nicht wollte, dass nach drei, vier Tagen extreme Schäden an Mensch und auch an Gütern da sind und ich gar nicht weiß, wie die Leute dann insgesamt reagiert haben. Und das ist keine Kleinigkeit.
Bei mir war gestern eine Frau, die haben eine Dialysestation, und die hat mir gesagt, sie hat ein Notstromaggregat gekauft, und gefragt: Können Sie mir einen Treibstoff liefern? Die Polizei hat ein Notstromaggregat, hat Autos, aber wenn das leer ist, fahren sie nicht mehr. Das haben wir jetzt besorgt, dass sie bei uns auch tanken können.
Vielleicht zum Punkt: Wir haben die Wasserversorgung zur Gänze auf Notstromversorgung umgestellt. Wir haben die Abwasserentsorgung zur Gänze auf Notstromversorgung umgestellt – auch die Kläranlage, denn wir wollen haben, dass die intakt bleibt. Wir haben 13 Selbsthilfebasen – es gibt in allen Gemeinden genug große Veranstaltungsräumlichkeiten – auf 100 Prozent Notstrom umgestellt, auch jedes Feuerwehrhaus. Die brauchen wir nämlich dann dort. Wir haben die Einsatzzentrale der Feuerwehr zur Gänze umgebaut und wir haben auch unseren Bauhof zu 100 Prozent autark gestaltet, damit wir eine Dieseltankstelle mit 60 000 Liter im Vorrat bewirtschaften können und dort auch schweißen und reparieren können, wenn etwas anfällt. Wir haben den Energieversorger, die Energie-Steiermark-Fernwärme, gewinnen können, eine Notstromversorgung einzurichten, und für unsere gemeindeeigenen Wohnhäuser gibt es in Bussen die Möglichkeit, einen Wechselstromlader, ‑wandler einzubauen. Damit können wir alle Pumpen im Haus betreiben, sodass die Leute nicht erfrieren. Das müssen wir auch noch bedenken, wenn das eintritt.
Wir haben die Lebensmittelversorger dafür gewinnen können, dass sie sich ein wenig anstrengen. Mittlerweile gibt es ein paar Bestrebungen, dass sie einfach abverkaufen. Wir haben eine eigene Tankstelle. Jeder Vertrag mit einer Tankstelle: Wenn einer kommt und 5 000 Euro hinlegt, können Sie Ihren Vertrag zwar einklagen, aber Sie kriegen nichts mehr. Die Eigenversorgung ist hier wichtig, und wir bieten dem Roten Kreuz der Feuerwehr und der Polizei die Möglichkeit, bei uns bei einer bewachten Tankstelle zu tanken, damit das Radl zumindest einigermaßen funktioniert.
Wir haben uns bis vor dem Lockdown den Mund fusselig geredet, aber beim Lockdown haben die Leute bis hin zum Klopapier alles bevorratet. Da ist also Intelligenz in das System hineingekommen, dass die Leute ein paar Tage oder auch länger etwas zu Hause haben. Das müssen in Zukunft auch haben.
Ich kann nur appellieren – und jetzt sage ich dazu: das ist nicht teuer –: Ich würde vor allem den Normenausschuss bitten, die Intelligenz anzulegen, dass wir in unseren neuen Objekten Blackoutphasen mit einbauen. Wissen Sie, wir haben alles erprobt! Wir fahren mit Dieselzapfwellengeneratoren, damit wir mobil sind. Wir haben auch Standaggregate.
Wenn sie aber glauben, mit irgendeinem Gerät irgendwo anstecken zu können: Bei der heutigen Elektronik kann ich Ihnen garantieren, Sie fahren nie mehr. Wir haben bei jedem Objekt einen Versuch gemacht. Eine Firma hat einen Nullerleitung nicht verbunden: 10 000 Euro Schaden beim Start, beim Versuch. Sie brauchen dementsprechend gute Geräte, damit Sie nicht mehr Schaden anrichten. Wenn es eingetreten ist, brauchen Sie gar nichts mehr zu tun. Sie können nicht anfangen, umzubauen oder sonst etwas.
Wir haben insgesamt 300 000 Euro ausgegeben, eine Stadt mit 14 000 Einwohnern. Wenn man es intelligent macht und nicht glaubt, mit Riesenspeicherlösungen, toller Elektronik und was weiß ich, was uns angeboten wurde - - Es muss zu dieser Zeit so simpel sein, dass jeder – wissen Sie: die Mitarbeiter müssen auch erst kommen – mit dem umgehen kann, dass er uns helfen kann.
Wir appellieren an die Bevölkerung, zu bevorraten. Wir sind auf gute Ideen draufkommen: Jeder hat einen Griller daheim, er kann das abkochen. Mir war wichtig: Wasserversorgung und Abwasserentsorgung – Sonst hat man nach zwei Tagen hygienische Probleme, dass man sich fürchtet; wie die dann funktionieren, weiß von uns heute noch keiner –, dass die Hygiene aufrechterhalten werden kann. Wir haben Ärzte gewinnen dafür können, dass sie sich ein Notstromaggregat anschaffen, damit die ärztliche Versorgung aufrechterhalten werden kann.
Das LKH werden wir jetzt noch unterstützen, dass wir noch mehr Diesel bereitstellen können, wegen dem Austausch, denn das ist ja das Hauptproblem, denn der kann ja nicht zehn Jahre Diesel lagern. Da brauchen wir eine zentrale gemeinsame Koordination und Unterstützung.
Die letzten Monate haben mich so bestätigt im Tun, denn ganz am Beginn haben uns ja viele erklärt: Entschuldigen, das ist ja hinterwäldlerisch, darüber brauchen wir nicht nachzudenken. Nur: Mir als Bürgermeister hilft es nichts, wenn ich das Problem habe. Ich wünsche mir, dass das nie kommt, dass die ganze Investition für die Katz war, auf Steirisch gesagt, aber ich möchte sozusagen dann, wenn es eintritt – es wird auch nicht reibungslos gehen –, so eine Grundversorgung sicherstellen, damit wir uns nicht sozusagen kannibalisieren und gröbste Schäden an Mensch und Geräten zustande kommen.
Wir haben also ein sehr simples System entwickelt. Ich habe eine Broschüre da, ich konnte sie leider heute nicht mehr mehrfach ausdrucken. Sie können sie im Internet finden, wenn wir wieder im Netz sind. Wir, die Stadt Feldbach, haben nämlich ein Faktum: Wir sind gegen Cyberkriminalität versichert. Wir haben eine Penetrationsversuch einem IT-Spezialisten gemacht, den die Versicherung uns angeboten hat. Wir haben eine Kleinigkeit nachgebessert, wir sind safe und seit Samstag steht das Gesamtsystem – also so viel zur Sicherheit mit allen Tests.
ORF und so haben sich schon darum gekümmert. Wie das ausgeht, weiß ich gar nicht. Wir stehen mit allem. Das ist auch eine Geschichte, aber sie können dann, wenn wir wieder im Netz sind, die Publikationen nachlesen. Wir sind jetzt so weit fertig, sodass wir einfach nicht kompliziert - - Manche werden sagen, das ist zu einfach. Ich sage Ihnen aber: Für Krisensituationen brauchen wir einfache Systeme. Wir sind mit der Polizei, mit der Rettung, mit dem Bundesheer und vor allem auch mit den Feuerwehren und der Gemeindeverwaltung eins in dieser Sache und unterstützen jetzt fortlaufend noch weitere Betriebe, damit wir den Bürgern auf ganz geringem Niveau etwas bieten können.
Wissen Sie, was für die Bevölkerung schon wichtig ist? – Ein gewisses Maß an Sicherheit, damit dann nicht alle sozusagen hysterisch sind. Die letzten Monate zeigen mir, dass das wichtig wird. Regionalität war immer mein Thema. Ich bin ein Regionalentwickler und dabei auch immer belächelt worden, aber die Situation, dass wir billig, zu billig gelebt haben und jetzt nicht wissen, was wir tun sollen, ist beängstigend, das sage ich auch, was die Dramatik anbelangt. Das sollte uns lehren, vielleicht doch noch ein Stück vorauszuschauen.
Kim Kadlec: Vielen Dank. Danke, Herr Bürgermeister. In Feldbach sind ja nicht nur Sie, sondern ganz viele Menschen seit vielen Monaten mit der Frage der Blackoutsicherheit beschäftigt.
Ich würde jetzt gerne noch einmal zur Frage der Wahrscheinlichkeit eines Blackouts kommen und hier nochmal die Wissenschaftler zu der Thematik fragen.
Jaro Krieger-Lamina, ich habe gehört, Sie forschen ja schon sehr viele Jahre zum möglichen Ausfall kritischer Infrastruktur. Was hat sich denn seit Beginn Ihrer Forschung verändert? Sind wir heute in Österreich mehr oder weniger blackoutsicher, wie wir gerade gehört haben? Und: Wie hat sich parallel zu Ihrer Forschung auch die öffentliche Debatte rund um das Thema verändert? Mein Gefühl ist ja, seit einigen Jahren explodiert das Thema Blackout auch medial.
Jaro Krieger-Lamina: Ja, also ich glaube, einer der Meilensteine in der Forschung zum Thema Blackout und dazu, was passiert, wenn der Strom wirklich lang und großflächig weg ist, war eine Studie des Deutschen Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag. Die haben 2009, 2010 diese Studie durchgeführt, die ist, glaube ich, 2010 oder 2011 publiziert worden. Das das ist so, wenn man da nachliest, wie es der Herr Bürgermeister beschrieben hat, was passiert, wenn der Strom für eine lange Zeit weg ist. Das sind dann sehr dystopische Szenarien, die niemand von uns erleben möchte.
Ich glaube, dass diese Studie ja auch nicht aus dem Nichts herausgekommen ist, sondern um diese Zeit herum, vielleicht schon ein paar Jahre zuvor, hat es angefangen, dass man sich mit der Frage eines großflächigen Stromausfalls beschäftigt hat – zuerst halt in einzelnen Projekten zum Teil auf Organisationsebene und noch nicht so übergreifend, überregional, auch nicht international oder so, jetzt einmal abgesehen von Übertragungsnetzbetreibern, die das sicher schon länger auf dem Schirm haben. Das betrifft die Nachsorge nach einem Blackout. Das war ein ganz wichtiger Prozess.
