156/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 26.03.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

Parlamentarische Materialien

 

der Abgeordneten Leonore Gewessler, Freundinnen und Freunde

 

betreffend effektiver Bodenschutz in Zeiten von multiplen Krisen - Klimaschutz und Ernährungssicherheit nicht weiter vertagen

 

 

BEGRÜNDUNG

 

In Österreich werden täglich rund 11,5 ha Boden verbraucht – das entspricht rund 16 Fußballfeldern. Pro Jahr geht somit eine Fläche von 40-45 km² an naturnahen oder land- und forstwirtschaftlich nutzbaren Flächen verloren.[1] 

 

Für die letzten 20 Jahren bedeutet dies den Verlust einer Fläche, die etwa sechsmal (!) der Bau- und Verkehrsfläche Wiens entspricht. Diese 1.215km² entsprechen in etwa der gesamten Ackerfläche der Steiermark.[2]

 

Jeder weitere Tag ohne effektiven Bodenschutz ist ein verlorener Tag. Denn: Gesunde Böden sind die Lebensgrundlage für Mensch und Natur: Sie puffern Hochwässer indem sie Wasser speichern, sie binden Kohlenstoff und Schadstoffe, sie sind Lebensraum für Tiere, Pflanzen und die Basis für unseren Nahrungsmittelanbau. Sie sichern und säubern unser Trinkwasser. Und sie sind kühlende Oasen in der städtischen Betonwüste.

 

Vor dem Hintergrund multipler Krisen duldet das Thema daher keinen weiteren Aufschub mehr.

 

Der Handlungsdruck in unserem Land ist erheblich: Österreich verliert laut Hagelversicherung jährlich 0,5 % seiner Agrarfläche. In 200 Jahren gäbe es bei Fortschreiten dieser Entwicklung so gut wie keine Agrarflächen mehr in Österreich.

Das gefährdet unsere Krisenfestigkeit und unsere Ernährungssicherheit, da Österreich in vielen Bereichen bereits jetzt Nahrungsmittel importieren muss. So liegt der Selbstversorgungsgrad etwa bei Brotgetreide bei 94%, bei Erdäpfel bei 90%, bei Obst hingegen nur bei 48%.[3] 

 

Auch die Hochwasserkatastrophe im September 2024 hat schmerzlich aufgezeigt, wie wichtig Bodenschutz ist. Denn Flüsse brauchen Platz, und die Bodenversiegelung trägt massiv zur Verschärfung der Auswirkungen von Hochwasser bei.

 

Aus all diesen Gründen ist Bodenschutz ein ganz zentraler Hebel im Kampf gegen und Anpassung an die Klimakrise.

 

In der letzten Legislaturperiode gelang es den Grünen in der Bundesregierung, trotz Widerständen aus den für die Raumordnung zuständigen Bundesländern sowie von Seiten des Koalitionspartners, zahlreiche Verbesserungen im Bereich des Bodenschutzes durchzusetzen:

       Bei Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVPs) haben wir die Schwellenwerte gesenkt und dafür gesorgt, dass alle Projekte verpflichtend ein Bodenschutzkonzept vorlegen, in dem Minderungsmaßnahmen, Flächenbilanz und Ausgleichsmaßnahmen für Bodenverbrauch dargelegt werden.

       Wir haben den Brachflächendialog ins Leben gerufen, wo es um die Revitalisierung von leerstehenden Gebäuden in der Industrie und Gewerbe geht. Dafür haben wir auch eine eigene Förderschiene ins Leben gerufen („Brachflächenrecycling“).

       Damit nicht immer neu gebaut wird, haben wir Förderschienen ins Leben gerufen um ehemals genutzte und jetzt leer und brachliegende Flächen wieder in den Wirtschafskreislauf zu bringen. Der Bund zahlt - angefangen von der Erstellung des Raumkonzeptes, der Untersuchung von möglicher Kontamination des Bodes bis hin zu notwendigen Aufräumarbeiten. Dazu haben wir auch das ALSAG (Altlastensanierungsgesetz) novelliert, damit nicht nur schwerkontaminierte Böden aus dem Fördertopf gereinigt werden, sondern auch schon leicht belastete Flächen – um diese wieder zu bebauen, statt weitere Wiesen und Wälder zu zerstören.

       Wir haben im Parlament die Leerstandsabgabe ermöglicht. Damit geben wir den Bundesländern die Möglichkeit, die Höhe der Leerstandsabgabe erstmals selbst zu bestimmen. Das bedeutet: Leerstand kann teuer werden, damit wird vorhandener Wohnraum genutzt, bevor neue Flächen zubetoniert werden. Viel wertvoller Boden bleibt dadurch naturbelassen.

