211/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 24.04.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Süleyman Zorba, Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend Raus aus der digitalen Abhängigkeit - Digitale Souveränität muss in Schulen beginnen

 

 

BEGRÜNDUNG

 

 

Digitale Souveränität ist kein abstraktes Zukunftsthema, sondern – wie sich auch aktuell zeigt - eine unverzichtbare Grundlage für die Unabhängigkeit unserer Wirtschaft, unserer Demokratie und auch unserer Schulen. Dabei muss diese digitale Souveränität ganz besonders in Schulen beginnen: Das jahrelange Anlernen und Einüben proprietärer Systeme in Schulen erschwert einen späteren Umstieg.

Doch aktuell dominieren proprietäre Systeme wie Microsoft 365 oder Google Classroom den Schulalltag. Abgesehen von der Abhängigkeit, die so immer weiter zementiert wird, abgesehen von den massiven Wettbewerbsverzerrungen, die sich dadurch ergeben, gibt es auch erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken. So belegen Studien, dass der Einsatz von Microsoft- oder Google-Produkten rechtskonforme Datenverarbeitung faktisch unmöglich macht.[1]

Die Datenschutz-Organisation noyb hat im Sommer 2024 zwei Beschwerden bei der DSB gegen die Nutzung von Microsoft-Software zu Unterrichtszwecken eingebracht.  Noyb schreibt zum Hintergrund der Beschwerden: „Die Analyse der Datenströme ist sehr besorgniserregend. Microsoft 365 Education scheint Nutzer:innen unabhängig von ihrem Alter zu verfolgen. Von dieser Praxis sind wahrscheinlich hunderttausende Schüler:innen und Studierende in der EU und im EWR-Raum betroffen.“

Die dominierenden proprietären Systeme außereuropäischer Anbieter sind somit nicht nur mit teuren Lizenzverträgen verbunden sondern führen auch zu massiven Datensammlungen über die jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft. Dabei können sich weder Eltern noch Kinder dieser Datensammlung entziehen.

Schulen stehen jetzt am Scheideweg: Entweder sie perpetuieren die Abhängigkeit von außereuropäischen Tech-Konzernen – oder sie ergreifen die Chance, durch Open Source-Systeme Bildungsautonomie, digitale Souveränität und Datenschutz konsequent umzusetzen. Fakt ist, es gibt Open Source Alternativen zu den weit verbreiteten proprietären Systemen[2] – etwa Linux for Education statt Microsoft.[3]

Im Regierungsprogramm findet sich dennoch wenig zu Plänen, Open Source in Schulen zu forcieren. Im Bildungskapitel gibt es dazu keine Überschriften und auch im Jugendkapitel beschränken sich die Regierungsparteien auf die kursorische Ankündigung: „Strategie zur digitalen Souveränität von Jugendlichen“ (S 107 des Regierungsprogramms).

Anlässlich einer parlamentarischen Anfrage zur Nutzung von Microsoft und Google an Schulen aus dem Jahr 2022[4] hat Bildungsminister a.D. Polaschek festgehalten, dass Lehrer:innen die digitalen Werkzeuge, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit einsetzen, selbstverantwortlich wählen würden. Weiters wurde ausgeführt: „Die Einführung von Softwareprodukten und Anwendungen erfolgt schulautonom“ (Seite 7 der Anfragebeantwortung).[5]

In den „Empfehlungen zur Nutzung digitaler Technologie an Schulstandorten“ des Bildungsministeriums wird festgehalten, dass das Bildungsministerium als Erhalter für Bundesschulen zentral beschaffte Softwarelizenzen für die Ausbildung auf schuleigenen Geräten den Bundesschulstandorten zur Verfügung stellt, insbesondere „Betriebssystem und Office-Anwendungen, z. B. MS-ACH (Microsoft)“.

Im Hinblick auf die Endgeräte, die im Rahmen der Geräteinitiative an Schüler:innen der 5. Schulstufe ausgegeben werden, wird auf der Website von OEAD Digitales Lernen im Bereich Gerätemanagement festgehalten: „Die Software-Lösungen zur Verwaltung der digitalen Geräte (Microsoft Intune bzw. Google Workspace for Education) sind Teil eines Unterstützungsangebotes des BMBWF, welches durch ergänzende Maßnahmen begleitet wird (vgl. SchulDigiG). Andere Software kann auch verwendet werden, muss jedoch am Standort bzw. in Absprache mit den Bildungsdirektionen organisiert werden.“[6]

Damit wird also die Verantwortung auf einzelne Lehrkräfte und auf Schulleiter:innen ausgelagert. Gleichzeitig wird die Verwendung von proprietärer Software stark erleichtert und unterstützt, während es aber kaum Impulse für eine proaktive Förderung nicht-proprietärer Systeme, etwa Open Source Software gibt. Das müssen sich Lehrkräfte und Schulleiter:innen zu allen zusätzlichen Aufgaben, die sie haben „am Standort organisieren“.