Ich glaube, dass das mit dem Jahr-2000-Problem vergleichbar ist. Daran werden sich vielleicht noch einige erinnern, dass es vor dem Jahr 2000 dieses bedrohliche Szenario gab, dass alle Computer aufhören werden zu funktionieren, wenn man sie nicht Jahr-2000-fit macht. Dann ist zwei, drei Jahre extrem intensiv mit ganz viel Ressourceneinsatz von ganz oben bis ganz hinunter, auf allen Ebenen gearbeitet worden – und dann ist nichts passiert Nachher hat man dann gesagt: Pfff, was war jetzt die ganze Aufregung! – Ich glaube, dass aber nur deswegen nichts passiert ist, weil man sich davor so intensiv mit dem Problem auseinandergesetzt hat. Ähnlich sehe ich das beim Blackout.
Also wir haben, grade was jetzt die Abhängigkeit von kritischen Infrastrukturen betrifft, eben schon relativ früh angefangen. Wenn es um Digitalisierung, dann konkret um Abhängigkeit von kritischen Infrastrukturen geht, haben wir schon 2015 eine Studie veröffentlicht, was die Situation in Österreich betrifft. Mein persönlicher Eindruck in all den Jahren ist, dass diese intensive Auseinandersetzung mit dem Thema wirklich geholfen hat. Wir stehen heute ganz woanders als noch vor zehn Jahren zum Beispiel. Dementsprechend muss man sagen, dass auch die Möglichkeiten, die geschaffen wurden, mit so einer Situation umzugehen, deutlich besser geworden sind.
Nach meiner Einschätzung schaut es, was jetzt Wiederherstellungszeiten nach einem Blackout betrifft, auch ganz anders als noch vor zehn Jahren aus. Wenn es damals vielleicht geheißen hat, da können wir uns dann darauf einstellen, dass zwei bis drei Wochen gar nichts funktioniert, und dann haben wir einen Riesenschaden und müssen schauen, wie wir damit zurechtkommen, wie wir sozusagen wieder in den Alltag zurückfinden können, ist das heute anders. Heute reden wir von Stunden bis maximal sehr wenigen Tagen, bis es wieder funktioniert.
Das gesagt habend ist es natürlich wichtig, sich weiter mit der Frage auseinanderzusetzen, weil das ein sehr dynamisches Problem ist, würde ich sagen, wo wir mit vielen Unsicherheiten konfrontiert sind, die sich auch im Vorhinein nicht restlos klären lassen. Es wäre unseriös, zu sagen: Ich weiß, was am fünften Tag nach einem Blackout passiert! – Es ist eine zu dynamische Situation ist, als dass man das wirklich modellieren oder irgendwie sonst vorhersagen könnte. Genauso schwierig finde ich, zu sagen, ich weiß, wann der nächste Blackout ist. Es ist also, wie ich vorhin gesagt habe, so, dass man es weder für die kommende Stunde ausschließen kann noch mit irgendeiner Art von Sicherheit quantifizieren kann und sagen könnte: In den nächsten x Jahren kommt es ganz bestimmt dazu!
Es ist wohl so, dass wir uns hier in einer Situation befinden, eben in diesem Transformationsprozess des Energiesystems, in der manche Sachen nicht mehr so sicher sind wie davor – wie es auch Herr Christiner beschrieben hat. Das war eben auch der Fokus unserer Studie. Die Frage ist: Was kann ich tun, um wieder zu dieser Sicherheit zu gelangen? –Da helfen einerseits die Fragen: Wie funktioniert ein Blackout? Was ist dann zu tun? Wie kann ich mich als Individuum, als Familie, als Organisation bis hin zu Staaten oder auch in der internationalen, überregionalen Zusammenarbeit auf so etwas vorbereiten? Das ist aber nur der eine Sache.
Die andere Sache ist natürlich: Was muss ich tun, um das möglichst hintanzuhalten? In der Frage dieser Risikobehandlung sieht man dann eben auch an den Ergebnissen unserer Studie, es ist ganz, ganz wesentlich, dass mit diesem massiven Ausbau von erneuerbaren Energien, der sinnvoll und gewünscht ist und, soweit wir wissen, der einzige Weg, um die Klimaschutzziele zu erreichen, die wir uns alle vorstellen, ist, begleitend eben auch ein massiver Netzumbau stattfinden muss. Die Stromproduktion kann nur dann so, wie sie bisher, in den vergangenen Jahrzehnten funktioniert hat, funktionieren, wenn das Netz sozusagen mitwächst. Wenn ich jetzt viele erneuerbare Energieträger in das Stromnetz integriere, dann muss ich eben einerseits wie schon angesprochen die technischen Möglichkeiten ausschöpfen, dass ich die Lasten sozusagen flexibel halte. Das ist die eine Sache, und das andere ist: Ich brauche ein ganz anderes Netz, denn ich habe es mit anderen Produktionskapazitäten zu tun – und um die managen zu können, brauche ich ein anderes Netz als das, was ich heute habe. Das stammt nämlich noch aus einer Zeit, als Strom groß zentral produziert wurde und dezentral verbraucht wurde und in dem sonst weiter nicht viel passiert ist, um es jetzt salopp zu sagen. Auf dieses Gesamtbild, glaube ich, darf man nicht vergessen.
Nur hinzuschauen, wo ich sozusagen Erzeuger umstellen kann, ist also nicht ausreichend, auch zu sagen, ich brauche jetzt da eine Transportkapazität, ist zwar wichtig, aber auch nicht ausreichend, sondern ich muss das gesamte Bild anschauen. Wir haben es da mit einem soziotechnischen System zu tun, in dem es sehr viele Akteure gibt, von denen nicht alle sozusagen in die verschiedenen Prozesse eingebunden sind. Wir haben es mit einem juristischen Regelwerk zu tun, das sich natürlich kontinuierlich verändert, aber auch noch sehr an der Vergangenheit hängt, würde ich sagen. Wir haben ja auch die Rolle der Verbraucher, die sich ändert. Bisher haben klassische Verbraucher halt jedes Jahr 2 Prozent mehr Strom verbraucht, je nachdem wie sie sich sozusagen wirtschaftlich entwickelt haben. Viele von denen werden in Zukunft aber Produzenten sein, und zwar nicht nur aus der Überlegung heraus: Wie kann ich mir in der Situation eines Blackouts helfen?, sondern weil es eben diese unterschiedlichen Kapazitäten brauchen wird, um die Energiewende zu schaffen.
Da stehen wir vor enormen Herausforderungen, die man nicht irgendwie kleinreden muss. Gleichzeitig glaube ich, dass wir auf einem ganz guten Weg sind, wenn wir sozusagen versuchen, dieses Big Picture nicht aus den Augen zu verlieren und zu schauen, dass wir uns alle gleichmäßig weiterentwickeln, alle einzelnen Elemente in diesem System.
Kim Kadlec: Big Picture war das Statement. Ich komme gleich noch einmal zu Ihnen, Herr Bürgermeister, ich würde nur gerne die Runde noch abschließen.
Wir haben gerade gehört, das Netz muss irgendwann ein anderes sein, um langfristig Energieversorgung auch aufrechtzuerhalten. Steffen Bettin, was wäre denn – können Sie uns vielleicht Ihre Utopie schildern? – das ideale Stromnetz der Zukunft aus der Sicht eines Wissenschaftlers? Und: Was müsste man tun, um dazu zu kommen? Sie haben es in der Präsentation schon kurz angeschnitten? Können Sie uns kurz eine Art To-do-Liste für die Institutionen mitgeben?
Steffen Bettin: Ich glaube, eine To-do-Liste übersteigt ein bisschen meine Fähigkeiten, und ich glaube auch, das trifft es ganz gut, was mein lieber Kollege gerade eben angedeutet hat: Das Netz ist halt ein soziotechnisches Systems. Das ist ein Wissenschaftsbegriff, das heißt, da sind ganz viele technische Elemente, da sind ganz viele Akteure dran beteiligt. Man spricht bei Stromnetzen von den größten Maschinen der Welt. Ich glaube, das ist richtig.
Dementsprechend ist das natürlich ein sehr komplexes Unterfangen. Und das ist auch nicht mit einer Person irgendwie getan. Das System ist sicherlich dynamisch in die Richtung, das heißt, wenn ich an einer Stellschraube etwas verändere, hat das automatisch woanders Auswirkungen. Die Entscheidung, ob wir jetzt mit PV-Anlagen die mittlere Netzebenen weiter ausbauen oder ob wir eher in niedereren Netzebenen sind und PV-Anlagen auf Dächern aufbauen: Wenn das großflächig passiert, hat das eine Auswirkung darauf, wie das Netz ausschauen muss, das dementsprechend aussieht.
Ich glaube, was das halt im Endeffekt bedeutet – der Kollege hat es gerade angesprochen – ist ein Koordinationsaufwand und es ist natürlich – gut, dass wir im Parlament sind – auch eine politische Aufgabe, diesen Interessenausgleich bezüglich die vielen Arten und Weisen zu moderieren und zu gestalten und diese verschiedenen Akteure dort ins Boot zu holen, um das vonstattengehen zu lassen, damit nämlich nicht das passiert: dass wir ausschließlich die Energieerzeugung verändern und uns dann wundern, dass uns das Netz um die Ohren fliegt. Dass wir tatsächlich mehr Eingriffe haben, das ist auf jeden Fall so. Dass die Kosten für Ausgleichsenergie stark steigen, ist ein klarer Indikator, dass auf der Netzebene und insgesamt auf dieser Systemebene etwas passieren muss.
So ein paar technische Elemente, die auch jetzt schon angesprochen worden sind, aber vielleicht wirklich wert sind, sie noch einmal zu betonen, sind: Diese Flexibilität ist auf Erzeugerseite relevant, dass sich da steuerbare Anlagen habe, aber es ist natürlich genauso relevant, dass wir darüber nachdenken: Wie kann die Nachfrageseite steuerbare sein? Geht das ausschließlich über Preissignale? Wie weit kann das durch technische Anlagen im genannten Power-to-X oder Sektorenkopplungselement passieren? Da gibt es eine ganze Reihe von Überlegungen, da gibt es eine ganze Reihe von Pilotprojekten. Ich glaube, es ist wichtig, da technisch klar voranzukommen, aber die große Aufgabe, die in diesem Rahmen vielleicht relevant ist zu betonen, ist dieser Koordinationsaufwand, der damit verbunden ist.
