170/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 27.03.2025
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Parlamentarische Materialien
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten David Stögmüller, Agnes-Sirkka Prammer, Freundinnen und Freunde
betreffend Keine Toleranz für Intoleranz – LGBTIQ+-Schutz als Staatsaufgabe
BEGRÜNDUNG
Am 21. März fanden in sieben österreichischen Bundesländern 23 Haus-durchsuchungen statt. Der Vorwurf wiegt schwer und setzt den Fokus auf eine neue Dimension der Gewalt: zumindest 18 Verdächtige sollen in einer brutalen Form der Hasskriminalität homosexuelle Menschen in die Falle gelockt haben. In Folge hätten sie sie ausgeraubt, sie bedroht, gefoltert und erniedrigt. Die Vorwürfe reichen bis zum versuchten Mord. 17 Personen meldeten sich bisher als Opfer, die Polizei geht von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Die einzelnen Tatverdächtigen waren vernetzt und haben ihre Taten untereinander besprochen, Videos von den Taten angefertigt und sich diese in internen Gruppen gegenseitig gezeigt.
Bei den Hausdurchsuchungen wurden neben zahlreichen Datenträgern auch Suchtmittel, verbotene Waffen und rechtsextremes Propagandamaterial gefunden.
Das österreichweite Netzwerk konnte durch die Polizei aufgedeckt werden, die seit 2020 systematisch Hasskriminalität erfasst und dadurch stärker sensibilisiert ist. Tatsächlich sind vorurteilsmotivierte „Hate Crimes“ auf Angehörige der LGBTIQ+-Community (LGBTIQ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter*, Queer) leider sehr häufig.
Laut Strafgesetzbuch handelt es sich bei „Hate Crimes“ um „rassistische, fremdenfeindliche oder andere besonders verwerfliche Beweggründe“ zu Alter, Behinderung, Geschlecht, Hautfarbe, nationaler/ethnischer Herkunft, Religion, sexueller Orientierung, sozialem Status sowie Weltanschauung. Im Jahr 2023 erfasste die Polizei in diesem Kontext bundesweit 6.461 Vorurteilsmotive bei 5.668 vorurteilsmotivierten Straftaten.
Besonders häufig passieren laut „Hate Crime“ Bericht Übergriffe auf Grund der sexuellen Orientierung im öffentlichen Raum, jedes zweite homophobe bzw. gegen Divers/Inter gerichtete Vorurteilsmotiv wurde als öffentlich verortet, was die außergewöhnlich grausame Dimension dieser Übergriffe auch so veranschaulicht. Die Opfer wurden im Privaten ausgeforscht und in die Falle gelockt.
Hassverbrechen gegen LGBTIQ+-Personen sind in Österreich von 2022 zu 2023 um 20 Prozent gestiegen. 15% der Meldungen betrafen Körperverletzungen und 11% gefährliche Drohungen[1]. Doch Betroffene würden nur selten Anzeige erstatten, berichten Betroffenen-Vertreter:innen des Rechtskomitee Lambda. So dürften nur 8% der Betroffenen Anzeige erstatten, eine Zahl, die auch ein Bericht der Grundrechteagentur der EU bestätigt.
So berichtet die Grundrechteagentur auch davon, dass EU-weit jede zweite befragte Person der LGBTIQ+-Community von Belästigung auf Grund ihrer sexuellen Orientierung betroffen ist, 13% berichten von mehrfachen gewalttätigen Übergriffen.[2]
Auch der Fund rechtsextremistischer Propaganda bei den Tatverdächtigen überrascht Expert:innen nicht. So berichtete das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) im Rechtsextremismusbericht 2023, dass Anti-Queerness im rechten und rechtsextremen Umfeld durchaus Tradition hat. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder in neu-rechten Szenen Übergriffe und Aktionen gegen die Pride-Kundgebung, queere Jugendtreffs und Lesestunden wie der „Drag Queen Story Hour“. Das DÖW hebt hier besonders hervor, dass das Narrativ von „Kindesmissbrauch“ besonders stark bespielt wird.[3]
Auch in dem jetzt zu Tage gekommenen Fall wurden die begangenen Straftaten mit dem erfundenen Vorwurf des Kindesmissbrauchs bzw der Pädophilie begründet und daraus unrechtmäßigerweise eine Legitimation zur Selbstjustiz gesehen.
Dieser Fall zeigt in besonderem Maße die Gefährlichkeit dieser toxischen Mischung aus rechtsextremen Einstellungen, die alles von der eigenen Norm Abweichende als minderwertig und sogar als vernichtenswert einstuft und der steigenden Gewaltbereitschaft der Mitglieder dieser Szene. Aus diesem Grunde ist es notwendig, beim Umgang mit Hate Crime auf jeder Ebene – bei Sensibilisierung, Aufklärung und Prävention – besonderes Augenmerk auf die rechte und rechtextreme Szene zu legen.