Auf eine konkrete Bedarfsanalyse wird im Bildungsministerium verzichtet, die Schulen werden mit Produkten und Diensten proprietärer außereuropäischer Konzerne ‚beglückt‘ und in Folge wird auch keine besondere Awareness bezüglich Datenschutz an den Schulstandorten hergestellt. Mit Verweis auf die Schulautonomie wird immer weiter die Verwendung von Microsoft-Produkten perpetuiert – Umstiegsalternativen werden nicht gefördert, weder durch Wissensaufbau, noch finanziell noch personell. Wie Schulen die Einhaltung des Datenschutzes bei Black-Box-Systemen von Microsoft oder Google kontrollieren sollen, ist völlig ungeklärt.

Dabei hat Österreich bereits einige Erfolgsmodelle basierend auf Open Source vorzuweisen, auf denen aufgesetzt werden könnte: Die Lernplattform eduvidual.at basierend auf der Open Source Software Moddle oder die eduthek oder desktop4education. Doch diese Leuchtturmprojekte kämpfen gegen strukturelle Benachteiligung, denn millionenschwere Budgets gehen laufend in Microsoft-Lizenzen.[7] Das ergibt auch eine Anfragebeantwortung des Bildungsministeriums aus dem Jahr 2021.[8]

Aktuell zeigt sich zudem, dass wir im Hinblick auf Datenschutz beim Einsatz von US-Produkten vor einem möglichen Kollaps stehen: Sollte der US-Präsident nach einer Reihe anderer Abkommen auch das Transatlantic Data Privacy Framework (TADPF) kippen, dann wäre das das definitive Aus für DSGVO-konforme Datentransfers zwischen der EU und den USA.[9] Dabei steht dieses TADPF ohnehin auf tönernen Füßen, ist doch höchst fraglich, ob es im Fall einer Klage vor dem EuGH überhaupt halten könnte. All das erfordert zwingend auch erneute Risikoabschätzungen nach Art. 32 DSGVO.

Somit ist klar: Jetzt ist die Zeit, Bildung nicht als Markt, sondern als öffentliches Angebot zu denken, das frei, souverän, datenschutz- und demokratiekonform sein muss.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, wird aufgefordert,

·         eine Risikoabschätzung gem Art 32 DSGVO für den Einsatz von außereuropäischer Software, insbesondere von Microsoft oder Google, in Schulen basierend auf der aktuellen Situation durchzuführen;

·         Datenschutzbeauftragte an den Schulen sowie Schulleiter:innen proaktiv über datenschutzrechtliche Bedenken im Hinblick auf den Einsatz proprietärer Software außereuropäischer Konzerne, etwa von Microsoft oder Google, zu informieren;

·         Hardware-, Netzwerk- und Systembetreuer:innen, Informatik-Kustod:innen und Schulleiter:innen sowie Lehrkräfte proaktiv über Open-Source-Alternativen zu proprietärer Software, etwa Linux for Education, und deren Vorteile zu informieren sowie Einschulungen und Fortbildungen dazu anzubieten;

·         in Ausschreibungen die Quelloffenheit von Software als Qualitätskriterium vorzusehen;

·         zusätzliches IT-Personal für die laufend steigenden IT-Anforderungen in Schulen bereit zu stellen und so Lehrkräfte zu entlasten.“

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Bildungsausschuss vorgeschlagen.



[1] https://journals.univie.ac.at/index.php/mp/article/download/7844/7939/21256

[2] zB https://linux-bildung.at/osos-projekte/

[3] https://linux-bildung.at/empfehlungsecke/life-linux-for-education/

[4] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/J/11569/fnameorig_1458286.html

[5] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/AB/11314/imfname_1466451.pdf

[6] https://digitaleslernen.oead.at/de/fuer-schulen/geraetemanagement-mdm

[7] https://epicenter.works/content/datenschutz-im-bildungsbereich-schuelerinnendaten-in-den-haenden-von-big-tech-teil-2

[8] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/AB/5703/imfname_955214.pdf

[9] https://www.heise.de/news/Rechtssichere-Nutzung-von-US-Clouddiensten-BDI-warnt-vor-Aus-fuer-Abkommen-10333816.html, https://noyb.eu/de/us-cloud-soon-illegal-trump-punches-first-hole-eu-us-data-deal