Mir ist klar, dass diese Koordinationsaufwand, dieser Interessenausgleich kein leichter ist. Ich kann mir vorstellen, dass es - - Also der Ausbau der Salzburgleitung: Es ist ja bekannt, dass das auch wahnsinnig viel Gegenproteste - - Der Kollege nebenan schmunzelt Das sind ja Interessen und auch bisherige Verhaltensweisen die geändert werden müssen, Leuten wird vielleicht etwas weggenommen werden, Sachen, die sie vorher leichter hatten. Da geht es natürlich um Ausgleich: Wie kann das gestaltbar sein? – Ich glaube, das ist eine große Aufgabe, die also nicht zu unterschätzen ist.
Positiv gesehen haben wir dann vielleicht ein besseres Stromsystem in der Zukunft. Wie wir jetzt auch sehen, sind die Fossilen auch nicht so sicher, wie wir uns das vielleicht vorgestellt haben. Eine Reihe von zukünftigen Herausforderungen können wir vielleicht jetzt schon meistern, wenn wir das angehen.
Kim Kadlec: Vielen Dank!
Wir haben gerade schon einmal etwas vom Wiederhochfahren der Netze gehört. Das war ein Stichwort, weil mir aufgefallen ist, dass sehr viele Menschen, die sich mit dem Thema Blackout beschäftigen, auch beschäftigt, wie lange es denn dauert, wenn der Strom einmal weg wäre, bis dieser dann wieder da ist. Das ist eine große Diskussionsfrage.
Ich habe mir gedacht, da fragen wir einmal den, der es vielleicht am ehesten weiß: Herr Christiner. Ich habe mir sagen lassen, dass es dann, wenn der Strom großflächig weg wäre, also wenn es ein Blackout gäbe, ja gar nicht so leicht ist, den Strom wieder hochzufahren. Es ist nicht so, dass man da auf ein Knopferl drückt und dann ist die Energieversorgung wieder da, sondern es ist ja um einiges komplizierter. Können Sie uns vielleicht ganz kurz einmal schildern, was da die Herausforderungen sind, wie das überhaupt funktioniert? Und – ganz wichtig –: Wie lang würde es dauern?
Gerhard Christiner: Vielleicht einleitend von meiner Seite möchte ich das schon betonen – das ist unser Job –: Ich sehe jetzt nicht, dass wir morgen oder in absehbarer Zeit einen Blackout haben. Das ist mir noch einmal ganz wichtig zu betonen. Wir als Branche, also die gesamten Netzbetreiber, auch die Verteilnetzbetreiber in Österreich und auch die Erzeuger, sehen schon diese Verantwortung, dieses System stabil zu betreiben. Es ist auch so, dass wir im Falle eines Blackouts, auch wenn er eintritt, wenn sozusagen gewisse Verletzungen der Grenzwerte bei technischen Elementen oder Ausfälle passieren, hier auch ein Fangnetz aufgebaut haben, sozusagen ein europäisches Fangnetz. Das heißt, es ist sehr stark an Frequenzabfall gebunden. Die Frequenz ist ja der Qualitätsmaßstab der Energieversorgung, davon hängt auch ab, dass viele unserer Geräte funktionieren. Ab einem Frequenzeinbruch von 200 Millihertz beginnen, ganz automatisiert Prozesse zu laufen, wo eben dann Pumpen weggeschaltet werden, wo zusätzliche Kraftwerke angeworfen werden, wo automatisch mehr eingespeist wird. Das ist also sehr gut durchdacht – und auch bei allen Krisen der letzten Jahre haben diese Fangnetze immer gewirkt. Das muss man sagen.
Die werden auch laufend verbessert. Aus jeder Krise, aus jedem Vorfall lernen wir auch – und das ist auch ganz wichtig zu sagen, dass man ein bisschen die Angst nimmt, sage ich einmal grundsätzlich. Dass ein Blackout heute oder morgen passieren kann, das sehe ich definitiv nicht.
Sollte es wirklich passieren und sollte es soweit kommen, dann haben wir natürlich auch dafür vorgesorgt und wir üben das Ganze natürlich auch. Es ist so, wie Sie richtig gesagt haben, wenn einmal alles in Österreich und vielleicht auch in den Nachbarländern finster ist, dann haben wir Kraftwerke in Österreich, die man schwarzstartfähige Kraftwerke nennt. Die können ohne Strom starten. Auch ein Kraftwerk braucht ja viele Hilfsbetriebe, damit es starten kann. Wenn es keinen Strom hat, geht das nicht. Das heißt, wir haben schwarzstartfähige Kraftwerke. Das sind im Speziellen die Pumpspeicherkraftwerke in Österreich Die haben die Möglichkeit, auch ohne Strom hochgefahren zu werden. Das ist aber nur der eine Aspekt.
Der zweite Aspekt ist: So ein Kraftwerk muss auch inselbetriebsfähig sein. Was heißt inselbetriebsfähig? – Sie müssen sich vorstellen, Sie können nicht einfach das Kraftwerk hochfahren und dann schalte ich einfach komplett planlos Verbraucher dazu, sondern sie müssen sich das wie einen Waagbalken vorstellen: In dem Moment, da sie Erzeugung hochfahren, müssen sie auf der Gegenposition auch entsprechenden Verbrauch dazuschalten. Das Ganze muss sich sozusagen permanent in der Waage halten, damit auch die 50 Hertz, die Frequenz, stabil bleibt. Sobald diese 50 Hertz wieder verloren gehen, kann das ganze wieder zerfallen.
Das ist der Prozess, den wir hier dann mehr oder weniger abwickeln müssen, und das üben wir auch. Unsere Mitarbeiter sind permanent auch auf Schulungen, jedes Jahr werden die sozusagen differenziert auf Schulungen geschickt. Da gibt es ein Simulatortraining, mit dem alle europäischen Übertragungsnetzbetreiber ihre Mitarbeiter schulen. Das ist in Deutschland. Dort kannst du jedes Szenario, jedes europäische Szenario einspielen. Die werden vorher abgesprochen, definiert. Das beüben wir dort also auch. Das kann man sich so wie bei einem Piloten vorstellen, der sozusagen Extremsituationen am Simulator trainieren muss – so ist es auch für unsere Mitarbeiter. Das heißt, das ist der Aufbau aus Österreich heraus. Also die beste Gruppe schafft es in 10 Stunden, es kann aber auch 25 bis 30 Stunden dauern, bis die das gesamte österreichische Netz wieder aufgebaut haben – wie gesagt: am Simulator natürlich, wir haben es noch nicht in der Realität gemacht.
Der zweite Aspekt: Es ist natürlich die Hoffnung immer noch da, dass irgendeines unserer Nachbarländer noch Strom hat, denn dann kann man auch Spannung, wie wir sagen, weiterschalten. Das heißt, wir lösen dann einmal in Österreich alle Schalter sozusagen, trennen uns komplett auch innerösterreichisch einmal so, dass wir nur mehr lauter kleine Teilnetze haben – mit den Verteilnetzbetreibern abgestimmt –, und beginnen dann Spannung aus den Nachbarländern weiterzuschalten, sodass wir zunehmend Verbraucher hinzuschalten können, und im Idealfall – das ist die einfachere Art – hätten wir dann auch in absehbarer Zeit wieder Strom in ganz Österreich.
Die Dinge sind also machbar, werden auch trainiert, die Leute sind sehr gut geschult – und wie gesagt es sollte nicht passieren, dass wir wirklich über mehrere Tage ohne Strom sind. Das wäre wirklich eine Extremsituation. Das müsste schon aufgrund einer echten Nichtverfügbarkeit von Kraftwerken passieren, wobei wir einfach nicht mehr die Kraftwerkskapazitäten hätten, um überhaupt den Strombedarf zu decken.
Ein Punkt ist mir noch wichtig zu sagen, in Bezug auf die Diskussion – und auch Sie haben es angesprochen –: dieser Koordinierungsaufwand. Eines muss uns klar sein – und das zeigt uns auch die heutige Situation –: Wir hatten in den letzten Jahren ein Energiesystem, das noch unsere Großmütter und Großväter geplant haben. Da war der Fokus sichere Stromversorgung für alle Verbraucher in Österreich – damals noch vor der Liberalisierung – und es waren auch gewisse Reserven eingebaut. Wir haben bis heute von diesen Reserven gelebt. Wir haben diese Reserven aufgezehrt, die hatten noch den Mut und die hatten auch sozusagen die Freiheit, diese Reserven zu bauen. Das war zum damaligen Zeitpunkt vielleicht nicht immer effizient, aber man hat einfach auf Sicherheit gebaut.
Heute ist es so: Wir haben auf der einen Seite den Strommarkt, der natürlich von sich aus Effizienz ergibt, weil der Markt immer nach effizienten Kriterien agiert. Das heißt, wir haben mittlerweile eine Verknappung auf der Erzeugungsseite. Das sehen wir jetzt schon mit den hohen Preisen, wenn einmal die Trockenheit da ist. Wir haben auf der zweiten Seite auch eine Situation: Wir haben das Stromsystem reguliert, der Regulator ist natürlich auch angehalten: Wir haben seit 20 Jahren Minimierung der Netzkosten als Dogma. Das heißt: Wie können wir noch effizienter werden? Wie können wir aus dem bestehenden Netz noch mehr rausholen? Sicherheitskriterien, sage ich jetzt einmal, werden zunehmend an den Rand geschoben. Das fängt im Verteilnetzt an. Ich verstehe es ja, denn der Windparkbetreibers sagt: Kann ich nicht einspeisen, der Windpark steht jetzt schon da? Das muss doch noch gehen! – Der PV-Betreiber sagt: Kann ich? – Der Netzausbau hält einfach nicht Schritt mit dem Ausbau der Erneuerbaren. Dann kommen wir in die Situation, dass wir uns eigentlich am Limit bewegen, und das heißt natürlich, immer höhere Risiken zu haben.