Gleiches gilt genauso für andere Extremismusformen, denn auch die islamistische und salafistische Szene arbeiten mit dem Narrativ, dass queere Menschen zu bekämpfen seien und leiten daraus für sich eine Legitimation von Gewalttaten gegen Angehörige dieser Gruppe ab. 2023 wurden mehrere Jugendliche festgenommen, die verdächtigt wurden, einen Anschlag auf die Pride zu planen.
Die jüngsten Hausdursuchungen zeigen, dass die Sensibilisierung der Polizei hoch ist und die Regelung der Erfassung von Hate Crimes dringend notwendig war. Das entsetzliche Ausmaß der Übergriffe zeigt aber auch, dass die LGBTIQ+-Community besser geschützt werden und noch viel Arbeit von der Regierung geleistet werden muss. Es wird deshalb begrüßt, dass die Regierung in ihrem Regierungsprogramm einen Nationalen Aktionsplan (NAP) gegen Hate Crime vereinbart und dessen rasche Umsetzung auch jüngst beschlossen hat. Dieser NAP sollte jedenfalls folgende Punkte berücksichtigen:
· Jedenfalls muss die Sensibilisierung in Staatsanwaltschaft und Polizei weiter fortgesetzt werden, Schulungen und Workshops für ein Erkennen und Erfassen von Hassverbrechen müssen ausgebaut werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass ein besonderes Augenmerk auf die rechte und rechtsextreme sowie auf die islamistische und salafistische Szene gelegt wird, da von diesen ein besonderes Gefahrenpotential für Hate Crime Delikte ausgeht.
· Darüber hinaus sollten Vereine und Vernetzungsmöglichkeiten von Angehörigen der LGBTIQ+-Community in der Staatsanwaltschaft und Polizei gefördert und unterstützt werden.
· Das Aufdecken und Bekämpfen von Hasskriminalität wird das Vertrauen von Betroffenen in die Strafverfolgung erhöhen, trotzdem sollten Initiativen gesetzt werden, um Gewaltbetroffene stärker über bestehende Unterstützungsangebote – von rechtsanwältlicher Unterstützung bis hin zu psychosozialer Prozessbegleitung – zu informieren.
· Initiativen der türkis-grünen Bundesregierung wie der Runde Tisch mit BMJ, BMI und der LGBTIQ+-Community sollten wiederholt und institutionalisiert werden, um frühzeitig mit der Zivilgesellschaft Trends zu erkennen und gemeinsam Maßnahmen gegen Hassverbrechen zu erarbeiten.
· Darüber hinaus müssen in Schulen, der aufsuchenden Jugendarbeit und der Elternarbeit Gewalt- und Extremismusprävention weiter ausgebaut werden.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert sich weiterhin gegen vorurteilsmotivierte Hasskriminalität einzusetzen und Angehörige der LGBTIQ+-Community wirksam zu schützen.
Zu diesem Zweck wird die Bundesregierung aufgefordert, jedenfalls folgende Maßnahmen in einem Nationalen Aktionsplan gegen Hate Crime zu berücksichtigen:
· Fortsetzung der Sensibilisierung in Staatsanwaltschaft und Polizei – Schulungen und Workshops für ein Erkennen und Erfassen von Hassverbrechen müssen ausgebaut werden. Dabei müssen extremistische Motive besonders berücksichtigt werden;
· Weitere Förderung und Unterstützung von Vereinen und Vernetzungsmöglichkeiten von Angehörigen der LGBTIQ+-Community in der Staatsanwaltschaft und Polizei;
· Ausbau von Initiativen, um Gewaltbetroffene stärker über bestehende Unterstützungsangebote – von rechtsanwaltlicher Unterstützung bis hin zu psychosozialer Prozessbegleitung – zu informieren;
· Wiederholung und Institutionalisierung von Initiativen der türkis-grünen Bundesregierung wie dem Runden Tisch mit BMJ, BMI und der LGBTIQ+-Community, um frühzeitig mit der Zivilgesellschaft Trends zu erkennen und gemeinsam Maßnahmen gegen Hassverbrechen zu erarbeiten und umzusetzen und umgekehrt Informationen sowohl über bestehende Gefahrenlagen als auch über Unterstützungsangebote in die Community zu kommunizieren;
· Weiterer Ausbau von Schulworkshops, der aufsuchenden Jugendarbeit und Elternarbeit zur Gewalt- und Extremismusprävention, um das Problem an der Wurzel zu bekämpfen.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte und Volksanwaltschaft vorgeschlagen.