147/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 26.03.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

des Abgeordneten Hermann Brückl, MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend 9-Punkte-Maßnahmenkatalog für eine gewaltfreie Schule

 

 

Die Gewalt an Österreichs Schulen ist ein Thema, das in den letzten Jahren immer häufiger in den Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen gerückt ist. Besonders erschreckend ist dabei die Zunahme körperlicher und verbaler Übergriffe unter Schülern, aber auch gegenüber Lehrkräften. Was einst als Einzelfälle oder gelegentliche Ausbrüche galt, hat sich zunehmend zu einem weit verbreiteten Problem entwickelt, das sowohl Schüler als auch das pädagogische Personal gleichermaßen betrifft. Diese besorgniserregende Entwicklung wirft nicht nur Fragen zur schulischen Erziehung und den Rahmenbedingungen des Unterrichts auf, sondern spiegelt auch tiefere gesellschaftliche Herausforderungen wider, wie etwa die zunehmende Gewaltbereitschaft und die Auswirkungen von gescheiterter Integration.

 

Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, braucht es eine flächendeckende Gewalt- und Konfliktpräventionsstrategie, die sowohl präventive als auch reaktive Maßnahmen umfasst.

 

Bundesminister Wiederkehr betonte kürzlich in einem Interview vom 13.03.2025[1] mit der Tageszeitung „heute“, er habe „eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Gewalt“[2] und wolle als Bildungsminister nun „weitere Schritte setzen, um eine angstfreie Schule zu ermöglichen - etwa mit einer Neuaufstellung der Suspendierungen.“[3]

 

Um der steigenden Gewalt an Schulen entgegenzuwirken, ist es unerlässlich, gezielte Maßnahmen zu ergreifen, die sowohl die Ursachen ansprechen als auch präventiv wirken. Ein umfassender Maßnahmenkatalog für eine gewaltfreie Schule muss daher verschiedene Ansätze beinhalten - von der Förderung eines respektvollen Miteinanders über die Schulung von Lehrkräften im Umgang mit Konflikten bis hin zu konkreten Maßnahmen bei Konflikten:


Prävention

 

1.    Gruppenbildungs-Prozesse in Neuklassen: Am Beginn der jeweiligen Bildungs-übergänge werden in neu eingerichteten Klassen der Sekundarstufe 1 und 2 Gruppenbildungs-Maßnahmen vorgesehen. Diese werden auf Basis eines Konzepts durchgeführt.

2.    Verbesserte Ausbildung von Lehrkräften, insbesondere der Quereinsteiger-innen und Quereinsteiger: Im Rahmen der Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen wird ein stärkerer Fokus auf die Bewältigung von Konfliktsituationen gelegt. Derzeit sind entsprechende Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen nicht standardisiert vorgesehen. Bestehende Modelle (z.B. wie jenes des Programms Teach for Austria) sollen in die Aus-, Fort- und Weiterbildung verbindlich und standardisiert Eingang finden.

3.    Stärkung des Selbstbildes „Gewaltfreie Schule“: Durch verstärkte Anwendung von Verhaltensvereinbarungen soll das gewaltfreie Selbstbild von Schulen gefördert und forciert werden.

 

Konflikt-Resilienz

 

4.    Abkühlphase: Schülerinnen und Schüler, die einmalig ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen, es sich hier aber um keine regelmäßige Verhaltensauffälligkeit handelt, sollen ihre Klasse vorübergehend – für ein paar Stunden bzw. einen Halbtag – verlassen und die Möglichkeit zur Beruhigung geschaffen werden.

5.    Plattform für betroffene Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler: Abseits aller bestehenden Weisungsketten wird von Seiten des Ministeriums eine anonyme Online-Plattform eingerichtet. Dadurch soll eine unbürokratische Ansprechstelle für Notsituationen geschaffen werden. Ein zügigeres Eingreifen der jeweils zuständigen Stellen soll dadurch ermöglicht werden.