Den Koordinierungsaufwand, den sie angesprochen haben, gibt es halt in einer liberalisierten Welt nicht so. Es gibt heute nicht mehr die Abstimmung, also dass die Erzeuger gemeinsam mit den Netzbetreibern planen, denn der Erzeuger ist im Wettbewerb, ist im Markt, der schaut, wo er eine zonierte Fläche kriegt, wie die Anlagen relativ schnell dort stehen und ans Netz kommen. Der stimmt sich aber nicht wirklich so auf fünf, zehn Jahre mit dem Netzbetreiber ab, dass er sagt: Dort sind die Zonierungen, da sind die Flächen. – Das ist wahrscheinlich auch politisch ein Thema, das ist für uns ganz, ganz wichtig.
Unser Netzentwicklungsplan kann nur dann funktionieren, wenn wir frühzeitig wissen, wo die großen Windparks in der Zukunft stehen, wo die großen PV-Flächen in der Zukunft stehen, wo dann produziert wird, und wie man das Netz ausbauen muss, sodass das dann auch transportiert wird, und wo die Speicher sind und wie das Gesamtsystem am Ende des Tages funktioniert. Wenn wir diese Sichtweise in Österreich nicht entwickeln, dann kommen wir in Situationen wie in Deutschland, wo mittlerweile jedes Jahr so viel Wind abgedreht wird, weil man es nicht einspeisen kann, wie ganz Österreich produziert. Das muss man sich einmal vorstellen! Trotzdem wird es monetär vergütet, weil der Windparkbetreiber ja nichts dafür kann.
Das sind genau diese Auswüchse, die dürfen und wollen wir in Österreich nicht haben. Darum ist es uns ganz, ganz wichtig, dass man dieses System ganzheitlich plant. Dafür braucht es halt doch auch gewisse Vorgaben. Wahrscheinlich wird man es über gewisse Regulative machen müssen, sodass wir halt auch wissen, wo die Anlagen der Zukunft sind und wie die Netze der Zukunft ausschauen sollen. Das ist glaube ich ganz, ganz wichtig – auch im Sinne der Sicherheit.
Kim Kadlec: Vielen Dank dafür!
Ich habe jetzt etwas gehört von 30 Stunden maximal. In diesen 30 Stunden: Was wären denn da die Herausforderungen des Bundesheers? Sie haben ganz zu Beginn die Sicherheitsinseln erwähnt. Auf was bereitet sich denn das Bundesheer in diesem Zusammenhang eigentlich vor?
Philipp Eder: Bevor ich das beantworte, möchte noch kurz etwas zur ersten Runde ergänzen, was wir ein wenig abgeht, auch wenn man das sicher nicht so gerne hören möchte: Es gibt natürlich neben diesen technischen Aspekten noch andere Möglichkeiten, nämlich eines Anschlages, von Terroranschlägen, Cyberangriffen oder Ähnlichem, die Auswirkungen auf unsere Stromversorgung haben. Ich will es der Vollständigkeit halber dazusagen, sodass es nicht verloren geht. Es gibt schon auch leider Gottes andere Auslöser. Auch hier kann man präventiv zum Beispiel durch gute Polizeiarbeit etwas tun. Ich wollte das der Vollständigkeit halber schon sagen: Es geht nicht nur um technische Aspekte, sondern es geht leider schon auch um gewaltsame – und die erleben wir ja derzeit doch und sie sind leider nicht auszuschließen.
Was uns konkret betrifft, ist: Von den Liegenschaften des österreichischen Bundesheeres haben wir jetzt die 100 wichtigsten einmal identifiziert, die bis 2025 für sich selbst 14 Tage autark sein können sollen, damit wir quasi aus diesen Liegenschaften heraus entsprechend unterstützen und Hilfe leisten können. Von diesen 100 wurden zwölf dann als sogenannte Sicherheitsinseln identifiziert. Das heißt, das sind dann besonders autarke Liegenschaften vor allem in Ballungszentren, von wo aus auf der einen Seite wir agieren können wollen und auf der anderen Seite diese auch den Blaulichtorganisationen, den vom Herrn Bürgermeister genannten Organisationen anbieten wollen. Wir bereiten uns also darauf vor, dass andere bei uns andocken.
Was nicht funktionieren wird – das auch manchmal kolportiert worden –, ist, dass acht Millionen Österreicher aus diesen zwölf Sicherheitsinseln heraus versorgt werden können. Das geht einfach nicht, das wird nicht funktionieren. Was wir aber schon wollen, ist, dass die Menschen sich dorthin wenden können, wenn sie zu Hause ein Problem haben und nicht wissen, an wen man sich wenden kann, wo man Nahrung bekommt, wo man noch einkaufen kann, was auch immer. Dort soll ein Ansprechpartner sein, der dann die Menschen unterstützt und ihnen mitteilt, wo die nächste Stelle ist.
Das ist dann natürlich ein gesamtstaatliches Problem, wobei die Polizei, die Feuerwehr, die Gemeinde oder wer auch immer entsprechend tätig werden kann.
Das sind also unsere 100 Kasernen, das sind die Sicherheitsinseln. Wir investieren derzeit 20 Millionen Euro auf fünf Jahre. Das ist unser Budgetrahmen für fünf Jahre, wir haben jetzt also für die nächsten fünf Jahre 100 Millionen Euro vorgesehen. Das hat schon vor zwei Jahren begonnen. Hier wird also entsprechend investiert, damit wir unseren Aufgaben im Fall des Falles gerecht werden können.
Kim Kadlec: Vielen Dank.
Ich mache einmal links von mir weiter: Wie würde denn im Fall des Falles – wir haben gerade gehört, Ihre beiden Ministerien sind von großer Bedeutung – die Kooperation zwischen Ihren beiden Ministerien funktionieren? Wann fordert man das Bundesheer an? Wie funktioniert überhaupt die Kommunikation mit den Gemeinden als Innenministerium? Wie würden Polizeiinspektionen überhaupt handlungsfähig bleiben?
Gerald Hesztera: Gut, das sind viele Fragen. Ich fange einmal mit der Gesamtkoordination an, die beim Innenministerium liegt. Da ist schon sehr, sehr viel gemacht worden – wir haben das auch massiv aufgewertet, der neue Leiter dieser Abteilung, Wolfgang Nicham, sitzt mit seinem Team hier –: die Probleme des Blackouts sehen, mit den Partnern besprechen, das weiter intensivieren.
Als Polizei selbst, als Innenministerium selbst haben wir derzeit den Plan, dass wir in den nächsten Monaten schon mehr als 100 Dienststellen fertig haben, die blackoutsicher sind. Das heißt, sie sind versorgt: Notstrom, Treibstoff, Nahrung, Wasser, damit wir unsere eigenen Kräfte aufrechterhalten können. Wir sind da ziemlich weit, und deswegen haben wir in diesem Bereich schon sehr, sehr viele Kooperationen und Anfragen von anderen Ministerien, mit denen wir uns austauschen, mit denen wir im regelmäßigen Gespräch sind. Wir schauen: Was können wir von denen lernen? Was können die von uns lernen?
Das andere ist und das ist, glaube ich, das Wichtigste: regional. Es ist richtig gesagt worden, bei einem Blackout geht nichts mehr. Wenn wir also in Wien sitzen, werden wir nicht viel machen können. Da haben wir den Vorteil, dass unsere Kollegen sehr gut ausgebildet, sehr motiviert und auch sehr selbstständig sind. Es kommt also auf den Polizisten vor Ort an, dass der selbstständig seine Aufgaben wahrnimmt, weiß, was er tut, weiß, wo er es tut. Das, glaube ich, haben wir schon geschafft und wir sind da auf einem sehr guten Weg.
Und: regional, regional, regional! Das ist eben die Kooperation mit den Gemeinden, mit den Blaulichtorganisationen, mit den Feuerwehren, die jetzt schon passieren muss, die schon passiert. Das sind wir teilweise schon sehr, sehr weit, sodass die sich auf lokaler Ebene vernetzen und schon einmal vorbereiten, dass die zusammenarbeiten, ohne dass sie irgendeine Hilfe oder Anweisungen von der Zentrale bekommen, wenn etwas passiert. Das muss automatisch lokal passieren, bis es wiederum so weit ist, dass wir den Blackout behoben haben.
Kim Kadlec: Vielen Dank dafür.
Herr Bürgermeister, jetzt bin ich noch mal bei Ihnen. Sie wollten ohnehin noch etwas sagen. Wir haben gerade gehört: Regional, regional, regional ist das Thema, wenn es soweit wäre. Was mich noch interessieren würde: Sie haben schon ein bisschen erzählt, welche Hoppalas im Blackouttraining passieren. Können Sie vielleicht nochmals zwei, drei Aha-Effekte aus ihrer Arbeit erzählen? Woran hatten sie im Vorfeld gar nicht gedacht? Und, was mich auch interessieren würde: Wie nimmt man denn bei so einem Unterfangen die Bevölkerung mit? Wie schaffen Sie das denn, dass da jeder in Feldbach mitmacht?
Josef Ober: Na ja, das ist ja nicht nur in Feldbach geblieben. Wir haben unser Wissen geteilt, Herr Saurugg hat uns begleitet und auch die lokale Energieagentur. Wir haben uns mit dem steirischen Zivilschutzverband vernetze, mit Herrn Präsident Forstner und Herrn Uhl, der ist heute ja auch da. Die haben das so hochwertig veredelt und einen Katalog erstellt, den alle steirischen Gemeinden am Tisch haben. Sie haben ihn zumindest am Tisch. Sagen wir es einmal so. Das heißt, das Wissen ist mit dem Zivilschutz so vernetzt worden, dass auch ihr Wissen eingeflossen ist, wie jetzt mit der Bevölkerung umgegangen wird. Es werden auch sehr viele Vorträge gemacht.
Wir sind am Anfang belächelt worden, das gebe ich eindeutig zu. Auch medial sind wir einmal ziemlich vorgeführt worden, wie man so etwas nur denken kann. Ich bin über die Aussage von Herrn Christiner sehr dankbar, dass er es offengelassen hat, dass das nützlich sein kann. Das Bundesheer hat ja auch hier erwähnt, es können ja auch größere Eingriffe passieren, die wir in den letzten Monate erleben. Wir wissen im Endeffekt gar nichts.
