150/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 26.03.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Parlamentarische Materialien
der Abgeordneten Olga Voglauer, Freundinnen und Freunde
betreffend rasches Verbot von PFAS-Pestiziden
BEGRÜNDUNG
Trifluoressigsäure bzw. ihr Salz Trifluoracetat (TFA), ist das letzte Abbauprodukt vieler sogenannter „Ewigkeitschemikalien“, den PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen), und damit auch zahlreicher Pestizide, die PFAS-Wirkstoffe enthalten. TFA kann von der Natur nicht abgebaut werden und reichert sich daher in der Umwelt an. Aufgrund seiner guten Wasserlöslichkeit ist es im Boden sehr mobil und kann leicht ins Grundwasser gelangen. Menschen nehmen es mit Trinkwasser und Nahrung auf – und Daten zeigen besorgniserreichende Anreicherungen auch im menschlichen Körper. Studien[1] aus den USA und aus China zeigten hohe Konzentrationen von TFA im Blut der Proband:innen, mit einem Median von 6ng/ml in den USA und 8,5ng/ml in China.
Im Jänner 2021 informierte der Pestizidhersteller Bayer die EU-Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten darüber, dass TFA fortpflanzungsgefährdendes Potential hat. Tierversuche mit Kaninchen hatten gezeigt, dass wenn diese während der Tragezeit TFA verabreicht bekamen, die Föten schwere Missbildungen zeigten.[2] Die Studie gilt als Schlüsselstudie und ist als absolut zuverlässig eingestuft. Aufgrund der darauf folgenden Selbsteinstufung durch Bayer ist TFA mittlerweile als Reproduktionstoxisch Kat. 2, H361d („kann vermutlich das Kind im Mutterleib schädigen“) eingestuft.[3] Deutschland beantragte 2024 die Einstufung von TFA als „reproduktionstoxisch Kat. 1B“ (d.h. wahrscheinlich reproduktionstoxisch für den Menschen, auf Basis von tierexperimentellen Studien) bei der EU-Chemikalienagentur ECHA.
Eine Studie[4] des Umweltbundesamts Deutschland aus 2023 zeigte, dass davon ausgegangen werden kann, dass auf dem Großteil der Fläche Pestizide die Haupteintragsquelle von TFA in Grundwasser darstellen. Industrielle Emissionen durch die TFA-herstellende oder -verarbeitende Industrie können punktuell ebenfalls zu hohen TFA-Konzentrationen führen.
In Österreich gibt es Daten zur Verbreitung von TFA im Grundwasser aus einem Sondermessprogramm aus den Jahren 2018-2019[5], wo in allen Proben TFA gefunden wurde. Die durchschnittliche TFA-Konzentration betrug 0,71µg/l, was weit unter den damals als bedenklich herangezogenen 60µg/l bzw. dem Orientierungswert von 10µg/l lag. Im Lichte der neuen Erkenntnisse bzgl. Reproduktionstoxizität, und wenn man daher den Grenzwert von 0,1µg/l je relevantem Pestizid/Metabolit heranzieht, sind die Werte jedoch viel zu hoch und besteht dringender Handlungsbedarf – vor allem, weil sich TFA eben nicht abbaut, sondern laufend weiter anreichert.
Ein Rechtsgutachten[6] von Prof. Dr. Peter Hilpold (Universität Innsbruck) untersuchte im Auftrag von Global 2000 vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der letzten Jahre über die massiven gesundheitlichen Auswirkungen von TFA und der flächigen Verbreitung und Akkumulation im Grundwasser die Möglichkeit und die Notwendigkeit eines Entzugs der Zulassungen von PFAS-Pestiziden (Pflanzenschutzmittel, die PFAS-Wirkstoffe enthalten) auf Basis des Europarechts. Die Studie kommt zum Schluss, dass die Verordnung (EU) 1107/2009 u.a. aufgrund des Vorsorgeprinzips den Mitgliedsstaaten jedenfalls die Möglichkeit gibt, die Pestizid-Zulassungen aufgrund der neuen Erkenntnisse zu entziehen. Zusätzlich sieht das Gutachten sogar die Notwendigkeit, die Zulassungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu entziehen: Einerseits auf Basis der Wasserrahmenrichtlinie, wo festgelegt ist, dass die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen durchführen, um signifikante und anhaltende Trends einer Steigerung der Konzentration von Schadstoffen umzukehren. Vor allem aber aufgrund der Pestizid-Verordnung 1107/2009: Denn Pflanzenschutzmittel dürfen nicht zugelassen werden, wenn ihre bestimmungsgemäße Anwendung zu einer Überschreitung des Grenzwerts von 0,1 µg/l im Grundwasser durch einen Pestizidwirkstoff oder dessen toxikologisch relevanten Metaboliten führt. TFA ist spätestens seit der Selbsteinstufung durch Bayer als "reproduktionstoxisch der Kategorie 2" bzw H361d ("Kann vermutlich das Kind im Mutterleib schädigen") als toxikologisch relevanter Metabolit anzusehen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert, das Bundesamt für Ernährungssicherheit (BAES) im Sinne des Vorsorgeprinzips und aufgrund aktueller Erkenntnisse zu Reproduktionstoxizität und Verbreitung des Abbauprodukts TFA zu beauftragen, allen PFAS-Pestiziden unverzüglich die Zulassung zu entziehen. Die Bundesregierung wird ebenso aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass rasch EU-weit allen PFAS-Wirkstoffen die Zulassung entzogen wird.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft vorgeschlagen.
[1] https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.est.4c06189
[2] https://echa.europa.eu/lt/registration-dossier/-/registered-dossier/5203/7/9/3/?documentUUID=bbe1c0df-91db-4cef-a965-89ded98a88c8
[3] https://echa.europa.eu/nl/information-on-chemicals/cl-inventory-database/-/discli/details/47316
[4] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11850/publikationen/102_2023_texte_tfa_v2.pdf
[5] https://info.bml.gv.at/dam/jcr:13a4f19c-dc00-4033-8ab8-136f352e6746/Wasserg%C3%BCte-Jahresbericht_2018-2020_20230220.pdf
[6] https://www.global2000.at/sites/global/files/Rechtsgutachten-PFAS-Pestizide_160924.pdf