223/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 24.04.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Mag. Marie-Christine Giuliani-Sterrer, BA
und weiterer Abgeordneter
betreffend Widerspruch gegen die Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO
Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften: Ausweitung der Kompetenzen des Generaldirektors der WHO
Am 1. Juni 2024 wurden im Rahmen der 77. Weltgesundheitsversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) umfassende Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) verabschiedet. Erklärtes Ziel der Reform war eine schnellere und besser koordinierte internationale Reaktion auf Gesundheitskrisen.
Dabei wurden jedoch Verfahrensvorschriften verletzt: Gemäß Artikel 55 der IGV müssen Änderungsvorschläge den Mitgliedstaaten mindestens vier Monate vor Annahme zur Verfügung stehen. Da die Entwurfsfassungen jedoch mehrfach – und zwar bis kurz vor der Beschlussfassung – geändert wurden, ist der Beschluss formal rechtwidrig zustande gekommen.
Inhaltlich ist besonders hervorzuheben, dass gemäß Artikel 12ff IGV der WHO-Generaldirektor künftig eigenständig eine pandemische Notlage ausrufen und entsprechende Maßnahmen anregen kann, ohne die Zustimmung der betroffenen Staaten einholen zu müssen. Darunter fallen potenziell tiefgreifende Eingriffe, etwa Empfehlungen zu Reise- und Handelsbeschränkungen, Ausgehsperren oder Impf-empfehlungen. Hervorzuheben ist, dass die pandemische Notlage nicht mit der epidemiologischen Definition einer „Pandemie“ gleichgesetzt wird, sondern breiter zu verstehen ist. Es soll bewusst bereits vor dem Vorliegen einer Pandemie dem WHO-Generaldirektor ermöglichen, weitreichende Aktionen zu setzen. Dies unter dem Vorwand, Pandemien besser und schneller vorzubeugen, damit es gar nicht zum Ausbruch einer Pandemie kommt. Faktisch weitet es jedoch die Entscheidungs-befugnis des Generaldirektors der WHO enorm aus und würde auch beinahe willkürliches Ausrufen von Notlagen rechtlich legitimieren.
Kontrollmechanismen sind dabei keine vorgesehen. Selbst eine offensichtlich falsche Entscheidung des Generaldirektors der WHO ist der Überprüfung durch ein unabhängiges Gericht oder vergleichbare Kontrolleinrichtung entzogen.
Die von der WHO vorgesehenen mit Fachleuten besetzten Gremien stellen dies-bezüglich kein wirksames Gegengewicht dar, zumal der Generaldirektor Einfluss auf die Besetzung dieser Gremien hat (vgl. Artikel 47ff IGV).
Finanzierung der WHO
Neben der ohnehin schon auffallenden Problematik dieser monokratischen Entscheidungsgewalt des Generaldirektors der WHO sollte auch die Finanzierung der WHO im Blick behalten werden.
Anders als in ihren frühen Jahren finanziert sich die WHO derzeit nur zu knapp 16 % über Beiträge der Mitgliedstaaten. Über 77 % der Mittel sind dagegen freiwillige Spenden.[1]
Von diesen Spenden sind rund 71 % zweckgebunden, der Spender entscheidet sohin, wofür die Gelder zu verwenden sind und damit ist ein großer Einfluss auf die WHO nicht auszuschließen, nach dem Motto „wer zahlt, schafft an". Typischerweise ist eine Einzelperson dabei wesentlich einfacher zu beeinflussen als breit gefächerte fachmännische Gremien, die von unterschiedlichen Stellen bestellt und weitgehend unabhängig sind.
Unter dem Einfluss der Bill & Melinda Gates Foundation stehen beispielsweise über 16 % der Gelder der WHO (bzw. 23 % der zweckgebundenen Spenden).1 Dies ist insofern brisant, als Bill Gates schon beim Weltwirtschaftsforum 2019 mitgeteilt, dass er den größten Gewinn auf investiertes Kapital aus der Impfindustrie erzielt hat, nämlich wuchs sein diesbezügliches Investment um das Zwanzigfache.[2] Ein enormes wirtschaftliches Interesse an einem wirtschaftlichen Aufschwung der Impfindustrie ist daher nicht von der Hand zu weisen.