Ich habe aber auch höchsten Respekt, wie bis jetzt die österreichische Energieversorgung basiert ist – höchsten Respekt! Das darf uns aber nicht dazu verleiten, das geht immer. Ich muss heute etwas Politisches zum österreichischen Parlament sagen: Es wundert mich, dass es noch keinen Antrag gibt, die Versorgungssicherheit und den Wohlstand aller Bürger in die Verfassung aufzunehmen. Es würde mir im geistigen Spektrum vieler noch fehlen, dass wir den Bürgern alles abnehmen müssen – alles! – und in der Verfassung festschreiben, das hat zu funktionieren. Das hat mich bei den geistigen Ausbrüchen vieler Parteien in den letzten Monate gewundert. Das fehlt mir noch, denn dann haben wir es geschafft, dann sind alle versorgt.
Ich komme aber auf die regionale Ebene zurück. Ich gehe so weit hinunter, dass wir Nachbarschaft seit Covid als neues Thema spielen. Wissen Sie, da haben Sie nicht fortfahren können, haben am Zaun ein Bier getrunken. Daher appelieren wir: Helft euch gegenseitig!, und das funktioniert. Wir haben bei 13 500 Einwohner 40 Leute versorgen müssen, die andere haben sich gegenseitig versorgt. Das können die Menschen, wenn man sie lässt, wenn man ihnen nicht vorgaukelt, das macht alles der Staat. Das ist das eine: Wir setzen auf Nachbarschaftshilfe, dass die das gegenseitig erledigen. Kommunale Versorgung müssen wir machen, das geht gar nicht anders. Wir müssen uns mit allen wichtigen Einrichtungen vernetzen. Es hat keinen Sinn, wenn jeder einen Dieseltank stehen hat und den zehn Jahre nicht braucht. Das hilft nichts. Das bewirtschaftet die Gemeinde, weil man selber 70 000 Liter im Jahr brauchen. Das können wir koordinieren.
Also Hoppalas: Wir haben viel gelernt. Ich habe mir absolut nie einen Gedanken gemacht, wie etwas funktionieren könnte. Ich kann nur appellieren: Probieren Sie das einmal selber aus! Sie brauchen eine Netztrennung, manche fahren ohne Netztrennung hinein. Denen wünschen ich sozusagen viel Glück. Strom ist etwas wertvolles, nur wenn er schlecht angewandt wird, gibt es auch katastrophale Auswirkungen.
Noch einmal: Vielleicht kann sich der Normungsausschuss damit beschäftigen, denn wir bauen heute riesige Objekte, wo wir keine Leitungen vorsehen, sodass wir eine Notversorgung haben, ohne dass wir in jeder Elektronik mit dem Strom picken, die bei einer schlechten Handhabung kaputt ist und womöglich dann erst Tage oder Monate später, wie wir jetzt sehen, geliefert werden kann. Wir müssen ja sehen, was die Folgeschäden sind.
Noch einmal: Ich glaube, es geht Ihnen auch so. Seit Covid hat sich bei den Menschen etwas verändert. Auch bei Power Grid sitzen Menschen. Ob die dann, wenn ihre Kinder nicht versorgt sind, in der Lage sind, beim Hochfahren alles richtig zu machen: Ich mute es niemandem zu, dass das immer gut. Wir dürfen uns das nicht zu billig machen. Noch einmal mein Spruch: Eine moderne Gesellschaft muss die Frage: Was wäre, wenn der Strom einen halben Tag, zwei Tage, drei Tage wegfällt?, beantworten können. Wir müssen eine Ahnung haben. Wir können das nie substituieren, nie! Wir müssen daher eine Ahnung haben, was das dann bedeutet und wie wir das in regionaler Nachbarschaft Gemeinden, Kommunen kooperativ einigermaßen bewältigen können.
Wissen Sie, drei Tage keine Wasserversorgung zu haben, führt zu hygienischen Problemen: Der Kühlschrank rinnt aus, die Gefriertruhe rinnt aus. Sie haben keinen Platz für die Notdurft, denn unsere Kanalsystem wäre höchstwahrscheinlich nach drei Tagen unbrauchbar. Dann fängt das Dilemma erst an. Also so gescheit müssen wir schon sein, dass wir ein Stückel vorausschauen und nicht hundertprozentige Sicherheit in der Verfassung suchen, hundertprozentig Sicherheit bei den Versorgern suchen und sagen: Ja bitte, das ist nicht unsere Angelegenheit, das muss uns erledigt werden hat!
Damit müssen wir die Gesellschaft konfrontieren, muss ich dazusagen, damit sie auch weiß, wir leben in einer bestens ausgestatteten Welt mit der besten Versorgung auf allen Ebenen. Nur ein bissel muss man sich überlegen, was ist, wenn das einmal nicht da ist. Wir überleben eh, wenn es nicht da ist, denn die Generationen sind mit viel weniger ausgekommen. Wenn jetzt der Strom knapp wird, muss ich mir vorstellen - - Bei der Temperatur – nichts gegen die Installateure – verkaufen sich die Klimaanlagen ohne Ende, ohne dass der Mensch nachdenkt, woher der Strom kommt. Wissen Sie, was die präpotenteste Aussage der Bürger ist? – Na, was wollen Sie denn, ich zahle eh dafür? Da fehlt sogar die Überlegung, wo das herkommt.
Ich muss aber zu den Stromnetzen auch etwas sagen: Da ist Gefahr im Verzug. Ich habe Proteste von Bürgern, die sich eine Fotovoltaikanlage raufbauen wollten und sich den Ertrag berechnet haben, der jetzt nicht schlecht ist. Sie können aber nur 50, 30 Prozent einspeisen. Als Bürgermeister kriege ich täglich Ansuchen für Fotovoltaikanlagen. Der Bürger will! Da brauchst du mathematisch mittlerweile kein Genie mehr sein: Die Investitionen rechnen sich. Es gibt täglich Anträge. Wie wir mit denen umgehen und wie wir mit den vergraulten Bürgern umgehen, weil die nicht bauen können, weil das Netz das nicht verträgt und das nicht organisiert ist, also dahin gehend ist extremer Handlungsbedarf. Ich glaube, die Bürger würden in den nächsten Jahren in Österreich gewaltiges bauen – auch mit weniger Förderung, möchte ich dazusagen, einfach auf Sicherheit. Dazu muss uns im System etwas gelingen und wir brauchen mehr Bewusstseinsbildung.
Ich danke jetzt dem Zivilschutzverband, der da ja österreichweit exzellent macht. Der Bürger hat Ressourcen ohne Ende, er hat auch Zeit, darüber nachzudenken und sich zu vernetzen und sich nicht nur auf den Staat zu verlassen.
Entschuldigen Sie, ein bisschen bin ich auch noch Politiker, daher musste ich ein bisschen etwas Politisches anbringen, weil mir manche Diskussion - - und die Gescheiten, die jetzt alles wissen, muss ich hin und wieder loswerden. Entschuldigen Sie!
Kim Kadlec: Danke Herr Bürgermeister. Wir sind jetzt schon weit über der Zeit. Ich hätte noch ein Dutzend Fragen an Sie auf der Bühne. Ich kann sie jetzt nicht mehr stellen, weil ich angehalten bin, hier den Zeitplan wirklich einzuhalten. Ich würde deshalb noch ganz kurz die Diskussion ins Publikum eröffnen und Sie um Ihre Fragen bitten, wenn Sie denn welche haben. Ich sage gleich dazu, es wird im Anschluss auch noch die Möglichkeit geben, sehr viele Fragen zu stellen. Es gibt dann im Foyer draußen - - Ich werde alle Herren für Sie hierbehalten – versprochen! –, Sie dürfen dann auch im Anschluss noch jede Frage stellen. Ich würde jetzt hier nur eine Handvoll sammeln, wenn das in Ordnung ist.
Ja, bitte schön. Sie kriegen ein Mikrofon.
Fragesteller eins: Meine Frage ist, nachdem mir jetzt wegen Klimaanlagen ein Lächeln auf die Lippen gezaubert worden ist: Was wäre denn, wenn in kurzer Zeit alle Autolenker oder Besitzer auf E-Autos umsteigen?
Kim Kadlec: Wollen Sie die Frage an jemanden konkret stellen? Vielleicht sagen Sie es gleich dazu, wer die bessere Antwort hat.
Wer möchte etwas zu den E-Autos sagen? – Bitte schön, Herr Christiner.
Gerhard Christiner: Also wir haben uns das natürlich angesehen. Wir haben circa fünf Millionen Autos in Österreich. Würden jetzt alle elektrisch fahren, würde das circa 13 bis 17 Terawattstunden mehr Stromverbrauch in Österreich verursachen. Nur das Sie ein Gefühl haben: Wir haben derzeit über den Daumen rund 70 Terawattstunden Stromverbrauch im Jahr. Das heißt, 13 bis 15 wie auch immer würden dazukommen. Das würde nicht von heute auf morgen passieren, weil die Autos gar nicht verfügbar sind.
Ich sehe aber auch da nicht das Problem bei den Autos und bei dem Zuwachs, sondern das Problem ist auch hier wieder im Netz. Ich habe selbst ein Elektroauto. Was brauchen Sie, wenn Sie fahren? Wenn Sie zu Hause stehen, okay, kann er die ganze Nacht laden – kein Problem –, dann brauche ich auch nicht die Leitungskapazität, die Netzkapazität dazu. Wenn Sie heute aber irgendwo unterwegs sind und weiterkommen möchten, dann brauchen Sie einen Schnelllader, 150, 350 kW. Das innerstädtisch oder irgendwo zu bauen, das ist eine Challenge, weil darauf ist die Netzinfrastruktur überhaupt nicht ausgelegt.
Auch da braucht es also gerade für die Ladeinfrastruktur – auch das verstehe ich nicht ganz – eine Planung, wo man wirklich sagt: Wo sind die Verkehrsströme? Das kann man alles mit Experten simulieren und sagen: Welche Ladeinfrastruktur brauche ich wo? Ich finde auf den Asfinag-Raststätten fast nix. Da ist noch gar nichts. Ich verstehe es nicht. Da bin ich also wirklich teilweise ratlos, warum man da nicht auch systemisch vorgeht und sagt: Wie rolle ich das aus?, denn sonst haben wir ein Henne-Ei-Problem. Dann werden die Nächsten erstens sagen: Dann kaufen ich mir kein Elektroauto, weil ich keine Ladeinfrastruktur habe! – Das zieht sich durch.