6.    Qualifizierung von Lehrkräften zu Streitschlichterinnen bzw. Streitschlichtern: Im Rahmen der Pädagogischen Hochschulen werden Ausbildungsformate zur Streitschlichtung und Deeskalation eingeführt. Lehrerinnen und Lehrer sollen die Möglichkeit haben, sich dafür ausbilden zu lassen. Solche eigens ausgebildeten Lehrkräfte sollen an ihren jeweiligen Schulstandorten im Bedarfsfall deeskalierend einwirken.

7.    Schulmanagement - Direktionen und Schulaufsicht: Um das Wissen über bereits jetzt bestehende schuldisziplinarische Maßnahmen auf allen Ebenen der Schulaufsicht zu stärken, werden umfangreiche Informations- und Schulungs-maßnahmen vorbereitet und durchgeführt.

 

Eskalation

 

8.    Verbindliche Einrichtung von „Auszeit-Gruppen“ für (dauerhaft oder regelmäßig) aggressive und auffällige Schülerinnen und Schüler: Schülerinnen und Schüler, die durch massive disziplinarische Verfehlungen den Unterricht in der Klasse bzw. an der Schule behindern, sollen verbindlich und unverzüglich einer Auszeit-Gruppe zugewiesen werden können. Die entsprechenden Regelungen für die allenfalls zügige Anwendung des Verfahrens werden präzisiert.

 

Eine Auszeit-Gruppe an einem Schulstandort bewegt sich im Ausmaß von 5 bis maximal 8 Schülerinnen bzw. Schüler. Diese Gruppen sollen möglichst außerhalb der Schule in geeigneten (bereits bestehenden) Einrichtungen betreut werden. Im Fall einer geringeren Anzahl sollen auch regionale oder individuelle Lösungen angewandt werden können. Eigens geschultes Personal zur Leitung der Gruppen wird zum Einsatz kommen.

 

Ziel der Auszeit-Gruppe ist es, eine möglichst rasche Rückkehr der betreffenden Schülerinnen und Schüler in die Regelklasse zu ermöglichen. Sie stellen deshalb ein dynamisches Modell dar, das strikt an den jeweiligen Problemlagen ausgerichtet ist. Die Zuweisung in eine Auszeit-Gruppe kann bedeuten, dass eine Schülerin oder ein Schüler lediglich ein, zweimal in der Woche an entsprechenden Maßnahmen der Auszeit-Gruppen teilnimmt, ansonsten jedoch in der Regelklasse verbleibt. Es wird jedoch auch Fälle geben, in denen es notwendig erscheint, dass zunächst die gesamte Unterrichtszeit in der Auszeit-Gruppe verbracht wird und erst nach einigen Wochen eine schrittweise - und gut begleitete - Rückkehr in die Klasse erfolgt.

Auszeit-Gruppe sollen bei Vorliegen entsprechender Fälle in der Primarstufe und Sekundarstufe I verbindlich eingerichtet werden.

 

9.    Klarere Regeln für die zügige und permanente Wegweisung von aggressiven und verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern: Im Fall von nicht mehr schulpflichtigen Schülerinnen und Schülern, die durch sehr aggressives Verhalten die Arbeit in einer Klasse oder der ganzen Schule stören, sollen die Bestimmungen für den Schulausschluss präzisiert werden. Der zügige(re) Ausschluss auf Basis klarer(er) Regeln soll ermöglicht werden.

 

Damit diese Schülerinnen und Schüler nicht einfach ohne jegliche Ausbildung verbleiben, wird (in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend und dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz aufgrund des Ausbildungspflichtgesetzes) konkret durch das AMS bzw. das Sozialministeriumsservice (SMS) und seine Koordinierungsstellen in den Bundesländern ein Perspektiven- und Betreuungsplan erarbeitet.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, wird aufge-fordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die die Umsetzung der dargestellten Maßnahmen des 9-Punkte-Maßnahmenkatalogs für eine gewaltfreie Schule beinhaltet.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Bildungsausschuss zuzuweisen.



[1]   Vgl. Kubrak, N. (2025): Ramadan, Elternboykott – neue Strafen an Schulen kommen, In: Heute, 13.03.2025, URL: https://www.heute.at/s/ramadan-elternboykott-neue-strafen-an-schulen-kommen-120096178 (aufgerufen am 18.03.2025)

[2]   Ebd.

[3]   Ebd.