Auswirkungen einer Pandemie auf die Zulassung von Arzneimitteln
Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Ausrufen einer Pandemie erhebliche Auswirkungen auf die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Zulassung neuer Arzneimittel und Impfstoffe haben kann – insbesondere im Hinblick auf die Voraus-setzungen sowie die Dauer des Zulassungsverfahrens. Für Pharmaunternehmen kann es aus wirtschaftlicher Perspektive von erheblichem Vorteil sein, wenn ein von ihnen entwickeltes Produkt im Kontext einer Pandemie zur Anwendung kommen soll und eine solche Pandemie während des laufenden Zulassungsverfahrens deklariert wird. In solchen Fällen kann es – wie bereits während der COVID-19-Pandemie – zu einer signifikanten Verkürzung der sonst üblichen Zulassungsdauer kommen. Statt eines regulären Zeitraums von 10 bis 15 Jahren wurde die Zulassung einzelner Impfstoffe damals innerhalb weniger Monate erteilt.
Da der Patentschutz bereits mit der Anmeldung – nicht erst mit der Marktzulassung – beginnt, führt ein beschleunigtes Zulassungsverfahren auch dazu, dass der patentrechtliche Schutz über einen entsprechend längeren Zeitraum während der Vermarktung besteht. Auch dies hat weitreichende wirtschaftliche Implikationen für die betreffenden Unternehmen.
Vor diesem Hintergrund werfen die erweiterten Befugnisse des WHO-Generaldirektors Fragen hinsichtlich Machtkonzentration und potenzieller Interessenkonflikte auf – insbesondere vor dem Umstand, dass ein erheblicher Teil der WHO-Finanzierung auf freiwilligen Beiträgen privater und institutioneller Geber beruht, deren wirtschaftliche Interessen nicht immer zwangsläufig mit dem öffentlichen Gesundheitswohl deckungsgleich sein müssen.
Einfluss der WHO
Zwar verfügt die WHO über keine operativen Eingriffsmechanismen oder Exekutiv-gewalt gegenüber ihren Mitgliedstaaten. Dennoch kann sie über politische und diplomatische Mittel erheblichen Druck ausüben – insbesondere im Wege interner Abstimmungen, öffentlicher Kritik oder gezielter Einflussnahme durch andere, konform agierende Mitgliedstaaten. Ein solches an den Pranger stellen von ungehorsamen Mitgliedern hat sich bereits während der COVID-19-Pandemie als durchaus wirkungs-voll erwiesen und stellt auch ein Reputationsschaden eine unangenehme Konsequenz dar.
Hinzu kommt, dass sich viele Regierungen in ihrer politischen Praxis auf die Empfehlungen der WHO stützen, um weitreichende Maßnahmen zu rechtfertigen. Diese Dynamik erleichtert es nationalen Entscheidungsträgern, die Verantwortung für einschneidende politische Entscheidungen zumindest teilweise auf die WHO zu übertragen – mit dem Verweis auf internationale Verpflichtungen und wissenschaftliche Empfehlungen.
Widerspruchsrecht der Mitgliedsstaaten
Die genannten Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), die dem WHO-Generaldirektor weitreichende Entscheidungsbefugnisse einräumen, wurden formell beschlossen. Allerdings steht es jedem Mitgliedstaat frei, innerhalb von zehn Monaten ab dem Zeitpunkt der Beschlussfassung Widerspruch gegen die Änderungen einzulegen. Die Einspruchsfrist beginnt mit der Notifizierung durch den Generaldirektor der WHO. Laut der Antwort auf die parlamentarische Anfrage beim EU-Parlament zu E-001627/2024 fand die Notifizierung am 19. September 2024 statt. Die Frist endet sohin am 19. Juli 2025.
Erfolgt ein solcher Widerspruch fristgerecht, treten die neuen Regelungen für den betreffenden Staat nicht in Kraft.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, gegen die am 01.06.2024 beschlossenen Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) der WHO fristwahrend Widerspruch zu erheben.“
In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Gesundheitsausschuss zuzuweisen.