Ich weiß es zum Beispiel von der von der BIG: Die haben bereits das Problem, Gebäude innerstädtisch für Firmen zu vermieten, weil diese gerne für ihre Elektroflotte in den Parkgarage und in den Tiefgaragen entsprechende Ladeinfrastruktur hätten. Die kann man aber nicht hineinbauen, weil die Stromnetze nicht darauf ausgelegt sind – auch innerstädtisch nicht.
Es braucht da also wirklich einen ganz strategischen Zugang, weil das alles gut geplant sein muss und hoch kapitalintensiv ist. Das darf man nicht unterschätzen, die Infrastruktur ist kapitalintensiv und langlebig. Das heißt, das muss ich planen und gut auslegen, damit ich dann in der Zukunft auch sozusagen den Nutzen ziehen kann.
Kim Kadlec: Vielen Dank. Die Antwort ist - - (Christiner: Darf ich noch ein Bild zeichnen, Herr Bürgermeister, das ist für mich wichtig!) – Ja, bitte.
Gerhard Christiner: Wenn Sie schon die Netze ansprechen: Ich glaube, was man den Leuten mitgeben muss, ist, das ist wie beim Menschen. Für uns sind die Kraftwerke das Herz, die Netze sind die Arterien und Venen. Wir alle wissen, was passiert, wenn beim Menschen Arterien und Venen nicht durchlässig sind und zugehen. So muss man das auch im Energiesystem und Stromsystem sehen. Wenn wir das beherzigen, dann machen wir hoffentlich die richtigen Schritte.
Kim Kadlec: Danke schön. Also auch hier ist die Antwort: Ausbau der Infrastruktur beziehungsweise der Netze.
Da hab ich noch weitere Fragen. – Bitte schön.
Da ist auch noch eine Frage. Na gut, wir werden jetzt immer zwei sammeln, dann geht es vielleicht noch schneller. Vielleicht auf der rechten Seite zwei, und dann hab ich Sie noch.
Dominik Zeidler: Dominik Zeidler, von Die Helfer Wiens, also Wiener Zivilschutzverband. Die Frage an APG, weil heute auch über Wahrscheinlichkeiten gesprochen worden ist: Natürlich war heute der Aufhänger Blackout. Sie haben auch von Energieknappheit in der Erzeugung gesprochen. Thema Strommangellage: Das heißt, dass wir aufgrund der Energiegeschichte, aufgrund Energieknappheit erfahren, dass wir einfach zu wenig Strom in Österreich zur Verfügung haben. Ist das ein realistisches Szenario? Gibt es da auch schon klare Pläne für eine Strommangellage?
Kim Kadlec: Ganz kurz bevor Sie antworten: Ich sammeln noch die zweite Frage. Wir heben es uns auf: Strommangellage: Wie schaut es diesen Winter aus?
Die zweite Frage bitte noch.
Rudolf Schober: Rudolf Schober, Zivilschutzverband Kärnten. Ich hätte eine Frage an den Vertreter des Innenministeriums. Ich sehe das Symposium in zwei Teilen: Versorgungssicherheit. Ich danke Herrn Christiner für die klaren Ansagen, was die drei Punkte endlich sind, wo es in Österreich hapert, sagen wir es einmal so.
Zum anderen kommt in dieser Studie aber auch etwas vor – ich habe es mir noch gemerkt, Seite 50 und Seite 51 –, wobei auch dem Innenministerium eine sehr bedeutende Rolle zukommt, nämlich im Rahmen des SKKM.
Herr Bürgermeister, ich kann Sie nur dabei unterstützen: Es geht uns in Kärnten genauso. Wir haben auch die Probleme, aber wenn vom Netz des SKKM, das ja vom Innenministerium über die Länder und Gemeinden gespannt ist, die Informationen kommen, dann ist das sicherlich einfacher. Ich meine, bestimmte Informationen können nur von der obersten Ebene, sprich vom Innenministerium, kommen, denn die haben die zentrale Funktion, mit allen anderen Ministerien und Versorgungseinrichtungen zu kommunizieren und das uns in die Länder, an die Zivilschutzverbände weiterzugeben.
Meine Frage: Hat man da vor, noch verstärkt zu diesem Thema seitens des Innenministeriums etwas zu machen? – Danke.
Kim Kadlec: Vielen Dank dafür. Ich würde jetzt beide hintereinander beantworten.
Nummer eins, Strommangellage: Wie schaut es in diesem Winter aus? Wird es ein Problem?
Gerhard Christiner: Vielleicht zur Strommangellage ein paar Fakten: Österreich hat, ich habe es vorhin gesagt, circa 70 Terawattstunden Stromverbrauch. Wir importieren davon circa 10 Terawattstunden. Das war im letzten Jahr so, heuer werden es sogar mehr werden, durch die Trockenheit. Wir produzieren circa 10 Terawattstunden aus Gaskraftwerken. Der Rest kommt dann aus den Erneuerbaren und den Pumpspeicherkraftwerke. Das heißt, wir sind ein Importland. Das ist der erste Aspekt. Das heißt, wir sind abhängig davon, dass unsere Nachbarländer Überschüsse haben und die sozusagen auch an uns vermarkten.
Die Situation in Europa ist derzeit aber die: Wir haben in Frankreich die Situation, Sie haben es wahrscheinlich auch schon aus den Medien vernommen, Frankreich importiert derzeit rund 8 000 Megawatt. Normalerweise importieren sie genau diese Zahl um diese Jahreszeit. Das heißt, die sind ganz massiv auf der Importseite, also nur 20 Gigawatt. Das heißt, circa ein Drittel ihrer Atomkraftwerkeflotte ist derzeit betriebsfähig. Der Rest ist aufgrund der Trockenheit beziehungsweise aufgrund gewisser technischer Risiken, die sie jetzt untersuchen müssen, nicht in Betrieb. Das ist einmal der erste Risikofaktor.
Der zweite Risikofaktor ist, ich hab es schon erwähnt, die Trockenheit. Wir haben auch in Österreich wieder eine historisch niedrige Erzeugung aus den Wasserkraftwerken. Allein im Juli, glaube ich, wurden rund 30 Prozent weniger erzeugt als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Über das gesamte Jahr waren es bis jetzt rund 10 Prozent weniger Erzeugung aus Wasserkraftwerken als in einem Regeljahr. Das heißt, wenn der Herbst nicht wirklich, wie wir sagen, nasser wird, dann haben wir da wirklich ein Problem, dass wir noch importabhängiger werden.
Der dritte Aspekt, ich will gar nicht noch weiter ausholen, ist natürlich die Gasfrage: Haben wir ausreichend Gas im Winter? Haben speziell auch unsere Nachbarländer ausreichend Gas, damit wir dann Strom importieren können, weil wir in Österreich auch nicht mehr ausreichend Kraftwerke hätten, um das sozusagen aus eigenem heraus zu kompensieren, weil wir durch die Entwicklung der letzten Jahre eigentlich aus den thermischen Kraftwerken aussteigen wollten? Wir als APG haben im Markt kaum noch thermische Kraftwerke in Österreich. Wir als APG haben als Sicherheitsreserve circa 3 000 MW kontrahiert, die stehen bei uns unter Vertrag, fahren aber im Markt nicht, sondern fahren nur, wenn wir sie abrufen. Das ist ja eine Sicherheitsreserve, die wir vor vier fünf Jahren glücklicherweise gemacht haben. Barbara, du weißt das, da wurden wir fast als die die Bewahrer der Thermik und so weiter gescholten. Heute sind wir glücklich, dass wir diese Kraftwerke zumindest noch haben, denn die werden sonst eingemottet, das Personal wäre weg. So ein Kraftwerk zu reaktivieren ist extremst schwierig.
Was der Herbst bringt, wird – vielleicht noch abschließend – derzeit europäisch untersucht. Es gibt den Winteroutlookreport der in Entso-E, das ist die Vereinigung der Übertragungsnetzbetreiber. Die arbeiten gerade daran. Es werden Szenarien durchsimuliert, aber wie gesagt, ausschließen würde ich es nicht.
Kim Kadlec: Vielen Dank! Es gab noch eine Frage zur Rolle des Innenministeriums: Soll man da noch einmal an den Kompetenzen feilen?
Gerald Hesztera: Ich würde es jetzt ganz einfach mit Ja beantworten, Sie haben recht. Ich sage es noch viel plastischer: Zwei Reihen hinter Ihnen sind die gesamten Experten vom SKKM des Innenministeriums. Es ist schon wahnsinnig viel passiert. Ich habe mir einmal ganz kurz aufschlüsseln lassen, was in der letzten Zeit passiert ist. Ich kann Ihnen jetzt nicht die zwei Seiten vorlesen, die mir der Kollege gegeben hat, aber: Ja, es ist gestärkt worden. Ja, es ist auf neue Beine gestellt worden, auf sehr gute. Und: Ja, da ist einiges in Planung.
Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich: Die Kollegen sind auch noch da und die können Ihnen das gleich erzählen.
Kim Kadlec: Okay, das ist schon ein Gespräch, das sich für nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung anbahnt.
Jetzt waren links noch zwei Fragen, glaube ich. Ich würde die noch sammeln und dann die Runde aus dem Publikum beenden und zum Abschluss kommen. Wie gesagt, es wird noch alle Möglichkeiten geben, die Fragen, die dann noch übrig sind, zu stellen.
Bitte schön.
Fragestellerin zwei: Meine Frage geht an Herrn Eder beziehungsweise Herrn Ober. Herr Eder hat ein- oder zweimal erwähnt: Dann können sich die Leute an uns wenden oder wir werden ihnen mitteilen! – Es gibt ja keine Kommunikation, wenn es keinen Strom gibt. Habt ihr da also ein Funknetz oder irgendetwas?
Dasselbe wollte ich an den Herrn Bürgermeister richten: Wie hat er sich die Kommunikation für so einen Fall vorgestellt? – Danke.
