149/A XXVIII. GP

Eingebracht am 26.03.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANTRAG

der Abgeordneten Olga Voglauer, Freundinnen und Freunde

 

 

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2024, wird wie folgt geändert:

 

 

1. Artikel 148g Abs. 2 lautet:

 

„Die Mitglieder der Volksanwaltschaft werden vom Nationalrat bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen auf Grund eines Gesamtvorschlages des Hauptausschusses, der ebenfalls bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte seiner Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen wird, gewählt. Dem Gesamtvorschlag hat ein öffentliches Ausschreibungsverfahren voranzugehen. Die Reihung der Kandidaten nach Qualifikation erfolgt durch eine Auswahlkommission, die sich aus Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen im Bereich der Menschenrechte und aus Experten im Bereich der Verfassung, Verwaltung und der Menschenrechte zusammensetzt. Die Kandidaten stellen sich einer öffentlichen Anhörung im Hauptausschuss. Nähere Bestimmungen dazu werden in der Geschäftsordnung des Nationalrates und im Volksanwaltschaftsgesetz getroffen. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft leisten vor Antritt ihres Amtes dem Bundespräsidenten die Angelobung."

 

2. Artikel 148g Abs. 3 erster Satz lautet:

 

„Der Vorsitz in der Volksanwaltschaft wechselt jährlich zwischen den Mitgliedern in der sich aus dem Lebensalter ergebenden Reihenfolge."

 

3. Artikel 148g Abs. 4 lautet:

 

„Im Falle des vorzeitigen Ausscheidens eines Mitglieds der Volksanwaltschaft ist die Wahl des neuen Mitglieds gemäß Abs. 2 durchzuführen."

 

 

Begründung:

 

Der Bestellmodus der Volksanwaltschaft, der noch auf das Jahr 1977 zurückgeht, ist mittlerweile überholt. Bereits im Jahr 2000 betonte der Universitätsprofessor und Verfassungsjurist Walter Mayer diesbezüglich: „Die Art der Bestellung und die Bestellungsvoraussetzungen sind für die Effektivität der Kontrolle keineswegs optimal (Personen des Vertrauens der politischen Parteien die ihrerseits –zumindest zum Teil- die zu kontrollierenden Stellen politisch tragen werden zu deren Kontrolle berufen).[1]

 

Zudem entspricht das österreichische Bestellverfahren nicht den Anforderungen der Venedig-Kommission des Europarates. Diese Kommission wurde eingerichtet um Staaten dabei zu unterstützen „ihre rechtlichen und institutionellen Strukturen mit den europäischen Standards und den internationalen Erfahrungen in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Einklang zu bringen.[2]“ Peter Bußjäger, Verfassungsjurist an der Universität Innsbruck und Mitglied der Venedig Kommission bestätigt, dass Österreich den Richtlinien der Venedig Kommission nicht nachkommt und bei der Besetzung der Volksanwaltschaft Nachholbedarf hat. Bußjäger: "Es gibt kein Auswahlverfahren, sondern in der Praxis eine mehr oder weniger klandestine Entsendung nach Parteiräson.“[3]

 

Die Volksanwaltschaft ist für die Menschen in Österreich eine wichtige Anlaufstelle bei Problemen mit Behörden. Gesetzlich ist Sie zur Unabhängigkeit verpflichtet und ihre Mitglieder dürfen während ihrer Amtszeit kein politisches Amt ausüben. Durch den aktuellen Bestellmodus ist diese Unabhängigkeit nicht gewährleistet. Die enge Verzahnung zwischen den nominierenden Parteien und den von ihnen ausgewählten Personen zeigt sich allein dadurch, dass in der aktuellen und nun bald auslaufenden Funktionsperiode bereits zwei Nachnominierungen stattfinden mussten und zwar jeweils, weil die Volksanwälte in ein politisches Amt wechselten.

 

Die Volksanwaltschaft hat seit 2011 das Mandat einer Nationalen Menschenrechts-organisation (NMRI) inne. Für die erfolgreiche Tätigkeit einer NMRI ist nicht nur die tatsächliche, sondern vor allem auch die wahrgenommene Unabhängigkeit von entscheidender Bedeutung. Eine Bestellung nach Parteiproporz könnte den Anschein der Parteilichkeit erwecken und das Vertrauen zivilgesellschaftlicher Organisationen, sowie Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen in die Volksanwaltschaft schwächen. Das ist insofern problematisch, als die Volksanwaltschaft über den nationalen Präventionsmechanismus (NPM) die Kontrolle vor allem staatlicher freiheitsentziehender Einrichtungen, innehat.

