201/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 24.04.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Parlamentarische Materialien
der Abgeordneten Alma Zadic, Freundinnen und Freunde
betreffend Ausweitung des elektronisch überwachten Hausarrests
BEGRÜNDUNG
Aktuelle Entwicklungen und neu auftretende Probleme in der Vollzugspraxis erfordern regelmäßig Anpassungen des Strafvollzugsrechts. Die Belagssituation in den Justizanstalten ist derzeit angespannt. Mit Stand 1. April 2025 betrug der Insass:innenstand in allen Justizanstalten 9.887 Personen. Gleichzeitig bestehen im Bereich des Strafvollzugspersonals zunehmend demographische Herausforderungen. Die Justiz steht dabei mit zahlreichen anderen Bereichen im Wettbewerb um geeignetes Personal. Dringend notwendige, nicht verschiebbare Sanierungsprojekte in mehreren Anstalten stellen Herausforderungen für das Personal und die Insass:innen dar.
Der elektronisch überwachte Hausarrest („Fußfessel“, in der Folge „eüH“ genannt) wurde im Herbst 2010 in Österreich eingeführt. Grundsätzlich kommen für diese Vollzugsform Personen in Frage, die ausreichend sozial integriert sind und deren zu verbüßende (Rest-)Strafe (voraussichtlich) zwölf Monate nicht übersteigt. Der eüH kann den Vollzug in der Justizanstalt zur Gänze ersetzen („Frontdoor-Variante“) oder aber verkürzen („Backdoor-Variante“). Die Entscheidung über die Gewährung des eüH trifft die jeweilige Leitung der Justizanstalt als Vollzugsbehörde. Es müssen zahlreiche Voraussetzungen erfüllt werden, deren Vorliegen genau geprüft wird, darunter etwa geeignete Unterkunft, Beschäftigung, Einkommen und Wohlverhaltensprognose (§§ 156b ff StVG). Die überwachten Personen tragen einen Funksender am Knöchel. Für Sexualstraftaten gibt es gesonderte Regeln. Mit Stand 1. April 2025 befanden sich 388 Insass:innen in Österreich im eüH.
Mit dem elektronisch überwachten Hausarrest sollen Insass:innen die Möglichkeit haben, entweder in ihrem sozialen Umfeld zu bleiben oder einen fließenden Übergang aus der Haft zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu bekommen. Damit sollen negative Auswirkungen von Haft vermieden und Stigmatisierung sowie Haftschäden verhindert werden. Im eüH erfolgt zudem eine Betreuung durch Sozialarbeiter:innen.
Im Frühling 2020 wurde im BMJ eine Arbeitsgruppe namhafter Expert:innen eingesetzt, um (weitere) Formen der Ressourcenoptimierung und zielgerichteten Vollzugsplanung für eine effektive Resozialisierung zu erarbeiten. Im Februar 2021 erstattete die Arbeitsgruppe ihren Abschlussbericht (Abschlussbericht Arbeitsgruppe „Strafvollzugspaket – NEU / Sichere Wege aus der Kriminalität“.) Die Arbeitsgruppe beschäftigte sich u.a. mit dem eüH:
„Im Jahr 2019 wurden 5,58% der Hafttage im elektronisch überwachten Hausarrest verbracht (dies entspricht in absoluten Zahlen 126.509 Hafttagen). Seit Einführung des elektronisch überwachten Hausarrests mit 1. September 2010 wurden bis zum 31. Dezember 2019 insgesamt 914.000 Hafttage im elektronisch überwachten Hausarrest verbracht.
Vergleicht man die Kosten eines Hafttages in einer Justizanstalt (rund EUR 130,00 im Jahr 2019) und die Kosten eines Tages im elektronisch überwachten Hausarrest (rund EUR 12,00 Nettoaufwand ohne Personalkosten der Überwachungszentrale), so gelangt man zu dem Ergebnis, dass ein Hafttag im elektronisch überwachten Hausarrest der günstigste Hafttag in Österreich ist.“
Unter Expert:innen besteht die einhellige Meinung, dass der eÜH besser zur Resozialisierung von Strafgefangenen beiträgt. Die Arbeitsgruppe empfahl folgerichtig wie auch Volksanwaltschaft und Rechnungshof die Erweiterung dieser Vollzugsform auf (voraussichtlich noch) zu verbüßende Freiheitsstrafen von bis zu 24 Monaten, unter gleichzeitiger Schaffung flankierender Maßnahmen.
Laut Volksanwältin Gaby Schwarz würde die Möglichkeit, den elektronisch überwachten Hausarrest auf Strafzeiten von bis zu 18 oder 24 Monaten auszudehnen, „eine eklatante Entlastung der Justizanstalten“[1] bewirken. „Es wäre vernünftig, das rasch auf den Weg zu bringen“[2], so Schwarz zur Ausweitung der Fußfessel.
Die Antragsteller:innen fordern deshalb als sofortige Maßnahme zur Entlastung der Justizanstalten und als evidenzbasierte Maßnahme im Sinne der bestmöglichen Resozialisierung der Insass:innen die Ausweitung des eüH auf Fälle mit einer zu verbüßenden Reststrafzeit von 24 Monaten. Ausgenommen von dieser Erweiterung sollen jedoch Strafen bleiben, die wegen schwerer Sexual- oder Gewaltdelikte oder terroristischer Straftaten ausgesprochen wurden. Zur Unterstützung des eüH sollen entsprechend der Stellungnahmen der Expert:innen begleitende Schritte (Vollzugslockerungen analog dem regulären Vollzug in der Anstalt sowie Involvierung der Bewährungshilfe) gesetzt werden. Zur Schaffung der notwendigen Voraussetzungen und Kapazitäten soll eine (maximal) einjährige Legisvakanz dienen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Novelle des Strafvollzugsgesetzes vorzulegen, die eine Ausweitung des Vollzugs der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests auf Fälle zu verbüßender oder noch zu verbüßender Strafzeit von 24 Monaten samt notwendiger begleitender Schritte vorsieht. In der Novelle ist eine maximal einjährige Legisvakanz zur Schaffung der nötigen personellen und organisatorischen Voraussetzungen vorzusehen.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.