Kim Kadlec: Ich würde noch die zweite Frage sammeln.
Fragesteller drei: (Phonetisch:) Rudi Strom ist mein Name, ich komme aus dem Burgenland. Herr Bürgermeister Ober, Sie haben sehr viel für die Sicherheit und für die Versorgungssicherheit in Ihrer Region getan. Wissen Sie, als Bürgermeister passiert nichts, was man nicht will. Die Einheit der Führung. Herr Brigadier, ist da gegeben, nur die Zuständigkeiten sind da sehr aufgesplittert, einerseits in den verschiedensten Ministerien, dann gibt es neun Bundesländer, 2 400 Gemeinden. Da muss man schon nachdenken, wie man da diese Sachen planen kann.
Was mich besonders wundert, der Herr Vorstandsdirektor von der APG hat eingangs gesagt: Wir waren vor wenigen Jahren noch sicherer, dann ist ein bissl Unsicherheit hineingekommen!, er hat das in seiner zweiten Wortmeldung wieder revidiert. Aber: Müssen wir wirklich so viel Strom hin- und herschicken? Sollten wir nicht, wie die Wissenschaft uns gesagt hat - - Früher war es relativ einfach, zentral ist die Energie erzeugt worden, Netze sind zum dezentralen Verbraucher errichtet worden. Heute haben wir viele dezentrale Stromerzeuger, und das bringt uns in Sicherheit.
Ich war dabei, als wir diese vielen Windkraftanlagen im Burgenland gemacht haben, und wir haben guten Gewissens all diese Dinge beschlossen, das also die Flächenwidmung passt und all das. Jetzt habe ich in meinem Heimatbezirk 400 Windkraftanlagen. Ich habe mir gedacht, dass uns die Politik immer gesagt hat, 140 Prozent der Energie, die das Burgenland in den Haushalten braucht, erzeugen wir selbst. Nur: Es wird keine Kilowattstunde im Burgenland verwendet. Die werden alle an der Börse in Zürich gehandelt. Dafür braucht es wieder die Netze, die diesen Strom dann hin- und herschicken.
Sollten wir nicht in Richtung dezentraler Energieeinheiten gehen, dass die Energie, die vor Ort erzeugt wird, auch in der Region oder vor Ort auch verbraucht werden kann, denn dann hätten wir vielleicht auch eine Netzsicherheit und die APG, glaube ich, hätte vielleicht ein bissl weniger Umsatz. Das ist meine Frage: Warum könnten wir diese dezentralen Erzeuger nicht mehr in Richtung Verbraucher zusammenschließen?
Kim Kadlec: Ich danke Ihnen für die ausführliche Frage. Ich würde einmal trotzdem mit der ersten Frage anfangen: Wie funktioniert denn die Kommunikation im Fall des Falles? Wie kann man sich denn dann an eine Sicherheitsinsel wenden, wenn das Handy nicht funktioniert?
Philipp Eder: Ja, also ich kann beide Fragen sozusagen ein bissl zusammenfassen. Ich fange mit dem Praktischen an: Ja, es ist ein Riesenproblem, logisch, wenn die die Telefonnetz - - Es gibt auch noch Festnetz bei manchen zu Hause, auch das wird nicht ewig funktionieren, aber vor allem die Handys werden nicht mehr funktionieren. Dann hilft eben nur das, was wir, aber auch die Polizei oder auch die Gemeinden tun, nämlich durch dezentrale Stellen Anlaufpunkte zu haben, wo die Menschen sich dann persönlich oder natürlich mit dem Fahrrad hinwenden können.
Der andere Punkt, den Sie angesprochen haben, und das hängt auch sehr eng zusammen: Wir waren ja in Österreich schon viel weiter, was die Vernetzungen betroffen hat. Es gab einmal so etwas wie einen Staatsgrundnetz, das hat zwar auch den Privaten nichts geholfen, aber zumindest Institutionen konnten miteinander kommunizieren. Das zu warten ist ja irgendwann in den Achtzigerjahren, glaube ich, beendet worden. Es gibt noch ein paar Geräte, aber im Endeffekt funktioniert da nicht mehr all zu viel. Das stammt alles aus der Zeit des Kalten Krieges, als ja unter dem Schlagwort oder eigentlich unter der Verfassungsbestimmung der umfassenden Landesverteidigung sehr viel getan wurde, was nicht per se mit dem Militär zu tun hat, sondern wobei eigentlich erkannt wurde – man sieht es auch jetzt wieder in der Ukraine, wie das funktioniert –, Landesverteidigung funktioniert nur gemeinschaftlich.
Da gibt es ja einen ganz wesentlichen Aspekt, das ist die zivile Landesverteidigung, die Zivilverteidigung, aus der ja auch der Zivilschutzverband et cetera erwachsen ist. Aus unserer Sicht gäbe es da eine ganz wesentliche Rolle beim Bundeskanzleramt. Die hatten früher eine ganz starke Rolle, aber dann im Laufe der letzten Jahre ist immer mehr dezentralisiert worden.
Die Einheit der Führung ist als Stichwort gefallen. Wir glauben, in der Krise kann man keine Meinungsumfragen mehr machen und koordinieren, sondern da muss es eine klare Führungsstruktur geben. Diese Führungsstruktur soll auf der einen Seite ganz oben einen klaren Ansprechpartner, einen Entscheider haben, muss dann aber nach unten hin immer dezentraler werden und auch unten dann die Entscheider haben. Also ich glaube, wir haben unten die Entscheider, die gibt es noch, aber wir haben ein bissl den Anknüpfungspunkt nach oben verloren.
Die Kommunikation mit der Bevölkerung in so einem Fall ist ja etwas, was nur in einer gesamtstaatlichen Lösung zugeführt werden kann. Da braucht man wieder auch Ansprechpartner. Das wäre also jetzt das Staatliche Krisen- und Katastrophenmanagement. Aus unserer Sicht wäre da eine ganz wesentliche Rolle schon beim Bundeskanzler als Koordinator der Bundesregierung oder als Führungsorgan oder was auch immer zu sehen. Wir haben ja keine Richtlinienkompetenz in Österreich, aber er ist doch der Kanzler. Das Bundeskanzleramt wäre für uns da also eine ganz wesentliche Stelle, die in dem Bereich schon einmal viel aktiver war.
Kim Kadlec: Vielen Dank.
Zur letzten Frage noch: Herr Christiner, Ihre Expertise ist heute sehr gefragt. Muss man denn so viel Strom eigentlich hin- und herschicken? Warum wird nicht der Strom, der irgendwo produziert wird, dort dann auch wieder verbraucht?
Gerhard Christiner: Ich habe versucht, es vorab zu erklären. Es ist so, man hat ja dieses Stromnetz, diese Stromsystem schon weit vor der Liberalisierung – darauf komme ich gleich zu sprechen – zusammengeschaltet, weil man in Europa erkannt hat, es macht extrem Sinn, Stromleitungen über Europa zusammenzuschalten, weil natürlich in jedem Land die Erzeugungspotenziale und -strukturen andere sind. Man kann sich damit gegenseitig aushelfen. Das heißt man gewinnt Sicherheit. Das ist wie, wenn Sie in einer Seilschaft gehen, denn dann haben Sie auch mehr Sicherheit, als wenn Sie alleine irgendwo gehen. Das war der Hintergedanke wirklich.
Vor 2001 war dieses System wirklich sehr zentralistisch gesteuert. Es gab noch keinen Markt. Man hat es dann einfach über Austauschverträge versucht. Österreich hatte zum Beispiel Verträge: Im Sommer haben wir Wasserkraft nach Polen geliefert, im Winter hat uns Polen thermischen Strom aus Kohlekraftwerken nach Österreich geliefert. Das waren einfach Verträge, da hat man sozusagen getauscht.
2001 war dann die Liberalisierung, das heißt, man hat einen Strommarkt eingeführt. Strom wurde als Commodity definiert und wird heute wie jedes andere Commodity gehandelt. Das geschieht über die Börse. Sie können es aber auch direkt jemandem verkaufen, over the counter nennt man das. Das heißt, da ist alles möglich. Wenn wir jetzt aber weitergehen, und uns physikalisch anschauen, welchen Vorteil das dann hat: Ich glaube, dass das der absolut richtige Weg war. Warum? – Weil speziell mit den Erneuerbaren ist es jetzt so, dass es nur dann gelingen kann, Europa zu dekarbonisieren, wenn wir über ein gut ausgebautes Netz auch die Möglichkeit haben, Überschüsse in der einen Region in eine andere Region zu liefern, wo es Defizite gibt. Die Region hat dann vielleicht zu einem anderen Tag Überschüsse und liefert die dann wieder zurück. Das wird dann über den Markt gehandelt.
Das wird nicht bewusst verschoben, sondern erstens einmal ist es der Effizienzfaktor: Der Billigste kriegt halt den Zuschlag und liefert dann am Schluss auch. Das zweite ist einfach: Schauen Sie sich das Burgenland an, Sie haben es gut erwähnt: Das Burgenland hat derzeit circa 1 300 Megawatt installierte Windkraftleistung. Da kommt auch noch die Fotovoltaik dazu. Dort gibt es eine Verbrauchsspitze von 300 Megawatt. Das heißt, wenn im Burgenland der Wind weht und die Sonne scheint, dann gibt es über 1 000 MW Überschuss. Den kann das Burgenland nirgends verbrauchen, soll es auch gar nicht, und Speicher gibt es auch keine. Das heißt, idealerweise nutzen wir die Speicher in Österreich und bringen diesen Strom noch Kaprun oder nach Tirol oder nach Kärnten, nach Malta. Das heißt, man muss schon einmal da regional verschieben.
Im größeren Stil ist es sogar so: Die Deutschen haben mittlerweile 40 000 Megawatt Wind, 50 000 Megawatt Fotovoltaik ausgebaut. Die haben solche Überkapazitäten, wenn dort Wind und Sonne gleichzeitig sind, dass sie das Ganze fast über Europa verteilen. Wir brauchen aber diese installierten Leistungen. Das ist natürlich das Problem: Die Erneuerbaren sind eben dann da, wenn das Angebot auch da ist. Wir müssen es nur verspeichern können, denn, wenn dann im Burgenland die Tage sind, an denen keine Sonne scheint und kein Wind geht, gibt es gar nichts, dann bezieht es aus unserem Netz. Darum sind der Netzausbau und diese Interaktion so wichtig.
