192/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 27.03.2025
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Parlamentarische Materialien

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Meri Disoski, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Unterstützung für Serbiens Demokratiebewegung

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Am 1. November 2024 stürzte das Vordach des neu rekonstruierten Bahnhofs in Novi Sad, der zweitgrößten Stadt Serbiens, ein. Trümmer hatten Dutzende Menschen unter sich begraben. 15 Menschen wurden getötet. Für die Renovierungsarbeiten waren zwei chinesische Firmen zuständig, engagiert wurden allerdings auch mehrere serbische Unternehmen, die laut Medien für ihre guten Kontakte zur Politik bekannt sind. Offenbar ist auch ein Teil der öffentlichen Gelder für den Bahnhofsumbau verschwunden und auf politischen Druck hin wurde wohl ein Teil des Bahnhofs zur geplanten Einweihungsfeier im Juli 2024 eröffnet, obwohl noch keine Betriebserlaubnis vorlag. Die Katastrophe hat die größten Proteste gegen die Regierung von Alexandar Vučić in Serbien seit dem Sturz von Slobodan Milošević im Jahr 2000 ausgelöst. Die Demonstrierenden, angeführt von Studierenden, sehen den tragischen Vorfall als direkte Folge von Korruption auf höchster Ebene und fordern Transparenz und Rechenschaftspflicht.

 

Auch wenn Präsident Aleksandar Vučić und der kürzlich zurückgetretene Premier Miloš Vučević, der auch ehemaliger Bürgermeister von Novi Sad ist, bisher wiederholt beteuerten, dass die gesamte Dokumentation bereits veröffentlicht worden sei, hält die Kritik an, dass wichtige Unterlagen weiterhin fehlen.[1] Die Arbeiten am Bahnhof in Novi Sad waren von einem chinesischen Konsortium durchgeführt worden, laut Medienberichten hatte dieses das Vordach nicht erneuert und auch keine Prüfung von dessen Stabilität durchgeführt.

 

Am 25. Februar 2025 führten Mitglieder der Kriminalpolizeidirektion auf Anordnung der Sonderabteilung für Korruptionsbekämpfung der Oberstaatsanwaltschaft in Belgrad eine Razzia in den Räumlichkeiten von fünf Nichtregierungsorganisationen durch: Civic Initiatives, CRTA, Trag Foundation, Center for Practical Politics und der Nationale Jugendrat Serbiens. Anlass für die serbische Staatsanwaltschaft sollen Aussagen amerikanischer Beamter gegen USAID sein. Die Razzia erfolgte laut Civic Initiatives zu einem Zeitpunkt, in dem die Regierung die aktuellen Proteste in Serbien als Versuch einer „farbigen Revolution“ darstellten, nach einer monatelangen Hetzkampagne u.a. von Boulevardzeitungen gegen die Zivilgesellschaft, die lautstark auf alle Menschenrechtsverletzungen und Unregelmäßigkeiten in der Arbeit der Behörden hinweist.

 

Zudem gibt es nun eine erste Anklage im Zusammenhang mit Umweltprotesten gegen den Lithiumabbau in Serbien. Gegen einen Aktivisten der Vereinigung „Ne damo Jadar“ wurde im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Blockade des Bahnübergangs eine Haftstrafe von 14 Monaten beantragt.

 

Am Samstag, 15.3.2025 fand die größte Demonstration der Protestbewegung statt, die inzwischen das ganze Land erfasst hat. Die Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen reichen von 225.000 bis 325.000 Menschen. Auf Videos ist zu sehen, wie es während einer geplanten 15-minütigen Gedenkzeremonie für die fünfzehn Opfer des Dacheinsturzes am Bahnhof Novi Sad zu Panik unter den Demonstrierenden kommt, die versuchen, an den Straßenrand zu kommen. Ein extrem schriller Ton ist zu hören. Expert:innen sprechen vom Einsatz einer verbotenen Schallwaffe.[2] Mehr als 3.000 Aussagen von Teilnehmer:innen der Demonstration wurden bisweilen gesammelt, um eine solche akustische Waffe zu belegen. Präsident Vučić hingegen spricht von einer Lüge. Stattdessen sollen jene verfolgt werden, „die mit solchen Täuschungen in die Öffentlichkeit gegangen sind und die Bürger beunruhigt haben".[3] Nach einer Recherche von Balkan Insight Research Networks[4] soll eine ähnliche Schallkanone bereits im November 2023 gegen Geflüchtete in der Vorstadt der Stadt Sombor unweit der kroatischen und ungarischen Grenze zur Anwendung gekommen sein.