 

Nun stehen die nächsten Schritte an, um die Reduktion des Bodenverbrauchs voran zu treiben, und die Zielerreichung unabhängig von konjunkturell bedingten Schwankungen sicherzustellen. Unter Grüner Leitung hat das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie eine umfassende „Studie zu den möglichen legislativen Instrumenten des Bodenschutzrechts in Österreich“[4] von renommierten Expert*Innen aus den Bereichen Recht und Raumordnung erstellen lassen. Das Resümee ist glasklar: es braucht rasch gesetzlich verbindliche Bodenschutzziele, als erste Etappe zum mittelfristigen Ziel Netto-Null-Bodenverbrauch.

In der Studie werden konkrete Schritte für eine ökosozial verträgliche Grundsteuerreform aufgezeigt ebenso wie die Forderung nach Leerstands- und Infrastrukturabgaben. Auch die Idee eines Bodenfonds, gespeist aus grundstücks- oder widmungsbezogenen Abgaben wird skizziert. Über handelbare Flächenausweiszertifikate soll es zu einem Ausgleich zwischen Kommunen mit unterschiedlichem Flächenbedarf und -verbrauch kommen.

Der zweite Teil der Studie erläutert tiefgehend, welche Kernelemente ein dementsprechend wirksames Bodenschutzgesetz enthalten muss und welche legistischen Herausforderungen es mitzudenken gilt.

Die Zutaten für effektiven Bodenschutz liegen also am Tisch – nun gilt es endlich umzusetzen!

Wir Grüne begrüßen es natürlich, wenn sich die Bundesregierung in ihrem Programm zum 2,5 ha-Ziel bekennt. Was der Bodenschutz aber wirklich nicht mehr braucht sind weitere Lippenbekenntnisse ohne konkrete Handlungen und Ergebnisse. Doch leider klingt die Passage im Regierungsprogramm bei genauem Hinsehen genau danach.

Letztlich besteht das 2,5 ha-Ziel bereits seit Jahrzehnten: schon 2002 legte die damalige Bundesregierung ein quantitatives Ziel von Netto-2,5 ha pro Tag fest.[5] Dieses Ziel hat seine Wirkung aber nie entfalten können, da es von den für die Raumordnung zuständigen Bundesländern nicht mitgetragen wurde. Auch die österreichische Bodenstrategie[6], die im Rahmen der Österreichischen Raumordnungskonferenz erarbeitet wurde, scheiterte daran, das Ziel für alle relevanten Akteur:innen verbindlich zu machen. So bleibt diese Strategie zu vage und unverbindlich, um eine effektive Reduktion des Flächenverbrauchs zu bewirken. Die Vergangenheit hat gezeigt: schöne Worte und Absichtserklärungen reichen nicht aus, um dem Flächenfraß in der gebotenen Eile einen Riegel vorzuschieben.

Wenn die Bundesregierung sich nunmehr nur darauf verständigt hat, dass bis Ende 2026 (!) ein „klarer Zielpfad“ entwickelt werden soll, dann ist das leider viel zu wenig und erweckt den Eindruck, es handle sich einmal mehr um schöne Worte als Ausdruck eines absolut kleinsten gemeinsamen Nenners.

 

Die Grünen haben jedenfalls ihren Beitrag in der letzten Regierungsperiode geleistet und auch die fachlichen und legistischen Vorarbeiten geleistet. Es liegt nun an der neuen Regierung diesen Ball aufzugreifen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, vor dem Hintergrund multipler Krisen das Thema Bodenschutz nicht weiter zu vertagen sondern das Ziel, den Bodenverbrauch bis spätestens 2030 auf 2,5 ha/Tag zu beschränken, umgehend gesetzlich zu verankern und bereits jetzt die entsprechenden Maßnahmen zu setzen, damit dieses Ziel erreicht wird.“

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Umweltausschuss vorgeschlagen.



[1] Umweltbundesamt (2022): 13. Umweltkontrollbericht. Umweltsituation in Österreich. https://www.umweltbundesamt.at/studien-reports/umweltkontrollbericht/ukb2022

[2] Stöglehner G. (2023): Klimaschutz aus raumordnungsfachlicher Sicht. In: Bußjäger P., Eller M. (Hrsg): Klimaschutz und Föderalismus. Schriftenreihe des Instituts für Föderalismus, Band 139. new academic press.

[3] Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft. Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln. Selbstversorgungsgrad bei Lebensmitteln. https://info.bml.gv.at/themen/lebensmittel/lebensmittel-in-oesterreich/selbstversorgungsgrad.html

[4] https://www.bmk.gv.at/dam/jcr:45e2270d-20e3-4042-93ef-ccf904860e19/Studie_Bodenschutzziele_UA.pdf

[5] Österreichische Bundesregierung (2002): Österreichs Zukunft Nachhaltig Gestalten – Die Österreichische Strategie zur Nachhaltigen Entwicklung (NSTRAT). S. 70. https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/nachhaltigkeit/strategien/nstrat.html

[6] https://www.oerok.gv.at/bodenstrategie