Gerade mit den Erneuerbaren wird diese Volatilität noch viel stärker. Wenn wir in Summe den Energiebedarf, den wir haben, aus erneuerbaren Quellen decken wollen – und Dekarbonisierung ist im Prinzip Elektrifizierung mit Erneuerbaren-Strom weitestgehend inklusive Effizienzsteigerungen, das müssen wir auf alle Fälle auch noch machen –, dann braucht es auch diese Möglichkeiten des Verschiebens über ganz Europa in letzter Konsequenz, denn nur so schaffen wir es auch, diese regional massivsten Überschüsse zu verschieben. Ihr baut ja noch einmal 2 000 MW Wind aus, habe ich gehört, dann habt ihr über 3 000 MW und weiterhin 300 MW Last. Das heißt, das muss gehandelt werden, und dafür braucht es schon den überregionalen und sogar europäischen Ausgleich. Darum verschieben wir das hin und her – primär.
Kim Kadlec: Vielen Dank.
Ich merke, wir sind weit über der Zeit. Ich danke Ihnen trotzdem für die vielen Fragen, die es gegeben hat. Alle Fragen, die es jetzt noch gibt, behalten Sie sich bitte gerne auf, denn Sie können Sie wie gesagt im Anschluss dann noch face to face im Zwiegespräch an die Herren stellen und sie werden alle noch beantwortet werden. Ich danke Ihnen an dieser Stelle für die rege Diskussionsteilnahme und Ihnen meine Herren am Podium für Ihre Expertise, die Sie heute mit uns geteilt haben.
Es gibt noch einen allerletzten Programmpunkt. Ich würde Sie bitten, noch einmal an Ihren ursprünglichen Plätzen Platz zu nehmen. (Beifall.) Es geht jetzt nur mehr um ein Fazit des heutigen Abends, und für dieses Fazit bitte ich noch einmal zwei Personen zu mir auf die Bühne. Ein Veranstalter hat begonnen, zwei schließen die Veranstaltung, und zwar einmal Mag. Andreas Hanger, Abgeordneter zum Nationalrat und Präsident des Österreichischen Zivilschutzverbandes. Ebenfalls zu mir auf die Bühne bitte ich die einzige Expertin des heutigen Abends – vielen Dank, dass Sie da sind –, Dr.in Barbara Schmidt. Sie ist Generalsekretärin der österreichischen E-Wirtschaft. – Vielen Dank, dass Sie noch für das Fazit zu mir auf die Bühne kommen.
Vielleicht ganz kurz zum Schluss: Was nehmen Sie sich für die Arbeit des Zivilschutzverbandes denn mit?
Andreas Hanger (Abgeordneter zum Nationalrat, Präsident des Zivilschutzverbandes): Schönen guten Nachmittag oder schon guten Abend von meiner Seite! Ich würde sagen, ich nehme mir drei Punkte mit für meine Arbeit im Zivilschutzverband. Der erste Gedanke, was gerade ein bissl diskutiert worden ist, ist diese Frage der Zuständigkeiten, wenn wir Blackoutvorsorge machen: Wer ist denn zuständig?
Ich glaube auch, dass es einen Lead braucht. Es braucht klare Zuständigkeiten. Was ich aber schon auch mitnehme, ist: Wir brauchen, glaube ich, alle politischen Ebenen und alle Akteure, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Das kommt auch durch die heutige Veranstaltung sehr gut zum Ausdruck. Das heißt, wir brauchen die Gemeindeebene. Der Herr Bürgermeister hat es wirklich sehr, sehr gut erklärt, was auf der kommunalen Ebene passieren kann. Wir brauchen die Länder, die da in vielen Bereichen Verantwortung tragen. Wir brauchen die Bundesebene, auch die unterschiedlichen Ministerien. Es ist heute zum Beispiel das Klimaschutzministerium nicht da, das ist auch ein ganzer wesentlicher Akteur. Ich glaube, es ist die ganz wesentliche Aufgabe, diese unterschiedlichen Interessenstakeholder miteinander zu vernetzen und ein gemeinsames Ziel zu verfolgen.
Was mich total freut – und das ist auch ein Fazit –: Wir brauchen auch eine gute Debatte, wenn ich das sagen darf. Das ist keine Selbstverständlichkeit im österreichischen Parlament, hier ist die Debattenkultur, finde ich, manchmal nicht ganz so gut ausgeprägt. Wenn ich so Debatten wie die heutige erlebe: Die braucht es dann, nämlich inhaltlich gut, unterschiedliche Interessen artikulierend.
Das nehme ich mit: natürlich die klare Zuständigkeit auf der einen Seite, auf der anderen Seite braucht es alle, speziell auch die Energiewirtschaft. Es war uns ja auch ein großes Anliegen, diese Veranstaltung miteinander durchzuführen.
Das Zweite, was ich mitnehme, war mir gar nicht so bewusst. Sie haben ja ein wunderschönes Bild gezeichnet, finde ich. Wir haben die Kraftwerke, die die Herzkammer sind, und es braucht die Arterien, die dann diesen Strom auch verteilen können. Wir brauchen einen stärkeren Fokus auf die Netze – gerade in der Transformation der Energieerzeugung. Das nehme ich für mich ganz stark mit.
Wir reden immer davon, Übergewinne der Energiewirtschaft müssen in erneuerbare Energien gesteckt werden, aber wir müssen auch darüber diskutieren, wie wir die Netze stärken. Das nehme ich auch ganz, ganz stark mit.
Das Dritte, was ich mitnehme – da bin ich jetzt noch einmal beim Herrn Bürgermeister –: Bei aller politischen Gestaltung, die notwendig ist, müssen wir auch die Eigenverantwortung der Menschen draußen in den Kommunen stärken. Das ist es also auch, was es braucht.
Diese drei Themen nehme ich persönlich für meine Arbeit mit: einerseits als Parlamentarier, andererseits insbesondere auch für den Zivilschutzverband.
Ich möchte bei der Gelegenheit auch noch allen danken, die vom Zivilschutzverband da sind. Die Landesverbände sind gut vertreten. Wir haben da eine ganz starke Struktur draußen in den Regionen, und die stellen wir gerne zur Verfügung, um auch bei diesem Thema weiterzukommen.
Kim Kadlec: Vielen Dank.
Sie haben ein eigenes Mikro, wunderbar. Barbara Schmidt, was ist denn Ihr Fazit des heutigen Abends? Was ist denn vielleicht die Message an die Menschen in dieser oft, muss man sagen, sehr emotional geführten Debatte rund um das Thema Blackout?
Barbara Schmidt (Generalsekretärin, Österreichs E-Wirtschaft): Wir passen offensichtlich gut zusammen, weil sich viele Punkte überschneiden.
Ich möchte mich auch sehr herzlich bedanken, dass wir hier im Parlament sein dürfen, dass wir das gemeinsam machen dürfen.
Was ich wirklich mitnehme und worüber wir auch schon während der Veranstaltung ein bisschen geplaudert haben – bitte gleich um Entschuldigung –: Wir müssen diese Diskussion dann weiterführen. Diese Zusammenarbeit hat auf der einen Seite der Herr Parlamentsdirektor angesprochen, es kommt auch in der Studie hervor, also in Wissenschaft, Wirtschaft, aber auch in der Politik. Politik muss faktenbasiert sein – ich glaube, umso mehr gerade in Zeiten der Krise – über die Parteigrenzen hinweg, über die – wir sind eine Interessenvertretung – Interessenvertretungen hinweg. Wir haben mehrere Krisen zu bewältigen. Wir müssen gemeinsam sachlich an einen Tisch kommen und eine Krise nach der anderen abarbeiten oder vorbereiten, damit wir wirklich gut durch diese anstrengende Zeit kommen.
Das Zweite ist – auch ein Redner hat es heute gesagt –: Jeder kann etwas tun und jeder muss etwas tun. Du hast es Eigenverantwortung genannt. Ich glaube, das ist ganz wichtig bei allem, was die E-Wirtschaft tut. Ich glaube, Gerhard Christiner hat genau gesagt, wie wir uns vorbereiten, das ein Blackout nicht kommt, aber dass wir uns auch darauf vorbereiten, dass nach einem Blackout eben schnell wieder der Strom sicher zur Verfügung gestellt wird.
Daneben muss bitte jeder selber in seinem Bereich Vorsorge treffen. Ob das jetzt in der Familie ist, ob das so ist, wie der Herr Bürgermeister wirklich großartig geschildert hat und auch gemacht hat, nämlich in der Gemeinde, in der Region. Wir alle müssen dazu beitragen, dass wir im Kleinen und im Großen resilienter werden.
Ich möchte aber noch ein Thema ansprechen, was auch jeder tun kann – und das ist uns ganz besonders wichtig –: Die Projekte der E-Wirtschaft sind natürlich ein Eingriff in die Natur. Der Erneuerbaren-Ausbau, der Netzausbau, das sieht man alles in der Landschaft. Es ist wichtig und uns wirklich ein Anliegen, dass da mehr Akzeptanz da ist. Dass die Verfahren beschleunigt werden, das ist die Sache des Parlaments. Ich hoffe sehr, dass das UVP-Gesetz dann auch zu einer Beschleunigung der Verfahren führt, dass auch andere Verfahren beschleunigt werden, aber vor allem, dass alle, die sich jetzt sorgen, die Wasservorräte für sich selber anschaffen, dann bitte auch nicht gegen den Strommasten sind, denn den brauchen wir ganz genauso, der ist auch eine Blackoutvorsorge – auch da kann jeder etwas tun.
Kim Kadlec: Vielen Dank für die Worte zum Schluss. Ich habe jetzt doch ein bissl überzogen. Ich hoffe, Sie nehmen mir es nicht übel. Ich darf jetzt die Veranstaltung schließen, mich ganz herzlich bei Ihnen für das lange Zuhören für das rege Mitdiskutieren, dafür, dass Sie alle hier waren, bedanken und verabschiede mich. Auf Wiederschauen! (Beifall.)