182/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 27.03.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Elisabeth Heiß
und weiterer Abgeordneter
betreffend Ablehnung der geplanten Chatkontrolle der EU-Kommission
Die Europäische Kommission präsentierte im Mai 2022 einen Plan zur anlasslosen Massenüberwachung. Die Nachrichten völlig unbescholtener Bürger ohne jeden konkreten Verdacht zu durchleuchten, widerspricht den bürgerlichen Freiheiten und dem Recht auf Privatsphäre – und somit dem Menschenrecht. So sehr der Kampf gegen jede Form von Kindesmissbrauch zu unterstützen ist, geht dieser Schritt in die falsche Richtung.
Nicht nur ist von einer hohen Fehlerquote und Falschmeldungen – inklusive schwerer Konsequenzen für unschuldige Bürger – auszugehen, auch die Meinungsfreiheit würde beschnitten werden. Selbstzensur wäre eine unweigerliche Folge. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass derartige Technologien auf weitere Einsatzbereiche ausgedehnt werden könnten. Rechtsstaatliche Prinzipien sowie die Unschulds-vermutung würden damit massiv untergraben.
Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS) und der Europäische Datenschutz-ausschuss (EDPB) stellten in einem Gutachten fest, dass der Vorschlag in seiner jetzigen Form möglicherweise mehr Risiken für Einzelpersonen und damit für die Gesellschaft im Allgemeinen birgt als für die Straftäter. Darüber hinaus bestehe laut ihnen die Gefahr, dass der Vorschlag die Grundlage für ein allgemeines und unterschiedsloses Scannen des Inhalts praktisch aller Arten von elektronischer Kommunikation werden könnte.[1]
Auch ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages stellt klar, dass die Pläne der EU-Kommission abzulehnen sind:
„Bei der Betrachtung potenzieller Folgen einer Chatkontrolle muss zunächst der Frage nachgegangen werden, ob das beabsichtigte Vorhaben der Kommission mit einem tatsächlichen Mehrwert für das verfolgte Ziel verbunden ist. Dies ist vorliegend fraglich. Bezweifelt werden darf bereits, ob die einschlägigen Messengerdienste bislang überhaupt eine tragende Rolle bei der Verbreitung kinderpornografischer Dateien gespielt haben. Selbst wenn man dies bejaht, liegt die Vermutung nahe, dass die Dienste spätestens dann nicht mehr zur Verbreitung der Dateien genutzt werden, wenn bekannt ist, dass die Anbieter die Chatkontrolle zuverlässig durchführen."[2]
„Aus vorgenannten Gründen ist jedoch fraglich, ob der aktuelle Verordnungs-entwurf für das bezweckte Vorhaben überhaupt einen Mehrwert darstellt. Vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zur Vorratsdaten-speicherung ist davon auszugehen, dass an die Verordnung 2022/0155 (COD) hohe Anforderungen zu stellen sind und der Verordnungsentwurf in seiner aktuellen Fassung so nicht in Kraft treten dürfte. Es erscheint unwahrscheinlich, dass eine grundsätzliche Überwachung von Individual-kommunikation der Überprüfung der (europäischen) Grundrechte standhalten würde. Zudem wäre eine Ausweitung der Überwachung auch auf andere Bereiche möglich und zu befürchten. Ausgehend von den genannten Aspekten und Problemen, sieht der aktuelle Verordnungsentwurf unverhältnismäßige Eingriffe in die geprüften Grundrechte der GRCh vor. Zudem sind bislang viele Fragen und Anforderungen an die Chatkontrolle, insbesondere das konkrete Verfahren im Hinblick auf Ende-zu-Ende verschlüsselte Dienste, noch offen geblieben und bedürfen der Klärung,"[3]
schlussfolgern die wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages.
In der Sitzung des EU-Unterausschusses am 3. November 2022 wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dass die Bundesregierung ersucht wird,
„im Rahmen der Verhandlungen für eine Verordnung zur Festlegung von Vorschriften für die Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (COM(2022) 209 final) für die Sicherstellung einer grundrechts-konformen Ausgestaltung dieser Verordnung aktiv einzusetzen und der genannten Verordnung nur zuzustimmen, wenn sichergestellt ist, dass diese grundrechtskonform – im Sinne des Fließtextes – ausgestaltet ist."[4]
Umso verwunderlicher war es zu lesen, dass sich das ÖVP-geführte Innenministerium in Brüssel für die Chatkontrolle ausspricht und diesen zustimmen möchte – trotz der massiven Bedrohung einer anlasslosen Massenüberwachung.[5]
Die Überwachungspläne der EU-Kommission treffen nur völlig unbescholtene Bürger, beschneiden die Meinungsfreiheit und verletzen weitere Grundrechte. Folgerichtig sind diese abzulehnen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der Institutionen der Europäischen Union gegen die von der Europäischen Kommission geplanten Chatkontrolle sowie gegen jedwede andere Form der anlasslosen Massenüberwachung unbescholtener Bürger auszusprechen und diesbezügliche Gesetzesvorschläge abzulehnen."
In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Ausschuss für Menschenrechte und Volksanwaltschaft zuzuweisen.
[1] vgl https://www.derstandard.at/story/2000139851787/messenger-ueberwachung-eu-abgeordnete-ueben-scharfe-kritik-an-gesetzesentwurf
[2] https://www.bundestag.de/resource/blob/914580/9eba1ff3a5daa7708fca92e3184a1ae3/WD-10-026-22-pdf-data.pdf, S. 16
[3] https://www.bundestag.de/resource/blob/914580/9eba1ff3a5daa7708fca92e3184a1ae3/WD-10-026-22-pdf-data.pdf, S. 19
[4] V-16 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP. Beratungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union. Auszugsweise Darstellung vom 3. November 2022, S. 10
[5] vgl https://www.derstandard.at/story/3000000224594/messenger-ueberwachung-einigung-auf-chatkontrolle-in-eu-steht-offenbar-kurz-bevor