 

Bei der letzten Universellen Periodischen Überprüfung (UPR) durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (Jänner 2021) wurde Österreich von zahlreichen Staaten eine Stärkung der Volksanwaltschaft empfohlen. Unter anderem wurde empfohlen, die Volksanwaltschaft als NMRI zu stärken und Maßnahmen zu ergreifen um ihre Unabhängigkeit sicherzustellen.[4] Diese Empfehlungen wurden von der Bundesregierung zur Gänze angenommen.

 

Im März 2022 überprüfte GANHRI (Global Alliance for International Human Rights) die Volksanwaltschaft auf ihre Übereinkunft mit den international etablierten „Pariser Prinzipien[5]“ und kritisierte dabei insbesondere den Bestellmodus der Volksanwält:innen, der dem Prinzip der Unabhängigkeit nicht gerecht wird. Besonders kritisiert wurde, dass es durch die fehlende öffentliche Ausschreibung keinerlei Partizipationsmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft gäbe. Es ist von außen nicht nachvollziehbar, und daher intransparent, wie die Parteien die von ihnen nominierten Personen auswählen.

 

Gerade im sensiblen Bereich der Menschenrechte lebt eine Institution vom Vertrauen, das in sie gesetzt wird. Durch das intransparente Verfahren riskiert die Volksanwaltschaft genau dieses zu verlieren. Dieses mangelnde Vertrauen der Zivilgesellschaft wird auch in einem offenen Brief an den Nationalrat vom 7. Juli 2022 von Amnesty International und 11 weiteren im Menschenrechtsbereich tätigen NGOs zum Ausdruck gebracht[6].

 

Vorkommnisse in der Vergangenheit innerhalb der Volksanwaltschaft haben leider aufgezeigt, dass die parteipolitische Verhaftung der den NPM kontrollierenden Volksanwälte tatsächlich zur Behinderung der Menschenrechtsarbeit des NPM führt: So hatten die Volksanwälte im März 2015 Kommissionsleiter:innen nominiert, obwohl diese kaum den in § 12 Volksanwaltsgesetz vorgeschriebenen Kriterien entsprachen ("auf dem Gebiet der Menschenrechte anerkannten Persönlichkeiten"), gleichzeitig wurden dadurch sehr anerkannte Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Menschenrechte ersetzt.

 

Mitglieder des Menschenrechtsbeirats sahen sich im Juni 2015 überdies gezwungen öffentlich auf intransparente und parteipolitische Entscheidungen der Volksanwälte hinzuweisen: Menschenrechtliche Berichte und Beobachtungen der NPM-Prüfungskommissionen würden von Volksanwält:innen "laufend zusammen-gestrichen, einfach nicht aufgegriffen oder gar als unglaubwürdig zurückgewiesen" so Heinz Patzelt, Jurist und bis 2023 Generalsekretär von Amnesty International.

 

Dies zeigt, dass die präventive Menschenrechtsarbeit des NPM ohne Absicherung, dass Volksanwält:innen aufgrund ihrer Qualifikationen und nicht aufgrund ihrer Parteifarbe ausgewählt werden, stark gefährdet ist.

 

Aus all diesen Gründen sollte endlich ein neues, transparentes und parteiunabhängiges Auswahlverfahren geschaffen werden, das eine öffentliche Ausschreibung anhand fachlicher Qualifikationskriterien, die Reihung durch ein Auswahlkomitee und eine öffentliche Anhörung vorsieht. Der Hauptausschuss würde die geeignetsten drei Bewerber:innen nach einem öffentlichen Hearing vorschlagen, der Nationalrat auf Grund des Gesamtvorschlags wählen. Beide Wahlen würden einer Zwei-Drittel Mehrheit unterliegen, um den Richtlinien der Venedig Kommission zu entsprechen und ein Mitspracherecht der Oppositionsparteien zu sichern.

 

(Der Antragstext wurde nicht gegendert, da das Bundes-Verfassungsgesetz dies bis heute nicht vorsieht.)

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte und Volksanwaltschaft vorgeschlagen.

 

Gleichzeitig wird die Abhaltung einer ersten Lesung binnen 3 Monaten verlangt.

 

 



[1] Walter-Mayer, Bundes-Verfassungsrecht, Manz Verlag Wien, 2000, 516

[2] https://www.venice.coe.int/WebForms/pages/?p=01_Presentation&lang=DE

[3] https://www.derstandard.at/story/3000000245720/bestellmodus-der-oesterreichischen-volksanwaelte-entspricht-nicht-europaeischen-standards

[4] https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:0de3f20c-e98f-4585-9a90-ae8bbacdba5c/54_14_bei1.pdf

[5] https://www.ohchr.org/en/instruments-mechanisms/instruments/principles-relating-status-national-institutions-paris

[6] https://www.amnesty.at/news-events/news/offener-brief-amnesty-und-acht-weitere-organisation-fordern-reform-des-bestellverfahrens-der-volksanwaltschaft/