 

Die Europäische Union muss dringend handeln: Die serbische Zivilgesellschaft braucht unsere Unterstützung im Kampf gegen Repression. Rechtstaatlichkeit und unsere demokratischen Werte stehen auf dem Spiel, bedroht durch die immer autoritärer agierende Regierung Serbiens, wenn wir nicht rechtzeitig gegensteuern und die demokratischen Kräfte unterstützen. Wir müssen hier als EU und Österreich in der EU klar Stellung beziehen und spürbare Konsequenzen vorbereiten und in weiterer Folge beschließen, sollte es kein Umdenken der serbischen Regierung im Umgang mit den Protestierenden geben.

 

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere die Ministerin für europäische und internationale Angelegenheiten, wird aufgefordert,

 

·         sich bilateral, sowie auf europäischer und internationaler Ebene dafür einzusetzen, dass eine unabhängige internationale Kommission mit der Untersuchung und Dokumentation bezüglich des möglichen Einsatzes einer Schallwaffe während der friedlichen Demonstrationen am 15.3.2025 in Belgrad beauftragt wird und jene, die für die Anwendung dieser Waffe gegen die Demonstrierenden verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden;

 

·         sich bilateral, sowie auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass volle Transparenz zu den Hintergründen des Einsturzes des Vordachs des neu gebauten Bahnhofs in Novi Sad am 1. November 2024, bei dem 15 Menschen starben, hergestellt wird, und die verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen werden;

 

·         die Angriffe der serbischen Regierung gegen die friedlich Protestierenden klar und deutlich zu verurteilen und einzufordern, dass die Sicherheit der Protestteilnehmer:innen gewährleistet wird;

 

·         sich auf europäischer Ebene für gemeinsame Gespräche mit der serbischen Regierung einzusetzen, um die Repressionen gegen die serbische Zivilbevölkerung zu thematisieren und Konsequenzen anzukündigen, wenn die Regierung weiterhin außerhalb des rechtstaatlichen Rahmens agiert;

 

·         sich auf europäischer Ebene für gemeinsame Gespräche mit der serbischen Regierung einzusetzen, um Korruptionsbekämpfung, die Umsetzung von Rechtsstaatlichkeit und die Bestrafung von korrupten Akteur:innen anzusprechen;

 

·         sich auf europäischer Ebene in Folge für die Vorbereitung von möglichen spürbaren Konsequenzen für die serbische Regierung inner- und außerhalb des formalen EU-Beitrittsverfahrens einzusetzen;

 

·         insbesondere auf europäischer Ebene Initiativen zu setzen, um die serbische Zivilgesellschaft auf allen Ebenen zu unterstützen, und finanzielle Schnellhilfe zu leisten, um dem Stopp der USAID Zahlungen entgegenzuwirken;

 

·         sich dafür einzusetzen, dass die Europäische Union, insbesondere die Europäische Kommission und das Europäische Parlament, eine Mediation zwischen den politischen Kräften in Serbien anbieten, um faire und freie Neuwahlen in den nächsten zwölf Monaten zu unterstützen;

 

·         sich auf europäischer Ebene für ein verstärktes Engagement der EU in den Bereichen Bildung, kultureller Austausch und Finanzierung einzusetzen, um gerade für junge Menschen die europäische Perspektive erlebbar zu machen.“

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuss vorgeschlagen.



[1] https://www.diepresse.com/19334642/toedliches-bahnhofsunglueck-in-novi-sad-expertengruppe-sieht-ohrenbetaeubende-korruption (17.03.2025)

[2] https://www.derstandard.at/story/3000000261800/schallkanone-was-ueber-den-einsatz-der-waffe-in-belgrad-bekannt-ist (19.3.2025)

[3] https://kurier.at/politik/ausland/serbien-schallwaffe-schallkanone-belgrad-demonstration-fbi/403023326 (19.3.2025)

[4] https://birn.rs/srpska-policija-zvucno-oruzje-migranti-sombor/